Ökofaire Beschaffungspraxis in Kirche und Diakonie - Potentiale, Hemmnisse und Handlungsperspektiven
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
05 Ökofaire Beschaffung I Studie DIALOG Ökofaire Beschaffungspraxis in Kirche und Diakonie Potentiale, Hemmnisse und Handlungsperspektiven
Danksagung Wir danken allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern der postalischen Befragung und der Tiefen- interviews für die Mitarbeit. Impressum Herausgeber: Diakonisches Werk der EKD e. V. für die Aktion „Brot für die Welt“ Stafflenbergstraße 76 70184 Stuttgart Telefon: 0711/2159-568 E-Mail: kontakt@brot-fuer-die-welt.de www.brot-fuer-die-welt.de Evangelischer Entwicklungsdienst e.V. (EED) Ulrich-von-Hassell-Str. 76 53123 Bonn Telefon: 0228/8101-0 E-Mail: eed@eed.de www.eed.de Autorin: Jiska Gojowczyk unter Mitarbeit von Daniel Duarte und der Projektleitung von Friedel Hütz-Adams, SÜDWIND e.V. Redaktion: Brigitte Binder, Dr. Thorsten Göbel, Jörg Jenrich, Dr. Klaus Seitz, Dr. Margarita Sigle Layout: Jörg Jenrich V.i.S.d.P: Thomas Sandner Titelfoto: Frank Schultze Art.Nr.: 129 600 850 Spenden: Brot für die Welt Konto 500 500 500 Bank für Kirche und Diakonie, BLZ: 1006 1006 IBAN: DE10100610060500500500, BIC: GENODED1KDB Stuttgart, September 2011
Ökofaire Beschaffungspraxis in Kirche und Diakonie Potentiale, Hemmnisse und Handlungsperspektiven Jiska Gojowczyk (SÜDWIND e.V.)
Inhalt Vorwort 7 1 Einleitung 9 2 Willen bekunden: Beschlüsse und Initiativen 11 2.1 Fokus Klimaschutz und Energiemanagement 11 2.2 Beschlüsse und Initiativen zu ökofairer Beschaffung 13 3 Beschaffungswesen auf dem Prüfstand 16 3.1 Allgemeines zur Auswahl der postalischen Befragung 16 3.2 Spezielle Bereiche der Beschaffung 17 3.2.1 Verpflegung 18 3.2.2 Energie: Strom und Heizenergie 22 3.2.3 Bürobedarf 27 3.2.4 Mobilität 29 3.3 Schätzung der Gesamtbeschaffung nach Einrichtungskategorie 32 3.3.1 Beschaffungsvolumen der diakonischen Krankenhäuser 32 3.3.2 Beschaffungsvolumen der Kinder- und Jugendhilfe 33 3.3.3 Weitere Einrichtungen und Probleme 34 4 Übergreifende Aspekte der Beschaffung 36 4.1 Analyse nach Einrichtungskategorien 36 4.1.1 Kirchengemeinden 36 4.1.2 Kindertagesstätten und Kindergärten 37 4.1.3 Verwaltungseinrichtungen 37 4.1.4 Ausbildungsstätten 37 4.1.5 Tagungshäuser, Bildungsstätten, Akademien 37 4.1.6 Alten- und Krankenhilfe 38 4.1.7 Behindertenhilfe und Kinder- und Jugendhilfe 38 4.2 Zufriedenheit und Informiertheit bezüglich der Beschaffungspraxis laut Umfrage 39 4.3 Kirchengemeinden und kleine Einrichtungen: Hinweise zu der Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen 40 4.4 Anbieter von Rahmenverträgen 40 4.5 Forderungskatalog 41
Abbildungen und Tabellen 5 Lea pflanzt Bäume – was tut die Kirche? 43 6 Tabellen, Listen und Kategorien 46 7 Beschlüsse der EKD und ihrer Gliedkirchen, der Diakonie sowie weiterer evangelischer Kirchen und Verbände 54 8 Leitfäden, Internetportale 63 9 Links, Kontakte und weitere Informationen 65 10 Literaturverzeichnis 67 Abbildungen Abbildung 1: Index zum Nachhaltigkeitsengagement in den Einrichtungen der Stichprobe 11 Abbildung 2: Wie viel Kaffee wird in Deutschland getrunken? 21 Abbildung 3: Sachkosten von Krankenhäusern, 2009 33 Tabellen Tabelle 1: Index zum Nachhaltigkeitsengagement in den Einrichtungen der Stichprobe 16 Tabelle 2: Jährliche Gesamtbeschaffung im Bereich Verpflegung 46 Tabelle 3: Beispiel Fleisch 46 Tabelle 4: Beispiel Kaffee — Menge 47 Tabelle 5: Beispiel Kaffee — Preis 47 Tabelle 6: Anteil ökofairer Beschaffung von Verpflegung in verschiedenen Einrichtungskategorien 48 Tabelle 7: Verbrauchs- und Schätzwerte von Strom 48 Tabelle 8: Verbrauchs- und Schätzwerte von Heizenergie 49 Tabelle 9: Beschaffung des Bürobedarfs 49 Tabelle 10: Anzahl der Arbeitsplätze mit Computer (Bestand) 50 Tabelle 11: Beschaffung von Papier 50 Tabelle 12: Bestand und Schätzwert von Pkws 51
Abkürzungsverzeichnis BAGFW Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege BEGECA Beschaffungsgesellschaft für kirchliche, caritative und soziale Einrichtungen BHKW Blockheizkraftwerk BMU Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit BSW Bundesverband Solarwirtschaft DEKT Deutscher Evangelischer Kirchentag EED Evangelischer Entwicklungsdienst EMAS Eco-Management and Audit Scheme/EU-Öko-Audit EKD Evangelische Kirche in Deutschland ESG Evangelische Studierendengemeinde FSC Forest Stewardship Council HKD Handelsgesellschaft für Kirche und Diakonie IT Informationstechnik KATE Kontaktstelle für Umwelt & Entwicklung KSE Gesellschaft zur Energieversorgung der kirchlichen und sozialen Einrichtungen WDS Wirtschaftsdienste für Sozialeinrichtungen Zentral-GmbH WGKD Wirtschaftsgesellschaft der Kirchen in Deutschland ZEB Zentrum für Entwicklungsbezogene Bildung
Ökofaire Beschaffung I Studie 05 DIALOG Vorwort unerträglichen Arbeitsbedingungen und zu Hungerlöh- nen für den Weltmarkt Rohstoffe fördern, Güter produ- zieren oder Dienstleistungen erbringen. In den globalen Die Kirchen treten für Gerechtigkeit, Frieden und die Wirtschaftskreisläufen und in unserem täglichen Verhal- Bewahrung der Schöpfung ein. Ihr Ruf nach einer ge- ten als Verbraucherinnen und Verbraucher haben sich rechten, lebensdienlichen Wirtschaftweise und nach diese Erkenntnisse noch kaum niedergeschlagen. Dabei einem nachhaltigen Lebensstil richtet sich nicht nur an könnten gerade die Kirchen mit ihrer Einkaufsmacht andere, sondern auch an sie selbst. Damit stellen sich eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Trendwende auch Fragen an das Wirtschaftshandeln der Kirchen, der für mehr Fairness und die Bewahrung der natürlichen Diakonie und ihrer Einrichtungen. Lebensgrundlagen anstoßen. Die vorliegende Studie bestätigt dies in vielerlei Hinsicht. Fast 766 Millionen Die Synode der EKD hat anlässlich ihrer Tagung 2008 Euro jährlich geben beispielsweise die stationären Ein- in Bremen mit ihrer Kundgebung zu „Klimawandel richtungen der Diakonie für Lebensmittel aus. Der An- – Wasserwandel – Lebenswandel“ deutlich zum Aus- teil an biologisch angebauten oder fair gehandelten Pro- druck gebracht: dukten ist dabei noch verschwindend gering. „Ein zukunftsfähiger Lebenswandel verlangt von In dieser Studie werden die Potenziale für eine ökofaire uns Veränderungen in unserer Beziehung zur Beschaffung in Kirche und Diakonie sichtbar gemacht. Natur, im Verbraucherverhalten, in den Produk- Die Autorin zeigt beispielhaft, welche Schritte bereits tionsbedingungen, in der Energieerzeugung, in unternommen wurden und fortgeführt werden sollten der Wirtschaftspolitik, bei der Geldanlage und und wo die größten Hemmnisse liegen. Deutlich wird in vielen anderen Lebenswirklichkeiten. Wir dabei: Ökofaire Beschaffung ist in diakonischen und als Christenmenschen und Kirchen müssen kirchlichen Einrichtungen noch längst nicht die Regel. uns selbst in die Pflicht nehmen und uns dafür Ökofaire Einkaufskriterien bleiben trotz diverser Be- einsetzen, dass die Gesellschaft in all ihren Le- schlüsse in der Praxis oft nur bedrucktes Papier ohne bensbereichen umsteuert.“ Konsequenzen. Die konsequente Berücksichtigung ökologischer und Wie die Untersuchungen zeigen, nutzen viele kirchliche sozialer Standards in der eigenen Beschaffungspraxis ist Einrichtungen die Möglichkeiten zur Umstellung nicht ein solcher Schritt des Umsteuerns; und ein Beitrag zur ausreichend und behaupten dennoch, dass sie mit der eigenen Glaubwürdigkeit. In diesem Sinne hat auch die Art und Weise ihres Wirtschaftens zufrieden sind. Die Synode der EKD bei ihrer Tagung 2010 die Erwartung alten Routinen sind vielerorts noch nicht aufgebrochen. formuliert, Oft fehlen auch personelle oder finanzielle Ressourcen, um Veränderungen initiieren und kontinuierlich beglei- „dass die Institutionen der EKD sowie die Lan- ten zu können. deskirchen im Rahmen der Beschaffung und Be- wirtschaftung ihrer Einrichtungen ökologische Die Studie zeigt aber auch ermutigende Beispiele. So und soziale Kriterien berücksichtigen.“ sind viele Kirchengemeinden und Basisgruppen mit großer Kontinuität für den Fairen Handel aktiv. Erfolg- Wir wissen längst um das Ausmaß der weltweiten Un- reich sind auch Initiativen beispielsweise im Bereich des gerechtigkeit und um die ökologischen Gefahren, die kirchlichen Umweltmanagements, das ökumenische die Lebenschancen gegenwärtiger und zukünftiger Ge- Projekt „Zukunft einkaufen“ oder die Aktion „Fairer nerationen bedrohen. Und wir wissen nicht erst seit Kaffee in die Kirchen“. Sie fördern ein Bewusstsein für heute um die Konsequenzen, die unser Konsum auf die eine andere Beschaffungspraxis und bieten praxisnahe Menschen in den ärmeren Ländern hat, die oft unter Hilfestellungen. 7
Ökofaire Beschaffung I Studie 05 DIALOG Die Kirchen können angesichts ihrer wirtschaftlichen Marktmacht zu einem Motor des Wandels werden. Der Stillstand der internationalen Verhandlungen für ein Klimaabkommen nach Ablauf des Kyoto-Protokolls führt vor Augen, dass wir nicht warten können, bis die Probleme „im Großen“ gelöst sind. Es braucht neben politischen Initiativen auch vor Ort konkrete und pra- xisbezogene Unterstützung und jede Menge Kreativität, um neue Wege zu gehen. Kirche und Diakonie haben das Potential, eine Vorreiterrolle einzunehmen, indem sie nachhaltig wirtschaften. Es ist höchste Zeit für glaub- würdiges Handeln. Pfarrerin Cornelia Füllkrug-Weitzel Direktorin Brot für die Welt Tilman Henke Vorstand Evangelischer Entwicklungsdienst 8
Ökofaire Beschaffung I Studie 05 DIALOG 1 Einleitung Das Bekenntnis von Accra Auszug aus der Erklärung der 24. Generalversamm- Mit dem Konziliaren Prozess in den 1980er Jahren lung des Reformierten Weltbundes, Accra 2004:V sind Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung zu Grundwerten in der weltweiten ökumenischen „33. Wir verpflichten uns, einen globalen Bund für Bewegung geworden. Die Forderung der Kirchen wirtschaftliche und ökologische Gerechtigkeit im nach einem nachhaltigen Lebensstil und einem Haushalt Gottes zu suchen.“ ökologischen Wirtschaften hat Veränderungen auf vielen gesellschaftlichen Ebenen bewirkt. Wenn „42. Abschließend erklären wir mit Nachdruck, dass die Kirchen aber glaubwürdig sein wollen, dann wir uns verpflichten, unsere Zeit und unsere Energie muss auch ihr eigenes Handeln von christlichen darauf zu verwenden, die Wirtschaft und die Umwelt Grundwerten bestimmt sein. Gerade in der Be zu verändern, zu erneuern und wiederherzustellen schaffungspraxis evangelischer Institutionen wird und damit das Leben zu wählen, auf dass wir und deutlich, dass hier ein großes Defizit besteht. unsere Nachkommen leben können (5.Mo 30,19).“ Die folgende Studie überprüft die Beschaffungspraxis in Einrichtungen der evangelischen Kirchen und der Di- sind aber so vielseitig und breit gestreut, dass die zu- akonie in Deutschland. Welche Bemühungen gibt es? verlässige Bestimmung des gesamten Beschaffungsvolu- Wo liegen Potentiale und was hemmt eine ökofaire Be- mens in den evangelischen Kirchen einschließlich der schaffung in bestimmten Bereichen und Einrichtungen? Diakonie an dieser Stelle nicht machbar ist. Um dies zu Wie sehen konkrete Handlungsperspektiven aus? ermöglichen sind zentralisierte und zugängliche Daten zu beschaffungsrelevanten Aspekten des kirchlichen Unter Beschaffung wird hier der Erwerb und die Be- Wirtschaftens in Deutschland erforderlich, die derzeit reitstellung aller Waren oder externen Dienstleistungen nicht erfasst werden. verstanden, die in einer Einrichtung oder Kirchenge- meinde benötigt werden. Die Zusammenarbeit mit Die vorliegenden Ergebnisse lassen einrichtungs- und einem bestimmten Lieferanten für Büromaterial oder bereichsspezifische Unterschiede erkennen, widerlegen einer Baufirma ist damit Teil der Beschaffungspraxis, aber nicht das Gesamturteil, dass ökofaire Beschaffung die in einer Einrichtung entstehenden Personalkosten auch in Einrichtungen der Gliedkirchen der Evangeli- hingegen nicht. In dieser Studie werden Schwerpunk- schen Kirche in Deutschland (EKD) inklusive diakoni- te auf die Verpflegung, den Strom und die Heizenergie, scher Einrichtungen und Kirchengemeinden noch im- Büroartikel und die Mobilität gelegt. mer ein Randthema ist. Einzig im Bereich von Strom und Heizenergie scheint es Bewegung und ein wachsendes Die Befragung beschränkte sich auf Einrichtungen der Di- Problembewusstsein zu geben. Trotzdem ist auch hier akonie, der EKD und ihrer Gliedkirchen und der Freikir- viel mehr zu erreichen; verschiedene Initiativen geben chen. Wenn im Folgenden von „kirchlichen Einrichtun- Grund zur Hoffnung, dass es in den nächsten Jahren gen“ die Rede ist, sind damit in der Regel Einrichtungen erhebliche Fortschritte geben wird. der evangelischen Kirchen gemeint. Kirchliche Einrich- tungen und evangelische Kirchengemeinden wurden Im Bereich der Verpflegung hält der fair gehandelte Kaf- postalisch um Auskunft gebeten. Außerdem wurden Ex- fee seine „Vorreiterposition“, spaltet allerdings gleich- pertengespräche geführt, vorhandene Materialien und zeitig die Einrichtungen in die Extreme: Entweder der Studien ausgewertet und einige Kirchengemeinden aus Kaffeekonsum ist nahezu vollständig auf ein ökofaires Württemberg durch E-Mail-Versand befragt. Die Art der Sortiment umgestellt oder gar nicht. Auf die gesamte Einrichtungen und ihre entsprechenden Tätigkeitsfelder Verpflegung bezogen haben besonders die diakonischen 9
Ökofaire Beschaffung I Studie 05 DIALOG Einrichtungen den Schritt zum ökofairen Einkauf noch nicht gewagt. Für kirchliche Großverbraucher fehlt es hier leider oft an entsprechenden Angeboten. Auch im Bereich von Bürobedarf und Mobilität ist die Alternative eines ökofairen Einkaufs nicht immer gege- ben, doch selbst die bestehenden Potentiale werden zu wenig genutzt. So kann der Erwerb von Recyclingpapier oder von energieeffizienten Geräten und Fahrzeugen und der Umstieg auf das Fahrrad noch enorm ausgewei- tet und der CO2-Ausstoß vieler Flüge vermieden oder kompensiert werden. Im Bereich der Mobilität fehlt in den meisten Einrichtungen eine bewusste Systematik mit ökologischen Kriterien. Insgesamt bleiben die kirch- lichen Institutionen bei der Beschaffung heute noch weit hinter dem zurück, was sozial und ökologisch für Zukunftsfähigkeit und eine gerechte Weltwirtschaft not- wendig ist. Wir danken den Trägern der Aktion „Fairer Kaffee in die Kirchen“, dem Diakonischen Werk der EKD, „Brot für die Welt“ und dem Evangelischen Entwicklungsdienst (EED) für den Auftrag dieser Studie sowie allen Mitar- beitenden in den befragten Einrichtungen, die uns mit ihrer Teilnahme bei der Erstellung dieser Studie unter- stützt haben! 10
Ökofaire Beschaffung I Studie 05 DIALOG 2 Willen bekunden: Beschlüsse nen um 25 Prozent gegenüber dem Basisjahr 2005 an- und Initiativen zustreben. Eine solche Selbstverpflichtung liegt bisher in den Landeskirchen von Baden, Bayern, Hannovers, Nordelbien, Westfalen und Württemberg vor. Die Evan- In den letzten Jahre haben kirchliche Gremien uner- gelische Landeskirche in Baden verpflichtete sich darü- müdlich Beschlüsse formuliert und Initiativen zu Nach- ber hinaus, bis 2020 den CO2-Ausstoß um 40 Prozent haltigkeitsfragen ins Leben gerufen. Nicht zuletzt der zu reduzieren. Die Selbstverpflichtung stellt die Kirchen Beschluss der Synode der EKD von 2008, die Glied- aber vor eine Herausforderung: Um Aussagen über eine kirchen zu ermutigen bis 2015 ihre CO2-Emissionen Reduktion treffen zu können, muss zuvor umfassendes um 25 Prozent gemessen am Jahr 2005 zu reduzieren, Wissen über bestehende CO2-Emissionen gesammelt führte zu Bewegung. Die folgenden Absätze stellen werden. einige Beschlüsse der EKD-Synode, der evangelischen Landeskirchen und der Diakonie vor, die im Zusammen- Viele Landeskirchen bewarben sich seit 2009 für För- hang mit ökofairer Beschaffung stehen, und geben ei- derungen durch die Nationale Klimaschutzinitiative nen groben Überblick über Initiativen im evangelischen des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Kontext, die eine ökofaire Beschaffung fördern. Eine Reaktorsicherheit (BMU). Auch 2012 wird es das Pro- ausführlichere Darstellung der Beschlüsse befindet sich gramm voraussichtlich geben. Eingereicht werden kön- im Anhang. nen die Anträge beim Projektträger Jülich (PtJ) in den ersten drei Monaten 2012, und sie werden in der Regel 2.1 Fokus Klimaschutz und innerhalb von fünf Monaten bearbeitet. 2009 wurden Energiemanagement 13 Projekte von Kirchenkreisen bzw. Kirchenbezirken sowie Kirchengemeinden aus den Landeskirchen Würt- Mit Kampagnen, Initiativen und Beschlüssen treten die tembergs, Hannovers, der Pfalz, Nordelbiens, Bremens, Kirchen als ein zentraler Akteur in der bundesweiten Westfalens und Berlin-Brandenburg-schlesische Ober- Nachhaltigkeitsdebatte auf und stellen Forderungen an lausitz bewilligt. Entscheidungsträgerinnen und -träger in Politik und Wirtschaft. Teilweise geht damit die Aufforderung ein- In der Evangelischen Landeskirche in Baden begann her, auch innerhalb der Kirchen Veränderungen umzu- 2010 die Umsetzung eines Klimaschutzkonzepts. Ein setzen. Dies zeigt sich exemplarisch an den Beschlüssen Daten- und Liegenschaftsmanagement soll die Beschaf- einiger Landessynoden, welche einen Ausstieg aus der fung kontinuierlich dokumentieren. In der Evangelisch- Atomenergie fordern und in diesem Zusammenhang Lutherischen Landeskirche Sachsens startete im No- den kirchlichen Einrichtungen und Kirchengemeinden vember 2010 das Klimaschutzteilkonzept „Klimaschutz empfehlen, Ökostrom zu beziehen. Solche Beschlüsse in eigenen Liegenschaften“. Bei 71 Gebäuden werden wurden z.B. in der Ev.-Luth. Kirche in Bayern und in energierelevante Daten ermittelt. Auf dieser Basis der Ev. Kirche im Rheinland (2011) gefasst, in der Ev. werden Handlungsvorschläge erarbeitet, die CO2- und Kirche der Pfalz (2010), in der Ev.-luth. Landeskirche Kosten-Einsparpotenziale aufzeigen, und es werden Op- Hannovers (2009) und in einer Stellungnahme der Ev. tionen dafür entwickelt, Energieverbräuche und -kosten Kirche in Hessen und Nassau (2006). Die EKD selbst erheben und auswerten zu können und weitere Maß- fasste bereits 1987 den ersten Beschluss zum Ausstieg nahmen wie die Weiterbildung des technischen Perso- aus der Atomenergie. Dieser wurde 1998 und 2006 be- nals zu gewährleisten. kräftigt. Auch in den Landeskirchen Westfalens und Hannovers, 2008 fasste die EKD-Synode einen Beschluss zur Schöp- in der Nordelbischen Ev.-Luth. Kirche, der Evangeli- fungsverantwortung, der den Gliedkirchen der EKD schen Kirche in Hessen und Nassau, der Ev.-Luth. Kir- vorschlägt, bis 2015 eine Reduktion ihrer CO2-Emissio- che in Oldenburg und der Ev. Kirche der Pfalz wurde 11
Ökofaire Beschaffung I Studie 05 DIALOG der Entschluss gefasst, mit einer Förderung des BMU Bei den Landeskirchen können sich Kirchengemeinden integrierte Klimaschutzkonzepte zu erarbeiten und um- und Einrichtungen oft Rat und Unterstützung einholen, zusetzen. Teilweise wird an den Klimaschutzkonzepten wenn sie nachhaltige Veränderungen anstoßen möch- schon seit 2010 gearbeitet. Die Anträge für 2011 sind ten. Die Landeskirchen gehen dabei teilweise sehr un- bis auf die Anträge der Nordelbischen Ev.-Luth. Kirche terschiedliche Wege, um ökofaires Wirtschaften in den und der Ev. Landeskirche in Württemberg alle bewilligt eigenen Reihen einzubetten und voranzutreiben. Die (Stand 16. Mai 2011). In der Ev. Kirche von Westfalen Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche möchte entsteht ein Klimaschutzkonzept gemeinsam mit dem mit der Klimakampagne „Kirche für Klima“ ihren CO2- Wuppertaler Institut für Klima, Umwelt und Energie. In Ausstoß bis zum Jahr 2015 um 25 Prozent im Vergleich den letzten zwei Jahren wurden außerdem diverse Teil- zu 2005 senken. Neben der Ermittlung der CO2-Emis- konzepte in diesen Landeskirchen sowie in der Ev.-luth. sionen und von Einsparpotentialen, Energie-Controlling Landeskirche in Braunschweig und in der Lippischen und neuen Gebäudenutzungsplänen für rund 5.000 Landeskirche angestoßen. kirchliche Gebäude in Hamburg und Schleswig-Holstein soll zum Wechsel auf Ökostrom angeregt werden. Im Energiemanagement ist demzufolge Bewegung in vie- len Landeskirchen. So wird beispielsweise seit 2009 in Die Klimawandel-Lebenswandel-Kampagne der Evan- der Evangelischen Landeskirche in Württemberg an der gelischen Kirche in Mitteldeutschland lädt Kirchen- Erfassung von Daten zu Strom, Wärme und Wasser gear- gemeinden, Einrichtungen und Mitglieder dazu ein, beitet. Es finden kirchenbezirksweit Einführungen in die gemeinsam eine Million Kilogramm CO2 einzusparen. Erfassung und Schulungen zu Energiemanagement statt. Im Rahmen der Kampagne werden beispielsweise ein Rund zwölf Kirchenbezirke können die Einführung jähr- Stromanbieterwechsel und der Bezug von Recyclingpa- lich nutzen und regen bei ihren Kirchengemeinden an pier angeregt. Ein Einspar-Barometer misst den Erfolg mitzumachen. Bis zum Ende des Projekts im Jahr 2013 und veranschaulicht ihn online: Mehr als ein Achtel des sollen so mindestens 75 Prozent aller Kirchengemeinden Ziels ist bis jetzt erreicht (Stand 20. Juni 2011). ein Energiemanagement betreiben und im Rahmen einer Online-Erfassung Informationen zu Strom, Wärmeener- Im Bereich Umwelt- und Energiemanagement beteili- gie und Wasserverbrauch gesammelt werden. gen sich bundesweit Kirchengemeinden und Einrich- tungen an der Initiative des Grünen Hahns bzw. des Eine noch unvollständige Datenerfassung für Umwelt- Grünen Gockels. In mehreren Landeskirchen gibt es management gibt es seit Oktober 2010 für die Bereiche hierfür hauptamtliche Begleitung oder finanzielle Zu- Mobilität, Abfall/Müll und Papierverbrauch. Bis Ende schüsse, darunter Baden, Bayern, Bremen, Hanno- 2011 sollen Daten für Reinigungsmittel, Büro- und Kü- ver, Mitteldeutschland, Westfalen und Württemberg. chenausstattung folgen. Außerdem wird bis dahin Ma- Diese Stellen geben Impulse, wie das Engagement zu terial zu Bildung/Kommunikation, Lärm und Umwelt- Umweltmanagement bundesweit angestoßen werden recht vorliegen. kann; sie können jedoch den Bedarf nach Beratung und Unterstützung nicht systematisch über die landeskirch- In der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Schaum- lichen Grenzen hinaus decken bzw. stoßen auch in den burg-Lippe konnte mithilfe der Universität Hannover eigenen Landeskirchen an die Grenzen ihrer Möglich- der energetische Zustand der kirchlichen Gebäude der keiten. Landeskirche bereits erfasst werden. Auf dieser Grund- lage wird über die Verteilung von Sanierungsmitteln Umweltberatung bieten unter anderen auch die Evan- – insgesamt 12,5 Prozent der für Baumaßnahmen vor- gelische Kirche in Hessen und Nassau und in anderen gesehenen Haushaltsmittel – entschieden. Neue Pho- Landeskirchen, falls vorhanden, die entsprechenden tovoltaikanlagen wurden über einen Innovationsfonds Umweltbeauftragten. Der Grüne Hahn geht bisher in unterstützt. den meisten Fällen mit einer Zertifizierung durch das 12
Ökofaire Beschaffung I Studie 05 DIALOG EU-Öko-Audit EMAS II einher. Im April 2011 wurde Im Rahmen des ökumenischen Projekts „Zukunft ein- durch das Netzwerk Kirchliches Umweltmanagement kaufen“ wird empfohlen, ökofaire Beschaffung zum KirUm ein bundesweit einheitlicher Standard zur Va- Beispiel mit Beschaffungsordnungen systematisch zu lidierung von Umweltmanagementsystemen nach dem realisieren. Angestoßen durch das Projekt „Sustainable Grünen Hahn/Grünen Gockel festgelegt, der sich mit Churches“ von September 2003 bis Dezember 2006 dem neu eingeführten System EMAS III deckt, aller- nimmt das System EMASplus ergänzend zu der EMAS- dings auf die dort vorgesehene Zwischenvalidierung Zertifizierung neben der ökologischen auch die soziale verzichtet. Dimension des Wirtschaftens stärker in den Blick (vgl. KATE o.J.). Umfassend haben sich außerdem unter an- Über 600 Kirchengemeinden und kirchliche Einrichtun- deren die Kirchenkreise Jülich und Moers mit ökofai- gen wie z.B. Tagungshäuser betreiben heute systema- rem Einkauf befasst. tisches Umweltmanagement. Diese Zahl schließt eine große Anzahl von katholischen Kirchengemeinden und 2.2 Beschlüsse und Initiativen zu Tagungshäusern ein (KATE 2011). Als erster Fokus der ökofairer Beschaffung beteiligten Kirchengemeinden und Einrichtungen über- wiegt der Bereich der Energie. In den erforderlichen Be- Das Thema Energie wird derzeit im überwiegenden Teil standsaufnahmen werden Verbrauchsdaten oft das erste der evangelischen Landeskirchen problematisiert, und Mal systematisch erfasst und alte Verträge überprüft. auch die Landeskirchen, die keine konkreten Selbstver- pflichtungen beschlossen haben, visieren Maßnahmen Umweltmanagement benötigt Arbeitskapazitäten, die wie Sanierungen und Empfehlungen an und setzen sie beim Grünen Hahn/Grünen Gockel bestenfalls durch um. Auf die anderen Bereiche und Aspekte von Beschaf- ehrenamtlich arbeitende Gemeindemitglieder bewältigt fung bezogen sind ökofaire Kriterien allerdings weniger werden. In den beteiligten Gemeinden und Einrich- präsent. Die Beschlusslage der letzten Jahre ist im Ver- tungen zeigt die Initiative große, erkennbare Erfolge in gleich eher dünn. Bezug auf Energieeinsparungen, welche größer sind als die durch die Umsetzung der Initiative entstehenden In der Evangelische Kirche von Westfalen wird 2008 in Kosten. dem Beschluss zur Klimaschutzstrategie „EKvW 2020“ die ökofaire Beschaffung miteinbezogen: Im Rahmen des Grünen Hahns/Grünen Gockels sind in vielen Kirchengemeinden Beschaffungsleitlinien oder „Die Landessynode fordert die kirchlichen Kör- -ordnungen entstanden, die von den Engagierten selbst perschaften auf, bei ihren Veranstaltungen auf verfasst werden. Während einige primär ökologische CO2-Neutralität und Umweltverträglichkeit zu und regionale Kriterien für den Einkauf formulieren, achten – insbesondere auf Synoden. Dabei sind nehmen andere hier auch die faire Beschaffung in den im Blick zu behalten: Essen, Trinken, Anreise, Blick. So heißt es beispielsweise in den Schöpfungsleit- Umgang mit Papier, Ausgabe fair gehandelter linien der Evangelischen Kirchengemeinde Stuttgart- Produkte in Unterkünften und Veranstaltungsor- Rohr: ten etc.“ (Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche von Westfalen 2008, 153) „Wir achten als Verbraucher bei Produkten auf umwelt- und sozialverträgliche Kriterien. Wir Die EKD-Synode beschloss 2008 „Zehn Schritte zum nehmen Rücksicht auf die Belange und Be- schöpfungsgerechten Handeln“, wobei der zehnte dürfnisse von Mensch und Natur in unserer Schritt sich dem „bewusst nachhaltig Wirtschaften“ Nachbarschaft oder in anderen Teilen unserer widmet. 2002 hatte die EKD-Synode einen „Beschluss ‚Einen Welt’.“ (Evangelische Kirchengemeinde zum Fairen Handel“ gefasst. Seither wurde die Auf- Stuttgart-Rohr 2010, 4) forderung, in Kirchengemeinden sowie evangelischen 13
Ökofaire Beschaffung I Studie 05 DIALOG Einrichtungen einschließlich der Diakonie faire Produk- 2011 formulierte auch die Landessynode in Württem- te zu beschaffen, drei mal erneuert: 2006, 2009 und berg erneut als eine ihrer Leitlinien: 2010. Auch der Vorstand des Diakonischen Werkes der EKD erklärte 2005 im Rahmen der Umweltpolitik: “Wir setzen bei Einkäufen und Beschaffung auf fair-gehandelte, umweltgerecht erzeugte und „Wir bevorzugen umweltfreundliche Produkte, regionale Produkte und Dienstleistungen, auch Verfahren und Dienstleistungen sowie Waren bei höheren Preisen.“ (Böhm 2011a) aus Fairem Handel.“ (Diakonisches Werk der EKD 2006, 12) In den letzten Jahren warb außerdem 2005 die Nord elbische Landessynode für den Fairen Handel; 2008 Bei der Arbeitsgemeinschaft der evangelischen Jugend schloss sich die Landeskirche Sachsens der Kampag- (aej) gibt es einen Beschluss der Mitgliederversamm- ne „Sachsen kauft fair“ an. In Bayern ermunterte die lung. Unter dem Titel „Selbstverständlich nachhaltig. Landessynode zuletzt 2010, faire Produkte zu beschaf- Schritte der Evangelischen Jugend in eine zukunftsfä- fen. Einige Landeskirchen formulierten Beschlüsse zur hige Welt“ wird den Mitgliedern unter anderem emp- Geldanlage nach ethischen Kriterien, so beispielsweise fohlen, sich dem Beschluss der EKD von 2008 zur in Baden, Bayern und Hessen-Nassau. Es gibt hierzu Verringerung des CO2-Ausstoßes anzuschließen und darüber hinaus verschiedene regionale Beschlüsse und ökofaire Beschaffung, Umweltmanagement und ein Initiativen; die Ausführung ist deshalb an dieser Stelle entsprechend nachhaltiges Mobilitätskonzept in ihren nicht vollständig. Einrichtungen einzuführen. Nicht überall existieren jedoch Beschlüsse dieser Art: In der Bremischen Evangelischen Kirche wurde 2008 Im Landeskirchenamt der Evangelisch-Lutherischen der Beschluss gefasst, in zentralen Einrichtungen der Landeskirche Schaumburg-Lippe erfolgt die Beschaf- Landeskirche auf ökofaire Beschaffung umzustellen und fung unter anderem von Kaffee komplett ökofair; eine die bremischen Kirchengemeinden aufzufordern, sich Beschlusslage oder eine Absichtserklärung zu ökofairer der Entscheidung anzuschließen. In diesem Zusammen- Beschaffung gibt es aber nicht, ebenso wenig wie einen hang wurde auch eine interne Onlineplattform geschaf- Beschluss zu Klimaschutzzielen. fen, welche die Empfehlung von Produkten, Herstellern, Bezugsmöglichkeiten und Siegeln erleichtert. Ähnliche Aber auch dort, wo Beschlüsse in EKD- oder landes- „Kataloge“ wurden im Kirchenkreis Moers und im EED kirchlichen Gremien gefasst wurden, sind diese zumeist erstellt. „nur“ Empfehlungen an die Kirchengemeinden und kirchliche Einrichtungen, können aber wie in Bremen Anfang 2011 entschied sich außerdem die Synode der entscheidenden Einfluss auf die Beschaffungspraxis in Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs den Verwaltungen haben oder provozieren eine Ausein- zu einem Beschluss zur ökofairen Beschaffung, beson- andersetzung mit dem Thema, wie das empfohlene CO2- ders bei Kaffee, Tee und Recyclingpapier. Der Beschluss Einsparziel der EKD 2008 zeigt. Dass der Großteil der schließt die Aufforderung an die Verwaltungen ein, sich Einrichtungen bisher diese Beschlüsse allerdings kaum dem Projekt „Zukunft einkaufen“ anzuschließen und es umsetzt, zeigen die folgenden Absätze dieser Studie. weitergehend zu bewerben. Es wird dort geprüft, ob eine halbe Stelle für die Arbeitsbereiche ökofaire Be- In der Diakonie konnten außer der Umwelterklärung schaffung, Umwelt und Klimaschutz eingerichtet wer- des Vorstands des Diakonischen Werkes der EKD 2005 den kann. Exemplarisch befindet sich dieser Beschluss keine Beschlüsse oder Initiativen identifiziert werden, im Anhang. 1997 hatte die Landeskirche Mecklenburgs die auf ein systematisches und gemeinsames Handeln bereits einen Beschluss zur Verwendung fair gehandel- diakonischer Träger oder Einrichtungen im Bereich der ter Produkte gefasst. ökofairen Beschaffung schließen lassen. 14
Ökofaire Beschaffung I Studie 05 DIALOG Das ökumenische Projekt „Zukunft einkaufen“ startete im November 2010 mit einer zweiten Phase unter dem Titel „Diakonie und Caritas als Orte zukunftsfähigen Lebensstils und nachhaltiger Beschaffung“. Es wird im April 2013 abgeschlossen sein und richtet sich gezielt an Einrichtungen der stationären Altenhilfe und an Ein- richtungen der Kinder-/Jugend- und Behindertenhilfe von Diakonie und Caritas. Im Projektbüro Klimaschutz der EKD in der Forschungs- stätte der Evangelischen Studiengemeinschaft leistet Oliver Foltin Unterstützung in Bezug auf die Förderpro- gramme für kirchliche Antragsteller. 15
Ökofaire Beschaffung I Studie 05 DIALOG 3 Beschaffungswesen auf dem 3.1 Allgemeines zur Auswahl der Prüfstand postalischen Befragung Für diese Studie wurden in der ersten Jahreshälfte 2011 Bislang wurde die vielseitige, aber bei Weitem nicht Kirchengemeinden und diakonische und kirchliche flächen- und bereichsdeckende Beschlusslage der Einrichtungen postalisch befragt. Um das gesamte Be- evangelischen Gremien und der Diakonie skizziert schaffungspotential von Institutionen der evangelischen und verschiedene Einzelinitiativen vorgestellt. In den Kirchen und der diakonischen Werke quantitativ zu er- folgenden Absätzen werden die tatsächliche Beschaf- fassen, wurden für die Befragung exemplarisch Einrich- fungspraxis und das Beschaffungspotential untersucht. tungen identifiziert: Kirchengemeinden in einzelnen Hierzu konnte auf die Ergebnisse einer für die Studie Landeskirchen, Verwaltungen, Kirchliche Ausbildungs- durchgeführten Umfrage mit 49 Einrichtungen und stätten, Akademien/Tagungsstätten/Bildungshäuser, Kirchengemeinden, auf zahlreiche Expertengespräche Krankenhilfe, Altenhilfe, Behindertenhilfe, Kinder- sowie externe Daten des Diakonischen Werks der EKD, und Jugendhilfe und einige große Träger als Kontroll- des Kirchenamts der EKD, der EnergieAgentur.NRW, Institutionen. der Fairhandels-Organisation GEPA, des Grünen Hahns und anderen zurückgegriffen werden. Es wurde Wert darauf gelegt, dass bei der Auswahl der Institutionen ein breites Spektrum der Landeskir- Durch eine E-Mail-Befragung wurden alle Kirchenge- chen bzw. -verbände, wie Flächenkirchen, Diaspora- meinden angeschrieben, die sich im Rahmen der Initi- Landesverbände, kleine Landeskirchen, komprimierte ative „Der Grüne Gockel“ in Württemberg engagieren. Landeskirchen und fusionierte Landesverbände erfasst Wir konnten so das Wissen von 18 weiteren Kirchenge- wurden. meinden nutzen. Von 142 angeschriebenen Einrichtungen und Kirchen- Für die Bereiche Verpflegung, Strom und Heizenergie, gemeinden antworteten 49. Diese sind im Anhang Bürobedarf und Mobilität werden Verbrauchswerte so- aufgelistet. Zusätzlich wurden Tiefengespräche mit wie produkt- bzw. bereichsspezifische Durchschnittskos- zwei Vertretern von Verwaltungseinrichtungen, einem ten geschätzt. Die Schätzungen sind nach Einrichtungs- Geschäftsführer aus dem Bereich Altenhilfe und einer bzw. Gebäudekategorien differenziert und befinden sich Küchenleiterin geführt sowie mit Ehrenamtlichen und/ im Anhang. Es werden praxisrelevante Details darge- oder Pfarrerinnen und Pfarrern aus sechs Kirchenge- stellt und an einigen Beispielen Möglichkeiten, beste- meinden und einem Ehrenamtlichen aus einem Kir- hende Hürden und Hemmnisse zu überwinden. Jeder chenkreis. Es fließen außerdem die Ergebnisse von fünf Bereich enthält außerdem eine Zusammenstellung von Interviews mit hauptamtlich Engagierten von kirchli- Rahmenverträgen für kirchliche Einrichtungen. chen Initiativen in diese Analyse ein. Tabelle 1: Index zum Nachhaltigkeitsengagement in den teilnehmenden Einrichtungen Aktiv-Index Absolute Häufigkeit Prozent Kumulierte Prozent 1 (= passiv) 19 44 44 1.25 8 19 63 1.5 6 14 77 1.75 4 9 86 2 (=aktiv) 6 14 100 Gesamt 43 100 16
Ökofaire Beschaffung I Studie 05 DIALOG Abbildung 1: Index zum Nachhaltigkeits bereits befasst haben. Der Wert variiert zwischen 1 und engagement in den teilnehmenden Einrichtungen 2, mit 2 als Ausprägung für aktive Einrichtungen, in de- nen in den letzten zwölf Monaten Veranstaltungen zu sehr aktiv sehr passiv einer ökofairen Beschaffung stattgefunden haben, die eine beauftragte Person oder ein beauftragtes Gremi- um für Nachhaltigkeitsfragen und einen Beschluss zur aktiv ökofairen Beschaffung haben und an einer Nachhaltig- keitsinitiative teilnehmen. Auf ein knappes Sechstel der Befragten trifft das zu. Andererseits schneiden 44 Pro- zent der Einrichtungen mit dem niedrigsten Indexwert 1 ab, verwirklichen also keine der oben beschriebenen etwas aktiv Optionen. Der durchschnittliche Indexwert liegt bei 1,3. Es ist demnach gelungen, in die Umfrage nicht nur passiv die ohnehin sehr aktiven kirchlichen Einrichtungen ein- zubeziehen, sondern ein wesentlich breiteres Spektrum zu gewinnen. 3.2 Spezielle Bereiche der Beschaffung In den folgenden Abschnitten werden zu den Bereichen Die Größe und Aufgaben der teilnehmenden Einrich- Verpflegung, Strom und Heizenergie, Bürobedarf und tungen ist sehr heterogen: So variiert die Anzahl der Mobilität die entsprechende Beschaffungspraxis analy- Angestellten von einer bis zu 3.100 Stellen; in den sta- siert und Verbrauchswerte und produkt- bzw. bereichs- tionären Einrichtungen außerdem von 25 bis zu 2.000 spezifische Durchschnittskosten geschätzt. Best-Prac- Bettenplätzen. Von den 49 Teilnehmenden an der tice Beispiele und weitere Handlungsvorschläge geben Umfrage sind 44 Prozent diakonische und 56 Prozent Anstöße dazu, wie das Potential ökofairer Beschaffung nicht-diakonische Einrichtungen. Zwölf sind stationäre Einrichtungen, acht wurden als teilweise stationär ein- gestuft (z.B. Schule mit Internat, diakonische Träger mit Gemüsetüten zum Arbeitsplatz großen Verwaltungen). Während eine Tomate aus ökologischem Anbau in In sieben Fällen wurde angegeben, dass in naher Zukunft der Saison einen CO2-Ausstoß von nicht mehr als 35g Veränderungen bezüglich der Beschaffung geplant sind. erzeugt, verursacht eine konventionell angebaute In 13 Einrichtungen existieren offizielle Beschlüsse zu Tomate aus einem beheizten Gewächshaus außer- einer ökofairen Beschaffung; 18 nehmen an Nachhaltig- halb der Saison 9.300 g CO2 – die 266-fache Menge keitsinitiativen teil wie „Fairer Kaffee in die Kirchen“, (DEKT 2011a, 13). Grüner Hahn und „Zukunft einkaufen“ oder an Initia- tiven wie die der Fairtrade Towns. Acht Einrichtungen Der Gang zum regionalen Markt ist zeitlich allerdings sind für Nachhaltigkeitsaspekte zertifiziert – fünf davon für Berufstätige oft schwierig. Die Diakonie Micha- mit dem EMAS II-Zertifikat. elshoven zeigt, wie einfach eine Alternative geschaf- fen werden kann: Auf Bestellung der Mitarbeitenden Ein Index für den Grad des Engagements der Einrich- liefert ein örtlicher Bio-Bauernhof Gemüsetüten di- tungen in den Bereichen der Nachhaltigkeit und einer rekt in das Berufsförderungswerk der Diakonie und ökofairen Beschaffung erlaubt ein vorsichtiges Urteil da- ermöglicht so den Erwerb regionaler und saisonaler rüber, wie sehr sich die Einrichtungen mit dem Thema Produkte. 17
Ökofaire Beschaffung I Studie 05 DIALOG im evangelischen Kontext besser genutzt werden kann. bensmittel eingekauft werden, der Supermarkt. Solche Übersichtstabellen zu Daten und Schätzungen basie- Pauschalaussagen sind aber im Bereich der Verpflegung rend auf der postalischen Befragung und weiterem Da- nicht aussagekräftig. tenmaterial befinden sich im Anhang. Besonders die Großverbraucher — vor allem der Kran- 3.2.1 Verpflegung ken- und der Altenhilfe, je nach Organisation auch der Behindertenhilfe — beziehen ihre Lebensmittel über Bei der Verpflegung unterscheiden sich die Herausfor- Lieferanten, und die Wege der Beschaffung sind genau derungen im Rahmen einer ökofairen Beschaffung stark geregelt. An große Verwaltungen und Ausbildungsstät- je nach Art der Einrichtung. Nichtsdestotrotz bleibt die ten sind teilweise Kantinen angeschlossen, für die Ähn- Praxis bisher in nahezu allen Einrichtungen weit hinter liches gilt. den Möglichkeiten zurück. Dabei ist die Wirkung von ökofairer Veränderung in der Verpflegung groß: Würden Mit der Frage, wo etwas zu welchen Konditionen ein- alle Menschen, die stationär durch diakonische Einrich- gekauft werden kann, hatte man sich zumeist intensiv tungen versorgt werden, nur ein Mal im November auf beschäftigt. Die Entscheidung wird auf der Grundlage einen Tomatensalat außerhalb der Saison verzichten des Preises getroffen. So stehen in einer Einrichtung und stattdessen beispielsweise einen Blumenkohl- oder beispielsweise 4,80 Euro pro Person und Tag für die Ruccolasalat essen, wären dadurch rund neun Tonnen Verpflegung zur Verfügung. Einfluss haben aber auch CO2 eingespart. Grundlage für diese Berechnung sind Kriterien wie Abwechslung und Regionalität. Ökologi- 150 g CO2 für die saisonale Gemüseoption (vgl. Her- scher Anbau und Fairer Handel spielen hingegen kaum minghaus 2011). eine Rolle. Dass es möglich ist, auch in der Sozialwirtschaft nicht Es gibt sowohl Fälle, in denen große Einrichtungen ihre nur biologische sondern auch fair gehandelte Gerichte eigenen Verträge mit den Lieferanten abschließen, als anzubieten, zeigt ein aktuelles Beispiel aus dem Nach- auch regionale und überregionale Einkaufsverbunde barland: Im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder wie die Prospitalia GmbH. Zur Beschaffungsstrategie Wien wird Patientinnen und Patienten und den Mitar- können auch Online-Einkaufsplattformen wie sensano beitenden ein Fairtrade-Menü angeboten — das einzi- gehören, damit Anbieter preislich direkt verglichen ge derartige Angebot in Österreich. Damit zeigen die werden können. Beteiligten des Projekts, dass die Idee des Fairen Han- dels überall verwirklicht werden kann (vgl. APA-Austria Das Angebot dessen, was beschafft werden kann, hängt Presse Agentur 2011).1 maßgeblich von den Verträgen und zentralen Einkaufs- entscheidungen ab, die nicht unbedingt „in der Küche“, Ergebnisse der Umfrage zur Beschaffung von sondern vom Zentraleinkauf oder der Leitung ausgehan- Verpflegung in verschiedenen Einrichtungskate delt werden. Im Sortiment bietet sich so nur bei spezi- gorien fischen Produkten, wie z.B. Kaffee (siehe unten), eine ökofaire Alternative, die besonders dann genutzt wird, Die Beschaffung im Bereich Verpflegung unterscheidet wenn es vom Lieferanten spezielle Angebote dazu gibt sich in großen Einrichtungen der Alten- oder Kranken- (z.B. bei Bio-Obst). hilfe grundlegend von der in kleinen Gemeinden und Einrichtungen. So ist der Ort, wo in den meisten teil- Für die konkrete Einkaufsentscheidung zuständig sind nehmenden Einrichtungen zumindest gelegentlich Le- die jeweiligen Küchen- oder Kantinenleitenden, die 1 Weitere Auskünfte zum Projekt gibt Christa Praher-Ennöckl, siehe Kontakte S. 65 18
Ökofaire Beschaffung I Studie 05 DIALOG den Speiseplan entwerfen. In einem Beispiel wird der Anmerkung aus einer befragten Einrichtung Küchenleitung hierfür ein Quorum vorgeschrieben: Fünf Prozent können frei ausgegeben werden (in der „Wir arbeiten oft für kirchliche Einrichtungen (Kir- Praxis primär bei regionalen Fachgeschäften); 95 Pro- chengemeinden, Amtsträger), die aber nur auf den zent müssen über die gemeinsame Einkaufsplattform Preis/billig achten. Ökoprodukte und/oder Fairtrade bezogen werden. In einigen Fällen gibt es Beteiligungs- kommen für diese Kundengruppe vorwiegend nicht mechanismen wie Speiseplanbesprechungen, bei denen in Betracht. Privatkunden fragen eher danach und er- die Bewohnerinnen und Bewohner der Heime Einfluss halten diese Produkte dann auch.“ auf die Auswahl der Mahlzeiten nehmen können. Bei einem nahezu unbedeutenden Teil der befragten Ein- richtungen werden die Essen angeliefert. Das bedeutet mittel insgesamt gleichzeitig deutlich unter dem aller allerdings nicht zwangsläufig, dass unmittelbar in den befragten Einrichtungen (1,73; siehe Übersichtstabelle Einrichtungen selbst gekocht wird: Oft beliefert eine im Anhang, 52). Für mehr als zwei Drittel der stationä- zentrale Küche mehrere Einrichtungen eines Trägers. ren Einrichtungen wird der Anteil ökofairer Lebensmit- tel unter 10 Prozent geschätzt. Keine der hier diskutierten Großeinrichtungen bietet Bio-Mahlzeiten an. Es werden jedoch, allerdings in sel- Die Praxis der Tagungshäuser widerspricht einem Zu- tenen Fällen, einzelne Produkte wie Obst mit Bio-Zerti- sammenhang von großem Bedarf und geringem ökofai- fizierung eingekauft; in einer Einrichtung der Altenhilfe rem Einkauf zumindest partiell. Obwohl hier teilweise außerdem Eier, Milch und Kartoffeln. Außer Kaffee wer- große Summen für Verpflegung aufgewendet werden, den keine Produkte unter Einbeziehung des Kriteriums liegt der durchschnittliche Wert ökofairer Produkte mit des Fairen Handels eingekauft. Eine Ausnahme stellt le- 2,2 relativ hoch. Bei allen teilnehmenden Einrichtun- diglich die Kantine einer Verwaltungseinrichtung dar, in gen werden bestimmte Produkte unter Einbeziehung der fair gehandelte Schokolade bezogen wird. ökologischer oder fairer Kriterien eingekauft. Zwei der drei Einrichtungen mit bio-zertifizierten Mahlzeiten im Davon unterscheidet sich elementar die Beschaffungs- Angebot sind Tagungshäuser. Einen vergleichsweise praxis der kleinen Wohngruppen, die es besonders in hohen Anteil ökofairer Beschaffung im Bereich der Ge- der Kinder- und Jugend- und in der Behindertenhilfe samtverpflegung erreichen auch die Verwaltungen mit gibt. Hier ist es schwierig, die Beschaffungsvolumen einem Durchschnittswert von 2,00. und den Anteil ökofairer Produkte zu erheben. Bis auf eine Ausnahme wird die Verpflegung dezentral von vie- Keine der befragten Kirchengemeinden überschreitet len, teilweise von allen Mitarbeitenden eingekauft. ein jährliches Beschaffungsvolumen von 2.000 Euro für Verpflegung. Teilweise werden Lebensmittel auch über In einem Fall wird die Struktur anschaulich als „famili- Spenden bezogen, indem Gemeindemitglieder die Ware enähnlich“ beschrieben. Orte der Beschaffung sind Su- unentgeltlich mitbringen. Weltläden werden als Bezugs- permarkt, Discounter und Großmarkt. Es gibt außerdem punkte genannt und der Aspekt der fairen Beschaffung seltene Fälle, in denen landwirtschaftliche Produkte für erscheint im Vergleich zu allen anderen untersuchten den Eigenverbrauch selbst erzeugt werden. Einrichtungskategorien präsenter. Trotzdem gibt es auch unter den Kirchengemeinden Beispiele, bei denen Werden alle stationären Einrichtungen der diakonischen keinerlei Anstrengungen eines ökofairen Einkaufs von Hilfen zusammengefasst, weisen sie laut unserer Schät- Lebensmitteln unternommen werden. zung im Bereich der Verpflegung mit fast 766 Millionen Euro jährlich das größte Beschaffungsvolumen auf. Mit Damit wird der Anteil von ökofairer Verpflegung ins- einem Durchschnitt von 1,29 (mit 1 = 90 Prozent) liegt der Anteil der ökofairen Lebens- lischen Kirchengemeinden als existent, aber gering 19
Ökofaire Beschaffung I Studie 05 DIALOG eingeschätzt. Am Beispiel der Produkte Fleisch und dukte in diesen Einrichtungen zu reduzieren, muss sich Kaffee können einige Hürden und Potentiale ökofairer deshalb mit dem persönlich erlebten und gesamtgesell- Beschaffungspraxis im Bereich der Verpflegung verdeut- schaftlich eingebetteten Bedürfnis nach Fleisch auseinan- licht werden. dersetzen. Entsprechend müssen Veränderungsansätze, die auf eine bedeutende Reduzierung des Fleischkon- Der Einkauf von Fleisch sums abzielen, weniger auf der Leitungsebene als viel- mehr in der Breite der Betroffenen ansetzen. Kampag- Unter den zuvor beschriebenen Voraussetzungen wird nen, eventuell in Verbindung mit Initiativen im Bereich Fleisch in den teilnehmenden Einrichtungen unserer des Klimaschutzes, und pädagogische Konzepte wären Befragung an allen möglichen Einkaufsorten, meist aber hier denkbar. Die Nordelbische Klimakampagne bietet im Fachgeschäft eingekauft. In 60 Prozent der Fälle gibt für die Arbeit mit Konfirmandinnen und Konfirmanden es vegetarische Tage, im Schnitt sechs pro Monat und zum Beispiel eine Materialmappe und Workshops zum pro Einrichtung, die grundsätzlich regelmäßige Tage Klimawandel an (Nordelbische Kirche 2011). Eine ähn- ohne Fleisch angegeben hat. In vielen Einrichtungen liche Mappe wäre zum Fokus Fleischkonsum für die mit Gemeinschaftsverpflegung gibt es täglich eine ve- Erwachsenenbildung denkbar, eventuell spezifisch auf getarische Alternative zur Auswahl. Zwei der Einrich- die Wohnheimsituation angepasst. Die Kampagne „Kli- tungen, die bisher keine vegetarischen Tage anbieten, mawandel – Lebenswandel“ der Evangelischen Kirche können sich vorstellen, dies in Zukunft zu tun. in Mitteldeutschland (EKM) hat mit Friedemann Kahl ein Kochbuch herausgegeben: „Regional. Vegetarisch. Der Anteil von Bio-Fleisch ist sehr gering. Als größte Einfach“ (2011). Schwierigkeit wird hierbei der Preis genannt. Selbst in den Kirchengemeinden, die sich in Württemberg an der Der Bezug von Bio-Fleisch hingegen, der bisher ei- Initiative Grüner Gockel beteiligen und an der Kurzbe- nen minimalen Anteil an der Gesamtbeschaffung von fragung teilnahmen, geben mehr als 70 Prozent an, der Fleischprodukten einnimmt, ist eine Entscheidung des Anteil von Bio-Fleisch läge unter zehn Prozent. Es muss Einkaufs. Da Fleisch sehr oft bei lokalen Fachgeschäften hierbei allerdings berücksichtigt werden, dass die Hälf- erworben wird, sollten Kommunikationsinstrumente te der Kirchengemeinden in dieser Kurzbefragung auf den Aspekt der Regionalität bewusst aufnehmen und diese Frage keine Antwort gab. Das könnte bedeuten, Hilfestellungen bieten, wie die lokalen Unternehmen dass in vielen dieser Gemeinden überhaupt kein Fleisch einbezogen werden können. Wie kann beispielsweise eingekauft wird. die Hausmetzgerei vor Ort davon überzeugt werden, regionales Bio-Fleisch anzubieten? In stationären Einrichtungen ist oft auch die Stimme der Versorgten sehr entscheidend. Im Altenheim in Eben- Der Einkauf von Kaffee hausen beispielsweise, wo es freitags kein Fleischgericht gibt, beobachtet die Küchenleiterin: Die Ergebnisse der Umfrage bestätigen, dass die Ver- breitung von ökofairem Kaffee im Vergleich zu anderen „Vegetarische Tage kommen nicht so gut an. Lebensmitteln relativ weit fortgeschritten ist. Während Das hört man auch im Speisesaal. Und nur sel- Bio-Fleisch mit einem Durchschnittswert von 2,0 (mit 1 ten fragen Leute nach Vegetarischem.“ < 10 Prozent und 6 > 90 Prozent) bisher selten gekauft wird, erreicht ökofairer Kaffee einen durchschnittlichen Die Entscheidung der Leitung, den Fleischverbrauch zu Wert von 3,42. Die Einrichtungen teilen sich dabei in reduzieren, steht in diesen Wohneinrichtungen in star- Extreme: In 37 Prozent der Fälle liegt der Anteil von kem Gegensatz zu dem Anspruch maximal möglicher ökofairem Kaffee bei unter zehn Prozent, in gleich vie- Selbstbestimmung sowie Wohlbefinden der Versorgten. len Einrichtungen bei über 90 Prozent. Tendenziell Jeder Versuch, den Umfang der beschafften Fleischpro- schneiden hier die evangelischen Verwaltungen und 20
Ökofaire Beschaffung I Studie 05 DIALOG Abbildung 2: Wie viel Kaffee wird in Deutschland getrunken? Filterkaffee 329.000 t Espresso/Café Crema 48.000 t Pads/Kapseln 30.000 t Löslicher Kaffee 16.600 t Angaben nach Gerdes u.a. 2011, 37 Tagungshäuser gut, die stationären Einrichtungen eher unbedeutend. Zwar kostet der Fairtrade-zertifizierte mangelhaft ab. Kaffee pro Pfund mehr; Qualität und Ergiebigkeit des fair gehandelten Produkts sind aber in der Regel deut- Sechs der teilnehmenden Einrichtungen beziehen ihren lich besser als bei den konventionellen Kaffees. In der Kaffee direkt bei der GEPA; von diesen sechs kaufen fünf kommunalen Verwaltung der Stadt Neuss beispielswei- ausschließlich Kaffee bei der GEPA. Insgesamt sind bei se machte der Unterschied durch eine Umstellung ei- der GEPA 363 evangelische oder diakonische Großkun- nen Aufpreis von knapp drei Cent pro Tasse aus, bei den bekannt. Diese bezogen von April 2010 bis März gleichzeitig besserer Qualität des Kaffees (vgl. Hütz- 2011 insgesamt rund 52 Tonnen Kaffee. Hinzu kom- Adams 2010, 21). men weitere kirchliche Einrichtungen, die nicht sys- tematisch konfessionell differenziert werden. Manche Die Wirtschaftsgesellschaft der Kirchen in Deutsch- Teilnehmenden nannten als Hürde bei der Beschaffung land (WGKD) hat mit der GEPA einen Rahmenvertrag von ökofairem Kaffee den Preis, in einem Fall negati- vereinbart. In Sachsen gibt es zur Lieferung von fair ve Vorerfahrungen bezüglich des Geschmacks. Weitere gehandeltem Kaffee und Tee an kirchlich-diakonische Schwierigkeiten, basierend auf unserer Erhebung, sind Großverbraucher eine Rahmenvereinbarung zwischen aber kaum zu nennen. Vermutungen legen nahe, dass dem Diakonischen Werk der Evangelisch-Lutherischen Routinen, Trägheit und nicht artikulierte Vorurteile bei Landeskirche Sachsens und der F.A.I.R.E. Warenhandels dem bedeutenden Nicht-Bezieher-Teil von einem Drittel eG, einer regionalen, genossenschaftlichen Verteilstelle der Einrichtungen eine Umstellung auf ökofairen Kaffee für Fairhandelsprodukte in Dresden. bisher verhindern. Keine der befragten Einrichtungen nannte langfristige Abnahmeverträge mit konventionel- Die vom Bildungsreferat von „Brot für die Welt“ ini- len Lieferanten von Kaffee und die damit verbundenen tiierte Aktion „1.000 Gemeinden trinken fair“ warb Angebote von Kaffeebrühautomaten als Hindernis, auf gezielt für den Einsatz von fair gehandeltem Kaffee in fair gehandelten Kaffee umzustellen, auch wenn dies Kirchengemeinden. Die Aktion war so erfolgreich, dass gerade im Großverbraucherbereich ein großes Hemm- mit „2.000 Gemeinden trinken fair“ eine Nachfolge- nis sein kann. aktion durchgeführt wurde. Viele Kirchengemeinden ermöglichen darüber hinaus die Verbreitung von fair Die preislichen Unterschiede von fair gehandeltem und gehandeltem Kaffee durch eigene Weltläden und kleine konventionellem Kaffee sind in der Praxis oft nahezu Verkaufsinitiativen. 21
Sie können auch lesen