Sunnige Hof: Wohnen mit Dienstleistungen - Begleitstudie 2018 2021 - Age-Stiftung
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3 Inhalt Management Summary 4 1 Ausgangslage 9 1.1 Inhouse-Konzept und Umsetzungshorizont 11 1.2 Untersuchungsfragen 11 1.3 Methodisches Vorgehen 12 2 Entwicklung des Geschäftsmodells 14 2.1 Einführung des Modells 14 2.2 Anpassung des Geschäftsmodells 18 3 Ergebnisse aus dem Pilotprojekt 23 3.1 Nutzerverhalten im Pilotprojekt Mattenhof 23 3.2 Mehrwert der Dienstleistungen 26 3.3 Bewohnertypen 28 3.4 Inbetriebnahme von «DasHaus» Else Züblin 30 4 Erkenntnisse 34 4.1 Positionierung und Zielgruppen 34 4.2 Einbezug des Quartierumfelds 34 4.3 Agile Angebotsentwicklung 35 4.4 Investitionen in den Mehrwert 36 4.5 Betriebswirtschaftliche Aspekte 36 4.6 Ausblick 37 5 Anhang 38 5.1 Fragebogen für den Mattenhof 38 5.2 Fragebogen für Else Züblin 39
4 Management Summary Die Genossenschaft Sunnige Hof besitzt 15 Siedlungen mit 1394 Wohnungen und 315 Einfamilienhäusern. Mit dem Ersatzneubau der Siedlung Mattenhof und dem Neubau «DasHaus» in der Siedlung Else Züblin in der Stadt Zürich führte sie ein breites, teilweise selbst betriebenes Dienstleistungsangebot für die Bewohnenden ein. Mit der Begleitstudie wird dokumentiert, wie sich das Geschäfts- modell entwickelt hat und wie die Dienstleistungen von den Bewohnerinnen und Bewohnern angenommen wurden. Die Studie zeigt auf, welchen Mehrwert der Sunnige Hof mit den Dienstleis- tungen schafft und welche Nutzertypen auf welche Angebote anspre- chen. Die Studienergebnisse geben Hinweise darauf, wie die Angebotsentwicklung in Wohnsiedlungen konzeptionell unter Berücksichtigung von Zielgruppentypen und des Quartierumfelds angegangen werden kann. Vision Der Sunnige Hof folgt dem Grundgedanken «Von der Wiege bis zur Bahre»: Genossenschafter sollen möglichst lange in der gewohnten Umgebung bleiben können. Der Verwaltungsrat der Genossenschaft be- schloss vor diesem Hintergrund, das Konzept «DasHaus» einzuführen. «DasHaus» bezeichnet ein umfassendes Dienstleistungsprogramm, das sich vorwiegend an ältere Genossenschafter richtet und in bestimmten Häusern angeboten wird. Eine reduzierte Dienstleistungspalette ist auch in generationengemischten Siedlungen verfügbar. Dienstleistungsangebot Zum Dienstleistungsangebot von «DasHaus» zählen vollständig hinder- nisfrei ausgebaute Wohnungen sowie selbstbetriebene und von externen Partnern erbrachte Dienstleistungen wie Concierge, Sauna, Fitnessraum, Gymnastikraum, Gästezimmer, Feriendienst, Weinkeller, Treffpunkt und Seniorencafé, aber auch Wäscheservice, Coiffeur, Fusspflege, Yogastudio, Schmerztherapie, Restaurant und Carsharing. Für die Betreuung gibt es einen Notfalldienst, ein Spitin-Zimmer und Pflegebetten. Ein reduziertes Angebot ohne Pflege- und Betreuungsangebote sowie Concierge, Wein- keller und Gymnastikraum wurde 2016 in der Ersatzneubausiedlung im Mattenhof eingeführt. Der Neubau «DasHaus» in der Siedlung Else Züb- lin wurde 2020 bezogen. Begleitstudie Die Begleitstudie dokumentiert die Entwicklung der Dienstleistungsan- gebote zwischen Herbst 2018 und Frühjahr 2021. Methodisch wird mit Interviews mit Schlüsselpersonen, einer Befragung in den Siedlungen Mattenhof und Else Züblin sowie der Auswertung von Nutzerdaten zu
Management Summary 5 den Dienstleistungen gearbeitet. Im Sommer 2019 konnten erste syste- matisch gewonnene Erkenntnisse für die Weiterentwicklung des Kon- zepts von «DasHaus» diskutiert werden. Der Schlussbericht wurde im Frühjahr 2021 verfasst. Entwicklung Geschäftsmodell Die Entwicklung des Geschäftsmodells für «DasHaus» ist in Kapitel 2 auf Basis der Interviews mit den Schlüsselpersonen dokumentiert. Die Ent- wicklung erfolgte in zwei Phasen. In der ersten Phase der Einführung der Dienstleistungen machte der Sunnige Hof einschneidende betriebswirt- schaftliche und genossenschaftliche Erfahrungen (2016 – April 2018). Er stellte einige selbst betriebene Angebote 2018 ein. In der zweiten Phase passte er das Modell und den Prozess an und führte die eingestellten An- gebote mit externen Partnern weiter (April 2018 – 2020). Ergebnisse und Erkenntnisse Die Ergebnisse und Erkenntnisse zu den Dienstleistungen sind in den Kapiteln 3 und 4 dokumentiert. Die Begleitstudie zeigt, dass die Dienst- leistungen einen Mehrwert schaffen können: Sie sind Treffpunkte, sor- gen für kurze Wege, sind jederzeit verfügbar, bieten Servicequalität oder Zugang zu Randstunden. Ob und welcher Mehrwert entsteht, hängt von den Zielgruppen ab, die in den Siedlungen wohnen: Gesellige und Enga- gierte schätzen Treffpunkte, Nicht-Integrierte einen hohen Alltagsnut- zen, Distanzierte den Zugang zu Randstunden oder die Verfügbarkeit. Eine wichtige Erkenntnis aus der Begleitstudie ist, dass Dienstleis- tungen ein Zuzugsgrund sind und die davon angesprochenen Personen zu den intensiveren Nutzern zählen. Die Kommunikation der Dienstleis- tungen und die Positionierung mit einem siedlungseigenen Angebot be- einflusst wesentlich mit, ob Zielgruppen zuziehen, die sie auch nutzen. Sie schürt allerdings auch Erwartungen, die erfüllt werden müssen. Viele Dienstleistungen können nur dann angeboten werden, wenn sie von der Nachfrage aus dem Quartier getragen werden. Welche Dienst- leistungen funktionieren, hängt deshalb auch vom Umfeld ab. Für die Realisierbarkeit stehen zwei Themen im Vordergrund: Das Konkurren- zangebot, und die Einwohner- und Arbeitsplatzdichte als Indikatoren für die Nachfrage. Eine Erkenntnis des Sunnige Hof ist, dass Dienstleistungskonzepte mit einem agilen Projektmanagement entwickelt werden müssen, um insbesondere in der ersten Erprobungsphase auf veränderte oder erst erkennbare Bedürfnisse eingehen zu können. Gute Dienstleistungskon- zepte sind stringent: Sie sind auf Zielgruppen ausgerichtet, werden eva- luiert und passen sich an Zielgruppenbedürfnisse an. Im Idealfall fängt ein Dienstleistungskonzept mit Prototypen an, lernt und entwickelt sich weiter. Das Projektmanagement muss bereit sein, zu lernen, und in der Lage sein, schnell zu handeln.
Management Summary 6 Ob Dienstleistungen angeboten werden können, hängt von verschiede- nen Rahmenbedingungen ab. Ist ein Angebot besonders wichtig, kön- nen Eigentümer die Rahmenbedingungen in einem begrenzten Ausmass mit Zusatzausgaben oder Mindereinnahmen beeinflussen. Zusatzinves- titionen müssen allerdings verhältnismässig zum Mehrwert sein, den sie schaffen. Werden sie von allen finanziell mitgetragen, aber nur von wenigen geschätzt und genutzt, leidet nicht nur die Akzeptanz, sondern auch die Legitimität. Eine einfache, aber wichtige Erkenntnis ist, dass Inhouse-Lösungen mit fest eingestelltem Personal nur funktionieren, wenn die Lohnkosten in absehbarer Zeit mit den Erträgen finanziert werden können. Selbst be- triebene Dienstleistungen, zu denen die Nachfrage nicht klar ist, bergen ein hohes Risiko. Der Sunnige Hof ist weiterhin der Überzeugung, dass Inhouse-Lösungen möglich sind, wenn sie Bottom-Up und nachfrage- orientiert aufgebaut werden.
7 Kennzahlen. Stand: März 2021. Quelle: Sunnige Hof. Wohnangebot Demografie lt s zu s a m m e n s e ha tz us u ng Ha Paar- haushalt Ein- 31% personen- haushalt Andere 4% 31% Einfamilienhäuser Wohnungen Familien 315 1394 mit Kindern 34% 4-/4.5-Zi: 291 1-/1.5-Zi: 105 5-/5.5-Zi: 28 2-/2.5-Zi: 334 Geschlecht 6.5-Zi: 6 3-/3.5-Zi: 659 Frauen 53% Männer 47% 4-/4.5-Zi: 278 Total Wohneinheiten 5-/5.5-Zi: 16 1709 6.5-Zi: 2 Genossenschaft Organisation Alle Mieter/innen müssen Genossenschafter sein (anstelle einer Mietkaution), die Mitgliedschaft ist aber auch externen Personen zugänglich. GV VR GS / AS Gründungsjahr: 1942 Siedlungen: 15 1942–1958 SV / DV 1965–1976 Bestimmung 1995–2003 Aufsicht 2010–2020 Besprechungen VR Verwaltungsrat der Genossenschaft (7 Sitze) GV Generalversammlung Genossenschafter/innen 2361 SV / DV Siedlungs- und Delegiertenversammlung der Bewohner/innen GS / AS Geschäftsstelle und Aussenstellen Genossenschafter/innen SK: Siedlungskommissionen inkl. Externe Insgesamt werden über 50 Personen in den Bereichen Administration, Hauswartung, Garten und Reinigung von der Genossenschaft beschäftigt.
9 1 Ausgangslage Die Genossenschaft Sunnige Hof besitzt 15 Sied- Der Sunnige Hof folgt dem Grundgedanken «Von lungen mit einem Portfolio von insgesamt 1394 der Wiege bis zur Bahre»: Genossenschafter sol- Wohnungen und 315 Einfamilienhäusern. 13 Sied- len möglichst lange in der gewohnten Umgebung lungen befinden sich in der Stadt Zürich, je eine in bleiben können. Der Verwaltungsrat beschloss vor Mönchaltorf und Wetzikon (Abbildung 1). Die ers- diesem Hintergrund, das Konzept «DasHaus» ein- ten Siedlungen wurden in den 1940er Jahren ge- zuführen. «DasHaus» bezeichnet ein umfassendes baut. Ein weiterer Entwicklungsschub fand in den Dienstleistungsprogramm, das sich vorwiegend an 1960er Jahren statt. Danach passierte lang wenig. ältere Genossenschafter richtet und in bestimm- In den 2010er Jahren nahm der Sunnige Hof die ten Siedlungen angeboten werden soll. In anderen Erneuerung und Erweiterung der Siedlungen auf. Siedlungen war angedacht, ein reduziertes Dienst- So wurde die Siedlung Mattenhof in Zürich Hirzen- leistungsangebot anzubieten. bach 2016/2017 mit einer Neubausiedlung ersetzt Zum Dienstleistungsangebot von «DasHaus», und die Siedlung Else Züblin in Albisrieden 2020 das im Neubau Else Züblin realisiert wurde, zählen mit einem Neubau ergänzt, und damit zusätzlicher vollständig hindernisfrei ausgebaute Wohnungen Wohnraum geschaffen. Der Sunnige Hof nutzte die sowie selbstbetriebene und von externen Partnern Entwicklungen dazu, das Dienstleistungsangebot erbrachte Dienstleistungen wie Concierge, Sauna, für die Genossenschafter anzupassen. Fitnessraum, Gymnastikraum, Gästezimmer, Feri- endienst, Weinkeller, Treffpunkt und Seniorencafé, Abbildung 1. Die Siedlungen des Sunnige Hof in der Stadt Zürich. Quelle: Orthofoto 2018 Kanton Zürich. Else Züblin Mattenhof
1 Ausgangslage 10 aber auch Wäscheservice, Coiffeur, Fusspflege, Re- Verfügbarkeit pflegerischer und betreuerischer Un- staurant und Carsharing. Für die Betreuung gibt terstützung bis zum Tod in der eigenen Wohnung es einen Notfalldienst, ein Spitin-Zimmer und bleiben. So ergab sich die Grundidee von «Das- Pflegebetten. «DasHaus» sollte als Neubau in der Haus». Siedlung Else Züblin realisiert werden. Ein Teil der Dienstleistungen ist nur für die Bewohnenden von «DasHaus» zugänglich, ein Teil auch für alle Be- wohnenden der Siedlung Else Züblin. Ein reduzier- tes Angebot ohne Pflegebetten und Spitin-Zimmer, Concierge, Weinkeller und Gymnastikraum wurde in der Ersatzneubausiedlung im Mattenhof einge- führt (Abbildung 2). Die Idee für «DasHaus» entwickelte sich aus dem Siedlungsleben heraus. Angefangen hatte es mit der Initiative einer Reinigungsperson des Sun- nige Hof, die als Reaktion auf die Einsamkeit im Al- ter ein Seniorencafé gründete. Daraus entstand in der Geschäftsstelle des Sunnige Hof die Initiative, eine Befragung zur Nachfrage nach Dienstleistun- gen unter den Genossenschaftern durchzuführen. In der 2014 durchgeführten Befragung zeigten viele ältere und jüngere Personen Interesse an Dienstleistungen des Sunnige Hof. Der Verwaltungsrat und die Geschäftsstelle prüften daraufhin unterschiedliche Dienstleis- tungs-Modelle. Dazu zählten auch solche, die Pfle- geabteilungen integrierten. In diesen Konzepten konnten ältere Personen dank der unmittelbaren Abbildung 2. Übersicht über die Einführung der Dienstleistungen und die Phase der Begleitstudie. Quelle: Sunnige Hof, Darstellung: anamorph. 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 1 2 3 4 1 2 3 4 1 2 3 4 1 2 3 4 1 2 3 4 1 2 3 4 1 2 3 4 1 2 3 4 1 2 3 4 Mattenhof 1. Etappe 2. Etappe 3. Etappe Dienstleistungen Else Züblin, «DasHaus» Dienstleistungen Entscheide: Projektierungs-/Baukredit an GV Bauphase Eröffnung Wohnbetrieb Begleitstudie Age-Stiftung (3 Jahre) Dienstleistungspalette
1 Ausgangslage 11 1.1 Inhouse-Konzept und Silbergrueb in Mönchaltorf ein weiteres «DasHaus» zu realisieren. Umsetzungshorizont Die Genossenschaft plante, die Dienstleistungen Coiffeur, Wäscheservice, Reinigung und Concierge 1.2 Untersuchungsfragen sowie die Gemeinschaftsangebote Treffpunkt, Se- niorencafé, Feriendienst, Gästezimmer, Weinkel- Für die Umsetzung, Begleitung und Auswer- ler, Concierge, Fitness- und Gymnastikraum und tung des Pilotprojekts im Mattenhof stellte die Sauna selbst zu betreiben. Die Entscheidung dazu Geschäftsstelle 2017 einen Förderantrag bei der kam aus den positiven Erfahrungen mit dem Reini- Age-Stiftung. Mit dem Beitrag sollten die neu ein- gungsdienst und den Hauswartarbeiten, die in den geführten Dienstleistungsangebote evaluiert und 2000er Jahren wieder in das Unternehmen geholt Erfahrungen für Dritte dokumentiert werden. Die wurden. Erkenntnisse sollten der Genossenschaft zur weite- Das Management des Sunnige Hof war der ren Entwicklung und Anpassung der Angebote für Überzeugung, dass mit dem Inhouse-Konzept das «DasHaus» und künftige Projekte dienen. eigene Personal auch bei technischen Aufgaben wie Übergeordnete Untersuchungsfragen für die Reinigung oder Hauswartung viele soziale Kompe- Begleitstudie waren, wer die Angebote nutzt und tenzen einbringen konnte, die den Genossenschaf- welche Angebote aus welchen Gründen funktio- tern zugutekommen. Ein weiterer Vorteil sah er bei nieren. Aus den Erkenntnissen sollte der Mehrwert der Konstanz beim Personal, die den Aufbau einer der Dienstleistungen und darüber hinaus auch Ty- zwischenmenschlichen Beziehung ermöglichte. Er pen von Nutzergruppen identifiziert werden kön- war der Überzeugung, dass er mit diesem Modell nen. Die Erkenntnisse sollten der Genossenschaft die Qualität der Dienstleistungen am besten beein- helfen einzuordnen, welche Dienstleistungen, die flussen konnte. entweder nur knapp selbsttragend waren, keinen Mit der Ersatzneubausiedlung Mattenhof, die marktüblichen Mietzins einbrachten oder auf Zu- 2016 bezogen wurde, ergab sich die Gelegenheit, in satzinvestitionen in Infrastruktur angewiesen einer generationengemischten Siedlung Dienstleis- waren, einen grossen Mehrwert für die Siedlungs- tungen als Pilotprojekt einzuführen und zu testen. bewohnenden schafften und deshalb von der Ge- Das Konzept von «DasHaus» sollte 2020 als Neu- nossenschaft getragen werden sollten. bau in der Siedlung Else Züblin realisiert werden. Die Age-Stiftung unterstützte das Modell, da Der Verwaltungsrat hält sich die Option offen, in es über die traditionellen genossenschaftlichen einigen Jahren in der vierten Etappe der Siedlung Wohn- und Partizipationsangebote hinausgeht. Tabelle 1. Liste der Experteninterviews. Wer Funktion Methode Zeitpunkt Snezana Blickenstorfer Verwaltungsratspräsidentin, Finanzkommission Interview Oktober 2018 Bruno Baumberger Geschäftsführer ad interim 2018 bis 2020 Interview Oktober 2018 Karin Kull Bereichsleiterin Finanzen bis 2019, ehemalige Co-Geschäftsführerin Interview Oktober 2018 Doris Gillard Verantwortliche Dienstleistungen Interview Oktober 2018 Jérome Hollenstein Mitglied Geschäftsleitung, Bereichsleiter Finanzen ab 2019 Interview März 2021 Doris Gillard Verantwortliche Dienstleistungen Interview März 2021 Sonja Busslinger Vermietung Mattenhof Interview März 2021 Susanne Weingärtner Vermietung «DasHaus» Interview März 2021
1 Ausgangslage 12 Der Schlussbericht der Begleitstudie soll aufzeigen, Für die Befragung wurden insgesamt 760 Frage- wie und unter welchen Bedingungen die konzep- bögen verschickt. Jeder volljährige Bewohner und tionellen und betriebswirtschaftlichen Ziele der jede volljährige Bewohnerin der Siedlungen Mat- neuen Dienstleistungen erreicht werden konnten. tenhof und Else Züblin konnte teilnehmen. Der Rücklauf war mit 43% sehr gut und in beiden Sied- lungen vergleichbar. Über 85 Prozent wählten den 1.3 Methodisches Vorgehen schriftlichen Weg, der Rest füllte den Fragebogen online aus (Tabelle 2). Für die Evaluation der Dienst- Die Dienstleistungen wurden Ende 2016 im leistungen stellten viele Anbieter im Mattenhof Mattenhof eingeführt. Die Begleitstudie startete und in der Else Züblin anonymisierte Daten zu den im Herbst 2017 mit der Absicht, anfangs 2018 erste Kunden zur Verfügung. Befragungen durchzuführen. Aufgrund von An- In den folgenden Kapiteln werden die Ergeb- passungen im Konzept wurde die Begleitstudie erst nisse aus der Begleitstudie präsentiert. Die Doku- im Herbst 2018 mit Interviews mit Schlüsselperso- mentation der Entwicklung des Geschäftsmodells nen aus dem Verwaltungsrat und der Geschäfts- in Kapitel 2 beruht auf den diversen Interviews stelle des Sunnige Hof zur Weiterentwicklung mit den Schlüsselpersonen (siehe Tabelle 1). In Ka- des Konzepts «DasHaus» aufgenommen. Anfangs pitel 3 werden die Ergebnisse aus den Befragun- 2019 wurden die Befragungen in den Siedlungen gen und den diversen Datenerhebungen zu den Mattenhof und Else Züblin durchgeführt und im Dienstleistungen präsentiert. In Kapitel 4 sind die Frühjahr bis Sommer 2019 Daten zur Nutzung der Erkenntnisse zusammengefasst. Dienstleistungen gesammelt, die vom Sunnige Hof und diversen Gewerbemietern zur Verfügung gestellt wurden. Dies ermöglichte es im Sommer 2019, erste Erkenntnisse für die Weiterentwick- lung des Konzepts von «DasHaus» zu diskutieren. Anfangs 2021 wurden nochmals Interviews mit Vertreterinnen und Vertretern der Geschäftsstelle geführt, die für finanzielle Fragen, die Erbringung von Dienstleistungen und die Vermietung der Wohnungen zuständig waren. Auf dieser Informa- tionsbasis wurde im Frühjahr 2021 der Schlussbe- richt verfasst. Tabelle 2. Versand und Rücklauf für die Befragung im Mattenhof und in der Else Züblin, März 2019. Mattenhof Else Züblin Total Verschickt 410 350 760 Rücklauf 171 155 326 Quote 42% 44% 43% Ausgefüllt: Online 33 (19%) 17 (11%) 50 (15%) Schriftlich 138 (81%) 138 (89%) 276 (85%)
14 2 Entwicklung des Geschäftsmodells Die Entwicklung des Geschäftsmodells für «Das- net werden. In der neu erstellten Siedlung Matten- Haus» wird auf Basis der Interviews mit den hof konnte sie breit eingeführt werden. Schlüsselpersonen dokumentiert sowie mit den Antworten aus der Befragung der Genossenschaf- Im Mattenhof waren folgende Dienstleistungen . ter reflektiert. Die Entwicklung erfolgte in zwei geplant (Abbildung 3): Phasen. In der ersten Phase der Einführung der Selbstbetriebene Angebote Wäscherei, Coiffeur . Dienstleistungen machte der Sunnige Hof ein- und Reinigung; schneidende betriebswirtschaftliche und genos- Selbstbetriebener Feriendienst und ein senschaftliche Erfahrungen (2016 – April 2018). In Notfalldienst in Kooperation mit einem Dienst- . der zweiten Phase passte er das Modell und den leister; Prozess an (April 2018 – 2020). Selbstbetriebene Gemeinschaftsangebote . Seniorencafé, Treffpunkt und Galerie; Selbstbetriebene Angebote Fitnessraum, 2.1 Einführung des . Gästezimmer; Von den Genossenschaftern betriebene Modells . Angebote Gemeinschaftsgarten; In der Diskussion um die Umsetzung von «Das- Kooperationsangebote Mobility und Haus» standen für den Verwaltungsrat die Mach- Carvelo2Go. barkeit und die Kosten im Vordergrund. Er kam zum Schluss, dass die Genossenschaft das Modell Für die Gewerbeflächen im Mattenhof konnte die mit den selbst erbrachten Dienstleistungen auf- Geschäftsstelle einen Bioladen, eine Bäckerei, eine grund ihrer Grösse stemmen konnte. Die damaligen Gemeinschaftspraxis, eine Physiotherapie, einen Annahmen und Berechnungen zeigten, dass die Kindergarten und einen Kinderhort als externe Dienstleistungen bis auf die Reinigung innerhalb Dienstleister gewinnen. von zwei Jahren kostendeckend sein konnten. Die In der bestehenden Siedlung Else Züblin bot die Bereitstellung der Gemeinschaftsangebote sollte Geschäftsstelle ein kleines Dienstleistungsange- mit einer Servicepauschale finanziert werden. bot mit Ferien- und Notfalldienst, Seniorencafé, essbarem Garten, Fusspflege und Mobility an. Hier Einführung der Dienstleistungen im Mattenhof wurde keine Servicepauschale eingeführt. Die Der Businessplan ging ursprünglich davon aus, Gemeinschaftsangebote gab es bereits seit länge- dass die selbstbetriebenen Angebote Wäscherei, rer Zeit. Reinigung und Coiffeur in allen Siedlungen des Nach der Einführung der Dienstleistungen im Sunnige Hof eingeführt werden. Der Verwaltungs- Mattenhof übten Genossenschafter im Rahmen rat entschied sich aber im Laufe der Zeit für eine der Generalversammlung Kritik am Modell. Sie Redimensionierung. Die Angebote sollten nur in fühlten sich nicht genügend in die Angebotsent- der Siedlung Mattenhof getestet werden. Die Ent- wicklung einbezogen. Kurz nach Einführung der scheidung war eine Folge von personellen Wech- Dienstleistungen starteten der Verwaltungsrat seln im Verwaltungsrat und in der Geschäftsstelle, und die Geschäftsstelle einen breit angelegten die zu Anpassungen in der Umsetzung führten. Ein Partizipationsprozess, mit dem sie die Genossen- Grund war auch die Servicepauschale, die für die schafter stärker in die Weiterentwicklung der Finanzierung der selbstbetriebenen Dienstleistun- Dienstleistungen und die Projektentwicklungen gen notwendig war. Diese konnte bei laufenden der neuen Siedlungen einbanden. Mietverträgen nur auf freiwilliger Basis verrech-
15 Abbildung 3. Spezielle Dienstleistungen «DasHaus» und Mattenhof. Darstellung: anamorph. Notfalldienst Feriendienst Treffpunkt Für alle Persönlicher Kontakt Betreuung der Je ein Gemeinschafts- Bewohnenden oder Verbindung mit der Wohnung in Abwesen- raum mit 80m 2 zur von «DasHaus» Notrufzentrale. Monatli- heit. Briefkasten leeren, allgemeinen Nutzung. und/oder Else che Miete von CHF 14 oder Kontrollgang, Lüften, Züblin zugäng- Kauf für CHF 399–499, Zimmerpflanzen giessen. lich plus monatliches Abo für Pro Besuch CHF 15. CHF 39/49. Carsharing Gästezimmer Fitnessraum Seniorencafe Mobility-Abonnement Temporäre Übernach- Fitnessraum mit Angebot für ältere ohne jährliche Gebühr. tung. 2 Zimmer im Ausdauer- und Kraftge- Genossenschafter/in- Mattenhof und 3 in der räten. Mit Servicepau- nen im Mattenhof und Else Züblin. Kosten pro schale frei zugänglich, Else Züblin. Kostenloser Nacht je nach Service- ohne monatl. CHF 25. Kaffee und Kuchen. Je- pauschale CHF 30–80. Öffnungszeiten: Täglich weils ein Nachmittag pro 05.00–22.00 Uhr. Woche im «Treffpunkt». Sauna Spitin-Zimmer S e r v ic epaus c h a le pro M «DasH onat: aus» C M at te HF 20 0 nhof C HF 33 Sauna mit Regen- Hochqualifizierte Stehen dusche und Ruheraum 24h-Hilfe, Pflege und nur für Be- in «DasHaus». Für alle Spitin-Zimmer von wohnende von Bewohnenden von Casa Vivimus in «DasHaus» zur «DasHaus» gebührenfrei. «DasHaus». Verfügung Concierge Gymnastikraum Weinkeller Ansprechperson für Gymnastikraum mit Weinfächer zur Miete und Fragen und Anliegen Matten und Gymnastik- Raum für Privatanlässe der Bewohnenden und bälle in «DasHaus». mit integrierter Küchen- Besuchenden von zeile in «DasHaus». «DasHaus». Tagesüber und abends besetzt.
2 Entwicklung des Geschäftsmodells 16 Pilotprojekt Siedlung Mattenhof, ab 2016 Restaurants gibt es zum Zeitpunkt der Einführung Die Ersatzneubausiedlung Mattenhof befindet sich der Dienstleistungen zwar sechs im Quartier, zwei im Entwicklungsgebiet Stettbach an der Zürcher davon in Gehdistanz. Eine Bäckerei gibt es im Quar- Stadtgrenze zu Dübendorf. Die Siedlung mit Bau- tier noch nicht. Mit der Bäckerei mit Café entsteht jahr 2015/2017 umfasst 320 Geschosswohnungen, im Mattenhof deshalb ein niederschwelliges An- 61 Reihenhäuser und 16 Einheiten für Gewerbe gebot, das eine attraktive Alternative für tagsüber und Gemeinschaftsräume. Sie befindet sich in ei- schafft. Es hebt sich von den traditionellen Beizen nem dynamischen Gebiet, dem allerdings ein Zent- im Umfeld ab. rum fehlt (Abbildung 4). 2015 ist die Versorgungssi- Läden für den täglichen Bedarf gibt es im Quar- tuation in Gehdistanz des Mattenhofs schlecht. Der tier fünf, drei davon in Gehdistanz. Dazu zählen ein Bahnhof Stettbach befindet sich am Siedlungsrand Coop Pronto, ein Spar und ein Indian Shop. Damals der Stadt Zürich. Das Zentrum Schwamendingen fehlt ein Grossverteiler. Der Bioladen im Mattenhof liegt 1.5 Kilometer entfernt, also ausserhalb der deckt das Bedürfnis einer Kundschaft ab, die Wert Gehdistanz. Mit dem gewerblichen Angebot in der auf hochwertige Lebensmittel legt. Siedlung Mattenhof versorgt die Genossenschaft Mit dem GZ Hirzenbach und der Missione Evan- nicht nur ihre Mitglieder, sondern auch das Quar- gelica Italiana gibt es zwei Gemeinschaftsangebote tier. Die Bevölkerungszahl und das Versorgungsan- im Quartier. Diese richten sich aber weniger an Se- gebot werden im Umfeld des Bahnhof Stettbachs nioren, für die der Mattenhof das Seniorencafé an- langfristig wachsen. bietet. Auch Gemeinschaftsgärten gibt es keine im Viele Dienstleistungen, die der Sunnige Hof im Quartierumfeld. Mattenhof einführte, haben wenig Konkurrenz Der von der Genossenschaft betriebene Coif- oder erweitern das bestehende Angebot für neue feur, die Reinigung und die Wäscherei sind Ange- Zielgruppen, die in das Quartier gezogen sind. bote, die wenig Konkurrenz im Umfeld vertragen. Abbildung 4. Siedlung Mattenhof im Quartierumfeld, nach Bauperioden und Bevölkerungsdichte. Quelle: GIS Kanton Zürich, Einwohnerdaten: Juni 2020; Gebäuderegisterdaten: Dezember 2019. Gebäudealter Einwohner pro 100m x 100m Vor 1931 1931 – 1950 1951 – 1970 1971 – 1990 0 1 – 40 41 – 80 81 – 120 121 – 160 1991 – 2010 Ab 2011 Mehr als 160
2 Entwicklung des Geschäftsmodells 17 Coiffeursalons gibt es nur einen weiteren in Geh- Siedlung Else Züblin, Standort «DasHaus» distanz, die Konkurrenz ist also überschaubar. Wä- ab 2020 schereien gibt es keine im Quartier. Anders sieht es im Umfeld der Siedlung Else Züblin Auch die Gemeinschaftspraxis und die Physio- aus, wo 2020 «DasHaus» als Neubau eröffnet wird therapie im Mattenhof stehen konkurrenzlos da. (Abbildung 5). Albisrieden ist ein gewachsenes Neben diesem Angebot gibt es nur das Pflegezen- Quartier. Das Versorgungsangebot in Gehdistanz trum Mattenhof. und im weiteren Umfeld ist gut. Die Siedlung bie- Anders sieht es beim Mobility-Angebot aus: tet 327 Wohnungen und 5 Einheiten für Gemein- das Unternehmen betreibt in 500m Distanz zwei schaftsräume in einem älteren und einem neueren weitere Standorte. Die Autos im Mattenhof müs- Teil. Mit dem Neubau «DasHaus» kommen zusätz- sen sich die Quartierkundschaft deshalb aufteilen. lich 78 Wohnungen und diverse Einheiten für Ge- Cargo-Velos werden noch keine im näheren Umfeld werbe dazu. Die Bewohnerzahl der gesamten Sied- angeboten. lung ist vergleichbar mit dem Mattenhof. Der vom Sunnige Hof betriebene Fitnessraum, Coiffeur, Reinigung und Wäscherei gibt es viele: der exklusiv von den Genossenschaftern genutzt 10 Coiffeursalons decken in Gehdistanz unter- werden kann, steht ohne Konkurrenz da: im Quar- schiedliche Stilrichtungen ab. Vier Unternehmen tier gibt es kein Fitnesscenter. Auch die vom Sun- bieten Reinigungsdienste an, drei Unternehmen nige Hof betriebenen Gästezimmer sowie Kinder- Textilpflege. hort und Kindergarten sind konkurrenzlos: Es gibt Die Gastronomie im Quartier ist vielfältig: in kein Hotel im Quartier und keine Kinderbetreuung Gehdistanz gibt es 13 Angebote, die vom Café über im näheren Umfeld. die Pizzeria, das Restaurant des Gemeinschaftszen- trums und eine gehobene Brasserie verschiedene Zielgruppenbedürfnisse abdecken. Abbildung 5. Siedlung Else Züblin im Quartierumfeld, nach Bauperioden und Bevölkerungsdichte. Quelle: GIS Kanton Zürich, Einwohnerdaten: Juni 2020; Gebäuderegisterdaten: Dezember 2019. Gebäudealter Einwohner pro 100m x 100m Vor 1931 1931 – 1950 1951 – 1970 1971 – 1990 0 1 – 40 41 – 80 81 – 120 121 – 160 1991 – 2010 Ab 2011 Mehr als 160
2 Entwicklung des Geschäftsmodells 18 Auch mit Praxen ist das Quartier gut versorgt: Es Ersatzneubausiedlung Mattenhof wohnen viele gibt 8 Angebote, von der klassischen Praxis über junge Menschen, etwas weniger Kinder und deut- chinesische Medizin, Physiotherapie und Psychia- lich weniger Senioren als in der Else Züblin (Abbild- trie, die zu Fuss erreichbar sind. ung 6). Der Mattenhof wurde in zwei Etappen abge- Für die Kinderbetreuung stehen 4 Kinderkrip- brochen und neu gebaut. Ein Viertel der Bewohnen- pen und eine Kindertagesstätte zur Verfügung, den der alten Reihenhäuser zog in den Ersatzneu- für den täglichen Bedarf sind mit Migros, Coop, bau, ebenso diverse Genossenschafter aus anderen Denner, Spar, Avia-Tankstelle und einer Bäckerei Siedlungen. In den 381 Wohnungen wohnen also sechs Läden erreichbar, die unterschiedliche Kauf- ein Kern aus bestehenden Genossenschaftern und kraft und Bedürfnisse abdecken. Neben dem Mo- viele neue, häufig junge Genossenschafter, von de- bility-Angebot in der Siedlung Else Züblin gibt es nen viele aus der Stadt Zürich, insbesondere aus drei weitere Standorte in Gehdistanz. Bedürfnisse Schwamendingen, und aus Dübendorf zuzogen. zu Gesundheit und Bewegung werden mit zwei Apotheken und einem Bootcamps erfüllt. Die Fus- spflege in der Siedlung deckt ein zusätzliches Be- 2.2 Anpassung des dürfnis ab. Das Quartier ist auch gut mit Gemein- schaftsangeboten ausgestattet: in Gehdistanz gibt Geschäftsmodells es das Gemeinschaftszentrum Bachwiesen und Die selbst betriebenen Pilot-Dienstleistungen wur- den Familiengartenverein Altstetten/Albisrieden. den im Jahr 2016 im Mattenhof eingeführt. Im Der Essbare Garten in der Else Züblin und das Seni- Frühjahr 2018 – zeitgleich mit dem Start der Be- orencafé, das explizit eine ältere Bewohnerschaft gleitstudie – stellte der Verwaltungsrat fest, dass anspricht, ergänzen diese Angebote. sie finanziell nicht mehr tragbar waren. Ein Grund für das Defizit war, dass die Inanspruchnahme Bewohnerstrukturen der Dienstleistungen durch die Genossenschafter Die Bewohner der Siedlungen Mattenhof und Else deutlich geringer als geplant war und aufgrund Züblin unterscheiden sich stark. In der älteren Sied- der Vorhalteleistungen des eigenen Personals ein lung Else Züblin gibt es viele Familien mit Kindern deutliches Missverhältnis zwischen Einnahmen im Vorschulalter sowie einen hohen Anteil Seni- und Ausgaben resultierte. oren, die teilweise über 90 Jahre alt sind. In der Der Verwaltungsrat kam zum Schluss, dass ein konsequenter Schnitt für alle am besten nachvoll- ziehbar sein würde und traf den Entscheid, die selbst betriebenen Angebote Coiffeur, Reinigung Abbildung 6. Altersverteilung in den Siedlungen. und Wäscherei einzustellen. Für den Verwaltungs- Daten: Sunnige Hof, Stand 2019. rat war es von grösster Bedeutung, dass die Mit- arbeitenden, die nicht weiterbeschäftigt werden 25% konnten, rasch wieder eine Arbeit fanden. Er un- 20% terstützte sie deshalb im Bewerbungsverfahren. So konnten alle einen Monat nach der Kündigung 15% einer neuen Beschäftigung nachgehen. 10% In diese Zeit fiel auch der Wechsel in der Ge- schäftsleitung. Der Verwaltungsrat holte einen Ge- 5% schäftsleiter ad Interim ins Unternehmen, der die 0% Aufgabe der Neuausrichtung ohne Vorkenntnisse der wohnbaugenossenschaftlichen Kultur über- 9 9 9 9 9 9 9 9 9 –9 –1 –7 –5 –2 –4 –3 –6 –8 –9 0 10 70 50 20 40 nahm. Die Begleitstudie wurde zwischenzeitlich 30 60 80 90 Albisrieden Mattenhof unterbrochen.
2 Entwicklung des Geschäftsmodells 19 Gründe für die Defizite Das stark defizitäre Mobility-Angebot wurde re- Die Gründe für das Missverhältnis zwischen Ein- dimensioniert, die Genossenschaft wechselte das nahmen und Ausgaben waren gemäss den Inter- Modell. views, die im Herbst 2018 geführt wurden, auf Die Geschäftsstelle schrieb das Angebot des mehrere Faktoren zurückzuführen. Eine Ursache Coiffeurs aus. Daraufhin meldete sich eine im war, dass Skaleneffekte nicht genutzt werden Quartierumfeld gut verankerte Person, die einen konnten: Der Businessplan ging ursprünglich von Kundenstamm mitbrachte. Der Betrieb läuft seit einer Einführung in allen Siedlungen aus. Mit der dem Neustart sehr gut. Grund dafür sind auch Reduktion auf den Pilotstandort Mattenhof konnte angepasste Öffnungszeiten. Der neue Salon ist im die erwartete Auslastung nicht erreicht werden. Gegensatz zu früher auch zu Randzeiten, an Feier- Eine weitere Ursache für das Defizit waren die tagen und samstags geöffnet. Mit dem Neustart hat hohen Lohnkosten. Diese konnten mit dem Ver- sich die Dienstleistungsqualität für die Kundschaft kauf der Dienstleistungen nicht gedeckt werden. verbessert. Der Businessplan ging zwar immer davon aus, dass Für die Wäscherei ging die Genossenschaft eine gewisse Angebote nicht selbsttragend sein wür- Kooperation ein. Das Unternehmen richtete eine den und nur im Gesamtpaket funktionierten. Die Annahmestelle ein, die dreimal wöchentlich von notwendige Quersubventionierung fiel allerdings 17 bis 20 Uhr und am Samstagvormittag geöffnet stärker als erwartet aus. war. Kunden werden innerhalb von zwei Tagen be- dient. Das erwünschte Volumen war nach einem Wahrnehmung bei den Genossenschaftern Jahr noch nicht erreicht, der Service stimmte je- In der Befragung, die im Frühjahr 2019 durchge- doch und der Betreiber konnte seine Kosten decken. führt wurde, konnten die Genossenschafter beur- Der Betreiber und die Geschäftsstelle versuchten teilen, wie sie den Entscheid des Verwaltungsrats, die selbstbetriebenen Dienstleistungen einzustel- len, wahrnahmen. In beiden Siedlungen stellte sich etwa die Hälfte der Befragten nach dem Entscheid Abbildung 7. Einschätzung des Verwaltungsrats- keine Fragen. Die Genossenschafter im Mattenhof entscheids durch die Genossenschafter. machten sich als direkt Betroffene mehr Gedanken Daten: Befragung 2019, n=316. zum Wechsel als jene in der Else Züblin. Die offenen Antworten zeigen unterschiedliche Schwerpunkte. Frage: «Im Frühjahr 2018 hat der VR entschieden, dass Im Mattenhof standen Fragen im Vordergrund, wie die Genossenschaft die personalintensiven Service- die Geschäftsstelle die Defizite erreichen konnte, dienstleistungen im Mattenhof nicht mehr selbst anbietet. was mit den Mitarbeitenden passierte und was mit Als Sie davon erfahren haben: Welche Fragen und den Genossenschaftern geschah, die die Services, Themen standen für Sie im Vordergrund?» insbesondere die Reinigung, nicht mehr nutzen konnten. In der Else Züblin stand die Frage im Vor- 14% 27% dergrund, weshalb der Verwaltungsrat nicht frü- her informierte (Abbildung 7). 45% 50% Auslagerungen von Dienstleistungen Der Verwaltungsrat entschied nach kurzer Zeit, die 41% eingestellten Angebote den Genossenschaftern in 23% Kooperation mit externen Anbietern wieder zur Verfügung zu stellen. Die Servicepauschale für die Mattenhof Else Züblin Gemeinschaftsangebote Fitnessraum, Gästezim- Diverse Fragen / Themen Für mich gab es keine Fragen mer, Seniorencafé und Treffpunkt wurde reduziert. Weiss nicht / ich kann mich nicht erinnern
2 Entwicklung des Geschäftsmodells 20 auch, eine Nachfrage von aussen zu generieren, un- struktur-Anforderungen der externen Dienstleis- ter anderem bei Firmen im Umfeld. In einem zwei- ter, und in betriebliche Kosten. ten Schritt wurde eine 24h Abhol- und Bringstation Die Einnahmen für «DasHaus» bestehen aus mit Garderobenkästen eingerichtet, womit sich die den Komponenten Miete, Bereitstellungkosten, Personalkosten und damit auch die Gesamtkosten Servicepauschale und Nebenkosten. Die Bereit- reduzierten. Das Bringen und Holen der Wäsche stellungskosten umfassen nicht unmittelbar in war nun rund um die Uhr mit einem Code möglich, Anspruch genommene, aber bereitstehende Leis- der persönliche Kontakt entfällt mit diesem Mo- tungen. Sie sind eine Art Versicherungspolice, die dell. Das Angebot ist skalierbar und kann standor- neben dem Mietzins zu bezahlen ist. tunabhängig und jederzeit in weiteren Siedlungen Die Pflegeabteilung muss selbsttragend sein. eingeführt werden. Dazu ging der Sunnige Hof eine Kooperation mit Die Reinigung wurde neu ausgerichtet. Eine der für Pflegeleistung spezialisierten Firma Sen- frühere Reinigungskraft machte sich selbständig sato AG ein. Gemeinsam gründeten sie die Gesell- und übernahm bisherige Kunden. Das Angebot der schaft Vivimus AG mit einer Mehrheitsbeteiligung Reinigungsfirma, die der Sunnige Hof als Koopera- durch den Sunnige Hof. Die Vivimus AG mietet die tionspartner aufbaute, wurde von den Siedlungs- Räume der Pflegeabteilung. Die Pflege wird von der bewohnenden hingegen nicht akzeptiert. Die Part- Casa Vivimus AG betrieben. Diese ist auch Inhabe- nerschaft wurde nach einem Jahr aufgelöst. rin der kantonalen Bewilligung. Mit dem Betrieb Alle Angebote wurden mit dem Neuanfang teu- der Pflegeabteilung durch Casa Vivimus AG und der rer. Die Preissteigerung wurde mit Ausnahme des rechtlichen Separierung ist das finanzielle Risiko Reinigungsangebots der externen Anbieter von für den Sunnige Hof überschaubar. Der Sunnige den Genossenschaftern gut angenommen. Hof kann im Rahmen der Verträge Einfluss auf die Bis zum Abschluss der Studie im Jahr 2021 gab Dienstleistungsqualität nehmen. es auch Wechsel bei den Mietern der Gewerbeflä- Auch die weiteren Dienstleistungen müssen chen: Der Hofladen zog nach vier Jahren aus, weil selbsttragend sein. In der Servicepauschale von er die wirtschaftlichen Ziele nicht erreichte. Ein 200 Franken für «DasHaus» sind die selbst betrie- anderer Bioladen übernahm die Geschäftsflächen. benen Dienstleistungen, also Personalkosten für Grund für den mangelnden Umsatz war nicht die die Reinigung und den Betrieb des Fitnessraums, fehlende Nachfrage, sondern ein Angebot, das zu der Sauna, des Weinkellers, des Gymnastikraums wenig auf die Bedürfnisse der Kundschaft aus- und der Gästezimmer enthalten. Der selbst betrie- gerichtet war. Auch die Bäckerei wurde nach vier bene Concierge wird über die Bereitstellungskosten Jahren aufgrund von betriebswirtschaftlichen De- finanziert. Das Restaurant wird verpachtet. Es stellt fiziten geschlossen und von einem Café mit Bäcke- für den Sunnige Hof ein indirektes wirtschaftli- reiangebot und Mittagsmenü abgelöst. Das neue ches Risiko im Falle eines Mietzinsausfalls durch Café bietet abends einen gut laufenden Barbetrieb Pächterwechsel dar. Der Sunnige Hof konnte mit an, der auf die jüngere Bewohnerschaft im Matten- der Wahl des Mieters Einfluss auf die Ausrichtung hof und im Quartier ausgerichtet ist. der Gastronomie nehmen und ein Vertrauensver- hältnis aufbauen. Die Weiterentwicklung des An- Finanzierungsmodell für «DasHaus» gebots baut auf dem gegenseitigen Vertrauensver- Nicht nur die Pilotdienstleistungen im Matten- hältnis auf. hof, auch das Konzept für «DasHaus» in der Sied- lung Else Züblin West wurde unter Einbindung Dienstleistungs- und Wohnungsangebot der Genossenschafter überarbeitet. Betriebswirt- «DasHaus» schaftlich wurden nun alle Kosten sauber getrennt Der Sunnige Hof realisierte im «DasHaus» einen dargestellt: In bauliche Kosten für erhöhte Infra- Wohnungsmix, der auf ältere Alleinstehende und Paare ausgerichtet ist. Im 5. Obergeschoss gibt es
2 Entwicklung des Geschäftsmodells 21 wenige Attika-Wohnungen, die sich auch an jün- eingerichtet und die Bewohnerinnen und Bewoh- gere Zielgruppen und Familien richten. Im Woh- ner können die Dienste der Spitex im hauseigenen nungsmix werden drei 1.5-Zimmer-Wohnungen Spitin-Zimmer, in Anspruch nehmen. Die Casa Vi- mit ca. 38m , 49 2.5-Zimmerwohnen mit ca. 60 2 vimus AG betreibt auf der Pflegestation 18 Betten bis 90m , 22 3.5-Zimmerwohnungen mit ca. 70 bis 2 (Abbildung 8). 140m 2 und vier 4.5-Zimmerwohnungen mit ca. 130 bis 140m 2 angeboten. Entsprechend der grossen Bandbreite der Wohnflächen kosten die Wohnun- gen netto, also ohne Akonto Betriebskosten und der Servicepauschale von 200 Franken, zwischen 885 und 3690 Franken. Wohnungen mit Nettomiet- zins über 2000 Franken machen ca. 17% des Woh- nungsangebots aus, Wohnungen für weniger als 1500 Franken rund die Hälfte. Sechs Wohnungen werden an Personen vermietet, die Ergänzungsleis- tungen beziehen. Der Sunnige Hof bietet im «DasHaus» einen Treffpunkt, drei Gästezimmer, einen Fitnessraum, eine Sauna, einen Gymnastikraum, ein Senio- rencafé und einen Weinkeller an. Externe Part- ner betreiben das Restaurant, den Coiffeur, eine Schmerztherapie, ein Yogastudio und den Wäsche- service. In allen Wohnungen ist ein Notfalldienst Abbildung 8. Siedlungspläne Mattenhof und Else Züblin. Quelle: GIS Kanton Zürich. Mattenhof Else Züblin 1) Spielplatz, 2) Kindergarten, 3) Kita, 4) Physiocare, 1) «DasHaus» 2) Yogastudio, 3) Physio, 4) Gästezimmer, 5) Arztpraxis, 6) Café/Bäckerei/Restaurant, 7) Coiffeur, 5) Treffpunkt, 6) Spitin, 7) Fitness, 8) Sauna, 9) Gymnastik, 8) Fitnessraum, 9) Treffpunkt, 10) Concierge, 11) Restaurant, 12) Coiffeur, 13) Kindergarten
23 3 Ergebnisse aus dem Pilotprojekt Die Nutzung der Dienstleistungen im Mattenhof 3.1 Nutzerverhalten im wird mit einer Befragung der Bewohnerinnen und Bewohner im Jahr 2019 dokumentiert. Die Pilotprojekt Mattenhof Befragung wurde in verkürzter Form auch im äl- Zum Zeitpunkt der Datensammlung war das teren Teil der Siedlung Else Züblin durchgeführt, Geschäftsmodell bereits weiterentwickelt. Die ein Jahr vor dem Bezug von «DasHaus». Zusätzlich Dienstleistungen Wäscherei, Reinigung und Coif- werden Nutzerdaten der Anbieter ausgewertet. Die feur wurden von Partnern, und nicht vom Sunnige Erkenntnisse ermöglichen Rückschlüsse auf das Hof, erbracht. Nutzerverhalten und den Mehrwert, den die unter- suchten Dienstleistungen erbringen. Die Erkennt- Einschätzung der Dienstleistungen, Mattenhof nisse lassen sich auch in einen Zusammenhang Die Einschätzung der Dienstleistungen durch die mit Bewohnertypen setzen, die unterschiedlich Befragten zeigt, wo die Prioritäten aus Nutzersicht auf die Dienstleistungen ansprechen. Der Sun- liegen. Die Befragten gaben pro Dienstleistung an, nige Hof nutzte die Erkenntnisse zur Finalisierung wie häufig sie diese nutzen, wie wichtig sie ihnen des Konzepts «DasHaus». Die Inbetriebnahme von sind und wie hoch ihre Zahlungsbereitschaft im «DasHaus» im Jahr 2020 wird anhand von Inter- Vergleich zu ähnlichen Dienstleistungen ist, die views mit Vertreterinnen des Sunnige Hofs doku- nicht im Sunnige Hof angeboten werden. Die Ein- mentiert. schätzung wird für Senioren und jüngere Generati- onen separat ausgewiesen (Abbildung 9). Abbildung 9. Nutzungshäufigkeit, Wichtigkeit und Zahlungsbereitschaft (Kreisgrösse) der Dienstleistungen, ein- geschätzt von unter 65-Jährigen (Links, Daten: Befragung 2019, n=129) und 65-Jährigen und älter (Rechts, Daten: Befragung 2019, n=30) aus dem Mattenhof. 4.0 4.0 Wichtigkeit Wichtigkeit 2.5 2.5 Quartierbäckerei Quartierbäckerei Seniorencafe Fitnessraum Bioladen Bioladen Fitnessraum Arztpraxis Arztpraxis 1.0 2.5 4.0 1.0 2.5 4.0 Häufigkeit Häufigkeit Unter 65-jährig 65 Jahre und älter
3 Ergebnisse aus dem Pilotprojekt 24 Grundsätzlich zeigt sich auch in der Befragung, Einschätzung der Dienstleistungen, dass in der Siedlung eher selten Dienstleistungen Else Züblin in Anspruch genommen werden. Am beliebtesten In der Siedlung Else Züblin nutzen die Befragten die ist und häufig genutzt wird generationenunab- Dienstleistungen vor allem, um Kontakte zu Nach- hängig der Quartierbeck, für den auch eine hohe barn zu pflegen, beispielsweise im Seniorencafé. Zahlungsbereitschaft besteht. Ältere Befragte nut- Der Essbare Garten wird aus Freude am Gärtnern zen und schätzen an zweiter Stelle das Senioren- und als didaktisches Element für Kinder genutzt. café, Junge den Fitnessraum. Beiden Angeboten ist Am Gästezimmer und an Mobility schätzen die Be- gleich, dass die Zahlungsbereitschaft gering ist: Sie fragten die Verfügbarkeit. werden häufig genutzt, weil sie über die Service- Die Befragten aus der Siedlung Else Züblin wün- pauschale abgedeckt werden. Alle Generationen schen sich zusätzlich zum Vorhandenen am ehes- schätzen das Ärztezentrum, auch wenn sie es nicht ten Freizeitangebote wie einen Treffpunkt für alle häufig nutzen. Viele kaufen regelmässig im Biola- oder einen Mehrzweckraum für Yoga, Pilates oder den ein, beurteilen das Angebot aber als weniger Fitness. Diese Angebote werden sie mit der Eröff- wichtig. Die weiteren Angebote werden deutlich nung von «DasHaus» zur Verfügung haben. weniger intensiv genutzt. Für die jüngeren Genera- Die Befragten aus der Siedlung Else Züblin konn- tionen spielt die Kinderkrippe, für die Senioren der ten auch die künftigen Angebote von «DasHaus» Coiffeur eine gewisse Rolle im Alltag. bewerten. Gegen den Konsum der Dienstleistun- Im Mattenhof nutzen die Befragten die Ange- gen spricht auch hier, dass kein Bedarf besteht. bote vor allem wegen den kurzen Wegen, aber auch, Eine weitere häufige Antwort ist, dass es bereits um Kontakte zu Nachbarn zu pflegen (z.B. Bäckerei, viele Angebote im Quartier gibt und man diese Seniorencafé) oder wegen der guten Qualität der nicht konkurrenzieren sollte. Das Projekt wird Produkte (z.B. Bäckerei, Bioladen). Weniger häufig in diesem Zusammenhang kritisch hinterfragt: genannte Gründe sind Bequemlichkeit und Zeiter- Einige Befragte beurteilen den geplanten Wein- sparnisse sowie der günstige Preis, z.B. für das Gäs- keller, das geplante Restaurant und den Wellness- tezimmer oder den Fitnessraum. bereich sowie weitere Dienstleistungen als über- Bei vielen spielt in den geringen Konsum, dass flüssig. sie kein Bedürfnis nach den Dienstleistungen ha- ben. Ein weiterer Grund ist der zu hohe Preis, etwa Einfluss auf das Nutzerverhalten beim Bioladen, Coiffeur oder beim Wäscheservice. Damit das Nutzerverhalten in einen Kontext ge- Weniger häufig nennen die Befragten, dass es an- setzt werden kann, beantworteten die Befragten dere Orte des Vertrauens gibt bzw. die Angebots- auch Fragen zur Wohnzufriedenheit, zum Zugehö- qualität anderswo höher ist, oder dass man sich mit rigkeitsgefühl zur Siedlung, den Kontakten in der anderen Dienstleistern abgrenzen möchte. Siedlung und zum Bezug zum Quartier. Gefragt nach Angeboten, die fehlen würden, Eine Regressionsanalyse zeigt, welche Variab- nennen die Befragten am häufigsten, dass ein ge- len sich auf das Nutzerverhalten auswirken. Der wöhnlicher Laden wie Coop, Migros oder Volg dem wichtigste Grund, weshalb im Mattenhof Dienst- Bioladen vorgezogen würde, dass Kinderangebote leistungen beansprucht werden, ist der Wunsch gewünscht wären oder dass der Gemeinschafts- danach: Die Dienstleistungen waren für ein Drittel raum für private Zwecke freigegeben werden sollte. der Befragten ein Zuzugsgrund in den Mattenhof. Letzteres setzt der Sunnige Hof zwischenzeitlich Dieser Drittel nutzt die Angebote signifikant häufi- um. Als überflüssig bewerten einige Befragte die ger, verglichen mit den anderen: Das Konzept zieht Wäscherei, den Bioladen und den Coiffeur. also seine Nutzer an. Damit hängt auch die Ein- schätzung der Service-Pauschale von monatlich 33 Franken zusammen: Ein Viertel findet den Betrag
3 Ergebnisse aus dem Pilotprojekt 25 zu hoch. Wer ihn als zu hoch einschätzt, nutzt die aus der Siedlung nutzen das Angebot. Die Gäste- Dienstleistungen deutlich seltener als die anderen. zimmer sind in etwa dreissig bis vierzig Prozent der Einen Einfluss auf die Nutzung haben auch per- Nächte ausgebucht und knapp selbsttragend. sönliche Netzwerke in der Siedlung: Wer viele Kon- Der Notrufdienst wird nur von einer kleinen takte pflegt, nutzt die Angebote häufiger. Schliess- Minderheit der über 80-Jährigen genutzt. 90 Pro- lich spielt das Arbeitsleben eine Rolle: wer Vollzeit zent dieser Alterskohorte nutzt das Angebot nicht. arbeitet, nutzt die Dienstleistungen in der Siedlung Auch der Feriendienst wird wenig genutzt. häufiger, Senioren nutzen sie seltener. Etwa drei Prozent der Haushalte im Mattenhof sind im Verein des Gemeinschaftsgartens engagiert Zusammensetzung der Kundschaft und mindestens einmal pro Woche einige Stunden Mit den Nutzerdaten der Anbieter aus den beiden aktiv. Der Verein ist stabil, mit gelegentlichen Ab- Siedlungen kann nachvollzogen werden, wie die gängen und Neuzugängen. Auch die Carvelo2Go Kundschaft zusammengesetzt ist. nutzen nur etwa drei Prozent der Haushalte. Die Der Bioladen im Mattenhof profitiert deutlich Velos können im Bioladen abgeholt werden. Gut von der Kundschaft aus der Siedlung: rund ein Vier- zwei Drittel der Nutzer wohnen im Mattenhof, ein tel wohnt im Mattenhof, die anderen anderswo. Drittel wohnt ausserhalb. Beides sind Nischenan- Von der Kundschaft sind schätzungsweise zwanzig gebote für spezifische Zielgruppen. Bei Mobility Prozent über 65 Jahre alt, was etwa dem Altersan- machen die Siedlungsbewohnenden die Mehrheit teil in der Siedlung und im Quartier entspricht. der Kundschaft aus: in der Siedlung Else Züblin sind Von der Kundschaft der Physiocare wohnen es 75 Prozent, im Mattenhof zwei Drittel. knapp zwanzig Prozent im Mattenhof. Auch diese Anbieterin profitiert von der Nachfrage aus der Siedlung. Dasselbe Verhältnis gilt für die Fuss- pflege, die in der Siedlung Else Züblin angeboten wird. Die Fusspflege ist ein zielgruppenspezifisches Angebot für Senioren. Nur wenige sind jünger als 65 Jahre. Das Fitnessstudio im Mattenhof ist ein erfolgrei- ches Angebot. Knapp zwanzig Prozent der Bewoh- nenden haben sich für den Zugang zum Fitness- raum registriert. Täglich nutzen knapp zwanzig Personen das Angebot. Die Nutzungsintensität va- riiert: Mehr als ein Drittel nutzt den Fitnessraum mindestens zweimal pro Woche. Ein Drittel nutzt den Fitnessraum zu Randstunden, also entweder vor 7 Uhr oder nach 19 Uhr. Viele nutzen ihn am Wochenende. Zwanzig Prozent der Nutzenden sind über 65 Jahre alt, was dem Anteil in der Siedlung entspricht. Im Kindergarten im Mattenhof überwiegen Kinder, die in der Siedlung wohnen. Sie machen fast zwei Drittel der Auslastung aus. Auch die Hälfte der Kinder der Kindertagesstätte wohnt im Mattenhof. Das Seniorencafé im Mattenhof ist gut besucht. Zwischen zehn und zwanzig Prozent der Senioren
3 Ergebnisse aus dem Pilotprojekt 26 3.2 Mehrwert der Dienst- aus dem Quartier getragen werden, sofern sie nicht mit wenig Aufwand selbst betrieben und bereitge- leistungen stellt werden können. Beispiele aus dem Mattenhof Die Nutzerinformationen lassen Rückschlüsse auf und der Else Züblin sind die Gemeinschaftspraxis, den Mehrwert der Dienstleistungen im Mattenhof Mobility, Carvelo2Go und die Fusspflege sowie das und in der Else Züblin zu. Dieser entsteht in fünf Di- Gästezimmer als weniger aufwändiges Angebot. mensionen. Es gibt Dienstleistungen, die Mehrwert in einer Dimension schaffen. Andere Dienstleistun- Servicequalität gen bieten einen Mehrwert in mehreren Dimensio- Ein Mehrwert wird auch dann generiert, wenn nen (Abbildung 10). Dienstleistungen eine Qualität bieten, die sich von vergleichbaren Dienstleistungen im Umfeld Treffpunktqualität unterscheidet. Die Qualität kann sich aus der per- Ein zentraler Mehrwert von Dienstleistungen ist sönlichen Dienstleistung, einer hohen Produkt- die Treffpunktqualität. Nutzer können Kontakte qualität oder einem bestimmten Wert ergeben. zum Anbieter pflegen oder wissen, dass sie beim Beispiele aus dem Mattenhof sind der Bioladen, der Anbieter auf bekannte Gesichter treffen, mit denen für nachhaltige Produkte aus der Region steht, das sie sich austauschen können. Zu den Angeboten Seniorencafé, das eine persönliche Dienstleistung mit Treffpunktqualität zählen sowohl kommerzi- verspricht oder Carvelo2Go, das für eine zukunfts- elle als auch gemeinnützige Angebote. Beispiele in gerichtete Mobilität steht. Was als Servicequalität den Siedlungen Mattenhof und Else Züblin sind der wahrgenommen wird, ist allerdings sehr zielgrup- Bioladen, die Bäckerei, der Gemeinschaftsgarten penspezifisch. Dass Meinungen auseinandergehen, oder das Seniorencafé. Die Wäscherei erfüllte die zeigte sich bei der Einschätzung des Bioladens, den Treffpunktqualität nicht mehr, nachdem sie auf die einen qualitativ hochwertig und die anderen das Selbstabholer-Modell umgestellt wurde. zu teuer und zu wenig alltagstauglich finden. Car- velo2Go spricht beispielsweise nur eine spezifische, Hoher Alltagsnutzen auf alternative Mobilitätsformen ausgerichtete Dienstleistungen im unmittelbaren Wohnumfeld Zielgruppe an. stiften einen Mehrwert, wenn sie einen hohen Alltagsnutzen haben und dazu beitragen, Zeit für Zugang zu Randstunden andere Dinge freizuspielen. Beispiele aus dem Mat- Schliesslich bieten Dienstleistungen im Wohn- tenhof sind der Fitnessraum, die Kita oder die Bä- umfeld einen Mehrwert, wenn sie ausserhalb der ckerei. Die Konkurrenzfähigkeit solcher Angebote gewöhnlichen Öffnungszeiten verfügbar sind. Bei- ergibt sich in erster Linie aus den kurzen Wegen. spiele aus dem Mattenhof sind der 24-h-zugängli- Preis und Qualität können die Attraktivität stei- che Fitnessraum oder die Bäckerei mit Sonntags- gern. So würde das Fitness kaum von so vielen Be- öffnungszeiten. wohnern genutzt, wenn der Zugang mit Marktprei- sen verbunden wäre. Verfügbarkeit Andere Dienstleistungen stiften einen Mehrwert, weil sie verfügbar sind. Sie werden zwar nur sel- ten in Anspruch genommen. Ihre Verfügbarkeit schafft aber Sicherheit, dass sie im Falle des Falles schnell und gut zugänglich sind. Weil die Angebote von den Siedlungsbewohnern selten genutzt wer- den, müssen sie von einer Nachfrage von Kunden
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