Josefsbote Ursberger - St. Josefskongregation in Ursberg

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Josefsbote Ursberger - St. Josefskongregation in Ursberg
1/2021

     Ursberger
Josefsbote
Josefsbote Ursberger - St. Josefskongregation in Ursberg
Impressum
Erscheinungsweise: 3x pro Jahr

                                                                 LIEBE LESER
Herausgeber: St. Josefskongregation Ursberg                                        Sie schau´n den Josefsboten innen!
Redaktion Ursberger Josefsbote:                                                    Tja, aufgeschlagen ist er nun,
c/o Referat Öffentlichkeitsarbeit, 86513 Ursberg                                   was wird er mit Ihnen tun?

                                                                 UND LESERINNEN,
Redaktionsteam: Pater Benedikt Grimm OFM, Christian Pagel,                         Das, was Sie in Händen halten,
Manuel Liesenfeld, Sr. M. Lucia Tremel CSJ, Sr. M. Katharina                       will sich nicht nur hier entfalten.
Wildenauer CSJ , Werner Bisle                                                      Nein, Sie werden es bald spüren,
Grafik: Werner Bisle                                                               er will Sie viel tiefer führen.
Druck: Deni Druck & Verlags GmbH, Thannhausen                                      Wir haben unsre kleine Welt
Versand/Vertrieb: Brigitte Milik, Tel. 08281 92-3026,                              dichterisch hier dargestellt.
E-Mail: BMilik.csj@ursberg.de                                                      Sind Sie dem offen zugewandt,
Bezugspreis: Durch Spenden abgegolten                                              berührt es Herz, Geist und Verstand.
Bilder: Titel, stock.adobe.com • Seite 4–5, stock.adobe.com                        Freuen Sie sich Stück für Stück
• Seite 6, pixabay.com • Seite 8, wikiart.org • Seite 9–13,                        an diesem bunten Mosaik.
pixabay.com • Seite 14–15, stock.adobe.com • Seite 17,                             Mit Dichtung ist hier überschrieben,
DRW Manuel Liesenfeld • Seite 18 , wikiart.org • Seite 19–20,                      was wir und alle unsre Lieben,
stock.adobe.com • Seite 20 , wikiart.org • Seite 21–29, stock.                     jetzt, oder länger schon gemacht
adobe.com • Seite 30, wikiart.org • Seite 31, Christian Pagel                      und kunstvoll zu Papier gebracht.
• Seite 32, pixabay.com • Seite 33–34, stock.adobe.com •                           Verkosten Sie die Worte,
Seite 36, wikiart.org • Seite 38, stock.adobe.com • Seite 39,                      wie eine feine Torte,
pixabay.com • Seite 40– 41, stock.adobe.com • Seite 42– 43,                        oder, was des Gaumen Glück´,
pixabay.com • Seite 44, wikiart.org • Seite 46, stock.adobe.                       dann halt wie ein Käsestück!
com • Seite 47, pixabay.com • Seite 48–49 , stock.adobe.                           Ja, es ist in unserem Sinn:
com • Seite 50 – 51, Knesebeck • Seite 52–55, stock.adobe.                         schmelzen Sie jetzt einfach hin!
com • Seite 56–57, pixabay.com • Seite 58, Sr. M. Katharina                        Kommt dann der nächste Bote raus,
Wildenauer CSJ • Seite 58 – 63, pixabay.com • Seite 60, Sr. M.                     schaut er ähnlich anders aus.
Lucia Tremel CSJ • Seite 64–65, Sr. M. Lucia Tremel CSJ                            Wie in all den letzten Jahren,
                                                                                   woll´n wir unsre Leserscharen
Für unaufgefordert zugesandte Artikel besteht kein An-                             mit einer Themen-Reih´ beglücken
spruch auf Rücksendung!                                                            und wie folgend neu bestücken:
                                                                                   Die schönsten Künste bringen wir,
Spendenkonten                                                                      in Malerei dann zu Papier!
                                                                                   Und Musik, wie kann das sein,
St. Josefskongregation                                                             fangen wir hier auch noch ein!
                                                                                   So, jetzt ist das Fass schon auf,
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                                                                                   warten Sie gespannt darauf.
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                                                                                   Doch jetzt zum schönen Osterfeste,
Stiftung Dominikus-Ringeisen-Werk                                                  wünschen wir das Allerbeste!
Einrichtung für Menschen mit Behinderung                                           Bleiben Sie gesund und heiter,
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Bankbeleg für die Einreichung beim Finanzamt.
Josefsbote Ursberger - St. Josefskongregation in Ursberg
INHALT
Dichtung und Glaube.............................................................
             Glaube............................................................. 5
Heilige als Dichter ................................................................. 10
Preisgekrönte Autoren .......................................................... 17
Bücher lesen heißt ... ............................................................ 18
Aphorismen: Kopfkonfekt .................................................... 23
Dichten: erden, was in der Luft liegt ................................... 25
Wahrheit, die gedichtet scheint oder ... ............................. 28
Wer für Erwachsene schreibt................................................
                   schreibt................................................ 29
Sprache im Einklang mit der Natur ..................................... 31
Sprache der Mathematik ..................................................... 35
Sein oder nicht Sein ...? ........................................................ 37
Theater und Corona ............................................................. 39
Dichtung und Wahrheit oder ... ........................................... 44
Maikäfer flieg‘........................................................................
         flieg‘........................................................................ 48
Gedichte sind wie ein Fluss ................................................. 49
Leseecke ............................................................................... 50
Dichtung? .............................................................................. 55
Im Gedenken.
   Gedenken......................................................................... 58
Aus Sr. M. Lucias Fundgrube ................................................ 64
Josefsbote Ursberger - St. Josefskongregation in Ursberg
Je mehr ich mich auf dieses Thema unseres Josefsboten einlasse, desto unübersichtlicher und reicher
erscheint das Material, das sich mit diesem Stichwort verbinden lässt. Die Literatur dazu ist gewaltig. So
werde ich mich auf ein paar markante und auch vielleicht überraschende Beispiele gläubiger Poesie aus der
Heiligen Schrift und der christlichen Tradition beschränken. Es sind Texte, die mir auch persönlich wichtig
sind und die mich begleiten. Sie im Einzelnen ausführlich zu kommentieren, das überschreitet den Raum
einer Zeitschrift. Vielmehr laden die einzelnen abgedruckten Texte ein, sie unmittelbar auf sich wirken zu
lassen. Poesie lässt sich auch erschließen, wenn man sie langsam und laut spricht.
Grundsätzliches zum Thema sagt das 2. Vatikanische Konzil in einem seiner wichtigsten Dokumente über
die „Kirche in der Welt von heute“:

»Auf ihre Weise sind auch Literatur und Kunst für das Leben der Kirche von großer Bedeutung. Denn sie
bemühen sich um das Verständnis des eigentümlichen Wesens des Menschen, seiner Probleme und seiner
Erfahrungen bei dem Versuch, sich selbst und die Welt zu erkennen und zu vollenden; sie gehen darauf aus,
die Situation des Menschen in Geschichte und Universum zu erhellen, sein Elend und seine Freude, seine
Not und seine Kraft zu schildern und ein besseres Los des Menschen vorausahnen zu lassen.« (»Gaudium et
spes«, Art. 62)

Poesie aus der Heiligen Schrift
Schöpfungshymnus
Im Anfang erschuf Gott Himmel und Erde. 2 Die           söhnen. Dabei geht es den Theologen des 6. bzw.
Erde war wüst und wirr und Finsternis lag über der      5. vorchristlichen Jahrhunderts nicht um Naturkun-
Urflut und Gottes Geist schwebte über dem Wasser.       de bzw. Naturgeschichte. Die eigentliche Aussage
3 Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht.      des „Schöpfungsberichtes“ ist, dass der Mensch
4 Gott sah, dass das Licht gut war. Und Gott schied     von Gott geschaffen ist und dass die Schöpfung das
das Licht von der Finsternis. 5 Und Gott nannte das     Werk Gottes ist und dass sie gut ist. Es handelt sich
Licht Tag und die Finsternis nannte er Nacht. Es wur-   um ein Loblied auf Gottes Wirken.
de Abend und es wurde Morgen: erster Tag.
6 Dann sprach Gott: Es werde ein Gewölbe mitten
im Wasser und scheide Wasser von Wasser. 7 Gott
machte das Gewölbe und schied das Wasser unter-
halb des Gewölbes vom Wasser oberhalb des Ge-
wölbes. Und so geschah es. 8 Und Gott nannte das
Gewölbe Himmel. Es wurde Abend und es wurde
Morgen: zweiter Tag ... (Gen 1,1ff)

Der Text hat eine lange Geschichte. Auf den ers-
ten Blick erscheint er wie ein historischer Bericht.
Lange Zeit versuchte man ihn mit allen möglichen
Tricks mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zu ver-
Josefsbote Ursberger - St. Josefskongregation in Ursberg
Das Hohelied                                                                                                     Die Psalmen
Einladung des Geliebten an die Geliebte: 2,8-17                                                                  „Die Psalmen sind für mich eins der wichtigsten Le-       ritueller Feiern des Jerusalemer Königtums (z. B. Ps
8 Horch! Mein Geliebter! / Sieh da, er kommt. Er springt über die Berge, / hüpft über die Hügel.                  bensmittel. Ich esse sie, ich trinke sie, ich kaue auf   2) Weisheitspsalmen (z. B. Ps 1) und Wallfahrtslie-
9 Der Gazelle gleicht mein Geliebter, / dem jungen Hirsch. Sieh da, / er steht hinter unserer Mauer, er blickt    ihnen herum, manchmal spucke ich sie aus, und            der (z. B. Ps 113, Ex 15,1).
durch die Fenster, / späht durch die Gitter.                                                                      manchmal wiederhole ich mir einen mitten in der          Mehrere Psalmen (etwa Psalm 58, Psalm 83 und
10 Mein Geliebter hebt an und spricht zu mir: / Steh auf, meine Freundin, / meine Schöne, so komm doch!           Nacht. Sie sind für mich Brot“, sagt die evangeli-       Psalm 109) werden traditionell als Fluchpsalmen
11 Denn vorbei ist der Winter, / verrauscht der Regen.                                                            sche Theologin Dorothe Sölle († 2003), die selbst        oder neuerdings als Vergeltungspsalmen bezeich-
12 Die Blumen erscheinen im Land, / die Zeit zum Singen ist da. Die Stimme der Turteltaube / ist zu hören         eine ganze Reihe von psalmenähnlichen Texten ver-        net. Etwa die Hälfte der Psalmen innerhalb des
in unserem Land.                                                                                                  fasst hat.                                               Psalters verweisen in ihrer Überschrift auf König
13 Am Feigenbaum reifen die ersten Früchte, / die blühenden Reben duften. Steh auf, meine Freundin, /                                                                      David.
meine Schöne, so komm doch!                                                                                      Der gute Hirte                                            Das aus dem Judentum entstandene Christentum
14 Meine Taube in den Felsklüften, / im Versteck der Klippe, dein Gesicht lass mich sehen, / deine Stimme        1 Ein Psalm Davids.                                       übernahm die Psalmen als Grundstock der eige-
hören! Denn süß ist deine Stimme, / lieblich dein Gesicht.                                                       Der HERR ist mein Hirt, *                                 nen Gebetssprache. Dabei wurden viele Psalmen
                                                                                                                 nichts wird mir fehlen.                                   so gedeutet, dass sie auf Jesus Christus verweisen
Das „Lied der Lieder“ wird dem König Salomo zuge-        leicht sind die Lieder ursprünglich bei Hochzeiten      2 Er lässt mich lagern auf grünen Auen *                  bzw. er selbst in ihnen spricht. Als einer der be-
schrieben. Es handelt sich um eine Sammlung von          gesungen worden.                                        und führt mich zum Ruheplatz am Wasser.                   kanntesten Psalmen gilt der oben wiedergegebene
ca. 30 einzelnen Liebesgedichten, die zu einem Di-       Das Hohelied wurde in das Verzeichnis der Bücher        3 Meine Lebenskraft bringt er zurück. /                   Psalm 23 mit dem Titel „Der Herr ist mein Hirte“.
alog zwischen Frau und Mann komponiert wurden.           des Alten Testamentes aufgenommen, weil man die         Er führt mich auf Pfaden der Gerechtigkeit, *             Er besingt das Vertrauen des Beters auf Gott im
Dabei steht die Frau offenkundig im Mittelpunkt,         beschriebene Liebe zwischen Mann und Frau alle-         getreu seinem Namen.                                      Bild eines Hirten, der sich liebevoll um seine Herde
ihre Lieder eröffnen und beschließen die Samm-           gorisch auf die Beziehung zwischen Gott und Isra-       4 Auch wenn ich gehe im finsteren Tal, *                  kümmert. Die Psalmen bilden den Hauptinhalt des
lung, von ihr geht die Initiative zur Liebe aus. Ange-   el deutete. Auch die christliche Kirche akzeptierte     ich fürchte kein Unheil;                                  kirchlichen Stundengebets, das vor allem Priestern
sprochen sind die „Töchter Jerusalems“, denen die        diese Interpretation und erweiterte sie auf das Ver-    denn du bist bei mir, *                                   und Ordensleuten aufgetragen ist.
Erlebnisse der Liebenden geschildert werden. Viel-       hältnis Christus-Kirche.                                dein Stock und dein Stab, sie trösten mich.               Aus dem Neuen Testament werden einige Texte der
                                                                                                                 5 Du deckst mir den Tisch *                               Gattung „Psalm“ zugeordnet, da sie diese Texttra-
                                                                                                                 vor den Augen meiner Feinde.                              dition aufnehmen oder sogar auf jüdische Vorlagen
                                                                                                                 Du hast mein Haupt mit Öl gesalbt, *                      zurückgehen: Der „Lobgesang der Jungfrau Maria“
                                                                                                                 übervoll ist mein Becher.                                 (Lk 1,46–55), das Magnificat ist nur im Evangelium
                                                                                                                 6 Ja, Güte und Huld werden mir folgen mein Le-            nach Lukas enthalten. Der Evangelist Lukas inter-
                                                                                                                 ben lang / und heimkehren werde ich ins Haus des          essiert sich von den Evangelisten am meisten für
                                                                                                                 HERRN * für lange Zeiten. (Psalm 23)                      die Ausgegrenzten. Zeitgenössische Deutungen un-
                                                                                                                                                                           terstreichen gern die Stärke Marias und den „re-
                                                                                                                 Ein Psalm ist im Judentum und Christentum ein po-         volutionären“ Aspekt ihres Liedes. „Der Lobgesang
                                                                                                                 etischer religiöser Text, oft mit liturgischer Funkti-    des Zacharias“ (Lk1,68–79): Nach der Erzählung
                                                                                                                 on. Die Bezeichnung wird vor allem verwendet für          des Lukasevangeliums wird der Priester Zacharias
                                                                                                                 die 150 Gedichte, Lieder und Gebete des Buches            stumm, nachdem ein Engel ihm verkündete, dass
                                                                                                                 der Psalmen der hebräischen Bibel bzw. des Alten          seine betagte Frau Elisabet einen Sohn – Johannes
                                                                                                                 Testaments (auch Psalter genannt).                        den Täufer – zur Welt bringen werde. Als das Kind
                                                                                                                 Ihrem Inhalt und ihrer Form nach werden Psalmen           geboren ist, löst sich seine Zunge, und seine ersten
                                                                                                                 in verschiedene Gattungen unterteilt. Klagepsal-          Worte sind das Benedictus, ein psalmartiges, pro-
                                                                                                                 men (z. B. Ps 6, aber auch große Teile der Klage-         phetisches Lob auf Gott und sein Handeln. Auch der
                                                                                                                 lieder Jeremias), Bittpsalmen (z. B. Ps 5, Ps 17),        Hymnus im Philipperbrief (Phil 2,5–11) gehört in
                                                                                                                 Lobpsalmen (z. B. Ps 113, Ex 15,1 ), Dankpsalmen          diese Reihe. Zwei der sieben letzten Worte Jesu am
                                                                                                                 (z. B. Ps 30, Ps 116), Königspsalmen als Begleitung       Kreuz stammen aus den Psalmen (Ps 22 und Ps 31).
Josefsbote Ursberger - St. Josefskongregation in Ursberg
Jesus als Dichter                                      Ein Beispiel aus der Liturgie: Das Osterlob
Er erzählte ihnen folgendes Gleichnis: Wenn einer      Die Liturgie der Kirchen ist überaus reich an poetischen Texten. Eines der schönsten Beispiele ist das Exsul-
von euch hundert Schafe hat und eins davon ver-        tet der Osternacht. Eine genaue Datierung des Exsultet ist nicht möglich. Sicher ist jedoch, dass es zu den
liert, lässt er dann nicht die neunundneunzig in der   ältesten Texten des römischen Messbuchs gehört. Es entstand wahrscheinlich am Übergang des 4. zum 5.
Wüste zurück und geht dem verlorenen nach, bis er      Jahrhundert im heutigen Norditalien oder in Südfrankreich. Der Autor des Exsultet ist unbekannt.
es findet? Und wenn er es gefunden hat, nimmt er
es voll Freude auf die Schultern, und wenn er nach     In Wahrheit ist es würdig und recht, den verbor-            Bienen bereitet, wird sie dir dargebracht von deiner
Hause kommt, ruft er die Freunde und Nachbarn          genen Gott, den allmächtigen Vater, mit aller Glut          heiligen Kirche durch die Hand ihrer Diener.
zusammen und sagt zu ihnen: Freut euch mit mir,        des Herzens zu rühmen und seinen eingeborenen               So bitten wir dich, o Herr: Geweiht zum Ruhm dei-
denn ich habe mein Schaf wiedergefunden, das ver-      Sohn, unseren Herrn Jesus Christus, mit jubelnder           nes Namens, leuchte die Kerze fort, um in dieser
loren war! Ich sage euch: Ebenso wird im Himmel        Stimme zu preisen. Er hat für uns beim ewigen Vater         Nacht das Dunkel zu vertreiben. Nimm sie an als
mehr Freude herrschen über einen einzigen Sünder,      Adams Schuld bezahlt und den Schuldbrief ausge-             lieblich duftendes Opfer, vermähle ihr Licht mit den
der umkehrt, als über neunundneunzig Gerechte,         löscht mit seinem Blut, das er aus Liebe vergossen          Lichtern am Himmel. Sie leuchte, bis der Morgen-
die keine Umkehr nötig haben. (Lk 15,3-7).             hat. Gekommen ist das heilige Osterfest, an dem             stern erscheint, jener wahre Morgenstern, der in
                                                       das wahre Lamm geschlachtet ward, dessen Blut die           Ewigkeit nicht untergeht: dein Sohn, unser Herr Je-
Jesus war ein Meister im Umgang mit dem Wort.          Türen der Gläubigen heiligt und das Volk wahrt vor          sus Christus, der von den Toten erstand, der den
Die Evangelisten haben ja nicht mitgeschrieben,        Tod und Verderben.                                          Menschen erstrahlt im österlichen Licht, der mit dir
was er sagte. Zunächst wurden seine Predigten ein-                                                                 lebt und herrscht in Ewigkeit! A: Amen.
fach mündlich weitererzählt und erst gegen Ende        Dies ist die Nacht, die unsere Väter, die Söhne Is-
des ersten Jahrhunderts hat man begonnen schrift-      raels, aus Ägypten befreit und auf trockenem Pfad           In hymnischer Begeisterung werden die heilsge-
lich festzuhalten, was in den Zusammenkünften          durch die Fluten des Roten Meeres geführt hat. Dies         schichtlichen Ereignisse der Pascha-Nacht Israels
der Christen von Zeugen erzählt wurde.                 ist die Nacht, in der die leuchtende Säule das Dun-         und der Nacht der Auferweckung Jesu Christi in
                                                       kel der Sünde vertrieben hat. Dies ist die Nacht, die       Erinnerung gerufen, es wird diese Nacht gepriesen
Unter dem Gesichtspunkt der Poesie sind es vor         auf der ganzen Erde alle, die an Christus glauben,          und unsere Rettung besungen: „Dies ist die Nacht
allem die Gleichnisse, in denen Jesus die Botschaft    scheidet von den Lastern der Welt, dem Elend der            … O unfassbare Liebe des Vaters ... O wahrhaft
vom Reich Gottes verkündet hat. Gleichnisse sind       Sünde entreißt, ins Reich der Gnade heimführt und           selige Nacht ... O glückliche Schuld… Der Glanz
Geschichten, die erzählen, wie Gott ist und wie        einfügt in die heilige Kirche. Dies ist die selige Nacht,   dieser Nacht gibt den Sündern die Unschuld, den
er den Menschen begegnet. Gleichnisse greifen          in der Christus die Ketten des Todes zerbrach und           Trauernden Freude.“ Die Osterkerze wird gefeiert
Bilder und Ereignisse aus dem alltäglichen Leben       aus der Tiefe als Sieger emporstieg.                        als Lichtspenderin, die Gott als „duftendes Lob-Op-
der Zuhörer Jesu auf. Sie laden die Menschen ein,                                                                  fer“ dargebracht wird. Dann richtet sich der Blick
den Geheimnissen des Gottesreiches nachzuspü-          O unfassbare Liebe des Vaters: Um den Knecht zu             auf den wahren Morgenstern: „Jesus Christus, der
ren. Zum Beispiel, wie ein kleines Senfkorn zu ei-     erlösen, gabst du den Sohn dahin! O wahrhaft heil-          von den Toten erstand, der den Menschen erstrahlt
nem großen Baum wird, in dem die Vögel wohnen          bringende Sünde des Adam, du wurdest uns zum                im österlichen Licht“.
können (Mk 4,30–32). Die Botschaft: Das Reich          Segen, da Christi Tod dich vernichtet hat. O glück-
Gottes ist wie ein kleiner Same, aus dem langsam       liche Schuld, welch großen Erlöser hast du gefun-
ein großer Baum wächst, oder wie ein Hirte ein         den! Der Glanz dieser heiligen Nacht nimmt den
verlorenes Schaf wiederfindet (siehe oben): Gott       Frevel hinweg, reinigt von Schuld, gibt den Sündern
freut sich über jeden Menschen, der zum Glauben        die Unschuld, den Trauernden Freude. O wahrhaft
findet.                                                selige Nacht, die Himmel und Erde versöhnt, die
                                                       Gott und Menschen verbindet! In dieser gesegne-
                               Rembrandt van Rijn      ten Nacht, heiliger Vater, nimm an das Abendopfer
                               Hundertguldenblatt      unseres Lobes, nimm diese Kerze entgegen als un-
                                            1647       sere festliche Gabe! Aus dem köstlichen Wachs der
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Heilige als Dichter   Franz von Assisi, Sonnengesang
                      Höchster, allmächtiger, guter Herr,
                      dein sind das Lob, die Herrlichkeit und Ehre und jeglicher Segen.
                      Dir allein, Höchster, gebühren sie,
                      und kein Mensch ist würdig, dich zu nennen.
                      Gelobt seist du, mein Herr,
                      mit allen deinen Geschöpfen,
                      zumal dem Herrn Bruder Sonne,
                      welcher der Tag ist und durch den du uns leuchtest.
                      Und schön ist er und strahlend mit großem Glanz:
                      Von dir, Höchster, ein Sinnbild.

                      Gelobt seist du, mein Herr,                                     Im Winter 1224/1225 – zwei Jahre vor sei-
                      durch Schwester Mond und die Sterne;                            nem Tod – war Franziskus schon sehr ge-
                      am Himmel hast du sie gebildet,                                 schwächt. Auch litt er an einer Augenkrank-
                      klar und kostbar und schön.                                     heit, durch die er fast völlig erblindet war.
                      Gelobt seist du, mein Herr,                                     Um sich in Ruhe erholen zu können, zog
                      durch Bruder Wind und durch Luft und Wolken                     er sich nach San Damiano zurück. Hier bot
                      und heiteres und jegliches Wetter,                              ihm eine Hütte im Garten Klara und ihren
                      durch das du deinen Geschöpfen Unterhalt gibst.                 Schwestern Unterkunft. Im Gebet erhielt
                      Gelobt seist du, mein Herr,                                     er durch eine göttliche Offenbarung die
                      durch Schwester Wasser,                                         Gewissheit, dass er durch das Ertragen der
                      gar nützlich ist es und demütig und kostbar und keusch.         Krankheit zur ewigen Freude des Himmel-
                      Gelobt seist du, mein Herr,                                     reichs gelangen werde. Hierüber freute sich
                      durch Bruder Feuer,                                             Franziskus so sehr, dass er ein Lied dichtete:
                      durch das du die Nacht erleuchtest;                             das Loblied der Geschöpfe, im deutschen
                      und schön ist es und fröhlich und kraftvoll und stark.          Sprachraum Sonnengesang genannt. Fran-
                      Gelobt seist du, mein Herr,                                     ziskus lobt Gott als den Schöpfer, wobei die
                      durch unsere Schwester, Mutter Erde,                            Schönheit der Natur den geeigneten Inhalt
                      die uns erhält und lenkt                                        und Rahmen bietet.
                      und vielfältige Früchte hervorbringt
                      und bunte Blumen und Kräuter.                                   Auch von anderen Heiligen gibt es klassi-
                      Gelobt seist du, mein Herr,                                     sche Zeugnisse gläubiger Poesie. Ich denke
                      durch jene, die verzeihen um deiner Liebe willen                da an den Kirchenlehrer Aurelius Ambrosius,
                                                                                                                       Ambrosius
                      und Krankheit ertragen und Drangsal.                            Bischof von Mailand, († 397). Er führte den
                      Selig jene, die solches ertragen in Frieden,                    Psalmengesang in der römischen Kirche ein
                      denn von dir, Höchster, werden sie gekrönt.                     und ist Verfasser zahlreicher Hymnen, u.a.
                      Gelobt seist du, mein Herr,                                     des Te Deum (Großer Gott wir loben dich).
                      durch unsere Schwester, den leiblichen Tod;
                      ihm kann kein Mensch lebend entrinnen.                          Johannes vom Kreuz (*24. Juni 1542 in Spa-
                      Wehe jenen, die in tödlicher Sünde sterben.                     nien; † 14. Dezember 1591) Mystiker. Sei-
                      Selig jene, die er findet in deinem heiligsten Willen,          ne Schriften sind geistliche Kommentare zu
                      denn der zweite Tod wird ihnen kein Leid antun.                 seinen Gedichten, in denen er seine mysti-
                      Lobt und preist meinen Herrn                                    schen Erfahrungen in der Freundschaftsbe-
                      und dankt ihm und dient ihm mit großer Demut.                   ziehung zu Gott besingt.
Josefsbote Ursberger - St. Josefskongregation in Ursberg
Zeitgenössische christliche Poesie                                                                               Geistliche Gedichte,
Andreas Knapp, (*1958 in Hettingen, Baden) ist         Lothar Zenetti (*1926 in Frankfurt am Main; † 2019)       so Andreas Knapp, sind ein tastender Versuch, die Sprachlosigkeit zu überwinden, die großen und kleinen
Priester und Autor. Im Jahr 2000 schloss er sich       war ein deutscher römisch-katholischer Theologe,          Wunder des Lebens wieder neu zu entdecken: „Gott ist keine Vokabel, die das Kreuzworträtsel unseres Le-
dem Orden der »Kleinen Brüder vom Evangelium«          Priester und Schriftsteller.                              bens löst. Gott ist keine Zauberformel. Sondern ein Wort der Hoffnung, dass das Ungelöste unseres Lebens
an. Heute lebt er mit drei Mitbrüdern in einem Plat-                                                             einen Raum findet. Die Poesie spricht das Unaussprechliche nicht aus, sie lässt es mitschwingen. Das gibt
tenbau in Leipzig, wo er sich in der Gefängnisseel-    Wie ein Baum                                              ihr Möglichkeiten, die ein Aussprechen nicht haben kann.“
sorge und Flüchtlingsarbeit engagiert.                 Herr, wie ein Baum, so sei vor dir mein Leben,
                                                       Herr, wie ein Baum, sei vor dir mein Gebet.               P. Benedikt Grimm OFM
von gott aus gesehen                                   Gib Wurzeln mir,
ist unser suchen nach gott                             die in die Erde reichen,
vielleicht die weise wie er uns auf der spur bleibt    dass tief ich gründe
und unser hunger nach ihm das mittel                   in den alten Zeiten,
mit dem er unser leben nährt                           verwurzelt in dem Glauben
ist unser irrendes pilgern                             meiner Väter.
das zelt in dem gott zu gast ist                       Gib mir Kraft, zum festen
und unser warten auf ihn                               Stamm zu wachsen,
sein geduldiges anklopfen                              dass aufrecht ich
ist unsere sehnsucht nach gott                         an meinem Platze stehe
die flamme seiner gegenwart                            und wanke nicht,
und unser zweifel der raum                             auch wenn die Stürme toben.
in dem gott an uns glaubt
                                                       Gib, dass aus mir
Dazu der Autor: „Religion ist etwas, das mich be-      sich Äste frei erheben,
wegt, erschüttert, beglückt. Religiöse Sprache will    oh meine Kinder, Herr,
nicht informieren, sie will verwandeln und etwas       lass sie erstarken, und ihre Zweige
Neues eröffnen. Lyrik ist eine Sprachform, die der     recken in den Himmel.
religiösen Erfahrung angemessen ist – im Gegen-        Sei Zukunft mir und
satz zu einer informativen Sprache. Etwa in Kate-      lass die Blätter grünen
chismen hat die Kirche lange versucht, zu definie-     und nach den Wintern
ren, wer Gott ist. Doch das ist die falsche Frage.     Hoffnung neu erblühen,
Richtig müsste die Frage lauten: Wie komme ich         und wenn es Zeit ist,
in Beziehung zu Gott? Lyrik geht es darum, Bezie-      lass mich Früchte tragen.
hungen zu eröffnen.“ Dieses kleine Gedicht greift      Herr, wie ein Baum, so sei vor dir mein Leben,
den Gedanken auf und kommt zu überraschenden           Herr, wie ein Baum, sei vor dir mein Gebet.
Einsichten, wenn der Gläubige einzelne Schritte auf
seinem Weg mit Gott betrachtet.                        „Er ist wie ein Baum, der an Wasserbächen gepflanzt
                                                        ist, der zur rechten Zeit seine Frucht bringt und des-
                                                        sen Blätter nicht welken“. Der Dichter greift die-
                                                        ses wunderbare Bild aus dem Psalm 1 auf, um das
                                                        menschliche Leben in Form eines Gebetes liebevoll
                                                        zu meditieren. Wurzel, Stamm, Äste und Blätter
                                                        stehen im Dienst der Früchte, die dann erscheinen,
                                                       „wenn es Zeit ist“.
Josefsbote Ursberger - St. Josefskongregation in Ursberg
GEDICHT
                               Wahre Dichtungen halten
                               der Zeit den Spiegel
Dicht an meiner Seele
                               nur insofern vor,
fährt ein Wort vorbei.
                               dass sie die Zeit
                               in der Ewigkeit sich
Mutvoll und liebevoll
                               spiegeln lassen.
streift es meine Seelenhaut.
                               Marie von Ebner-Eschenbach

Ist das schon Dichtung?

Peter Schott
Josefsbote Ursberger - St. Josefskongregation in Ursberg
PREISGEKRÖNTE AUTOREN
AUS DEM DOMINIKUS-RINGEISEN-WERK
Der Verein „Die Wortfinder“ zeichnet besondere Literatur von besonderen Menschen aus

Michaela Rauner und Christian Sattelmair aus               fachkundige Jury wählte aus den rund 1000 ein-
Krumbach sowie Markus Eham aus Ursberg sind                gereichten Beiträgen die Preisträger aus. Die Texte
Preisträger des internationalen Literaturwettbe-           der Preisträger sind in einem literarischen Wandka-
werbs des Vereins „Die Wortfinder e.V.“ aus Biele-         lender für das Jahr 2021 erschienen. Der grafisch
feld. Die preisgekrönten Autoren aus dem Domini-           anspruchsvoll gestaltete Kalender mit dem Titel
kus-Ringeisen-Werk wurden u.a. mit einer Urkunde          „Mein Schatten springt vor Freude“ enthält pro
geehrt. Ihre Texte sind Teil eines literarischen Kalen-    Woche ein Blatt mit einem oder mehreren Texten.
ders für das Jahr 2021, der von „Die Wortfinder e.V.“      Zeichnungen und Schriftbilder bereichern den Ka-
herausgegeben wird. „Die Wortfinder e.V.“ fördert          lender. Im Anhang finden sich kurze Biografien aller
das kreative Schreiben und die Literatur von be-           Autorinnen und Autoren.
sonderen Menschen und Menschen in besonderen                                                 Manuel Liesenfeld
Lebenslagen. An diesen Personenkreis richtet sich
auch der jährliche Literaturwettbewerb, der dies-         Bestellmöglichkeiten: Die Wortfinder e.V. c/o Sabi-
mal das Thema „Licht und Schatten, Hell und Dun-          ne Feldwieser, Bossestr. 9, 33615 Bielefeld, Telefon
kel, Tag und Nacht“ hatte. 2020 wurde der Literatur-      0521-560 950 30 oder diewortfinder@t-online.de;
wettbewerb bereits zum zehnten Mal ausgetragen.           www.diewortfinder.com

„Was das Leben hell macht“
 Michaela Rauner beschreibt in ihrem Text „Was
 mein Leben hell macht“ u.a., dass sie gerne die
 Heilige Messe besucht, mit der Mama telefoniert,
 die Sonne genießt und es gut findet, wenn sie
 angelächelt wird. Markus Eham erzählt „Meine
 Wunschträume“. Diese beziehen sich in seinem
 Beitrag auf Kulinarisches, von der Pizza mit Schin-
 ken über Lachsnudeln, vom Döner bis zum Lebku-
 chen-Tiramisu. Christian Sattelmair beschäftigt in
 seinem fast lyrischen Text „Meine hellen Tage mit
 Christina“ eine Liebesgeschichte, in der er eine von
 zwei Hauptrollen hat: „Christina ist so ein schönes
 Mädchen, wenn ich sie anschaue, dann leuchten
 meine Augen und sie ist hell wie ein Licht.“

Mehr als 500 Teilnehmer
Mehr als 500 Autorinnen und Autoren aus Deutsch-          Stolze Preisträger des Wortfinder-Literaturwettbewerbs
land, Österreich und der Schweiz haben Texte für          (v.l.n.r.): Christian Sattelmair, Markus Eham
den Wettbewerb eingereicht. Eine fünfköpfige              und Michaela Rauner
Welch ein Vergnügen bereitet es, sich ungestört in    ließ Tom misshandeln und zwang ihn, seinen Glau-
                             ein Buch zu vertiefen! Zeit und Raum lösen sich       ben aufzugeben. Doch Tom blieb seinem Glauben
                             auf, wir entfliehen dem Alltag, werden zu einem       treu und verzieh sterbend seinen Peinigern. Ich sah
                             Anderen oder bewegen uns in einem ganz fremden        aus dem Fenster und sah meinen Vater, den ich so
                             Land! Je mehr Seiten wir lesen, umso mehr Seiten      liebte, im Garten werkeln und erkannte wie gut es
                             des Lebens lernen wir kennen. Fachbücher, Ro-         mir ging. Ich ahnte etwas von der Zerbrechlichkeit
                             mane, Gedichte erweitern unsere Welt, die ohne        der heilen Welt. Die Geschichte von der Familie
                             Grenzen sein kann.                                    Toms geht weiter, aber die weißen guten Menschen,
                             Bücher – ein Haufen toter Buchstaben? Nein, ein       die die Sklaven befreieten, wurden sehr idealisiert.
                             Sack voll Samenkörner, so sagt André Gide. Wenn       Restlich frei sind die schwarzen Amerikaner ja heu-
                             ich zurückschauend meine Bücher betrachte, so         te noch nicht, wir erfuhren es konkret im letzten
                             weiß ich um Etliche, die Samen in mir aufgehen        Jahr bei der Ermordung von George Floyde. Dieses
                             ließen. Kaum war ich des Lesens mächtig, versank      Buch ließ mich die schwarzen Soldaten, die mit ih-
                             ich oft in Büchern. Zuerst waren es die un-               ren Jeeps und Lastwagen durch die Straßen Brü-
                             terhaltsamen Internatsgeschichten von                           ckenaus fuhren und uns mit Kaugummis
                             Enid Blyton, die ich verschlang. Spä-                              oder Schokoriegeln erfreuten, anders
                             ter bei ihren 5-Freunde-Büchern                                      wahrnehmen. Ich dachte an deren
                             erkannte ich bereits den Wert von                                      Geschichte in einem ach so freien
                             Freunden, und dass das Leben                                           Land. Später noch ließ es mich in
                             nicht nur Spaß beinhaltet, dass es                                     Bamberg als Jugendliche die Lokale
                             Unrecht in unserer Gesellschaft                                        meiden, die am Eingang das Schild
                             gibt. So allmählich verlor ich das                                     stehen hatten: Only for Whites.
                             Bild der heilen Welt, wenn ich                                        Als ich von der Verbrennung der Bü-
                             auch noch immer gerne die Lebens-                                   cher im Dritten Reich hörte, dachte
                             geschichten von Pucki, Nesthäkchen                               ich mir: Bücher müssen gefährlich sein.
                             oder Trotzkopf las.                                          Mit Respekt stand ich vor dem Bücherregal
                             Im Alter von neun Jahren vollzog sich aber gerade     meines Vaters, in welchem Bücher und Lexika stan-
                             beim Lesen ein großer innerer Wandel. Ich weiß        den, die er über diese Zeit hinweggerettet hatte.
                             und spüre es noch immer in mir, wie ich in Bad        Vater erzählte mir, dass auch die Bücher von Erich
                             Brückenau an meinem Zimmerfenster mit Blick auf       Kästner, den ich mit seinem Doppelten Lottchen
                             unseren Garten saß und Tränen weinte über die         und seinem Emil und die Detektive kannte, ver-
                             Ungerechtigkeit in unserer Welt. Es war das Buch      brannt wurden. Ich verstand nicht, was an einem
                             von Harriet Beecher Stowe: Onkel Toms Hütte. Es       Lexikon oder Kinderbuch so gefährlich sein sollte,
                             handelte von einem Sklaven – Onkel Tom – der          dass diese Machthaber Angst davor hatten. Spä-
                             verkauft wird und sich von seiner Frau und seinen     ter erkannte ich es etwas, wie sehr in jedem Satz
                             Kindern trennen musste. Bei seinem neuen Herrn        die Möglichkeit zur Manipulation steckt. Ende der
                             entwickelte er eine innige Beziehung zu der klei-     sechziger Jahre fielen mir mit einer Taschenbuchrei-
                             nen Tochter des Hauses, die noch als Kind verstarb.   he Bücher in die Hände, die das Schicksal von jü-
                             Dieser Herr wurde ein Gegner der Sklaverei und        dischen Jugendlichen beschrieben. „Damals war es
                             wollte Tom frei lassen. Aber er wurde ermordet        Friedrich“ (Hans Peter Richter), diesen folgten die
            Carl Spitzweg    und aus Gewinnsucht der Witwe wurde der Sklave        Bücher von Janina David (z.B. ein Stück Himmel)
            Der Bücherwurm   erneut verkauft. Diesmal geriet er an einen bruta-    oder Judith Kerr (Als Hitler das rosarote Kaninchen
Jean Paul   1850             len Herrn, der eine Baumwollplantage betrieb. Er      stahl). Ebenso öffnete mir Effi Briest von Fontane,
Madame Bovary von Flaubert, Anna Karenina so-
wie Krieg und Frieden von Tolstoi etwas die Augen
dafür, wie die Gesellschaft mit den Frauen umging.
Heine (1797 – 1856) sagte: „Dort, wo man Bücher
verbrennt, verbrennt man am Ende auch die Men-
                                                       ment Paul Maar mit seinen Lebenserinnerungen
                                                       und das Buch über eine Bibliothekarin, die 11 Bü-
                                                       cher im KZ bewahrt. Und was lesen Sie zur Zeit?
                                                       Greifen Sie zu einer Dichtung oder bevorzugen Sie
                                                       das anscheinend mehr der Wahrheit entsprechen-
                                                                                                           ER UND WIR
schen“. Er ahnte es, was viele Jahre später geschah!   de Sach- oder Fachbuch?
Bücher verbrennen ist eigentlich beinahe Verbren-
nen der Menschen. Mit deren Bücher verbrennt                             Sr. M. Katharina Wildenauer CSJ
                                                                                                           Wir säen und ernten,
das, was sie denken, schreiben und sind. Dichter
verloren ihren Broterwerb und verließen ihre Hei-
                                                                                                           doch wachsen lässt ER!
mat. Berthold Brecht, Thomas Mann und viele an-
dere. Damit verlor Deutschland nicht nur die Au-
toren, sondern auch deren Sprache. Oft stand ich                                                           Wir kommen und gehen,
deshalb vor dem Regal meines Vaters und schämte
mich der Vergangenheit meines Landes, aber auch                                                            doch bleiben wird ER!
meiner Freiheit, die ich nie – auch heute nicht – so
recht wahrnehme und nutze.
Ich schämte mich und hielt voller Respekt so einige
dieser Bücher in meinen Händen.                                                                            Wir sorgen und schuften,
Ich könnte mit meiner Liste von Büchern weiter ge-
hen, wie z.B. „Der ungeratene Sohn“ von Renate                                                             doch wirken tut ER!
Rasp, das die Zwänge schildert, in welcher Her-
anwachsende groß werden müssen. Die Romane
von Pearl S. Buck und Hermann Hesse, Jane Austen,                                                          Wir können´s nicht fassen,
Sartre und die Gedanken von Simone de Beauvoir.
Aber ich halte nun besser inne.
Ich gestehe, dass ich mich weniger in Sachbücher
                                                                                                           doch HERR bleibt ER!
vertiefe, sondern lieber in die Dichtung über ver-
gangene und gegenwärtige Zeiten, die zwar ver-
fremdend, aber mit der Chance zur Identifikati-                                                            IHM dürfen wir dienen,
on, erahnen lassen, wie es den Menschen dieser
Zeiten erging. Ich suchte und suche mir Identifi-                                                          egal wie und wo;
kationsfiguren – ist das nicht eigentlich auch bei
Heiligenerzählungen und bei der Hl. Schrift eben-
so? – die mich führten und meinen Horizont er-
weiterten. Oft waren es zu Beginn blauäugige und
                                                                                                           ER wird uns führen
gutgläubige Personen, die mir sympathisch waren,
die aber im Laufe ihrer Lebensgeschichte geläutert
                                                                                                           und das macht mich froh!
werden, das wahre Leben sehen, oft sterben oder
aber auch sich daran machen, ein Stück ihrer Welt                                         Albert Anker
zu gestalten.                                                                          Lesender Mann
Zur Zeit liegt bei vielen Menschen die Obama-Bio-                                                1909
graphie auf dem Lesetisch, bei mir sind es im Mo-                                                          Sr. M. Lucia Tremel CSJ
APHORISMEN:
                                                                            KOPFKONFEKT
                                                                                    Rupert Schützbach
Neulich beim Deutsch lernen.
Ich versuche mit Händen und Füßen zu erklären,   Dieser Aphorismus stand im Dezember auf unse-
                                                 rem Kalender. Es ist nicht einmal ein Satz und doch
                                                                                                          rascht. Man kann Aphorismen genießen, sich mer-
                                                                                                          ken oder aber vergessen, je nachdem, wie sie uns
was Poesie ist.                                  so stimmig. Oft ist es leichter, sich in vielen Sätzen
                                                 über ein Thema auszubreiten, als sich kurz zu fas-
                                                                                                          schmecken. Sie können würzig und spritzig sein.
                                                                                                          In treffenden Worten ist auf engstem Raum eine
Ein syrischer Junge hilft mir auf die Sprünge:   sen! Ein Aphorismus formuliert in allerknappster         wichtige Erkenntnis festgehalten, so geben sie der
                                                 Form etwas Wesentliches und hat damit besonde-           Wahrheit „Dichte“.
Poesie ist so was wie Ballett,                   re Kraft.                                                Die Worte Aphorismus und Horizont hängen sprach-
                                                 Konfekt, das sind die süßen Gaumenfreuden für            lich zusammen. Sie haben beide etwas mit Begren-
aber mit Wörtern.                                so zwischendurch. Nur greifen wir dann                         zung und Überwindung dieser zu tun. Ein
                                                 meistens noch einmal danach und so                                 Aphorismus kann unseren Horizont neu
Susanne Riderer
                                                 werden sie zu unseren kleinen Dick-                                   weiten und zu neuen Weisheiten füh-
                                                 machern, die unsere Hosen und                                          ren. Er regt an, nachzudenken und
                                                 Blusen zu eng werden lassen.                                             Probleme aus einer anderen Per-
                                                 Aphorismen sind keine Gau-                                                 spektive zu sehen. Aphorismen
                                                 menfreuden, aber so ab und                                                  können uns in unserer Ansicht
                                                 zu sind sie eine Kopffreude.                                                 bestätigen und helfen, Erfahrun-
                                                 Sie machen nicht dick, aber                                                  gen auf den Punkt zu bringen.
                                                 mitunter den Kopf frei. Sie                                                  Die oft ungewohnte Anordnung
                                                 können trösten und erhei-                                                    von Worten macht uns wach
                                                 tern. Sie können provozie-                                                   und regt uns an.
                                                 ren oder eine Erkenntnis
                                                 entzünden. Meist haben sie                                                  Aphorismen sind halt Kopfkon-
                                                 eine Pointe, die uns über-                                                 fekt!

                                                                                                                             Sr. M. Katharina Wildenauer CSJ
DICHTEN: ERDEN,
WAS IN DER LUFT LIEGT                                                                        Michael Rumpf

Dichtung ist nicht zwecklos, sie will hinter die Ku-     Luise Kaschnitz). Dank der besonderen Sensibilität
lissen schauen. Will sehen, was wirklich ist. Sie ist    erkennen Literaten Entwicklungen bereits in ihrer
verdichtete Wahrheit, deren Sprache verstanden           Zeit des Entstehens und lange bevor den meisten
werden will.                                             anderen eine Fehlentwicklung auffällt. Marie Luise
Ein Dichtender ringt mit der Welt, dem Sein, dem         Kaschnitz traut den Dichtenden die Gabe des Pro-
Glauben und ringt mit den Worten, um Antwort zu          pheten wie auch die des schonungslosen Ausspre-
finden. Dabei nehmen viele Autoren auch das Wag-         chens von Wahrheiten zu.
nis auf sich, ihr Ringen mit Gott in Worte zu fassen,    Es darf nichts zufällig sein in einem Gedicht (Gott-
wie z.B. Marie Luise Kaschnitz                           fried Benn)
                                                         Dichtung will helfen, das eigene Leben zu betrach-
Nicht gesagt                                             ten, es aus einer anderen Perspektive zu sehen. Da-
Was von der Sonne zu sagen gewesen wäre                  bei überraschen den Leser oder Hörer oft die klare,
Und vom Blitz nicht das einzige Richtige                 anschauliche Sprache sowie Vergleiche. „In einem
Geschweige denn von der Liebe.                           Buch müssen sich die Sätze regen wie die Blätter
Versuche. Gesuche. Mißlungen                             in einem Wald, die sich bei all ihren Ähnlichkeiten
Ungenaue Beschreibung                                    doch nicht gleichen“ (Gustave Flaubert). Wenn wir
Weggelassen das Morgenrot                                dagegen einen amtlichen Brief oder das Kleinge-
Nicht gesprochen vom Sämann                              druckte eines Vertrages lesen, regt sich in uns kein
Und nur am Rande vermerkt                                Lüftchen, wir werden der sprachlichen Dürre we-
Den Hahnenfuß und das Veilchen.                          gen müde und verzweifeln ob der Verständlichkeit
Euch nicht den Rücken gestärkt                           der Aussagen.
Mit ewiger Seligkeit                                     Wenn auch Eichendorff in seinem Gedicht Mond-
Den Verfall nicht geleugnet                              nacht:
Und nicht die Verzweiflung                              „Es war, als hätt´ der Himmel die Erde still geküsst,
Den Teufel nicht an die Wand                             dass sie im Blütenschimmer von ihm nun träumen
Weil ich nicht an ihn glaube                             müsst“ –
Gott nicht gelobt                                        Reime verwendet, so muss Dichtung nicht immer
Aber wer bin ich daß                                     Reime in sich tragen.
                                                         Dichtung erfolgt aus dem inneren Reichtum eines
Dieser offene Schluss verweist uns auf die Gren-         Menschen, aber sie strebt nach außen. Sie will ge-
zen in unserem Denken, Verstehen und in den              hört oder gelesen werden! Sie schildert und be-
sprachlichen Möglichkeiten. Dennoch versuchen            schreibt, wobei vieles ausgemalt wird, nicht immer
es Menschen immer wieder neu in Gedichten, me-           der Realität entspricht, und oft zwischen den Zei-
ditativen Texten, Erzählungen und Romanen. Die-          len verstanden werden muss. Dichtung ist nicht die
se Menschen verstehen es meisterlich, mit Buch-          Sprache der klaren Wissenschaft. Sie hat auch nicht
staben und Worten umzugehen. „Der Dichter ist            den Stil eines Zeitungsberichtes – wenn auch vieles
das Sprachrohr der Ratlosigkeit seiner Zeit“ (Marie      in so manchen Zeitungen und Zeitschriften erdich-
tet ist. Von Nachrichten erwarte ich die Wahrheit        des menschlichen Lebens und reizt, indem sie mit
 und nicht Dichtung. Aber dennoch ist Dichtung            gesellschaftlichen Konventionen bricht. Sie provo-
 und Poesie nicht weniger gültig als sachliche Ab-        ziert Wellen wie die Revolution oder Selbstmord-
 handlungen. Die Texte werden dem Leben abge-             tendenzen, ist romantisch und dann skeptisch. Sie
 rungen und bringen das Wahre in unseren Seelen           legt ihre Finger in Wunden der jeweiligen Zeit.
 zum Klingen.                                             Lebens-, Künstler-, Familien- und Heiligenromane
 Dichtung hat eine gewählte Sprache. Dichter ver-         lassen die eigene Lebensbestimmung finden. Oft
 wenden Worte wie „leichte, feenhafte Kolibris der        aber helfen sie den Schriftstellern, eigene Lebenser-
 Vorstellungskraft“ (Elbert Hubbard). Sie finden          fahrungen zu verarbeiten.
„sprachverliebte Formulierungen“ und lassen die           Liebesromane lassen von einer heilen und guten
 Adressaten Feuer fangen oder nicht. Dabei ist die        Welt träumen. Wir lernen Menschen kennen wie
 Sprache des Autors geprägt von der Zeit, in der die-     Don Quijote, König Lear, Mary Stuart, Robinson
 ser lebte, und auch von der sozialen Gruppe, der er      Crusoe, Faust und Mephisto, Huckleberry Finn,
 angehörte. Dichtung verwendet die Hochsprache,           Oliver Twist, Frankenstein, Dracula, Alice im Wun-
 Mundsprache, Umgangssprache, Reime oder keine            derland, Hamlet, Othello, Romeo und Julia und vie-
 Reime und beachtet den Sprachrythmus.                    le mehr. Dichtung macht mit diesen Typen Eigen-
  „Erst durchs Aufschreiben mildert sich, was dir be-     schaften des Menschen deutlich. Sie verweist auf
 gegnet, ins Erträgliche.“ (Hermann Lenz).                das Wesentliche und die Kürze unserer Lebenszeit.
 Die frühe Dichtung der Germanen blühte in einer          Jedes Land hat so „seinen“ Dichter. England lebt
 schriftlosen Zeit. Sie lebte im Gedächtnis und im        von Shakespeare, Frankreich von Molière. Wir
 Munde der Sänger am Hofe, wie z.B. das Nibelun-          Deutschen werden verbunden mit Goethe und
 genlied. Die Dichtung hat dabei ein weites Feld. Sie     Schiller. Während Goethe seiner Welt Beziehungs-
 äußert sich in der Romanze, Tragödie oder Komö-          und Lebensprobleme in die Mitte stellte, betonte
 die. Einmal ist sie realistisch, das andere Mal recht    Friedrich Schiller den Drang nach Freiheit. Lessing
 phantasievoll. Manchmal ist sie trocken, dann            reiht sich ein in die Schar der politischen Schrift-
 überrascht sie in Form einer Satire mit einem scho-      steller. War bis zum Ende des 19. Jahrhunderts
 ckierenden Urteil. Dichtung will nicht unbedingt         Dichtung vorwiegend auf das Theater und die Vor-
 schön sein, denn die Nähe zum Kitsch ist rasch           führung konzentriert, so entstand nach und nach
 überschritten. Wahre Dichtung ist oft anstrengend        die geschriebene Dichtung und mit ihr der Roman.
 zu lesen.                                                Autoren wie Charles Dickens, Tolstoi, Dostojews-
 Gedichte sind nicht Gefühle, sondern Erfahrungen         ki, Fontane, Thomas Mann beschrieben die Gesell-
 (Rainer Maria Rilke)                                     schaft ihrer Zeit mit all den politischen Unruhen
 Während die frühen literarischen Werke Helden-           und Ungerechtigkeiten. Dabei wurde die Verflech-
 schicksale zum Thema hatten, schuf die Dichtung          tung persönlicher Schicksale mit der Geschichte
 nach und nach neue Welten und Gestalten wie Harry        der jeweiligen Zeit bewusst.
 Potter oder Frodo Beutlin. Sie beschreibt Geschich-      Dichtung hilft das eigene Leben kritisch zu be-
 te und fügt den Ereignissen Geschehen und Emo-           denken. Sie schärft den Blick für die Gegenwart
 tionen hinzu. Sie wird zur „Erfahrungsgeschichte“        und lässt die Achtsamkeit in uns wachsen. Denn:
                                                         „Es ist Sache der Dichter, das Herz klüger zu ma-        Wenn du einen Garten
                                                          chen.“ (Jean Cocteau)
                                                                                                                  und eine Bibliothek hast,
                                                                             Sr. M. Katharina Wildenauer CSJ      wird es dir an nichts fehlen
                                                                                                                  Cicero
WER FÜR ERWACHSENE
                                                                                                                SCHREIBT,
        WAHRHEIT,                                                                                               SCHREIBT FÜR DIE ZEIT,
 DIE GEDICHTET SCHEINT                                                                                          WER FÜR DIE KINDER
          ODER                                                                                                  SCHREIBT,
„WAS MAN NICHT FÜR WAHR                                                                                         SCHREIBT FÜR DIE
  HALTEN WILL, DASS …..“                                                                                        EWIGKEIT.
Mein jüngerer Bruder Andreas hatte eine blühende        zei anrufen!“ Ich glaubte ihm nicht und erwiderte:       Von Hans Christian Andersen (1805 – 1875) ist dieser Satz
Fantasie. Viele seiner Gedanken fasste er in Texten    „Das bildest Du Dir doch nur ein! Das dichtest Du         und er scheint zu stimmen, denn wer kennt sie nicht, seine
zusammen. Er schrieb mit ca 8 Jahren nach der           doch wieder! Wir machen uns doch nur lächer-             Märchen!
Fernsehserie „Daktari“ ein eigenes Buch mit selbst      lich! Der Mann sieht dem Verbrecher nur ähnlich!“       „Das hässliche Entlein“ findet sich noch heute in vielen Kin-
erdachten Erzählungen. Er konnte in seinen Gedan-       Andreas ließ sich überzeugen.                            derbüchern. „Des Kaisers neue Kleider“ ist mittlerweile in
ken und Ideen so richtig versinken. Er konnte so an-    Ein paar Tage später stand in der Zeitung, dass          unserer Alltagssprache gegenwärtig und begegnet uns in
schaulich erzählen, dass es mir manchmal richtig        dieser Verbrecher in Bamberg verhaftet wurde.            Gottfried Kellers Novelle „Kleider machen Leute“ sowie im
schwer fiel zu unterscheiden, wann seine Berichte       Andreas hatte ihn erkannt, und ich hielt es nicht für    Roman „Vom braven Soldat Schwejk“. Welch traurige Gedan-
der Wahrheit entsprachen und wann sie von ihm           wahr. Noch heute denke ich immer wieder daran            ken drängen sich auf, wenn wir das Märchen vom „Tapfe-
erdacht wurden.                                         und weiß nicht, ob ich mich damals bei ihm ent-          ren Zinnsoldaten“, der aus Liebe zerschmolz, lesen oder uns
Einmal – unsere Eltern waren außer Haus – schau-        schuldigt habe.                                          auf „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“ einlassen. Die
ten wir heimlich Aktenzeichen XY im Fernsehen. Es       Wie oft glauben wir einem Bericht nicht, weil wir        Sprache und die Bilder sind poetisch, die Geschichten reine
wurde von einem Einbrecher berichtet und sein           ihm nicht glauben wollen?                                Dichtung, die Themen komplex und doch so wahr! Seit 200
Porträt gezeigt. Da sagte Andreas, damals etwa 10       Wie oft verleugnen wir etwas, was wir nicht als          Jahren prägen diese Geschichten junge und ältere Menschen,
Jahre alt: „Den habe ich gestern in der Stadt ge-       wahr gelten lassen wollen und verurteilen dies als       und es wird bestimmt noch für viele Menschengenerationen
sehen am Alten Rathaus! Wir sollten bei der Poli-       erdichtet?                                               so weitergehen.

                                                                           Sr. M. Katharina Wildenauer CSJ                                   Sr. M. Katharina Wildenauer CSJ
SPRACHE IM EINKLANG
                           MIT DER NATUR
                           Eichendorff oder Humboldt? Oder doch Morgenstern?

                           Gegen Ende der Sommerferien 2016 hatten meine           gemacht hatte: Im damaligen baden-württember-
                           Kollegin Christina Kollmann und ich die Idee, in den    gischen Lehrplan kam nur an zwei Stellen das Wort
                           beiden Fächern, die wir in der damaligen Klasse 5a     „Schönheit“ vor: Bei der Beschreibung der Fächer
                           unterrichten würden, ein gemeinsames fachüber-          Deutsch (Schönheit der Sprache) und Biologie
                           greifendes Projekt zu starten. Ihr Beitrag: Deutsch,    (Schönheit der Natur). Die Verbindung war also
                           mein Beitrag: Biologie. Es dauerte nicht lange,         hergestellt.
                           und wir tauschten die ersten
                           Ideen aus. So schickte ich ihr                                             Aus dem Besuch von „You-farm“
                           per Mail eine Zeichnung von                                                 wurde zwar nichts, aber die Al-
                           Christian Morgensterns Fan-                                                 ternative, die sich uns bot, war
                           tasiewesen, dem „Nasobem“,                                                  eh kaum zu toppen: einen Flyer
                           mit der Anfrage, ob wir mit den                                             über den Walderlebnispfad
                           Kindern vielleicht gemeinsam                                                beim Krumbad zu gestalten,
                           Gedichte über Tiere lesen und                                               der im Jahr 2017 Wirklichkeit
                           besprechen könnten. Von mei-                                                wurde. Es entstanden schöne
                           ner Kollegin kam der Vorschlag,                                             Bilder und noch schönere Tex-
                           mit unseren Schülerinnen und                                                te, die unsere Naturerlebnisse
                           Schülern das Naturerlebnisge-                                               im Wald hervorragend wieder-
                           lände „Youfarm“ in Augsburg                                                 gaben. Doch wie sollten unsere
                           zu besuchen. Mir gefiel die Idee                                            Fünftklässler schreiben? Eine
                           sehr gut, doch fragte ich mich                                             Vorgabe lautete, dass Familien
                           und sie, was denn speziell eine                                             mit Kindern angesprochen wer-
                           Deutschlehrerin dort mit ihrem                                              den sollten. Die Erfahrungen
                           Fach einbringen könne. Ich er-                                              unserer Schüler sollten sich in
                           hielt unmittelbar eine „deutli-                                             den Texten widerspiegeln und
                           che“ Antwort: All die schönen                                               Familien von heute dazu anre-
                           Eindrücke, die man dort sammeln würde, müssten         gen, den Walderlebnispfad zu besuchen. Gleich-
                           doch auch in angemessener Sprache wiedergege-          zeitig durften die Sachinformationen nicht zu kurz
                           ben werden. Und überhaupt seien Natur und Spra-        kommen. Mit romantischer Lyrik im Stil von Joseph
                           che viel näher beieinander, geradezu als Einheit zu    von Eichendorff (1788 – 1857), der ja viel über den
                           betrachten, als man gemeinhin annehmen würde.          Wald geschrieben hat, hätten wir da wohl nicht
                           Das gab mir doch zu denken und ich stellte mich        punkten können.
 Friedrich Georg Weitsch   auf eine interessante Zusammenarbeit ein. Außer-
Alexander von Humboldt     dem erinnerte ich mich an mein Referendariat und       Doch ein Zeitgenosse von Eichendorffs, der Natur-
                 1806      eine Entdeckung, die einer meiner Seminarlehrer        forscher Alexander von Humboldt (1769 – 1859)
hat auch Bücher über den Wald verfasst – zwar
 nicht über den deutschen Wald, sondern über den
 Dschungel im Gebiet der Flüsse Amazonas und            Meine Mutter hat
 Orinoco in Südamerika. Aber immerhin Wald! Von
 Humboldt gehörte zu den ersten Naturforschern ei-      von einem Verehrer bekommen:
 ner neuen Generation, wie die Historikerin Andrea
 Wulf in ihrer ausgezeichneten Humboldt-Biografie       einen PORZELLANELEFANTEN.
„Humboldt und die Erfindung der Natur“ (C. Ber-
 sammelte und veröffentlichte nicht nur Daten und
 Fakten, sondern bezog sein eigenes Empfinden
 stilistisch ausgewogen in die Darstellung mit ein,
                                                        Ich habe ihn in die Hand genommen:
 sodass seine Leser – wenn sie sich darauf einlie-      den PORZELLANELEFANTEN.
 ßen – seine Reisen in Gedanken miterleben konn-
 ten. Über sein Buch „Ansichten der Natur“ scheibt
 Andrea Wulf (S. 175): „Es war ein wissenschaftli-
 ches Buch voller lyrischer Passagen. Für Humboldt      Ich bin mit ihm plötzlich ausgeglitten:
 war die Sprache ebenso wichtig wie der Inhalt, und
 er gestattete seinem Verleger nicht, nur eine einzi-   dem PO
                                                                R     FAN E L AN       T
 ge Silbe zu verändern, damit der Wohlklang seiner                            LE
                                                                   ZEL EN
 Sätze erhalten blieb. Die wissenschaftlichen Erklä-
 rungen waren sehr umfangreich und detailliert, lie-
 ßen sich aber leicht übergehen, weil Humboldt sie
 in den Anmerkungen am Ende eines jeden Kapitels        Ich mußte ihn hastig zusammenkitten:
 versteckte.“ Das war es eigentlich, was uns vor-
 schwebte. So wandelten unsere Fünftklässler beim       den PORLANFANELEZELTEN.
 Verfassen ihrer Texte auf den Spuren Alexander von
 Humboldts. Und das ist ihnen richtig gut gelungen.
 Manch einem sperrigen wissenschaftlichen Werk          Hans Manz
 des 21. Jahrhunderts wäre ein solcher Stil zu wün-     Die Welt der Wörter
 schen. Vielleicht würde das die Akzeptanz seriöser
 Forschung steigern.

                                     Christian Pagel
SPRACHE DER MATHEMATIK
WIE BESCHREIBT MAN DIE WELT?
„Die Philosophie (= Naturwissenschaft im damaligen Sprachgebrauch) steht in diesem großen Buch geschrie-
 ben, dem Universum, das unserem Blick ständig offen liegt. Aber das Buch ist nicht zu verstehen, wenn man
 nicht zuvor die Sprache erlernt und sich mit den Buchstaben vertraut gemacht hat, in denen es geschrieben
 ist. Es ist in der Sprache der Mathematik geschrieben, und deren Buchstaben sind Kreise, Dreiecke und an-
 dere geometrische Figuren, ohne die es dem Menschen unmöglich ist, ein einziges Wort davon zu verstehen;
 ohne diese irrt man in einem dunklen Labyrinth herum.“
 Galileo Galilei (1564 – 1642): „Il Saggiatore“ („Der Prüfer mit der Goldwaage“), 1623

Wie kann man diese Aussage verstehen? Es sollen ein paar Herangehensweisen vorgestellt werden.

 Erstens: Frühe Naturwissenschaftler (Galileo Galilei,   bringen. Insbesondere wird es durch mathema-
 Johannes Kepler, Isaac Newton) vertraten folgende       tische Funktionen und Gleichungen möglich, die
 Auffassung: Gott selbst hat die Sprache der Mathe-      Entwicklung von Systemen vorauszusagen. Das ist
 matik geschaffen, die hinter den Gesetzen des Uni-      gerade für die heutige Technik – nicht nur im Welt-
 versums steht. Wir Menschen haben die Möglichkeit,      raum – unverzichtbar. Wie genau die naturwissen-
 zumindest Teile davon zu erkennen. Die intensive        schaftlich-mathematische Abbildung als Modell
 Beschäftigung mit den Naturwissenschaften kann          dem Stand der Dinge tatsächlich entspricht, muss
 somit eine Art Gottesverehrung sein. Der Philosoph      immer wieder geklärt werden.
 Francis Bacon (1561 – 1621) hat es 1601 in seinem       Viertens: Die Sprache der Mathematik ist eine Welt-
„Essay of Atheism“ sinngemäß so ausgedrückt: „Ein        sprache. Sie ermöglicht internationale Kommunikati-
 wenig Philosophie führt den menschlichen Geist          on über alle Ländergrenzen, Ideologien und Weltan-
 zum Atheismus, eine tiefe Beschäftigung damit führt     schauungen hinweg. Die Gemeinschaft der Forscher
 ihn hingegen zur Religion.“ Der Spruch „Der erste       bedient sich dieser Sprache inzwischen nicht nur
 Schluck aus dem Becher der Wissenschaft führt zum       in Naturwissenschaft und Technik, sondern eben-
 Atheismus, aber auf dem Grund des Bechers wartet        so selbstverständlich in anderen Fachbereichen wie
 Gott.“ geht in eine ähnliche Richtung. Er wird – wohl   Geographie, Soziologie, Psychologie und Wirtschaft.
 fälschlicherweise – dem Quantenphysiker Werner          Die Regeln der mathematischen Sprache sind eisern
 Heisenberg (1901 – 1976) zugeschrieben.                 und müssen strikt befolgt werden. Das unterschei-
 Zweitens: Man kann das aber auch ganz anders ver-       det sie von der zweiten Weltsprache, dem Engli-
 stehen: Die Welt ist von sich aus kausal und logisch    schen. Hier sind Abweichungen vom Regelwerk an
 aufgebaut sowie mathematisch organisiert. Und nur       der Tagesordnung. Der ehemalige Bundesfinanzmi-
 weil sie das ist, konnten sich überhaupt intelligen-    nister und aktuelle Bundestagspräsident Wolfgang
 te Lebewesen – wir Menschen – entwickeln, die in        Schäuble drückte es vor Jahren in einem Interview
 der Lage sind, die zugrundeliegenden Strukturen an-     mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“
 gemessen mit der Sprache der Mathematik zu be-          selbstironisch so aus: „Mir tut jeder leid, der mein
 schreiben.                                              Englisch ertragen muss. Aber schlecht gesproche-
 Drittens: Eine weitere Sichtweise kann man folgen-      nes Englisch ist schließlich eine der am meisten ge-
 dermaßen formulieren: Die Sprache der Mathema-          sprochenen Sprachen der Welt.“ Und da ist genau
 tik ist eine Konstruktion der Menschen, die es uns      der Unterschied: Schlecht gesprochene Mathematik
 erlaubt, Ordnung in das Chaos der Phänomene zu          wäre vollkommen unbrauchbar.

                                                                                              Christian Pagel
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