KOMPASS - Alles in - 05I21 - Katholische Militärseelsorge
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KOMPASS Die Zeitschrift des Katholischen Militärbischofs für die Deutsche Bundeswehr Soldat in Welt und Kirche 05I21 © Nils Chr. Bierdel Alles in UNIFORM ISSN 1865-5149
INHALT Titelthema Alles in UNIFORM 4 Black is beautiful 5 Übrigens ... © Godong Photo – stock.adobe.com 6 Vom Überrock zur Schutzbekleidung 8 Interview mit einer Polizeibeamtin 10 Die Heilsarmee und ihre Uniformen 13 uni·form [die] 14 Auslegeware: Männer in Frauenkleidern? Glaube, Kirche, Leben Rubriken 20 Ökumene und Interreligiöser Dialog 16 Kolumne der Wehrbeauftragten 23 zum LKU: Mündigkeit Aus der Militärseelsorge 24 Auf ein Wort: „Mary, did you know?“ 18 10 Jahre Militärbischof Overbeck 25 Film-Tipp: SHORT TERM 12 22 Wir tragen unser Päckchen 26 Buch-Tipp: Die Orgel: Instrument des Jahres 26 VORSCHAU: Unser Titelthema im Juni Titelbild: © Nils Chr. Bierdel 27 Rätsel Impressum Herausgeber Hinweis KOMPASS. Soldat in Welt und Kirche Der Katholische Militärbischof Die mit Namen oder Initialen gekennzeich- ISSN 1865-5149 für die Deutsche Bundeswehr neten Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder. Für das Redaktionsanschrift Verlag und Druck unverlangte Einsenden von Manuskripten und KOMPASS. Soldat in Welt und Kirche Verlag Haus Altenberg Bildern kann keine Gewähr und für Verweise Am Weidendamm 2 Carl-Mosterts-Platz 1 in das Internet keine Haftung übernommen 10117 Berlin 40477 Düsseldorf werden. Bei allen Verlosungen und Preisaus- schreiben in KOMPASS. Soldat in Welt und Telefon: +49 (0)30 20617-421 Leserbriefe Kirche ist der Rechtsweg ausgeschlossen. E-Mail: kompass@katholische- Bei Veröffentlichung von Leserbriefen soldatenseelsorge.de behält sich die Redaktion das Recht Internet auf Kürzung vor. www.katholische-militaerseelsorge.de Chefredakteurin Friederike Frücht (FF) Redakteur Jörg Volpers (JV) Social Media Bildredakteurin, Layout Doreen Bierdel Lektorat Schwester Irenäa Bauer OSF 2 Kompass 05I21
EDITORIAL Liebe Leserin, lieber Leser, bei dem von uns selbst gestellten Schwerpunkt-Thema „Men- schen in Uniform“ hatte die Kompass-Redaktion rasch viele Ideen – auch weit über die Bundeswehr hinaus. Dabei ist die optisch einheitliche Kleidung im Sinne von „Kluft, Montur, Habit, ...“ durchaus großzügig zu verstehen. Ein Sprichwort sagt: „Kleider machen Leute.“ Aber machen Uniformen auch Menschen zu Soldatinnen oder Soldaten? Zumindest sind Uniformen, Rangabzeichen und einheitliche Kampfanzüge typisch für das Militär – und das bereits seit Jahr- hunderten. So blicken wir in diesem Heft von den Kleidungs- vorschriften in alttestamentlicher Zeit über die Entwicklung der Bekleidung von Militärgeistlichen bis hin zu den vielen Feldern, in denen heute die besondere Berufskleidung eine Rolle spielt. Wie fühlt sich eine junge Polizistin im Dienst? Warum tragen die Gemeindeleiterinnen und -leiter der Heilsarmee militärisch anmutende Uniformen und Dienstgrade? Gerne hätten wir manche von Ihnen auch beim 3. Ökume- nischen Kirchentag in Frankfurt/Main oder bei der 62. Inter- nationalen Soldatenwallfahrt nach Lourdes getroffen. Beides © KS / Doreen Bierdel kann nun leider nur eingeschränkt bzw. digital stattfinden – vielleicht ist trotzdem eine Begegnung im Internet oder bei der regionalen „Web-PMI 20.21“ (Pèlerinage Militaire International) möglich. Wir wünschen Ihnen einen schönen Wonne- und Marienmonat! „Sage mir, was du „Sage mir, was du anziehst, Jörg Volpers, Redakteur anziehst, und ich sage und ich sage dir, was du bist.“ dir, nach was du bist.“ Jean-Anthèlme Brillat-Savarin (1755–1826) Kompass 05I21 3
TITELTHEMA BLACK is beautiful E s vergeht beinahe kein Tag, an denen wir ihnen nicht begeg- nen. Sei es z. B. in der Kaserne, im Zug, am Flughafen, in der Fußgängerzone, bei einem Brand oder einer technischen Hilfeleis- tung. Soldatinnen und Soldaten, Zugbegleiter, Kabinenpersonal, Polizeibeamte, Feuerwehrleute, Einsatzkräfte des Technischen Hilfswerks usw. Sie haben alle etwas gemeinsam: Sie tragen Uni- formen. Laut Duden ist es eine „im Dienst getragene, in Material, Form und Farbe einheitlich gestaltete Kleidung“. Somit wissen wir sofort, mit wem wir es zu tun haben und an wen wir uns wenden können, wenn wir ein Anliegen haben. Auch bestimmte, im Dienst der römisch-katholischen Kirche ste- hende Personen tragen Uniformen. Hier seien die Schweizer Garde sowie die Vatikanpolizei erwähnt. Aber auch katholische Priester tragen so etwas wie eine Uniform, denn sie sind an ihrer Priesterkleidung erkennbar. Die klassische und schon seit Jahrhunderten existierende Priesterkleidung ist die Soutane. Sie ist ein knöchellanges, tailliert geschnittenes und aus schwarzem Stoff gefertigtes Gewand mit 33 Knöpfen. Dazu wird ein Zingulum (breites Band) um die Hüfte getragen. Als Kopfbedeckung dienen das Birett oder der Pileolus. Je nach Rang des Klerikers variieren die Farben für Zingulum, Soutane, Birett und Pileolus. Nur das Gewand des Papstes ist komplett in weiß. Aus praktischen Gründen kommt im Alltag jedoch meist eine zwei- te Bekleidungsvariante zum Einsatz. Bei dieser trägt der Priester eine schwarze Hose, ein schwarzes Kollarhemd und ein schwar- zes Sakko. Gemäß dem Motto: Black is beautiful Jahreszeitlich bedingt kann diese Kombination durch Tragen eines schwarzen Pullovers oder einer schwarzen Weste ergänzt werden. Jedoch sind heutzutage farbliche Variationen von Hemd, Hose, Sakko, Pullover und Weste jederzeit möglich. Wer es legerer mag, der trägt gepflegte Zivilkleidung. Hier ist jedoch der Erkennungs- wert vor allem in der Öffentlichkeit kaum gegeben. Bei Begleitung oder Besuch der übenden Truppe im Feld trägt der Militärseelsorger oder die Militärseelsorgerin den Schutzanzug Tarndruck, allgemein. Während der Einsatzbegleitung im Ausland kommen neben dem Schutzanzug Tarndruck, allgemein auch der Schutzanzug, Tarndruck, Tropen zum Einsatz. An den beiden Auf- schiebschlaufen mit dem Kreuz der Katholischen Militärseelsorge sind die Seelsorgenden erkennbar. Militärdekan Alexander Prosche, Katholisches Militärpfarramt Ulm I 4 Kompass 05I21
TITELTHEMA Soutane Zingulum Pileolus Übrigens … Die Katholische Militärseelsorge gibt es, weil Soldatinnen und Soldaten eine eige- ne soziale Gruppe darstellen, die wegen ihrer besonderen Lebensbedingungen ei- ner konkreten und besonderen Form der Seelsorge bedürfen (Spirituali Militum Cu- rae, Apostolische Konstitution von Papst Johannes Paul II. über die Militärseelsorge, 21. April 1986). Die Katholischen Militärbi- schöfe werden vom Heiligen Stuhl ernannt. In Deutschland geschieht dies unter Berück- sichtigung des Artikels 27 des am 20. Juli 1933 zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich geschlossenen Konkor- dats. Der Katholische Militärbischof für die Deutsche Bundeswehr ist gemäß den Statu- ten immer ein in Deutschland residierender Diözesan-bischof. Die Regelungen des Heiligen Stuhls für die Katholischen Militärbischöfe gelten welt- weit. Sie wurden zuletzt 1986 erlassen und werden auf die einzelnen Nationen hin konkretisiert. Die Statuten für den Jurisdikti- © KS / Doreen Bierdel (4) onsbereich des Katholischen Militärbischofs für die Deutsche Bundeswehr traten in ihrer aktuellen Fassung zum 1. Januar 1990 in Kraft und lösten ihre Vorgänger aus dem 33 Knöpfe = 33 Lebensjahre Jahre 1965 ab. Salvatore Di Noia, von Jesus Christus Referent für das Laienapostolat und Kirchenrecht, KMBA Kompass 05I21 5
TITELTHEMA © Jakob Altenhofer Die Kleidung der Militärseelsorge Vom Überrock zur Schutzbekleidung D ie Katholische Militärseelsorge geht in ihren Ursprüngen auf das 17. Jahr- hundert zurück, bekam aber erst im 18. Taufen oder Hochzeiten konnten dage- gen im Priesterornat vollzogen werden. Im Ersten Weltkrieg trugen die Militärseel- Die Schirmmütze des Militärseelsorgers zeigte das Hoheitsabzeichen und ein sil- bern gesticktes gotisches Kreuz. Auffäl- Jahrhundert eine größere Bedeutung, als sorger im Feld eine Mütze, einen Über- lig war das Brustkreuz auf der Höhe des die preußische Armee die seelsorgliche rock mit Hose, alles in feldgrau, sowie dritten Knopfes der Feldbluse. In den von Betreuung ihrer katholischen Soldaten am linken Arm eine Binde mit dem Roten der Wehrmacht besetzten Ländern durf- förderte. In der Kaiserlichen Armee nach Kreuz. Dadurch wurden sie als nichtwaf- ten die Militärseelsorger bei ernsten Ge- der Gründung des Zweiten Deutschen fenführende Personen der Armee unter fahren eine Waffe zur Selbstverteidigung Kaiserreichs 1871 mussten sich die Feld- denselben besonderen Schutz wie das tragen. Sie trugen ihren Kultkoffer oder bzw. Militärseelsorger an Regeln halten, Sanitätspersonal gemäß der Genfer Kon- Kulttornister mit sich, der die wichtigs- wozu das Tragen einer bestimmten Klei- vention im Kriegsfall gestellt. ten liturgischen Geräte für den Gottes- dung gehörte. So waren bei allen dienst- dienst im Feld beinhaltete. Ihre Uniform lichen Aufgaben ein markanter schwarzer Offizieruniformen in dunkleren Zeiten sorgte in der Wehrmacht gelegentlich Überrock mit einer Reihe Knöpfe und mit für Verwirrung unter den Soldaten, denn einem stehenden Kragen zu tragen. Bei Mit Beginn der Wehrmachtseelsorge Wehrmachtangehörige, obwohl diese besonderen militärischen Feiern kamen 1936 wurde festgelegt, dass bei allen sich damals in der Mehrzahl noch einer die Soutane, die Schärpe, das Kollar und kirchlichen Amtshandlungen die Militär- Konfession verbunden fühlten, konnten der Pastoralhut als äußere Erkennungs- seelsorger weiter kirchliche Gewänder mit dieser besonderen Uniform nicht im- zeichen zur Geltung. Um den Hals trug tragen durften. Im Dienst dagegen trugen mer etwas anfangen. Selbst Militärseel- der Militärseelsorger an einer Kette ein sie Offizieruniform ohne Dienstgradabzei- sorger sahen nicht immer ein, warum gut sichtbares Kreuz. Die Gottesdiens- chen und Schulterklappen, dazu Offizier- sie keine Rangabzeichen tragen durften. te und sonstigen liturgischen Feiern wie stiefel und einen violetten Kragenspiegel. Der theologische Sinn dahinter war, dass 6 Kompass 05I21
TITELTHEMA © KS / Doreen Bierdel (2) Rotkreuzbinde eines Kriegspfarrers im 2. Weltkrieg Armbinde mit Rotem Kreuz – heute Militärseelsorger für alle, also vom Re- Dienst- und Schutzbekleidung bzw. ei- ein wichtiges Erkennungsmerkmal eines kruten bis zum General, da waren, und nem Schutzanzug. Der Militärseelsorger Militärseelsorgers während der Einsatz- deshalb keiner militärischen Hierarchie war kein Soldat, sondern ein Zivilist und begleitung. Denn auch heute stehen die unterworfen sein sollten. unterstand auch keinen militärischen Seelsorgerinnen und Seelsorger gemäß Befehlen. Die staatlichen Vorstellungen dem Humanitären Völkerrecht in bewaff- Ein Neuanfang in der Schutzbekleidung der Ausrüstung für die Militärseelsorger neten Konflikten unter dem gleichen be- entsprachen auch nicht ganz den kirch- sonderen Schutz wie das Sanitätsperso- Bei den Vorbereitungen einer Militär- lichen, als 1961 das Verteidigungsminis- nal. Bei liturgischen Handlungen legen seelsorge im Prozess der Gründung der terium Vorschriften zur Kleidung und Aus- Seelsorger die Stola mit aufgesticktem Bundeswehr zu Beginn der 1950er-Jahre rüstung erließ. Der Militärseelsorger in Militärseelsorgekreuz um den Hals. sprachen sich die beteiligten Bischöfe für der Bundeswehr im feld- oder olivgrauen eine Uniform für Militärseelsorger aus. Schutzanzug hatte auch eine Dienstmüt- In dieser geschichtlichen Entwicklung Ihrer Meinung nach würden Pfarrer, die ze mit Kokarde und dem Kreuzzeichen betrachtet, hat die Kleidung der Mili- keine Uniform tragen wollten, auch nicht auf dem Kopf. tärseelsorge in den vergangenen 150 die innere Eignung für die Arbeit im militä- Jahren erkennbare Veränderungen und rischen Umfeld haben und seien deshalb Als seine markanten Erkennungsabzei- Anpassungen erfahren. Diese erleichtern für diesen Dienst ungeeignet. Dennoch chen sind die Aufschiebschlaufen mit es heute wie auf historischen Bildern, sie wurde das Nichttragen von Rangabzei- dem Militärseelsorgekreuz erkennbar. bei Einsätzen zu erkennen. chen auch kritisch gesehen. In der Bun- Zu bestimmten Anlässen wird manch- deswehr wurde bei den Militärseelsor- mal auch noch ein Bronzekreuz getragen. Maik Schmerbauch, gern von Beginn an nicht mehr von einer Die Armbinde mit Rotem Kreuz und den Leiter des Archivs des Uniform gesprochen, sondern von einer violetten Streifen am linken Arm bleibt Katholischen Militärbischofs © KS / Marlene Beyel Kulttornister der Wehrmacht in einer Vitrine der Dauerausstellung „Militärseelsorge“ in der Kurie des Katholischen Militärbischofs in Berlin Kompass 05I21 7
TITELTHEMA „Auch wenn wir in Uniform alle gleich aussehen, bin ich ja kein anderer Mensch, nur weil ich eine Uniform trage.“ Interview mit Rebecca Hillen, sie trägt die Uniform als Polizeibeamtin seit 12 Jahren. Kompass: Frau Hillen, Sie sind Polizeibeamtin in Nordrhein- Westfalen. Sie tragen Uniform. Warum? Rebecca Hillen: Ich trage Uniform, weil es als Polizistin im Bereich des operativen Dienstes in Nordrhein-Westfalen da- zugehört, eine Uniform zu tragen. Als Polizistin ist es sinnvoll, auch als solche erkennbar zu sein. Kompass: Was bedeutet Ihnen Ihre Uniform? Rebecca Hillen: Meine Uniform bedeutet mir sehr viel. Sie be- deutet meinen Beruf. Und das ist für mich auch der Weg, von meinem Privatleben ins Berufliche zu gehen und mich dadurch auch von dem Privaten abzugrenzen. © Hintergrund: Shawn Hempel – stock.adobe.com I Polizistin: Friederike Frücht Kompass: Wie wirkt das auf andere, können Sie das allgemein sagen? Oder ist es unterschiedlich? Rebecca Hillen: Ich habe unterschiedliche Erfahrungen ge- macht. Durch eine deutliche Erkennbarkeit, die das Tragen der Uniform mit sich bringt, sind wir für jeden ansprechbar. Kompass: Und haben Sie dabei schon einmal Anfeindungen erlebt? Rebecca Hillen: Ja, durchaus. Es reagiert nicht jeder positiv auf die Uniform. Ich habe eine Zeit lang auch in einer Hundert- schaft gearbeitet. Da war ich ja als Polizistin erkennbar und wurde dann durchaus auch mal von Fußballfans oder anderen angepöbelt, die die Aufschrift „Polizei“ als Grund nehmen, um zu sagen: „Dich mag ich nicht“. Aber auch wenn wir in Uniform alle gleich aussehen, bin ich ja trotzdem kein anderer Mensch, weil ich Uniform trage. Kompass: Haben Sie auf der anderen Seite auch schon mal positive Rückmeldungen erlebt? Rebecca Hillen: Ja, auch das passiert. Viele Menschen haben schon mal gesagt, dass es schick aussieht oder dass es schön ist, dass die Polizei so erkennbar ist. 8 Kompass 05I21
TITELTHEMA Kompass: Wie beeinflusst Sie das Tragen Ihrer Uniform? Sie haben gerade gesagt, dass es auch eine Art Abgrenzung zwischen Privatem und Dienstlichem ist. Ziehen Sie auch eine andere Identität an, wenn Sie die Uniform anziehen? Rebecca Hillen: Durch das Tragen der Uniform repräsentiere ich die Polizei nach Außen und bin mir dieser Wirkung auch bewusst. Die Menschen erwarten von mir, dass ich Ihnen © IM NRW helfe, schnell handle und mit Problemen bzw. Sachverhalten umgehen kann. Dahingehend beeinflusst mich das Tragen der Uniform, da ich mir der Außenwirkung bewusst bin. Kompass: Tragen Sie Ihre Uniform jetzt im Innendienst auch immer? Rebecca Hillen: Ja, ich trage die Uniform täglich. Jeden Tag, wenn ich arbeite, trage ich Uniform. „Ich würde mich immer Kompass: Ich gehe noch mal einen Schritt zurück. Sie be- dafür entscheiden, richteten, dass es ganz unterschiedliche Reaktionen auf Sie gibt, positive, aber auch negative. Gibt es einen Unterschied eine Uniform zu tragen, in den Altersgruppen? Reagieren Kinder anders auf Sie als ältere Personen? weil ich gerne Uniform trage Rebecca Hillen: Hm. Das kann man so pauschal nicht sagen. Es gibt positive und auch negative Reaktionen durch alle Alters- und weil ich es auch gruppen. Man kann nicht sagen, dass jetzt zum Beispiel ältere Menschen respektvoller mit einem uniformierten Menschen schön finde. Der Beruf an sich umgehen. Ich denke, dass da die Grundlagen woanders liegen, ob und wie man einen Menschen mit Uniform wahrnimmt. mit all seinen Facetten Kompass: Welche Gedanken hatten Sie, als Sie das erste Mal und Möglichkeiten die Uniform getragen haben? Rebecca Hillen: Es hat mich damals sehr stolz gemacht, eine hat mich immer gereizt.“ Uniform zu tragen, da ich wusste, dass ich nun meinen Traum- beruf ausüben kann. Obwohl ich noch in der Ausbildung war und studiert habe, hatte ich das Gefühl, ein Teil der ganzen Polizei zu sein. Die Fragen stellte Friederike Frücht. Kompass 05I21 9
TITELTHEMA Vor Gott sind alle Menschen gleich – also uniform? Interview-Antworten und Informationen zu ganz besonderen „Streitkräften“ E ine Kirche und zugleich eine Armee: So etwas gibt es seit gut 150 Jahren und passt zum Titelthema dieser Ausga- be. Aber was hat die Heilsarmee gemein- sam mit der katholischen Kirche oder der Bundeswehr – vor allem im Hinblick auf Uniformen und „Dienstränge“? Was ist die Heilsarmee? Als weltweite christliche Bewegung ist The Salvation Army eine evangelische Freikirche und Hilfsorganisation zugleich. Sie wurde 1865 von dem Methodisten- prediger William Booth gegründet, um notleidenden Menschen zu helfen und das Evangelium von Jesus Christus zu verbreiten. Alles, was die Heilsarmee tut, soll im Glauben ihrer Mitglieder wurzeln. Das Vertrauen in einen liebenden und fürsorglichen Gott findet seinen Ausdruck im Dienst an den Menschen. In Deutsch- land ist sie nicht mehr stark vertreten und oft werden ihre Mitglieder nicht auf Anhieb erkannt. Wir sprachen mit dem Ehepaar Oberst- leutnantin Marsha-Jean und Oberst- leutnant David Bowles, die aus Kanada stammen und die Gemeinde (Korps) Berlin-Südwest leiten. D. Bowles: „Weltweit ist die Heilsarmee so aufgebaut: Wir haben ein Internatio- nales Hauptquartier (IHQ), das die Arbeit in allen rund 131 Ländern überblickt, in denen wir aktiv sind. Seine Aufgabe ist es zu sehen, dass auf der ganzen Welt © KS / Doreen Bierdel (2) die gleiche Theologie vertreten wird und die allgemeinen Richtlinien eingehalten werden. So können wir überall hingehen, auch wenn wir nicht dieselbe Sprache sprechen, und sind eine Heilsarmee.“ 10 Kompass 05I21
TITELTHEMA „Aber die Uniformen sind überall ein dreimal der Fall. M.-J. Bowles: „Schon bisschen anders. Früher mussten in seit dem Anfang der Heilsarmee gibt es Deutschland Frauen einen Rock tragen Gleichberechtigung für die Frauen.“ und Schuhe mit hohen Absätzen. Seit ein paar Jahren dürfen sie hier auch ei- Bis heute verzichtet die Heilsarmee auf nen Hosenanzug tragen – das finde ich Kirchengebäude und Sakramente. Statt- besser. Doch in Indien tragen die Frauen dessen lädt sie zu Gottesdiensten in den einen Sari. Es gibt also Einheitlichkeit Gemeindezentren ein und zeigt sich, oft und zugleich kulturelle Unterschiede: In begleitet von Blechbläsern, in der Öffent- Deutschland werde ich keinen Sari tra- lichkeit, um Spenden für Notleidende zu gen“, sagt M.-J. Bowles. sammeln und um Gott den Menschen Heute ist die Heilsarmee eine internati- nahe zu bringen. onale christliche Bewegung mit ca. 1,7 Millionen Mitgliedern weltweit. Als „fried- D. Bowles: „In Deutschland gibt es zur- lichste Armee der Welt“ kämpft sie gegen zeit gut 1.300 Mitglieder und etwa 60 Armut und Ungleichheit. aktive Offiziere und Offizierinnen. Diese Zahlen und auch die der Korps wurden Vor Gott sind alle Menschen gleich durch die Verbote im Dritten Reich und William Booth praktizierte den Gottes- in der DDR stark dezimiert, wobei vor al- dienst ohne Kirchengebäude in der Öf- lem Frauen den Bestand sicherten bzw. fentlichkeit auf Straßen und Plätzen. ab 1990 am Wiederaufbau im Osten „Wenn die Menschen nicht in die Kirche Deutschlands mitwirkten. Vereinzelt gibt kommen, so müssen wir zu den Men- es wohl auch Salutisten in der Bundes- schen gehen“, war sein Credo. Und so wehr – einer fliegt beispielsweise Hub- erreichte er auch die Armen und Hoff- schrauber.“ nungslosen, die sich – zerlumpt und schmutzig – nicht in die Kirchen trauten. Uniform und Dienstränge Um ihre Arbeit effektiver durchführen zu Die Uniform ist die Bekleidung der Offi- können, bedurfte es einer straffen Orga- ziere sowie der hauptamtlich mitarbeiten- nisation. Darum nahm die Missionsbe- den Heilssoldaten. Aber auch von den wegung nach und nach eine militärische ehrenamtlichen Soldaten wird erwartet, Struktur an. 1878 erhielt sie schließlich dass sie – insbesondere im Gottes- ihren Namen Die Heilsarmee. Die Ge- dienst und bei öffentlichen Anlässen – meinde-Niederlassungen nannte man die Uniform tragen. Dies ist zum einen nun Korps, die hauptamtlichen Gemein- sichtbares Bekenntnis des persönlichen deleiter Offiziere, die Mitglieder Soldaten Glaubens an Jesus Christus, zum ande- und William Booth war ihr General. Eine ren, um für Menschen in Not erkennbar eigene Fahne und die Uniform wurden zu sein und sich als Ansprechpartner zu eingeführt. zeigen. „Im Dienst“ Uniform zu tragen, ist für Heilsarmeeoffiziere, Heilssoldaten, Booths Ehefrau Catherine war Mitbegrün- Musiker und Lokaloffiziere Pflicht. derin der Heilsarmee und setzte sich von Beginn an für die Gleichberechtigung ein. M.-J. Bowles: „Das ist wie mit einer © KS / Doreen Bierdel (2) So steht schon in der Gründungsakte der Schul-Uniform, damit alle gleich sind, Heilsarmee, dass Frauen die gleichen egal, was für einen sozialen Hintergrund Rechte haben und Positionen bekleiden sie haben. Und dann fangen sie doch an sollen wie Männer. Zur Gleichheit ge- mit Marken-Turnschuhen oder was auch hört auch, dass Frauen in das höchste immer. Man findet immer einen Weg, Amt als Generalin gewählt werden kön- sich doch etwas abzuheben.“ nen – das war in der Geschichte bislang >> Kompass 05I21 11
TITELTHEMA >> Offiziere und Offizierinnen tragen rote Schulterklappen mit einem aufgestick- ten „H“ für Heil. Salutisten tragen blaue Schulterklappen. Alle Abzeichen sind mit weißem oder silbernem Garn aufgestickt. Die Offiziersränge wie Kapitän oder Major werden nach der Zahl der Dienstjahre verliehen. Der Rang eines Oberstleutnants, Obers- ten oder Kommandeurs ist nur für be- stimmte Ämter vorgesehen. General bzw. Generalin gibt es als weltweite Leitung nur einmal und wird als einziges Amt ge- wählt, während die anderen Ränge von General oder Generalin eingesetzt wer- den bzw. vom Dienstalter abhängen. Hier sind die Schulterklappen wie beim Kom- mandeur, aber die Zeichen sind in Gold aufgestickt. Darüber hinaus gibt es noch eine Vielzahl spezieller Schulterklappen in bestimmten Funktionen, so zum Bei- spiel für die Musiker in den Musikkorps der Heilsarmee. Wie wird man eigentlich Mitglied der Heilsarmee? Über die Arbeit als Offizier in Uniform hat die TV-Sendung Galileo M.-J. Bowles: „Es gibt keine Taufe wie in ein Video erstellt: www.heilsarmee.de/unser-auftrag.html den meisten christlichen Kirchen. Man muss an Jesus Christus glauben und den Wunsch haben, Mitglied zu werden. „Und es gibt Soldaten. Sie müssen na- darum, eine Art Versprechen abzugeben. Man kann auch als Angehöriger Mitglied türlich auch an Jesus glauben als Retter Zuerst ist es eine Glaubenserklärung: Ich sein, das heißt dann, dass du an Jesus und Herrn und auch den Wunsch haben, glaube das. Und dann das Anerkennen Christus glaubst, du möchtest die Heils- ein Soldat in der Heilsarmee zu sein. Ein der Doktrin der Heilsarmee mit ihren elf armee als deine Gemeinde sehen. Das Heilssoldat legt ein Gelübde ab. Nicht Glaubensartikeln“, ergänzt D. Bowles. beinhaltet Kinderweihe, Hochzeit, Beer- zwischen der Heilsarmee und ihm selbst, digung und solche Sachen.“ sondern zwischen Gott und sich. Es geht Jörg Volpers © The Salvation Army, England © KS / Doreen Bierdel (3) 12 Kompass 05I21
TITELTHEMA Wie ist das eigentlich bei Ihnen ... Herr Bischof,war es eine Umstellung für Sie, bischöfliche Kleidung zu tragen? Haben Sie noch zivile Kleidung? Franz-Josef Overbeck: Selbstverständlich trage ich weiter- hin zivil, allerdings als Priester und Bischof grundsätzlich in schwarz und das mit einem – salopp gesagt – Priesterkragen, der mich erkennbar macht. Dies gilt zumindest für diejenigen, die sich in diesen Gepflogenheiten auskennen. Bischöfliche Kleidung zu tragen, also eine Soutane anzuziehen, gehört bei festlichen und besonderen Anlässen selbstverständlich zu den Obliegenheiten eines Bischofs. Dies braucht zwar eine gewisse Gewöhnung, die sich aber schnell einstellt. Legere Kleidung, u. a. auch Jeanshosen, besitze ich, trage sie aber nur ganz privat. Entsprechend im Alltag gekleidet zu sein, wie oben gesagt, fällt mir leicht und bedeutet keinerlei Belastung für mich. Deutlich ist nur, dass Amtskleidung in un- serer Gesellschaft in Deutschland öffentlich weniger sichtbar ist als in anderen Gesellschaften. Da ich weiß, dass damit © KS / Doreen Bierdel aber dennoch eine gewisse Signalwirkung für die Kirche und für die Religion ausgeht, tue ich das gerne. Ich empfinde meine Kleidung in keiner Weise als Belastung, sondern trage sie einfach und selbstverständlich. Um es schlicht und einfach zu sagen: Umziehen mag ich mich wäh- rend des Tages gar nicht! Also bleibe ich beim einmal Ent- schiedenen. uni·form [die] Uniform, die; Substantiv, feminin; -, -en Uniformen sind entweder vorgeschrieben (z. B. im öffentlichen Dienst) oder üblich. Soldaten, Angehörige von Hilfsdiensten sowie Polizeivollzugsbeamte im Auslandseinsatz sind zudem aufgrund des Völkerrechts (notwendige Bedingung für den Kombattantenstatus) verpflichtet, Uniformen zu tragen. Wie beeinflusst Sie © Stabsfeldwebel Magdalena Gorska die Uniform, wenn Sie diese tragen? WEBTIPP: Stabsfeldwebel Im Internet finden Magdalena Gorska: Sie unter „Durch die Uniform verändert milseel.de/kleidung sich automatisch meine kurze Videos Haltung. Die Uniform gibt mir das Gefühl des Schutzes, und Interviews zum aber auch des Stolzes.“ Thema Uniform. Kompass 05I21 13
AUSLEGEWARE Männer in Frauenkleidern? S eit dem Erscheinen der Novelle „Klei- der machen Leute“ des Schweizers Gottfried Keller (1819–1890) im Jahr Wer einmal einen solchen Mann gesehen hat – und das kann schon mitten am Tag hin und wieder in Berlin passieren – der samten Bataillons diesem den Spie- gel vorzuhalten, 1874 ist dieser Titel nicht nur sprich- ist zumindest für ein paar Augenblicke freilich auf eine wörtlich geworden, sondern er stimmt. irritiert oder als Berliner auch nicht. humorvolle und Kleidung war schon immer mehr als augenzwinkernde nur das Bedecken der Nacktheit (Gen Also – so einfach ist das Art und Weise. 3,7.10f.), sei sie körperlich oder psy- mit der Bekleidung bei Leibe chisch. Dass Kleidung keine Nebensache noch lange nicht. Dennoch bleibt die Fra- ist, kann man nicht zuletzt in den schon ge bestehen, weshalb das sprichwörtlich gewordenen „Zeiten von Schaut man in das Alte Testament, so Alte Testament eine solch Corona“ fast täglich per Videokonferenz liest man im Buch Deuteronomium 22,5 streng sanktionierte Forde- im wahrsten Sinne des Wortes live mit- Folgendes: „Eine Frau soll nicht die Aus- rung aufstellt? Sicherlich wird erleben, und zwar wie Kollegen, ja sogar rüstung eines Mannes tragen und ein eine eindeutige Antwort nicht Vorgesetzte im Kleidungstil regelrecht Mann soll kein Frauenkleid anziehen.“ leicht zu geben sein. Jedoch, so „verkrauten“. Dass dies hier nicht im Sinne eines Stil- wird vermutet, haben die Kulturen coaches zu verstehen ist, verdeutlicht um Israel herum gewisse religiöse Dass Kleidung äußerst wichtig ist, wird unmissverständlich der unmittelbar da- Riten und Bräuche gepflegt, in denen schon auf den ebenso sprichwörtlich ers- rauffolgende Begründungssatz: „denn Männer in Frauenkleidern auftraten. ten Seiten der Bibel erzählt. jeder, der das tut, ist dem Herrn, dei- Ebenso spielten darüber hinaus ver- nem Gott, ein Gräuel.“ Und wer Gräuel mutlich auch noch sexuell-konnotierte Gott hat die Kleidung zur begeht, ist aus der Mitte des Volkes Praktiken eine Rolle. Denn in Bezug Chefsache erklärt und diese für (Israels) auszumerzen. Und das ist kein auf gewisse Sexualpraktiken ist Scherz. Bis heute wird in einigen religi- im Buch Levitikus ebenso un- Adam und seine Frau nicht nur ös-sozialen Kontexten immer noch sehr missverständlich vom Aus- eigens „gemacht“, sondern er viel Wert daraufgelegt, dass Männer als merzen die Rede (vgl. selbst nimmt sogar auch noch Männer und Frauen als Frauen sofort und Lev 18). Vor dem Hin- die Anprobe vor (Gen 3,21). zweifellos als solche zu erkennen sind. tergrund, dass Isra- el sich aber in all Gott ist sozusagen ein Karl Lagerfeld Freilich kennt die europäische Kulturge- solchen Punk- des Garten Eden. Verräterisch ist, dass schichte Praktiken, die der Forderung des ten von jenen Kleidung erst an Bedeutung im Zusam- Buchs Deuteronomium diametral entge- Kulturen eben- menhang des „Sündenfalls“ gewinnt. genstehen. Denn von der klassischen falls eindeutig Und Sündenfälle in Sachen Kleidung gibt Antike – zu erinnern ist an die drei großen unterscheiden es wie Sand am Meer, obzwar die soge- Tragiker Aischylos, Sophokles und Euri- nannte Stilcoach-Literatur ebenso uferlos pides – bis hin in die Zeiten von William zu sein scheint. Bemerkenswert bleibt, Shakespeare sind Frauenrollen nahezu dass erst die Erkenntnis von Adam und ausschließlich von Männern gespielt wor- seiner Frau, nackt zu sein, mit dem den. Sogar bis in die jüngste Vergangen- dringenden Bedürfnis nach Kleidung in heit hinein war es bei der Bundeswehr einem unmittelbaren Zusammenhang noch Brauch, dass am Fest der Heiligen steht. Aber ist Kleidung einmal da, dient Barbara (4. Dezember), welche u. a. die sie nicht nur zur Bedeckung der Scham, Schutzpatronin der Artillerie ist, dem sondern zugleich als Demonstration des jüngsten Leutnant eines Artilleriebatail- sozialen und gesellschaftlichen Status, lons die durchaus verantwortungsvol- aber lange Zeit auch der Geschlechter- le Aufgabe zugedacht worden war, differenz. Frauen in Hosen? – Darüber beim zünftigen Bataillonsabend konnten sich Großeltern und Urgroßel- die Heilige Barbara zu spie- tern noch lange streiten. Keiner regt sich len. Denn dieser bzw. die- darüber heute noch auf. Aber Männer in se hatte die Aufgabe, in Röcken und echten Damenstrümpfen …? Anwesenheit des ge- 14 Kompass 05I21
AUSLEGEWARE „Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.“ Karl Lagerfeld sollte, um ebenso auf diese Weise die Kopftuch muslimischer Frauen immer ausschließliche JHWH-Zugehörigkeit zu wieder aufs Neue, und zwar bis hin zu dokumentieren, wird diese strenge For- Urteilen des Bundesverfassungsgerichts. derung verständlich. Kleidung ist eben So lautet ein Beschluss vom 14. Februar auch eine Bekenntnissache. 2020, dass das Kopftuchverbot für Dass dies kein Thema von Rechtsreferendarinnen verfassungsge- gestern ist, zeigt die mäß sei (2 BvR 1333/17). Aber das ist Diskussion um das wieder ein anderes Thema. Thomas R. Elßner TIPP: Sie fragen sich: „Was bedeutet denn das schon wieder in der Bibel?“ Senden Sie uns Ihre Frage – hier wird sie geklärt. © ronstik – stock.adobe.com Kompass 05I21 15
16 Kompass 05I21 KOLUMNE © Deutscher Bundestag / Inga Haar © SidorArt – stock.adobe.com
KOLUMNE „Alle Soldatinnen Liebe Soldatin, lieber Soldat, und Soldaten, die in „Alle Soldatinnen und Soldaten, Afghanistan eingesetzt seit fast 20 Jahren ist die Bundeswehr in Afghanistan, zunächst die in Afghanistan eingesetzt im Rahmen der internationalen Schutzmission ISAF, aktuell mit waren und sind, der Ausbildungsmission Resolute Support. Vieles wurde in den waren und sind, müssen wissen, letzten zwei Jahrzehnten erreicht. müssen wissen, wofür wofür sie dort eintreten.“ Afghanistan ist nicht mehr Hort des internationalen islamis- sie dort eintreten.“ tischen Terrorismus. Ein politisches System mit rechtsstaat- lichen und demokratischen Prinzipien wurde etabliert. Afgha- nische Sicherheitskräfte wurden aufgebaut und ertüchtigt. „großen Krieg“ gedroht, wenn die internationalen Kräfte länger Es gibt mehr Freiheiten, Wirtschaftswachstum und Bildungs- bleiben. Darauf müssen wir uns vorbereiten. Entsprechendes chancen. Personal sowie Fähigkeiten für besseren Schutz werden be- reitgehalten. Das alles ist ein Verdienst des internationalen Engagements – auch des Einsatzes der Bundeswehr. Bis heute waren über Zweitens: Nach dem Abzug braucht es eine kritische, offene 158.000 deutsche Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan. und schonungslose Bilanz des Afghanistan-Einsatzes. Was wa- Sie haben einen wichtigen Beitrag zu Frieden, Freiheit, Demo- ren unsere Ziele? Was haben wir erreicht? Und was bedeutet kratie und Stabilität im Land geleistet. das für künftige Einsätze? Eine Enquetekommission im Deut- schen Bundestag könnte diese Fragen ausführlich erörtern. Wie geht es weiter in Afghanistan? Diese Frage beschäftigt Afghanistan ist zweifelsohne der umfangreichste und prä- uns alle zurzeit sehr. Für viel Unruhe hat die Absicht des ehe- gendste Einsatz in der Geschichte der Bundesrepublik. Alle maligen US-Präsidenten Trump gesorgt, die US-Truppen kurz- Soldatinnen und Soldaten, die in Afghanistan eingesetzt waren fristig und ohne Absprachen mit Verbündeten abzuziehen. und sind, müssen wissen, wofür sie dort eintreten. Nur so Das hätte katastrophale Folgen für Afghanistan und darüber identifizieren sie sich mit ihrem Auftrag. Nur so können sie stolz hinaus gehabt. Denn die aktuelle Situation ist äußerst fragil. auf das im Einsatz Geleistete sein. Eine Zäsur war gewiss das Die Sicherheitslage ist in Teilen des Landes nicht kontrollierbar. Jahr 2010 – dem mit acht Gefallenen bislang verlustreichsten Die Taliban verüben weiterhin blutige Anschläge. Und die inner- Jahr in der Geschichte der Bundeswehr. Insgesamt ließen 59 afghanischen Friedensverhandlungen stecken fest. Soldaten ihr Leben in Afghanistan. Auch die Hinterbliebenen aller Gefallenen müssen wissen, wofür ihre Angehörigen ums Mit der neuen US-Administration sind die überstürzten Ab- Leben gekommen sind. zugspläne vom Tisch. Das ist gut so. Präsident Biden hat ent- schieden, bis zum 11. September 2021 – also 20 Jahre nach Eine solche Bilanz ist auch für andere Einsätze und Missionen, den Anschlägen auf das World Trade Center – die US-Truppen etwa in der Sahelzone, von großer Bedeutung. Aus Afghanis- abzuziehen. Die Bundeswehr wird bis Mitte August das Land tan gilt es zu lernen – und gegebenenfalls Konsequenzen zu verlassen. Die Devise lautet nun also: gemeinsam rein, ge- ziehen. meinsam raus. Drittens: Nicht zuletzt verbinde ich mit einem solchen Rück- Unser Engagement darf jedoch mit dem Abzug nicht enden. und Ausblick des Afghanistan-Einsatzes auch den Wunsch, Wir müssen unsere afghanischen Partner weiter unterstüt- dass wir über die Auslandseinsätze der Bundeswehr insgesamt zen – politisch, zivil und humanitär. Denn nur so kann das wieder mehr diskutieren. In der Öffentlichkeit werden sie nur bisher Erreichte bewahrt und der Friedensprozess weiter vo- wenig wahrgenommen. Das spüren unsere Soldatinnen und rangetrieben werden. Die Absicht von Verteidigungsministerin Soldaten. Es wird ihrem Dienst, den sie oftmals unter lebens- Kramp-Karrenbauer, afghanischen Helferinnen und Helfern bedrohlichen Bedingungen erbringen, nicht gerecht. Unsere der Bundeswehr eine Perspektive in Deutschland zu eröffnen, Soldatinnen und Soldaten verdienen Anerkennung, Respekt begrüße ich sehr. und Wertschätzung für ihre Leistung – in Afghanistan und allen weiteren elf Auslandseinsätzen der Bundeswehr! Als Wehrbeauftragte sind mir drei Anliegen besonders wichtig. Mit herzlichen Grüßen Erstens: Oberstes Gebot für das weitere Engagement der Bun- deswehr ist die Sicherheit unserer Soldatinnen und Soldaten. Wir müssen davon ausgehen, dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan verschlechtert. Die Taliban haben mit einem Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages Kompass 05I21 17
AUS DER MILITÄRSEELSORGE Was haben Sie in der Katholischen Militärseelsorge gelernt? Franz-Josef Overbeck: Die Katholische Militärseelsorge ist bei den Soldatinnen wie Soldaten und ihren Familien und den Men- schen, mit denen sie leben, auf vielen Ebenen präsent. Das betrifft die Begleitung in den Einsätzen wie auch den konkreten Alltag in Deutschland. Das zeigt sich beim Lebenskundlichen Unterricht und in den vielen Seelsorgegesprächen, aber auch bei Begleitungen in Lebens- und Glaubensfragen. Hinzu kom- men die Familienseelsorge und die vielfachen Bezüge zu den alltäglichen Lebenssituationen und Herausforderungen aller in der Bundeswehr. Besonders deutlich werden die Überzeugungen und Haltun- gen der Soldatinnen und Soldaten, wenn es darum geht, in ihrem Engagement für die Werte des Grundgesetzes und ihre soldatischen Verpflichtungen einzustehen, das heißt immer konkret lokal und global zu denken und zu handeln, wie es an den Auslandseinsätzen der Bundeswehr und im alltäglichen Dienst an den Standorten in Deutschland abzulesen ist. © KS / Doreen Bierdel Die Militärseelsorge ist im besten Sinne ein besonderer Be- reich der Seelsorge, in dem wir als katholische Kirche in einer hochkomplexen und vernetzten Welt mit unseren Glaubens- überzeugungen und Haltungen präsent sind und vielfache Un- terstützung anbieten. 10 Jahre Franz-Josef Overbeck, Katholischer Militärbischof 6. Mai 2011 – Einführung als für die Deutsche Bundeswehr Katholischer Militärbischof für die Deutsche Bundeswehr in der St. Johannes-Basilika in Berlin. Der Apostolische Nuntius, Erzbischof Jean-Claude Périsset, überreicht die Päpstliche Ernennungsurkunde und den Bischofsstab. 18 Kompass 05I21
AUS DER MILITÄRSEELSORGE Können Sie sich noch erinnern, was Sie über die Militärseelsorge gedacht und gewusst haben, bevor Sie Militärbischof wurden? © Stefan Sättele Franz-Josef Overbeck: Durch den Kontakt mit verschiedenen Soldatinnen und Soldaten wusste ich natürlich von der Ka- tholischen Militärseelsorge, ebenso auch durch meine Be- kanntschaft mit Priestern und Pastoralreferenten, die in der Militärseelsorge tätig waren. Schließlich wusste ich natürlich Informations- und Truppenbesuch des Katholischen über die Deutsche Bischofskonferenz, dass es einen Katholi- Militärbischofs in Afghanistan schen Militärbischof gibt. Ich selber tue diesen Dienst ausgesprochen gerne, weil ich hier erkennen kann, dass es einen tiefen Sinn hat, Menschen in einem herausforderungsvollen Beruf im Namen von Glauben und Kirche zu stärken und zu stützen, der ihre ganze Persön- lichkeit und Person in Anspruch nimmt und somit auch ihre Familien und die Menschen, mit denen sie leben. Hinzu kommt die Bedeutung der Ethik auf einem christlichen Fundament, für das einzustehen Aufgabe der Kirche ist. Hier kann vieles © KS / Doreen Bierdel gesagt und in Auseinandersetzungen geklärt werden sowie in Gesprächen seine Kontur finden, was für das Leben von Bedeutung und gerade auch für den Glauben sehr wichtig ist. Darum gehört es zur Militärseelsorge, dass sie zum einen einen weiten Blick auf die ganze Welt hat, zum anderen aber die gesamte Kirche in Deutschland selber wegen der so wei- 38. Sitzung des Verteidigungsausschusses ten Einsatzfelder immer besser kennenlernt und weiß, dass zu aktuellen Themen der Militärseelsorge wir nur ein kleiner Teil der gesamten Weltgemeinschaft sind. WEBTIPP: Im Internet finden © Ludwig Dirscherl Sie unter milseel.de/6mai weitere Antworten und Berichte zu 10 Jahre Bei der 25. Soldatenwallfahrt nach Amberg Katholischer Militärbischof. Kompass 05I21 19
GLAUBE, KIRCHE, LEBEN Ökumene und Interreligiöser Dialog Einheit in versöhnter Verschiedenheit © ylivdesign – stock.adobe.com (3) D as Zeitalter des Trialogs ist vielerorts angebrochen. Mit dem Ausdruck Trialog wird näherhin ein von gegenseiti- gem Verständnis und ein von Toleranz geprägtes Gespräch Diese lauten: „Und die eine, heilige, katholische und apostoli- sche Kirche“ (Et una, sancta, catholica et apostolica Ecclesia). Dieses Glaubensbekenntnis zählen sowohl die Altorientali- zwischen den sogenannten drei großen monotheistischen schen Kirchen, die Kirchen der Orthodoxie (Panorthodoxie), Religionen – Judentum, Christentum und Islam, gern auch die Lutherischen Kirchen, die Anglikanische Kirche als auch abrahamitische Religionen genannt – bezeichnet. Abrahami- die Römisch-katholische Kirche, um nur einige zu nennen, zu tisch deswegen, weil alle drei in Abraham ihren Stammvater ihren nicht aufgebbaren dogmatischen Grundlagen. Was aber sehen (vgl. Gen 17,4f.). Ob der biblisch konturierte Abraham beispielsweise nun genau unter der Einheit (unitas / una) der selbst als abrahamitisch zu verstehen ist, steht auf einem Kirche theologisch zu verstehen sei, darüber gibt es recht un- anderen Blatt. terschiedliche, durchaus auch divergierende Auffassungen. Zu- mindest wird deutlich, dass unter Ökumene ein theologisches Jener Trialog beinhaltet nun theologische, aber auch gesell- Ringen der Kirchen u. a. um das angemessene Verständnis schaftliche Aspekte im umfassenden Sinne, freilich in un- der vier sogenannten Kennzeichen der Kirche zu verstehen ist, terschiedlichen Verdichtungs- und Verbindlichkeitsgraden vor und zwar ebenso bis hin in seine auch sozialen und zeitlich Ort. Jedoch ist es immer wieder angeraten, sich dessen zu gebundenen Ausdrucks- und Erfahrensweisen. vergewissern, was denn letztlich Ziel des Trialogs oder wie sein vielbeschworener Weg zu gestalten sei. Daher tut es Not, sich Dies alles trifft demzufolge nicht auf einen Interreligiösen Di- auch über Begriffe wie Ökumene und Interreligiöser Dialog zu alog zu, wenngleich er heute mehr denn je – allein schon aus verständigen. religionsdiplomatischer Sicht – unverzichtbar ist. Freilich lassen sich Grundlagen benennen, die Judentum, Christentum und Der Begriff Ökumene im heutigen theologischen Sprachge- Islam gemeinsam haben, zumal diese monotheistisch genann- brauch bezieht sich ausschließlich auf den Prozess der Kir- ten Religionen entweder eine zum Teil gemeinsame Schrift- chen in Bezug auf Einheit in versöhnter Verschiedenheit. Der grundlage besitzen oder sich auf eine durchaus gemeinsame theologische nicht zur Disposition stehende Haft- bzw. Anker- Glaubensüberlieferung beziehen. So haben Judentum und punkt hierfür findet sich im Glaubensbekenntnis, wie es auf Christentum im Kanon ihrer Heiligen Schrift die sogenannten dem Ersten Konzil von Konstantinopel (381) ausgearbeitet und Fünf Bücher des Moses gemeinsam, auch in deren Reihenfol- letztlich für verbindlich erklärt worden ist. In diesem Glaubens- ge. Zudem erkennen heute selbst die Kirchen den hebräischen bekenntnis stehen die vier Prädikate, auch notae ecclesiae Text der Fünf Bücher des Moses, auch Tora genannt, als Urtext genannt, welche die wahre Kirche Jesu Christi kennzeichnen. an. Aber auch ein Blick in den Koran zeigt, dass Motive und Er- 20 Kompass 05I21
GLAUBE, KIRCHE, LEBEN zählungen der Hebräischen Bibel entnommen bzw. ihr entlehnt genannt, wenn es in ihr heißt: „Der Heilswille (Gottes, ThRE) sind. Gemein ist allen drei Religionsfamilien das Bekenntnis zu umfasst aber auch die, welche den Schöpfer anerkennen, dem Einen Gott, der Himmel und Erde gemacht hat. Deswegen unter ihnen besonders die Muslim, die sich zum Glauben Ab- werden sie auch, wie bereits erwähnt, monotheistisch genannt, rahams bekennen und mit uns den einen Gott anbeten …“ (LG wenngleich dem Christentum immer wieder im Hinblick auf 16). Bemerkenswert ist hier die Formulierung „die … mit uns die Trinität eine Aufweichung oder gar eine Verfälschung des den einen Gott anbeten (nobiscum Deum adorant unicum)“, monotheistischen Glaubens vorgeworfen bzw. unterstellt wird. so dass man fast schon von einem basalen gemeinsamen Glaubensbekenntnis sprechen könnte. Sieht man sich die Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962–65) einmal genauer an, so kann man in Bezug Der fundamentale Unterschied zum Ökumenischen Dialog be- auf eine gemeinsame Glaubensgrundlage besonders auch steht freilich darin, dass es für Judentum, Christentum und Is- im Hinblick auf den Islam Erstaunliches finden. So heißt es lam, um es einmal sehr abstrakt zu sagen, kein gemeinsames in der „Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nicht- Ziel ist, „eine, heilige, katholische und apostolische Kirche“ zu christlichen Religionen“, nach ihren lateinischen Anfangswor- werden bzw. zu sein. Aber ein diese Religionen verbindendes ten „Nostra aetate“ (In unserer Zeit) genannt: „Mit Hochach- Band ist letztlich, dass sie sich mit allen Menschen als eine tung betrachtet die Kirche auch die Muslim, die den alleinigen gemeinsame Menschheitsfamilie verstehen. Wird dies von Gott anbeten (unicum Deum adorant), den lebendigen und in allen gemeinsam vernünftigerweise anerkannt, so hat die be- sich seienden, barmherzigen und allmächtigen, den Schöpfer kenntnispluriforme eine Menschheitsfamilie dann gemeinsam Himmels und der Erde“ (NA 3). Einen Schritt weiter geht die für „Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“ in „Dogmatische Konstitution über die Kirche“, ebenso nach ihren der von dem einen Gott geschaffenen Welt einzutreten, nicht lateinischen Anfangsworten „Lumen gentium“ (Licht der Völker) zuletzt mit Gottes Hilfe. Thomas R. Elßner © Godong Photo – stock.adobe.com Kompass 05I21 21
AUS DER MILITÄRSEELSORGE Wir tragen Haben Sie Lust, am 19. oder unser Päckchen 20. Mai an einer regio- nalen Wallfahrt teilzuneh- B ei einer Wallfahrt kommt viel mit: Gedanken, die Pilgerinnen und Pilger beschäftigen, die richtige Kleidung. Dazu men? Alle Termine und Orte finden Sie unter: milseel.de/lourdes die „Mit“-Wallfahrenden, die einen auf ei- nem Teil des Weges begleiten, die beten und Gespräche führen. Für die regiona- le Web-PMI 20.21 hat die Katholische Militärseelsorge einen Pilgerrucksack gepackt. Er ist überall gleich und verbin- det die Pilger über geografische Entfer- nungen hinweg. In der ganzen Republik ist es ein dunkelblauer Beutel mit dem Logo der Katholischen Militärseelsorge, der zeigt: Hier wallen Soldatinnen und Soldaten und deren Angehörige, hier sind sie gemeinsam im Gebet. Er zeigt auch die Verbindung nach Lourdes, wohin wir eigentlich wollten. regionale Wallfahrten zu Marienstätten Beutelinhalt soll Neugier wecken, ein oder Lourdes-Grotten. Denn eines bleibt Lächeln auf die Lippen bringen. Neugier Da Corona die Internationale Soldaten- gleich: ist für die Wallfahrt wichtig: Was werde wallfahrt verhindert, geht es eben in Wallfahren heißt, miteinander ich erfahren? Wird etwas mit mir gesche- Deutschland auf den Weg. Zahlreiche unterwegs zu sein, hen? Das heißt, die Neugier umzusetzen im Gehen und in Gedanken. Vielleicht, und offen für Eindrücke zu sein, die auf um etwas zu finden, vielleicht, um der Wallfahrt kommen. einen Weg gemeinsam zu gehen. Im Beutel ist neben dem Katholischen Beim Beutel könnte die Frage auftau- Gebet- und Gesangbuch in Flecktarn chen: „Wozu soll ich denn noch mehr ein Mundschutz, der zwar das Lächeln mit mir schleppen?“ Darin ist schon fast verbirgt, aber dafür ein Risiko minimiert. die Antwort: Ich schleppe etwas mit mir, Sollte der Wind der Gedanken zu frisch etwas, das die anderen auch haben. Wie werden; was soll‘s? Dann ist ein Multi- viel besser könnte Gemeinschaft sicht- funktionstuch die Hilfe. Der Druck lässt bar und erlebbar gemacht werden? Au- viele Möglichkeiten zu, es zu falten, Logo ßerdem verbindet die Neugier auf den In- oben oder vorne, als Mütze oder Schal – halt die Wallfahrer und wir wissen, es ist der Vielfalt sind keine Grenzen gesetzt. nicht die sprichwörtliche Katze im Sack! Zur Erinnerung: Wallen heißt, sich bewe- Wir tragen gemeinsam eine Last, neh- gen, also auch geistig. Ein Pilgerabzei- men sie an und zeigen das auch. Der chen, ein Ärmelpatch sowie die Pilger- plakette und eine Gebetskarte runden des Wallfahrers Rüstzeug ab. Der Beutel ist schließlich eine bleibende Erinnerung an das merkwürdige Wallen im Jahr 2021, als Menschen in über- schaubar kleinen Gruppen auf Wallfahrt gingen. Langanhaltend ist hoffentlich auch die Erinnerung an das Erlebnis, sich in Gedanken regional mit dem Marien- © KS / Doreen Bierdel wallfahrtsort Lourdes in Südfrankreich zu verbinden. Vielleicht gibt es ja 2022 wieder die Möglichkeit, denn viele kleine Schritte ergeben zusammen auch eine große Strecke. Norbert Stäblein 22 Kompass 05I21
ZUM LKU Zur Praxis moralischer Bildung Mün·dig·keit [die] O Geistige Gesundheit – Teil III G esellschaftlicher Garant geistiger Gesundheit ist der mündige Staats- bürger. Mit „gesundem Menschenver- stand“ versteht dieser in einem staat- lichen Gemeinwesen Verantwortung für sich und andere zu übernehmen. Auch in © 2016 Bundeswehr / Sebastian Wilke schwierigsten Entscheidungssituationen vermag er – wenn nötig – nach bestem Wissen und Gewissen selbstbestimmt zu handeln. Nichts festigt auf allen ge- sellschaftlichen Ebenen die freiheitlich demokratische Grundordnung letztlich mehr als solidarische Vergesellschaftung von staatsbürgerlicher Mündigkeit und Kompetenz. Von daher fördert mittels sogenannter „Innerer Führung“ auch die Bundes- wehr den hohen sittlichen Anspruch von Immanuel Kant formulierte Kernanspruch Mut, dich deines eigenen Verstandes zu „staatsbürgerlicher Mündigkeit“. Genau der Aufklärung letztlich verwirklicht wer- bedienen!“ Nach Kant sind für die selbst- genommen ging es Wolf von Baudissin, den kann – nämlich die wirksame Förde- verschuldete Unmündigkeit des Staats- dem geistigen Vater derselben, nicht rung des Ausgangs „des Menschen aus bürgers aber nicht nur „Faulheit und nur um den „Staatsbürger in Uniform“, seiner selbst verschuldeten Unmündig- Feigheit“ als hauptsächliche Ursachen sondern vielmehr um die Förderung von keit“. Nach Kant ist die Unmündigkeit zu nennen, sondern der Staatsbürger dessen „Mündigkeit“ – also letztlich da- das Unvermögen, sich seines Verstandes sei auch deshalb unfähig „sich seines rum, „dem Individuum aus dem fatalen ohne Leitung eines anderen zu bedienen. eigenen Verstandes zu bedienen, weil Gefühl des ‚Nur-Objekt-Seins‘ herauszu- Selbst verschuldet sei diese Unmündig- man ihn niemals den Versuch davon ma- helfen“. Der vieldiskutierte Spruch „Wir keit, wenn die Ursache derselben nicht chen ließ.“ kämpfen auch dafür, dass du gegen am Mangel des Verstandes, sondern uns sein kannst.“ (2019) demonstriert der Entschließung und des Mutes läge, Diesen zentralen Bildungshinweis des diesen hohen Bildungsanspruch, der in sich seiner ohne Leitung eines andern Philosophen bezüglich des erforderlichen einer freiheitlich demokratischen Grund- zu bedienen. „Sapere aude!“, ruft Kant Ausgangs aus eventueller (selbstver- ordnung unter anderem auch den verant- uns deshalb auch heute noch zu: „Habe schuldeter) Unmündigkeit des Staatsbür- wortungsvollen Umgang mit Meinungs- gers in Uniform nimmt die Bundeswehr freiheit thematisiert. seit Anfang an sehr ernst. Das soge- nannte Asch-Experiment (1951), aber Ein bewusst von der militärischen Aus- vor allem auch das Milgram-Experiment bildung entkoppeltes Gestaltungsfeld (1961), wie auch die heftige Diskussion dieser Inneren Führung ist der „Lebens- um das sogenannte „Luftsicherheits- kundliche Unterricht“ (LKU, vgl. ZDv gesetz“ (2005) unterstreichen nämlich A-2620/3, Nr. 503). In der Bundeswehr sehr ausdrücklich die Notwendigkeit und ist nicht nur in diesem, sondern auch Eine Anregung für Militärseelsorgende: Unverzichtbarkeit eines militärisch ent- in allen anderen militärisch gebundenen Ein Filmausschnitt von „I wie Ikarus“ (1978) koppelten ethischen Bildungsfreiraums. Gestaltungsfeldern der Inneren Führung auf YouTube zeigt selbsterklärend und sehr Diesen gewährleistet aber nur der LKU, – wie beispielsweise „Politische Bildung“ anschaulich in 20 Minuten die Kernaussa- durchgeführt von Militärseelsorgenden oder „Historische Bildung“ – die ethische gen des Milgram-Experiments: https://you- – quasi als Übungs- und Ermutigungs- Bildung eine Querschnittsaufgabe (ebd. tu.be/0MzkVP2N9rw – Weiteres vielfältiges raum für staatsbürgerliche Mündigkeit Nr. 103). Aber nur im extra dafür geschaf- Material zu dieser wichtigen Diskussion fin- und Kompetenz. fenen ethisch-sittlichen Bildungsfreiraum den Sie dann im zebis-Didaktik-Portal. Franz J. Eisend, des LKU wird gewährleistet, dass der von www.zebis.eu/didaktik-portal Wissenschaftlicher Referent, KMBA Kompass 05I21 23
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