Kleines Lexikon der Lyrik
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BIBLIOTHEK DEUTSCHSPRACHIGER GEDICHTE www.gedichte-bibliothek.de © Realis Verlags-GmbH 2011 Die Inhalte sind der Einführungsmappe des Fernstudiums DAS LYRISCHE SCHREIBEN entnommen. Die Verwertung der Texte und Bilder, auch auszugsweise, ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen.
In diesem E-Book haben wir alle für die Lyrik relevanten Begriffe – von den Stilmitteln bis hin zu den Epochen – knapp und übersichtlich zum Nachschlagen aufgeführt. Die Figuren und Schlag- wörter sind dabei alphabetisch geordnet, um eine schnelle Orientierung zu gewährleisten.
Abwandlung / Amplifikation Eine Aussage wird durch die wiederholen- de Betrachtung unterschiedlicher Ge- sichtspunkte erweitert. Ästhetik Lehre vom Schönen. Der das Sprach- oder Wortkunstwerk betreffende Teil der Ästhe- tik ist die ➝ Poetik. Akkumulation ➝ Reihung Alexandriner ➝ Jambischer Reimvers von 12 oder 13 Silben mit deutlichem Einschnitt nach der dritten Hebung. Immer ➝ Antithese Alliteration / Stabreim Gleichklingender Anlaut von betonten Stammsilben. Wird zur (magischen) Ver- stärkung der Aussage benutzt. Amplifikation ➝ Abwandlung Anagramm Durch die Umstellung seiner Buchstaben oder Silben neu entstandenes Wort. Anakoluth ➝ Fügungsbruch Anapher Mehrere Sätze (oder Verse und Strophen) beginnen gefühlsverstärkend mit den glei- chen Worten. Anfangsreim Die ersten Wörter zweier oder mehrerer Verse reimen sich. Anruf / Apostrophe Sonderform des Ausrufs. Direkte Anrede meist abwesender Personen oder lebloser Dinge. Antiklimax ➝ Stufenfolge Antithese Gekoppelte oder unverbundene Zusam- menstellung entgegengesetzter Begriffe, oft gleichzeitig mit ➝ Parallelismus oder ➝ Chiasmus. Apokoinu Sonderform der ➝ Ellipse. Ein Wort, das zu zwei beigeordneten Sätzen gehört, steht in der Mitte. Apostrophe ➝ Anruf Assonanz Halbreim, bei dem nur die Vokale am Gleichklang beteiligt sind. Assoziation Verknüpfung von Vorstellungen, so dass - 4-
sie vom Standpunkt der eigenen Person aus erlebt werden; grundlegendes Verfah- ren beim ➝ Clustering. Asyndeton ➝ Unverbundenheit Aufklärung Bezeichnet zunächst die geistesgeschichtli- che Strömung, die gegen die Bevormun- dung des Menschen, gegen Vorurteile und Intoleranz kämpft und mit vernunftgelei- teten Erkenntnissen die Selbstständigkeit des Menschen fördert. Wichtigster philo- sophischer Vertreter ist Immanuel Kant. Johann Christoph Gottsched fordert als Ver treter der literarischen Aufklärung (1730–1780) einen klaren Aufbau der Werke. Die Dichtkunst ist erlernbar, da sie den von der Vernunft festgelegten Regeln folgen soll. (➝ Empfindsamkeit) Jedes Werk enthält als Kern einen moralischen Lehrsatz, die Fabel. Weitere Vertreter sind Gotthold Ephraim Lessing und Christoph Martin Wieland. Barock Die Zeit des literarischen Barock (1620– 1680) ist durch den Dreißigjährigen Krieg, den wirtschaftlichen Niedergang und Ver- fall von Bürgertum und Landbevölkerung geprägt. Konträr dazu entsteht eine Hof- kultur (Dresden, München, Stuttgart), bei der die Aristokraten nach dem Vorbild von Versailles mit Macht und Reichtum Kunst in Auftrag geben, um den Glanz ihrer Höfe zu vermehren. Es sind insbesondere bürgerliche Autoren, die sich in Dichterschulen und Sprachge- sellschaften verbinden, um die deutsche Sprache zu erforschen. Dichten kann ge- lernt werden. Höchster künstlerischer Aus- druck liegt in der raffinierten Variation und Kombination vorgegebener Formen. Die barocke Lyrik ist vom starken Gegen- satz geprägt. Das Memento mori (denke daran, dass du sterben musst!), Weltver- achtung und Askese stehen leidenschaftli- cher Sinneslust und Lebensgier (Carpe diem: genieße den Tag!) gegenüber. Diese typische Gespanntheit wird durch die per- fekte Formgebung der Verse zum Ausdruck gebracht; Allegorese und Emblem dienen dazu, mittels eines Sinnbildes die verschie- - 5-
denen Bedeutungsebenen eines Begriffs zu verschlüsseln. Wichtige Vertreter des Barock sind Martin Opitz, Andreas Gryphius, Paul Fleming und Christian Hofmann von Hofmanns- waldau. Biedermeier Nach dem Höhepunkt der Romantik ent- wickelt sich 1815–1848 eine neue Art des Schreibens, die die unmittelbare Lebens- welt thematisiert. Familie, Natur, Heimat und Religion sind die zentralen Motive der Biedermeierzeit. Trivialliteratur und Hei- matdichtungen (Jeremias Gotthelf) treten als Bestätigung der Lebensentwürfe in den Vordergrund. Annette von Droste-Hülshoff, Franz Grill- parzer und Eduard Mörike vermitteln in ihren Werken jedoch eine differenziertere Sicht der Wirklichkeit. Ludwig Uhland und Friedrich Rückert schreiben ihre Gedichte in der Tradition früherer Epo- chen. Bild Gehört mit ➝ Figur zu den Stilformen und umfasst neben ➝ Vergleich und ➝ Symbol auch die ➝ Metapher bzw. den bildhaften Ausdruck insgesamt. Bilder sind relativ geschlossene Sprachge- bilde, die unmittelbar auf die Gefühle ein- wirken und zum Großteil die Poesie aus- machen. Binnenreim Reim des Versendes mit einem Wort des Versinnern. Im ➝ Rap gebräuchlich. Cento Ursprüngliche Bedeutung »Flickwerk«; aus Zitaten zusammengesetzes Gedicht. Chiasmus ➝ Überkreuzstellung Clustering Auf Gabriele Rico zurückgehende Metho- de, das kreative Schreiben durch Assozia- tionen bei gleichzeitigem Zurückhalten des inneren Zensors anzuregen und zu beschleunigen. Die beiden Gehirnhälften werden in ihrem Zusammenspiel optimal genutzt. Contradictio in adiecto ➝ Widerspruch im Beiwort - 6-
Dada / Dadaismus Kunst- und Literaturströmung in den 20er-Jahren des letzten Jh., die sich zu- nächst in Zürich (Cabaret Voltaire, 1916), dann in Paris und Berlin formiert und mit provokativem »Unsinn« (Dada = Kin- derlallen, französisch: Kinderpferdchen) gegen bürgerliche Werte protestiert (z.B. Marcel Duchamp »Mona Lisa mit Schnur- bart«). In der Zerstörung des ihrer Mei- nung nach falschen Menschenbildes wer- den die Triebe und innersten Schichten freigelegt. Die Sprache wird in ihren Laut- bestand »zersetzt«, das Absurde und Außergewöhnliche stehen im Zentrum. Wichtigste Vertreter sind Hugo Ball, Rich- ard Hülsenbeck, Tristan Tzara, Hans Arp und Kurt Schwitters. Dramatik Dramatische Dichtkunst. Sammelbegriff für Schauspiel, Tragödien. Duplicatio / Iteratio Ein Einzelwort verdoppelt sich. Elfchen Gedichtform aus elf Wörtern, die im Ver- hältnis 1 / 2 / 3 / 4 / 1 auf fünf Zeilen ver- teilt sind Ellipse Kurzsätze, die Wichtiges betonen. Alles Unwichtige ist weggelassen. Dadurch ent- steht Raffung und stärkere Gefühlswir- kung. Wichtiges Stilmittel der Sturm- und Drang-Dichter. Empfindsamkeit Als Antwort auf die rationale Einseitigkeit der Aufklärung treten seit 1740 (bis ca. 1770) gefühlsbetonte Strömungen in den Vordergrund. Grundlegend gilt, dass jedes Herz von einem »natürlichen Gesetz«, einem feineren Sinn, geleitet ist. Die Natur wird zentraler Erfahrungsort: Sie wird ent- weder in ihrer idyllisch-heiteren oder ele- gisch-düsteren Stimmung bewusst erlebt. In Abkehr von Gottsched suchen die Dich- ter der Empfindsamkeit eine eigenständige Form und Sprache. Hauptvertreter ist Friedrich Gottlieb Klopstock. Emphase ➝ Nachdrücklichkeit Endreim ➝ Reim Enjambement Die syntaktische Einheit setzt sich in die nächste Verszeile fort. Diese Variante wird - 7-
auch Hakenstil, Versbrechung oder Zeilen- sprung genannt. Epanalepse Wie bei der ➝ Gemination werden auch hier Einzelwort oder Wortgruppe wieder- holt, aber nicht unmittelbar hintereinan- der. Epanondos Die Wörter werden in umgekehrter Rei- henfolge wiederholt. Epik Erzählende Dichtkunst. Dazu zählen Romane, (Kurz-)Geschichten, Novellen, Heldenlieder und Märchen. Epipher Umkehrung der ➝ Anapher. Gleiche Wör- ter werden am Satz- oder Versende wieder- holt. Teil der ➝ Symploke Epiphrasis ➝ Nachsatz Epizeuxis Drei- oder mehrfache Wiederholung Expressionismus Setzt sich als literatur- und kunstge- schichtlicher Epochenbegriff im deut- schen Sprachraum während des »expres- sionistischen Jahrzehnts« (1910–1920) durch. E. ist zunächst ein Kampfbegriff der (literatur-)ästhetischen Avantgarde. Kurt Hiller propagiert 1911 »Wir sind Expres- sionisten« und verkündet 1913 den Sieg des Expressionismus über den Impressio- nismus. Kasimir Edschmid versucht 1917 den »Expressionismus in der Dichtung« zu definieren als eine neue, gegenüber dem fotografischen Naturalismus visionäre Kunstströmung. Inhaltlich ist der E. eine fundamentale Zivilisationskritik, die sich durch den Krieg (1914–-1918) verstärkt. Stilistisch fällt die Verknappung der Spra- che, die verdichtete Symbolik und die direkte Benennung des Hässlichen und Trivialen ins Auge. Wichtige Vertreter sind: Jakob von Hoddis, Georg Heym, Georg Trakl, Ernst Stadler, Gottfried Benn. Figuren / Stilfiguren Stilmittel, die im Gegensatz zu den ➝ Bil- dern, den sprachlichen Ausdruck betref- fen. Man unterscheidet verschiedene Ebe- nen: Wortfiguren – Satzfiguren – Gedan- kenfiguren – Klangfiguren. - 8-
Fiktion Eine Aussage bzw. Darstellung eines Sach- verhalts oder Geschehens ohne überprüf- bare Referenz (Wirklichkeitsbezug), die demnach weder »wahr« noch »falsch« genannt werden kann. Freie Rhythmen Reimlose, metrisch ungebundene, aber stark rhythmisch bewegte Verszeilen von beliebiger Länge. Meist 3–4 Hebungen und Senkungsfüllung. Keine Strophen, doch oft sinngemäß in Versgruppen gegliedert. Fügungsbruch / Anakoluth »Unfolge« in der Satzführung oder ein Herausfallen aus dem Satzbau. Gebundene Rede Im Gegensatz zu Prosa durch Metrum und Rhythmus , dann auch durch (Stab-)Reim und Strophe gestaltete Sprache. Gemination Ein Wort oder eine Wortgruppe werden unmittelbar nacheinander im Vers wieder- holt. Varianten sind ➝ Duplicatio / Itera- tio ➝ Repetitio ➝ Epizeuxis (➝ Epanalep- se ➝ Epanodos ➝ Polyptoton Genieästhetik Im 18. Jh. einsetzend, wird vor allem im 19. Jh. der Dichter zum höchst inspirierten Schöpfergeist stilisiert, der sich aus der Menge hervorhebt und mit einer Aura der Erhabenheit umgeben ist. Unerreichbar- keit und Originalität sind seine Kennzei- chen. Wenngleich zunächst als Gegenreak- tion und Erneuerung einer spröde gewor- denen Literatur entstanden, so dass dem Individuellen und Spontanen wieder Aus- druck verliehen wird, bleibt der Begriff des Genies gerade in Deutschland als unum- stößliche Dichterkategorie bestehen und wird in seiner Absolutheit nur mit Wider- ständen aufgelöst. Der Geniebegriff steht im Gegensatz zu den Zielen der Schreibbe- wegung. Gradation ➝ Stufenfolge Gruppe 47 Loser Zusammenschluss von zuletzt 200 deutschsprachigen Schriftstellern, der von 1947–1967 einen prägenden Einfluss auf die BRD ausübt. Durch die Einladung von Verlegern, Kritikern und Autoren und dem damit verbundenen Medieninteresse - 9-
nimmt die Breitenwirkung seit 1955 stetig zu. Hans Werner Richter ist der Gründungs- vater und Organisator, der nach dem Ver- bot der Zeitschrift »Der Ruf«, die er zusammen mit Alfred Andersch gründete, ein neues Forum für die junge Literatur sucht. Mittelpunkt der Gruppenaktivitä- ten sind die jährlichen Tagungen, bei denen die von Richter eingeladenen Auto- ren aus unveröffentlichten Manuskripten vortragen. Bei der sich daran anschließen- den Kritik ist dem Lesenden die Gegenre- de untersagt. Die wichtigsten Vertreter der Gruppe 47 sind Walter Höllerer, Günter Grass, Alfred Andersch, Hans Magnus Enzensberger und Wolfgang Bächler. Haiku Beliebte lyrische Kleinform aus Japan. Das Haiku besteht aus 17 Silben, die im Ver- hältnis 5 / 7 / 5 auf drei Zeilen verteilt wer- den. Die uns heute bekannte meditative Form geht auf den Wandermönch Matsuo Bashô (1644–1694) zurück. Die Sprache des Haiku ist einfach und klar. Die Worte sind in ihrem Sinn streng einheitlich gewählt; es gibt keinen Titel. Ein »klassi- sches« Haiku nennt immer ein Ding, das mit der Natur und den Jahreszeiten ver- bunden ist. Das ➝ lyrische Ich fehlt. Hakenstil ➝ Enjambement Hebung Die betonte, d. h. rhythmisch hervorgeho- bene Silbe des deutschen Verses ➝ Sen- kung. Homonyme Gleichklingende Wörter, deren Bedeutung jedoch unterschiedlich, oft gegensätzlich ist. Hyperbaton ➝ Sperrung Hymnus / Hymne Festgesang, Lobgesang zu Ehren der Götter und der Heroen. Gefordert wird Gehoben- heit der Sprache wie in der Ode, doch im Ton schwungvoller, in der metrischen Form unbeschränkt. Inversion Umstellung der üblichen und regelmäßi- gen Wortfolge. Wenn die Umstellung nur - 10 -
des Reimes wegen geschieht, spricht man von »gekünsteltem Stil«. Invokation Anflehen und Anrufung (eines) Gottes oder der Musen. Iteratio ➝Duplicatio Jambus »Steiger«. Versfuß, der in der antiken ➝ Metrik aus einer kurzen und einer langen, im Deutschen aus einer unbetonten und einer betonten Silbe besteht (X `X). Im Gegensatz dazu ➝ Trochäus. Jungdeutsche / Literarische Bewegung, die seit der Juli- Junges Deutschland revolution 1830 Literatur, Kunst und Wis- senschaft mit dem Lebensalltag verbinden und für politische Ideen nutzen will. Die Jungdeutschen sind liberal, demokratisch bis republikanisch eingestellt und fordern die Emanzipation des Bürgers genauso wie die der Frau oder die des Judentums. Sie setzen sich für die Freiheit der Presse und des Theaters ein, der Übergang ihrer Werke zum Journalismus ist fließend. Die Aufgabe des Künstlers liegt im radikalen Engagement, in der Kritik an politischen Tagesfragen. Seine Gesellschaftskritik äußert er häufig mit beißendem Spott und entlarvender Ironie. »Jung« bedeutet, revolutionär zu sein gegen die Sozialord- nung des alten Deutschland. 1835 Schreib- verbot durch die preußische Regierung. Hauptvertreter: Heinrich Heine, Ludwig Börne, Karl Ferdinand Gutzkow und Heinrich Laube. Kehrreim / Refrain Wiederholung eines (Kurz-)Verses am Schluss der Strophe; im Volkslied üblich. Kinesiologie Verfahren, bei dem Bewegung eingesetzt wird, um somatische und psycho-somati- sche Funktionsstörungen zu behandeln. Wird auch zur Ausgleichung der beiden Gehirnhälften eingesetzt. Kann so das kreative Schreiben anregen. Klassik Klassische Epochen ergeben sich im Allge- meinen aus einem langen kulturellen Pro- zess. Sie setzen eine gebildete Gesellschaft voraus, eine verfeinerte Kultur, histori- sches Bewusstsein und eine nuancenreiche Sprache für einen differenzierten Aus- - 11 -
druck. Die Jahre, während denen sich Goethe, Herder und Schiller am Hof in Weimar aufhielten, werden in diesem Sinn als Weimarer Klassik (1785–1805) bezeich- net. Wesentlich für diese Epoche ist das Stre- ben nach Humanität und ästhetischer Erziehung: Indem man das Wesen des Menschen erkennt, kann man auch die Frage nach einer sinnvollen Lebensgestal- tung beantworten. Der Mensch ist aufge- rufen, sich selbst zu vervollkommnen. Denn erst wenn der Einzelne sich ändert und seine Individualität ausgebildet hat, können auch die gesellschaftlichen Ver- hältnisse gewandelt werden. Der Dichter glaubt an den Menschen und ist von der formschaffenden Kraft des Geis- tes überzeugt. Alles Äußere ist nur die Erscheinung eines geistvollen Inneren. Er folgt einem strengen Formgesetz und arbeitet das Wesentliche und Allgemein- gültige heraus. Die Wirklichkeit ist nicht mehr naturalistisch und subjektiv, son- dern idealisiert. Hauptvertreter sind Johann Wolfgang Goethe und Friedrich Schiller. Klimax ➝ Stufenfolge Knittelvers Jambischer Viertakter mit Paarreim. Kenn- zeichnend sind die vier Hebungen und freie Senkungsfüllung. Der deutsche Vers des 16. Jahrhunderts, vor allem bei Hans Sachs. Dann auch im Sturm und Drang, der Klassik, u.a. in Goethes »Faust«. Konkrete Poesie Häufig mit Experimentallyrik gleichge- setzt, verwendet die Konkrete Poesie die grundlegenden Elemente der Sprache als Ausgangsmaterial für ein Gedicht, ohne auf den syntaktischen oder bedeutungs- mäßigen Zusammenhang zu achten. Ziel ist nicht die Abbildung der Welt, sondern das oft provokante Spiel mit Sprache. Unter optischen und akustischen Gesichtspunkten entstehen aus Silben, Buchstaben oder einzelnen Worten sprachkritische Texte. Die bekanntesten Dichter dieser Strö- mung, die ihre Hauptzeit zwischen 1950 - 12 -
und 1975 hat, sind Eugen Gomringer, Hel- mut Heissenbüttel, Franz Mon, Ernst Jandl und die ➝ Wiener Gruppe, ein lockerer Dichterbund mit Friedrich Achleitner, Hans Carl Artmann und Gerhard Rühm. Konnotation Die zusätzliche Bedeutung eines Wortes, die über den reinen Begriffsinhalt hinaus- geht. Konstellation Geht auf Ernst Gomringer zurück, der mit diesem Begriff die Struktur und das Arrangement des Wortmaterials in seinen Texten bezeichnet. Litotes ➝ Untertreibung Lyrik der Moderne Der Begriff der Moderne wird um die Jahrhundertwende zunächst auf das Pro- gramm des Naturalismus angewendet. Erst nach dem Ersten Weltkrieg wird er auf die Lyrik im Ganzen ausgeweitet und steht in diesem Sinn für sämtliche avantgardisti- sche Strömungen. Heute spricht man mehr von moderner Lyrik und umfasst damit die verschiedenen Strömungen des 20. Jahrhunderts insgesamt. Lyrisches Ich 1910 von der Dichterin Margarete Susman geprägter Begriff, der in Opposition zum »Ich im real empirischen Sinne« steht. Von ihr als (symbolische) »Form« gedeutet, hat das lyrische Ich seither zahlreiche Neudefi- nitionen erfahren. Heute wird der Begriff im Rahmen von Gedichtinterpretationen meist wertneutral verwendet und bezeich- net die Sprecherinstanz im Text im Gegen- satz zu dessen Autor. Metapher Übertragene Bedeutung eines Wortes, nach der es nicht im eigentlichen Sinn gebraucht wird. Dadurch entsteht ein bild- licher Ausdruck. Sobald eine Metapher nicht mehr anschaulich vorgestellt wird, unterscheidet sie sich nicht mehr von einem Begriff und erstarrt in der dichteri- schen Sprache zum Klischee. Metrik Verslehre oder Wissenschaft vom takt- mäßig-rhythmischen Bau der gebundenen dichterischen Sprache - 13 -
Metrum Versmaß, das die regelmäßige Tonfolge, d. h. Zahl und Abstand der betonten Silben angibt. In der antiken Dichtung war der Silbenumfang (Länge und Kürze) wesent- lich. Im deutschen Vers ist vor allem die Silbenwucht als Starkton ➝ Hebung oder als Schwachton ➝ Senkung ausschlagge- bend. Nachdrücklichkeit / Emphase Die Verwendung von Ausrufen erzeugt eine Verstärkung der Rede und verleiht ihr mehr Kraft und Nachdruck. Nachsatz / Epiphrasis Aussagen werden einem bereits abge- schlossenen Satz hinzugefügt. Ode Feierliches Gedicht. Größe und Würde der Themen (Liebe, Freundschaft, Natur, Vaterland, Gott, Welt) verlangen gehobene Sprache und festen metrischen Rahmen. Sonst keine Abgrenzung zur ➝ Hymne möglich. Antike Vorbilder mit verschiede- nen Versformen, z. B. pindarische, sapphi- sche und alkäische Ode. Onomatopöie Klangnachbildende Wortschöpfung Oxymoron ➝ Widersprüchlichkeit ➝ Widerspruch im Beiwort ➝ Contradictio in adiecto. Pantum(Pantun, Palum) Die zweite und vierte Zeile einer Strophe werden in der nächst folgenden als erste und dritte Zeile wiederholt. Parallelismus Gleichlauf der Verse oder Versteile. Parodie Verzerrende, übertreibende oder verspot- tende Nachahmung eines bekannten Wer- kes. Dessen Form wird beibehalten und mit einem »unpassenden« Inhalt aufge- füllt. Paronomasie ➝ Wortspiel Poetik Lehre von der Dichtkunst. Polyptoton Ein Wort wird in unterschiedlicher Beu- gung wiederholt. Polysyndeton ➝ Vielverbundenheit - 14 -
Rap Kommt zusammen mit Graffiti und Break- dance als HipHop-Kultur Mitte der 80er- Jahre aus Amerika nach Deutschland. Sprechgesang und keine Literatur im eigentlichen Sinn. Raps sind mehr oder weniger gut gereimte Texte, die zur Musik vorgetragen werden und die nicht als Buch, sondern als CD oder Kassette veröf- fentlicht werden. Wichtig ist der Song; denn er allein gibt den Rhythmus, die Pau- sen und Betonungen durch den Autor / Sprecher vor. Refrain ➝ Kehrreim Reihung / Akkumulation Aufzählung mehrerer Unterbegriffe anstel- le des zusammenfassenden Oberbegriffes. Durch diese Detaillierung wird eine stär- kere Bildhaftigkeit erreicht. Reim Bedeutet in der deutschen Dichtung hauptsächlich Endreim, der nach unter- schiedlichem Schema gebildet werden kann: Reimpaar aabb; Kreuzreim abab; verschränkter Reim / Reimverschränkung abba; geschweifter Reim (häufig beim Volkslied) aa b cc b. Männlicher und weib- licher Reim ➝ Versschluss. Neben dem Endreim gibt es noch den ➝ Anfangsreim ➝ Schlagreim ➝ Binnen- reim ➝ Assonanz und ➝ Stabreim. Renaissance Bezeichnet den Übergang zwischen Mittel- alter und Neuzeit und umspannt einen Zeitraum von 1350 (zunächst in Italien) bis zum 16. Jahrhundert (über ganz Euro- pa ausgeweitet). Das klassische Altertum wird wieder entdeckt und die Künste blühen auf. In der Lösung aus der mittelal- terlichen Gebundenheit an die kirchliche und feudale Ordnung entsteht eine städti- sche Kultur, die nicht nur vom Adel, son- dern verstärkt auch vom Bürgertum getra- gen wird. Die Bewusstwerdung der menschlichen Persönlichkeit und die Ausrichtung auf die Erscheinungsfülle des Diesseits stehen im Vordergrund. Die Perspektive (Malerei) und das Sonett (Dichtung) sind Erfindun- gen dieser Zeit. Zu den bekannten Literaten der Renais- - 15 -
sance gehören Dante und Francesco Petrarca. Repetitio Eine Wortgruppe wiederholt sich. Rhetorische Frage Frage, die keine Antwort erwartet, weil sie in Wirklichkeit eine Aufforderung zur Reflexion enthält oder nur für die darin »versteckte« Aussage größere Eindring- lichkeit erreichen will. Romantik Die deutsche Romantik (1795–1830) beginnt mit dem stimmungsgetragenen Neuerleben von Landschaft, der Hinwen- dung zum Mittelalter und der antirationa- len, gefühlsbetonten Begegnung mit der Kunst. Die Wurzeln im Sinn dieser Protest- bewegung liegen in der Kritik am Rationa- lismus. Unter dem Stichwort Universalpoesie wird die Verschmelzung von Leben und Kunst angestrebt. Universalität und Subjektivität sind die grundlegenden Prinzipien der Romantik. Im Mittelpunkt steht das schöpferische Genie, das mit seiner Einbil- dungskraft alle Lebensbereiche poetisch erfassen will. Das Gesamtkunstwerk, das alle künstlerischen Gattungen umfasst, ist das künstlerische Ziel. Bekannte Romantiker sind: Wilhelm Heinrich Wackenroder, Ludwig Tieck, die Brüder Friedrich und Wilhelm Schlegel, Clemens Brentano, Joseph von Eichen- dorff, Novalis, E.T.A. Hoffmann, die Brü- der Grimm und Wilhelm Hauff. Russischer Formalismus Zusammenschluss russischer Literatur- und Sprachwissenschaftler aus Petersburg und Moskau, die ab 1914 (Höhepunkt in den 20er-Jahren, ab 1930 unterdrückt) die Grundlagen der Literatur erforschen. Sie stufen die Kunst als autonom ein und scheiden sie strikt vom Lebensalltag. Da die Forscher biografische, psychologische und soziologische Kategorien bei der Text- deutung ablehnen, entwickeln sie grundle- gende Methoden, um Kunstwerke zu ana- lysieren und literaturgeschichtlich einzu- ordnen. Mitglieder sind u.a. Roman Jakob- son, Viktor Sklovskij, Boris Eichenbaum - 16 -
und Boris Tomasevskij. Schlagreim Reim zweier im einzelnen Vers unmittel- bar aufeinander folgender Wörter. semantisch Die Bedeutung des Wortes betreffend. Senkung In der deutschen Dichtung Bezeichnung für die unbetonte Silbe zwischen zwei ➝ Hebungen. Sirene / sirenenhaft Weibliches Fabelwesen der griechischen Sage, das durch seinen Gesang Opfer an- lockt und tötet. Sonett Reimgedicht aus 14 meist fünffüßigen jambischen Versen, die in zwei vierzeilige Strophen (Quartette mit dem Reimschema abba) und zwei dreizeilige Strophen (Ter- zette mit teils variierendem Reimschema cdc dcd) gegliedert sind. Gilt als die wich- tigste aus dem Italienischen stammende Gedichtform, die mit Francesco Petrarca ihren ersten Höhepunkt hatte. Weitere Sonettdichter sind William Shakespeare, Andreas Gryphius, Eduard Mörike, Rainer Maria Rilke, Georg Trakl oder Bertolt Brecht; unter den Zeitgenossen nimmt Robert Gernhardt die Form wieder auf. Sperrung / Hyperbaton Eine Sinneinheit wird durch einen einge- schobenen Satzteil getrennt, um größere Wirkung zu erzielen. Stabreim ➝ Alliteration. Im germanischen Vers das älteste und einzige Bindungsmittel; durch die Einführung des Endreimes im 9. Jahr- hundert verdrängt, in der späteren Dich- tung (vor allem bei Richard Wagner) als Versschmuck und Klangfigur verwendet. Stanze Achtzeilige italienische Strophe; im Deut- schen meist als ➝ jambischer Fünftakter mit männlichem und weiblichem ➝ Vers- schluss. Der starke Einschnitt nach den ersten sechs Verszeilen macht das letzte Reimpaar für einen zusammenfassenden Schluss geeignet. Christoph Martin Wie- land und Johann Wolfgang Goethe ver- wenden diese Form. - 17 -
Stilmittel In ➝ Bilder und ➝ Figuren aufgeteilt. Die- nen dazu, den Ausdruck zu verfeinern. Stufenfolge / Gradation ➝ Figur, speziell Satzfigur, um die Wort- folge nach oben (Klimax) oder nach unten (Antiklimax) abzustufen. Sturm und Drang Auch »Geniezeit« genannt. Geistige Bewe- gung (1770–1790), die auf aufklärerischen Idealen beruht: kritisches Denken, die Freiheitsidee, das Selbstbewusstsein des Einzelnen und der Kampf gegen weltan- schauliche und religiöse Starrheit stehen im Mittelpunkt. Die zumeist jungen Dichter fühlen sich vom »Genius«, der schöpferischen Kraft des Dichtens gefangen und stellen die Ori- ginalität und Spontaneität über die Beach- tung von Regeln. Die Leitideen sind Selbst- erfahrung und die Befreiung des Individu- ums. Die Natur wird zur Quelle des Lebendigen und Schöpferischen. Der Dichter selbst verkörpert sich im Genie in absoluter Form. Erlebnislyrik einerseits, Drama und Tragödie andererseits sind die wesentli- chen literarischen Formen dieser Epoche. Hauptvertreter sind August Bürger, Lud- wig Heinrich Christoph Hölty, Jakob Michael Reinhold Lenz, der junge Goethe und junge Schiller. Surrealismus Strömung in der Kunst und Literatur, die das Übernatürliche und Traumhafte mit der Realität zu verschmelzen sucht. Symbol Bildhafte Gestaltung, die durch eindringli- che Wirkung auf die Gefühle und Fantasie den Blick in die Tiefe und entsprechendem ➝ Assoziationsreichtum eröffnet. In der modernen Dichtung sind Symbole häufig zu Chiffren oder (Geheim-)Zeichen ver- einfacht. Symploke ➝ Anapher und ➝ Epipher treten zusam- men auf. Tautologie Ein Wort mit einem sinnverwandten Begriff verbunden. Diese Form der Wie- derholung ist häufig mit einer ➝ Allitera- tion verbunden. - 18 -
Terzine Dreizeilige italienische Strophenform aus fünffüßigen ➝ jambischen Versen (= stei- gender Fünftakter oder Elfsilber). Im Grundschema des ➝ Sonetts durch Reim- verschränkung (➝ Reim) unendlich fort- setzbar. In Dantes »Göttlicher Kommödie« meisterhaft gestaltet. In der deutschen Dichtung bei Ludwig Tieck oder Hugo von Hofmannsthal. Trochäus »Faller«. Versfuß, der in der Antike aus einer langen und einer kurzen Silbe, in der deutschen Dichtung aus einer betonten und einer unbetonten Silbe besteht (´X X). Gegensätzlich gebaut ist der ➝ Jambus. Überkreuzstellung / Chiasmus X-förmige Anordnung von Versteilen. Untertreibung / Litotes Steigerung einer Aussage – oft ironisch – durch die Verneinung oder Behauptung des Gegenteils. Unverbundenheit / Asyndeton Unverbundenes Sprechen, bei dem die ver- knüpfenden Bindewörter fehlen. Da vor und nach den Wörtern Pausen entstehen, wird Nachdruck erreicht, aber auch leb- hafte, hastige Beschleunigung. Vergleich Zielt nicht nur durch die Analogie darauf ab, etwas stärker zu verdeutlichen, sondern will aus zwei Bereichen den gemeinsamen Gehalt verschmelzen. Rainer Maria Rilke ist ein Meister des Vergleichs. Versbrechung ➝ Enjambement Versfuß ➝ Jambus und ➝ Trochäus. Fünffüßig bedeutet z. B. ein Vers aus fünf Jamben bzw. ein Zehn- oder Elfsilber. Versschluss In der neueren deutschen Dichtung gibt es drei metrische – im Allgemeinen vom Reim bestimmte – Formen des Versschlusses: 1. einsilbig, stumpf oder männlich (Haus- Maus) 2. zweisilbig, klingend oder weiblich (Ferne-Sterne) 3. dreisilbig, gleitend oder reich (Greifen- der-Schweifender) - 19 -
Vielverbundenheit / Häufung der Bindewörter, die durch die Polysyndeton Reihung sich steigernder Begriffe starke Bewegung erzeugt. Volkslied Schlichte, aber nicht kunstlose, meist klar gebaute Reimstrophen mit vier bis neun Zeilen; häufig auch ➝ Kehrreim. Immer mit einfacher Melodie verbunden und gesungen. Widerspruch im Beiwort / Widerspruch zwischen Substantiv und Contradictio in adiecto Adjektiv. »Beredtes Schweigen« ➝ Wider- sprüchlichkeit ➝ Oxymoron. Widersprüchlichkeit / Addierende Zusammenfügung gleichbe- Oxymoron rechtigter, sich widersprechender Glieder »traurigfroh« oder ➝ Widerspruch im Beiwort. Wiener Gruppe ➝ Konkrete Poesie Wortspiel / Paronomasie Gleichklingende Wörter, deren Bedeutung jedoch verschieden ist, werden verbun- den.➝ Homonyme Zäsur Bruch, Einschnitt z. B. beim ➝ Alexandri- ner immer nach der dritten ➝ Hebung. Zeilensprung ➝ Enjambement Zeilenstil Die syntaktische Einheit endet mit dem Versschluss. Zeugma Als Sonderform der ➝ Ellipse verkürzt diese Figur, indem sie zwei Substantive oder Sätze mit demselben Wort verbindet. Dieses Verb passt entweder nur zu einem Teil oder nimmt zweierlei Bedeutung an. Prinzip der Stilblüten. - 20 -
Über die BIBLIOTHEK DEUTSCHSPRACHIGER GEDICHTE Die 1997 gegründete BIBLIOTHEK DEUTSCHSPRACHIGER GEDICHTE ist ein breites Forum für die zeitgenössische Dichtkunst. Verlagsleute, Germanis- ten und Literaturwissenschaftler sind die Initiatoren und Betreiber des Projek- ts, das Aktivitäten in drei Bereichen betreibt: Gedichtwettbewerb: Der jährlich stattfindende Wettbewerb gehört zu den größten deutschsprachi- gen Poesie-Veranstaltungen und wurde bereits 14-mal durchgeführt. Insge- samt haben sich mehr als 150.000 Hobbyautoren an den Wettbewerben der BIBLIOTHEK DEUTSCHSPRACHIGER GEDICHTE beteiligt. Dabei wurden rund 200.000 Gedichte eingesandt und von den Juroren begutachtet. Fernstudium DAS LYRISCHE SCHREIBEN: Die BIBLIOTHEK DEUTSCHSPRACHIGER GEDICHTE bietet den einzigen deutschsprachigen Fernlehrgang für Lyrisches Schreiben an. Die Teilnehmer erhalten ihren persönlichen Dozenten und werden individuell gefördert. Publikationsservice MEIN EIGENER GEDICHTBAND: Ganz nach ihren Wünschen und zu klar kalkulierbaren Festpreisen gestaltet der professionelle Herstellungsservice der BIBLIOTHEK DEUTSCH- SPRACHIGER GEDICHTE Autoren ihre Lyrikpublikationen. Mehr Informationen unter: www.gedichte-bibliothek.de
Wir freuen uns, Sie bei unserem nächsten Gedichtwettbewerb ab 1. Januar als Teilnehmer begrüßen zu dürfen. Informationen und Teilnahmeformular auf: www.gedichte-bibliothek.de
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