Josefsbote Ursberger - St. Josefskongregation in Ursberg
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Impressum Erscheinungsweise: 3x pro Jahr LIEBE LESER Herausgeber: St. Josefskongregation Ursberg Sie schau´n den Josefsboten innen! Redaktion Ursberger Josefsbote: Tja, aufgeschlagen ist er nun, c/o Referat Öffentlichkeitsarbeit, 86513 Ursberg was wird er mit Ihnen tun? UND LESERINNEN, Redaktionsteam: Pater Benedikt Grimm OFM, Christian Pagel, Das, was Sie in Händen halten, Manuel Liesenfeld, Sr. M. Lucia Tremel CSJ, Sr. M. Katharina will sich nicht nur hier entfalten. Wildenauer CSJ , Werner Bisle Nein, Sie werden es bald spüren, Grafik: Werner Bisle er will Sie viel tiefer führen. Druck: Deni Druck & Verlags GmbH, Thannhausen Wir haben unsre kleine Welt Versand/Vertrieb: Brigitte Milik, Tel. 08281 92-3026, dichterisch hier dargestellt. E-Mail: BMilik.csj@ursberg.de Sind Sie dem offen zugewandt, Bezugspreis: Durch Spenden abgegolten berührt es Herz, Geist und Verstand. Bilder: Titel, stock.adobe.com • Seite 4–5, stock.adobe.com Freuen Sie sich Stück für Stück • Seite 6, pixabay.com • Seite 8, wikiart.org • Seite 9–13, an diesem bunten Mosaik. pixabay.com • Seite 14–15, stock.adobe.com • Seite 17, Mit Dichtung ist hier überschrieben, DRW Manuel Liesenfeld • Seite 18 , wikiart.org • Seite 19–20, was wir und alle unsre Lieben, stock.adobe.com • Seite 20 , wikiart.org • Seite 21–29, stock. jetzt, oder länger schon gemacht adobe.com • Seite 30, wikiart.org • Seite 31, Christian Pagel und kunstvoll zu Papier gebracht. • Seite 32, pixabay.com • Seite 33–34, stock.adobe.com • Verkosten Sie die Worte, Seite 36, wikiart.org • Seite 38, stock.adobe.com • Seite 39, wie eine feine Torte, pixabay.com • Seite 40– 41, stock.adobe.com • Seite 42– 43, oder, was des Gaumen Glück´, pixabay.com • Seite 44, wikiart.org • Seite 46, stock.adobe. dann halt wie ein Käsestück! com • Seite 47, pixabay.com • Seite 48–49 , stock.adobe. Ja, es ist in unserem Sinn: com • Seite 50 – 51, Knesebeck • Seite 52–55, stock.adobe. schmelzen Sie jetzt einfach hin! com • Seite 56–57, pixabay.com • Seite 58, Sr. M. Katharina Kommt dann der nächste Bote raus, Wildenauer CSJ • Seite 58 – 63, pixabay.com • Seite 60, Sr. M. schaut er ähnlich anders aus. Lucia Tremel CSJ • Seite 64–65, Sr. M. Lucia Tremel CSJ Wie in all den letzten Jahren, woll´n wir unsre Leserscharen Für unaufgefordert zugesandte Artikel besteht kein An- mit einer Themen-Reih´ beglücken spruch auf Rücksendung! und wie folgend neu bestücken: Die schönsten Künste bringen wir, Spendenkonten in Malerei dann zu Papier! Und Musik, wie kann das sein, St. Josefskongregation fangen wir hier auch noch ein! So, jetzt ist das Fass schon auf, IBAN DE62 7509 0300 0400 1372 00 warten Sie gespannt darauf. BIC GENODEF1M05 Doch jetzt zum schönen Osterfeste, Stiftung Dominikus-Ringeisen-Werk wünschen wir das Allerbeste! Einrichtung für Menschen mit Behinderung Bleiben Sie gesund und heiter, IBAN DE80 7509 0300 0000 1372 00 wir schreiben gerne für Sie weiter! BIC GENODEF1M05 Herzlichen Dank für Ihre Spende! Für Spenden ab 15,– Euro erhalten Sie von uns eine Spendenbestätigung. Für Spenden bis 15,– Euro gilt der Sr. M. Lucia Tremel CSJ Bankbeleg für die Einreichung beim Finanzamt.
INHALT Dichtung und Glaube............................................................. Glaube............................................................. 5 Heilige als Dichter ................................................................. 10 Preisgekrönte Autoren .......................................................... 17 Bücher lesen heißt ... ............................................................ 18 Aphorismen: Kopfkonfekt .................................................... 23 Dichten: erden, was in der Luft liegt ................................... 25 Wahrheit, die gedichtet scheint oder ... ............................. 28 Wer für Erwachsene schreibt................................................ schreibt................................................ 29 Sprache im Einklang mit der Natur ..................................... 31 Sprache der Mathematik ..................................................... 35 Sein oder nicht Sein ...? ........................................................ 37 Theater und Corona ............................................................. 39 Dichtung und Wahrheit oder ... ........................................... 44 Maikäfer flieg‘........................................................................ flieg‘........................................................................ 48 Gedichte sind wie ein Fluss ................................................. 49 Leseecke ............................................................................... 50 Dichtung? .............................................................................. 55 Im Gedenken. Gedenken......................................................................... 58 Aus Sr. M. Lucias Fundgrube ................................................ 64
Je mehr ich mich auf dieses Thema unseres Josefsboten einlasse, desto unübersichtlicher und reicher erscheint das Material, das sich mit diesem Stichwort verbinden lässt. Die Literatur dazu ist gewaltig. So werde ich mich auf ein paar markante und auch vielleicht überraschende Beispiele gläubiger Poesie aus der Heiligen Schrift und der christlichen Tradition beschränken. Es sind Texte, die mir auch persönlich wichtig sind und die mich begleiten. Sie im Einzelnen ausführlich zu kommentieren, das überschreitet den Raum einer Zeitschrift. Vielmehr laden die einzelnen abgedruckten Texte ein, sie unmittelbar auf sich wirken zu lassen. Poesie lässt sich auch erschließen, wenn man sie langsam und laut spricht. Grundsätzliches zum Thema sagt das 2. Vatikanische Konzil in einem seiner wichtigsten Dokumente über die „Kirche in der Welt von heute“: »Auf ihre Weise sind auch Literatur und Kunst für das Leben der Kirche von großer Bedeutung. Denn sie bemühen sich um das Verständnis des eigentümlichen Wesens des Menschen, seiner Probleme und seiner Erfahrungen bei dem Versuch, sich selbst und die Welt zu erkennen und zu vollenden; sie gehen darauf aus, die Situation des Menschen in Geschichte und Universum zu erhellen, sein Elend und seine Freude, seine Not und seine Kraft zu schildern und ein besseres Los des Menschen vorausahnen zu lassen.« (»Gaudium et spes«, Art. 62) Poesie aus der Heiligen Schrift Schöpfungshymnus Im Anfang erschuf Gott Himmel und Erde. 2 Die söhnen. Dabei geht es den Theologen des 6. bzw. Erde war wüst und wirr und Finsternis lag über der 5. vorchristlichen Jahrhunderts nicht um Naturkun- Urflut und Gottes Geist schwebte über dem Wasser. de bzw. Naturgeschichte. Die eigentliche Aussage 3 Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht. des „Schöpfungsberichtes“ ist, dass der Mensch 4 Gott sah, dass das Licht gut war. Und Gott schied von Gott geschaffen ist und dass die Schöpfung das das Licht von der Finsternis. 5 Und Gott nannte das Werk Gottes ist und dass sie gut ist. Es handelt sich Licht Tag und die Finsternis nannte er Nacht. Es wur- um ein Loblied auf Gottes Wirken. de Abend und es wurde Morgen: erster Tag. 6 Dann sprach Gott: Es werde ein Gewölbe mitten im Wasser und scheide Wasser von Wasser. 7 Gott machte das Gewölbe und schied das Wasser unter- halb des Gewölbes vom Wasser oberhalb des Ge- wölbes. Und so geschah es. 8 Und Gott nannte das Gewölbe Himmel. Es wurde Abend und es wurde Morgen: zweiter Tag ... (Gen 1,1ff) Der Text hat eine lange Geschichte. Auf den ers- ten Blick erscheint er wie ein historischer Bericht. Lange Zeit versuchte man ihn mit allen möglichen Tricks mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zu ver-
Das Hohelied Die Psalmen Einladung des Geliebten an die Geliebte: 2,8-17 „Die Psalmen sind für mich eins der wichtigsten Le- ritueller Feiern des Jerusalemer Königtums (z. B. Ps 8 Horch! Mein Geliebter! / Sieh da, er kommt. Er springt über die Berge, / hüpft über die Hügel. bensmittel. Ich esse sie, ich trinke sie, ich kaue auf 2) Weisheitspsalmen (z. B. Ps 1) und Wallfahrtslie- 9 Der Gazelle gleicht mein Geliebter, / dem jungen Hirsch. Sieh da, / er steht hinter unserer Mauer, er blickt ihnen herum, manchmal spucke ich sie aus, und der (z. B. Ps 113, Ex 15,1). durch die Fenster, / späht durch die Gitter. manchmal wiederhole ich mir einen mitten in der Mehrere Psalmen (etwa Psalm 58, Psalm 83 und 10 Mein Geliebter hebt an und spricht zu mir: / Steh auf, meine Freundin, / meine Schöne, so komm doch! Nacht. Sie sind für mich Brot“, sagt die evangeli- Psalm 109) werden traditionell als Fluchpsalmen 11 Denn vorbei ist der Winter, / verrauscht der Regen. sche Theologin Dorothe Sölle († 2003), die selbst oder neuerdings als Vergeltungspsalmen bezeich- 12 Die Blumen erscheinen im Land, / die Zeit zum Singen ist da. Die Stimme der Turteltaube / ist zu hören eine ganze Reihe von psalmenähnlichen Texten ver- net. Etwa die Hälfte der Psalmen innerhalb des in unserem Land. fasst hat. Psalters verweisen in ihrer Überschrift auf König 13 Am Feigenbaum reifen die ersten Früchte, / die blühenden Reben duften. Steh auf, meine Freundin, / David. meine Schöne, so komm doch! Der gute Hirte Das aus dem Judentum entstandene Christentum 14 Meine Taube in den Felsklüften, / im Versteck der Klippe, dein Gesicht lass mich sehen, / deine Stimme 1 Ein Psalm Davids. übernahm die Psalmen als Grundstock der eige- hören! Denn süß ist deine Stimme, / lieblich dein Gesicht. Der HERR ist mein Hirt, * nen Gebetssprache. Dabei wurden viele Psalmen nichts wird mir fehlen. so gedeutet, dass sie auf Jesus Christus verweisen Das „Lied der Lieder“ wird dem König Salomo zuge- leicht sind die Lieder ursprünglich bei Hochzeiten 2 Er lässt mich lagern auf grünen Auen * bzw. er selbst in ihnen spricht. Als einer der be- schrieben. Es handelt sich um eine Sammlung von gesungen worden. und führt mich zum Ruheplatz am Wasser. kanntesten Psalmen gilt der oben wiedergegebene ca. 30 einzelnen Liebesgedichten, die zu einem Di- Das Hohelied wurde in das Verzeichnis der Bücher 3 Meine Lebenskraft bringt er zurück. / Psalm 23 mit dem Titel „Der Herr ist mein Hirte“. alog zwischen Frau und Mann komponiert wurden. des Alten Testamentes aufgenommen, weil man die Er führt mich auf Pfaden der Gerechtigkeit, * Er besingt das Vertrauen des Beters auf Gott im Dabei steht die Frau offenkundig im Mittelpunkt, beschriebene Liebe zwischen Mann und Frau alle- getreu seinem Namen. Bild eines Hirten, der sich liebevoll um seine Herde ihre Lieder eröffnen und beschließen die Samm- gorisch auf die Beziehung zwischen Gott und Isra- 4 Auch wenn ich gehe im finsteren Tal, * kümmert. Die Psalmen bilden den Hauptinhalt des lung, von ihr geht die Initiative zur Liebe aus. Ange- el deutete. Auch die christliche Kirche akzeptierte ich fürchte kein Unheil; kirchlichen Stundengebets, das vor allem Priestern sprochen sind die „Töchter Jerusalems“, denen die diese Interpretation und erweiterte sie auf das Ver- denn du bist bei mir, * und Ordensleuten aufgetragen ist. Erlebnisse der Liebenden geschildert werden. Viel- hältnis Christus-Kirche. dein Stock und dein Stab, sie trösten mich. Aus dem Neuen Testament werden einige Texte der 5 Du deckst mir den Tisch * Gattung „Psalm“ zugeordnet, da sie diese Texttra- vor den Augen meiner Feinde. dition aufnehmen oder sogar auf jüdische Vorlagen Du hast mein Haupt mit Öl gesalbt, * zurückgehen: Der „Lobgesang der Jungfrau Maria“ übervoll ist mein Becher. (Lk 1,46–55), das Magnificat ist nur im Evangelium 6 Ja, Güte und Huld werden mir folgen mein Le- nach Lukas enthalten. Der Evangelist Lukas inter- ben lang / und heimkehren werde ich ins Haus des essiert sich von den Evangelisten am meisten für HERRN * für lange Zeiten. (Psalm 23) die Ausgegrenzten. Zeitgenössische Deutungen un- terstreichen gern die Stärke Marias und den „re- Ein Psalm ist im Judentum und Christentum ein po- volutionären“ Aspekt ihres Liedes. „Der Lobgesang etischer religiöser Text, oft mit liturgischer Funkti- des Zacharias“ (Lk1,68–79): Nach der Erzählung on. Die Bezeichnung wird vor allem verwendet für des Lukasevangeliums wird der Priester Zacharias die 150 Gedichte, Lieder und Gebete des Buches stumm, nachdem ein Engel ihm verkündete, dass der Psalmen der hebräischen Bibel bzw. des Alten seine betagte Frau Elisabet einen Sohn – Johannes Testaments (auch Psalter genannt). den Täufer – zur Welt bringen werde. Als das Kind Ihrem Inhalt und ihrer Form nach werden Psalmen geboren ist, löst sich seine Zunge, und seine ersten in verschiedene Gattungen unterteilt. Klagepsal- Worte sind das Benedictus, ein psalmartiges, pro- men (z. B. Ps 6, aber auch große Teile der Klage- phetisches Lob auf Gott und sein Handeln. Auch der lieder Jeremias), Bittpsalmen (z. B. Ps 5, Ps 17), Hymnus im Philipperbrief (Phil 2,5–11) gehört in Lobpsalmen (z. B. Ps 113, Ex 15,1 ), Dankpsalmen diese Reihe. Zwei der sieben letzten Worte Jesu am (z. B. Ps 30, Ps 116), Königspsalmen als Begleitung Kreuz stammen aus den Psalmen (Ps 22 und Ps 31).
Jesus als Dichter Ein Beispiel aus der Liturgie: Das Osterlob Er erzählte ihnen folgendes Gleichnis: Wenn einer Die Liturgie der Kirchen ist überaus reich an poetischen Texten. Eines der schönsten Beispiele ist das Exsul- von euch hundert Schafe hat und eins davon ver- tet der Osternacht. Eine genaue Datierung des Exsultet ist nicht möglich. Sicher ist jedoch, dass es zu den liert, lässt er dann nicht die neunundneunzig in der ältesten Texten des römischen Messbuchs gehört. Es entstand wahrscheinlich am Übergang des 4. zum 5. Wüste zurück und geht dem verlorenen nach, bis er Jahrhundert im heutigen Norditalien oder in Südfrankreich. Der Autor des Exsultet ist unbekannt. es findet? Und wenn er es gefunden hat, nimmt er es voll Freude auf die Schultern, und wenn er nach In Wahrheit ist es würdig und recht, den verbor- Bienen bereitet, wird sie dir dargebracht von deiner Hause kommt, ruft er die Freunde und Nachbarn genen Gott, den allmächtigen Vater, mit aller Glut heiligen Kirche durch die Hand ihrer Diener. zusammen und sagt zu ihnen: Freut euch mit mir, des Herzens zu rühmen und seinen eingeborenen So bitten wir dich, o Herr: Geweiht zum Ruhm dei- denn ich habe mein Schaf wiedergefunden, das ver- Sohn, unseren Herrn Jesus Christus, mit jubelnder nes Namens, leuchte die Kerze fort, um in dieser loren war! Ich sage euch: Ebenso wird im Himmel Stimme zu preisen. Er hat für uns beim ewigen Vater Nacht das Dunkel zu vertreiben. Nimm sie an als mehr Freude herrschen über einen einzigen Sünder, Adams Schuld bezahlt und den Schuldbrief ausge- lieblich duftendes Opfer, vermähle ihr Licht mit den der umkehrt, als über neunundneunzig Gerechte, löscht mit seinem Blut, das er aus Liebe vergossen Lichtern am Himmel. Sie leuchte, bis der Morgen- die keine Umkehr nötig haben. (Lk 15,3-7). hat. Gekommen ist das heilige Osterfest, an dem stern erscheint, jener wahre Morgenstern, der in das wahre Lamm geschlachtet ward, dessen Blut die Ewigkeit nicht untergeht: dein Sohn, unser Herr Je- Jesus war ein Meister im Umgang mit dem Wort. Türen der Gläubigen heiligt und das Volk wahrt vor sus Christus, der von den Toten erstand, der den Die Evangelisten haben ja nicht mitgeschrieben, Tod und Verderben. Menschen erstrahlt im österlichen Licht, der mit dir was er sagte. Zunächst wurden seine Predigten ein- lebt und herrscht in Ewigkeit! A: Amen. fach mündlich weitererzählt und erst gegen Ende Dies ist die Nacht, die unsere Väter, die Söhne Is- des ersten Jahrhunderts hat man begonnen schrift- raels, aus Ägypten befreit und auf trockenem Pfad In hymnischer Begeisterung werden die heilsge- lich festzuhalten, was in den Zusammenkünften durch die Fluten des Roten Meeres geführt hat. Dies schichtlichen Ereignisse der Pascha-Nacht Israels der Christen von Zeugen erzählt wurde. ist die Nacht, in der die leuchtende Säule das Dun- und der Nacht der Auferweckung Jesu Christi in kel der Sünde vertrieben hat. Dies ist die Nacht, die Erinnerung gerufen, es wird diese Nacht gepriesen Unter dem Gesichtspunkt der Poesie sind es vor auf der ganzen Erde alle, die an Christus glauben, und unsere Rettung besungen: „Dies ist die Nacht allem die Gleichnisse, in denen Jesus die Botschaft scheidet von den Lastern der Welt, dem Elend der … O unfassbare Liebe des Vaters ... O wahrhaft vom Reich Gottes verkündet hat. Gleichnisse sind Sünde entreißt, ins Reich der Gnade heimführt und selige Nacht ... O glückliche Schuld… Der Glanz Geschichten, die erzählen, wie Gott ist und wie einfügt in die heilige Kirche. Dies ist die selige Nacht, dieser Nacht gibt den Sündern die Unschuld, den er den Menschen begegnet. Gleichnisse greifen in der Christus die Ketten des Todes zerbrach und Trauernden Freude.“ Die Osterkerze wird gefeiert Bilder und Ereignisse aus dem alltäglichen Leben aus der Tiefe als Sieger emporstieg. als Lichtspenderin, die Gott als „duftendes Lob-Op- der Zuhörer Jesu auf. Sie laden die Menschen ein, fer“ dargebracht wird. Dann richtet sich der Blick den Geheimnissen des Gottesreiches nachzuspü- O unfassbare Liebe des Vaters: Um den Knecht zu auf den wahren Morgenstern: „Jesus Christus, der ren. Zum Beispiel, wie ein kleines Senfkorn zu ei- erlösen, gabst du den Sohn dahin! O wahrhaft heil- von den Toten erstand, der den Menschen erstrahlt nem großen Baum wird, in dem die Vögel wohnen bringende Sünde des Adam, du wurdest uns zum im österlichen Licht“. können (Mk 4,30–32). Die Botschaft: Das Reich Segen, da Christi Tod dich vernichtet hat. O glück- Gottes ist wie ein kleiner Same, aus dem langsam liche Schuld, welch großen Erlöser hast du gefun- ein großer Baum wächst, oder wie ein Hirte ein den! Der Glanz dieser heiligen Nacht nimmt den verlorenes Schaf wiederfindet (siehe oben): Gott Frevel hinweg, reinigt von Schuld, gibt den Sündern freut sich über jeden Menschen, der zum Glauben die Unschuld, den Trauernden Freude. O wahrhaft findet. selige Nacht, die Himmel und Erde versöhnt, die Gott und Menschen verbindet! In dieser gesegne- Rembrandt van Rijn ten Nacht, heiliger Vater, nimm an das Abendopfer Hundertguldenblatt unseres Lobes, nimm diese Kerze entgegen als un- 1647 sere festliche Gabe! Aus dem köstlichen Wachs der
Heilige als Dichter Franz von Assisi, Sonnengesang Höchster, allmächtiger, guter Herr, dein sind das Lob, die Herrlichkeit und Ehre und jeglicher Segen. Dir allein, Höchster, gebühren sie, und kein Mensch ist würdig, dich zu nennen. Gelobt seist du, mein Herr, mit allen deinen Geschöpfen, zumal dem Herrn Bruder Sonne, welcher der Tag ist und durch den du uns leuchtest. Und schön ist er und strahlend mit großem Glanz: Von dir, Höchster, ein Sinnbild. Gelobt seist du, mein Herr, Im Winter 1224/1225 – zwei Jahre vor sei- durch Schwester Mond und die Sterne; nem Tod – war Franziskus schon sehr ge- am Himmel hast du sie gebildet, schwächt. Auch litt er an einer Augenkrank- klar und kostbar und schön. heit, durch die er fast völlig erblindet war. Gelobt seist du, mein Herr, Um sich in Ruhe erholen zu können, zog durch Bruder Wind und durch Luft und Wolken er sich nach San Damiano zurück. Hier bot und heiteres und jegliches Wetter, ihm eine Hütte im Garten Klara und ihren durch das du deinen Geschöpfen Unterhalt gibst. Schwestern Unterkunft. Im Gebet erhielt Gelobt seist du, mein Herr, er durch eine göttliche Offenbarung die durch Schwester Wasser, Gewissheit, dass er durch das Ertragen der gar nützlich ist es und demütig und kostbar und keusch. Krankheit zur ewigen Freude des Himmel- Gelobt seist du, mein Herr, reichs gelangen werde. Hierüber freute sich durch Bruder Feuer, Franziskus so sehr, dass er ein Lied dichtete: durch das du die Nacht erleuchtest; das Loblied der Geschöpfe, im deutschen und schön ist es und fröhlich und kraftvoll und stark. Sprachraum Sonnengesang genannt. Fran- Gelobt seist du, mein Herr, ziskus lobt Gott als den Schöpfer, wobei die durch unsere Schwester, Mutter Erde, Schönheit der Natur den geeigneten Inhalt die uns erhält und lenkt und Rahmen bietet. und vielfältige Früchte hervorbringt und bunte Blumen und Kräuter. Auch von anderen Heiligen gibt es klassi- Gelobt seist du, mein Herr, sche Zeugnisse gläubiger Poesie. Ich denke durch jene, die verzeihen um deiner Liebe willen da an den Kirchenlehrer Aurelius Ambrosius, Ambrosius und Krankheit ertragen und Drangsal. Bischof von Mailand, († 397). Er führte den Selig jene, die solches ertragen in Frieden, Psalmengesang in der römischen Kirche ein denn von dir, Höchster, werden sie gekrönt. und ist Verfasser zahlreicher Hymnen, u.a. Gelobt seist du, mein Herr, des Te Deum (Großer Gott wir loben dich). durch unsere Schwester, den leiblichen Tod; ihm kann kein Mensch lebend entrinnen. Johannes vom Kreuz (*24. Juni 1542 in Spa- Wehe jenen, die in tödlicher Sünde sterben. nien; † 14. Dezember 1591) Mystiker. Sei- Selig jene, die er findet in deinem heiligsten Willen, ne Schriften sind geistliche Kommentare zu denn der zweite Tod wird ihnen kein Leid antun. seinen Gedichten, in denen er seine mysti- Lobt und preist meinen Herrn schen Erfahrungen in der Freundschaftsbe- und dankt ihm und dient ihm mit großer Demut. ziehung zu Gott besingt.
Zeitgenössische christliche Poesie Geistliche Gedichte, Andreas Knapp, (*1958 in Hettingen, Baden) ist Lothar Zenetti (*1926 in Frankfurt am Main; † 2019) so Andreas Knapp, sind ein tastender Versuch, die Sprachlosigkeit zu überwinden, die großen und kleinen Priester und Autor. Im Jahr 2000 schloss er sich war ein deutscher römisch-katholischer Theologe, Wunder des Lebens wieder neu zu entdecken: „Gott ist keine Vokabel, die das Kreuzworträtsel unseres Le- dem Orden der »Kleinen Brüder vom Evangelium« Priester und Schriftsteller. bens löst. Gott ist keine Zauberformel. Sondern ein Wort der Hoffnung, dass das Ungelöste unseres Lebens an. Heute lebt er mit drei Mitbrüdern in einem Plat- einen Raum findet. Die Poesie spricht das Unaussprechliche nicht aus, sie lässt es mitschwingen. Das gibt tenbau in Leipzig, wo er sich in der Gefängnisseel- Wie ein Baum ihr Möglichkeiten, die ein Aussprechen nicht haben kann.“ sorge und Flüchtlingsarbeit engagiert. Herr, wie ein Baum, so sei vor dir mein Leben, Herr, wie ein Baum, sei vor dir mein Gebet. P. Benedikt Grimm OFM von gott aus gesehen Gib Wurzeln mir, ist unser suchen nach gott die in die Erde reichen, vielleicht die weise wie er uns auf der spur bleibt dass tief ich gründe und unser hunger nach ihm das mittel in den alten Zeiten, mit dem er unser leben nährt verwurzelt in dem Glauben ist unser irrendes pilgern meiner Väter. das zelt in dem gott zu gast ist Gib mir Kraft, zum festen und unser warten auf ihn Stamm zu wachsen, sein geduldiges anklopfen dass aufrecht ich ist unsere sehnsucht nach gott an meinem Platze stehe die flamme seiner gegenwart und wanke nicht, und unser zweifel der raum auch wenn die Stürme toben. in dem gott an uns glaubt Gib, dass aus mir Dazu der Autor: „Religion ist etwas, das mich be- sich Äste frei erheben, wegt, erschüttert, beglückt. Religiöse Sprache will oh meine Kinder, Herr, nicht informieren, sie will verwandeln und etwas lass sie erstarken, und ihre Zweige Neues eröffnen. Lyrik ist eine Sprachform, die der recken in den Himmel. religiösen Erfahrung angemessen ist – im Gegen- Sei Zukunft mir und satz zu einer informativen Sprache. Etwa in Kate- lass die Blätter grünen chismen hat die Kirche lange versucht, zu definie- und nach den Wintern ren, wer Gott ist. Doch das ist die falsche Frage. Hoffnung neu erblühen, Richtig müsste die Frage lauten: Wie komme ich und wenn es Zeit ist, in Beziehung zu Gott? Lyrik geht es darum, Bezie- lass mich Früchte tragen. hungen zu eröffnen.“ Dieses kleine Gedicht greift Herr, wie ein Baum, so sei vor dir mein Leben, den Gedanken auf und kommt zu überraschenden Herr, wie ein Baum, sei vor dir mein Gebet. Einsichten, wenn der Gläubige einzelne Schritte auf seinem Weg mit Gott betrachtet. „Er ist wie ein Baum, der an Wasserbächen gepflanzt ist, der zur rechten Zeit seine Frucht bringt und des- sen Blätter nicht welken“. Der Dichter greift die- ses wunderbare Bild aus dem Psalm 1 auf, um das menschliche Leben in Form eines Gebetes liebevoll zu meditieren. Wurzel, Stamm, Äste und Blätter stehen im Dienst der Früchte, die dann erscheinen, „wenn es Zeit ist“.
GEDICHT Wahre Dichtungen halten der Zeit den Spiegel Dicht an meiner Seele nur insofern vor, fährt ein Wort vorbei. dass sie die Zeit in der Ewigkeit sich Mutvoll und liebevoll spiegeln lassen. streift es meine Seelenhaut. Marie von Ebner-Eschenbach Ist das schon Dichtung? Peter Schott
PREISGEKRÖNTE AUTOREN AUS DEM DOMINIKUS-RINGEISEN-WERK Der Verein „Die Wortfinder“ zeichnet besondere Literatur von besonderen Menschen aus Michaela Rauner und Christian Sattelmair aus fachkundige Jury wählte aus den rund 1000 ein- Krumbach sowie Markus Eham aus Ursberg sind gereichten Beiträgen die Preisträger aus. Die Texte Preisträger des internationalen Literaturwettbe- der Preisträger sind in einem literarischen Wandka- werbs des Vereins „Die Wortfinder e.V.“ aus Biele- lender für das Jahr 2021 erschienen. Der grafisch feld. Die preisgekrönten Autoren aus dem Domini- anspruchsvoll gestaltete Kalender mit dem Titel kus-Ringeisen-Werk wurden u.a. mit einer Urkunde „Mein Schatten springt vor Freude“ enthält pro geehrt. Ihre Texte sind Teil eines literarischen Kalen- Woche ein Blatt mit einem oder mehreren Texten. ders für das Jahr 2021, der von „Die Wortfinder e.V.“ Zeichnungen und Schriftbilder bereichern den Ka- herausgegeben wird. „Die Wortfinder e.V.“ fördert lender. Im Anhang finden sich kurze Biografien aller das kreative Schreiben und die Literatur von be- Autorinnen und Autoren. sonderen Menschen und Menschen in besonderen Manuel Liesenfeld Lebenslagen. An diesen Personenkreis richtet sich auch der jährliche Literaturwettbewerb, der dies- Bestellmöglichkeiten: Die Wortfinder e.V. c/o Sabi- mal das Thema „Licht und Schatten, Hell und Dun- ne Feldwieser, Bossestr. 9, 33615 Bielefeld, Telefon kel, Tag und Nacht“ hatte. 2020 wurde der Literatur- 0521-560 950 30 oder diewortfinder@t-online.de; wettbewerb bereits zum zehnten Mal ausgetragen. www.diewortfinder.com „Was das Leben hell macht“ Michaela Rauner beschreibt in ihrem Text „Was mein Leben hell macht“ u.a., dass sie gerne die Heilige Messe besucht, mit der Mama telefoniert, die Sonne genießt und es gut findet, wenn sie angelächelt wird. Markus Eham erzählt „Meine Wunschträume“. Diese beziehen sich in seinem Beitrag auf Kulinarisches, von der Pizza mit Schin- ken über Lachsnudeln, vom Döner bis zum Lebku- chen-Tiramisu. Christian Sattelmair beschäftigt in seinem fast lyrischen Text „Meine hellen Tage mit Christina“ eine Liebesgeschichte, in der er eine von zwei Hauptrollen hat: „Christina ist so ein schönes Mädchen, wenn ich sie anschaue, dann leuchten meine Augen und sie ist hell wie ein Licht.“ Mehr als 500 Teilnehmer Mehr als 500 Autorinnen und Autoren aus Deutsch- Stolze Preisträger des Wortfinder-Literaturwettbewerbs land, Österreich und der Schweiz haben Texte für (v.l.n.r.): Christian Sattelmair, Markus Eham den Wettbewerb eingereicht. Eine fünfköpfige und Michaela Rauner
Welch ein Vergnügen bereitet es, sich ungestört in ließ Tom misshandeln und zwang ihn, seinen Glau- ein Buch zu vertiefen! Zeit und Raum lösen sich ben aufzugeben. Doch Tom blieb seinem Glauben auf, wir entfliehen dem Alltag, werden zu einem treu und verzieh sterbend seinen Peinigern. Ich sah Anderen oder bewegen uns in einem ganz fremden aus dem Fenster und sah meinen Vater, den ich so Land! Je mehr Seiten wir lesen, umso mehr Seiten liebte, im Garten werkeln und erkannte wie gut es des Lebens lernen wir kennen. Fachbücher, Ro- mir ging. Ich ahnte etwas von der Zerbrechlichkeit mane, Gedichte erweitern unsere Welt, die ohne der heilen Welt. Die Geschichte von der Familie Grenzen sein kann. Toms geht weiter, aber die weißen guten Menschen, Bücher – ein Haufen toter Buchstaben? Nein, ein die die Sklaven befreieten, wurden sehr idealisiert. Sack voll Samenkörner, so sagt André Gide. Wenn Restlich frei sind die schwarzen Amerikaner ja heu- ich zurückschauend meine Bücher betrachte, so te noch nicht, wir erfuhren es konkret im letzten weiß ich um Etliche, die Samen in mir aufgehen Jahr bei der Ermordung von George Floyde. Dieses ließen. Kaum war ich des Lesens mächtig, versank Buch ließ mich die schwarzen Soldaten, die mit ih- ich oft in Büchern. Zuerst waren es die un- ren Jeeps und Lastwagen durch die Straßen Brü- terhaltsamen Internatsgeschichten von ckenaus fuhren und uns mit Kaugummis Enid Blyton, die ich verschlang. Spä- oder Schokoriegeln erfreuten, anders ter bei ihren 5-Freunde-Büchern wahrnehmen. Ich dachte an deren erkannte ich bereits den Wert von Geschichte in einem ach so freien Freunden, und dass das Leben Land. Später noch ließ es mich in nicht nur Spaß beinhaltet, dass es Bamberg als Jugendliche die Lokale Unrecht in unserer Gesellschaft meiden, die am Eingang das Schild gibt. So allmählich verlor ich das stehen hatten: Only for Whites. Bild der heilen Welt, wenn ich Als ich von der Verbrennung der Bü- auch noch immer gerne die Lebens- cher im Dritten Reich hörte, dachte geschichten von Pucki, Nesthäkchen ich mir: Bücher müssen gefährlich sein. oder Trotzkopf las. Mit Respekt stand ich vor dem Bücherregal Im Alter von neun Jahren vollzog sich aber gerade meines Vaters, in welchem Bücher und Lexika stan- beim Lesen ein großer innerer Wandel. Ich weiß den, die er über diese Zeit hinweggerettet hatte. und spüre es noch immer in mir, wie ich in Bad Vater erzählte mir, dass auch die Bücher von Erich Brückenau an meinem Zimmerfenster mit Blick auf Kästner, den ich mit seinem Doppelten Lottchen unseren Garten saß und Tränen weinte über die und seinem Emil und die Detektive kannte, ver- Ungerechtigkeit in unserer Welt. Es war das Buch brannt wurden. Ich verstand nicht, was an einem von Harriet Beecher Stowe: Onkel Toms Hütte. Es Lexikon oder Kinderbuch so gefährlich sein sollte, handelte von einem Sklaven – Onkel Tom – der dass diese Machthaber Angst davor hatten. Spä- verkauft wird und sich von seiner Frau und seinen ter erkannte ich es etwas, wie sehr in jedem Satz Kindern trennen musste. Bei seinem neuen Herrn die Möglichkeit zur Manipulation steckt. Ende der entwickelte er eine innige Beziehung zu der klei- sechziger Jahre fielen mir mit einer Taschenbuchrei- nen Tochter des Hauses, die noch als Kind verstarb. he Bücher in die Hände, die das Schicksal von jü- Dieser Herr wurde ein Gegner der Sklaverei und dischen Jugendlichen beschrieben. „Damals war es wollte Tom frei lassen. Aber er wurde ermordet Friedrich“ (Hans Peter Richter), diesen folgten die Carl Spitzweg und aus Gewinnsucht der Witwe wurde der Sklave Bücher von Janina David (z.B. ein Stück Himmel) Der Bücherwurm erneut verkauft. Diesmal geriet er an einen bruta- oder Judith Kerr (Als Hitler das rosarote Kaninchen Jean Paul 1850 len Herrn, der eine Baumwollplantage betrieb. Er stahl). Ebenso öffnete mir Effi Briest von Fontane,
Madame Bovary von Flaubert, Anna Karenina so- wie Krieg und Frieden von Tolstoi etwas die Augen dafür, wie die Gesellschaft mit den Frauen umging. Heine (1797 – 1856) sagte: „Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch die Men- ment Paul Maar mit seinen Lebenserinnerungen und das Buch über eine Bibliothekarin, die 11 Bü- cher im KZ bewahrt. Und was lesen Sie zur Zeit? Greifen Sie zu einer Dichtung oder bevorzugen Sie das anscheinend mehr der Wahrheit entsprechen- ER UND WIR schen“. Er ahnte es, was viele Jahre später geschah! de Sach- oder Fachbuch? Bücher verbrennen ist eigentlich beinahe Verbren- nen der Menschen. Mit deren Bücher verbrennt Sr. M. Katharina Wildenauer CSJ Wir säen und ernten, das, was sie denken, schreiben und sind. Dichter verloren ihren Broterwerb und verließen ihre Hei- doch wachsen lässt ER! mat. Berthold Brecht, Thomas Mann und viele an- dere. Damit verlor Deutschland nicht nur die Au- toren, sondern auch deren Sprache. Oft stand ich Wir kommen und gehen, deshalb vor dem Regal meines Vaters und schämte mich der Vergangenheit meines Landes, aber auch doch bleiben wird ER! meiner Freiheit, die ich nie – auch heute nicht – so recht wahrnehme und nutze. Ich schämte mich und hielt voller Respekt so einige dieser Bücher in meinen Händen. Wir sorgen und schuften, Ich könnte mit meiner Liste von Büchern weiter ge- hen, wie z.B. „Der ungeratene Sohn“ von Renate doch wirken tut ER! Rasp, das die Zwänge schildert, in welcher Her- anwachsende groß werden müssen. Die Romane von Pearl S. Buck und Hermann Hesse, Jane Austen, Wir können´s nicht fassen, Sartre und die Gedanken von Simone de Beauvoir. Aber ich halte nun besser inne. Ich gestehe, dass ich mich weniger in Sachbücher doch HERR bleibt ER! vertiefe, sondern lieber in die Dichtung über ver- gangene und gegenwärtige Zeiten, die zwar ver- fremdend, aber mit der Chance zur Identifikati- IHM dürfen wir dienen, on, erahnen lassen, wie es den Menschen dieser Zeiten erging. Ich suchte und suche mir Identifi- egal wie und wo; kationsfiguren – ist das nicht eigentlich auch bei Heiligenerzählungen und bei der Hl. Schrift eben- so? – die mich führten und meinen Horizont er- weiterten. Oft waren es zu Beginn blauäugige und ER wird uns führen gutgläubige Personen, die mir sympathisch waren, die aber im Laufe ihrer Lebensgeschichte geläutert und das macht mich froh! werden, das wahre Leben sehen, oft sterben oder aber auch sich daran machen, ein Stück ihrer Welt Albert Anker zu gestalten. Lesender Mann Zur Zeit liegt bei vielen Menschen die Obama-Bio- 1909 graphie auf dem Lesetisch, bei mir sind es im Mo- Sr. M. Lucia Tremel CSJ
APHORISMEN: KOPFKONFEKT Rupert Schützbach Neulich beim Deutsch lernen. Ich versuche mit Händen und Füßen zu erklären, Dieser Aphorismus stand im Dezember auf unse- rem Kalender. Es ist nicht einmal ein Satz und doch rascht. Man kann Aphorismen genießen, sich mer- ken oder aber vergessen, je nachdem, wie sie uns was Poesie ist. so stimmig. Oft ist es leichter, sich in vielen Sätzen über ein Thema auszubreiten, als sich kurz zu fas- schmecken. Sie können würzig und spritzig sein. In treffenden Worten ist auf engstem Raum eine Ein syrischer Junge hilft mir auf die Sprünge: sen! Ein Aphorismus formuliert in allerknappster wichtige Erkenntnis festgehalten, so geben sie der Form etwas Wesentliches und hat damit besonde- Wahrheit „Dichte“. Poesie ist so was wie Ballett, re Kraft. Die Worte Aphorismus und Horizont hängen sprach- Konfekt, das sind die süßen Gaumenfreuden für lich zusammen. Sie haben beide etwas mit Begren- aber mit Wörtern. so zwischendurch. Nur greifen wir dann zung und Überwindung dieser zu tun. Ein meistens noch einmal danach und so Aphorismus kann unseren Horizont neu Susanne Riderer werden sie zu unseren kleinen Dick- weiten und zu neuen Weisheiten füh- machern, die unsere Hosen und ren. Er regt an, nachzudenken und Blusen zu eng werden lassen. Probleme aus einer anderen Per- Aphorismen sind keine Gau- spektive zu sehen. Aphorismen menfreuden, aber so ab und können uns in unserer Ansicht zu sind sie eine Kopffreude. bestätigen und helfen, Erfahrun- Sie machen nicht dick, aber gen auf den Punkt zu bringen. mitunter den Kopf frei. Sie Die oft ungewohnte Anordnung können trösten und erhei- von Worten macht uns wach tern. Sie können provozie- und regt uns an. ren oder eine Erkenntnis entzünden. Meist haben sie Aphorismen sind halt Kopfkon- eine Pointe, die uns über- fekt! Sr. M. Katharina Wildenauer CSJ
DICHTEN: ERDEN, WAS IN DER LUFT LIEGT Michael Rumpf Dichtung ist nicht zwecklos, sie will hinter die Ku- Luise Kaschnitz). Dank der besonderen Sensibilität lissen schauen. Will sehen, was wirklich ist. Sie ist erkennen Literaten Entwicklungen bereits in ihrer verdichtete Wahrheit, deren Sprache verstanden Zeit des Entstehens und lange bevor den meisten werden will. anderen eine Fehlentwicklung auffällt. Marie Luise Ein Dichtender ringt mit der Welt, dem Sein, dem Kaschnitz traut den Dichtenden die Gabe des Pro- Glauben und ringt mit den Worten, um Antwort zu pheten wie auch die des schonungslosen Ausspre- finden. Dabei nehmen viele Autoren auch das Wag- chens von Wahrheiten zu. nis auf sich, ihr Ringen mit Gott in Worte zu fassen, Es darf nichts zufällig sein in einem Gedicht (Gott- wie z.B. Marie Luise Kaschnitz fried Benn) Dichtung will helfen, das eigene Leben zu betrach- Nicht gesagt ten, es aus einer anderen Perspektive zu sehen. Da- Was von der Sonne zu sagen gewesen wäre bei überraschen den Leser oder Hörer oft die klare, Und vom Blitz nicht das einzige Richtige anschauliche Sprache sowie Vergleiche. „In einem Geschweige denn von der Liebe. Buch müssen sich die Sätze regen wie die Blätter Versuche. Gesuche. Mißlungen in einem Wald, die sich bei all ihren Ähnlichkeiten Ungenaue Beschreibung doch nicht gleichen“ (Gustave Flaubert). Wenn wir Weggelassen das Morgenrot dagegen einen amtlichen Brief oder das Kleinge- Nicht gesprochen vom Sämann druckte eines Vertrages lesen, regt sich in uns kein Und nur am Rande vermerkt Lüftchen, wir werden der sprachlichen Dürre we- Den Hahnenfuß und das Veilchen. gen müde und verzweifeln ob der Verständlichkeit Euch nicht den Rücken gestärkt der Aussagen. Mit ewiger Seligkeit Wenn auch Eichendorff in seinem Gedicht Mond- Den Verfall nicht geleugnet nacht: Und nicht die Verzweiflung „Es war, als hätt´ der Himmel die Erde still geküsst, Den Teufel nicht an die Wand dass sie im Blütenschimmer von ihm nun träumen Weil ich nicht an ihn glaube müsst“ – Gott nicht gelobt Reime verwendet, so muss Dichtung nicht immer Aber wer bin ich daß Reime in sich tragen. Dichtung erfolgt aus dem inneren Reichtum eines Dieser offene Schluss verweist uns auf die Gren- Menschen, aber sie strebt nach außen. Sie will ge- zen in unserem Denken, Verstehen und in den hört oder gelesen werden! Sie schildert und be- sprachlichen Möglichkeiten. Dennoch versuchen schreibt, wobei vieles ausgemalt wird, nicht immer es Menschen immer wieder neu in Gedichten, me- der Realität entspricht, und oft zwischen den Zei- ditativen Texten, Erzählungen und Romanen. Die- len verstanden werden muss. Dichtung ist nicht die se Menschen verstehen es meisterlich, mit Buch- Sprache der klaren Wissenschaft. Sie hat auch nicht staben und Worten umzugehen. „Der Dichter ist den Stil eines Zeitungsberichtes – wenn auch vieles das Sprachrohr der Ratlosigkeit seiner Zeit“ (Marie in so manchen Zeitungen und Zeitschriften erdich-
tet ist. Von Nachrichten erwarte ich die Wahrheit des menschlichen Lebens und reizt, indem sie mit und nicht Dichtung. Aber dennoch ist Dichtung gesellschaftlichen Konventionen bricht. Sie provo- und Poesie nicht weniger gültig als sachliche Ab- ziert Wellen wie die Revolution oder Selbstmord- handlungen. Die Texte werden dem Leben abge- tendenzen, ist romantisch und dann skeptisch. Sie rungen und bringen das Wahre in unseren Seelen legt ihre Finger in Wunden der jeweiligen Zeit. zum Klingen. Lebens-, Künstler-, Familien- und Heiligenromane Dichtung hat eine gewählte Sprache. Dichter ver- lassen die eigene Lebensbestimmung finden. Oft wenden Worte wie „leichte, feenhafte Kolibris der aber helfen sie den Schriftstellern, eigene Lebenser- Vorstellungskraft“ (Elbert Hubbard). Sie finden fahrungen zu verarbeiten. „sprachverliebte Formulierungen“ und lassen die Liebesromane lassen von einer heilen und guten Adressaten Feuer fangen oder nicht. Dabei ist die Welt träumen. Wir lernen Menschen kennen wie Sprache des Autors geprägt von der Zeit, in der die- Don Quijote, König Lear, Mary Stuart, Robinson ser lebte, und auch von der sozialen Gruppe, der er Crusoe, Faust und Mephisto, Huckleberry Finn, angehörte. Dichtung verwendet die Hochsprache, Oliver Twist, Frankenstein, Dracula, Alice im Wun- Mundsprache, Umgangssprache, Reime oder keine derland, Hamlet, Othello, Romeo und Julia und vie- Reime und beachtet den Sprachrythmus. le mehr. Dichtung macht mit diesen Typen Eigen- „Erst durchs Aufschreiben mildert sich, was dir be- schaften des Menschen deutlich. Sie verweist auf gegnet, ins Erträgliche.“ (Hermann Lenz). das Wesentliche und die Kürze unserer Lebenszeit. Die frühe Dichtung der Germanen blühte in einer Jedes Land hat so „seinen“ Dichter. England lebt schriftlosen Zeit. Sie lebte im Gedächtnis und im von Shakespeare, Frankreich von Molière. Wir Munde der Sänger am Hofe, wie z.B. das Nibelun- Deutschen werden verbunden mit Goethe und genlied. Die Dichtung hat dabei ein weites Feld. Sie Schiller. Während Goethe seiner Welt Beziehungs- äußert sich in der Romanze, Tragödie oder Komö- und Lebensprobleme in die Mitte stellte, betonte die. Einmal ist sie realistisch, das andere Mal recht Friedrich Schiller den Drang nach Freiheit. Lessing phantasievoll. Manchmal ist sie trocken, dann reiht sich ein in die Schar der politischen Schrift- überrascht sie in Form einer Satire mit einem scho- steller. War bis zum Ende des 19. Jahrhunderts ckierenden Urteil. Dichtung will nicht unbedingt Dichtung vorwiegend auf das Theater und die Vor- schön sein, denn die Nähe zum Kitsch ist rasch führung konzentriert, so entstand nach und nach überschritten. Wahre Dichtung ist oft anstrengend die geschriebene Dichtung und mit ihr der Roman. zu lesen. Autoren wie Charles Dickens, Tolstoi, Dostojews- Gedichte sind nicht Gefühle, sondern Erfahrungen ki, Fontane, Thomas Mann beschrieben die Gesell- (Rainer Maria Rilke) schaft ihrer Zeit mit all den politischen Unruhen Während die frühen literarischen Werke Helden- und Ungerechtigkeiten. Dabei wurde die Verflech- schicksale zum Thema hatten, schuf die Dichtung tung persönlicher Schicksale mit der Geschichte nach und nach neue Welten und Gestalten wie Harry der jeweiligen Zeit bewusst. Potter oder Frodo Beutlin. Sie beschreibt Geschich- Dichtung hilft das eigene Leben kritisch zu be- te und fügt den Ereignissen Geschehen und Emo- denken. Sie schärft den Blick für die Gegenwart tionen hinzu. Sie wird zur „Erfahrungsgeschichte“ und lässt die Achtsamkeit in uns wachsen. Denn: „Es ist Sache der Dichter, das Herz klüger zu ma- Wenn du einen Garten chen.“ (Jean Cocteau) und eine Bibliothek hast, Sr. M. Katharina Wildenauer CSJ wird es dir an nichts fehlen Cicero
WER FÜR ERWACHSENE SCHREIBT, WAHRHEIT, SCHREIBT FÜR DIE ZEIT, DIE GEDICHTET SCHEINT WER FÜR DIE KINDER ODER SCHREIBT, „WAS MAN NICHT FÜR WAHR SCHREIBT FÜR DIE HALTEN WILL, DASS …..“ EWIGKEIT. Mein jüngerer Bruder Andreas hatte eine blühende zei anrufen!“ Ich glaubte ihm nicht und erwiderte: Von Hans Christian Andersen (1805 – 1875) ist dieser Satz Fantasie. Viele seiner Gedanken fasste er in Texten „Das bildest Du Dir doch nur ein! Das dichtest Du und er scheint zu stimmen, denn wer kennt sie nicht, seine zusammen. Er schrieb mit ca 8 Jahren nach der doch wieder! Wir machen uns doch nur lächer- Märchen! Fernsehserie „Daktari“ ein eigenes Buch mit selbst lich! Der Mann sieht dem Verbrecher nur ähnlich!“ „Das hässliche Entlein“ findet sich noch heute in vielen Kin- erdachten Erzählungen. Er konnte in seinen Gedan- Andreas ließ sich überzeugen. derbüchern. „Des Kaisers neue Kleider“ ist mittlerweile in ken und Ideen so richtig versinken. Er konnte so an- Ein paar Tage später stand in der Zeitung, dass unserer Alltagssprache gegenwärtig und begegnet uns in schaulich erzählen, dass es mir manchmal richtig dieser Verbrecher in Bamberg verhaftet wurde. Gottfried Kellers Novelle „Kleider machen Leute“ sowie im schwer fiel zu unterscheiden, wann seine Berichte Andreas hatte ihn erkannt, und ich hielt es nicht für Roman „Vom braven Soldat Schwejk“. Welch traurige Gedan- der Wahrheit entsprachen und wann sie von ihm wahr. Noch heute denke ich immer wieder daran ken drängen sich auf, wenn wir das Märchen vom „Tapfe- erdacht wurden. und weiß nicht, ob ich mich damals bei ihm ent- ren Zinnsoldaten“, der aus Liebe zerschmolz, lesen oder uns Einmal – unsere Eltern waren außer Haus – schau- schuldigt habe. auf „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“ einlassen. Die ten wir heimlich Aktenzeichen XY im Fernsehen. Es Wie oft glauben wir einem Bericht nicht, weil wir Sprache und die Bilder sind poetisch, die Geschichten reine wurde von einem Einbrecher berichtet und sein ihm nicht glauben wollen? Dichtung, die Themen komplex und doch so wahr! Seit 200 Porträt gezeigt. Da sagte Andreas, damals etwa 10 Wie oft verleugnen wir etwas, was wir nicht als Jahren prägen diese Geschichten junge und ältere Menschen, Jahre alt: „Den habe ich gestern in der Stadt ge- wahr gelten lassen wollen und verurteilen dies als und es wird bestimmt noch für viele Menschengenerationen sehen am Alten Rathaus! Wir sollten bei der Poli- erdichtet? so weitergehen. Sr. M. Katharina Wildenauer CSJ Sr. M. Katharina Wildenauer CSJ
SPRACHE IM EINKLANG MIT DER NATUR Eichendorff oder Humboldt? Oder doch Morgenstern? Gegen Ende der Sommerferien 2016 hatten meine gemacht hatte: Im damaligen baden-württember- Kollegin Christina Kollmann und ich die Idee, in den gischen Lehrplan kam nur an zwei Stellen das Wort beiden Fächern, die wir in der damaligen Klasse 5a „Schönheit“ vor: Bei der Beschreibung der Fächer unterrichten würden, ein gemeinsames fachüber- Deutsch (Schönheit der Sprache) und Biologie greifendes Projekt zu starten. Ihr Beitrag: Deutsch, (Schönheit der Natur). Die Verbindung war also mein Beitrag: Biologie. Es dauerte nicht lange, hergestellt. und wir tauschten die ersten Ideen aus. So schickte ich ihr Aus dem Besuch von „You-farm“ per Mail eine Zeichnung von wurde zwar nichts, aber die Al- Christian Morgensterns Fan- ternative, die sich uns bot, war tasiewesen, dem „Nasobem“, eh kaum zu toppen: einen Flyer mit der Anfrage, ob wir mit den über den Walderlebnispfad Kindern vielleicht gemeinsam beim Krumbad zu gestalten, Gedichte über Tiere lesen und der im Jahr 2017 Wirklichkeit besprechen könnten. Von mei- wurde. Es entstanden schöne ner Kollegin kam der Vorschlag, Bilder und noch schönere Tex- mit unseren Schülerinnen und te, die unsere Naturerlebnisse Schülern das Naturerlebnisge- im Wald hervorragend wieder- lände „Youfarm“ in Augsburg gaben. Doch wie sollten unsere zu besuchen. Mir gefiel die Idee Fünftklässler schreiben? Eine sehr gut, doch fragte ich mich Vorgabe lautete, dass Familien und sie, was denn speziell eine mit Kindern angesprochen wer- Deutschlehrerin dort mit ihrem den sollten. Die Erfahrungen Fach einbringen könne. Ich er- unserer Schüler sollten sich in hielt unmittelbar eine „deutli- den Texten widerspiegeln und che“ Antwort: All die schönen Familien von heute dazu anre- Eindrücke, die man dort sammeln würde, müssten gen, den Walderlebnispfad zu besuchen. Gleich- doch auch in angemessener Sprache wiedergege- zeitig durften die Sachinformationen nicht zu kurz ben werden. Und überhaupt seien Natur und Spra- kommen. Mit romantischer Lyrik im Stil von Joseph che viel näher beieinander, geradezu als Einheit zu von Eichendorff (1788 – 1857), der ja viel über den betrachten, als man gemeinhin annehmen würde. Wald geschrieben hat, hätten wir da wohl nicht Das gab mir doch zu denken und ich stellte mich punkten können. Friedrich Georg Weitsch auf eine interessante Zusammenarbeit ein. Außer- Alexander von Humboldt dem erinnerte ich mich an mein Referendariat und Doch ein Zeitgenosse von Eichendorffs, der Natur- 1806 eine Entdeckung, die einer meiner Seminarlehrer forscher Alexander von Humboldt (1769 – 1859)
hat auch Bücher über den Wald verfasst – zwar nicht über den deutschen Wald, sondern über den Dschungel im Gebiet der Flüsse Amazonas und Meine Mutter hat Orinoco in Südamerika. Aber immerhin Wald! Von Humboldt gehörte zu den ersten Naturforschern ei- von einem Verehrer bekommen: ner neuen Generation, wie die Historikerin Andrea Wulf in ihrer ausgezeichneten Humboldt-Biografie einen PORZELLANELEFANTEN. „Humboldt und die Erfindung der Natur“ (C. Ber- sammelte und veröffentlichte nicht nur Daten und Fakten, sondern bezog sein eigenes Empfinden stilistisch ausgewogen in die Darstellung mit ein, Ich habe ihn in die Hand genommen: sodass seine Leser – wenn sie sich darauf einlie- den PORZELLANELEFANTEN. ßen – seine Reisen in Gedanken miterleben konn- ten. Über sein Buch „Ansichten der Natur“ scheibt Andrea Wulf (S. 175): „Es war ein wissenschaftli- ches Buch voller lyrischer Passagen. Für Humboldt Ich bin mit ihm plötzlich ausgeglitten: war die Sprache ebenso wichtig wie der Inhalt, und er gestattete seinem Verleger nicht, nur eine einzi- dem PO R FAN E L AN T ge Silbe zu verändern, damit der Wohlklang seiner LE ZEL EN Sätze erhalten blieb. Die wissenschaftlichen Erklä- rungen waren sehr umfangreich und detailliert, lie- ßen sich aber leicht übergehen, weil Humboldt sie in den Anmerkungen am Ende eines jeden Kapitels Ich mußte ihn hastig zusammenkitten: versteckte.“ Das war es eigentlich, was uns vor- schwebte. So wandelten unsere Fünftklässler beim den PORLANFANELEZELTEN. Verfassen ihrer Texte auf den Spuren Alexander von Humboldts. Und das ist ihnen richtig gut gelungen. Manch einem sperrigen wissenschaftlichen Werk Hans Manz des 21. Jahrhunderts wäre ein solcher Stil zu wün- Die Welt der Wörter schen. Vielleicht würde das die Akzeptanz seriöser Forschung steigern. Christian Pagel
SPRACHE DER MATHEMATIK WIE BESCHREIBT MAN DIE WELT? „Die Philosophie (= Naturwissenschaft im damaligen Sprachgebrauch) steht in diesem großen Buch geschrie- ben, dem Universum, das unserem Blick ständig offen liegt. Aber das Buch ist nicht zu verstehen, wenn man nicht zuvor die Sprache erlernt und sich mit den Buchstaben vertraut gemacht hat, in denen es geschrieben ist. Es ist in der Sprache der Mathematik geschrieben, und deren Buchstaben sind Kreise, Dreiecke und an- dere geometrische Figuren, ohne die es dem Menschen unmöglich ist, ein einziges Wort davon zu verstehen; ohne diese irrt man in einem dunklen Labyrinth herum.“ Galileo Galilei (1564 – 1642): „Il Saggiatore“ („Der Prüfer mit der Goldwaage“), 1623 Wie kann man diese Aussage verstehen? Es sollen ein paar Herangehensweisen vorgestellt werden. Erstens: Frühe Naturwissenschaftler (Galileo Galilei, bringen. Insbesondere wird es durch mathema- Johannes Kepler, Isaac Newton) vertraten folgende tische Funktionen und Gleichungen möglich, die Auffassung: Gott selbst hat die Sprache der Mathe- Entwicklung von Systemen vorauszusagen. Das ist matik geschaffen, die hinter den Gesetzen des Uni- gerade für die heutige Technik – nicht nur im Welt- versums steht. Wir Menschen haben die Möglichkeit, raum – unverzichtbar. Wie genau die naturwissen- zumindest Teile davon zu erkennen. Die intensive schaftlich-mathematische Abbildung als Modell Beschäftigung mit den Naturwissenschaften kann dem Stand der Dinge tatsächlich entspricht, muss somit eine Art Gottesverehrung sein. Der Philosoph immer wieder geklärt werden. Francis Bacon (1561 – 1621) hat es 1601 in seinem Viertens: Die Sprache der Mathematik ist eine Welt- „Essay of Atheism“ sinngemäß so ausgedrückt: „Ein sprache. Sie ermöglicht internationale Kommunikati- wenig Philosophie führt den menschlichen Geist on über alle Ländergrenzen, Ideologien und Weltan- zum Atheismus, eine tiefe Beschäftigung damit führt schauungen hinweg. Die Gemeinschaft der Forscher ihn hingegen zur Religion.“ Der Spruch „Der erste bedient sich dieser Sprache inzwischen nicht nur Schluck aus dem Becher der Wissenschaft führt zum in Naturwissenschaft und Technik, sondern eben- Atheismus, aber auf dem Grund des Bechers wartet so selbstverständlich in anderen Fachbereichen wie Gott.“ geht in eine ähnliche Richtung. Er wird – wohl Geographie, Soziologie, Psychologie und Wirtschaft. fälschlicherweise – dem Quantenphysiker Werner Die Regeln der mathematischen Sprache sind eisern Heisenberg (1901 – 1976) zugeschrieben. und müssen strikt befolgt werden. Das unterschei- Zweitens: Man kann das aber auch ganz anders ver- det sie von der zweiten Weltsprache, dem Engli- stehen: Die Welt ist von sich aus kausal und logisch schen. Hier sind Abweichungen vom Regelwerk an aufgebaut sowie mathematisch organisiert. Und nur der Tagesordnung. Der ehemalige Bundesfinanzmi- weil sie das ist, konnten sich überhaupt intelligen- nister und aktuelle Bundestagspräsident Wolfgang te Lebewesen – wir Menschen – entwickeln, die in Schäuble drückte es vor Jahren in einem Interview der Lage sind, die zugrundeliegenden Strukturen an- mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ gemessen mit der Sprache der Mathematik zu be- selbstironisch so aus: „Mir tut jeder leid, der mein schreiben. Englisch ertragen muss. Aber schlecht gesproche- Drittens: Eine weitere Sichtweise kann man folgen- nes Englisch ist schließlich eine der am meisten ge- dermaßen formulieren: Die Sprache der Mathema- sprochenen Sprachen der Welt.“ Und da ist genau tik ist eine Konstruktion der Menschen, die es uns der Unterschied: Schlecht gesprochene Mathematik erlaubt, Ordnung in das Chaos der Phänomene zu wäre vollkommen unbrauchbar. Christian Pagel
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