Klimaneutrale Wärme aus Geothermie 2030 / 2050 - Antworten auf zentrale Fragen Mai 2021

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Klimaneutrale Wärme aus Geothermie 2030 / 2050 - Antworten auf zentrale Fragen Mai 2021
Bundesverband
Geothermie

GtV
Service GmbH

Klimaneutrale Wärme aus
Geothermie 2030 / 2050
Antworten auf zentrale Fragen
Mai 2021
Bundesverband Geothermie e. V. | www.geothermie.de
Klimaneutrale Wärme aus Geothermie 2030 / 2050 - Antworten auf zentrale Fragen Mai 2021
Inhalt
Vorwort                                                            ...........01

1. Wie kann eine klimaneutrale Wärmeversorgung 2050
   und der Weg dahin aussehen?                                     ...........02

   1.1    Bausteine für Technologien und Infrastrukturen           ...........02
   1.2    Zeitachse und Planungshorizonte                          ...........04
   1.3    Forschungsbedarf                                         ...........05

2. Was kann die Bundesregierung in den nächsten Jahren tun,
   um über die mit dem Klimaschutzprogramm 2030 bereits
   beschlossenen Maßnahmen hinaus Investitionen im Wärmebereich
   in Richtung Klimaneutralität zu lenken?                         ...........06

3. Wie können Planungsprozesse für eine klimaneutrale
   Wärmeversorgung und die dazugehörigen Infrastrukturen
   auf kommunaler, Landes- und Bundesebene aussehen?               ...........08

4. Wie können verschiedene Player aus verschiedenen Sektoren zu-
   sammengebracht werden und welche Aggregatoren sind notwendig?   ...........09

5. Leitfragen für den Dialog Klimaneutrale Wärme                   ...........10

   5.1  Bausteine auf dem Weg zu einer klimaneutralen
        Wärmeversorgung                                            ...........10
   5.2 Infrastrukturen für die Wärmewende                          ...........12
   5.3 Leitfragen zum Emissionshandel                              ...........13
   5.4 Leitfragen zu Steuern, Abgaben, Umlagen und Entgelte        ...........13
   5.5 Leitfragen zur Förderung von Markteinführung
        und Markterhalt                                            ...........14
   5.6 Leitfragen zu Energiegebäudestandards und
        ordnungsrechtlichen Aspekten                               ...........14
   5.7 Leitfragen zur Überregionalen Infrastrukturplanung          ...........15
   5.8 Leitfragen zur Kommunalen Wärmeplanung                      ...........15
   5.9 Leitfragen zur Forschung, Entwicklung, Innovation           ...........15
   5.10 Leitfragen zur Digitalisierung                             ...........17

6. Praxisbeispiel - Erdwärme Grünwald                              ...........18

7. Autoren                                                         ...........19

   Abkürzungen                                                     ...........22
Klimaneutrale Wärme aus Geothermie 2030 / 2050 - Antworten auf zentrale Fragen Mai 2021
Klimaneutrale Wärme
aus Geothermie 2030 / 2050
Antworten auf zentrale Fragen | Mai 2021

Vorwort
Das Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 ver-               Der größte Anteil des Primärenergieverbrauchs in
pflichtet Deutschland, seinen anteiligen Treibhaus-         Deutschland entfällt auf den Wärme- und Kältemarkt
gasausstoß massiv zu senken. Dazu verabschiedete            (ca. 50 %). In diesen Sektor fand bisher nur ein lang-
der Deutsche Bundestag u. a. das Klimaschutzgesetz,         samer, weitgehend auf Biomasse begrenzter Aus-
welches für verschiedene Sektoren Einsparziele fest-        bau statt. Die effizienteste Form, den Wärmemarkt
legte. Insgesamt plant Deutschland eine Reduktion           mittels Sektorkopplung mit dem Strommarkt zu
der Treibhausgas-Emissionen im Vergleich zu 1990            verknüpfen, erfolgt über die Nutzung der geothermi-
um 65 % bis 2030 und das Erreichen der bilanziellen         schen Ressourcen. Oberflächennahe und Tiefe Geo-
Klimaneutralität bis 2050. Dies soll vor allem durch        thermie haben den geringsten Flächenbedarf pro Ki-
den Ausbau erneuerbarer Energien sowie eine Steige-         lowattsunde, die höchste Jahresarbeitszahl, sowie die
rung der Energieeffizienz erreicht werden. Das Bun-         geringsten Gestehungskosten aller EE-Technologien.
desverfassungsgericht unterstrich in seinem Urteil          Geothermie ist jederzeit und Jahreszeiten unabhängig
vom 29. April 2021, dass eine Verlagerung von Treib-        verfügbar und hat den geringsten CO2-äquivalenten
hausgasminderungen in die Zukunft aufgrund von              Fußabdruck pro Kilowattstunde.
unterlassenen Maßnahmen nicht zulässig sei. Dies
bedeutet, dass der Ausbau der Nutzung Erneuerbarer          In der Broschüre „Dialog Klimaneutrale Wärme – Ziel-
Energien stark beschleunigt werden muss.                    bild, Bausteine und Weichstellung 2030/2050“ vom
                                                            Februar 2021 stellt das Bundeministerium für Wirt-
Dies erfordert die zügige Transformation des ge-            schaft und Energie (BMWi) zentrale Fragen für die
samten Energiesystems von der Erzeugung über                zukünftige nachhaltige Energieversorgung Deutsch-
die Verteilung, Speicherung bis hin zur Nutzung von         lands und Europas.
Energieträgern. Der Ausstieg aus der Kernenergie bis
2022 und der Kohlenutzung bis spätestens 2038 er-           Zur Beantwortung dieser Fragen spielt die Nutzung
fordert weitere Alternativen in der Strom- und Wär-         der geothermischen Energie aufgrund ihrer Nut-
meversorgung. Da der Grad der Dekarbonisierung              zungsbandbreite, der Grundlastfähigkeit und der re-
außerhalb der Stromerzeugung noch niedrig ausfällt,         gionalen Verfügbarkeit eine äußerst wichtige, wenn
wird der Bedarf an erneuerbarer Energie stark stei-         nicht sogar entscheidende Rolle.
gen. Bisher werden noch über 90 % der Wohngebäude
mit Kohle, Erdgas oder Erdöl beheizt. Eine zukünftig        Deshalb hat der Bundesverband Geothermie e. V.
vor allem inländische Energiebereitstellung aus Wind,       (BVG) diese Fragen aufgegriffen und beantwortet sie
Sonne oder Biomasse geht mit einem massiven Flä-            in der vorliegenden Broschüre konkret. Die Fragestel-
chenbedarf einher und beansprucht dadurch in zu-            lungen entsprechen wörtlich denen der BMWi-Bro-
nehmendem Maße die gesellschaftliche Akzeptanz.             schüre. Auch die Nummerierung der Kapitel entspricht
Aus diesem Grund wird derzeit auch der Import er-           der dortigen Reihenfolge. Fragen, die an andere Ener-
neuerbarer Energie, z. B. in Form von Wasserstoff,          gieträger als der Geothermie gingen, sind ausgelas-
diskutiert. Die Herkunft voraussichtlich hoher Im-          sen worden. Die Broschüre wird abgerundet durch ein
portmengen ist noch nicht konkret ersichtlich. Effi-        eindrucksvolles, aktuelles Beispiel der kommunalen
zienzbemühungen vor allem im Wärmemarkt zeigen              Wärmeversorgung einer Gemeinde in Bayern.
bisher noch wenig Erfolg.

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Klimaneutrale Wärme aus Geothermie 2030 / 2050 - Antworten auf zentrale Fragen Mai 2021
1. Wie kann eine klimaneutrale                                               des Untergrundes zu gewinnen, gegebenenfalls in
                                                                             Strom umzuwandeln, zu speichern und an die Ver-
        Wärmeversorgung 2050 und                                             braucher zu verteilen. Die heimische Erzeugung er-
                                                                             neuerbarer Wärme aus Geothermie, die zudem we-
        der Weg dahin aussehen?                                              nig Fläche beansprucht, elektrischen Strom effizient
                                                                             nutzt sowie CO2-Emmissionen und Feinstaub optimal
                                                                             reduziert, ist ein wesentlicher Baustein für die Wär-
Eine klimaneutrale Wärmeversorgung kann bis 2050                             mewende, da sie nach Studien bei optimaler Entwick-
durch einen Mix aus Geothermie, Solarthermie, Bio-                           lung im Jahr 2050 bis zu 60 % der Wärmeenergie bei-
energie und PtX oft in Verbindung mit Wärmepumpen                            steuern könnte.
realisiert werden. Gemäß einer aktuellen Studie des
Umweltbundesamtes1 vom Oktober 2020 kann Tiefe                               Die Versorgung mit Warmwasser und Heizwärme
Geothermie hierbei 118 TWh pro Jahr beitragen. Einen                         wird in urbanen Räumen häufig durch Fernwärme-
deutlich höheren Beitrag kann die Oberflächennahe                            netze sichergestellt, während in ländlichen Gebie-
Geothermie in Verbindung mit Wärmepumpen liefern.                            ten die Einzelversorgung von Gebäuden vorherrscht.
                                                                             Die Gestaltung von zentral gespeisten, effizienten
Geothermie hat deutschlandweit ein enormes                                   Wärmeversorgungsnetzen ist besonders in urbanen
Potenzial, die Wärmewende wesentlich voranzu-                                Gegenden ein bestimmendes Element der Wärme-
bringen. Denn unter unseren Füßen ist es überall                             wende. Für den ländlichen Raum ist der verstärkte
warm, völlig unabhängig von Tages- und Jahreszeit                            Einsatz klimaneutral betriebener Wärmepumpen
und meteorologischen Bedingungen. Geothermie ist                             für die Wärmewende maßgebend. Wärmepumpen
daher grundlastfähig. In Bayern, im Oberrheintal und                         machen geothermische Wärme auch auf anderen
in Mecklenburg-Vorpommern zeigen insbesondere                                Temperaturniveaus nutzbar, indem sie die Wärme
kommunale Energieversorgungsunternehmen seit                                 mit Hilfe von Strom auf ein höheres (oder im Falle
über zwanzig Jahren, wie sich die Geothermie für die                         von Kühlung niedrigeres) Temperaturniveau bringen.
Fernwärmeversorgung nutzen lässt. Auch im Ruhr-                              Dies gilt gleichermaßen für die Wärmeversorgung
gebiet, im norddeutschen Tiefland, in Sachsen und                            in Einzelgebäuden wie für die Fernwärme, bei der
anderen Regionen setzen Städte darauf, ihre Fern-                            Großwärmepumpen zum Einsatz kommen, um die
wärmenetze nach und nach mithilfe der Geothermie                             vorhandenen Netze ineinander zu integrieren. Der
zu dekarbonisieren. Zudem sind bereits zusätzliche                           Ausbau und die Ertüchtigung vorhandener Fernwär-
Reservoire für die Mitteltiefe Geothermie identifiziert                      menetze ist dabei unerlässlich.
worden. Und: Oberflächennahe Geothermie wird in
Deutschland bereits hunderttausendfach genutzt                               Erdwärme kann auf unterschiedliche Weise genutzt
und ist hinsichtlich Technik und Effizienz eine optimale                     werden. Mit der Oberflächennahen Geothermie, die
Lösung, wenn keine Fernwärme zur Verfügung steht.                            die Erdwärme in den obersten 400 Metern bis zu
                                                                             einer Temperatur von ca. 20 °C nutzt, kann Wärme
                                                                             und Kälte gewonnen sowie gespeichert werden. Mit
1.1 Bausteine für Technologien und                                           der Tiefen Geothermie erfolgt die Energiebereitstel-
    Infrastrukturen                                                          lung in der Regel über die Fluidförderung. Realisiert
                                                                             wird meist ein Thermalwasserkreislauf durch eine
Geothermische Energie (Geothermie, Erdwärme) ist                             geothermische Dublette bestehend aus einer Förder-
die unterhalb der Oberfläche der festen Erde gespei-                         und einer Injektionsbohrung. Angetrieben wird der
cherte Wärmeenergie. Diese Wärme ist nach mensch-                            Thermalwasserkreislauf durch eine Förderpumpe und
lichen Maßstäben unerschöpflich (Nachhaltigkeit).                            (falls nötig) durch zusätzliche Injektionspumpen.
Geothermische Technologien sind geeignet, Wärme,
oder bei Bedarf auch Kälte, aus verschiedenen Tiefen                         Bei der Tiefen Geothermie kann neben Wärme auch
                                                                             ab einem Temperaturniveau von über 100 °C durch
1 Sandrock , M. et al . (2020): Kommunaler Klimaschutz durch Verbesse-       ein thermisches Kraftwerk Strom produziert wer-
rung der Effizienz in der Fernwärmeversorgung mittels Nutzung von
Niedertemperaturwärmequellen am Beispiel tiefengeothermischer
                                                                             den. Ab Temperaturen von 60 °C, d. h. ab Tiefen von
Ressourcen. - Climate Change, 31/2020; Umweltbundesamt (Dessau).             1.000-1.500 m, ist eine direkte Nutzung der Erd-

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Klimaneutrale Wärme aus Geothermie 2030 / 2050 - Antworten auf zentrale Fragen Mai 2021
Effizienzmeister Geothermie
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     nachhaltig              klimaneutral              sektorenübergreifend                  wirtschaftlich              grundlastfähig

                Gebäude-                                                                                         Prozess-
                wärme                                                                                            wärme

                Strom-                                                                                           Lithium-
                produktion                                                                                       produktion           Li

                Thermal-                                                                                         Agrar-
                bad                                                                                              wirtschaft

     Foto: © Stephan Kelle , 2016 | Geovol Geothermieanlage Unterföhring • Datenquellen: Forschungsstelle für Energienetze und Energiespeicher
     (FENES) (2020), Agora Energiewende (2020), Fraunhofer (ISE 2020), eigene Erhebung

Abb. 1: Produkte der Geothermie

wärme ohne Temperaturanhebung (Wärmepumpen,                                Bereich der Oberflächennahen Geothermie sind rund
Wärmetransformatoren) möglich. Häufig wird der                             420.000 Anlagen installiert. Zukünftig soll verstärkt
Zwischenbereich zwischen 400 m und 1.500 m mit                             die Nutzung zur Wärme- und Kälteversorgung aus-
Temperaturen von 20-60 °C als Mitteltiefe Geother-                         gebaut werden sowie saisonale Wärmespeicherung
mie bezeichnet. Fast alle Thermalbäder in Deutsch-                         initiiert werden. Die Nutzung von erdgebundenen
land gehören in diese Kategorie; zukünftig wird dieser                     Wärmepumpen für Einfamilienhäuser und bei Neu-
Bereich besonders für die Energiespeicherung von                           bauten von Büro- und Gewebekomplexen ist sofort
größerem Interesse sein.                                                   umsetzbar.

Erdwärme ist eine verlässliche Energiequelle. Mit ak-
tuellen Technologien ist die hydrothermale Geother-
mie zur Wärmenutzung voll einsatzfähig. Aktuell sind
in Deutschland knapp 40 Heiz- und Kraftwerke so-
wie kombinierte Heizkraftwerke (KWK) in Betrieb. Im

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Klimaneutrale Wärme aus Geothermie 2030 / 2050 - Antworten auf zentrale Fragen Mai 2021
1.2 Zeitachse und                                           die Zahl der Geothermiebohrungen. Multi-Dubletten
    Planungshorizonte                                       wie Multilateralerschließung werden einerseits den
                                                            Zeitaufwand vergrößern, andererseits ist eine effek-
Die Realisierung von Tiefengeothermie-Projekten             tivere Platznutzung durch Clustern gegeben, so dass
inklusive der Errichtung von geothermischen Heiz-           in Folge die Anzahl von Standorten reduziert werden
werken als auch in Zukunft die Installation von un-         kann.
terirdischen Wärmespeichern benötigen jeweils
eine Vorlaufzeit von mindestens fünf Jahren, wovon          Berücksichtigt werden muss außerdem die Integra-
ca. zwei Jahre für die Explorationstätigkeit benötigt       tion in ein bestehendes Fernwärmenetz oder ggf. der
werden.                                                     Zubau bzw. Ausbau des Netzes. Je nachdem bedeutet
                                                            dies einen erheblichen Zeitbedarf, der möglichst mit
Der Zeithorizont von ca. fünf Jahren ist als grober         anderen Projektabläufen zu synchronisieren ist.
Richtwert zu verstehen, da er von verschiedenen
Faktoren abhängt. Zum einen ist ausschlaggebend,
welche genehmigungsrechtlichen Gegebenheiten am
geplanten Standort anzutreffen sind. Insbesondere
im urbanen Raum ist damit zu rechnen, dass auf-
grund unmittelbarer Nähe zur Wohnbebauung und
wegen starker Flächenkonkurrenz erhebliche Anfor-
derungen zu einem erhöhten Zeitauswand führen.
Der zweite maßgebliche Zeitaufwand entsteht durch
                                                                  Abb. 2: Ablaufschema für die Errichtung einer geothermischen
                                                                                                                         Heizzentrale 2

               Projektidee
                   Vorstudie
                         Machbarkeitsstudie
                           Investitionsentscheid
                                            Exploration                                          Übertageanlage
  Kosten
                                                   Fündigkeit
   100 %
                                            Gt1
                                                    Gt2

                                                                                                            Produktion

           0                 1          2                   3                     4       Jahre         5         bis           30...

                                                            2 Stober, I., Fritzer, T., Obst, K. & Schulz, R. (2016): Tiefe Geothermie -
                                                            Nutzungsmöglichkeiten in Deutschland. – 4. akt. Auflage, 87 Seiten;
                                                            Hannover (LIAG).

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Klimaneutrale Wärme aus Geothermie 2030 / 2050 - Antworten auf zentrale Fragen Mai 2021
1.3 Forschungsbedarf                                           • Entwicklung von Optimierungsverfahren zur Po-
                                                                 sitionierung und Verteilung von Sondenfeldern der
Der Bundesverband Geothermie hat im Dezember                     Oberflächennahen Geothermie.
2020 einen aktuellen Bericht über „Stand der For-
schung und Forschungsbedarf in der Geothermie“ 3               • Einbindung der Geothermie in Niedertemperatur-
publiziert. Die zentralen Themen des Forschungsbe-               netze (kalte Nahwärme) und deren Nutzung zur
darfs werden im Folgenden genannt; weitere Details               Wärme- und Kältespeicherung, einschließlich einer
und Begründungen können dem Bericht entnommen                    Integration weiterer Energieerzeuger.
werden.
                                                               • Erarbeitung von Möglichkeiten des Umbaus beste-
• Ein öffentlich gefördertes langfristiges projektun-            hender Hochtemperaturnetze zu Niedertempera-
  abhängiges Erkundungsprogramm für relevante                    turnetzen; Anpassung der Wärmeverteilnetze an
  geothermische Reservoirformationen in Gebieten                 Abnehmer und Quellen.
  mit unzureichenden Untergrundinformationen.
                                                               • Weiterentwicklung von Auslegungen von Erdson-
• Durchführung eines öffentlich geförderten Bohr-                denfeldern zur Wärmespeicherung und Wärme-
  programms an verschiedenen geothermisch rele-                  rückgewinnung.
  vanten Lokationen mit entsprechender Standort-
  Vorerkundung.                                                • Entwicklung eines Masterplans Tiefenspeicherung
                                                                 als Komponente der Wärmewende, einschließlich
• Optimierung von Tiefbohranlagen im urbanen                     von Speichern zur Rückverstromung.
  Bereich.

• Demonstrationsprojekte für Stimulationstechniken
  in dichten Gesteinen.

• Verbesserung von Verlässlichkeit und Effizienz der
  zur Fluidförderung genutzten Tiefpumpen.

• Weiterentwicklung von Monitoring-Systemen (über
  und unter Tage).

• Weiterentwicklung von markttauglichen Hochtem-
  peratur- und Großwärmepumpen.

• Untersuchungen für eine effiziente und flexible ge-
  meinsame Wärme- und Kältebereitstellung.

• Weiterentwicklung mitteltiefer Erdwärmesysteme
  zur Versorgung größerer (Bestands-) Objekte und
  Infrastrukturen.

• Untersuchung der vorhandenen Bergbau-Infra-
  struktur im Hinblick auf geothermische Nutzung.

3 Forschung_Papier_2020_A4_20201217_Final_interaktiv.pdf
(geothermie.de) o

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Klimaneutrale Wärme aus Geothermie 2030 / 2050 - Antworten auf zentrale Fragen Mai 2021
2. Was kann die Bundesregierung  Grundlagen schaffen –
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      in den nächsten Jahren tun,                               Erkundungsprogramm ausbauen:
      um über die mit dem Klima-                             Die Kenntnisse des Untergrunds sind an vielen Orten
                                                             unzureichend. Sie sind aber gerade für tiefengeother-
      schutzprogramm 2030 bereits                            mische Projekte von herausragender Bedeutung. Die
                                                             systematische Erkundung des Untergrundes von
      beschlossenen Maßnahmen                                Staatsseite ist geeignet, eine Dynamik beim Ausbau
                                                             der Tiefen Geothermie zu erzeugen.
      hinaus Investitionen im
                                                              Informationen ausbauen –
      Wärmebereich in Richtung                                 Einführung einer Beratungspflicht:
      Klimaneutralität zu lenken?                            Die Vorteile von geothermischen Heizsystemen
                                                             müssen Bürger, Kommunen und Unternehmen kom-
                                                             muniziert werden. Daher sollte eine verpflichtende
Die Potenziale von tiefengeothermischer Fernwärme            Beratung zur Wärmeerzeugung eingeführt werden.
sowie Oberflächennaher Geothermie zur Beheizung              Die Ergebnisse sollten im Energieausweis veröffent-
von Gebäuden und Quartieren ermöglichen eine Wär-            licht werden. Die BGR sollte für die öffentliche Daten-
meerzeugung, die unabhängig von Brennstoffen und             bereitstellung und Kommunikation befähigt werden.
deren Schwankungen bei Preis und Verfügbarkeit ist.
Die Nutzung der Wärme unter unseren Füßen trägt               Wärme- und Stromprojekte
entscheidend dazu bei, dass die ambitionierten Kli-
                                                               absichern:
maschutzziele der Bundesregierung erreicht wer-
den. Wie das Umweltbundesamt errechnete, werden              Tiefengeothermische Projekte sind im Betrieb güns-
durch geothermische Anlagen pro Jahr schon jetzt ca.         tig, in der Anfangsphase jedoch mit vergleichsweise
993.700 Tonnen CO2 eingespart.                               hohen Investitionskosten verbunden. Diese Finan-
                                                             zierungshürden sollten über Eigenkapital stärkende
Über die bisher schon beschlossenen Maßnahmen                KfW-Ausfallbürgschaften und eine Fündigkeitsab-
hinaus besitzen vor allem folgende Maßnahmen das             sicherung in der Startphase kompensiert werden.
Potenzial für eine deutliche Steigerung der Energiebe-
reitstellung aus Geothermie.                                  Wärmenetze mit
                                                               Geothermie-Einspeisung stärken:
                                                             Der Ausbau von Wärmenetzen und die Möglichkeiten
                                                             zur Einspeisung von Erdwärme in diese Netze sollten
                                                             gestärkt werden. Deshalb muss mit der Bundesför-
 Gerechte und an CO2-Emissionen                             derung effiziente Wärmenetze der Ausbau von geo-
  orientierte Belastung von                                  thermisch kompatiblen Wärmenetzen verbessert
  Energieträgern:                                            werden. Der Ansatz im Rahmen der Bundesförde-
                                                             rung effiziente Wärmenetze, die Interdependenzen
Nur mit fairen Preisen kann die Wärmewende und               in Investitionen in Erzeugung und Infrastruktur zu
damit die Energiewende als Ganzes gelingen. Von              verankern, ist sehr zu begrüßen. Für den Ausbau der
zentraler Bedeutung ist daher, dass die Klimaschä-           Geothermie ist besonders wichtig, dass bisherige
den von fossilen Energien sich im Endkundenpreis             Förderbegrenzungen hinsichtlich Größe und Tiefe der
adäquat niederschlagen. Daher sollten die Steuern            Projekte aufgehoben werden und die Förderquote für
und Abgaben zukünftig noch wesentlich deutlicher             Erzeugungsanlagen insgesamt angehoben wird. Von
an der Klima(schutz)wirkung der unterschiedlichen            zentraler Bedeutung ist, die Förderung von Speichern
Technologien orientiert werden.                              und die Netzanbindung von EE-Wärmeerzeugungs-

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Klimaneutrale Wärme aus Geothermie 2030 / 2050 - Antworten auf zentrale Fragen Mai 2021
anlagen an bestehende Wärmenetze in die Förderung            Entlastung des EE-Stroms für
einzubeziehen. Darüber hinaus gilt es, eine bessere           Wärmepumpen und Tiefpumpen von
bundesweite Erkundung des Untergrundes zur Er-                EEG-Umlage und Stromsteuer:
schließung geothermischer Projekte über bestehende
Erschließungsgebiete hinaus sowie die Absicherung           Durch EEG-Umlage und Stromsteuer, die dem Um-
von Ausfallrisiken für die Geothermie in die Bundes-        weltschutz dienen sollen, wird paradoxerweise eine
förderung effiziente Wärmenetze zu integrieren.             umweltfreundliche Technologie in ihrer Entwicklung
                                                            blockiert. Insgesamt wird der Preis für den Strom für
 Novellierung der                                          Erdwärmeheizungen durch Steuern und Abgaben
  Wärmelieferverordnung:                                    verdoppelt; zum Vergleich: Öl und Gas werden nur zu
                                                            20-30 % belastet.
Die Wärmelieferverordnung muss novelliert und die
Erfordernisse der Betriebskostenneutralität gestri-          Geothermie als
chen werden, um Lock-in-Effekte zu vermeiden und
                                                              Gebäudeheizung nutzen:
klimaneutraler Fernwärme auch im Bestand einen
deutlichen Schub zu verleihen.                              Geothermie ist Klima- und Umweltschutz. Deshalb
                                                            müssen Genehmigungsverfahren für Geothermie-
 Geothermie auch in der                                    Heizungen vereinfacht und vereinheitlicht werden. Der
  Prozesswärme nutzen:                                      Einbau von Klima und Umwelt schädigenden Gas-, Öl-
                                                            und Kohle- Heizungssystemen muss beendet werden.
Geothermie bietet auch die Möglichkeit für einen Ein-
satz als industrielle Prozesswärme. Deshalb ist hier         Effizienzmeister
eine Gleichstellung in der Förderrichtlinie zu Erneu-         angemessen fördern:
erbaren Energien in der Industrie als neuer Baustein
mit aufzunehmen.                                            Geothermie benötigt wenig Fläche und wandelt elekt-
                                                            rischen Strom hocheffizient in Wärme um. Deshalb
                                                            sollte diese Technologie auch stärker über die Bundes-
                                                            förderung für effiziente Gebäude berücksichtigt wer-
                                                            den, u. a. mit einer angemessenen Förderung für den
                                                            Neubau.

                                                                                                                     Angewandte Geophysik – LIAG, verändert
                                                                                                                     Bildquelle: Leibniz-Institut für

    Ober flächen
                   nahe Geoth
                                ermie bis 40
                                               0m
                                                    Tiefe Geoth
                                                                  ermie von 4
                                                                                00 m bis ca
                                                                                              . 50 0 0 m

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Klimaneutrale Wärme aus Geothermie 2030 / 2050 - Antworten auf zentrale Fragen Mai 2021
3. Wie können Planungsprozesse                               (Grünflächen, Freizeit- und Erholungsflächen, Park-
                                                             plätze etc.). Darüber hinaus sollten mögliche Stand-
      für eine klimaneutrale Wärme-                          orte auf Grundlage seismischer Untersuchungen,
                                                             der Anbindung an bestehende Wärmenetze sowie
      versorgung und die dazuge-                             der Nähe zu den Verbrauchszentren geprüft werden.
                                                             Dabei sollte insbesondere die Berücksichtigung der
      hörigen Infrastrukturen auf                            Geothermie bei der Erreichung städtischer Klimaziele
                                                             im Wärmemarkt sowie bei der Versorgung von Neu-
      kommunaler, Landes- und                                bau- und Sanierungsquartieren untersucht werden.

      Bundesebene aussehen?                                  Einen wesentlichen Bestandteil der kommunalen
                                                             Wärmeplanung stellt die Abschätzung des im Rah-
                                                             men der Transformation der (Fern-)Wärmeerzeu-
Für die mehrjährige Entwicklung von Geothermiepro-           gung realistischen und wirtschaftlich effizientesten
jekten ist es essenziell, Planungssicherheit zu erlan-       Technologiemixes in der Grund- und Spitzenlast dar.
gen. Verzögerungen in der Umsetzung der Bundes-              Wie das Beispiel München zeigt, ist die Geothermie
förderung effiziente Wärmenetze haben daher die              in der Lage, perspektivisch den überwiegenden Teil
Konsequenz, dass für die urbane Wärmewende wich-             der dekarbonisierten Fernwärmeerzeugung bereit-
tige Geothermieprojekte nicht weiter vorangetrieben          zustellen. Weitere Technologien, die auf Basis lokaler
werden, obwohl aufgrund des Kohleausstiegsbe-                Bedingungen zu untersuchen sind, sind z. B. Hoch-
schlusses sowie nationaler und kommunaler Klima-             temperatur-Wärmepumpen, die in Kombination mit
ziele erheblicher Handlungsdruck besteht.                    Geothermieanlagen zum Einsatz kommen können,
                                                             Biomasse und Solarthermie. Zur CO2-freien Spit-
Maßnahmen, die vor Ort ergriffen werden müssen,              zenlastdeckung versprechen Saisonal- bzw. Aqui-
umfassen unter anderem die Erschließung von Flä-             ferspeicher ein großes Potenzial. Die geologischen
chen für Geothermieanlagen, Speichern, Wärme-                Gegebenheiten sowie die Wirtschaftlichkeit müssen
netzen und weiteren EE-Wärmeerzeugungsanlagen,               jedoch im Rahmen von Forschungsprogrammen
insbesondere im urbanen Raum, wo Nutzungskon-                noch näher untersucht werden.
kurrenzen bestehen. Hier gilt es, bei der kommunalen
Wärmeplanung Strategien für die Berücksichtigung             Die im Rahmen der Vorschläge zur Bundesförderung
und Priorisierung von Flächen für Geothermieanla-            effiziente Wärmenetze vorgesehene Aufstellung von
gen im Rahmen der Flächennutzungs- und Stadtpla-             Transformationsplänen stellt für die kommunale Wär-
nung zu entwickeln. EE-Wärmeerzeugungsanlagen                meplanung ein sinnvolles Instrument dar – sowohl in
bzw. Energieerzeugungsanlagen im Allgemeinen                 Bezug auf die Interdependenzen zwischen Erzeugung
fanden in der Flächennutzungs- und Stadtplanung              und Infrastruktur sowie auch in der Abgrenzung zwi-
bisher üblicherweise kaum Berücksichtigung. Mit der          schen zentral über das Fernwärmenetz und dezentral
Wärmewende im Zusammenhang mit kommuna-                      zu versorgender Gebiete. Es sollte jedoch sicherge-
len Klimazielen ändert sich dies nun. Von besonderer         stellt werden, dass die Aufstellung von Transforma-
Bedeutung für die Aufsetzung entsprechender Pro-             tionsplänen nicht zu weiteren Verzögerungen in den
zesse ist eine umfassende Kommunikation mit allen            Planungs- und Umsetzungsprozessen führt.
beteiligten Akteuren; neben den städtischen bzw.
kommunalen Referaten und Bezirksausschüssen sind
dies Stadtwerke, Geothermiebetreiber, Gebäudeei-
gentümer und Mieter, Entwickler und Projektplaner
urbaner Quartiere, Bürgerinitiativen und betroffene
Bürger. Ziel ist die Erreichung maximaler Transparenz
und Akzeptanz für die Einbindung der Geothermie
im urbanen Raum, u. a. hinsichtlich der benötigten
Flächen, Anforderungen an die Fläche, Abstandsre-
gelungen sowie Möglichkeiten zur Parallelnutzung

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4. Wie können verschiedene Player                                      sorgt gleichzeitig für intelligentes Lastmanagement
                                                                       und trägt dazu bei, die Effizienz kleiner Stromerzeu-
       aus verschiedenen Sektoren                                      gungsanlagen zu steigern.

       zusammengebracht werden                                         Jenseits der Quartiersebene stellen die Kombination
                                                                       von Geothermieanlagen mit Hochtemperaturwärme-
       und welche Aggregatoren sind                                    pumpen zur Erreichung bestimmter Temperaturni-
                                                                       veaus sowie die Kombination von Geothermieanlagen
       notwendig?                                                      mit Absorptionskälteanlagen zur Fernkälteerzeugung
                                                                       Lösungen über Sektorengrenzen hinweg dar. Das
                                                                       Prinzip der Absorptionskälte beschreibt dabei der Er-
Vor allem im urbanen Raum spielt die frühzeitige Be-                   zeugung von Kälte durch die Nutzung überschüssiger
rücksichtigung der EE-Wärmetechnologien in kom-                        Wärmemengen im Sommer.
munalen Planungsinstrumenten eine wichtige Rolle.
Wie unter Punkt 3 dargestellt, umfassen die zu beteili-
genden Akteure v. a. die Vertreter der städtischen Ver-
waltung, Stadtwerke und Energieversorger, Geother-
miebetreiber sowie Projektplaner urbaner Quartiere.
An der Entwicklung klimaneutraler Quartierskonzepte
lässt sich das Zusammenwirken von Akteuren ver-
schiedener Sektoren besonders gut demonstrieren.
Zur Erreichung von Klimaschutzzielen in städtischen
Zentren bieten Quartierskonzepte kostenoptimale
und intelligente Lösungen. Synergien entstehen unter
anderem durch den Ausbau von Niedrigenergiequar-
tieren, die mit erneuerbarer Fernwärme - zum Beispiel
aus Geothermie – kombiniert werden.

Ein Beispiel ist der Münchner Stadtteil Freiham. Die
gleichnamige Geothermieanlage deckt den Wärme-
bedarf des neuen Stadtteils weitgehend ab und speist
darüber hinaus in das Münchner Fernwärmeverbund-
system ein. Die Wärme des Thermalwassers wird
dabei kaskadisch genutzt. Die Einspeisung in das
Fernwärmeverbundsystem erfolgt im Direktwär-
metausch. Die Gebäude im Quartier werden in ei-
ner zweiten Stufe mit Fernwärme auf einem sehr
niedrigen Temperaturniveau versorgt. Dazu wird für
Heizung und Warmwasseraufbereitung der energe-
tisch optimierten Wohngebäude die Restwärme des
Thermalwassers genutzt. Zudem wird ein zentraler
Strom-Batteriespeicher in die Heizwerkzentrale in-
tegriert. Die Anbindung an ein virtuelles Kraftwerk

      Abb. 3: Die Geothermie-Anlage Freiham ist ein wesentliches
  Element der Fernwärme-Vision der SWM. Seit Herbst 2016 deckt
   sie den Wärmebedarf des neu entstehenden Stadtteils Freiham
  und liefert Wärme in benachbarte Gebiete im Münchner Westen.

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5. Leitfragen für den Dialog                                           Formationen finden sich vor allem im Alpenvorland,
                                                                       im Oberrheingraben, im gesamten Norddeutschen
       Klimaneutrale Wärme                                             Raum sowie in zahlreichen weiteren Beckenstruk-
                                                                       turen Deutschlands. Allein in der wärmeintensiven
                                                                       Rhein-Ruhr-Region liegt das theoretisch erschließ-
5.1 Bausteine auf dem Weg zu einer                                     bare geothermische Potenzial um den Faktor 20 über
    klimaneutralen Wärmeversorgung                                     dem aktuellen Wärmebedarf.

Von den erneuerbaren Energieträgern besitzt in ers-                    Neben der Erzeugung müssen zusätzliche Spei-
ter Linie die grundlastfähige Geothermie das Potenzial                 chermöglichkeiten für Wärmeenergie auf mehreren
zum Ersatz fossiler Energieträger bei der Erzeugung                    Größenskalen geschaffen werden. Die spezifische
von zukünftig benötigten großen Wärmemengen. Ins-                      Wärmekapazität ist von Wasser deutlich höher als
besondere in den Großstädten bietet sich die geother-                  von den meisten anderen Stoffen. Daher bieten sich
mische Nutzung an, da der Flächenbedarf im urbanen                     nutzbare Grundwasserleiter oder wassererfüllte
Raum im Vergleich zu anderen erneuerbaren Energie-                     Hohlraumstrukturen im Untergrund im Bereich gro-
trägern sehr gering ist.                                               ßer industrieller und kommunaler Abnehmerstruk-
                                                                       turen in idealer Weise als saisonales Puffersystem
Im oberflächennahen Bereich wird die Wärme über                        an. Neben Aquifer- und Erdwärmesonden-Speichern
erdgekoppelte Wärmepumpen gewonnen, in der Tie-                        besitzen die Grubenwässer des Bergbaus ein erheb-
fen Geothermie zwischen 400 m und 5.000 m haupt-                       liches Speicherpotential. Letztere liegen noch dazu,
sächlich aus thermalwasserführenden Schichten mit                      industriegeschichtlich bedingt, in unmittelbarer Nähe
Temperaturen zwischen 20 °C und 160 °C. Geeignete                      zu den großen Verbrauchern in den Metropolen, die

    Hydrogeothermisches Potenzial ab 20 °C                                  Hydrogeothermisches Potenzial ab 40 °C

Abb. 4 Geothermie lässt sich in Deutschland flächendeckend einsetzten. 4

4 Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik (2018): Die Rolle der tiefen Geothermie bei der Wärmewende. – LIAG Positionspapier; Hannover.

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bisher von Wärme aus Kohle versorgt worden sind.                       Im Vergleich zur Wärmegewinnung aus Wasserstoff
Wärmespeicher mit ausreichenden Speicherkapazi-                        oder PtG sind erdgekoppelte Wärmepumpen 5 bis
täten sind nur im Untergrund denkbar.                                  8-fach effizienter 5, d. h. der Bedarf an Strom aus er-
                                                                       neuerbaren Energien kann entsprechend reduziert
Im Bereich des Gebäudebestands hat die Oberflä-                        werden. Die Einspeisung von Wärme aus der tiefen
chennahe und Mitteltiefe Geothermie das Potenzial,                     hydrothermalen Geothermie in Wärmenetze erfor-
große Teile des Wärme- wie auch des Kältebedarfs                       dert lediglich Strom zum Betrieb der Tiefpumpen,
sicherzustellen, da Erdwärmesonden unabhängig von                      womit hier die Leistungszahl noch einmal um eine
der Geologie des jeweiligen Standortes zum Einsatz                     Größenordnung besser wird (Abb. 5).
kommen können. Nur die Geothermie gestattet kurz-
fristig ein „Ende der Verbrenner im Heizungskeller“.
                                                                       5 siehe Abb. 3 in BMWi (2021): Dialog Klimaneutrale Wärme: S. 21.

         Effiziente Sektorkopplung mit Geothermie

                                          Tiefe
                                          Geothermie
                                                                                                   9-30kWh Wärme

                                          Oberflächennahe
                                          Geothermie
                                          mit Wärmepumpe
                                                                                                   3,8-6,9 kWh Wärme

                 1 kWh
           erneuerbarer Strom             Power-to-Heat
                                                                                                      0,3 kWh Wärme
                                                                                                   + 0,27 kWh Strom

                                          Power-to-Gas
                                                                                                   0,51-0,64 kWh Wärme

                                          Datenquellen: Forschungsstelle für Energienetze und Energiespeicher (FENES) (2020), Agora
                                          Energiewende (2020), Fraunhofer (ISE 2020), eigene Erhebung

Abb. 5: Im Bereich der Sektorenkopplung ist der Effizienzmeister Geothermie ein Vorreiter. Es können wesentlich höhere Jahresarbeits-
zahlen erreicht werden, als bei anderen PtX- Technologien. Beispielsweise produziert die Geothermieanlage der IEP Pullach aus 1 kWh
Strom ca. 16 kWh Wärme. Die Geothermieanlage der Erdwärme Grünwald schafft es auf einen Durchschnittswert von über 34 kWh
Wärme aus 1 kWh Strom.

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Erdgekoppelte Wärmepumpen werden in großer Zahl                         die neu entstehenden Anlagen in räumlicher Nähe zu
im dezentralen Bereich für Gebäudeheizungen einge-                      den bisherigen Erzeugungsstandorten (i. d. R. KWK)
setzt und sind eine essentielle Komponente fast aller                   entstehen. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Geother-
Nutzungssysteme der Oberflächennahen Geother-                           mieanlage am Heizwerk Süd in München, mit über
mie. Bei Neubauten und dem anstehenden Ersatz von                       60 MW Deutschlands größte Geothermieanlage, die
fossilen Heizkesseln im ländlichen Bereich müssen sie                   in diesem Jahr in Betrieb genommen und geothermi-
die erste Priorität haben.                                              sche Wärme für ca. 80.000 Bürger liefern wird.

Kommerziell verfügbare Hochtemperatur-Wärme-                            Damit Wärmenetze effizient zu einer klimaneutralen
pumpen oder Wärmetransformatoren können derzeit                         Wärmeversorgung beitragen können, müssen sie je-
Wärme bis etwa 100 °C bereitstellen. Es gibt aber                       doch überwiegend um- und ausgebaut werden. Zur
bereits Prototypen, die Temperaturen über 140 °C                        effizienten Integration von Wärme aus Geothermie
erreichen. Mit kurzfristig praxisreifen Hochtempera-                    und anderen EE-Quellen sind u. a. Maßnahmen zur
tur-Wärmepumpen können damit auch konventio-                            Temperaturabsenkung oder Netzverstärkungsmaß-
nellen Fernwärmenetze mit Vorlauftemperaturen von                       nahmen notwendig. Zudem müssen neue Geother-
ca. 130 °C bedient werden, womit auch Geothermie-                       miestandorte an bestehende Wärmenetze angebun-
bohrungen mit geringeren Temperaturen effizient an-                     den werden. Insbesondere für die Versorgung von
geschlossen werden können                                               Großstädten werden Verbindungsleitungen zur An-
                                                                        bindung von Anlagen im Umland an städtische Wär-
                                                                        menetze an Bedeutung gewinnen. Der Bau solcher
5.2 Infrastrukturen für die Wärmewende                                  Leitungen – in München beispielsweise zur Anbin-
                                                                        dung von Geothermieanlagen im südlichen Umland an
Wärmenetz-Infrastrukturen, die in vielen Städten                        das städtische Wärmenetz – sind aktuell nach KWKG
bereits vorhanden sind, bilden die Grundlage für die                    nicht förderfähig. Damit die Planungen für solche
Wärmewende. Für die Einspeisung von Wärme aus                           dringend benötigte Netzverbindungen voranschrei-
Tiefengeothermieanlagen können bestehende Wär-                          ten können, ist die rasche Umsetzung der Bundesför-
menetze genutzt werden, insbesondere dann, wenn                         derung effiziente Wärmenetze (BEW) entscheidend.

Abb. 6: Das neue Geothermie-Heizwerk am Energiestandort Süd in München: Die Temperaturen des Thermalwassers betragen ca. 100 °C.
Durch die Geothermieanlage rückt das Ziel der Stadtwerke München, ihre Fernwärme bis 2040 zu 100 % klimaneutral und überwiegend
durch tiefe Geothermie bereitzustellen, einen deutlichen Schritt näher. © SCG Architekten

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Vor allem im urbanen Raum stellen Wärmenetze             5.4 Leitfragen zu Steuern, Abgaben,
die effizienteste Wärmeversorgung dar. Vorausset-            Umlagen und Entgelte
zung hierfür ist jedoch, dass der Anschlussgrad in
den Fernwärmegebieten erhöht und die Fernwärme           Die größten Hebel bei einer Reform staatlich indu-
weiter ausgebaut wird. Zur Vermeidung von Lock-in-       zierter (Strom-) Preisbestandteile (SIP) sind bei den-
Effekten sind wiederum eine rasche Umsetzung der         jenigen Preisbestandteilen zu finden, die quantitativ
BEW, eine Novellierung der Wärmelieferverordnung         am stärksten zu Buche schlagen. Bis einzelne SIP im
und schärfere CO2-Preissignale erforderlich.             Rahmen einer umfänglichen Reform möglicherweise
                                                         ganz abgeschafft werden, sind kurzfristig zumindest
Außerdem sind mit der Umstellung auf EE-Wärmeer-         bestehende Ausnahmeregelungen anzupassen, um
zeugungsanlagen umfangreiche Netztransformati-           den Einsatz geothermischer Technologie durch die
onsmaßnahmen sowie Umstellung auf Gebäudeseite           hohen Strompreise nicht weiter zu behindern.
(Übergabestationen) notwendig.
                                                         Die geothermische Wärmeerzeugung als klimafreund-
                                                         lichste Variante der Wärmeerzeugung sollte zunächst
5.3 Leitfragen zum Emissionshandel                       „Vorfahrt“ bei Ausnahmen von der EEG-Umlagepflicht
                                                         haben. Dies ist rechtstechnisch einfach umsetzbar,
Sofern neben dem EU-ETS an einem nationalen Emis-        in dem etwa eine dem § 69b EEG für die Herstellung
sionshandel festgehalten wird, sollte es aus Sicht der   von grünem Wasserstoff vergleichbare Ausnahme-
Geothermiebranche keinen nach oben gedeckelten           regelung für die Herstellung von „grüner Wärme“ ge-
Korridor für den Preis nationaler Emissionszertifikate   schaffen wird.
ab dem Jahr 2026 geben. Nur hierdurch ist sicherge-
stellt, dass ein möglichst hoher Anreiz für die Markt-   Ferner sollten die EEG-Umlage für Betreiber tiefen-
teilnehmer entstehen kann, in geothermische Tech-        geothermischer Anlagen abnahmestellenbezogen
nologie zur Wärmeversorgung zu investieren.              nach § 63 EEG begrenzt werden können. Es ist nicht
                                                         nachvollziehbar, warum etwa eine Begrenzungsmög-
Der in § 10 Abs. 2 Satz 3 Brennstoffemissionshan-        lichkeit für elektrische Schienenbahnen und Busse
delsgesetz (BEHG) vorgesehene Höchstpreis pro            vorgesehen ist, für tiefengeothermische Wärmeer-
Emissionszertifikat sollte daher gestrichen werden.      zeugung aber nicht. Der § 63 Nr. 2 EEG zugrunde-
Überdies sollte der dort ebenfalls vorgesehene Min-      liegende Gedanke des intermodalen Wettbewerbs-
destpreis zumindest über das Jahr 2026 hinaus fort-      schutzes greift in beiden Fällen gleichermaßen. Für
geschrieben werden, um zu verhindern, dass es – aus      die Betreiber Oberflächennaher Geothermie-Anlagen
welchen Gründen auch immer und ähnlich wie im EU-        sollte die EEG-Umlage schnellstmöglich entfallen.
ETS – über Jahre hinweg zu keinem wirksamen Preis-       Zumindest sollte es aber eine EEG-Umlagefreie Ei-
signal durch den nationalen Emissionshandel kommt.       genversorgung für die geothermische Wärmeerzeu-
                                                         gung möglich sein, etwa durch eine entsprechende
Entlastungen von Verbrauchern durch hohe Kosten          Weiterentwicklung von § 61c EEG.
aus dem Emissionszertifikatehandel sollten stets
möglichst direkt und unbürokratisch für die privaten     Überdies muss Strom zur Erzeugung geothermischer
Wirtschaftsteilnehmer erfolgen. Aus Sicht der Geo-       Wärme nach unserem Dafürhalten zwingend von der
thermiebranche erscheint hierfür das Steuersys-          Stromsteuer befreit werden. Der ursprüngliche mit
tem als geeignet, etwa durch die Abschaffung der         dem Stromsteuergesetz (StromStG) bzw. der „ökolo-
Umsatzsteuer auf geothermische Fernwärme bzw.            gischen Steuerreform“ verfolgte Zweck wird bei der
geothermische Technologieprodukte. Jedenfalls sind       steuerlichen Belastung des für die Erzeugung von
komplexe Umlagesysteme, insbesondere unter Ein-          grüner Wärme verwendeten Stroms in sein Gegen-
beziehung privater Wirtschaftsakteure (wie etwa der      teil verkehrt. Rechtstechnisch ist eine Befreiung von
Ausgleichmechanismus des EEG), zu vermeiden.             der Stromsteuer für Stromverbräuche zur Erzeugung
                                                         geothermischer Wärme durch eine Anpassung des
                                                         § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG einfach möglich.

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Ferner ist eine Ausnahmeregelung zur KWK-Umlage-          gilt die Notwendigkeit der Betriebskostenneutralität
pflicht und zu sämtlichen Umlagen erforderlich, die den   nicht) und der durch einen „Wärmelieferanten“ durch-
Letztverbrauch von Strom zur Herstellung grüner Wär-      geführten Modernisierung sollte aufgehoben werden.
me auf Basis des KWKG-Umlagemechanismus belas-            Bei beiden Vorgehensweisen erfolgt technisch ge-
ten. Auch hier kann die Ausnahmeregelung für grünen       sehen die gleiche Maßnahme: die alte Wärmeerzeu-
Wasserstoff in § 27d Kraft-Wärme-Kopplungs-Geset-         gungsanlage wird gegen eine moderne ausgetauscht,
zes (KWKG) als Vorlage für eine einfache rechtstechni-    allerdings bei einer Modernisierung durch den Eigen-
sche Umsetzung dienen.                                    tümer in der Regel von einer fossilen zu einer weiter-
                                                          hin fossilen Anlage. Um die Ziele der Wärmewende zu
                                                          erreichen und Lock-in-Effekte zu vermeiden, muss
5.5 Leitfragen zur Förderung von                          daher dringend im Rahmen des Mietrechts nachge-
    Markteinführung und Markterhalt                       bessert werden.

Ein zentrales Hemmnis für die weitere Erschließung
des Gebäudebestandes für die Fernwärme und damit          5.6 Leitfragen zu Energiegebäude-
für die Geothermie ist die im Jahr 2013 eingeführte           standards und ordnungsrechtlichen
mietrechtliche Vorschrift des § 556c BGB und die              Aspekten
dazugehörigen Regelungen der Wärmelieferungs-
verordnung (WärmeLV). Aufgrund der anhaltend              Die Vermeidung von Lock-In-Effekten sollte im Mittel-
niedrigen Erdgas- und Heizölpreise fällt der vom Ver-     punkt eines neuen Ordnungsrechts stehen. Dazu zählt
mieter anzustellende Heizkostenvergleich zwischen         ein zeitnaher Stopp der Installation von fossilen Hei-
der „Wärme-Eigenversorgung“ und der Wärmeliefe-           zungssystemen. Der Einsatz von Wärme aus Erneuer-
rung in der Praxis regelmäßig zu Lasten von umwelt-       baren Energien sollte grundsätzlich Vorrang genießen
freundlichen Wärmeliefervarianten aus. Damit wird         und eine sozial ausgewogene Austauschpflicht von
seit Jahren der Ersetzung alter Ölheizungen durch         fossilen Heizungssystemen angestrebt werden. Die
fossile Heizungstechnologie Vorschub geleistet.           Primärenergiefaktoren sind zeitnah von der Stromgut-
Wegen der langen Betriebsdauer von erneuerten fos-        schrift-Methode auf die Carnot-Methode umzustellen.
silen Heizungsanlagen sollte § 556c BGB schnellst-        Der im GEG angelegte Anschluss- und Benutzungs-
möglich dergestalt modifiziert werden, dass ein           zwang an Wärmenetze mit EE-Quellen ist zu stärken.
Heizkostenvergleich nicht erforderlich ist, wenn die      Eine Privilegierung von Geothermie-Anlagen ist wei-
Möglichkeit des Anschlusses an ein Fernwärmever-          terhin in das Bundesbaugesetzbuch einzufügen. Mit
sorgungsnetz mit einem perspektivisch wachsenden          Hilfe einer Novellierung des Bundesberggesetzes ist
Anteil erneuerbarer Wärme gegeben ist.                    eine Vereinfachung der Genehmigungsverfahren für
                                                          Tiefe und Oberflächennahe Geothermie möglich.
Bei der Fernwärme sind die Investitionskosten – wie
z. B. der Netzausbau – im Fernwärmepreis enthalten.       Der ordnungsrechtliche Rahmen sollte systematisch
Ein direkter Bezug zwischen Investition und Energie-      angepasst werden, um den Einsatz bzw. die Verbrei-
lieferung, wie dies beim Kesseltausch im Bereich de-      tung geothermischer Technik zur Erzeugung von Wär-
zentraler Anlagen der Fall ist, ist hier nicht gegeben.   me zu unterstützten. Dies kann etwa durch folgende
Da sich die über die Wärmelieferverordnung bzw.           Maßnahmen geschehen:
§ 556c BGB gültige Betrachtung der Wärmekosten
hinsichtlich der Betriebskostenneutralität immer auf      Die Möglichkeiten einer geothermischen Wärmever-
die zurückliegenden drei Abrechnungszeiträume be-         sorgung sollten vorranging zur Deckung des vorge-
zieht, ist erst nach Mitte des Jahrzehnts mit der Ein-    schriebenen Anteils erneuerbarer Energien bei neuer-
stellung einer entsprechenden Lenkungswirkung über        richteten Gebäuden nach § 10 Abs. 2 Nr. 3 GEG zum
das nationale Emissionshandelssystem zu rechnen.          Einsatz kommen. D. h. die Nutzung von Geothermie
                                                          zur Deckung des Wärmeenergiebedarfs i. S. v. § 37 GEG
Die derzeit bestehende Ungleichbehandlung zwi-            könnte vorrangig sein und eine Kombination mit ande-
schen einer durch den/die Eigentümer durchgeführten       ren Maßnahmen nach den § 35 bis 45 GEG nur noch
Modernisierung der Wärmeerzeugungsanlage (hier            ergänzend stattfinden.

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Bestandsgebäude können in die Verpflichtung zur           • Bereitstellung von Budgets für Explorationsboh-
Nutzung erneuerbarer Energien grundsätzlich ein-            rungen in Gebieten mit unzureichenden Unter-
bezogen werden, zumindest wenn Heizungsanlagen              grunddaten,
erneuert werden, insbesondere infolge des Betriebs-
verbots nach § 72 Abs. 1 und 2 GEG. In diesen Fäl-        • freier Zugang zu bereits erhobenen Untergrund-
len sollte vorrangig eine geothermische Wärmever-           daten auch über das Geologiedatengesetz hinaus.
sorgung geprüft werden. Dabei sollte der Anschluss
an ein örtliches Fernwärmenetz verpflichtend sein,        Die integrierte Planung von Wärmeinfrastrukturen
zumindest wenn das Fernwärmenetz mit geothermi-           verlangt zwingend die Verschneidung von verfügba-
scher Wärme – aktuell oder in absehbarer Zeit – ge-       ren Ressourcen mit der Wärmeabnahmedichte. Land-
speist wird.                                              karten zur Energieinfrastruktur müssen deshalb ne-
                                                          ben den möglichen Quellen auch die Abnahmedichte
Die in § 109 GEG vorgesehene Regelung zum kom-            beinhalten. Hierfür fehlen oft hinreichend verlässliche
munalen Anschluss- und Benutzungszwang sollte für         Daten über Lastgänge (Wärme/Kälte), Gebäudealter,
geothermisch gespeiste Fernwärmenetze gestärkt            Gebäudefunktion, Sanierungsstand, etc.
werden. Etwa durch Formulierung einer „Soll-Vor-
schrift“ o. ä.
                                                          5.8 Leitfragen zur Kommunalen Wärme-
                                                              planung
5.7 Leitfragen zur Überregionalen
    Infrastrukturplanung                                  Eine kommunale Wärmeplanung ist ein Muss, denn
                                                          eine dekarbonisierte und effiziente Wärmeerzeugung
Für die Tiefe Geothermie existieren heute keine aus-      der Zukunft muss die Potenziale vor Ort nutzen und
reichenden Instrumente und Kenntnisse, um im Rah-         aus einem Mix unterschiedlicher Energieträger be-
men von Infrastrukturplanungen für jeden Punkt auf        stehen. Die Wärmeinfrastrukturplanung muss damit
der Landkarte eine belastbare quantitative Aussage        ein fester Bestandteil der Bauleitplanung auf lokaler,
über das nutzbare Potenzial zu machen. In der Regel       regionaler und wo sinnvoll auch der überregionalen
gibt es meist nur qualitative Aussagen der Kategori-      Ebene werden.
en „gut, weniger gut und nicht geeignet“. Die Gründe
sind vielfältig und reichen von gänzlich weißen Flecken   Die kommunalen Entscheider benötigen für die dar-
mangels grundsätzlich fehlender Untergrunddaten,          aus folgenden, technologieoffenen Ausschreibungen
über noch nicht zugängliche Daten der Kohlenwasser-       fachlich versierte Begleitung, Maßnahmenpläne und
stoffindustrie bis hin zu fehlendem Personal bei den in   Umsetzungskontrollinstrumente, um auf diesem Weg
den letzten 20 Jahren zurückgestutzten geologischen       die richtigen Entscheidungen treffen zu können und
Landesdiensten.                                           auch tatsächlich die Dekarbonisierungsziele erreichen
                                                          zu können. Dies kann zum Beispiel über Landes- oder
Um den mit Abstand effizientesten, umweltscho-            Landkreisenergieagenturen erfolgen.
nendsten und für eine Dekarbonisierung von Wär-
menetzen am schnellsten verfügbaren Energieträger         Die Verantwortung für die Errichtung von netzge-
Tiefengeothermie erschließbar zu machen, muss diese       bundenen Wärmeinfrastrukturen und die Versorgung
Planungsunsicherheit beseitigt werden, sonst fällt das    der Bürger liegt bei den Kommunen und deren Unter-
Potenzial der Tiefen Geothermie aus Planungsprozes-       nehmen bzw. Stadtwerken. Dabei sollte man darüber
sen schnell heraus. Im Wesentlichen bedarf es dabei       nachdenken, ob und wie die ggf. in mehreren Verwal-
nur der Wiederbelebung bereits einmal vorhandener         tungseinheiten angesiedelten Entscheidungsträger
Fähigkeiten, wie                                          (Planungsreferat, Klimaschutzreferat, Stadtwerk)
                                                          besser koordiniert oder für dieses elementar wichtige
• Personelle und materielle Ertüchtigung der geolo-       Thema zusammengeführt werden können.
  gischen Landesdienste, auch mit Einbindung von
  wissenschaftlichen Instituten,

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5.9 Leitfragen zur Forschung,                                               ter erfolgen. Die Forschungsanstrengungen für eine
    Entwicklung, Innovation                                                 soft EGS-Technik sollten unter dem Gesichtspunkt der
                                                                            Wärmewende wieder intensiviert werden.
Sprunginnovationen sind nicht planbar, deshalb muss
ein Energieforschungsprogramm technologieoffen                              Bei der Transformation und dem Ausbau der Wärme-
angelegt sein und darf keine vorschnelle Festlegung                         versorgung müssen erneuerbare Energien die fossilen
auf Lösungskonzepte oder eine Energieart vorneh-                            Quellen verdrängen. Wärmeversorgung ist vor allem
men. Es zeichnet sich aber ab, dass elektrisch herge-                       eine lokale Energiebereitstellung. Deshalb müssen die
stellter Wasserstoff langfristig wohl keine rentable                        lokalen, d. h. die kommunalen Energieversorgungsun-
Option für die Wärmeversorgung darstellt. Im Ge-                            ternehmen durch regulatorische und fiskalische Rah-
gensatz dazu können direkt genutzte erneuerbare                             menbedingungen gestärkt werden. Dazu zählt die
Energien alleine oder in Kombination mit Wärme-                             Bevorzugung leitungsgebundener Wärmeversorgung
pumpen einen Großteil dieser Aufgabe übernehmen.                            und Verbot fossiler Wärmebereitstellung bei Ersatz-
Netzgebundene Wärmesysteme werden dabei zum                                 oder Neuinstallationen.
wichtigsten Infrastrukturelement der zukünftigen
urbanen Wärmeversorgung. Sie werden so zu einem                             Gemeinsame Projekte mit Nutzung verschiedener er-
Schlüsselelement für ein intelligentes und vernetztes                       neuerbaren Energien (Geothermie, Solarthermie, Bio-
Energiemanagement im Bereich Wärme / Kälte.                                 masse) einschließlich der Wärmespeicherung sollten
                                                                            stärker in den Fokus gerückt werden. Um zeitlichen
Durch Anwendung neuer Bohrtechniken und falls nötig                         und räumlichen Disparitäten von Verbrauch und Ener-
leistungsfähiger Wärmepumpen kann das Nutzungs-                             giebereitstellung entgegenzutreten, müssen neben
potenzial geothermischer Quellen signifikant und                            der Erzeugung zusätzliche Speichermöglichkeiten für
energieeffizient gesteigert werden. Hochtemperatur-                         Wärmeenergie auf mehreren Größenskalen geschaf-
Wärmepumpen werden die Einspeisung geothermi-                               fen werden. Für wirklich leistungsstarke Speicher
scher Wärme auch in konventionelle Fernwärmenetze                           bieten sich Aquifere im Untergrund in idealer Weise
mit hohen Vorlauftemperaturen als Brückentechno-                            als saisonales Puffersystem an, sofern der Grund-
logie ermöglichen, solange moderne Niedertempera-                           wasserschutz gewährleistet ist. Daneben besitzen
turnetze nicht zur Verfügung stehen. Die Technologien                       andere Erdreichformationen in Verbindung mit Erd-
der Oberflächennahen und der hydrothermalen Tiefen                          wärmesonden und Grubenwässer des Bergbaus ein
Geothermie sind aktuell verfügbar. Planungssicherheit                       erhebliches Speicherpotential.
und Wirtschaftlichkeit sind heute erheblich besser als
noch vor einigen Jahren. Sprunginnovationen sind in                         Kurz- und mittelfristig schafft die Weiterentwicklung
diesen Bereichen der geothermischen Wärmebereit-                            von Wärmepumpen und ihr Einsatz (wo nötig) eine
stellung wohl nicht zu erwarten.                                            größere Einsatzmöglichkeit von erneuerbaren Ener-
                                                                            gieträgern. Hochtemperatur-Wärmepumpen stei-
Jedoch würde die Realisierung der EGS-Technik (En-                          gern die Netzvorlauftemperatur um ca. 30 bis über
hanced Geothermal Systems) in der tiefen petrother-                         60 Grad, wodurch sich auf der Nutzerseite erhebliche
malen Geothermie einen erheblichen Sprung bedeu-                            Spielräume für technische Anwendungen ergeben.
ten. Hier sind, wie die TAB-Studie 6 belegt, riesige                        Wirtschaftlich stellt der Einsatz von Großwärme-
Potenziale vorhanden. Geothermische Wärme mit                               pumpen, grüner Kraft-Wärme-Erzeugung (einschl.
Temperaturen über 100 °C könnte dann fast an jedem                          Nutzung der Abwärme bei H2-Elektrolyse) und von
Ort in Deutschland bereitgestellt werden. EGS-Technik                       thermischen Speichern und Netzen eine ideale
für Wärmebereitstellung hat den Vorteil, dass nicht so                      Schnittstelle zwischen den Wärme- und den Strom-
große Durchflussmengen wie bei der Stromerzeugung                           systemen dar. Wärmenetzgebundene Anlagen der
benötigt werden. Die erforderlichen hydraulischen Sti-                      Kraft-Wärme-Kopplung mit Wärmespeichern können
mulationsmaßnahmen können also wesentlich sanf-                             dabei durch stromgeführten Betrieb eine wichtige
                                                                            Komponente der komplementären Stromerzeugung
6 Paschen, H., Oertel , D. & Grünwald, R. (2003): Möglichkeiten der geo-    zu den volatilen, wetterabhängigen Quellen Wind und
thermischen Stromerzeugung in Deutschland. - Sachstandsbericht,
Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag,
                                                                            Sonne spielen. Eine damit verbundene Digitalisierung
Arbeitsbericht 84: 129 S.; Berlin (TAB).                                    mit effizienter Sektorkopplung sowie bidirektionales

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