Gesundheitspress - Selbsthilfe und Krankenhaus - Magazin für und über Selbsthilfe in Mannheim, Heidelberg und der Region Ausgabe 48 ...

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Gesundheitspress - Selbsthilfe und Krankenhaus - Magazin für und über Selbsthilfe in Mannheim, Heidelberg und der Region Ausgabe 48 ...
gesundheitspress        Magazin für und über Selbsthilfe in Mannheim, Heidelberg und der Region
                                                              Ausgabe 48 – Herbst/Winter 2014

Medizinstudierende studieren Selbsthilfe
Spastikerverein wird 50
Wegweiser zu onkologischen Gruppen

Selbsthilfe und Krankenhaus                                                                   1
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Inhalt

                        31                        22                                 19                                                               30
Schwerpunkt: Selbsthilfe und Krankenhaus
Höhere Lebensqualität, verständigere Patienten___________                 4  Gesundheitstreffpunkt Mannheim aktuell
Was nicht im Blickfeld der Ärzte ist____________________                  5
                                                                             Dialog Selbsthilfe und Pflege_______________________24
Bauchspeicheldrüsen-Erkrankten Mut machen____________                     6
                                                                             Warum nicht gleich eine Vorsorgevollmacht?___________24
Zeigen, dass Stillstand Erfolg ist______________________                  7
                                                                             Austauschtreffen________________________________24
Wo es schwierig werden kann________________________                       8
                                                                             Es gibt vieles, das wichtiger ist als Goldmedaillen_______25
Es lässt sich auch ohne Kehlkopf gut leben______________                  8
                                                                             Dankeschön fürs Engagement______________________25
Lebertransplantiert – was nun?_______________________                     9
Selbsthilfesprechstunde im Klinikum: Prostatakrebs________                10 Heidelberger Selbsthilfebüro aktuell
Immer wieder montags: Selbsthilfe-Sprechzeiten
der Rheuma-Liga im UMM-Büro______________________                         11    Selbsthilfe macht selbstbewusst____________________26
Im Tandem mit der Ärzteschaft_______________________                      11    Seminare für Selbsthilfegruppen und Vernetzungstreffen __27
Wenn die Patienten wieder lächeln_____________________                    12    Filmveranstaltung _______________________________27
Wo im Krankenhaus finden Sie Infos der Selbsthilfegruppen__               13    Neu erschienen: Jahresbericht _____________________27
Selbsthilfe beteiligt sich an Aus- und Weiterbildung________              14
                                                                                 Nachrichten
Medizinerausbildung in Heidelberg – selbsthilfeorientiert!____            14
Infos aus erster Hand______________________________                       14     Ein Vorbild für soziales Engagement_________________28
Gemeinsames Ziel: Selbstständigkeit von Krebskranken?____                 15     Zeichen für Patientenorientierung: ___________________28
Alltagsbewältigung für Betroffene_____________________                    16     Wie den Tag ohne Suchtmittel durchstehen?___________29
Medizinstudenten lernen durch Patienten________________                   16     Selbsthilfetag am ZI – Gruppen stellen sich vor_________29
Borderliner im ZI: Bedenken längst zerstreut______________                17     Mood-Tour____________________________________30
Depression: Nähe zur Klinik bringt Vorteile_______________                17     Land stimmt Engagement-Strategie zu________________30
Ausgezeichnet als Selbsthilfefreundliches Krankenhaus ____                18
Offene Türen für die Selbsthilfe am NCT_________________                  19     Selbsthilfe aktuell
Wie Selbsthilfegruppen mit der UMM zusammenarbeiten_________              20     Von Vorfällen und Rückfällen_______________________31
Selbsthilfe am ZI__________________________________                       21     Frauen mit Borderline gesucht______________________31
Infostand der Selbsthilfegruppen am ZI_________________                   21     Leben ohne Kinder______________________________32
Kreuzbundgruppen in Suchtkliniken____________________                     22     Umzug schafft Raum für Neues_____________________32
Suchtselbsthilfe auch im Akutkrankenhaus______________                    22     20 Jahre mutige „Endomäuse Heidelberg“_____________33
Selbsthilfegruppe Lungenkrebs und Projekt „ohnekippe“____                 23     Empfehlung für Darmkrebs-Vorsorge ________________33
Faltblatt der onkologischen Selbsthilfegruppe erschienen ___              23     50 Jahre und kein bisschen müde___________________34
                                                                                 Kooperation führt zu neuer Selbsthilfegruppe __________34
                                                                                 Infos
                                                                                Selbsthilfebörse________________________________35
                                                                                A-Z der Selbsthilfeguppen in der Region ______________36
                     15                                                  28     Termine ______________________________________38

  IMPRESSUM
  Herausgeber: Gesundheitstreffpunkt Mannheim, Alphornstr. 2a, 68169 Mannheim,                Danke für die Unterstützung! Der Gesundheitstreffpunkt und
  Tel. 0621 - 3 39 18 18, gesundheitstreffpunkt-mannheim@t-online.de,www.gesund-              das Selbsthilfebüro werden gefördert durch: Stadt Mannheim,
  heitstreffpunkt-mannheim.de, und Heidelberger Selbsthilfebüro, Alte Eppelheimer Str.        Stadt Heidelberg, Sozialministerium Baden-Württemberg,
  38, 69115 Heidelberg, Tel. 06221 - 18 42 90, info@selbsthilfe-heidelberg.de, www.           gesetzliche Krankenkassen. Wir danken Dr. Gerhard Bender
  selbsthilfe-heidelberg.de Redaktion: L. Bielfeld, D. Darius, B. Dold, M. Duscha, B. Groß,   von der Ritter-Apotheke und der Kassenärztlichen Vereinigung
  B. Handlos, R. Fojkar Versand: S. Alimohammadi, D. Darius Layout: Gisela Koch Druck:        für den Versand der gesundheitspress an Arztpraxen und Apo-
  BB Druck LU Auflage: 8.500 V.i.S.d.P.: Raymond Fojkar und Bärbel Handlos                    theken Mannheims, Heidelbergs und im Rhein-Neckar-Kreis.
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Vorwort

Jette E. Keltsch
                                             Liebe Leserin, lieber Leser,

                                             manche Selbsthilfegruppen sind schon
                                             seit Jahrzehnten in Krankenhäusern aktiv.
                                             Sie besuchen dort Patienten, informieren
                                             über die Erkrankung und wie man damit
                                             leben kann. Sie machen Mut, zeigen,
                                             dass dennoch Lebensqualität möglich
                                             ist und konnten durch ihre Arbeit das
                                             eine oder andere Mitglied für ihre Grup-
                                             pe gewinnen. Beispiele dafür sind die
                                             Kehlkopflosen oder die Frauenselbsthilfe
                                             nach Krebs.

                                             Diese Kooperationen entstanden zufällig
                                             und waren immer geprägt von einzel-             Aber auch daneben gibt es eine Vielzahl
Jette E. Keltsch, Foto: privat
                                             nen Akteuren und deren gutem Willen.            von Kooperationen und Projekten.
Jette E. Keltsch lernten wir im Frühjahr     Manchmal hielten sie auch nur solange,          Wichtig dabei ist den Akteuren der
in der Universitätsmedizin Mannheim          wie ein sehr engagierter Klinikchef das         Selbsthilfe, dass der Mensch in den
kennen. Eine Ausstellung versammelte         unterstützte, verliefen aber im Sande,          Mittelpunkt kommt. Und dazu bedarf es
dort Werke von Menschen mit sogenann-        wenn der Nachfolger das Ganze kriti-            mehr als guten Willen auf Seiten aller
ten „seltenen Erkrankungen“, darunter        scher sah.                                      Kooperationspartner. Wenn die Pflege-
Keltschs „Collage 2“, unser Titelbild. Die                                                   kräfte immer weniger Zeit für Patienten
Lübeckerin, Jahrgang 1952 und Mutter         Damit diese Kooperationen verbindlicher         haben, dann haben sie auch wenig
zweier Söhne, arbeitete vor Ausbruch         werden, haben die Kontaktstellen in             Ressourcen für die Zusammenarbeit mit
ihrer Erkrankung als Sozialarbeiterin.       der Region gemeinsam mit dem Netz-              den Selbsthilfegruppen. Umgekehrt gilt:
Als körperliche Einschränkungen und          werk Selbsthilfefreundlichkeit und den          wenn in den Selbsthilfegruppen immer
Schmerzen das Malen verhinder ten,           Krankenhäusern Universitätsmedizin,             weniger Menschen bereit sind, sich über
setzte sie sich schreibend mit der akuten    Nationales Centrum für Tumorerkran-             die Gruppe hinaus zu engagieren, dann
Krankheitszeit auseinander – aus ihrem       kungen und Zentralinsititut für Seelische       werden einzelne überfordert vom stark
Buch „Unbeweglicher Halt. Stationen          Gesundheit einen strukturierten Prozess         gewachsenen Aufgabenpaket. Auf beides
eines kleinen Wunders“ las sie bei der       eingeleitet, der zu einer Vielzahl an stan-     gilt es, verstärkt das Augenmerk bei den
Vernissage in Mannheim vor. Mittler-         dardisierten Maßnahmen geführt hat. In          Kooperationen zu richten.
weile sind Collagen ihr bevorzugtes          dieser `gesundheitspress´ wird davon
Ausdrucksmittel. Keltsch leidet an           die Rede sein.                                  Ihre Bärbel Handlos, Geschäftsführerin
Neurosarkoidose und, infolge der hohen
Kortisongaben, an Osteoporose. Zu ihrer
Kunst schreibt sie:                          Heute bin ich blond
„Seit 1998 beschäftige ich mich mit der
                                             Filmabend zum Schwerpunkt Leben mit Krebs
Malerei, so sind groß- und kleinformatige                                                    Am 14. Oktober 19 Uhr
Bilder in Tempera- und Acrylfarben unter                                                     im Capitol
Verwendung von Sand, Stoff, Papieren,                                                        Moderation: Raymond Fojkar
Strukturpaste u.ä. mit Pinsel, Spachtel,                                                     mit Podiumsdiskussion unter Beteiligung
Rolle und den Händen entstanden. Freude                                                      zahlreicher Selbsthilfegruppen
macht mir nicht nur das Ergebnis, son-
dern besonders der Malprozess ist mir                                                        Mit freundlicher Unterstützung der DAK
wichtig. Obwohl ich in jedem Bild einen                                                      Gesundheit ist der Eintritt kostenfrei.
Teil meines Inneren zeige, soll für den
Betrachter Raum bleiben, eigene Gefühle,     Eine Szene aus dem Film: Heute bin ich blond,   Reservierungen unter 0621- 33 9 18 18.
Träume und Gedanken zu entwickeln.           Darstellerin Lisa Tomaschewsky
Daher haben meine Bilder keine Titel.“       Bild: Filmverleih

Nächster Redaktionsschluss: 30.11.2014 Schwerpunkt: Seltene Erkrankungen                                                           3
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Schwerpunkt: Selbsthilfe und Krankenhaus

                                              Selbsthilfefreundlichkeit

               Treffen der                                                         Zusammenarbeit
               Selbsthilfegruppen                                                  mit Ärzten

        Sprechstunden                                                                    Kooperation mit
                                                                                         Beratungsdiensten

        Patientenbegleitung
                                                                                         Gremien, Qualitätszirkel,
                                                                                         Beiräte
        Patientenschulungen

                                                                                         Vorstellen der Selbst-
        Krankenbesuche                                                                   hilfe bei Mitarbeitern

                                                                                   Aus- und Weiterbildung von
                                                                                   Studierenden und Pflegekräften
              Öffentlichkeitsarbeit
                                        Patiententage, Tag der Offenen Tür               Foto: sparkie.pixelio.de

Höhere Lebensqualität, verständigere Patienten
Selbsthilfe und Krankenhaus: Die facettenreiche Zusammenarbeit zeigt Wirkung
Keine Frage, die Rollen im Krankenhaus      Personal kommunikativ stärker als bisher,   Facettenreich? Selbsthilfe-Aktive arbeiten
haben sich gewandelt. Der Arzt ist vom      ermöglicht gleichzeitig einen Dialog auf    mit Ärzten vielfältig zusammen, sind
„Halbgott in Weiß“ zum, sagen wir,          Augenhöhe. Die Klinik hat etwas davon:      Partner bei Veranstaltungen, mit Infostän-
Viertelgott geworden. Und als Patienten     Durch die Rückmeldung aus den Grup-         den an Patiententagen präsent. Sie wirken
wollen wir unser Schicksal verstehen        pen lernt sie dazu, verändert Prozesse,     mit in Aus- und Weiterbildung, beraten,
und mitbestimmen – und als ganzer           Infrastruktur und Verhalten. Die Patien-    schulen und bieten Sprechstunden an.
Mensch gesehen und behandelt werden.        tenzufriedenheit steigt, und mit ihr die    Als ver tragliche Kooperationspar tner
Dem tragen Krankenhäuser vielfältig         eigene Reputation.                          von Stationen begleiten sie Erkrankte und
Rechnung. Sie öffnen ihre Türen für                                                     präsentieren Infomaterial. Sie bilden Gre-
die Aktivitäten von Selbsthilfegruppen.     Selbsthilfe ist heute Teil des Kranken-     mien und treiben Veränderungen voran.
Durch die eigene Betroffenheit und das      hausbetriebs und „Selbsthilfefreundlich-    Auch Gruppentreffen finden zunehmend
konzentrierte Erfahrungswissen bringen      keit“ ist zu einem Qualitätsmerkmal ge-     im Krankenhaus statt.
diese Ergänzendes zu den Erkrankten,        worden, das auch als Zertifikat erworben
mitunter auch zu Ärzten und Pflegern:       werden kann. Drei Kliniken der Region       Bei diesem Engagement geht es immer
Wie geht es einem in einer bestimmten       haben dieses Siegel mit Unterstützung       um den einzelnen Menschen in seiner
Situation? Mit welchen Problemen sind       des Gesundheitstreffpunkts Mannheim         schwierigen Situation. Denn die ha-
Patienten bei einer bestimmten Erkran-      und des Heidelberger Selbsthilfebüros       ben Selbsthilfe-Vertreter selbst schon
kung konfrontiert, die nicht in Studium     erworben: Das Nationale Centrum für         schmerzlich und – buchstäblich – am
und Ausbildung, nicht im Operationssaal     Tumorerkrankungen (NCT) in Heidel-          eigenen Leibe erfahren. Auch nach einer
und nicht bei der Visite zur Sprache kom-   berg, die Universitätsmedizin Mannheim      schweren Diagnose oder in prekärer
men? Wie lässt es sich weiterleben mit      (UMM) und das Zentralinstitut für Seeli-    Situation, etwa vor einer Transplantation,
dieser oder jener Einschränkung? Welche     sche Gesundheit (ZI) in Mannheim. Kein      leistet die Selbsthilfe unbezahlbare psy-
Alltagshilfen gibt es?                      Wunder also, dass sich die Beispiele        chosoziale Arbeit. Apropos bezahlbar: Sie
                                            der facettenreichen Zusammenarbeit          macht das alles ehrenamtlich.
Dieser Austausch macht die Patientinnen     von Selbsthilfe und Krankenhaus dieser      Bernadett Groß
und Patienten verständiger und aufge-       `gesundheitspress´ vornehmlich auf
klärter. Das fordert das Krankenhaus-       diese Häuser beziehen.

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Gesundheitspress - Selbsthilfe und Krankenhaus - Magazin für und über Selbsthilfe in Mannheim, Heidelberg und der Region Ausgabe 48 ...
Schwerpunkt: Selbsthilfe und Krankenhaus

Was nicht im Blickfeld der Ärzte ist
Interview mit Alfred Dänzer über
die Früchte der Selbsthilfe-Arbeit
im Krankenhaus

Die Mannheimer Uniklinik war Vorreiter
in Baden-Württemberg, was die Zusam-
menarbeit mit Selbsthilfegruppen betrifft
– lange bevor der Begriff „Selbsthilfe-
freundliches Krankenhaus“ in Mode kam.
Wie hat Selbsthilfe das Krankenhaus ver-
ändert? Darüber sprachen wir mit dem
Geschäftsführer der Universitätsmedizin
Mannheim (UMM), Alfred Dänzer.

Hat das Krankenhaus etwas durch die
Selbsthilfe gelernt?                          Vorreiter in Sachen Selbsthilfefreundlichkeit: die Universitätsmedizin Mannheim. Das Bild zeigt Haus
Die Klinik hat heute ein viel besseres Ver-   16. Foto: UMM
ständnis für das, was über die originäre
Medizin hinausgeht. Bei Prostata- oder        Und wenn ich ernst genommen werde,
Brustkrebs beispielsweise machen wir          ist es leichter, unter einer bestimmten
heute aus Rücksicht auf emotionale            Erkrankung weiterzuleben und im thera-
Befindlichkeiten manches anders als           peutischen Dialog zu bleiben.
früher. Bei Morbus-Crohn-Erkrankungen
mit ihren Durchfallerscheinungen über-        Wie unterstützen Sie die Ehrenamtli-
nahmen wir Anregungen, die aus der            chen aus den Selbsthilfegruppen?
Selbsthilfe kamen und nicht im Blickfeld      Wir stellen Räume zur Verfügung und
der Ärzte sind: den erhöhten Anspruch         geben die Möglichkeit, Ansprechpart-
an Sanitärfragen.                             ner für Patienten zu sein. Außerdem
                                              bekommen die Selbsthilfegruppen bei
Welche Rolle haben die Selbsthilfe-           uns eine Plattform. Es gibt keine Infor-
                                              mationsveranstaltung, in die nicht eine

                                                                                                                                            Foto: UMM
gruppen im Krankenhaus?
Selbsthilfe gehört heute zur Organisa-        Selbsthilfegruppe einbezogen wäre.
tionsstruktur der UMM. Die Mehrheit           Auch finanziell engagieren wir uns und
der Selbsthilfegruppen versteht sich          arbeiten mit dem Gesundheitstreffpunkt
einerseits als zusätzlicher Service für       Mannheim als zentrale Kontaktstelle für               Zur Person:
die Betroffenen außerhalb der ärztlichen      Selbsthilfe zusammen.                                 Alfred Dänzer, Diplom-Verwal-
Behandlungen und erklärt ihnen, warum                                                               tungswirt (FH), führt seit 2005
sie bei ihrer Erkrankung mit bestimmten       Ist die Selbsthilfe mittlerweile in Klini-            die Geschäfte der Klinikum Mann-
Behinderungen leben müssen und wie            ken willkommen?                                       heim GmbH, Universitätsmedizin
man damit leben kann. Andererseits            Ja, zumindest hier in der UMM. Man                    Mannheim. Er ist Präsident der
geben die Gruppen uns als Institution         muss nicht alles, was jede einzelne                   Deutschen Krankenhausgesell-
Feedback und signalisieren, was wir           Gruppe macht, für gut heißen, aber in der             schaft, Mitglied im Gesund-
besser organisieren könnten.                  Summe halte ich Selbsthilfegruppen für                heitsausschuss im Deutschen
                                              zielführender als so manches, was auf                 Städtetag und Vorsitzender des
Ist die größere Patientenzufriedenheit        der politischen Bühne zu Patientenver-                Gesundheitsausschusses im
der Vorteil der Klinik bei der Zusam-         tretung formuliert wird. Um es auf den                Städtetag Baden-Württemberg.
menarbeit mit Selbsthilfe-Vertreterin-        Punkt zu bringen: Die Selbsthilfe weiß,               Zu seinen weiteren Ehrenämtern
nen und -Vertretern?                          wovon sie redet, die Selbsthilfegruppen               gehört auch die Mitgliedschaft im
Die Patienten erfahren in jedem Fall eine     kennen die Situation wirklich, und man-               Beirat des Gesundheitstreffpunkts
andere Wertschätzung unter ihrer Erkran-      che von ihnen artikulieren Probleme auf               Mannheim.
kung und fühlen sich ernster genommen.        überzeugende Weise.

                                                                                                                                                        5
Schwerpunkt: Selbsthilfe und Krankenhaus

Ich weiß                                          Bauchspeicheldrüsen-Erkrankten
                                                  Mut machen
genau,                                             Heidelberg/Mannheim. Der Arbeitskreis

wie es dir
                                                   der Pankreatektomierten AdP e.V. steht zur
                                                   Verfügung als Ansprechpartner für an der

geht!
                                                   Bauchspeicheldrüse erkrankte Menschen,
                                                       die vor einer Operation stehen,
                                                       die sich nach einer Operation befinden,
                                                       die nicht operiert sind (Pankreatitis)
                                                       die nicht operierbar sind (z.B. Pankre-
Selbsthilfegruppen sind oft                            askarzinom).
geschätzte Partner auf den                         Viele Erstkontakte kommen telefonisch
Stationen der Kliniken,                            über Angehörige zustande, da Patienten
insbesondere dort, wo es um                        selbst oft zu krank sind, um zu den
schwerwiegende Erkrankungen                        Gruppentreffen zu kommen oder selbst
und Operationen geht.                              anzurufen. Es sind Menschen, die sich
                                                                                                   Hans Berg, der Leiter der Selbsthilfegruppe
Bei Organentnahmen und                             mit der Frage beschäftigen, ob man ohne         Pankreatektomierte. Foto: privat
Transplantationen etwa ist der                     Bauchspeicheldrüse leben kann.
                                                                                                 In Kliniken selbst ist der AdP e.V. vertreten
bevorstehende Eingriff für die
                                                   Aber auch Patientinnen und Patienten mel-     durch regelmäßige Patientensprechstun-
Erkrankten gravierend. Die
                                                   den sich, meistens, wenn sie kurz zuvor       den, bei Patiententagen und durch Regi-
Patientenbetreuenden aus der                                                                     onalgruppentreffen. Dies erfolgt in enger
                                                   in der Klinik die Diagnose „Erkrankung
Selbsthilfe, die als Betroffene das                der Bauchspeicheldrüse“, sehr oft Krebs,      Vernetzung mit spezialisierten Medizinern,
alles schon am eigenen Leibe                       übermittelt bekamen. Diese Patienten sind     Pflegekräften, Sozialarbeitern, Ernäh-
erfahren und durchgemacht                          zutiefst erschüttert, verängstigt, hilflos    rungsberatern und auch Pharmaunterneh-
haben, schultern dabei einen Teil                  und ohne Hoffnung. Leider oft schon in        men. So versucht die Gruppe, Patienten
der psychosozialen Arbeit. Oft                     jungen Jahren, in denen das eigentliche       mit Patienten in Kontakt zu bringen und
begleiten sie die Betroffenen auch                 Leben mit Familie, Beruf, Haus etc. erst      auf diese Weise Erfahrungsaustausch zu
schon lange vor bis lange nach                     beginnt. Die Selbsthilfegruppe versucht,      gewährleisten.
dem lebensverändernden Eingriff.                   die Menschen etwas aufzufangen, durch
                                                   eigene Erfahrungen (Betroffenenkompe-         Durch speziell angepasste Kooperations-
Auf dieser und den kommenden                       tenz) wieder Mut zu machen und sie bei        vereinbarungen zwischen dem AdP e.V.
Seiten stellen einige von ihnen ihr                der Koordination mit Ärzten, Untersuchun-     und den jeweiligen Kliniken sind Voraus-
                                                   gen, Krankenkassen, Versicherungen etc.       setzungen für eine optimale Zusammenar-
ehrenamtliches Engagement vor.
                                                   zu unterstützen.                              beit geschaffen. Ziel ist es, Patienten und
                                                                                                 Angehörigen eine Kontaktaufnahme zur
                                                                                                 Selbsthilfegruppe zu ermöglichen.

                                                                                                 Fazit: Durch „Hilfe durch Selbsthilfe“ kann
                                                                                                 man nicht nur überleben, sondern auch
                                                                                                 die eigene Lebensqualität verbessern.
                                                                                                 Trotz all dieser Möglichkeiten müssen
                                                                                                 Selbsthilfe und Behandlung für Pank-
                                                                                                 reaspatienten von allen Akteuren weiter
                                                                                                 ausgebaut werden. Hans Berg
                                                                                                 KONTAKT
                                                                                                 AdP e.V., Regionalgruppen Heidelberg-
                                                                                                 Mannheim / Bergstrasse-Odenwald /
                                                                                                 Frankfurt
                                                                                                 Kontakt: Tel. 06252-79 68 90
Am Infostand zur Vorstellung der Selbsthilfe am NCT. Foto: Duscha                                adp.berg@web.de

6
Schwerpunkt: Selbsthilfe und Krankenhaus

Zeigen, dass Stillstand Erfolg ist
Jan Fischer von der
Nierenkrebs-Patientengruppe
Rhein-Neckar plädiert für
eine Kontaktaufnahme
bereits vor der Operation
und kritisiert
Prognosen zur
Lebenserwartung.

Die Therapie des Nierenzellkarzinoms
ist nicht sehr kliniklastig. Es erfolgt nach
der Diagnose durch eine Bildgebung (CT,
MRT) eine operative Entfernung des
Tumors. Die Verweildauer der Patientin-
nen und Patienten im Krankenhaus ist
kurz. Da beim Nierenkrebs Chemo- und
Bestrahlungstherapien unwirksam sind,
                                               oben: Am Infostand für die Gruppe unterwegs.
war es das auch schon mit dem Kran-
                                               Foto: Selbsthilfegruppe
kenhausaufenthalt. Patienten werden an         rechts: Jan Fischer, der Leiter der Patientengruppe
niedergelassene Urologen verwiesen.            Nierenkrebs.
                                               Foto: privat
Sinnvoll wäre ein Gespräch mit einem
Betroffenen vor der OP, um aus Patien-
tensicht zu erklären und Erfahrungen
weiterzugeben. Meist finden die Patien-
ten in der kurzen und belastenden Zeit         KONTAKT
zwischen Diagnose und OP nicht zur             Tel. 06068-45 98
Selbsthilfegruppe.                             www.lh-nierenkrebs.org

Ist die Krankheit weiter fortgeschritten,      diese Therapien schon seit einigen Jah-
kommen seit 2006 zielgerichtete Me-            ren durchführen, und denen es sichtbar
dikamente (Targeted Therapies) zum             gut geht. Und die, trotz des bösen Wortes
Einsatz. Eine Heilung kann damit in der        der palliativen Therapie, sich nicht die
Regel nicht erreicht werden, aber man          Lebensfreude vermiesen lassen!
kann die Krankheit in ein chronisches
Stadium überführen, d.h. es kommt zu           Unsere Gruppe macht außerdem viel
einem Stillstand des Wachstums der             Öffentlichkeitsarbeit. Unsere Flyer liegen            anderen Patientin gab man noch ungefähr
Tumoren und Metastasen.                        in den Kliniken aus, das Fachpersonal                 ein Jahr. Das Ergebnis ist dann: diese
                                               kennt uns, wir sind bei Veranstaltungen               Menschen sitzen zu Hause und zählen die
Und hier beginnt der Hauptteil derArbeit       präsent.                                              Tage, die ihnen noch bleiben. Hier wird
in unserer Gruppe. Als erstes muss dem                                                               Lebensqualität mit Worten vernichtet.
Patienten bewusst gemacht werden,              Was wir immer wieder beim Erstkontakt                 Die Patientin, welcher man noch ein Jahr
dass ein Stillstand der Erkrankung in          mit Patienten feststellen, ist, dass es sich          prophezeit hat, ist heute, acht Jahre nach
dieser Situation ein Erfolg ist. Patienten     manche Ärzte nicht verkneifen können,                 dieser Aussage, immer noch sehr aktiv.
erwar ten ja meist Heilung und sind            eine Prognose auf die Lebenserwartung                 Wenn es der Gruppe möglich ist, solch
oft enttäuscht, wenn dies nicht mehr           des Patienten abzugeben. Da sagt z.B. ein             deprimierte Menschen wieder ins Leben
möglich ist. Da hilft eine Begegnung mit       Professor zum Patienten, er solle noch                zurückzuholen, dann ist dies Dank genug.
Menschen aus der Selbsthilfegruppe, die        mal schön Weihnachten feiern, einer                   Jan Fischer

                                                                                                                                             7
Schwerpunkt: Selbsthilfe und Krankenhaus

Wo es schwierig
werden kann
                                              Es lässt sich auch ohne Kehlkopf
Die Zusammenarbeit wird geschätzt,            gut leben
doch Berührungspunkte zwischen Klinik
und Selbsthilfegruppen sind auch poten-       Mannheim/Heidelberg. Seit fast 50
tielle Reibungsflächen. Hier vier kritische   Jahren betreut der heutige Bezirksverein
Fragestellungen:                              der Kehlkopflosen und Kehlkopfoperier-
                                              ten Heidelberg-Mannheim e.V. die am
   Abgrenzung:                                Kehlkopf operierten Menschen. Heute
Medizinische Aufklärung ist Sache der         werden Patienten der Kopfklinik des
Ärzteschaft, Erfahrungsaustausch die          Universitätsklinikums Heidelberg sowie
der Selbsthilfe. Grenzen sind jedoch flie-    der Universitätsmedizin Mannheim auf
ßend, etwa zu den Fragen, ob Auswirkun-       eigenen Wunsch durch unsere Patien-
gen einer Therapie auf den Lebensalltag       tenbetreuer in der Klinik besucht und
nicht eigentlich ins ärztliche Gespräch       über die veränderte Lebenssituation vor
und die psychische Situation nach einer       der Chemo-Bestrahlungs-Therapie sowie
Diagnose nicht in die Verantwortlichkeit      Teilresektion oder totalen Kehlkopfent-
der Klinik gehören. – Lässt sich die          fernung über die Einschränkungen
Selbsthilfe instrumentalisieren und über-     informiert.
                                                                                            Karl-Heinz Strauß Foto: privat
nimmt gratis Aufgaben der Klinik?

   Unterschiedliche Interessen:
Ein Krankenhaus muss auch wirtschaft-
lich funktionieren, Selbsthilfe hat allein
den Einzelnen im Blick. Was, wenn ein
Erkrankter sich nach dem Selbsthilfege-
spräch für eine andere Klinik, eine andere
Therapieform, eine andere Vorgehens-
weise entscheidet? – Stößt die Offenheit
der Klinik gegenüber der Selbsthilfe
an ihre Grenzen, wenn wirtschaftliche
Nachteile drohen?

   Zeit und Kraft I:
Pflegekräfte wie Ärzteschaft haben viel zu
tun, sind aber das Bindeglied zwischen
Patienten und Selbsthilfegruppe. Gerade                                                     Neben Patientenbesuchen gehört auch Sport
ihr Hinweis auf eine Gruppe und mögli-        KONTAKT                                       zum Programm der Selbsthilfegruppe der Kehl-
                                                                                            kopflosen.
che Krankenbesuche sind wichtig. Und          strauss2702@web.de                            Foto: privat
bei Bedarf muss die Selbsthilfegruppe
informiert werden und auf der Station
willkommen sein. – Lässt der Alltag           Wir besuchen die Patienten im wöchent-        anerkannt wird, ist schon in den Köpfen
dies zu?                                      lichen Rhythmus auf den Stationen und         von Ärzteschaft und Pflegepersonal, die
                                              beantworten Fragen zur Lebenssituation        für die Selbsthilfe-Vertreter die Kontakt-
   Zeit und Kraft II:                         nach der Entlassung aus der Klinik. Seit      personen zur Klinik und zu den Patienten
Selbsthilfe-Aktive haben schnell einen        2012 ist speziell für teiloperierte Patien-   darstellen, fest verankert. So gibt es
unbezahlten Full-Time-Job mit vielerlei       ten eine selbst teiloperierte Patienten-      Hürden bei der Umsetzung. Besonders
Aufgaben. Meist sind sie jedoch selbst        betreuerin im Einsatz. Die Bemühungen         wichtig ist dabei, den Wert der ehren-
krank und müssen ihre Kräfte gut eintei-      der Kliniken um Selbsthilfefreundlichkeit     amtlich geleisteten Selbsthilfe-Arbeit
len. – Wird ihnen der Weg geebnet und         haben in der Zusammenarbeit vieles            zum Vorteil des Patienten zu erkennen
ihren Bedürfnissen Rechnung getragen?         verbessert. Der Weg zum wirklich selbst-      und zu schätzen.
Bernadett Groß                                hilfefreundlichen Krankenhaus ist jedoch      Karl-Heinz Strauß
                                              weit. Nicht alles, was grundsätzlich

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Schwerpunkt: Selbsthilfe und Krankenhaus

Lebertransplantiert – was nun?
                                                                                                KONTAKT
                                                                                                gaby.winter@lebertransplantation.de
                                                                                                Tel. 0621-97 66 56 61

                                                                                                unsere Arbeit. Manchmal entstehen beim
                                                                                                persönlichen Gespräch auch neue Ideen:
                                                                                                Kürzlich veranstaltete Prof. Dr. Matthias
                                                                                                Ebert mit unserer Selbsthilfegruppe einen
                                                                                                Kochkurs für Lebererkrankte.

                                                                                                Neben den regulären Gruppentreffen in
                                                                                                den Räumen der Uniklinik Mannheim gibt
                                                                                                es zweimal jährlich in Heidelberg ein War-
                                                                                                tepatiententreffen, das wir und die dortige
Die Selbsthilfegruppe beim Kochkurs mit Prof. Matthias Ebert. Foto: UMM                         Uniklinik gemeinsam veranstalten. Die
                                                                                                Ärzte beteiligen sich dabei gerne mit
Gaby Winter von der Selbsthilfe                   aufzeigen, Tipps für den Alltag vermitteln,   Vorträgen etc. Das Gleiche gilt für unsere
Lebertransplantierter Deutschland                 z.B. für Ernährung und Hygiene. Meine         Regionaltreffen, die einmal jährlich in der
e.V., Kontaktgruppe Rhein-Neckar,                 Erfahrung hierbei: die Patientinnen und       Heidelberger Uniklinik stattfinden.
erzählt:                                          Patienten sind dankbar, sie fühlen sich
                                                  besser verstanden dadurch, dass ich           Aus unserer Sicht funktioniert die Zu-
                                                  selbst Betroffene bin und weiß, wovon         sammenarbeit von Selbsthilfe und
Vor 2 Jahren bekam ich selbst eine neue
                                                  sie sprechen.                                 Krankenhaus gut: Ich werde von beiden
Leber, was mein Leben stark veränderte.
                                                                                                Universitätskliniken sehr gut unterstützt.
Obwohl es mir gut geht, bin ich immer
                                                  Die Information, wo ich gebraucht werde,      Die Kliniken profitieren durch Patientenzu-
noch oft in Krankenhäusern unterwegs.
                                                  erhalte ich von den Ärzten, zu denen ich      friedenheit: Da die Patienten die Möglich-
Jedoch nicht als Patientin, sondern als
                                                  engen Kontakt halte, und von den Pfle-        keit haben, auch mit selbst Betroffenen zu
„gute Seele“ und als Ver treterin der
                                                  gekräften auf den Stationen.                  sprechen, die ihnen mit Rat und Tat zur
Selbsthilfe.
                                                                                                Seite stehen, sind sie besser informiert
                                                  Da ich Flyer in den Kliniken ausliegen        über die Höhen und Tiefen der Krankheit,
Regelmäßige Krankenbesuche mache
                                                  habe, rufen auch Betroffene selbst bei        was auch die Ärzte entlastet.
ich im Uniklinikum Mannheim und in der
Uniklinik Heidelberg bei Lebererkrank-            unserem Selbsthilfeverein an. Die Ärzte       Gaby Winter

ten, Wartepatienten – Menschen, die               und das Pflegepersonal heißen unsere          links: Öffentlichkeitsarbeit für Organspende bei
auf eine Lebertransplantation warten              Arbeit willkommen und unterstützen uns.       der Dualen Hochschule,
– und bei Transplantierten. Mein Ziel:            Da ich regelmäßig einmal pro Woche auf        rechts: Gaby Winter mit einem Infostand der
                                                  den Stationen bin, kennt und schätzt man      Gruppe.
Mut machen, Kraft geben, Perspektiven                                                           Fotos: Selbsthilfegruppe

                                                                                                                                              9
Schwerpunkt: Selbsthilfe und Krankenhaus

Selbsthilfesprechstunde im Klinikum: Prostatakrebs
Mannheim. Die Selbsthilfegruppe Prosta-
takrebs Rhein-Neckar engagiert sich seit
Jahren in der Selbsthilfesprechstunde im
Klinikum Mannheim unter der Regie des
Gesundheitstreffpunktes Mannheim. Die
Sprechstunde findet guten Anklang. Aller-
dings kommen, wohl wegen der kurzen
Liegezeiten, weniger Patienten aus dem
                                                             links:
Klinikum und mehr aus unserer Gruppe              Hansjörg Burger.
und durch Pressehinweise.                                  rechts:
                                                 Reinhard Strozyk.
                                                      Fotos: privat
Meist kommen die „schwierigeren“ Fälle
zu uns, also Patienten, bei denen die         der Selbsthilfegruppe speziell über die     in Mannheim wie die Urologenkongresse
Ersttherapie, sei es Operation oder Be-       Nebenwirkungen der einzelnen Therapien      der DGU.
strahlung, keinen Heilerfolg brachte. Das     berichtet wird. Wir – Reinhard Strozyk
stellt uns vor besondere Anforderungen.       und Hansjörg Burger – beraten meist         Zum Abschluss ein paar Originalzitate
Doch seit 2009 existiert die „S3-Leitlinie“   gemeinsam: vier Ohren hören mehr, vier      aus der Beratung:
zur Behandlung des Prostatakrebses der        Augen sehen mehr, und der eine kann         „Gott sei Dank, ich hatte schon geglaubt,
Deutschen Gesellschaft für Urologie, die      den anderen auf besondere Punkte hin-       ich wäre austherapiert, weil die Hormon-
uns in der Beratung eine sichere Basis        weisen. Unverzichtbar ist die ständige      therapie nicht mehr wirkt!“
gibt. Zweifelhafte Therapien finden bei       medizinische Fortbildung. So besuchen       „Jetzt bin ich gut vorbereitet für das
uns keinen Platz.                             wir den uro-onkologischen Qualitätszirkel   Arztgespräch!“
                                                                                          „Da fällt mir ein Stein vom Herzen,
Obwohl die eigene Therapie keinen Ein-        SPRECHSTUNDE                                ich hatte geglaubt, nach der Ope-
fluss auf die Beratung haben darf, ist es     15.9., 27.10., 17.11., 15-17 Uhr            ration ist die Hose tot und Schluss
für die Betroffenen bedeutsam, wenn aus       UMM, Haupteingang, Haus 6,                  mit der Sexualität!“
eigenem Erleben und aus der Erfahrung         Ebene II,Raum 29                            Reinhard Strozyk und Hansjörg Burger

Immer wieder montags:
Selbsthilfe-Sprechstunde in der UMM
Mannheim. Seit einigen Jahren bieten
Aktive aus verschiedenen Selbsthil-            Bis zum Jahresende stehen Ansprechpersonen für folgende Themen bereit:
fegruppen unter der Koordination des           Angst: 10.11.
Gesundheitstreffpunkts in der Uniklinik        Bauchspeicheldrüsenerkrankungen: 6.10. und 8.12.
die Selbsthilfe-Sprechstunde an: immer         Blindheit und Sehbehinderung: 15.12. (in der Augenklinik, Haus 1)
montags von 15 bis 17 Uhr steht in einem       Darmkrebs und/oder Stoma: 3.11.
kleinen Raum hinter der Information beim       Dialyse: 24.11.
Haupteingang am Theodor-Kutzer-Ufer            Lebererkrankung und -transplantation: 22.9. und 1.12.
eine Person aus jeweils einer Selbst-          Lungenkrebs: 13.10.
hilfegruppe zum Austausch und zur              Prostatakrebs: 15.9., 27.10. und 17.11.
Beratung bereit. Nicht nur Patientinnen        Schilddrüsenerkrankungen: 20.10.
und Patienten des Klinikums, sondern alle      Tinnitus: 29.9.
Interessierten sind herzlich willkommen,
sich unverbindlich mit dem/der ebenfalls      Auch eine Beraterin des Gesundheits-        SELBSTHILFE-SPRECHSTUNDE
Betroffenen zur jeweiligen Erkrankung         treffpunkts ist vor Ort und berät gerne     Montags 15-17 Uhr, UMM, Haupteingang,
oder Problematik auszutauschen. Spe-          allgemein über Selbsthilfe und vermittelt   Haus 6, Ebene II, Raum 29
zielle Flyer und die Tagespresse weisen       zu allen Gruppen, die es in der Region      Telefon (zur Sprechstundenzeit)
auf die Termine hin.                          gibt.                                       0621-3 83 11 50

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Schwerpunkt: Selbsthilfe und Krankenhaus

Sprechzeiten der Rheuma-Liga im UMM-Büro
Mannheim. Bereits seit Oktober 2010
ist die Rheuma-Liga im Orthopädisch-
Unfallchirurgischen Zentrum in der
Universitätsmedizin Mannheim mit einem
Büro beheimatet. Zweimal pro Woche
stehen wir dort zu unseren Sprechzeiten
Hilfesuchenden gerne zur Verfügung.
Neben ausführlicher Beratung bieten wir
dort auch Materialien über die Erkrankun-
gen des rheumatischen Kreises an sowie
über das Leben mit Rheuma, etwa zu den
Themen Medikamente, Arbeit, Rechte,
Soziales …

Die meisten Menschen glauben, Rheu-
                                            Die Sprechstunde der Rheumaliga in der UMM findet regen Anklang. Foto: Selbsthilfegruppe
ma sei eine Erkrankung der Gelenke
und betreffe nur ältere Generationen.       und Erkrankungen umfasst mehr als 400               treffen wir uns auch in Gesprächskreisen
Tatsächlich können bereits Kinder daran     Diagnosen. So können nicht nur Gelenke              und organisieren Funktionstraining, das
erkranken. Das Spektrum der Symptome        betroffen sein, sondern auch Wirbelkör-             heißt, Wasser- und Trockengymnastik
                                            per, Knochen, Muskeln, Sehnen, Nerven,              auf ärztliche Verordnung, Ausflüge und
SPRECHSTUNDE                                Blutgefäße und manchmal auch ganze                  Info-Veranstaltungen, die im Theresi-
Dienstags 10-12 Uhr und                     Organe.                                             enkrankenhaus oder in der UMM statt-
donnerstags 16-18 Uhr                                                                           finden. Auch unsere Sitzungen dürfen
UMM, Eingang West, Haus 34,                 Wir sind eine der größten Selbsthilfe-              wir im Klinikum abhalten, wofür wir sehr
Ebene 1, Zimmer 5                           gemeinschaften, und unter dem Motto                 dankbar sind.
Telefon 0621-3 83 23 49                     „Beratung – Begegnung – Bewegung“                   Ulrike Goerke

Im Tandem mit der Ärzteschaft
Vereinigung Morbus Bechterew praktiziert erfolgreiche Zusammenarbeit
Heidelberg. Seit 10 Jahren arbeitet                                                             fortbildungen, die vom Rheumazentrum
die Selbsthilfegruppe mit dem Rheu-                                                             Heidelberg e.V. veranstaltet werden.
matologen Prof. Hanns-Martin Lorenz                                                             Hier hat die Gruppe Gelegenheit, sich
erfolgreich zusammen.Schon vor dieser                                                           mit Infoständen den niedergelassenen
Zeit hatte die Gruppe mit den Ärzten                                                            Ärzten sowie den Ärzten des Klinikums
der Sektion Rheumatologie der Medizi-                                                           zu präsentieren, Infomaterial zu verteilen
nischen Klinik Abt. V., wie z.B. PD Dr.                                                         und über ihre Arbeit zu berichten. „Unter
Christian Fiehn und PD Dr. Wolfgang Eich,                                                       dem Leitsatz `Selbsthilfegruppen brau-
beide heute Professoren der Universität                                                         chen Ärzte, und Ärzte können gut mit
Heidelberg, eine fruchtbare Kooperation.                                                        Selbsthilfegruppen zusammenarbeiten´,
                                                                                                haben wir uns in der Vergangenheit gut
Richard Milch, Sprecher der Heidelberger                                                        ergänzt und werden dies hoffentlich auch
DVMB Gruppe, meint: „Ich kann mit allen     Beim 25-jährigen Jubiläum der Selbsthilfegruppe:
                                                                                                in Zukunft tun“, so Richard Milch.
Fragen, die Selbsthilfe und Erkrankung      links: Prof. Hanns-Martin Lorenz, rechts: Richard
betreffen, zu Prof. Lorenz kommen. Im-      Milch.
                                                                                                KONTAKT
mer hat er ein offenes Ohr.“ So hielt er    Foto: Rosita Milch
                                                                                                DVMB Gruppe Heidelberg
beim 25-jährigen Jubiläum der Gruppe        Sehr hilfreich sind für Selbsthilfegrup-
                                                                                                Tel. 06221-80 28 20
einen packenden Vortrag über die Erkran-    pen des rheumatischen Spektrums die
                                                                                                www.bechterew.de
kung Morbus Bechterew.                      regelmäßigen Einladungen zu den Ärzte-

                                                                                                                                       11
Schwerpunkt: Selbsthilfe und Krankenhaus

Wenn die Patienten                                                                                          Petra Martijn,
                                                                                                            ILCO (Selbsthilfe-

wieder lächeln                                                                                              gruppe für Stomaträ-
                                                                                                            ger und Darmkrebs-
                                                                                                            betroffene)
Die Mitglieder aus Selbsthilfegruppen, die                                                                  Wenn ein Patient mit
Menschen im Krankenhaus besuchen und                                                                        einem Betroffenen
begleiten, sind häufig mit Leid konfrontiert.                                                               spricht, ist dies gleich
Die Zuversicht, die sie mit ihrer Arbeit                                                                    etwas ganz anderes
verbreiten, ist deshalb besonders wichtig.                                                                  als das Gespräch mit
Von bemerkenswerten Erlebnissen berichten im                                                                einer Pflegekraft. Weil
folgenden Aktive aus vier Selbsthilfegruppen.                                                               ich mich als Selbst-
                                                                                                            Betroffene in seine
                                                                                                            Situation hineinver-
                                                                     Foto: Gesundheitstreffpunkt            setzen kann, vertraut
                                                                     er mir oft sofort. Wenn ich aus dem Zimmer gehe, haben die
                                                                     Patienten wieder ein Lächeln auf dem Gesicht. Sie wissen,
                                                                     dass sie nicht allein gelassen sind, und dass sie auch nach
                                                                     dem Klinikaufenthalt bei uns in der Selbsthilfegruppe einfach
                                                                     mal etwas nachfragen können. Die Patienten sind unglaublich
                                                                     dankbar für die Gespräche. Wir vermitteln, dass man auch
                                                                     mit einer Stoma-Anlage ein gutes Leben führen kann, und sie
                                                                     sehen es an uns.

                                                                     AKTIVITÄTEN UND KONTAKT
                                             Foto:
                                                                     wöchentliche Patientenbesuche, UMM und Diakoniekranken-
                                             Gesundheitstreffpunkt   haus und Teilnahme an der Selbsthilfesprechstunde UMM
Christoph Graf                                                       www.ilco.de
Badischer Blinden- und Sehbehindertenverein (BBSV)
Ein gutes Beispiel für unsere ehrenamtliche Arbeit im Klinikum:
Seit über einem Jahr begleiten wir einen 63-jährigen Mann, der
durch einen Unfall sein Augenlicht verloren hat. Die Hals-Nasen-
Ohren-Klinik, wo er zuerst untergebracht war, nahm sofort mit
der Augenklinik Kontakt auf, die dann gleich uns informierte. So
konnten wir von Anfang an mit Rat und Tat zur Seite stehen: Wir
berieten über die Hilfsmittel, die es gibt – etwa Farberkennungs-
geräte, Telefone mit Sprachausgabe, Vorlesegeräte … – und
wie man sie beantragt. Den Angehörigen gaben wir Tipps zum
Umgang mit einem blinden Menschen und unterstützten sie
bei all dem, was an Formalitäten zu erledigen war – sowohl in
der Klinik wie auch in unseren eigenen Beratungsräumen. Im
Mobilitätstraining, das von unserem Selbsthilfeverein gemein-
sam mit einem Reha-Team angeboten wird, lernte der Mann,             Sarah und Adelheid haben sich im Krankenhaus kennen gelernt.
sich gefahrlos drinnen wie draußen zu bewegen. Heute kann            Foto: Selbsthilfegruppe Hirntumor
er wieder selbstständig einkaufen gehen. Die Ehefrau war froh,
mit all den Fragen nicht alleine gewesen zu sein und lud uns         Martin Freudenstein
als Dank zum Essen ein. Wir freuen uns, so helfen zu können.         Selbsthilfegruppe Hirntumor Rhein-Neckar
Die gute Zusammenarbeit innerhalb der UMM und mit uns als            Die Gruppe präsentierte sich in der Kopfklinik Heidelberg und
Selbsthilfegruppe macht’s möglich.                                   mehrfach am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen
                                                                     (NCT). Ein schönes Erlebnis im Krankenhaus hatte eine Frau
AKTIVITÄTEN UND KONTAKT                                              aus der Gruppe aber auf einem anderen Weg:
Zweiwöchentliche Patientenbesuche und Teilnahme an der               Sarah, mittlerweile Mutter eines 16 Monate alten Sohnes, hatte
Selbsthilfesprechstunde UMM                                          Adelheid, damals schon Gruppenmitglied, im Krankenhaus
www.bbsvvmk.de                                                       kennengelernt. Beide lagen im gleichen Zimmer, wurden zum

12
Schwerpunkt: Selbsthilfe und Krankenhaus

zweiten Mal operiert und lernten sich im
Gespräch kennen. Die Selbsthilfegruppe
kam dabei zur Sprache, und nachdem
                                              Wo im Krankenhaus
beide das Krankenhaus „heil“ verlassen        finden Sie Infos der
konnten, sehen sie sich regelmäßig bei
den monatlich stattfindenden Treffs der       Selbsthilfegruppen
Selbsthilfegruppe.
KONTAKT
                                              in Mannheim und
                                              Heidelberg?

                                                                                                                            Foto: Heidelberger Selbsthilfebüro
www.selbsthilfegruppe-hirntumor.de
                                              Bei folgender Auflistung sind Auslagemög-
                                              lichkeiten auf den Stationen, mit denen
                                              einzelne Selbsthilfegruppen zusammenar-
                                              beiten, nicht berücksichtigt.

                                              Universitätsmedizin Mannheim (UMM)
                                                Theodor-Kutzer-Ufer 1-3:
                                                Haus 1 (Aufnahme) im offenen Wartebereich: Aushänge und Aushangkästen
                                                mit Flyer-Fächern an zwei gegenüberliegenden Wänden
                                                Haus 12, Flur (nahe Eingang Ost): Aushangkästen mit Flyer-Fächern
                                                Haus 36/37 (nahe Eingang West), Übergang zu Haus 36, Ebene 1: Aushänge
   Foto: Selbsthilfebüro                        Haupteingang, Haus 6, Ebene 2: Flyerständer neben der Information
Erwin Priebe                                    Haus 3, Ebene 3 (Brückenpflege, Sozialdienst): Flyerhalter an der Wand
Bezirksverein der Kehlkopflosen und             Haus 3, Ebene 2 (Erdgeschoss)(Interdisziplinäres Tumorzentrum Mannheim
Kehlkopfoperierten Heidelberg-Mann-             ITM), Wartebereich: Flyerhalter an der Wand (onkologische Gruppen)
heim e. V.                                      Haus 4, Ebene 1 (UG), dann abwärts (Strahlentherapie-Leitstelle):
„Unsere Selbsthilfegruppe macht Pati-           Flyer onkologische Gruppen
entenbegleitung und Krankenbesuche              Haus 9, Ebene 1 (UG) (Tagestherapiezentrum TTZ): Flyerständer an der Wand
im Klinikum. Ein schönes Erlebnis im
Krankenhaus hatte ich, als ich im Warte-      Diakoniekrankenhaus Mannheim
bereich der Radioonkologie der Kopfklinik        Speyerer Straße 91-93
Heidelberg einen Patienten sah, der wie         6. OG (Neurologie): Flyerständer im Foyer
ich ein Tuch um den Hals trug. Ich sprach
ihn an, ob er kehlkopfoperiert sei. Er        Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI)
bejahte. Seine Frau, die neben ihm saß,         Mannheim, J 5:
und er hatten Angst, dass er seinen Beruf       Im Foyer des ZI-Therapiegebäudes (Hauptgebäude)
nicht mehr würde ausüben können. Er sei         Wartebereich der Abteilung Gemeindepsychiatrie (beides im Erdgeschoss)
Ingenieur und müsse Meetings abhalten
und Vorträge halten. Was denn jetzt mit       Universitätsklinik Heidelberg / Kopfklinik
seiner Stimme würde…Ich erklärte ihm,           Im Neuenheimer Feld 400
welche Hilfsmittel es gibt für Menschen         Im Eingangsbereich / Foyer
ohne Kehlkopf, z.B. einen speziellen Ver-       In der Radioonkologie, Ebene 99
stärker, wenn man vor vielen Menschen
sprechen muss. Ich bot ihm an, das            Medizinische Universitätsklinik Heidelberg / Krehlklinik
alles mitzubringen und ihm zu zeigen            Im Neuenheimer Feld 410
bei einem nochmaligen Treffen. Er und           im Eingangsbereich / Foyer, an der Treppe
seine Frau waren sehr erleichtert. Ich traf
ihn wieder und konnte ihm einige Ängste       Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT)
nehmen. Er war total dankbar!“                  Im Neuenheimer Feld 460
                                                Tagesklinik I (im Erdgeschoss)
AKTIVITÄTEN UND KONTAKT                         Tagesklinik II
Patientenbegleitung vor und nach der            Weitere Auslagen an den Leitstellen im Haus
OP, Kopfklinik Heidelberg und UMM
www.kehlkopfoperierte-bw.de

                                                                                                                            13
Schwerpunkt: Selbsthilfe und Krankenhaus

Selbsthilfe beteiligt sich
an Aus- und Weiterbildung
                                             Medizinerausbildung in Heidelberg
                                             – selbsthilfeorientiert!
Heidelberg/Mannheim. Verschiedene
Beispiele für die Implementierung der
Selbsthilfe in die Ausbildung angehender
Ärztinnen und Ärzte, in die Aus- und
Weiterbildung von Pflegekräften und bei
Patientenschulungen zeigen: in der Regi-
on geschieht schon sehr viel. Grundlagen
hierfür bilden vereinbarte Kooperationen,
auch die zum Selbsthilfefreundlichen
Krankenhaus:

Die „Arzt-Patienten-Selbsthilfe-Gesprä-
che“ bei HeiCuMed und das „Patient-
Partners-Programm“ der Rheumaliga
sind zwei unterschiedliche Modelle, die
beide ein gemeinsames Ziel haben: die
Verbesserung der Medizinerausbildung
durch Einbeziehung von realen Patien-
tinnen und Patienten – und dazu noch
solchen, die Erfahrung in einer Selbst-
hilfegruppe haben.
                                             Einführungsvorlesung Selbsthilfe in der Medizinischen Klinik Heidelberg.
                                             Foto: Selbsthilfebüro
In der Universitätsmedizin Mannheim
findet für jeden Ausbildungsjahrgang         Heidelberg. Studierende der Medizin mit             Studierenden eindeutig für ihre zukünftige
der Gesundheits- und Krankenpflege-          der Selbsthilfe vertraut zu machen – das            Arbeit aus deren Betroffenenperspektive
schule Kurpfalz eine Doppelstunde zum        ist das erklärte Ziel von Prof. Jana Jünger,        profitieren. Eine Vorlesung über Selbst-
Thema Selbsthilfe statt. Der Gesund-         Projektkoordinatorin bei der Heidelber-             hilfe allgemein durch das Selbsthilfebüro
heitstreffpunkt Mannheim gestaltet den       ger Medizinerausbildung HeiCuMed                    rundet die Veranstaltung ab.
Unterricht gemeinsam mit Aktiven aus         und Initiatorin einer Zusammenarbeit
unterschiedlichen Selbsthilfegruppen.        zwischen dem Universitätsklinikum,                  Mittlerweile im 4. Semester, ist das
Hier sollen Pflegekräfte sensibilisiert      dem Heidelberger Selbsthilfebüro und                Projekt inzwischen zum Pflichtfach
werden für die Bedeutung von Selbst-         Selbsthilfegruppen der Region. Für die              avanciert. „Anfragen aus dem ganzen
hilfe. Sie sind wichtige Multiplikatoren     Umsetzung dieser Idee war die Aus-                  Bundesgebiet belegen die Nützlichkeit
und weisen später im beruflichen Alltag      zeichnung des Nationalen Centrums für               der Koppelung von Medizinstudium und
Patienten eher auf Selbsthilfegruppen        Tumorerkrankungen zum Selbsthilfe-                  Selbsthilfe“, so Prof. Jünger.
hin, wenn sie deren Arbeit besser ken-       freundlichen Krankenhaus Türöffner und
nengelernt haben. Einige Gruppen sind        Segen zugleich.
in den Fachunterricht einbezogen – bei-                                                           Infos aus erster Hand
spielsweise die ILCO zum Umgang mit          Die angehenden Ärztinnen und Ärzte
                                                                                                  Mannheim. In einer Unterrichtsein-
Stoma oder der Badische Blinden- und         lernen in den 15 „Arzt-Patienten-Selbst-
                                                                                                  heit an der Gesundheits- und Kran-
Sehbehindertenverein zum Umgang mit          hilfegesprächen“ pro Semester nicht
                                                                                                  kenpflegeschule sensibilisierten der
Sehbehinderten und Blinden.                  nur die Selbsthilfe kennen, sondern sie
                                                                                                  Gesundheitstreffpunkt und Selbsthil-
                                             werden gleich auch noch auf etwaige
                                                                                                  feaktive zukünftige Pflegekräfte dafür,
Auch die Akademie für Gesundheits-           Fallstricke bei der Diagnosefindung
                                                                                                  welche besondere Vermittler-Rolle
berufe am NCT Heidelberg hat in ihrer        hingewiesen: die erfahrenen Vertreter
                                                                                                  ihnen zwischen Patientin / Patient
Weiterbildung der Krankenpflegenden          der 13 kontinuierlich mitarbeitenden
                                                                                                  und Selbsthilfegruppe zukommt.
eine Unterrichtseinheit mit Selbsthilfebü-   Gruppen hatten seinerzeit als Patientin
                                                                                                  Die Selbsthilfegruppen Parkinson,
ro und Selbsthilfegruppen fest verankert.    oder Patient zum Teil eine lange „Ärzte-
                                                                                                  Dialysepatienten und Kehlkopflose
Auf den nachfolgenden Seiten werden          Odyssee“ hinter sich, bevor die richtige
                                                                                                  berichteten von ihrer Arbeit.
diese Beispiele näher erläutert.             Diagnose gestellt wurde. Hier können die

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Schwerpunkt: Selbsthilfe und Krankenhaus

Gemeinsames Ziel: Selbstständigkeit von Krebskranken
Die Selbstständigkeit                      Krebszentren und Organkrebszentren
krebskranker Menschen gilt als             detailliert geregelt. Gleiches gilt auch für
zentraler Leitgedanke der Pflege           die onkologische Fachpflege, doch wie
in onkologischen Kliniken. In              arbeiten diese Bereiche zusammen?
diversen Pflegetheorien wird die
                                           Voraussetzungen für die Zusammenar-
„Hilfe zur Selbsthilfe“ ausdrück-          beit schaffen – ein Beispiel
lich hervorgehoben, und sie wird           Zunächst gilt es, Vorurteile der Fach-
in der Praxis auch angestrebt.             pflegenden gegenüber der Selbsthilfe
Die Praxis zeigt jedoch auch,              abzubauen. Ein gutes Beispiel, wie das
dass Pflegende und die Selbsthil-          funktionieren kann, bietet die Heidelber-
febewegung in deutschen Klini-             ger Weiterbildung „Pflege krebskranker
ken noch viel zu selten mitein-            chronisch-kranker Menschen“. Dor t
ander kooperieren. Wie sich das            machen sich die Teilnehmenden mit der
ändern könnte, erläutert                   Charakteristik von Selbsthilfegruppen
Burkhard Lebert von der                    vertraut und erfahren Selbsthilfeange-
Akademie für Gesundheitsberufe             bote vor Ort. Und zwar gezielt für die
Heidelberg, Vorstandsmitglied              Fachrichtungen der Patienten auf ihrer
                                           Station. Sie lernen Ansprechpartner einer
des Krebsverbandes                                                                        Burkhard Lebert, Leiter der Weiterbildung “Pflege
                                           Selbsthilfegruppe kennen und nehmen an
Baden-Württemberg e.V.                     einem Selbsthilfegruppentreffen teil. An-
                                                                                          krebskranker/chronisch-kranker Menschen”
                                                                                          Foto: privat
                                           schließend tauschen sie ihre Erfahrungen
Die Selbsthilfebewegung hat in der deut-   im Kurs aus. Damit wird eine vertiefte         All das hat dazu beigetragen, Vorurteile
schen Onkologie in den vergangenen         Auseinandersetzung mit der Selbsthilfe         abzubauen und den direkten Kontakt
Jahrzehnten stark an Bedeutung ge-         bewirkt und der direkte Kontakt zur Kon-       herzustellen. Die Begegnung zwischen
wonnen. Dies zeigt sich im Besonderen      taktperson der Gruppe hergestellt. Auch        Pflegekräften und Selbsthilfegruppe läuft
an der Einbindung der Selbsthilfe ins      steigt die Berücksichtigung der Selbsthilfe    unter anderem über das Heidelberger
Qualitätsmanagement onkologischer Kli-     in Beratungsgesprächen der onkologi-           Selbsthilfebüro.
niken. Die Berücksichtigung der Selbst-    schen Fachpflege mit Patienten und die
hilfe ist in den Anforderungskatalogen     Einbindung von Selbsthilfegruppenlei-          Fazit
zur Zertifizierung von Onkologischen       tungen bei Patientengruppenschulungen.         Onkologische Fachpflege und Selbsthilfe
                                                                                          haben die gleichen Ziele. Aus diesem
                                                                                          Grund sollten sie enger miteinander
                                                                                          kooperieren. Dazu ist es notwendig, dass
                                                                                          Pflegende
                                                                                             die Selbsthilfe näher kennen lernen,
                                                                                             ihre Patienten über Selbsthilfemöglich-
                                                                                          keiten beraten,
                                                                                             mit der Gruppenleitung einer Selbsthil-
                                                                                          fegruppe direkt zusammenarbeiten und
                                                                                             jedem Patient Informationsmaterial der
                                                                                          Selbsthilfegruppe überreichen.
                                                                                          Burkhard Lebert

                                                                                          KONTAKT
                                                                                          Akademie für Gesundheitsberufe
                                                                                          Heidelberg
                                                                                          Kontakt: lebert@uni-hd.de

                                                                                          Pflegerisches Aufnahmegespräch.
                                                                                          Foto: Universitätsklinikum Heidelberg

                                                                                                                                       15
Schwerpunkt: Selbsthilfe und Krankenhaus

Seit einigen Jahren
ist die Rheuma-Liga                          Alltagsbewältigung für Betroffene
Baden-Württemberg,                           Ambulante „Patientenschulung für rheumatoide Arthritis“:
Arbeitsgemeinschaft
Heidelberg/Wiesloch
mit zwei erfolgreichen
Programmen im
Universitätsklinikum
Heidelberg vor Ort
vertreten.

Heidelberg. Einmal jährlich findet in
der Medizinischen Klinik, Abteilung V,
eine ambulante Patientenschulung             Julius Wiegand, ehrenamtlicher Betreuer der Patientenschulung, links, mit den Teilnehmenden 2014.
für Betroffene mit rheumatoider Ar-          Foto: Rheumaliga Baden-Württemberg, Heidelberg/Wiesloch
thritis statt. An drei Tagen vermitteln
                                             hierbei umfassend behandelt. Ziel der              waren alle Teilnehmerplätze ausgebucht.
dor t niedergelassene, fachärztliche
                                             Schulung ist, Patientinnen und Patien-             Die Anmeldung läuft bereits für 2015.
Referenten und Fachkräfte wichtige
                                             ten mit Hilfe fachlicher Unterstützung
Informationen zu Fragen rund um die                                                             KONTAKT
                                             einen selbstverantwortlichen Umgang
Erkrankung. „Therapie/Behandlungsfor-
                                             mit ihrer Erkrankung zu ermöglichen.               Rheuma-Liga Baden-Württemberg e. V.,
men“, „Ernährung“, „Psychologische
                                             Das Schulungskonzept wird sehr gut                 ARGE Heidelberg/Wiesloch
Schmerzbewältigung“ sowie „Alltagsbe-
                                             angenommen. Bei der Schulung im März               u.schilling@rheuma-liga-bw.de
wältigung und Selbsthilfe“ etc. werden

Medizinstudenten lernen durch Patienten
„Patient-Partners Programm“ der Rheuma-Liga im Universitätsklinikum
Heidelberg. Entsprechend der Grundidee
„angehende Ärzte lernen von Rheumapa-
tienten“ hat sich am Universitätsklinikum
Heidelberg eine Kooperation mit der
Rheuma-Liga fest etabliert: seit nunmehr
7 Jahren bringen sich motivierte Betroffe-
ne mit rheumatoider Arthritis und Morbus
Bechterew als „Patient Partners“ beim
gleichnamigen Programm in den Vor-
lesungen der Medizinstudierenden ein.

Die Studenten lernen von den Patientin-
nen und Patienten im direkten Kontakt
                                             Studentinnen mit Patient-Partner Dr. Josef Röper (Mitte) während des Unterrichts.
                                             Foto: Rheumaliga Baden-Württemberg, Heidelberg/Wiesloch
                                             und vertiefen Lerninhalte. Die Patienten           amtliche im Programm, bundesweit sind
                                             berichten über ihre Krankheitsgeschichte,          es ca. 100. Sie erhalten dafür ein spe-
                                             stehen für das Üben eines Anamnesege-              zielles Training, einmal jährlich erfolgt
                                             sprächs im Rollenspiel zur Verfügung und           eine Fortbildung. Langfristig soll mit dem
                                             lassen ihre an Rheuma erkrankten Hände             „Patient-Partners Programm“ die Früher-
                                             abtasten, so dass die Studierenden ein             kennung bei entzündlich-rheumatischen
                                             Gespür für diese wichtige Methode der              Erkrankungen verbessert werden. Denn
                                             Erstdiagnostik entwickeln.                         je früher diese diagnostiziert werden,
Rheumatische Hände – das Abtasten.
Foto: Rheumaliga Baden-Württemberg,                                                             umso besser sind die Chancen, der Ver-
Heidelberg/Wiesloch                          In Heidelberg engagieren sich 8 Ehren-             steifung der Gelenke entgegenzuwirken.

16
Schwerpunkt: Selbsthilfe und Krankenhaus

Borderliner im ZI: Bedenken längst zerstreut
Mannheim. Am Anfang gab es eine gro-
ße Skepsis, was die Zusammenarbeit mit
dem Zentralinstitut für Seelische Gesund-
heit (ZI) betrifft: Werden wir überhaupt
ernst genommen? Kann die Zusammen-
arbeit auf Augenhöhe stattfinden?

Diese und andere Bedenken wurden beim
ersten Sondierungstreffen von Selbsthil-
fegruppen und ZI diskutiert. Nachdem die
Ideen und Wünsche der Selbsthilfegrup-
pen zusammengetragen waren, wurde
der Qualitätszirkel „Selbsthilfe im ZI“ mit
je einem Vertreter von ZI und vom Ge-
sundheitstreffpunkt und den verschiede-
nen Selbsthilfegruppen (SHG) gegründet,
um damit die Selbsthilfefreundlichkeit im
ZI zu fördern. Auch eine Vertreterin der
SHG „Borderline Mannheim für Männer
und Frauen“ nahm daran teil.
                                              Luftaufnahme vom Zentralinstitut. Foto: ZI
Seitdem hat sich viel getan: Es gibt
beispielsweise Veranstaltungen zum            Thema Selbsthilfe für Mitarbeiter, Pati-        Betroffene, die noch keine Therapie ge-
                                              enten und Angehörige sowie monatlich            macht haben, sich hier über die Therapie-
KONTAKT                                       einen Info-Stand zum Thema Selbsthilfe          Erfahrungen der anderen informieren.
                                              im Eingangsbereich des ZI.                      Selbsthilfe ist eine wichtige Säule des
SHG Borderline Mannheim
                                                                                              Gesundheitswesens. Es gibt noch viel zu
für Frauen und Männer
                                              Die Zusammenarbeit mit dem ZI ist sehr          tun, um den Stellenwert der Selbsthilfe
0621 - 3 80 49 59
                                              wichtig. Selbsthilfegruppen tragen viel         zu festigen.
Borderline_ma@yahoo.de
                                              zur Nachsorge bei, außerdem können              Manfred Bensch

Depression: Nähe zur Klinik bringt Vorteile
Mannheim. Ehemalige Patienten des                                                             Gerade neue Mitglieder fühlen sich in der
Zentralinstituts für Seelische Gesundheit                                                     Gruppe häufig zum ersten Mal verstanden
(ZI) Mannheim gründeten die Selbsthil-                                                        und angenommen und sind durch die Nähe
fegruppe „Anders“, als einige Mitglieder                                                      der Gruppe zur Klinik weniger ängstlich
noch stationär im ZI waren. Das Institut                                                      einem stationären Aufenthalt gegenüber.
stellt der Gruppe seit der Gründung kos-                                                      In Krisensituationen hilft der Bezug zum ZI,
tenlos einen Gruppenraum für die regel-                                                       akut Betroffenen die Notwendigkeit einer
mäßigen Treffen zur Verfügung. Durch die                                                      ärztlichen Intervention nahe zu bringen.
Nähe zur Klinik können auch stationäre                                                        Die Notfallambulanz des ZI wird bekannt,
Patienten bereits vor ihrer Entlassung an                                                     manche Betroffene haben keine andere
den Gruppentreffen teilnehmen, so dass                                                        therapeutische oder ärztliche Anlaufstelle.
sie beim Übergang vom Klinikalltag in
einen „normalen“ Alltag von den Erfah-                                                        An der Gruppe können auch Angehörige
rungen der anderen Gruppenmitglieder                                                          teilnehmen. Für viele Betroffene ist das
profitieren und dieser oftmals stressfreier                                                   wichtig, da ihre Angehörigen dort oftmals
abläuft.                                      KONTAKT
                                                                                              zum ersten Mal ein Verständnis für sie und
                                              Tel. 0621 - 80 11 68                            ihre Schwierigkeiten entwickeln.

                                                                                                                                      17
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