Kommunale Entwicklungspolitik öffnet Türen - Gute Beispiele aus engagierten Kommunen - SKEW

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Kommunale Entwicklungspolitik öffnet Türen - Gute Beispiele aus engagierten Kommunen - SKEW
Kommunale Entwicklungspolitik
öffnet Türen
Gute Beispiele aus engagierten Kommunen

                                            C   H H A LT I G H A
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              Gute Beispiele aus
              engagierten Kommunen
Kommunale Entwicklungspolitik öffnet Türen - Gute Beispiele aus engagierten Kommunen - SKEW
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Kommunale Entwicklungspolitik
öffnet Türen
Gute Beispiele aus engagierten Kommunen
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INHALT

EINFÜHRUNG

5
Vorwort
von Dr. Stefan Wilhelmy

6/7
Grußworte
von Frieder Wolf und Christiane Overmans

GUTE BEISPIELE

10/11
Deutscher Städte- und Gemeindebund
Die Initiative »Welt vor Ort« öffnet Türen

FAIRER HANDEL UND
FAIRE BESCHAFFUNG

14/15
Aidlingen
Von den »Mango-Tagen« zur preisgekrönten
globalen Fairness

16/17
Saarbrücken
Wo Fairer Handel zum Schlüssel wird

GLOBAL NACHHALTIGE KOMMUNE

20/21
Erfurt
Die globalen Ziele für nachhaltige
Entwicklung lokal umsetzen

MIGRATION UND ENTWICKLUNG

24/25
Fellbach
Zuhören und Gemeinsamkeiten entdecken

26/27
Dortmund
Weltoffene Stadt mit migrantischen Netzwerken
Kommunale Entwicklungspolitik öffnet Türen - Gute Beispiele aus engagierten Kommunen - SKEW
KOMMUNALE PARTNERSCHAFTEN

30/31
Kirchhain
Treffpunkt Zukunft – »Kommunale
Nachhaltigkeitspartnerschaften«

32/33
Rostock
Der große Hafen als Tor zur Einen Welt

34/35
Fürth
Bühne frei für kommunalen Wissensaustausch

36/37
Mannheim
Unterstützung für geflüchtete syrische Frauen

38/39
Potsdam
… and the winners are: Potsdam und Sansibar!

40/41
Leipzig
Gemeinsam für Inklusion!

42/43
Baruth/Mark
Kleine Stadt, große Wirkung

44/45
Neumarkt in der Oberpfalz
Klimaschutz aus dem Koffer – ein
Lernspiel für Kinder und Jugendliche

46/47
Jena
Schritt für Schritt gemeinsam zum
globalen Klimaschutz

49–53
Quickfinder
Kurzübersicht der Unterstützungsangebote
der Servicestelle

54
Impressum
Kommunale Entwicklungspolitik öffnet Türen - Gute Beispiele aus engagierten Kommunen - SKEW
EINFÜHRUNG

4
Kommunale Entwicklungspolitik öffnet Türen - Gute Beispiele aus engagierten Kommunen - SKEW
© Doris Witteler-Stiepelmann

                                                            © Martin Magunia
                                         Dr. Doris Witteler-Stiepelmann, Referatsleiterin Länder, Kommunen im
                                         Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und
                                         Dr. Stefan Wilhelmy, Bereichsleiter der Servicestelle Kommunen in

Vorwort                                  der Einen Welt, Engagement Global

   Daseinsvorsorge, Nachhaltigkeit, Klimaschutz und                            Wir freuen uns, wenn die Geschichten in dieser Bro-
   Migration – Themen, die Kommunen umtreiben. Sie                             schüre Sie zu Ideen für Ihren Landkreis, Ihre Gemeinde
   hängen eng mit Entwicklungen in der Welt zusam-                             oder Ihre Stadt anregen und zu eigenem Engagement
   men. Denn was vor Ort entschieden wird, hat oft                             inspirieren. Die praxisnahen Beispiele zeigen, wie
   Auswirkungen über die Ortsgrenzen hinaus. Immer                             Kommunen den Einstieg fanden und welche verschie-
   mehr Kommunen möchten globale Verantwortung                                 denen Projekte möglich sind. Jede der Beispielkommu-
   übernehmen, sich mit anderen vernetzen und gemein-                          nen geht dabei ihren individuellen Weg und engagiert
   sam mit ihren Partnerkommunen Lösungen finden.                              sich so für die Eine Welt, wie es zu ihr passt. Oft ent-
                                                                               falten schon kleine Maßnahmen große Wirkungen
   Dies ist auch der Ansatz der Agenda 2030, die 2015                          und mit den ersten Schritten stellen sich begeisterte
   von den Vereinten Nationen verabschiedet wurde.                             Mitstreiter ein: engagierte Bürgerinnen und Bürger,
   Die Ziele der Agenda 2030 können nur gemeinsam                              Vereine oder migrantische Organisationen. Gerade in
   erreicht werden, und richten sich so an alle Länder,                        kleinen Gemeinden ist eine Partnerschaft mit einer
   die Politik und Verwaltungsebenen. Viele der 17 Ziele                       Kommune im Globalen Süden oft ein Gemeinschafts-
   berühren Bereiche kommunalen Handelns, wie zum                              projekt, das alle verbindet.
   Beispiel das Ziel »Bezahlbare und Saubere Energie«
   (Ziel 7) oder »Maßnahmen zum Klimaschutz« (Ziel 13),                        Entwicklungspolitische Themen sind verknüpft mit
   und mit »Nachhaltige Städte und Gemeinden« (Ziel                            Fragen, die vor Ort wichtig sind. Wie ist der Klima-
   11) sind Kommunen sogar selbst als Akteure genannt.                         schutz voranzubringen und wie ist mit Folgen des
   Um das Engagement von Kommunen zu fördern, hat                              Klimawandels wie Starkregen oder langer Trockenheit
   das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusam-                            umzugehen? Wie kann die Integration von Migran-
   menarbeit und Entwicklung (BMZ) sein Angebot in                             tinnen und Migranten gelingen und was bedeutet es,
   den vergangenen Jahren intensiviert. Von der Service-                       wenn viele Menschen vom Land in die Städte ziehen?
   stelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) betreute                           Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusam-
   und erfolgreich umgesetzte Projekte haben wir in                            menarbeit und Entwicklung und Ihre Servicestelle
   dieser Broschüre für Sie zusammengefasst.                                   Kommunen in der Einen Welt unterstützen auch Sie
                                                                               dabei den richtigen Einstieg zu finden. Wir fördern Ihr
   Diese Broschüre stellt beispielhaft Projekte aus deut-                      entwicklungspolitisches Engagement finanziell und
   schen Kommunen vor – kleinere Einzelmaßnahmen                               begleiten Ihre Kommunen als kompetente Partner.
   genauso wie aufwendigere Vorhaben, Beispiele aus
   dem ländlichen Raum ebenso wie aus Metropolregio-
   nen. So entwickelte Erfurt erfolgreich eine übergeord-
   nete Nachhaltigkeitsstrategie und setzt diese Schritt
   für Schritt in die Tat um. Neumarkt in der Oberpfalz
   tat sich auf dem Weg zur klimaneutralen Kommune
   mit einer Partnerstadt in Südafrika zusammen. Aid-
   lingen optimierte seine Beschaffungskriterien und
   brachte so das Thema Faire Beschaffung in den Ver-
   waltungsalltag. Und die Stadt Dortmund verwirklichte
   mit Bürgerinnen und Bürgern mit Migrationsgeschich-
   te Projekte für ein vielfältiges Miteinander in der Stadt
   und verknüpft Migration und Entwicklung.

                                                                                                                                          5
Kommunale Entwicklungspolitik öffnet Türen - Gute Beispiele aus engagierten Kommunen - SKEW
© Martin Steffen/GLS Treuhand
                                           Frieder Wolf
                                           Vorsitzender des SKEW-Programmbeirats und Leiter des Referats für Internationale

    Grußwort                               Angelegenheiten im Amt der Oberbürgermeisterin der Stadt Köln

       »Die Zukunft der Menschheit liegt in den Städten«, so                                   In unseren Städten spiegelt sich die ganze Welt
       hat es Kofi Annan bereits am 4. Juli 2000 anlässlich der                                wider. Internationalität ist unser Wesenskern. Durch
       Eröffnung der Weltkonferenz URBAN 21 zur Zukunft                                        alle Jahrhunderte hindurch waren Städte nicht nur
       der Städte in Berlin gesagt. War das internationale                                     ein Schmelztiegel von Menschen unterschiedlicher
       System im 19. und 20. Jahrhundert im Wesentlichen                                       Kulturen, Religionen und Nationen, sondern dann
       von den Nationalstaaten bestimmt, gestalten längst                                      erfolgreich, wenn sie sich geöffnet haben. Phasen
       nicht nur global agierende Unternehmen, sondern zu-                                     der Abschottung führten dagegen regelmäßig zum
       nehmend auch Kommunen und zivilgesellschaftliche                                        Niedergang. Köln ist dafür ein gutes Beispiel.
       Organisationen die Weltpolitik maßgeblich mit.
                                                                                               Kommunen als die den Bürgerinnen und Bürgern am
       Hunderte von Kommunen in ganz Deutschland                                               nächsten stehende politische Ebene können es sich
       machen schon seit vielen Jahren vor, wie globale Her-                                   nicht leisten, über Probleme nur zu reden; sie müssen
       ausforderungen auf der lokalen Ebene und mittels                                        sie lösen, Tag für Tag. Diese Pragmatik kennzeichnet
       internationaler Städtekooperationen bewältigt werden                                    auch die kommunale Entwicklungszusammenarbeit.
       können. Sie setzen sich ein für die Beendigung von
       extremer Armut und Hunger, für den Klimaschutz,                                         Die Zusammenarbeit kommunaler Expertinnen und
       für Menschenrechte und gute Arbeitsbedingungen,                                         Experten aus dem Globalen Norden und dem Globalen
       für die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung,                                       Süden trägt dazu bei, praktische Ideen und Lösungen
       der kommunalen Daseinsvorsorge und der lokalen                                          auf Augenhöhe zu entwickeln und auszutauschen.
       Demokratie, für Faire Vergabe und Fairen Handel, für                                    Eine solche Zusammenarbeit begründet weltweit Ver-
       die Stärkung von Frauen und Kindern – kurz gesagt:                                      trauen und öffnet Türen auch für die Zusammenarbeit
       für ein gutes Leben aller Menschen weltweit.                                            in anderen Bereichen, zum Beispiel der Wissenschaft
                                                                                               oder der Wirtschaft.
       Das sind großartige Ziele. Gute Gründe liegen auf der
       Hand. Sie decken sich mit kommunalem Eigeninteres-                                      Der Blick auf globale Zusammenhänge erhöht in der
       se: Längst sind die globalen Auswirkungen von Um-                                       Bürgerschaft und in der kommunalen Verwaltung
       weltzerstörung, Klimawandel, Ungerechtigkeit, Krieg,                                    nicht nur wichtige Schlüsselqualifikationen wie
       Not und Armut nämlich auch in unseren Kommunen                                          Toleranz, Weltoffenheit, interkulturelle Kompetenzen
       angekommen.                                                                             und Empathie, sondern in vielen Fällen auch unsere
                                                                                               wertvollsten Ressourcen: Mitarbeitermotivation und
       So fliehen immer mehr Menschen vor politischer                                          Bürgerengagement.
       Unterdrückung, Krieg und Gewalt, vor Not oder der
       Zerstörung ihrer natürlichen Lebensgrundlagen. Sie                                      Viele Bürgerinnen und Bürger möchten in einer Stadt
       fliehen vor Bedingungen, die wir durch unsere Art zu                                    leben, für die sich Weltoffenheit und Internationalität
       konsumieren und zu produzieren oder das Versagen                                        auch in der Wahrnehmung internationaler Verantwor-
       der internationalen Politik zum Teil mit zu verantwor-                                  tung ausdrückt. Sie sind auch bereit, sich dafür per-
       ten haben. Nicht Grenzsperren, die ohnehin Flucht                                       sönlich zu engagieren. Sie mehren den guten Ruf ihrer
       nicht verhindern werden, sind die richtige Antwort,                                     Kommune – nicht nur aufgrund von Größe, von Bau-
       sondern unser Engagement in einer lokal vernetzten                                      werken oder von Wirtschaftskraft, sondern aufgrund
       Welt. Wo manche Staaten den unheilvollen Weg des                                        ihrer Werte und ihres Engagements für »die Zukunft
       Nationalismus wählen, praktizieren Städte weltweit                                      der Menschheit«. Die in der Broschüre dokumentierten
       Solidarität.                                                                            Beispiele zeugen davon.

6
Kommunale Entwicklungspolitik öffnet Türen - Gute Beispiele aus engagierten Kommunen - SKEW
© Eva Vianden
                                      Christiane Overmans
                                      Vorsitzende des Ausschusses für kommunale Entwicklungszusammenarbeit des

Grußwort                              Rates der Gemeinden und Regionen Europas | Stadtverordnete Bundesstadt Bonn

  Kommunale Entwicklungszusammenarbeit gilt bis-                         Zugang zu sauberem Wasser. 1,1 Milliarden Men-
  lang vielen noch als randständiges Politikfeld und wird                schen weltweit haben keinen Zugang zu Elektrizität.
  häufig infrage gestellt. Gerne wird darauf verwiesen,                  2,5 Milliarden Menschen leben ohne angemessene sa-
  dass Entwicklungszusammenarbeit eine nationale                         nitäre Versorgung. Diese Probleme werden sich ohne
  Aufgabe sei, dass eine wirkliche partnerschaftliche                    wirksame Gegenmaßnahmen durch die fortschreiten-
  Beziehung über große Distanzen nicht möglich sei und                   de Urbanisierung noch verschärfen. Auch der Kampf
  dass deutsche Kommunen dringlichere Sorgen hätten.                     gegen die negativen Auswirkungen des Klimawandels
                                                                         wird letztlich vor Ort geführt werden.
  Aber die Globalisierung macht nicht vor den Toren
  der Städte und Gemeinden halt. Nur wenn wir uns                        Keine Ebene kennt lokale Probleme und Lösungen
  in internationale Prozesse einbringen, haben wir                       besser. Insgesamt gibt es daher einen weltweiten
  eine Chance, dass diese nach unseren Vorstellungen                     Trend, Aufgaben auf die lokale Ebene zu übertragen.
  gestaltet werden. Schon die Europäische Union zeigt:                   Damit Kommunen diese Aufgaben erfüllen können,
  Wer keine Netzwerke über die nationalen Grenzen                        benötigen sie Selbstbestimmungsrechte und finan-
  hinaus pflegt, wird sich kaum mit seinen Sichtweisen                   zielle Spielräume. Die kommunale Selbstverwaltung
  durchsetzen. Die deutschen Kommunen müssen ihr                         in Deutschland hat weltweit einen hervorragenden
  Schicksal ein Stück weit selbst in die Hand nehmen.                    Ruf und deutsche Kommunen sind daher gefragte
  Kommunale Entwicklungszusammenarbeit ist dabei                         Partner beim Aufbau selbstverwalteter Strukturen.
  ein wichtiger Faktor in Hinblick auf die Minimierung
  von Fluchtursachen, für eine Angleichung der Lebens-                   Kommunen handeln aber nicht nur aus globaler
  und Arbeitsbedingungen als auch mit Blick darauf,                      Verantwortung. Sie können so für sich werben und
  Kommunen eine starke Stimme bei internationalen                        somit den eigenen Standort stärken. Darüber hinaus
  Verhandlungen zu geben.                                                stärken kommunale Entwicklungs- und Projektpart-
                                                                         nerschaften das Zusammenwirken von Zivilgesell-
  Zudem verschafft uns gerade die kommunale Ent-                         schaft und Verwaltung. Migrantinnen und Migranten
  wicklungszusammenarbeit einen »Blick über den                          aus Entwicklungs- und Transformationsländern kann
  Tellerrand« hinaus. Deutsche Kommunen können                           dabei eine bedeutende Rolle als Mittler zukommen.
  durchaus von ihren Partnern in Entwicklungs- und                       Sie gewinnen so eine anerkannte und kompetente
  Schwellenländern lernen – zum Beispiel wie man                         Position in der Stadtgesellschaft. Über Partner-
  Probleme mit einfacheren Mitteln lokal löst.                           schaftsprojekte können breite Bevölkerungskreise
                                                                         angesprochen und damit ein positives Bewusstsein
  Kommunale Entwicklungszusammenarbeit ist trotz                         für die Bewältigung globaler Herausforderungen
  aller noch vorhandenen Skepsis schon jetzt eine                        geschaffen werden.
  Erfolgsgeschichte: Viele deutsche Kommunen en-
  gagieren sich seit Langem in der Einen Welt. So ist                    Kommunale Entwicklungszusammenarbeit ist auch
  die Anzahl der Kommunen, die in der kommunalen                         eine Erfolgsgeschichte in Hinblick auf die Zusammen-
  Entwicklungszusammenarbeit aktiv sind, von 198                         arbeit von Kommunen, Ländern und Bund. Sie konnte
  im Jahre 2012 auf 777 im Jahre 2018 gestiegen.                         von kommunaler Seite praxisnah mitgestaltet werden.
                                                                         Beispiele hierfür sind die Servicestelle Kommunen in
  Dies ist umso wichtiger, als ohne Kommunen die Pro-                    der Einen Welt und die Nakopa-Förderung. Inwieweit
  bleme in der Welt nicht gelöst werden können. Fast                     dies auch für die Zukunft der Fall sein wird, hängt auch
  750 Millionen Menschen weltweit haben heute keinen                     von Ihrem Engagement ab!

                                                                                                                                    7
Kommunale Entwicklungspolitik öffnet Türen - Gute Beispiele aus engagierten Kommunen - SKEW
GUTE BEISPIELE

8
Engagement verbinden für große Wirkung
Kommunen, die sich ihrer globalen Verantwortung stellen, sind
Vorbild für ihre Bürgerinnen und Bürger. Mit nachhaltigen Projekten
bereichern sie die Menschen lokal um das Wissen der Einen Welt.
Auch die kommunalen Spitzenverbände in Deutschland agieren als
Multiplikatoren und bieten sowohl Informationen als auch Netz-
werkmöglichkeiten für Kommunen.

                                                                      9
D S t G B S                         tädt   e- un d G e m e i n debu                     nd
     Deutscher

     Die Initiative »WELT VOR ORT«
     öffnet Türen

                                                                                             © Bernhardt Link

        »WELT VOR ORT« sorgt für mehr Durchblick bei der kommunalen
        Entwicklungspolitik. Jonas Wiggers vom DStGB (Mitte) auf einer Messe
        mit interessierten Kommunalvertretern

                                           Kompetenz für Daseinsvorsorge ist in Deutschland                     angegangen worden oder sogar umgesetzt sind.
     Netzwerken auf allen Ebenen,          fest verankert: in den Städten, Gemeinden, Land-                     Auch kleine Kommunen haben sich in Hinblick auf
     damit der kommunalen Ent-             kreisen und den kommunalen Unternehmen. Sie                          globale Herausforderungen bereits viel stärker en-
     wicklungszusammenarbeit die           stellen Tag für Tag bereit, was die Menschen vor                     gagiert, als es ihnen bewusst ist. Diese Erkenntnis
     Zukunft gehört                        Ort zum Leben brauchen: Energie- und Wasser-                         motiviert, noch einen Schritt weiter zu gehen«, so
                                           wirtschaft, Mobilität und vieles mehr. Dies sind                     Janina Salden vom DStGB.
                                           traditionell auch zentrale Themen der Entwick-
                                           lungszusammenarbeit. Aufgrund der hohen                              Der Verband hat die entwicklungspolitische Initi-
                                           Qualitätsstandards in der Daseinsvorsorge sind                       ative »WELT VOR ORT« ins Leben gerufen. Diese In-
                                           deutsche Kommunen begehrte Partner in der                            formationskampagne zeigt Kommunen Wege auf,
                                           globalen Entwicklungspolitik.                                        wie sie die globalen Ziele der Agenda 2030 vor Ort
                                                                                                                umsetzen und eine nachhaltige Zukunft gestalten
                                           Der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB)                        können. »WELT VOR ORT« bietet dazu Veranstal-
                                           möchte seine Mitglieder dabei unterstützen, sich                     tungen und Berichte, berät und gibt Praxistipps.
                                           für eine gerechte und nachhaltige Entwicklung in                     Der Deutsche Städte- und Gemeindebund versteht
                                           der Welt einzusetzen. Im Deutschen Städte- und                       sich als Multiplikator für kommunale Entwicklungs-
                                           Gemeindebund sind 17 Mitgliedsverbände und                           politik und stärkt den Netzwerkgedanken: Denn für
                                           damit über 11.000 große, mittlere und kleinere                       die Bewältigung von globalen Herausforderungen
                                           Kommunen organisiert und vernetzt. Zahlreiche                        braucht es globale Vernetzung und Koordination
                                           Kommunen sind über Partnerschaften schon im                          auf allen Ebenen. Um diese Rolle zu stärken, schuf
                                           Globalen Süden aktiv. Andere treten für Nachhal-                     er eine neue Personalstelle, die die Servicestelle
                                           tigkeit und faire Wirtschaftsbeziehungen ein.                        Kommunen in der Einen Welt finanziell fördert.
     Weitere Informationen zur Initia-
                                           »Für viele Kommunalvertreter ist es ein Erfolgser-                   Damit kann der DStGB seinen Mitgliedern nun eine
     tive »WELT VOR ORT« des DStGB
     sowie zu den Angeboten unter:         lebnis, wenn sie im Gespräch feststellen, dass viele                 feste Ansprechperson für alle Fragen zur kommu-
     www.dstgb.de/weltvorort               der Nachhaltigkeitsziele in der Kommune bereits                      nalen Entwicklungspolitik bieten.

10
© Max Niemann
Der DStGB bringt die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen auf die
kommunale Agenda

So unterstützt die Servicestelle                                              Die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der
Kommunen in der Einen Welt (SKEW)                                             Vereinten Nationen und ihre Bedeutung für Kommunen

Die Servicestelle unterstützt die entwicklungspolitische                      Am 25. September 2015 verabschiedeten die 193 Mitgliedstaaten
Arbeit des DStGB mit ihrem Angebot »Koordination                              der Vereinten Nationen die Agenda 2030. Das Kernstück sind die
kommunaler Entwicklungspolitik«. Städte und Gemein-                           17 Ziele für nachhaltige Entwicklung. Die Agenda 2030 berücksich-
den, Zusammenschlüsse von Kommunen, Landkreise                                tigt alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – Soziales, Umwelt,
oder Kommunalverbände können Projekte beantragen,                             Wirtschaft – gleichermaßen. Sie gilt für alle Staaten dieser Welt
mit denen sie kommunale Entwicklungspolitik als Quer-                         und ruft sie auf, einen Beitrag zu ihrer Umsetzung zu leisten. Die
schnittsthema voranbringen möchten. Um das Projekt                            Kommunen sind für die Erreichung der Ziele die zentralen Partner.
umzusetzen, fördert die SKEW unter anderem eine Per-                          Alle 17 Ziele haben kommunale Relevanz und viele betreffen
sonalstelle mit bis zu 90 Prozent. Hinzu kommen Mittel                        kommunale Pflichtaufgaben. In Partnerschaften können deutsche
für Begleitmaßnahmen und Reisekosten. Die Förderung                           Kommunen mit Kommunen im Globalen Süden gemeinsam und
läuft zunächst über zwei Jahre und kann mit einem                             auf Augenhöhe Nachhaltigkeitsziele umsetzen. Das 17. Ziel wür-
Folgeprojekt um weitere zwei Jahre verlängert werden.                         digt solche Partnerschaften zur Erreichung der Ziele. Nachhaltige
Die Servicestelle begleitet alle Koordinatorinnen und Ko-                     Entwicklung ist für die Handlungs- und Zukunftsfähigkeit von
ordinatoren mit Beratungs- und Vernetzungsangeboten.                          Kommunen entscheidend. Denn vor Ort – dort, wo die Menschen
                                                                              leben – findet die Verwirklichung der Agenda 2030 statt.
                             »Koordination kommunaler
                             Entwicklungspolitik«
                             https://skew.engagement-global.de/
                             koordination-kommunaler-
                             entwicklungspolitik.html
                                                                                   Praxistipp aus dem DStGB:

                                                                              Die Umsetzung der Agenda 2030 kann nur gemeinsam mit den
                                                                              Kommunen gelingen. Es gilt, das vorhandene Engagement zu
                                                                              verstetigen und auszubauen und weitere Mitstreiter zu gewinnen.
                                                                              Die Initiative ›WELT VOR ORT‹ hält auch Tipps bereit, wie durch
                                                                              Aktionen vor Ort das Bewusstsein für Nachhaltigkeit gestärkt
                                                                              werden kann. Ein Beispiel dafür ist der ›Kommunalsaisonkalen-
                                                                              der‹, der kostenfrei online zur Verfügung steht.

                                                                              Janina Salden (April 2018)

                                                                                                                                                              11
FAIRER HANDEL UND
     FAIRE BESCHAFFUNG

12
Ein kleiner Schritt für die Kommune …
… ein großer Schritt für weltweit faire Arbeitsbedingungen
Kreise, Städte und Gemeinden leisten mit dem Einkauf fair
produzierter Waren einen positiven Beitrag für Umwelt- und
Sozialstandards und zur globalen Nachhaltigkeit. Die Service-
stelle Kommunen in der Einen Welt berät, fördert und vernetzt
bei der Umsetzung von kommunalen Maßnahmen für Fairen
Handel und Faire Beschaffung.

                                                                13
AI D L I N G E N
     Von den »Mango-Tagen« zur
     preisgekrönten globalen Fairness

                                                                                          © Gemeinde Aidlingen

                                                                           Wenn man wie ich selbst Familienvater ist, trifft einen Kinder-
                                                                           arbeit zum Beispiel in Steinbrüchen mitten ins Herz. Man steht
                                                                           zunächst hilflos da. Aber es gibt eben doch Möglichkeiten, etwas
                                                                           zu ändern – zum Beispiel durch Faire Beschaffung.
                                                                           Bürgermeister Ekkehard Fauth (März 2018)

                                       In Aidlingen trägt man sich die »Mango-Tage« in                           2012 wurde Aidlingen die erste »Fairtrade-Gemein-
     Ein Ort, ein Wort – eine          den Kalender ein. Seit Ende der 1980er-Jahre kauft                        de« im Landkreis Böblingen. Nur ein Jahr später
     Gemeinde findet beim              die evangelische Kirche im Landkreis Böblingen die                        erreichte sie beim bundesweiten Wettbewerb
     Engagement rund um                ganze Mango-Ernte eines Landstrichs in Westafri-                          »Hauptstadt des Fairen Handels« aus dem Stand
     Fairen Handel zusammen.           ka auf und bringt sie ins Ländle – an den »Mango-                         den vierten Platz und nun stellt die Kommune ihre
                                       Tagen«. Der Gewinn kommt dem Nachwuchs in                                 Beschaffungskriterien im »Kompass Nachhaltig-
                                       Burkina Faso zugute, er wird dort in Bildung inves-                       keit« zur Verfügung und zeigt anderen Kommunen,
                                       tiert. So konnten durch die Mango-Aktion in den                           wie Faire Beschaffung in der Praxis aussehen kann.
                                       vergangenen Jahren schon zahlreiche Schulen oder                          Denn Kommunen haben große Marktmacht und
                                       auch Schulmensen gebaut werden.                                           können ein wirkungsvolles Zeichen für nachhalti-
                                                                                                                 geres Einkaufen setzen.
                                       Auch Aidlingen ist so auf den Geschmack gekom-
                                       men, doch lange fehlte hier ein Weltladen. Als sich                       So auch bei dem Anliegen, weniger auf von Kin-
                                       2010 eine Immobilie dafür anbot, blieb es nicht                           dern hergestellte Produkte zurückzugreifen. Der
                                       beim Weltladen mit Café. Ein Verein gründete eine                         Bürgermeister wollte nicht länger hinnehmen, dass
                                       Lenkungsgruppe für Fairen Handel und bat den                              auf dem Gemeindefriedhof unter unmenschlichen
                                       Bürgermeister mitzumachen. Der erkannte schnell                           Bedingungen produzierte Grabsteine aufgestellt
     Ein Smiley wirbt in Aidlinger
                                       das Potenzial des Themas. Dann ging es Schlag                             werden. Deshalb setzt er sich dafür ein, dass Kom-
     Geschäften für Fairen Handel –
     entworfen von den Kindergarten-   auf Schlag: Der Gemeinderat beschloss, nur noch                           munen mit ihren Friedhofssatzungen ausbeuteri-
     Kindern.                          sozialverträglich zu beschaffen.                                          scher Kinderarbeit einen Riegel vorschieben dürfen.

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Auf einen Blick:
                                                                                                          Aidlingens Engagement für die Eine Welt

                                                                                                          In Aidlingen verbinden sich kirchliche Entwicklungsinitiativen für
                                                                                                          Burkina Faso, Indien, Kongo und Haiti, ein gelebter Agenda-21-Pro-
                                                                                                          zess und das Bekenntnis zu überprüfbarer Nachhaltigkeitspolitik.
                                                                                                          2017 und 2018 gestaltete Aidlingen gemeinsam mit engagierten
                                                                                                          Migrantinnen und Migranten entwicklungspolitische Bildungs-
                                                                                                          angebote. Im Netzwerk »Migration und Entwicklung« tauscht
                                                                                                          sich Aidllingen mit anderen Kommunen zum Thema Migration
                                                                                                          und Flucht aus. Bei Treffen mit seinen Nachbarkommunen weist

                                                            © Gemeinde Aidlingen
                                                                                                          Aidlingen gern auf die vielen praktischen Möglichkeiten für ent-
                                                                                                          wicklungspolitisches Engagement hin. So lud Aidlingen Vertrete-
                                                                                                          rinnen und Vertreter von Nachbarorten und dem Land zu einem
                                                                                                          kommunal-entwicklungspolitischen Dialog ins Schloss Deufringen
                                                                                                          ein. Dort verabschiedeten sie gemeinsam die »Aidlinger Erklärung«
Schloss Deufringen                                                                                        zur Förderung des entwicklungspolitischen Handelns in kleineren
                                                                                                          und mittelgroßen Kommunen.

So unterstützt die Servicestelle
Kommunen in der Einen Welt (SKEW)

Die SKEW unterstützt Kommunen, die sich wie Aidlin-
gen für Fairen Handel und global nachhaltige Beschaf-
fung interessieren, mit Informationen, Vernetzungs-
angeboten sowie individueller Beratung. Zum Angebot
                                                                                   © Gemeinde Aidlingen

gehören auch Bestandsaufnahmen und Schulungen zur
Ausschöpfung der vergaberechtlichen Möglichkeiten.

Mit dem »Kompass Nachhaltigkeit« können Kommu-
nen nicht nur Gütezeichen vergleichen, sondern auch
                                                                                                          Unter dem gemeinsamen Ziel, für globale Gerechtigkeit einzutreten,
beispielhafte Ratsbeschlüsse einsehen. Unter der
                                                                                                          findet sich der Ort als ländliche Gemeinschaft zusammen: Das stärkt den
Schirmherrschaft des Bundesministers für wirtschaftli-                                                    Zusammenhalt in der Gemeinde.
che Zusammenarbeit und Entwicklung findet alle zwei
Jahre der Wettbewerb »Hauptstadt des Fairen Handels«
statt, bei dem Städte und Gemeinden Aktionen und
Projekte für globale Fairness vorstellen. Wer mitmacht,
kann im Jahr darauf – unabhängig von einer Platzie-                                                            Praxistipp aus Aidlingen:
rung – an Netzwerktreffen teilnehmen. Dort werden
Erfahrungen und Tipps rund um das Themenfeld Fairer                                                       Wenn eine Kommunalverwaltung oder die kommunale Politik
Handel und Faire Beschaffung ausgetauscht.                                                                sich für globale Gerechtigkeit einsetzen möchte, braucht man
                                                                                                          nicht unbedingt eine Partnerstadt in Afrika, Südamerika oder In-
                       »Kompass Nachhaltigkeit«                                                           dien. Durch Faire Beschaffung – angefangen beim Rathauskaffee
                       www.kompass-nachhaltigkeit.de                                                      über die Ausstattung kommunaler Unternehmen, zum Beispiel
                                                                                                          die Berufskleidung, oder eben auch eine kommunale Vorgabe zu
                                                                                                          erlaubten Grabsteinen auf dem Friedhof – lässt sich Kinderarbeit
                                                                                                          ächten. Wichtig ist, dass jemand maßgeblich für den Gedanken
                                                                                                          einsteht – jemand, den jeder im Ort kennt, wie den Bürgermeister.

                                                                                                          Bürgermeister Ekkehard Fauth (März 2018)
                       »Hauptstadt des Fairen Handels«
                       https://skew.engagement-global.de/
                       wettbewerb-hauptstadt-des-fairen-
                       handels.html                                                                                                    Gemeinsam für eine faire Zukunft, diese Vision eint
                                                                                                                                       alle im Ort – das weiß in Aidlingen jedes Kind, auch
                                                                                                                                       dank des Wettbewerbs »Fair is School«, finanziert mit
                                                                                                                                       den 15.000 Euro Preisgeld aus dem SKEW-Wettbewerb
                                                                                                                                       »Hauptstadt des Fairen Handels«.

                                                                                                                                                                                               15
SA A R-
     BRÜ  C K E N
     Wo Fairer Handel zum
     Schlüssel wird

                                     Die heutige Stadt Saarbrücken entstand aus dem          den. Daher legen wir einen Schwerpunkt auf das
     Migrantinnen und Migranten      Zusammenschluss dreier Städte, die noch bis 1909        Bildungswesen im Sinn von lebenslangem Lernen.
     als Brückenbauer zum Globalen   selbstständig waren. Die Vereinigung prägt die          Fairer Handel wird in Schulen, Volkshochschulen
     Süden                           Stadt und so verwundert es nicht, dass der Erfolg       und Hochschulen immer wieder thematisiert. Wir
                                     beim entwicklungspolitischen Engagement vom             haben inzwischen auch drei ausgezeichnete ›faire
                                     Zusammenspiel vieler Kräfte angetrieben wird. In        Kitas‹. Jedes Kind soll wissen, was Fairer Handel
                                     der Landeshauptstadt an der Saar schafft Fairer         ist. Es geht darum, Kaufentscheidungen und Kon-
                                     Handel den Rahmen für vielfältiges Engagement           sumverhalten nachhaltig zu beeinflussen. Dabei
                                     unterschiedlicher Initiativen, unter maßgeblicher       erziehen Kinder oft ihre Eltern«, sagt Christian
                                     Beteiligung migrantischer Kräfte und der Verwal-        Bersin, Leiter des Amtes für Klima-und Umwelt-
                                     tung. Fairer Handel ist ein Thema, das Menschen         schutz der Stadt Saarbrücken.
                                     verbindet.
                                                                                             Neben der Stadtverwaltung sind es an der Saar
                                     Zurück geht der Gedanke des Fairen Handels in           jedoch vor allem Studierende aus dem Globalen
                                     Saarbrücken bereits auf den Nicaragua-Kaffee als        Süden, die Brücken bauen. Sie können authentisch
                                     Zeichen der Solidarität zu Zeiten der Revolution        über die Folgen ausbeuterischer Kinderarbeit be-
                                     in Nicaragua in den 1980er-Jahren. Da lag es nur        richten und unterstützen Entwicklungsprozesse in
                                     nahe, dass der Stadtrat beschloss, nur noch fair        ihren Herkunftsländern mit ihrem interkulturellen
                                     gehandelten Kaffee zu kaufen. Die Saarbrücker           Wissensschatz. So ist Saarbrücken stolz darauf,
                                     Verwaltung treibt die faire Idee weiter voran.          dass die Universität des Saarlandes die erste
                                     Aktuell entwickelt sie gemeinsam mit der Arbeits-       »Fairtrade-University« Deutschlands ist.
                                     kammer des Saarlandes, der Industrie- und Han-
                                     delskammer (IHK) und anderen Verbänden einen            Bei aller Dynamik, die ausländische Studierende
                                     Masterplan für den Fairen Handel. Künftig möchte        entfalten: Sie verlassen Saarbrücken auch wieder.
                                     die Stadt Unternehmen auszeichnen, die Arbeits-         Deshalb hat die Stadt mit einem Koordinator nun
                                     kräfte fair behandeln – ob nun in Deutschland oder      einen festen Ansprechpartner für kommunale
                                     weltweit, ob direkt vor Ort oder über den Einkauf       Entwicklungspolitik. Er stimmt den Masterplan
                                     von Produkten aus dem Globalen Süden. »Fairer           für Fairen Handel ab und kümmert sich darum, die
                                     Handel ist für uns ein Schlüssel zur Entwicklungs-      Netzwerkstrukturen der Nord-Süd-Partnerschaften
                                     politik, weil man die Leute damit leicht ansprechen     dauerhaft zu stärken.
                                     kann: Jeder will fair behandelt und fair bezahlt wer-

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© Dirk Enters
                                                                                                                                Bei der Preisverleihung des Wettbewerbs »Kommune bewegt Welt« bekam
                                                                                                                                Saarbrücken 2018 den ersten Preis

                                                                    © Diego Núñez Mochila Productions

                                                                                                        © Peter Weichardt FIS
Faire Uni Saar – Die erste »Fairtrade-University« in Deutschland

So unterstützt die Servicestelle
                                                                                                                                Es läuft rund beim Fairen Handel in Saarbrücken – auch über Grenzen hinweg:
Kommunen in der Einen Welt (SKEW)
                                                                                                                                Schülerinnen und Schüler der »Fairtrade-School« Grundschule Scheidt

Die Servicestelle Kommunen in der Einen Welt unter-
stützt Städte und Gemeinden, die den Fairen Handel
fördern wollen, und überdies Initiativen, die die The-                                                                          Auf einen Blick:
men Migration und Einwicklung zusammenbringen.                                                                                  Saarbrückens Engagement für die Eine Welt

                             Informationen zu Fairem Handel                                                                     Saarbrückens Blick reicht über die Landesgrenzen hinaus. Im
                             und Fairer Beschaffung                                                                             Städtenetzwerk QuattroPole bündeln die Städte Luxemburg, Metz,
                             https://skew.engagement-global.de/                                                                 Saarbrücken und Trier seit dem Jahr 2000 ihre Kräfte. Saarbrücken
                             fairer-handel-und-faire-beschaffung.
                                                                                                                                richtete die elfte »International Fair Trade Towns Conference«
                             html
                                                                                                                                gemeinsam mit Metz, Luxemburg und Trier aus. Alle Städte der
                                                                                                                                QuattroPole tragen seit 2012 die Auszeichnung »Fairtrade-Town«.
                                                                                                                                2015 wurde Saarbrücken »Hauptstadt des Fairen Handels«. 2018
                                                                                                                                gewann die Stadt den Wettbewerb »Kommune bewegt Welt«, der
                                                                                                                                Projekte zum Thema Migration und Entwicklung auszeichnet, bei
                                                                                                                                denen Kommunen mit migrantischen Organisationen und anderen
                                                                                                                                Eine-Welt-Akteuren zusammenarbeiten. Saarbrücken erhielt den
                                                                                                                                Preis für die langjährige Zusammenarbeit mit Migrantinnen und
                                                                                                                                Migranten im Bereich Fairer Handel.

                                                                                                                                     Praxistipp aus Saarbrücken:

                                                                                                                                Fairer Handel ist nicht kompliziert und gut zum Einstieg in die
                                                                                                                                Entwicklungspolitik geeignet. Wir wollen erstes ›Faires Bundes-
                                                                                                                                land‹ werden. Dazu muss die Hälfte der Kommunen ›Fairtrade-
                                                                                                                                Town‹ sein. Einige Gemeinden, die noch keine Berührungspunkte
                                                                                                                                zu Fair Trade hatten, haben sich daher inzwischen auf den Weg
                                                                                                                                gemacht und dabei entdeckt, dass es bei ihnen tatsächlich schon
                                                                                                                                viele Akteure gibt, die bereits am Thema arbeiten. In den Ge-
                                                                                                                                meinden bilden sich schnell neue Vernetzungen, bis ins Rathaus
                                                                                                                                hinein.

                                                                                                                                Christian Bersin, Leiter Amt für Klima-und Umweltschutz (März 2018)

                                                                                                                                                                                                              17
GLOBAL NACHHALTIGE KOMMUNE

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Globale Entwicklungsziele kommunal umsetzen
Die 17 globalen Entwicklungsziele der Agenda 2030
bieten Anlass und unzählige Möglichkeiten, eine lebens-
werte und zukunftsfähige Kommune für kommende
Generationen zu gestalten. Die Servicestelle Kommunen
in der Einen Welt unterstützt Landkreise, Städte und
Gemeinden auf diesem Weg.

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ERF U RT
     Die globalen Ziele für nachhaltige
     Entwicklung lokal umsetzen

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        »Aktionstag Nachhaltigkeit – Stadt im Wandel«, 3. Juni 2016

                                            Das Rad im Erfurter Wappen ist geradezu eine Ver-                     nachhaltige Entwicklung mit dazugehörigen
     Zivilgesellschaft, Politik und         pflichtung, etwas ins Rollen und die ganze Stadt                      Indikatoren. Mit der Nachhaltigkeitsstrategie hat
     Verwaltung drehen gemeinsam            in Bewegung zu bringen. Auf dem Weg zu mehr                           die Stadt nun ein Steuerungsinstrument für die
     am großen Rad – im Modell-             Nachhaltigkeit gelingt das der Landeshauptstadt                       Verwaltung mit Zielsetzungen, Maßnahmenpro-
     vorhaben »Global Nachhaltige           vorbildlich. Die Stabsstelle Nachhaltigkeitsma-                       gramm, Ressourcenplanung, Umsetzungsstruk-
     Kommune«.                              nagement machte den Agenda-21-Prozess zum                             turen und Controlling.
                                            Schwungrad des guten Lebens in Erfurt. Das Er-
                                            reichte wird nun konsequent in den neuen globalen                     Der Stadt ist es wichtig, dass die Erfurterinnen und
                                            Rahmen der Agenda 2030 überführt und in feste                         Erfurter bei dem Thema dabei sind. Bürgerfeste
                                            Strukturen gegossen. Erfurt verankert so kommu-                       machen das Thema Nachhaltigkeit sichtbar und
                                            nale Entwicklungspolitik als integralen Bestandteil                   stärken das Bewusstsein für nachhaltiges Handeln
                                            nachhaltigen Handelns langfristig in Verwaltungs-                     im Alltag – mit einem vielfältigen Programm aus
                                            alltag und Stadtgesellschaft. Dazu erarbeitet die                     Fachgesprächen und Musik rund um Eine Welt,
                                            Stadt eine kommunale Nachhaltigkeitsstrategie                         Fairen Handel und Globale Nachhaltigkeit. Die
                                            und beteiligt dabei Zivilgesellschaft, Politik und                    Stadt gibt hier auch Vereinen und Initiativen eine
                                            Verwaltung. Bislang fehlte Erfurt eine übergeord-                     Plattform für deren lokale Nachhaltigkeitsbeiträge.
                                            nete Leitlinie, die die einzelnen Handlungsfelder                     So entstehen Ideen für weiteres Engagement.
                                            und Baustellen für das Thema Nachhaltigkeit                           Zugleich entsteht ein Ort für Identitätsbildung. Bei
                                            ressortübergreifend, systematisch und program-                        den Stadtfesten entfaltet sich in ansprechender
                                            matisch zusammenfasst. Darauf kann sich die                           Atmosphäre ein neues städtisches Selbstverständ-
                                            Stabsstelle Nachhaltigkeitsmanagement beru-                           nis. Nachhaltiger Konsum und Lebensstil sollen
                                            fen – nicht unwichtig für eine Kommune, die ein                       langfristig typisch für Erfurt werden. Die ersten
                                            Haushaltssicherungskonzept erarbeiten musste.                         sichtbaren Erfolge geben der Landeshauptstadt
                                            Mit fachlicher Begleitung bei Datenanalyse und                        recht: Die Bürgerinnen und Bürger sehen Nachhal-
                                            Bestandsaufnahme entwickelt die Stadtverwal-                          tigkeit und kommunales entwicklungspolitisches
                                            tung ein abgestimmtes Handlungsprogramm,                              Engagement mehr und mehr als unentbehrliche
                                            Ziele und passgenaue Lösungsansätze für die                           städtische Aufgaben.

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Auf einen Blick:
                                                                                                                  Erfurts Engagement für die Eine Welt

                                                                                                                  Die Landeshauptstadt Erfurt unterzeichnete die Musterresolu-
                                                                                                                  tion »2030-Agenda für Nachhaltige Entwicklung: Nachhaltigkeit
                                                                                                                  auf kommunaler Ebene gestalten« des Deutschen Städtetages
                                                                                                                  (DST) und der Deutschen Sektion des Rates der Gemeinden und
                                                                                                                  Regionen Europas (RGRE). Zudem ist sie im »Bürgermeisterdialog
                                                                                                                  Nachhaltigkeit« aktiv. Das entwicklungspolitische Profil der Kom-
                                                                                                                  mune ist seit mehr als 20 Jahren durch Partnerschaftsprojekte mit
                                                                                                                  Kommunen im Globalen Süden geprägt. So arbeitet Erfurt mit sei-
                                                                                                                  ner Partnerstadt Kati in Mali, Westafrika, unter anderem bei dem
                                                                                                                  Bau einer Solaranlage und der Einrichtung eines Frauenzentrums
Erfurterinnen und Erfurter feiern das gute Leben beim Fest »Stadt im                                              zusammen. Erfurt wurde mehrfach als Kommune der UN-Weltde-
Wandel« mit zahlreichen Infoständen rund um Entwicklungspolitik und                                               kade »Bildung für nachhaltige Entwicklung« (BNE) ausgezeichnet.
Nachhaltigkeit                                                                                                    Betriebe, Vereine, Schulen sowie andere Bildungseinrichtungen
                                                                                                                  entwickelten und realisierten zahlreiche Projekte mit Nachhaltig-
                                                                                                                  keitsansätzen im Sinne der Lokalen Agenda 21. Seit dem Jahr 2014
                                                                                                                  trägt Erfurt den Titel »Fairtrade-Town« und ist 2017 dem Netzwerk
So unterstützt die Servicestelle                                                                                  der Biostädte in Deutschland beigetreten.
Kommunen in der Einen Welt (SKEW)

Damit globale Verantwortung im städtischen Handeln
selbstverständlich wird, unterstützt die SKEW Kom-
munen dabei, Nachhaltigkeitsstrategien und -berichte
zu erstellen.
                                                                       © Landeshauptstadt Erfurt/Jeffrey Ludwig

Mit dem Projekt »Global Nachhaltige Kommune« und
anderen Fördermöglichkeiten begleitet die Servicestel-
le Kommunen dabei, die 17 Nachhaltigkeitsziele der
Vereinten Nationen auf lokaler Ebene umzusetzen.

                            »Global Nachhaltige Kommune«
                            https://skew.engagement-global.de/
                            global-nachhaltige-kommune.html

                                                                                                                  Auszeichnung der Thomas-Mann-Grundschule zu Erfurts erster »Fairtra-
                                                                                                                  de-Schule« auf dem Aktionstag »Wissen schafft Nachhaltigkeit 2014«

                                                                                                                       Praxistipp aus Erfurt:

                                                                                                                  Uns fällt es mittlerweile schwer, zu sagen: ›Dies betrifft Bildung
                                                                                                                  für nachhaltige Entwicklung‹, ›hier geht es um Fairen Handel‹
                                                                                                                  oder ›das ist Agenda 21‹. Alles ist eng verwoben und wird als
                                                                                                                  Ganzes wahrgenommen. So können viele Projekte und Themen-
                                                                                                                  felder ihren Platz finden. Das erleichtert mitunter die Arbeit,
                                                                                                                  denn wir haben für all das kompetente Partner in der Zivilgesell-
                                                                                                                  schaft. Wenn wir etwas machen wollen und wir Unterstützung
                                                                                                                  von außen brauchen, können wir uns fest darauf verlassen.

                                                                                                                  Sylvia Hoyer, Leiterin /Dezernatsreferentin Umwelt, Kultur und Sport (April 2018)

                                                                                                                                                                                                      21
MIGRATION UND ENTWICKLUNG

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Akteure von Migration und Entwicklung vernetzen
Kommunale Entwicklungspolitik profitiert von den Erfahrungen
und Perspektiven von Migrantinnen und Migranten, die ihr
Wissen und ihre Netzwerke in das gemeinsame Engagement
einbringen. Die Servicestelle Kommunen in der Einen Welt
vernetzt und berät kommunale Akteure im Handlungsfeld
Migration und Entwicklung.

                                                               23
F E L L B AC H
     Zuhören und
     Gemeinsamkeiten entdecken

                                                                                                                 © Natalia Zumarán

        »Erzählcafé«: Fluchtgeschichten verbinden Menschen hier und aus aller Welt

                                            Geflüchtet: Eine Lebenserfahrung, die viele der      Leiterin des Amts für Soziales und Teilhabe, weiß
     »Erzählcafés« weiten den Blick         heute über 70-Jährigen in Deutschland in Folge des   das: »Meine Eltern mussten im Zweiten Weltkrieg
     für Migration und Entwicklung.         Zweiten Weltkriegs mit den in den letzten Jahren     selbst flüchten: meine Mutter aus Pommern, mein
     Seniorinnen und Senioren, die          Geflüchteten teilen. Und was läge näher, als Ge-     Vater aus Ostpreußen über das zugefrorene Frische
     nach dem Zweiten Weltkrieg             flüchtete von damals und heute zusammenzubrin-       Haff. Er war sieben Jahre alt und ging unterwegs
     geflüchtet sind, und vor Kurzem        gen? In den letzten Jahren hat die Stadt Fellbach    verloren. Viele in den Fellbacher Senioreneinrich-
     Geflüchtete finden über ihre           mehr als 900 Geflüchtete aufgenommen. Über ein       tungen werden von solch schrecklichen, lange
     Lebensgeschichten zusammen.            Drittel der Bevölkerung hat Wurzeln in anderen       verdrängten Erinnerungen heimgesucht.«
                                            Ländern und verfügt so über wertvolle interkultu-
                                            relle Erfahrungen.                                   Aus den Berichten der »Erzählcafés« entstanden
                                                                                                 eine gedruckte Dokumentation und eine Aus-
                                            Erzählen, zuhören, gehört werden, das ist die        stellung, die die Geschichten der Geflüchteten in
                                            Grundidee hinter den Fellbacher »Erzählcafés«.       den Blick nimmt. Sie ist als Wanderausstellung
                                            Deutsche, bereits Angekommene und gerade             konzipiert und kann bundesweit an Interessierte
                                            Ankommende teilen ihre Geschichten. Die sind oft     ausgeliehen werden (über das Forum der Kulturen
                                            tragisch, in jedem Fall bewegend und enthalten       in Stuttgart). Die Ausstellung trägt die verbinden-
                                            manchmal auch amüsante Wendungen. Für die            den Lebensgeschichten weiter und lässt Fluchter-
                                            Teilnehmenden waren die »Erzählcafés – An(ge)        fahrungen konkret und begreifbar werden.
                                            kommen in Fellbach. Damals und heute« eine
                                            intensive persönliche Erfahrung. Christine Hug,

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Auf einen Blick:
                                                                                                                  Fellbachs Engagement für die Eine Welt

                                                                                                                  Die Stadt Fellbach gründete bereits in den 1970er-Jahren einen
                                                                                                                  der ersten Ausländerbeiräte in Deutschland. 2011 ging daraus der
                                                                                                                  heutige Integrationsbeirat hervor, bei dem die Oberbürgermeiste-
                                                                                                                  rin den Vorsitz führt. Das erste Integrationskonzept aus dem Jahr
                                                                                                                  2005 wurde 2015 fortgeschrieben – unter maßgeblicher Mitarbeit
                                                                                                                  von Migrantinnen und Migranten mit Wurzeln in verschiedenen
                                                                                                                  Kulturen. Der erste migrantische Verein in Fellbach wurde schon vor

                                                                          © Natalia Zumarán
                                                                                                                  fünfzig Jahren gegründet; heute gibt es 20 migrantische Initiativen.
                                                                                                                  Die Stadtverwaltung unterstützt sie zum Beispiel über die kostenlo-
                                                                                                                  se Bereitstellung von Räumen.

Christine Hug (links), Leiterin des Amtes für Soziales und Teilhabe der                                           Seit mehr als 40 Jahren findet in Fellbach die jährliche »Fiesta
Stadt Fellbach                                                                                                    International«, ein Fest der Begegnung unterschiedlicher Kulturen,
                                                                                                                  statt. 2013 wurden die »Fellbacher Weltwochen« ins Leben geru-
                                                                                                                  fen. Bereits dreimal prämierte der landesweite Wettbewerb »Mei-
                                                                                                                  ne.Deine.Eine.Welt.« der Stiftung Entwicklungs-Zusammenarbeit
So unterstützt die Servicestelle                                                                                  Baden-Württemberg Projekte aus Fellbach.
Kommunen in der Einen Welt (SKEW)

Die Wanderausstellung und die Dokumentation
wurden von der Servicestelle finanziell gefördert. Mit
dem Instrument »Kleinprojektefonds« unterstützt die
SKEW Einzelmaßnahmen innerhalb der kommunalen
Entwicklungspolitik mit 1.000 bis 20.000 Euro aus
Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung.

                              »Kleinprojektefonds«
                              https://skew.engagement-global.de/
                                                                                              © Natalia Zumarán

                              kleinprojektefonds.html

                                                                                                                  Die Teilnehmenden sprachen über ihre Erfahrungen und entdeckten viele
                                                                                                                  Gemeinsamkeiten, egal ob sie in naher oder ferner Vergangenheit Fluchterfah-
                                                                                                                  rungen gemacht hatten

                                                                                                                       Praxistipp aus Fellbach:

                                                                                                                  Entwicklungspolitische Bildung ist besonders einprägsam, wenn
                                                                                                                  Betroffene über ihre persönlichen Schicksale erzählen. In den
                                                                                                                  Kommunen können unsere migrantischen Mitbürgerinnen und
                                                                                                                  Mitbürger dabei eine wertvolle Aufgabe übernehmen: Durch ihre
                                                                                                                  interkulturellen Erfahrungen, ihr besonderes Wissen und ihre
                                                                                                                  häufig noch bestehenden Verbindungen in ihre Ursprungsländer
                                                                                                                  können sie helfen Brücken zu bauen.

                                                                                                                  Christine Hug, Leiterin des Amtes für Soziales und Teilhabe der Stadt Fellbach
                                                                                                                  (April 2018)

                                                                                                                                                                                                   25
RTM U N D
     DO
     Weltoffene Stadt mit
     migrantischen Netzwerken

                                                                                                                  © Africa Positive

        Das »Afro-Ruhr-Festival« bietet eine interkulturelle Plattform für Völkerverständi-
        gung und Vermittlung von Informationen zu globalen Zusammenhängen.
        Der Verein Africa Positive mit seinen Kooperationspartnern organisiert das Event.

                                             Dortmunds Geschichte der Migration ist lang.          zung von entwicklungspolitisch erfahrenen und
     Mitwirkung mit Wirkung:                 Dortmunds Kokereien, Zechen und Stahlwerke            aktiven Migrantinnen und Migranten. Sie berieten
     Mit Migrantinnen und                    waren seit den 1950er-Jahren Magnet für aus-          die Kommunalverwaltung mit konkreten Ideen für
     Migranten Internationalität             ländische Arbeitskräfte. Die Kommune hat daher        die interkulturelle Öffnung der lokalen Entwick-
     in der Einen Welt erleben               jahrzehntelange Erfahrung mit Integration. Im         lungspolitik. So fand Dortmund heraus, welche
                                             Dortmunder Integrationsrat wirken die Zugewan-        migrantischen Initiativen und Organisationen
                                             derten und ihre Nachkommen in der politischen         bereits aktiv sind. Ein Beispiel ist das interkul-
                                             Landschaft der Stadt mit.                             turelle »Afro-Ruhr-Festival«, das Menschen aus
                                                                                                   unterschiedlichen Ländern zusammenbringt. Das
                                             Vielfalt ist ein Pfund, mit dem sich wuchern lässt.   war der erste Schritt, um die Netzwerkarbeit mit
                                             Und Dortmund will aktiv gestalten. Die Kommune        diesen Vereinen auszubauen. Gemeinsam mit den
                                             sucht den lebendigen Austausch mit migranti-          migrantischen Beraterinnen und Beratern setzte
                                             schen Selbstorganisationen, unterstützt Netz-         die Stadtverwaltung zahlreiche Projekte um, zum
                                             werke, die entwicklungspolitisches Engagement         Beispiel Netzwerkveranstaltungen zum jährli-
                                             mit Migration zusammenbringen, und fördert            chen »DiverseCity«-Kongress. Dortmund startete
                                             die Beteiligung von Dortmunder Bürgerinnen und        zudem eine Initiative, um mehr Menschen mit
                                             Bürgern mit Wurzeln im Globalen Süden.                Migrationsgeschichte und Fluchterfahrung für
                                                                                                   Positionen in der Verwaltung zu gewinnen. Mit
                                             Obwohl Migration und Entwicklung eng zusam-           ihrem Engagement, das Migration und Entwick-
                                             menhängen – wenn man etwa an Fluchtbewe-              lung verknüpft, unterstreicht die Kommune den
                                             gungen denkt –, gestaltet es sich oft schwierig,      Anspruch, neue Sichtweisen auf alte Herausfor-
                                             die Themen in der Kommunalpolitik zusammen-           derungen zu finden und ihre Internationalität zu
                                             zubringen. Dafür bekam Dortmund Unterstüt-            stärken.

26
Auf einen Blick:
                                                                                                                                               Dortmunds Engagement für die Eine Welt

                                                                                                                                               In Dortmund hat entwicklungspolitisches Engagement eine lange
                                                                                                                                               Tradition. Aus der Zivilgesellschaft wurde vor mehr als 15 Jahren
                                                                                                                                               das »Aktionsbündnis Fairer Handel« gegründet. Vom kirchlichen
                                                                                                                                               Weltladen über den Moscheeverein, von Schulen und Initiativen
                                                                                                                                               bis hin zu lokalen Unternehmen und dem Einzelhandelsverband:

                                                                            © Stadt Dortmund /Anja Kador
                                                                                                                                               Viele übernehmen mittlerweile Verantwortung für ein global ge-
                                                                                                                                               rechtes Miteinander. Dortmund war fünfmal Preisträger im Wett-
                                                                                                                                               bewerb »Hauptstadt des Fairen Handels«. Vor 20 Jahren fasste der
                                                                                                                                               Stadtrat den Beschluss für eine Lokale Agenda 21. Seit 1999 gibt es
                                                                                                                                               ein Agenda-Büro, das den Prozess koordiniert, Aktive vernetzt und
                                                                                                                                               hilft, Ideen und Projekte weiterzuentwickeln. Dortmund will zudem
Mit Vielfalt nach den Sternen greifen: Dortmunds jährliche »DiverseCity«-                                                                      seine Städte- und Projektpartnerschaften nachhaltiger gestalten.
Kongresse verdeutlichen, wie Mitwirkung Wirkung zeigt

So unterstützt die Servicestelle
Kommunen in der Einen Welt (SKEW)

Auf Antrag der Stadt Dortmund vermittelte die SKEW
passende MiGlobe-Beraterinnen und -Berater. Das sind
entwicklungspolitisch erfahrene und aktive Migran-
                                                                                                           © Stadt Dortmund/Gaye Suse Kromer

tinnen und Migranten, die Kommunalverwaltungen
beraten. Sie wurden vorab speziell auf ihre Tätigkeit in
der Kommunalberatung zu Migration und Entwicklung
vorbereitet. MiGlobe NRW ist eine Kooperation der
SKEW mit dem Forum für soziale Innovation (FSI) und
dem Eine Welt Netz NRW.

Darüber hinaus kann jede Kommune eine Bestandsauf-                                                                                             Preisverleihung Agenda-Siegel 2017
nahme zu entwicklungspolitisch engagierten Akteuren
vor Ort bei der SKEW beantragen. Die Kosten für Bera-
tung, Bestandsaufnahmen und Netzwerkveranstaltun-
gen trägt die SKEW.
                                                                                                                                                    Praxistipp aus Dortmund:
                             MiGlobe
                             nrw.miglobe.de                                                                                                    Für eine erfolgreiche kommunale Entwicklungspolitik empfiehlt
                                                                                                                                               es sich, dass man die Akteure zusammenholt und hinhört, was
                                                                                                                                               für Unterstützung gebraucht wird. Es hilft, Beteiligungsmöglich-
                                                                                                                                               keiten zu schaffen, zum Beispiel in Netzwerken zum Erfahrungs-
                                                                                                                                               austausch oder in der Zusammenarbeit bei Projekten wie einem
                                                                                                                                               Kulturfest.
                             Bestandsaufnahmen und
                             Vernetzungsworkshops                                                                                              Ganz wichtig ist es, Kontinuität und Beständigkeit zu zeigen.
                             https://skew.engagement-global.de/                                                                                Die migrantischen Initiativen müssen darauf vertrauen können,
                             bestandsaufnahmen-und-                                                                                            dass die Zusammenarbeit auch nächstes oder übernächstes Jahr
                             vernetzungsworkshops.html
                                                                                                                                               weitergeht.

                                                                                                                                               Christoph Struß, Büro für Internationale Beziehungen und nachhaltige Entwicklung
                                                                                                                                               (März 2018)

                                                                                                                                                                                                                                  27
KOMMUNALE PARTNERSCHAFTEN

28
Packen Sie lokale Herausforderungen gemeinsam an
Klimawandel, Migration, Mobilität, Digitalisierung – Zukunfts-
fragen lösen Kommunen leichter in Zusammenarbeit mit ihren
globalen Partnern. Die Servicestelle Kommunen in der Einen
Welt unterstützt Städte, Gemeinden und Landkreise beim
Aufbau und der Gestaltung kommunaler Partnerschaften
auf Augenhöhe.

                                                                 29
I RC H H A I N
     K
     Treffpunkt Zukunft – »Kommunale
     Nachhaltigkeitspartnerschaften«

                                                                                           © Rainer Waldhardt

                                                                           Es wurde sofort erzählt und verglichen: Wie es mit der Tierhal-
                                                                           tung im Kosovo bestellt ist und wie es bei uns aussieht. Dabei
                                                                           fingen die Leute an, sich mehr füreinander zu interessieren.

                                                                           Ortsvorsteher Prof. Dr. Rainer Waldhardt

                                      Kirchhain-Kleinseelheim hat einen dörflichen Cha-                         In Kleinseelheim fallen zum Beispiel der hohe Grad
     Zwei Welten? Eine Welt! – Zwei   rakter. Der Jakobsweg führt hier vorbei. Die nächst-                      an Bodenversiegelung und der Verlust ökologischer
     Dörfer in Hessen und im Kosovo   größere Stadt ist Marburg. Wenn die Lebens-                               Vielfalt durch die hoch intensive Landwirtschaft
     machen sich gemeinsam mit        wirklichkeit im Globalen Süden hier Thema war,                            auf. Im Kosovo ist illegale Abholzung ein Problem,
     den kommunalen Handlungs-        dann bei der Kirchenkollekte. Für Kleinseelheim                           da meist mit Holz geheizt wird. Auch die örtliche
     möglichkeiten zur Agenda 2030    fanden sich aber auch andere Anknüpfungspunkte                            Schule in Smirë ist nur so warm zu bekommen. Die
     vertraut.                        zur kommunalen Entwicklungspolitik: Die Stadt                             Gäste aus Viti-Smirë zeigten sich bei Besuchen in
                                      Kirchhain, zu der es verwaltungsmäßig gehört,                             Hessen von den erneuerbaren Energien beein-
                                      nahm in den Jahren 2015 und 2016 viele Menschen                           druckt. Verbesserungen in der Landwirtschaft,
                                      – auch aus dem Kosovo – auf. In Kleinseelheim                             unter anderem durch innovative Bewässerungssys-
                                      waren bereits seit 2013 mehrfach Studierende aus                          teme, waren weitere Gesprächsthemen zwischen
                                      dem Kosovo zu Gast, um sich über landwirtschaft-                          den Partnergemeinden. Viti-Smirë bilanziert in
                                      liche Themen auszutauschen. Das machte eine                               Zukunft – zusammen mit der Universität Gießen
                                      Partnerschaft mit Smirë in der Gemeinde Viti im                           – seine Treibhausgasemissionen durch Land- und
                                      Kosovo für den Ortsbeirat von Kleinseelheim so                            Forstwirtschaft.
                                      interessant.
                                                                                                                Kirchhain-Kleinseelheim und Viti-Smirë liegen vor
                                      Global denken, lokal handeln, weltweit wirken –                           allem drei der 17 Nachhaltigkeitsziele am Herzen:
                                      mit den 17 Nachhaltigkeitszielen der Agenda 2030                          Ziel 7 zu bezahlbarer und sauberer Energie, Ziel
                                      ist der Leitspruch der Agenda 21 »Global denken,                          13 hinsichtlich Maßnahmen zum Klimaschutz und
                                      lokal handeln« zum Dreisatz geworden. Wie lässt                           Ziel 15 mit Blick auf Biodiversität und nachhaltige
                                      sich die neue Maxime auf die Praxis kommunalen                            Landwirtschaft. Beide Kommunen diskutierten
                                      Handelns übertragen? – Am besten mit verein-                              darüber, wie sie diese Nachhaltigkeitsziele noch
                                      ten Kräften. Gemeinsam machen sich die beiden                             stärker in den Fokus ihres gemeinsamen Handelns
                                      Dörfer Kirchhain-Kleinseelheim und Viti-Smirë mit                         stellen können – und hatten so eine Gesprächs-
                                      den Zielen der Agenda 2030 der Vereinten Natio-                           basis, auf der sie sich auf Augenhöhe gegenseitig
                                      nen vertraut und jede Gemeinde setzt ein kleines                          kennengelernt und zusammen Lösungen erarbei-
                                      Nachhaltigkeitsvorhaben bei sich zu Hause um.                             tet haben.

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Auf einen Blick:
                                                                                                                  Kirchhain-Kleinseelheims Engagement für die Eine Welt

                                                                                                                  Seit Jahren geht Kleinseelheim erste Schritte für mehr Nachhaltig-
                                                                                                                  keit im Alltag. 2017 erhielt die hessische Kommune einen Sonder-
                                                                                                                  preis beim Landeswettbewerb »Unser Dorf hat Zukunft« für die
                                                                                                                  Entwicklung zum Bioenergiedorf und für Projekte zur Barrierefrei-
                                                                                                                  heit. Auch in der Stadt Kirchhain – Stadtmotto »Vielfalt natürlich
                                                                                                                  erleben« – stehen Nachhaltigkeitsthemen auf der Tagesordnung.

                                                                        © Rainer Waldhardt
                                                                                                                  Kirchhain gehört zu den »100 Kommunen für den Klimaschutz« des
                                                                                                                  Hessischen Ministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft
                                                                                                                  und Verbraucherschutz. Und für die Aktion der Stadt »Kirchhain
                                                                                                                  blüht« wurde die Kommune im Bundesprogramm »Biologische
In Kirchhain-Kleinseelheim beteiligen sich etwa 80 Haushalte an einer                                             Vielfalt« mit dem Label »Stadtgrün naturnah« in Bronze für
Bioenergiegenossenschaft. Die Gemeinde erzeugt mehr Energie, als sie                                              kommunales Engagement bei der Grünflächengestaltung ausge-
verbraucht.                                                                                                       zeichnet. Durch die »Kommunale Nachhaltigkeitspartnerschaft«
                                                                                                                  mit Viti-Smirë ist nun der entwicklungspolitische Austausch der
                                                                                                                  hessischen Kommune gestartet. Die Kommune strebt damit eine
                                                                                                                  Vertiefung ihres Engagements an, leistet einen Beitrag zu den 17
So unterstützt die Servicestelle                                                                                  Nachhaltigkeitszielen der Agenda 2030 und macht ihre Bürger-
Kommunen in der Einen Welt (SKEW)                                                                                 schaft neugierig auf die kommunale Entwicklungspolitik.

Das SKEW-Pilotvorhaben »Kommunale Nachhaltigkeits-
partnerschaften« fördert die lokale Verwirklichung der
globalen Agenda 2030. Die Partnerkommunen teilen
Erfahrungen und erarbeiten gemeinsam Lösungsan-
sätze. Die Servicestelle berät die Kommunen zur Inte-
gration der Agenda 2030 in die Partnerschaftsarbeit,
trägt die Kosten für wechselseitige Expertenentsen-
dungen und organisiert nationale und internationale
Netzwerktreffen. Zusätzlich finanziert die Service-
stelle öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen zur
                                                                                             © Rainer Waldhardt

Agenda 2030 und Pilotmaßnahmen zur Umsetzung der
Nachhaltigkeitsziele in den Partnerkommunen.

                            »Kommunale
                            Nachhaltigkeitspartnerschaften«
                                                                                                                  In der Schule von Smira: die Folkloretanzgruppe von Smira mit Gästen aus
                            https://skew.engagement-
                                                                                                                  Kirchhain im Juni 2017
                            global.de/kommunale-
                            nachhaltigkeitspartnerschaften.html

                                                                                                                       Praxistipp aus Kleinseelheim:

                                                                                                                  Wichtig ist, dass wir zwischen den Mitarbeitenden beider Kom-
                                                                                                                  munen den persönlichen Kontakt herstellen und auch die Zivilge-
                                                                                                                  sellschaft mit einbeziehen, dass wir uns unmittelbar austauschen
                                                                                                                  und zuhören. Wenn der persönliche Zugang erst einmal da ist,
                                                                                                                  erfahren wir in den Gesprächen von Themen, auf die es ankommt.
                                                                                                                  Dann ist das Interesse deutlich größer und nachhaltiger, als wenn
                                                                                                                  wir abstrakt überlegen.

                                                                                                                  Ortsvorsteher Prof. Dr. Rainer Waldhardt (April 2018)

                                                                                                                                                                                             31
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