Klimawandel und Landwirtschaft Auswirkungen der globalen Erwärmung auf die Entwicklung der Pflanzenproduktion in Nordrhein-Westfalen ...

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Klimawandel und Landwirtschaft Auswirkungen der globalen Erwärmung auf die Entwicklung der Pflanzenproduktion in Nordrhein-Westfalen ...
Klimawandel und Landwirtschaft
Auswirkungen der globalen Erwärmung auf die Entwicklung
der Pflanzenproduktion in Nordrhein-Westfalen

                                                 www.umwelt.nrw.de
                                             www.klimawandel.nrw.de
Klimawandel und Landwirtschaft Auswirkungen der globalen Erwärmung auf die Entwicklung der Pflanzenproduktion in Nordrhein-Westfalen ...
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Klimawandel und Landwirtschaft
Auswirkungen der globalen Erwärmung auf die Entwicklung
der Pflanzenproduktion in Nordrhein-Westfalen

HINWEIS
Das Projekt ist Teil der Anpassungspolitik des Landes Nordrhein-Westfalen und wurde mit Mitteln des Ministeriums
für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (MKULNV)
finanziert. Weitere Informationen zum Thema Anpassung an den Klimawandel sowie die Anpassungsstrategie des
Landes Nordrhein-Westfalen finden Sie im Internet unter: www.klimawandel.nrw.de
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Inhalt 5

Inhalt
Einführung                                                                                                      6

Klimawandel und Pflanzenproduktion: Wo stehen wir heute?                                                        8

Szenarien und Projektionen: Die zukünftige Klimaentwicklung in Nordrhein-Westfalen                             10

Die Methodik: Von den Ausgangsdaten zu den Prognosen                                                           14

Die Ergebnisse: Einflüsse des Klimawandels auf den NRW-Pflanzenbau im 21. Jahrhundert                          18

      Generelle Trends                                                                                         18

      Welche Ertragserwartungen ergeben sich aus den projizierten Klimaänderungen?                             20

      Wie wird sich die Ertragssicherheit im Rahmen der erwarteten Klimabedingungen ändern?                    23

      In welchen nordrhein-westfälischen Regionen sind besondere Änderungen oder Probleme zu erwarten?         25

Schlussfolgerungen und Handlungsmöglichkeiten                                                                  26

      Bodenqualität erhalten                                                                                   26

      Wassermangel ausgleichen                                                                                 27

      Sortenwahl anpassen                                                                                      28

      Gegen Extremereignisse absichern                                                                         29

      Gute Landwirtschaftliche Praxis als Startpunkt für eine Klimawandel angepasste Pflanzenproduktion        29

      Pflanzenernährung und Pflanzenschutz optimieren                                                          30

Fazit und Ausblick                                                                                             31

      Anhang                                                                                                   33

      Impressum                                                                                                35
Klimawandel und Landwirtschaft Auswirkungen der globalen Erwärmung auf die Entwicklung der Pflanzenproduktion in Nordrhein-Westfalen ...
6 Einführung

Einführung
                       Der Klimawandel beeinflusst die Pflanzenproduktion
                       weltweit – auch die Landwirtschaft in Nordrhein-
                       Westfalen muss sich an die neuen klimatischen
                       Bedingungen anpassen.

                       Schmelzende Gletscher in den Alpen, extreme        kret geplant ist ein Klimaschutzgesetz, das
                       Trockenheit in den Sommern: Der Klimawandel        unter anderem einen deutlichen Ausbau von
                       hat sich von einem wissenschaftlichen Fach-        erneuerbaren Energien und Maßnahmen zur
                       thema zur Schlagzeile in den Medien und zum        Steigerung der Energieeffizienz vorsieht. Bis
                       Gegenstand internationaler Konferenzen ge-         zum Jahr 2050 sollen so die CO2-Emissionen
                       wandelt. Mit gutem Grund: Allein in den vergan-    des bevölkerungsreichsten Bundeslands um
                       genen 100 Jahren ist laut des im Frühjahr 2007     mindestens 80 Prozent reduziert werden.
                       veröffentlichten Vierten Sachstandsberichts für
    Seit Anfang des    Klimaänderungen des Weltklimarates IPCC die        Weltweite Klimafolgen: Überflutungen in
   20. Jahrhunderts    globale Durchschnittstemperatur um 0,74 Grad       Asien, Dürren und Hunger in Afrika
 haben die globalen
                       Celsius gestiegen. Hauptursachen für die Er-       Doch selbst wenn es der internationalen Staa-
 Durchschnittstem-
                       wärmung sind der Ausstoß von Treibhausgasen        tengemeinschaft mit vereinten Kräften gelingen
 peraturen deutlich
      zugenommen       bei der Energieerzeugung und Verkehr, Brand-       sollte, das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen, werden
                       rodungen von Waldflächen – aber auch Acker-        einige Regionen den nicht mehr vermeidbaren
                       bau und Viehzucht. Nur durch eine drastische       Klimawandel deutlich zu spüren bekommen. So
                       Reduktion des Ausstoßes von klimarelevanten        rechnet der Weltklimarat IPCC unter anderem
                       Gasen können der Klimawandel und seine Fol-        mit einem starken Anstieg des Meeresspiegels,
                       gen noch in einem erträglichen Rahmen gehal-       dem viele dicht besiedelte Küstenregionen vor
                       ten werden. Experten empfehlen deshalb drin-       allem in Asien sowie mehrere Inseln im Pazifik
                       gend, die globale Erwärmung auf maximal zwei       zum Opfer fallen könnten. In anderen Teilen der
  Dunkle Wolken am     Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen        Welt wird dagegen die Wasserknappheit zu ei-
Horizont: Der Klima-   Niveau zu begrenzen. Das Land Nordrhein-           nem immer größeren Problem. Vor allem in den
   wandel wird welt-   Westfalen wird hier seinen Teil durch eine Stär-   schon heute sehr trockenen Gebieten Afrikas
   weit gravierende
                       kung des Klimaschutzes dazu beitragen. Kon-        kann das auch die landwirtschaftliche Produk-
  Probleme mit sich
                                                                          tion stark beeinträchtigen und damit die Unter-
           bringen.
                                                                          ernährung auf dem Kontinent weiter verschär-
                                                                          fen. Der Weltklimarat geht davon aus, dass etwa
                                                                          in Afrika bis zum Jahr 2020 75 bis 250 Millionen
                                                                          Menschen unter akuter Wasserknappheit und
                                                                          ihren Folgen für die Nahrungsmittelproduktion
                                                                          leiden werden.

                                                                          Klimafolgen in Nordrhein-Westfalen: Wachs-
                                                                          tumsbedingungen für Pflanzen ändern sich
                                                                          Auch Nordrhein-Westfalen ist – wenn auch
                                                                          nicht so stark wie andere Regionen in der Welt –
                                                                          von den Folgen des Klimawandels betroffen.
                                                                          Daher hat die Landesregierung Nordrhein-West-
                                                                          falen eine Strategie beschlossen, die durch eine
                                                                          Stärkung des Klimaschutzes einerseits dazu
                                                                          beitragen soll, den Klimawandel auf ein noch
                                                                          vertretbares Maß zu begrenzen. Andererseits
                                                                          gilt es, die möglichen Folgen des Klimawandels
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Einführung 7

       Zentrum der
    Landwirtschaft:
Nordrhein-Westfalen    frühzeitig zu erkennen, um klimabedingte Schä-     Folgende Fragen wurden dabei berücksichtigt:
       ist einer der   den begrenzen und mögliche Chancen der glo-
        wichtigsten    balen Erwärmung nutzen zu können. Insgesamt          Welche Ertragserwartungen ergeben sich
    Agrarstandorte
                       40 Projekte hat das Land Nordrhein-Westfalen         aus den projizierten Klimaänderungen?
     Deutschlands.
                       initiiert, um die Auswirkungen der globalen Er-
                       wärmung auf wichtige Lebens-, Umwelt- und            Wie wird sich die Ertragssicherheit im
                       Wirtschaftsbereiche zu untersuchen, darunter         Rahmen der erwarteten Klimabedingungen
                       die Wald-, Forst- und Wasserwirtschaft, die Si-      verändern?
                       cherheit industrieller Anlagen und nicht zuletzt
                       die Landwirtschaft – die ganz unmittelbar von        In welchen nordrhein-westfälischen Boden-
                       den Änderungen im Klimasystem betroffen ist.         und Klimaräumen sind nachhaltige Änderun-
                                                                            gen oder Probleme zu erwarten?
   Durch den Klima-    Denn: Trockenere Sommer oder feuchtere Win-
   wandel werden in    ter, wie sie Experten für Nordrhein-Westfalen      Diese Broschüre fasst nun die wichtigsten Er-
Nordrhein-Westfalen
                       prognostizieren, können die Wachstumsbedin-        gebnisse dieser Studien zusammen (Kapitel 5)
die Sommer trocke-
                       gungen von Kulturpflanzen grundlegend verän-       und stellt mögliche Maßnahmen zur Anpassung
     ner, die Winter
           feuchter    dern. Das haben zwei vom Land Nordrhein-           vor (Kapitel 6). In den Kapiteln 2 und 3 wird zu-
                       Westfalen in Auftrag gegebene Studien              nächst erläutert, wie sich das Klima in den letz-
                       ergeben, in denen die Auswirkungen des künfti-     ten 100 Jahren in Nordrhein-Westfalen bereits
                       gen Klimawandels auf die Pflanzenproduktion        verändert hat und wie es sich im weiteren Ver-
                       sowie auf die Entwicklung von Schädlingen und      lauf des 21. Jahrhunderts voraussichtlich noch
                       Pilzkrankheiten wichtiger Ackerbaukulturen in      verändern wird. Kapitel 4 stellt das Vorgehen
                       Nordrhein-Westfalen untersucht wurden.             (Methodik) der beiden in dieser Broschüre vor-
                                                                          gestellten Studien vor. Kapitel 7 fasst die Ergeb-
                                                                          nisse dieser Broschüre zusammen.
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8 Klimawandel und Pflanzenproduktion

Klimawandel und Pflanzenproduktion:
Wo stehen wir heute?
                        Mehr Schädlinge, längere Vegetationsperioden: Der Klima-
                        wandel bringt neue Probleme, aber auch Möglichkeiten.

                        Der Klimawandel ist in Nordrhein-Westfalen be-     rhein-Westfalen (LANUV NRW), siehe:
                        reits Realität: Seit Anfang des 20. Jahrhunderts   http://www.lanuv.nrw.de/umweltindikatoren-
                        sind die Temperaturen um 1,1 Grad Celsius an-      nrw/index.php.
                        gestiegen (siehe Abbildung 1). Aus Abbildung 1
                        ist außerdem eine Häufung von Jahresmitteln        Ein ähnliches Bild zeichnet die Entwicklung der
                        über zehn Grad Celsius seit den 90er Jahren        Blütezeitpunkte ausgewählter Sträucher in
                        ersichtlich. In den ersten Jahrzehnten der Beob-   Nordrhein-Westfalen, welche heute – verglichen
                        achtungsreihe wurde dies lediglich einmal, im      mit den 50er Jahren – um mindestens zwei
                        Jahr 1959, nahezu erreicht und ein einziges Mal    Wochen früher eintreten (siehe Abb. 3).
                        mit 10,1 Grad Celsius 1934 überschritten.
                                                                           Auch in Zukunft werden die Temperaturen in
                        Weitere Hinweise auf den Klimawandel liefert       Nordrhein-Westfalen durch den weltweit unge-
                        die langjährige Beobachtung der nordrhein-         bremsten Ausstoß von klimarelevanten Gasen
   Bisheriger Klima-    westfälischen Pflanzen- und Vegetationsent-        aller Voraussicht nach weiter steigen – darauf
   wandel lässt viele   wicklung. Phänologische Daten, das heißt die       lassen sowohl mathematisch-statistische als
    Pflanzen bereits
                        langjährige Beobachtung des jahreszeitlichen       auch physikalische Modelle schließen (siehe
       früher blühen
                        Eintretens von Entwicklungsschritten in der        dazu nachfolgendes Kapitel). Durch die fort-
                        Natur, weisen ebenfalls auf eine Erwärmung hin.    schreitende Erwärmung sind stark veränderte
                        Wie in Abbildung 2 erkennbar, beginnt in Nord-     Muster von Regen und Schneefall, häufigere
                        rhein-Westfalen beispielsweise die Apfelblüte      Extremereignisse wie Hagel, Gewitter, Stürme,
                        heutzutage deutlich früher als noch in den 50er    Dürren oder Überflutungen zu erwarten.
                        Jahren.
                                                                           Agrarstandort im Klima-Umbruch: Worauf
                        Der Beginn der Apfelblüte ist einer der nord-      die NRW-Landwirtschaft reagieren muss
                        rhein-westfälischen Umweltindikatoren, zu          Nordrhein-Westfalen nimmt nach Bayern und
                        finden im Internetangebot des Landesamtes für      Niedersachsen den dritten Rang unter den
                        Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nord-          deutschen Agrarstandorten ein. Etwa 50.000
                                                                           landwirtschaftliche Betriebe stellen zusammen
                                                                           mit mehr als 1.000 Herstellern im Bereich der
                                                                           Ernährungswirtschaft einen wichtigen Teil der
                                                                           heimischen Wirtschaft. Ungefähr die Hälfte der
Abbildung 1: Jahresmittel der minimalen (Tmin), mittleren
(Tmean) und maximalen (Tmax) Tagestemperaturen in                          Fläche von Nordrhein-Westfalen wird landwirt-
Nordrhein-Westfalen im Zeitraum 1901–2008. Zusätzlich sind                 schaftlich genutzt, zirka 70 Prozent davon als
die dekadisch gleitenden Mittel gezeigt sowie lineare Trends der           Ackerland. Den höchsten Anteil an der Ackerflä-
Mitteltemperatur. (Quelle: LANUV 2010, Datengrundlage: DWD)                che hat Getreide. Die wichtigste Kultur ist Win-
                                                                           terweizen gefolgt von Mais.

                                                                           Die aktuellen Landnutzungen, Sorten und
                                                                           Fruchtfolgen sowie Anbaumethoden haben sich
                                                                           aus den lokalen Gegebenheiten und damit auch
                                                                           dem bislang herrschenden regionalen Klima
                                                                           entwickelt. Wenn sich mit dem Klima nun eine
                                                                           zentrale Grundlage der landwirtschaftlichen
                                                                           Pflanzenproduktion ändert, muss diese
                                                                           zwangsläufig an die neuen Gegebenheiten –
                                                                           zum Beispiel wärmere Sommer sowie feuchtere
                                                                           Winter – angepasst werden.
Klimawandel und Landwirtschaft Auswirkungen der globalen Erwärmung auf die Entwicklung der Pflanzenproduktion in Nordrhein-Westfalen ...
Klimawandel und Pflanzenproduktion 9

    Tag im Jahr                                                                                                               Für die landwirtschaftliche Pflanzenproduktion
   30. Mai                                                                                                                    können sich aus dem Klimawandel sowohl vor-
   20. Mai
                                                                                                                              teilhafte als auch negative Auswirkungen erge-
                                                                                                                              ben. Als förderlich könnte sich beispielsweise
   10. Mai
                                                                                                                              eine durch die Erwärmung verursachte längere
   30. Apr                                                                                                                    Vegetationsperiode erweisen. Unter Umstän-
   20. Apr
                                                                                                                              den erlaubt diese sogar den Anbau von Zweit-
                                                                                                                              kulturen nach der Ernte (zum Beispiel von
   10. Apr
                                                                                                                              Getreide). Ebenfalls positiv auf das Pflanzen-
   31. Mrz                                                                                                                    wachstum könnte sich ausgerechnet eine der
                                      Messwerte           Linearer Trend
                                                                                                                              Hauptursachen des Klimawandels – der An-
   21. Mrz
                                                          Mittelwert Referenzperiode (1961 – 1990)                            stieg der Kohlendioxid-Konzentration in der
   11. Mrz                                                                                                                    Atmosphäre – auswirken. Der Grund: Pflanzen
                               1950      1957      1964        1971        1978       1985           1992   1999      2006
                                                                                                                              können höhere Kohlendioxid-Konzentrationen
            Abbildung 2: Der Beginn der Apfelblüte in Nordrhein-Westfalen hat sich                                            in der Atmosphäre in stärkeres Wachstum um-
            in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich nach vorne verschoben.                                              setzen („Kohlendioxiddüngung“, siehe dazu
            (Quelle: LANUV 2010, Datengrundlage: DWD)
                                                                                                                              Kasten unten). Die genaue Wirkung von Kohlen-
                         120                                                                                                  dioxid auf die Pflanzen ist allerdings sehr kom-
                                                                                                                              plex und derzeit Gegenstand wissenschaftlicher
                         110

                                                                                                            18 Tage früher
                                                                                                                              Untersuchungen.
                         100
Tage seit Jahresbeginn

                          90
                                                                                                                              Von Nachteil für die Pflanzenproduktion kann
                                                                                                                              dagegen die mögliche Zunahme sommerlicher
                          80
                                                                                                            20 Tage früher    Trockenphasen oder Unwetter sein. Möglich ist
                          70                                                                                                  außerdem, dass die geänderten Klimabedin-
                                                                                                                              gungen Schädlinge begünstigen, die zu höheren
                          60
                                                                                                             15 Tage früher   Ernteausfällen führen oder die Ertragssicher-
                          50                                                                                                  heit beeinträchtigen können.
                          40
                                1951-55 1956-60 1961-65 1966-70 1971-75 1976-80 1981-85 1986-90 1991-95 1996-00 2001-05       Welche dieser möglichen Entwicklungen eintre-
                                                                                                                              ten wird oder wenn die genannten Entwicklun-
                                        Hasel                          Kornelkirsche                           Schlehe
                                                                                                                              gen parallel eintreten, welchen Einfluss sie auf
            Abbildung 3: Blütezeitpunkte verschiedener Sträucher in NRW
                                                                                                                              Ertrag und Ertragssicherheit haben, soll in die-
            am Beispiel von Hasel, Kornelkirsche und Schlehe.                                                                 ser Broschüre beleuchtet werden.
            (Quelle: MUNLV 2009, Datengrundlage: DWD)

                                                     INFO KOHLENDIOXIDDÜNGUNG
                                                     Für die Mehrzahl der Pflanzen („C3-Pflanzen“)                            Pflanzenwachstum zugutekommt. Mit der Koh-
                                                     wie zum Beispiel Getreide, Zuckerrüben oder                              lendioxiddüngung kann allerdings ein vermin-
                                                     Kartoffeln stellt Kohlendioxid einen Mangelfak-                          derter Proteingehalt von Blättern oder Früchten
                                                     tor dar. Ist mehr Kohlendioxid in der Umge-                              einhergehen, so dass etwa die Qualität von Fut-
                                                     bungsluft verfügbar, kann von den Pflanzen                               terpflanzen beeinträchtigt wird. Unsicherheiten
                                                     mehr Biomasse in der gleichen Zeit gebildet                              ergeben sich dadurch, dass die Übertragbarkeit
                                                     werden. Dies wird teilweise in Gewächshäusern                            von Versuchsdaten in die Praxis und in die
                                                     zur Produktionssteigerung genutzt. Da viele                              Modellrechnungen noch Gegenstand von wis-
                                                     Pflanzen bei besserer Kohlendioxidversorgung                             senschaftlichen Untersuchungen sind. Seltener
                                                     ihre Spaltöffnungen („Atemorgane“ vor allem                              sind Pflanzen, die wie der Mais (C4-Pflanze)
                                                     der Blätter, die unter anderem der Aufnahme                              eine effizientere Form des Kohlendioxidstoff-
                                                     von Kohlendioxid dienen) häufiger geschlossen                            wechsels aufweisen. C4-Pflanzen profitieren
                                                     halten können, wird außerdem der verduns-                                deshalb in geringerem Maße von ansteigenden
                                                     tungsbedingte Wasserverlust verringert, was                              atmosphärischen Kohlendioxidkonzentrationen
                                                     bei heißem, trockenen Wetter oder Dürren dem                             als C3-Pflanzen.
Klimawandel und Landwirtschaft Auswirkungen der globalen Erwärmung auf die Entwicklung der Pflanzenproduktion in Nordrhein-Westfalen ...
10 Szenarien und Projektionen

Szenarien und Projektionen: Die zukünftige
Klimaentwicklung in Nordrhein-Westfalen
                      Komplexe Berechnungen ermöglichen einen Ausblick auf
                      das Klima der Zukunft – es wird wärmer und feuchter.

                      Um einen Blick in die Zukunft der Pflanzenpro-     Den hier beschriebenen Projektionsrechnungen
                      duktion werfen zu können, muss zunächst die        wurden die IPCC-Szenarien „A2“, „A1B“ und
                      zukünftige Entwicklung des Klimas skizziert        „B1“ zugrunde gelegt. Das Szenario „A2“ be-
                      werden. Grundlage dafür sind die vom Zwi-          schreibt eine eher pessimistische Entwicklung,
                      schenstaatlichen Ausschuss für Klimaänderun-       also einen Anstieg der Treibhausgasemissionen
                      gen (Intergovernmental Panel on Climate            bis zum Ende des Jahrhunderts. Nach „A1B“
                      Change, IPCC) getroffenen Annahmen über die        werden die Emissionen von Treibhausgasen bis
                      künftige Entwicklung des Ausstoßes von Treib-      Mitte des laufenden Jahrhunderts zunächst
                      hausgasen. Eingang in diese sogenannten Emis-      weiter ansteigen und danach zurückgehen.
                      sionsszenarien finden Annahmen zu relevanten       Das Emissionsszenario „B1“ geht von einem
                      Klimaeinflussgrößen, wie die weitere Bevölke-      raschen Wandel der Wirtschaftsstruktur zu
                      rungs- und Wirtschaftsentwicklung oder der         nachhaltigeren Lösungen und damit im Jahr
                      Einsatz von fossilen und regenerativen Energie-    2100 von geringeren Treibhausgasemissionen
                      trägern.                                           als im Jahr 2000 aus.

                                                                         Klimaprojektionen: Wie das Klima der
                                                                         Zukunft errechnet wird
                                                                         Wie wird sich nun das Klima auf Basis der ge-
                                                                         nannten Emissionsszenarien in Nordrhein-
                                                                         Westfalen entwickeln? Hinweise auf diese Frage
                                                                         geben die sogenannten Klimaprojektionen –
                                                                         Berechnungen zum zukünftigen Klima, die auf
                                                                         den Emissionsszenarien basieren und mithilfe
                                                                         von globalen und regionalen Klimamodellen er-
                                                                         stellt werden. Da die globalen Klimamodelle für
                                                                         Nordrhein-Westfalen eine zu grobe Auflösung
                                                                         aufweisen, wurden die Ergebnisse der globalen
                                                                         Klimasimulationen mithilfe von statistischen
                                                                         und dynamischen Regionalmodellen auf die

 Geht es so weiter?
Annahmen über den
 künftigen Ausstoß
von Treibhausgasen
     sind die Basis
                      INFO KLIMAMODELLE
   für Aussagen zur
                      Zur Berechnung der NRW-Klimaprojektionen             zwingend die klimatischen Verhältnisse in
 weiteren Klimaent-
          wicklung.
                      fanden die Modelle WettReg, REMO und CLM             einer veränderten Zukunft, weshalb statis-
                      Verwendung. Diese sind Vertreter von zwei            tisch erstellte Zukunftsprojektionen gewissen
                      sehr unterschiedlichen Vorgehensweisen:              Einschränkungen unterworfen sind.

                         Statistische Modelle: Bei statistischen           Dynamische Modelle: Dynamische Modelle
                         Modellen wie WettReg wird aus der Kenntnis        wie CLM und REMO bilden das Wetterge-
                         des gegenwärtigen Regionalklimas und Mess-        schehen über das Simulieren physikalischer
                         reihen zurückliegender Ereignisse auf zukünf-     Prozesse nach. Sie funktionieren im Prinzip
                         tige klimatische Bedingungen in der Region        wie globale Zirkulationsmodelle – ergänzt
                         geschlossen. Damit repräsentieren sie nicht       um Detailinformationen aus der jeweiligen
                                                                           Region.
Klimawandel und Landwirtschaft Auswirkungen der globalen Erwärmung auf die Entwicklung der Pflanzenproduktion in Nordrhein-Westfalen ...
Szenarien und Projektionen 11

                           T in ° C (1971-2000)                                            T (2071-2100 gegen 1971-2000)
                                                                                                1,6 - 3,1 °C ± 0,2 °C

                      Abbildung 4: Links: Jahresmitteltemperatur in Nordrhein-Westfalen aus Messungen des
                      Deutschen Wetterdienstes für den Bezugszeitraum 1971–2000. Rechts: Erwärmung bis zum Zeit-
                      raum 2071–2100 aus 39 WettReg-, 4 CLM- und 3 REMO-Simulationen. (Quelle: Straub et al. 2010)

                      Dimensionen unseres Bundeslandes herunter-                 Temperaturen werden weiter steigen:
                      gebrochen.                                                 Die Ergebnisse der Klimaprojektionen
                                                                                 In Abbildung 4 sind die projizierten Temperatur-
 Klimaprojektionen    Die Klimamodelle bergen große Unsicherheiten,              zunahmen (ΔT) für Nordrhein-Westfalen für
 zeigen klimatische   so dass nur unter Berücksichtigung einer aus-              den Zeitraum 2071 bis 2100 gegenüber dem
   Verhältnisse der
                      reichenden Anzahl von Simulationen (mit                    Zeitraum 1971 bis 2000 dargestellt. Die Spann-
Jahre 2071 bis 2100
                      unterschiedlichen Emissionsszenarien, unter-               breite der Temperaturzunahme über die Simu-
                      schiedlichen Modellen und verschiedenen An-                lationen der drei Regionalmodelle und der drei
                      fangszeitpunkten) statistisch aussagekräftige              Emissionsszenarien ist recht groß: Die Flächen-
                      Ergebnisse gewonnen werden können (Straub                  mittel variieren zwischen 1,6 und 3,1 Grad Cel-
                      et al. 2010). Die hier vorgestellten Ergebnisse            sius (Straub et al. 2010). Fest steht in jedem
                      wurden anhand der drei Regionalmodelle Wett-               Fall: Der bereits anhand von Messwerten ver-
                      Reg, CLM und REMO für die drei Emissionssze-               gangener Jahre feststellbare Trend des Anstiegs
                      narien „A1B“, „A2“ und „B1“ modelliert.

                      INFO WETTER ODER KLIMA?
                      Wetter beschreibt für ein bestimmtes Gebiet                Klima veranschaulicht für ein bestimmtes
                      die bekannten aktuellen Messgrößen wie Luft-               Gebiet (z. B. „Höxter“, „Eifel“, „Deutschland“,
                      temperatur, Luftdruck, Niederschlagsmenge,                 „Europa“, „Welt“) statistische Mittelwerte der
                      Luftfeuchtigkeit, Wolkenbedeckung, Sonnen-                 Wetterereignisse über mindestens 30 Jahre.
                      schein.
12 Szenarien und Projektionen

                      Abbildung 5: Niederschlagsänderung für 2071–2100 gegenüber 1971–2000 nach WettReg
                      (braun, 13 Simulationen), CLM (violett, 2 Simulationen) und REMO (grün, eine Simulation)
                      als Mittelwert über die Fläche von NRW. (Quelle: Straub et al. 2010)

                      des Jahresmittels der Lufttemperatur wird sich                  Jahresniederschlags zwischen knapp über null
                      in Zukunft fortsetzen.                                          bis zehn Prozent ab.

                      Niederschlag                                                    Deutlicher werden die Niederschlagsänderun-
                      Die Simulation des Niederschlagsgeschehens                      gen, wenn man das Sommer- und Winterhalb-
                      ist deutlich schwieriger, da sich die Menge und                 jahr getrennt betrachtet (Abb. 5b und 5c). Unter
                      Intensitäten von Niederschlägen von Ort zu Ort                  Berücksichtigung der drei Regionalmodelle und
                      stark unterscheiden können. Dennoch lassen                      der drei Emissionsszenarien nimmt die Nieder-
                      sich Grundtendenzen aus den Klimaprojektio-                     schlagsmenge in Nordrhein-Westfalen im Win-
                      nen ablesen. Abbildung 5a zeigt die projizierten                terhalbjahr zwischen neun und 24 Prozent zu.
                      Niederschlagsänderungen für 2071 bis 2100                       Für das Sommerhalbjahr zeichnet sich hinge-
                      gegenüber 1971 bis 2000 als Jahresmittelwerte                   gen ein Niederschlagsrückgang zwischen null
                      über die Fläche von Nordrhein-Westfalen. Trotz                  und zwölf Prozent ab (Straub et al. 2010).
                      großer Schwankungen in den drei Regional-
                      modellen und den drei Emissionsszenarien                        Darüber hinaus ist in Nordrhein-Westfalen von
                      zeichnet sich generell eine leichte Zunahme des                 einer räumlich ungleichen Niederschlagsent-

     Gute Zeiten –
  schlechte Zeiten:
Die höheren Tempe-
  raturen werden in
   näherer Zukunft
    voraussichtlich
      zunächst das
 Pflanzenwachstum
       fördern und
    höhere Erträge
    ermöglichen ...
Szenarien und Projektionen 13

    ... in der zweiten
 Hälfte des 21. Jahr-
   hunderts wird es
     dagegen durch
   längere Trocken-
        perioden im
Sommer häufiger zu
Trockenschäden und
  damit zu Ertrags-
 ausfällen kommen.

                         wicklung auszugehen, wobei die verschiedenen       Eine räumlich hoch aufgelöste Interpretation
                         Klimamodelle allerdings zu teilweise sehr unter-   der Niederschlagsänderungen bleibt damit
                         schiedlichen Projektionen gelangen:                aufgrund der unterschiedlichen Simulations-
                                                                            ergebnisse problematisch (Straub et al. 2010).
                           Die dynamischen Modelle CLM und REMO             Zwei Regionen, in denen die Modellrechnungen
                           projizieren eine Abnahme der Som-                jedoch weitgehend übereinstimmen, sind das
                           merniederschläge vor allem für die südwest-      Sauer- und Siegerland: Die meisten Simulatio-
                           lichen Regionen des Landes. Das statistische     nen projizieren leicht überdurchschnittliche
                           Modell WettReg simuliert dagegen den             Niederschlagszunahmen im Jahresmittel.
                           stärksten Niederschlagsrückgang für die
                           nordöstlichen Regionen des Landes.               Relevant für die künftige Entwicklung des Er-
                                                                            trags ist vor allem jedoch der Rückgang der
                           Für das Winterhalbjahr simulieren die dyna-      sommerlichen Niederschlagsintensitäten. Denn
                           mischen Modelle die angesprochene Nieder-        dieser Rückgang kann an einzelnen Standorten
                           schlagszunahme hauptsächlich im Bereich          Anpassungsmaßnahmen wie trockenheitsre-
                           der nördlichen und südlichen Landesteile.        sistentere, früher abreifende Sorten oder je
                           Dagegen gibt das statistische Modell Wett-       nach Verfügbarkeit auch Bewässerung
                           Reg die stärkste Niederschlagszunahme im         notwendig machen.
                           Winter eher im Landesinneren an.

                                                                            Feuchtgebiet:
                                                                            In den Bergregionen
                                                                            des Sauerlandes
                                                                            wird in Zukunft
                                                                            mit höheren Jahres-
                                                                            niederschlägen
                                                                            gerechnet.
14 Methodik

Die Methodik:
Von den Ausgangsdaten zu den Prognosen
                       Wie die Forscher des Landes Nordrhein-Westfalen
                       künftige Erträge und Schädlingsbefall errechneten.

                       Im vorherigen Kapitel wurden bereits einige         delle, welche die Regionen Nordrhein-Westfa-
                       grundlegende Voraussetzungen für die Modell-        lens differenziert darstellen.
                       simulation von Ertrag und Ertragssicherheit so-
                       wie Schädlingen und Krankheiten genannt:          Die Ergebnisse der regionalen Klimaprojektio-
                                                                         nen gingen dann in die Modellrechnungen ein,
                         So schätzten Experten mithilfe von Emissi-      mit welchen das Pflanzenwachstum sowie
                         onsszenarien zunächst die künftige Freiset-     Krankheits- und Schädlingsbefall simuliert wur-
       Abbildung 6:
  Wie Experten von
                         zung von klimarelevanten Gasen ab.              den. Abbildung 6 stellt diese Zusammenhänge
 den Emissionssze-                                                       schematisch dar.
narien zu Aussagen       Darauf aufbauend erstellten sie Klimaprojek-
     über Pflanzen-      tionen mithilfe globaler Modelle.               Darüber hinaus flossen zahlreiche weitere Para-
     wachstum und
                                                                         meter in die Modellierungen ein. Beispielhaft
   Schädlingsbefall
                         Die globalen Klimaprojektionen dienten wie-     seien Bodeneigenschaften, die atmosphärische
          gelangen
     (schematische       derum als Grundlage für regionale Klimamo-      Kohlendioxidkonzentration, Wasser- und Nähr-
       Darstellung).                                                     stoffversorgung oder Kulturtechniken genannt.

                                                                         Pflanzenwachstumsmodelle:
                                                                         die Berechnung zukünftiger Erträge
                                                                         Abbildung 7 zeigt ein vereinfachtes Schema der
                                                                         Modellrechnungen zur Simulation von Erträgen
                                                                         der Pflanzenproduktion unter sich ändernden
                                                                         klimatischen Bedingungen. Zunächst erfolgte
                                                                         die Kalibrierung der verwendeten Modelle.
                                                                         Hierfür wurden Simulationsläufe mit Daten
                                                                         zurückliegender Jahre durchgeführt und die
                                                                         Modellergebnisse mit den in der Realität erziel-
                                                                         ten Erträgen verglichen. Nachdem die Modelle
                                                                         so an die zu simulierenden Gegebenheiten an-
                                                                         gepasst worden waren, fanden die eigentlichen
                                                                         Modellläufe zur Simulation der Prognosejahre
Verlässlicher Daten-
lieferant: Die Mess-
                                                                         statt.
  daten von Wetter-
  stationen sind die                                                     Neben der Ertragshöhe ist die Sicherheit der
  Grundlage für die                                                      Erträge von großem Interesse. Als Maß hierfür
  Simulationen des
                                                                         diente die Schwankungsbreite (die Spanne der
   künfigen Klimas.
                                                                         Abweichungen vom Mittelwert) der für die ein-
                                                                         zelnen Jahre errechneten Simulationsergeb-
                                                                         nisse.

                                                                         Da die Rechenläufe mit unterschiedlichen Mo-
                                                                         dellen vergleichbare Tendenzen lieferten, dürfen
                                                                         die Aussagen zwar nicht als punktgenau, aber
                                                                         als richtungssicher angesehen werden. Die
                                                                         Simulationen lassen die Tendenz (Trend zu fal-
                                                                         lenden oder steigenden Erträgen beziehungs-
                                                                         weise keine Änderungen) erkennen. Allerdings
Methodik 15

                                                                                      ist die Aussagekraft von Durchschnittsangaben
                                                                                      begrenzt. Wenn etwa die Temperaturen im
                                                                                      Jahresdurchschnitt zunehmen, muss dies
                                                                                      beispielsweise nicht bedeuten, dass es keine
                                                                                      Boden- oder Nachtfröste im Frühjahr mehr
                                                                                      geben wird. Deren schädigende Wirkung kann
                                                                                      sich gegebenenfalls bei weiter fortgeschrittener
                                                                                      Vegetation noch verschärfen. Schließlich sind
                                                                                      weitere wichtige Parameter bekannt, die – über
                                                                                      Jahrzehnte betrachtet – einen erheblichen Ein-
                                                                                      fluss auf den Ertrag haben, aber in den Model-
                                                                                      len nicht oder nur begrenzt simuliert werden
                                                                                      können. Zu nennen sind zum Beispiel der Fort-
                                                                                      schritt in wissenschaftsbasiertem Fachwissen,
                                                                                      Agrartechnik, Precision Farming (teilschlagbe-
                                                                                      zogene Landwirtschaft, die Unterschiede inner-
                                                                                      halb eines Feldes berücksichtigt), Anbau- und
                                                                                      Verfahrenstechnik, Züchtung sowie Arten- und
                                                                                      Sortenwahl.

                                                                                      Pflanzenschädlinge und -krankheiten:
                                                                                      Beratungssystem simuliert künftigen Befall
Abbildung 7 (Erläuterungen): Bei der Validierung erfolgt ein Abgleich der simulier-   Die Projektionen des Befalls mit Pflanzenkrank-
ten Erträge mit realen Erträgen des betrachteten Standorts; bei der Kalibrierung      heiten und -schädlingen beruhen auf Simulati-
werden Modellparameter verändert, um Simulationsläufe an reale Ereignisse             onsläufen mit einem Pflanzenschutz-Bera-
anzupassen.
                                                                                      tungssystem. Klimadaten der Jahre 2001 bis
                                                                                      2050 (Messwerte von Wetterstationen und

                         INFO PFLANZENWACHSTUMS- UND
                              PFLANZENSCHUTZMODELLE
                         Zur Berechnung der künftigen Erträge und                     DSSAT (Decision Support System for Agro-
                         Ertragssicherheiten wurden aus einer größeren                technological Transfer) ist ein Programmpaket,
                         Anzahl möglicher Modelle die beiden Pflanzen-                das neben Pflanzenwachstumsmodellen für
                         wachstumsmodelle EPIC und DSSAT herange-                     unterschiedliche Kulturpflanzen weitere Pro-
                         zogen.                                                       grammpakete wie ein Geografisches Informati-
                                                                                      onssystem enthält. Es wurde erstmals Ende der
                         Zur Simulation von Pflanzenkrankheiten und                   1980er Jahre verwendet und fortlaufend
                         Pflanzenschädlingen fand das Pflanzenschutz-                 erweitert.
                         beratungssystem proPlant expert.classic Ver-
                         wendung.                                                     proPlant expert.classic wurde an der Universi-
                                                                                      tät Münster in Zusammenarbeit mit der Land-
                         EPIC (Erosion Productivity Impact Calculator)                wirtschaftskammer Westfalen-Lippe Anfang der
                         wurde aus einem Modell weiterentwickelt,                     1990er Jahre entwickelt und wird seitdem stän-
                         welches in den 1980er Jahren den Einfluss der                dig erweitert. Es handelt sich um eine Bera-
                         Bodenerosion auf das Wachstum von Kultur-                    tungssoftware, welche anhand von Wetterdaten
                         pflanzen in den USA beschreiben sollte. Es wur-              und -vorhersagen die Zeiträume identifizieren
                         de im Lauf der Zeit um Kulturarten und Einfluss-             kann, zu denen Befall durch Pflanzenerreger
                         faktoren erweitert und ist heute in der Lage,                möglich ist. Es wird in Deutschland und vielen
                         auch Klimabedingungen in ihrem Einfluss auf                  europäischen Ländern in der Praxis eingesetzt,
                         verschiedene Kulturpflanzen abzubilden.                      um den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im
                                                                                      Ackerbau zu optimieren.
16 Methodik

                        Boden-Klima-Räume (BKR)                Ackerfläche        gebietstypische Hauptfruchtfolge
                                                                ha         %

                         Eifel                                15.985        1,5       Winterweizen-Sommergerste-
                                                                                              Winterraps

                         Sauerland                            65.005        6,1        Winterweizen-Wintergerste-
                                                                                              Winterraps

                         Köln-Aachener Bucht                 142.799       13,4        Winterweizen-Wintergerste-
                                                                                              Zuckerrüben

                         Rheinland/Südliches                 338.881       31,8        Winterweizen-Wintergerste-
                         Münsterland                                                           Silomais

                         Ost-Westfalen/Bergisches            139.602       13,1        Winterweizen-Wintergerste-
                         Land                                                                 Winterraps

                         Nördlicher Kreis Minden-             36.233        3,4       Wintertriticale-Wintergerste-
                         Lübbecke                                                                Silomais

                         Wiehengebirge                        45.824       4,3         Winterweizen-Wintergerste-
                                                                                         Winterweizen-Silomais

                         Westfälische Bucht                  239.774       22,5          Wintergerste-Silomais-
                                                                                             Wintertriticale

                         Teutoburger Wald/                    41.561       3,9          Winterweizen-Silomais-
                         Eggegebirge/Tecklenburger                                      Wintergerste-Winterraps
                         Land

 Abbildung 8: Kurz-      Summe BKR                          1.065.664      100                       -
  charakterisierung
  der Boden-Klima-
            Räume.
  (Quelle: verändert
     nach Rossberg
        et al. 2007)

                       Simulationsergebnisse) wurden hierfür neben       Ortsgenaue Prognosen: die Regionalisierung
                       weiteren standortspezifischen Informationen       der erhobenen Daten
                       wie Feldkultur und Erregerkennzahlen herange-     Räumliche Unterscheidungen wurden auf zwei
                       zogen. Nicht von den Modellen ausgegebene         Arten vorgenommen:
                       Klimaparameter (Temperaturminimum in 5 cm
                       Höhe, Stunden mit Niederschlag > 0,1 mm,            Bei den Modellrechnungen auf Feldebene
                       Luftfeuchtemaximum 14 h in 2 m Höhe) wurden         wurden Ergebnisse von Sortenversuchen an
                       aus früheren Messwerten abgeleitet.                 verschiedenen Standorten in Nordrhein-
                                                                           Westfalen und der nächstgelegenen Wetter-
                       Für die meisten Erreger konnte auf bestehende       station für die räumliche Differenzierung he-
                       Prognosemodule des Pflanzenschutzbera-              rangezogen.
                       tungssystems zurückgegriffen werden. In
                       einzelnen Fällen, zum Beispiel für die Alterna-     Bei den Modellrechnungen auf Landesebene
                       ria-Dürrflecken-Krankheit, wurden Prognose-         wurden vorhandene Klima- und Bodendaten
                       module für das Untersuchungsvorhaben neu            sowie Landnutzungsinformationen zu etwa
                       entwickelt.                                         100.000 „Simulationseinheiten“ (ein bis ei-
                                                                           nige Hektar große Gebiete mit mehr oder
Methodik 17

                     Abbildung 9: Lage der Boden-Klima-Räume in
                     Nordrhein-Westfalen.

                        weniger einheitlichen Bedingungen) ver-      onseinheiten zusammengefasst. Diese Simula-
                        schnitten. Diese können dann wiederum –      tionseinheiten wurden dann einem Boden-
                        je nach weiterem Vorgehen – zu größeren      Klima-Raum (siehe Abb. 8 und 9) zugeordnet.
                        räumlichen Einheiten wie Gebietskörper-      Die Boden-Klima-Räume sind somit nicht ho-
                        schaften (Gemeinden oder Landkreise), bes-   mogen. Sie bestehen aus den (etwa hinsichtlich
                        ser aber zu naturräumlich geprägten Boden-   der Böden) räumlich differenzierten Simulati-
                        Klima-Räumen (BKR) zusammengefasst           onseinheiten mit ihren unterschiedlichen Er-
                        werden.                                      tragspotenzialen.

Kleinräumige Feld-   Der kleinräumige Maßstab der Feldversuche im    Die Boden-Klima-Räume dienen der Gebiets-
 versuche bringen    Vergleich zu den Modellrechnungen auf Lan-      gliederung für das Sortenversuchswesen. Sie
Erkenntnisgewinn
                     desebene macht es möglich, Zusammenhänge        orientieren sich nicht an Grenzen der Bundes-
für Prognosen auf
                     darzustellen, welche für die Simulationen auf   länder. Deshalb wurden die Bezeichnungen der
     Landesebene
                     Landesebene von Bedeutung sein können, dort     BKR an die nordrhein-westfälischen Gegeben-
                     aber aufgrund der höheren Datendichte nicht     heiten angepasst. Die in diesem Bericht
                     mehr auflösbar sind.                            verwendeten BKR werden in Abbildung 8 kurz
                                                                     charakterisiert und in ihrer räumlichen Lage
                     In den Modellrechnungen auf Landesebene         zueinander in Abbildung 9 dargestellt.
                     wurden, wie oben beschrieben, Agrarflächen
                     mit vergleichbaren Eigenschaften zu Simulati-
18 Ergebnisse

Die Ergebnisse: Einflüsse des Klimawandels
auf den NRW-Pflanzenbau im 21. Jahrhundert
                       Der Klimawandel wird die Landwirte zu immer mehr
                       Anpassungsmaßnahmen zwingen. Größte Gefahr ist
                       langfristig die zunehmende Trockenheit im Sommer.

                       Um die Einflüsse des erwarteten Klimawandels      Die ansteigenden Kohlendioxidkonzentratio-
                       auf die Pflanzenproduktion in Nordrhein-West-     nen in der Atmosphäre bringen einen Dünge-
                       falen abschätzen zu können, haben die For-        effekt mit sich. Bei Mais, welcher als C4-
                       scher die mit zwei regionalen Klimamodellen       Pflanze einen effizienteren Kohlendioxid-
                       projizierten künftigen Klimabedingungen in        stoffwechsel als die anderen betrachteten
                       zwei Pflanzenwachstumsmodelle und ein Pflan-      Pflanzen aufweist, fällt der Ertragszuwachs
                       zenschutzberatungssystem eingegeben. Die          moderater aus.
                       Modellrechnungen wurden für Sortenversuchs-
                       standorte („Feldebene“) und Boden-Klima-          Bis 2050 ist eher mit Ertragssteigerungen
                       Räume („Landesebene“) vorgenommen. Zur Er-        als mit Ertragseinbußen zu rechnen. Um
                       stellung der Klimaprojektionen fanden zwei        diese im vollen Umfang zu realisieren, sind
                       Emissionsszenarien des Zwischenstaatlichen        an die lokalen Gegebenheiten angepasste
                       Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC) Ver-       Maßnahmen erforderlich.
                       wendung, die für den Prognosezeitraum von un-
                       terschiedlich intensiv ansteigenden Konzentra-    Der sommerliche Rückgang der Nieder-
                       tionen klimawirksamer Gase in der Atmosphäre      schläge fällt bis 2050 noch gering aus. Häu-
                       ausgehen.                                         fig reicht daher – insbesondere für die Winte-
                                                                         rungen – der Bodenwasser- beziehungs-
                       Da bei den meisten Modellläufen die gleichen      weise Grundwasservorrat zur Versorgung der
                       Tendenzen und die gleichen Größenordnungen        Kulturen aus. Niederschlagsveränderungen
                       des Ertrags ausgegeben wurden, werden die Er-     haben damit im Zeitraum bis 2050 den ge-
                       gebnisse als richtungssicher angesehen.           ringsten Einfluss. Lediglich an einigen Stand-
                                                                         orten kann Bewässerung die Ertragssituation
                                                                         verbessern.
     Viel zu mähen:
                       Generelle Trends
 Um gleichbleibend
                       Als generelle Trends und Ergebnisse der Model-    Nach den Projektionen für die Jahre 2071 bis
     gute Erträge in
Nordrhein-Westfalen
                       lierungen auf Feldebene lassen sich die folgen-   2100 wird der Rückgang der Sommernieder-
         zu sichern,   den Punkte nennen:                                schläge in der zweiten Hälfte des 21. Jahr-
     sind in Zukunft                                                     hunderts deutlicher ausfallen, so dass länger-
       Anpassungs-       Die insgesamt höheren Temperaturen führen       fristig die Notwendigkeit von Anpassungs-
    maßnahmen an
                         zu schnellerer Pflanzenentwicklung.             maßnahmen neu bewertet werden muss.
   den Klimawandel
         notwendig.
                                                                         Den stärksten Einfluss auf die Ertragslage
                                                                         hat (außer bei Mais) die Kohlendioxiddün-
                                                                         gung. Zweitwichtigster Einflussfaktor ist die
                                                                         Erwärmung.

                                                                         Wintergetreide benötigen einen winterlichen
                                                                         Kältereiz, um später in der Entwicklung blü-
                                                                         hen zu können (Vernalisation). Die Modellsi-
                                                                         mulationen zeigen, dass trotz ansteigender
                                                                         Durchschnittstemperaturen kein Ausbleiben
                                                                         dieses Kältereizes in den kommenden Jahren
                                                                         zu befürchten ist.
Ergebnisse 19

             26/8
                                                                                                simulierten Erntezeitpunkte des Winterweizens
                                                                                                in Meerhof dem Jahr 2007 gegenüber. Im Jahr
                                                                                                2007 war der April außergewöhnlich heiß und
             21/8
                                                                                                der Erntezeitpunkt lag nach heutigen Maßstä-
                                                                                                ben ausgesprochen früh. Die Modellrechnungen
             16/8
                                                                                                legen nahe, dass derartige frühe Erntezeit-
Erntedatum

                                                                                                punkte in den kommenden Jahrzehnten zuneh-
             11/8
                                                                                                mend normal werden. Von dieser Entwicklung
                                                                                                profitieren vor allem Grenzstandorte in den
             6/8
                                                                                                Höhenlagen.

              1/8
                                                                                                Fühlen sich bei höheren Temperaturen wohl:
                                                                                                Pflanzenkrankheiten und -schädlinge
             27/7
                                                                                                Die Simulation von Pflanzenkrankheiten und
                                                                                                -schädlingen zeigt, dass für keinen der unter-
                          2011    2021    2031      2041    2051    2061    2071    2081
                         -2020   -2030   -2040     -2050   -2060   -2070   -2080   -2090        suchten Schädlinge ein Befallsrückgang zu
                                                                                                erwarten ist.

             Abbildung 10: Der Erntezeitpunkt des Winterweizens am Standort Meerhof (Hoch-
                                                                                                Je nach Standort können sich stark abwei-
             sauerlandkreis, ca. 370 m über NN) wird sich immer weiter vorverlagern. Die rote
             Linie markiert den durch ein heißes Frühjahr extrem frühen Erntezeitpunkt 2007.
                                                                                                chende Verläufe des Befalls mit Krankheiten
             (Quelle: Burkhardt und Gaiser 2010)                                                und Schädlingen ergeben. Die Abbildung 11
                                                                                                zeigt beispielhaft das simulierte Infektionsrisiko
                                                                                                des Winterweizens durch Braunrost an zwei
                                                                                                Standorten. Die Modellsimulationen errechne-
                                      Die Resultate decken sich mit den Modellrech-             ten am Standort Eslohe (Hochsauerlandkreis)
                                      nungen auf Landesebene. Alle Ergebnisse der               ein leicht ansteigendes Infektionsrisiko, das
                                      Modellrechnungen, seien es gleichbleibende Er-            allerdings über den gesamten Simulationszeit-
                                      träge oder Ertragszuwächse, werden nur dann               raum im unkritischen Bereich bleibt. Einen
                                      in der Praxis erzielt werden können, wenn die in          etwas deutlicheren Anstieg weist der Standort
                                      den Modellen gesetzten Randbedingungen er-                Elsdorf (Rhein-Erft-Kreis, Köln-Aachener
              Pflanzenernährung       füllt sind. Dies bedeutet, dass Pflanzenernäh-            Bucht) auf. Für Elsdorf zeigen die Simulations-
             und -schutz müssen       rung und Pflanzenschutz an geänderte Klima-               rechnungen außerdem während des Prognose-
                    an verändertes
                                      bedingungen angepasst werden müssen. Der                  zeitraums mehrfach behandlungswürdige
                 Klima angepasst
                                      Boden, der selbst durch den Klimawandel be-               Infektionsrisiken.
                           werden
                                      einträchtigt werden kann, muss als wesentli-
                                      cher Ertragsfaktor geschützt werden (siehe                In einigen Fällen werden höhere als die bislang
                                      dazu Kapitel 6).                                          in Nordrhein-Westfalen aufgetretenen Befallsin-
                                                                                                tensitäten erwartet. Vergleichbare Intensitäten
                                      Frühreife Gewächse: Die Pflanzenentwick-                  sind allerdings aus anderen Regionen Deutsch-
                                      lung beschleunigt sich                                    lands oder des europäischen Auslands bekannt
                                      Durch die Erwärmung werden die benötigten                 und dort gut beherrschbar.
                                      Temperatursummen – das heißt, die über einen
                                      bestimmten Zeitraum aufaddierten Tagesmit-                Zusammenfassend birgt der Klimawandel für
                                      teltemperaturen, nach denen ein bestimmter                den Pflanzenbau in Nordrhein-Westfalen sowohl
                                      Entwicklungsschritt eintritt – schneller erreicht.        Risiken als auch neue Möglichkeiten. Um die
                                      Dadurch beschleunigen sich phänologische                  Chancen nutzen zu können und die Risiken zu
                                      Stadien. Beispielhaft ist diese schnellere Pflan-         minimieren, sind Anpassungsmaßnahmen
                                      zenentwicklung anhand zweier Simulationser-               erforderlich. Diese und die Gute Landwirt-
                                      gebnisse dargestellt: Die Modellrechnungen für            schaftliche Praxis vorausgesetzt, sind in abseh-
                                      den Standort Meerhof ergaben, dass sich dort              barer Zeit keine außergewöhnlichen Probleme
                                      im Laufe des 21. Jahrhunderts der Erntezeit-              in der Landwirtschaft zu erwarten.
                                      punkt des Winterweizens um fast einen Monat
                                      nach vorn verlagert (ggf. mit der Möglichkeit,
                                      noch eine Folgefrucht anzubauen). Die Abbil-
                                      dung 10 stellt die für die Jahrzehnte bis 2090
20 Ergebnisse

      Abbildung 11:
   Simulierte Infek-
    tionsrisiken des
     Winterweizens
 durch Braunrost an
      den Stationen
      Elsdorf (Köln-
   Aachener Bucht)
 und Eslohe (Sauer-
  land) im Zeitraum
    2000 bis 2050.
    m: Steigung der
 Ausgleichsgeraden
            (Trend),
  rot: behandlungs-
 würdige Infektions-
            risiken.

                       Im Folgenden werden auf der Grundlage der Er-      Welche Ertragserwartungen
                       gebnisse beider Studien die bereits in Kapitel 1
                       formulierten Fragen aufgegriffen:
                                                                          ergeben sich aus den proji-
                                                                          zierten Klimaänderungen?
                         Welche Ertragserwartungen ergeben sich
                         aus den projizierten Klimaänderungen?            Winterkulturen
                                                                          Die Simulationsergebnisse sind vor allem ab-
                         Wie wird sich die Ertragssicherheit im Rah-      hängig von der atmosphärischen Kohlendioxid-
                         men der erwarteten Klimabedingungen              konzentration, der Temperatur und dem jeweili-
                         ändern?                                          gen naturräumlichen Ertragspotenzial. Alle
                                                                          Simulationsrechnungen für Winterweizen
                         In welchen nordrhein-westfälischen Regio-        (Abb. 12) zeigen ohne Berücksichtigung des
                         nen sind besondere Änderungen oder Pro-          mit dem Klimawandel korrelierten Anstiegs
                         bleme zu erwarten?                               der Kohlendioxidkonzentrationen in der Atmo-
Ergebnisse 21

                        sphäre lediglich Änderungen im einstelligen        können in einzelnen Boden-Klima-Räumen, vor
                        Prozentbereich. Tendenziell können sich gering-    allem durch den Düngeeffekt, nennenswerte
                        fügige Ertragseinbußen ergeben, die allerdings     Ertragszuwächse erzielt werden. Mit dem Emis-
                        nicht statistisch abgesichert sind. Deshalb wird   sionsszenario „B1“ geben die Modellrechnun-
                        bei ausschließlicher Berücksichtigung der          gen unwesentliche Ertragsänderungen bis hin
                        Erwärmung und unter Vernachlässigung der           zu Ertragszuwächsen von zwölf beziehungs-
                        Kohlendioxiddüngung davon ausgegangen,             weise 15 Prozent aus. Deutlichere Zuwächse
                        dass im Prognosezeitraum keine nennenswer-         werden für die Boden-Klima-Räume Westfäli-
                        ten Änderungen im künftigen Winterweizen-          sche Bucht, Nördlicher Kreis Minden-Lübbecke,
                        ertrag auftreten.                                  Rheinland/Südliches Münsterland und Sauer-
                                                                           land prognostiziert. Die Prognosen des dynami-
                        Wird die bessere Kohlendioxidverfügbarkeit in      schen Klimamodells liegen etwas unter denen
                        den Simulationsrechnungen berücksichtigt, so       des statistischen Modells. Eine Ausnahme ist

                                                                           Winterweizen
                             Teutoburger Wald /
      Abbildung 12:
                             Eggegebirge /
                             Tecklenburger Land
    Mittlere relative
 Veränderungen der
   Winterweizener-           Westfälische Bucht
  träge im Zeitraum
  2021 bis 2050 im           Wiehengebirge
Vergleich zum Refe-
                             Nördlicher Kreis
                             Minden-Lübbecke
  renzzeitraum 1971
   bis 2000, Klima-
szenarien „A1B“ und          Ost-Westfalen /
                             Bergisches Land
 „B1“, ohne und mit
                             Rheinland /
                             Südliches Münsterland
  Berücksichtigung
  der Erhöhung der

                             Köln-Aachener Bucht
  atmosphärischen
  Kohlendioxidkon-

                             Sauerland
         zentration.
 Oben: Klimamodell
   WettReg. Unten:           Eifel
  Klimamodell CLM.
  (Quelle: Burkhardt
   und Gaiser 2010)

                                                                           Winterweizen
                             Teutoburger Wald /
                             Eggegebirge /
                             Tecklenburger Land

                             Westfälische Bucht

                             Wiehengebirge

                             Nördlicher Kreis
                             Minden-Lübbecke

                             Ost-Westfalen /
                             Bergisches Land

                             Rheinland /
                             Südliches Münsterland

                             Köln-Aachener Bucht

                             Sauerland

                             Eifel
22 Ergebnisse

                       das Sauerland, wo im dynamischen Modell mit          Südliches Münsterland. Ein Teil der errechneten
                       16 Prozent die höchste Ertragssteigerung für         Ergebnisse lässt sich durch die unterschiedli-
                       Winterweizen im „B1“-Szenario überhaupt er-          chen Modellannahmen erklären. Von Bedeu-
                       rechnet wurde.                                       tung für die Ertragsergebnisse waren außerdem
                                                                            die simulierte steigende Kohlendioxidkonzen-
                       Die Ergebnisse des Emissionsszenarios „A1B“          tration der Atmosphäre und der simulierte Tem-
                       (wärmer, höhere atmosphärische Kohlendioxid-         peraturanstieg.
                       konzentrationen) prognostizieren für alle BKR
                       nennenswerte Zuwächse der Winterweizener-            Die auf der Basis des statistischen Klimamo-
                       träge von etwa zehn bis über 20 Prozent. Neue        dells (WettReg) errechneten Veränderungen
                       Erkenntnisse zur Übertragung der Ergebnisse          der Silomaiserträge im Prognosezeitraum
                       aus dem Versuchsanbau in die Praxis und deren        (Abb.13) bewegen sich im einstelligen Prozent-
                       Berücksichtigung in Modellrechnungen können          bereich (bis zu zehn Prozent Zuwachs in der
                       zu anderen Ergebnissen führen. Trotzdem er-          Eifel), wenn die Kohlendioxiddüngung außer
                       scheint ein (dann weniger intensiver) Ertragszu-     Acht gelassen wird. Vier von neun Boden-Klima-
                       wachs wahrscheinlich.                                Räumen könnten nach den Modellergebnissen
                                                                            geringfügige, statistisch nicht abgesicherte
      Wintergerste,    Wintergerste, Triticale und Winterraps zeigen        Ertragseinbußen erleiden. Die auf Grundlage
       Triticale und   ähnliche Verläufe. Vielfach stellen sich vor allem   des dynamischen Klimamodells berechneten
        Winterraps
                       in den Höhenlagen (z.B. Sauerland, Eifel)            Ertragsänderungen sind ähnlich, allerdings sind
                       Ertragszuwächse ein. Wintergerste und Winter-        die Effekte vor allem für die Eifel deutlich
                       raps werden vergleichsweise früh geerntet und        schwächer. Wesentliche Ertragsminderungen
                       können von wärmeren Temperaturen profitie-           durch die zugrunde gelegten zukünftigen Kli-
                       ren, ohne die heißeren und relativ trockeneren       mabedingungen sind danach für Silomais nicht
                       Sommermonate für Wachstum und Reife zu               zu erwarten.
                       benötigen.
                                                                            Die Simulationsrechnungen für Körnermais
                       Sommerkulturen                                       ergeben ein ähnliches Bild. Zuckerrüben und
          Silo- und    Die Ertragserwartungen für Silo- und Körner-         Kartoffeln werden, wenn lediglich der Tempera-
        Körnermais     mais wurden für das gesamte Gebiet Nord-             turanstieg berücksichtigt wird, mit Änderungen
                       rhein-Westfalens simuliert; Kartoffeln und Zu-       im einstelligen Prozentbereich prognostiziert
                       ckerrüben aufgrund ihrer besonderen                  (in der Nähe der Relevanzschwelle).
                       regionalen Bedeutung nur für die Boden-Klima-
                       Räume Köln-Aachener Bucht und Rheinland/

                                 Teutoburger Wald /
      Abbildung 13:
                                 Eggegebirge /
                                 Tecklenburger Land
   Mittlere relative
 Veränderungen der
 Silomaiserträge im              Westfälische Bucht
  Zeitraum 2021 bis
 2050 im Vergleich               Wiehengebirge
  zum Referenzzeit-
                                 Nördlicher Kreis
                                 Minden-Lübbecke
raum 1971 bis 2000,
    Klimaszenarien
                                 Ost-Westfalen /
                                 Bergisches Land
    „A1B“ und „B1“,
  simuliert mit dem
                                 Rheinland /
                                 Südliches Münsterland
 Klimamodell Wett-
 Reg, mit und ohne
  Berücksichtigung               Köln-Aachener Bucht
  der Erhöhung der
  atmosphärischen                Sauerland
  Kohlendioxidkon-
        zentration.              Eifel
  (Quelle: Burkhardt
   und Gaiser 2010)
Ergebnisse 23

                       Unter Berücksichtigung der Kohlendioxiddün-     Wie wird sich die Ertrags-
                       gung und der Klimadaten des statistischen
                       Modells ergeben sich für Silomais leichte       sicherheit im Rahmen der
                       Ertragszuwächse im Rahmen des „A1B“-Emissi-     erwarteten Klimabedingun-
                       onsszenarios in Teilen des Münsterlandes und
                       Ostwestfalens. Deutlichere Ertragszuwächse
                                                                       gen ändern?
                       werden mit dem dynamischen Modell als
                       Grundlage simuliert.                            Extremereignisse wie Starkregen, Stürme oder
                                                                       Hagel können lokal zu erheblichen Ertragsein-
                       Mit dem Emissionsszenario „B1“ ergeben sich     bußen bis hin zu einem Totalverlust der Ernte
                       in den Simulationsrechnungen Ertragszu-         führen. Obwohl sie bei kleinräumiger Betrach-
                       wächse von bis zu acht Prozent. Das wärmere     tung ein wesentlicher Faktor für die Ertragssi-
                       und durch bessere Kohlendioxidversorgung        cherheit sind, konnten Extremereignisse nicht
                       gekennzeichnete Emissionsszenario „A1B“ wird    berücksichtigt werden. Die Modellsimulationen,
                       mit bis zu 13 Prozent Ertragszuwächsen simu-    welche Mittelwerte über 30-jährige Beobach-
                       liert. Ähnlich, wenn auch mit geringeren        tungszeiträume ausgeben, differenzieren derart
                       Schwankungen, stellen sich die Ergebnisse für   kleinräumige und kurzzeitige Ereignisse nicht.
                       Körnermais dar.
                                                                       Die bisherigen Ausführungen legen nahe, dass
       Zuckerrüben     Zuckerrüben und Kartoffeln können im Ver-       ein Temperaturanstieg grundsätzlich positive
     und Kartoffeln    gleich zu früheren Erntejahren durch die Koh-   Auswirkungen für die Pflanzenproduktion hat.
                       lendioxiddüngung etwas höhere Erträge reali-    Phasen mit extremen Sommertemperaturen
                       sieren. Nach dem dynamischen Modell sind        können allerdings für Pflanzen Stress bedeuten
                       Ertragszuwächse vor allem in der Köln-Aache-    und deren Vitalität einschränken. In Verbindung
                       ner Bucht zu erwarten. Die errechneten Ergeb-   mit Trockenheit kann dies dann gegebenenfalls
                       nisse schwanken um die statistisch absicher-    den Ertrag erheblich beeinträchtigen. Die
                       bare Größenordnung (ca. fünf Prozent).          Wahrscheinlichkeit von Extremperioden wie
                                                                       dem Sommer 2003 oder dem April 2007 wird
                       Nach dem statistischen Modell weisen die bei-   von den Modellen zwar ebenfalls simuliert,
                       den Boden-Klima-Räume Rheinland/Südliches       lässt sich aber nicht einem bestimmten Jahr
    Viel zu buddeln:   Münsterland und Köln-Aachener Bucht lediglich   zuordnen.
Die Kartoffelerträge   im Emissionsszenario „A1B“ Zuwächse über
  werden durch die     fünf Prozent auf (zwischen acht und zehn        Erwartet wird zudem eine Zunahme von Nieder-
      CO2-Düngung
                       Prozent).                                       schlagsextremen auch in den eher trockener si-
    voraussichtlich
                                                                       mulierten Sommermonaten auf Kosten der ty-
            steigen.
                                                                       pischen sommerlichen Landregen. Sowohl die
                                                                       Häufigkeit als auch die Niederschlagsmenge
                                                                       einzelner Ereignisse wie Gewitter, Starkregen
                                                                       oder Hagel werden künftig zunehmen. Mit wei-
                                                                       teren Extremereignissen wie Überschwemmun-
                                                                       gen, Dürren, starken Gewittern oder Stürmen
                                                                       ist zu rechnen. Welchen Einfluss Extremereig-
                                                                       nissen auf die Ertragssicherheit haben, kann je-
                                                                       doch an dieser Stelle nicht quantifiziert werden.
                                                                       Deshalb ist davon auszugehen, dass die Mo-
                                                                       delle die Ertragsschwankungen unterschätzen.

                                                                       Als Maß für die Ertragssicherheit im Prognose-
                                                                       zeitraum wurde das Ausmaß der Abweichungen
                                                                       der Einzelergebnisse vom über den gesamten
                                                                       Projektionszeitraum gebildeten Mittelwert he-
                                                                       rangezogen. Die Schwankungen realer Ernten
                                                                       lagen im einstelligen Prozentbereich bis zirka
                                                                       acht Prozent für das statistische und bis zwölf
                                                                       Prozent für das dynamische Modell. Diese
24 Ergebnisse

      Abbildung 14:
   Streubreiten der
      Winterweizen-
         erträge als
     Hinweis auf die
Ertragssicherheit im
  Zeitraum 2021 bis
  2050 im Vergleich
  zum Referenzzeit-
raum 1971 bis 2000
  nach Klimaszena-
rien „A1B“ und „B1“,
 Klimamodell Wett-
  Reg mit Erhöhung
    der atmosphäri-
schen Kohlendioxid-
     konzentration.
  (Quelle: Burkhardt
    und Gaiser 2010)

                       Streubreiten der realen Ergebnisse früherer        schen Projektionen und führen zu geringeren
                       Jahre können zur Einschätzung der Simulati-        Veränderungen in der Ertragsstabilität bei den
                       onsergebnisse für den Zeitraum 2021 bis 2050       Simulationsrechnungen mit den Klimadaten
                       herangezogen werden. Die Unterschiede in den       aus dem dynamischen Regionalmodell.
                       Simulationsergebnissen des Prognosezeit-
                       raums gehen vor allem auf die unterschiedlich      Sommerkulturen
                       simulierten Sommerniederschläge zurück.            Die Entwicklungen bei den Sommerkulturen
                                                                          werden am Beispiel des Silomaises gezeigt. Die-
                       Winterkulturen                                     ser weist in den beiden Szenarien keine klare
                       Die Darstellung der Winterkulturen erfolgt bei-    Tendenz auf. Silomais wies schon bei den Simu-
                       spielhaft anhand des Winterweizens (siehe          lationen der Messwerte 2000 bis 2008 eine
                       Abb. 14). Die Modellrechnungen mit Daten aus       größere Streuung (bis zu 16 Prozent) als Win-
                       dem statistischen Modell geben für Winterwei-      terweizen auf. Die Streuung steigt während des
                       zen die größeren Streuungen in den Jahren          Prognosezeitraums im Emissionsszenario „B1“
                       2021 bis 2050 aus. Für das Emissionsszenario       des statistischen Klimamodells weiter an.
                       „B1“ errechneten die Simulationsläufe einen
                       Anstieg auf bis zu 9,8 Prozent und für „A1B“ auf   Die Simulationen des Silomaises in den dyna-
                       bis zu elf Prozent.                                mischen Rechnungen zeigen tendenziell eine
                                                                          Verringerung des Ertragsrisikos im Mittel der
                       Die Streuung der Ergebnisse realer Ernten (Si-     Jahre 2021 bis 2050. Die im dynamischen Mo-
                       mulation vergangener Jahre) liegt mit sechs bis    dell gegenüber dem statistischen Modell simu-
                       zwölf Prozent für dynamisch gewonnene Klima-       lierten höheren Sommerniederschläge können
                       daten etwas höher als in den Modellrechnungen      für Silomais in fast allen Boden-Klima-Räumen
                       mit statistisch simulierten Klimadaten (vier bis   günstigere Wachstumsbedingungen schaffen,
      Eifel muss mit   sieben Prozent). Künftig nennenswert stei-         welche das Ertragsrisiko mindern. Dieses Er-
steigenden Ertrags-    gende Ertragsunsicherheiten wurden in den          gebnis stellte sich ähnlich auch bei Winterwei-
     unsicherheiten
                       Simulationen nur für den Boden-Klima-Raum          zen ein (s. vorheriges Kapitel).
            rechnen
                       Eifel gefunden.

                       Die beiden Modelle bewerten den Einfluss der
                       Sommerniederschläge unterschiedlich. Die von
                       dem statistischen Modell ausgegebenen mögli-
                       chen Trockenphasen, vor allem während der
                       Kornfüllungsphase, entfallen in den dynami-
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