Kompetenzmodell für E-Government - Grenzenloser Datenaustausch | Erfolgskriterien für Open Government
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eGovernment Review | www.egovernment-review.org | Nr. 11 | Januar 2013 | 1 Ausgabe Nr. Januar 2013 ISSN 1997-4051 11 Kompetenzmodell für E-Government Grenzenloser Datenaustausch | Erfolgskriterien für Open Government
2 | eGovernment Review | www.egovernment-review.org | Nr. 11 | Januar 2013 Titelbild: Deutsches Bundeskanzleramt Copyright: Sebastian Hamm
eGovernment Review | www.egovernment-review.org | Nr. 11 | Januar 2013 | 3 Editorial Liebe E-Government Interessierte, Vor Ihnen liegt die umfangreichste eGovernment Re- In Österreich ist in der letzten Zeit das vielzitierte Amts- view Ausgabe, die wir jemals produziert haben. Dies- geheimnis breit in den Medien diskutiert worden. Öster- mal erwarten Sie 14 Fachartikel, ein Interview mit reich ist eines der letzten EU Länder, in denen das Amts- Franz-Reinhard Habbel vom Deutschen Städte- und geheimnis in der Verfassung verankert ist. Wie Franz Gemeindebund und zwei Artikel aus der Rubrik „Aktu- Fiedler, der ehemalige Präsident des Rechnungshofs, in elles“. Der Themenbereich bei den Fachartikeln spannt einem Interview angemerkt hat, gebe es eine solche Re- sich von Open Government, über Open Innovation bis gelung in keinem anderen demokratischen Staat. Die hin zum Unternehmerserviceportal. Regelung kann so breit ausgelegt werden, dass praktisch FH-Prof. Dr. Wolfgang alles unter das Amtsgeheimnis fällt. Es ist zu erwarten, EIXELSBERGER Im Gespräch mit Herrn Habbel zeigt sich dieser von ei- Fachhochschule Kärnten dass diese Diskussion zu einer Änderung der gesetzlichen Studienbereich Wirtschaft nem Durchbruch von Cloud Computing in der öffent- Grundlagen führen wird. lichen Verwaltung überzeugt. Damit verbunden sieht er die Chance, diese technologische Änderung auch als Auch bei einem anderen Thema gibt es Bewegung. Seit Basis für strukturelle Änderungen in der Verwaltung zu dem 1.1.2013 sind in Österreich elektronische Rechnun- nutzen. Zusätzlich hofft er, dass bis 2015 die wichtigsten gen, im Hinblick auf die Berechtigung zum Vorsteuerab- Verwaltungsdaten über Open Government Data Porta- zug, den Papierrechnungen gleichgestellt. Zum Nachweis le der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen werden. der Echtheit der Rechnung ist nun keine elektronische Si- gnatur mehr notwendig. Des Weiteren werden ab 1.1.2014 Bei diesem Thema brechen allerdings in der letzten die Vertragspartner des Bundes im Waren- und Dienst- Zeit immer mehr Konflikte auf. Die Grundlagen des leistungsverkehr verpflichtet, Rechnungen ausschließlich deutschen Open Government Portal (GovData Portal) in elektronisch strukturierter Form einzubringen. Ab werden heftig kritisiert. Im Zentrum steht dabei das Li- diesem Zeitpunkt werden von den Bundesdienststellen zenzmodell, das nicht auf einem der in vielen Ländern keine Papierrechnungen mehr akzeptiert. Das, was in eingesetzten offenen Lizenzmodelle aufbaut, sondern Dänemark bereits seit 2005 umgesetzt ist, wird nun auch es wird eine eigene Lösung entwickelt. Kritiker bezeich- in Österreich möglich. nen diese als Insellösung, die dem Wunsch der Com- munity nach aktiver Förderung der Nutzung der Daten Viel Lesevergnügen wünscht Ihnen entgegensteht. Das Problem ist nicht nur das förderale System in Deutschland, das einen Konsens erschwert, sondern auch die Scheu vor einem Kulturwandel. Nachdem in den vergangenen zwei Jahren stark technische Lösun- FH-Prof. Dr. Wolfgang Eixelsberger gen im Vordergrund gestanden sind, wird jetzt endlich Fachhochschule Kärnten klar, dass neben dem Aufbau von Portalen auch ein we- Studienbereich Wirtschaft & Management sentlich länger dauernder Kulturwandel in der Verwal- tung notwendig ist. aufruf beiträge Ein Beispiel dazu ist auch die Stadt Hamburg. Im Som- eGovernment Review veröffentlicht ausgewählte Artikel mer 2012 wurde ein richtungsweisendes Transparenz- zu verschiedensten Aspekten von E-Government. Wenn Sie einen Artikel in eGovernment Review veröffentlichen gesetz verabschiedet. Nun taucht allerdings die Frage möchten, dann senden Sie eine Kurzbeschreibung (zwi- auf, ob die mittelbare Verwaltung auch der Veröffentli- schen 150 und 300 Worte) an w.eixelsberger@fh-kaernten. chungspflicht unterliegt oder nur der Auskunftspflicht at. Die Kurzbeschreibung kann sowohl in deutscher als (d.h. nur bei einer Anfrage muss Auskunft gegeben auch in englischer Sprache verfasst sein. Der eGovern- werden). Auch wenn es hierbei formal um juristische ment-Review-Beirat bewertet die eingereichten Artikel Fragen geht, so stehen doch der sich abzeichnende und gibt ausgewählte Artikel zur Veröffentlichung frei. Einreichungen für die 12. Ausgabe werden bis zum Wandel und die damit verbundenen Probleme im Vor- 22. April 2013 angenommen. dergrund.
4 | eGovernment Review | www.egovernment-review.org | Nr. 11 | Januar 2013 eGovernment-Review-Beirat Der Beirat wählt die zu erscheinenden Artikel aus, schlägt Interviewpartner vor und gibt Input zur generellen Ausrichtung von eGovernment Review. FH-Prof. Dr. Dietmar Brodel Rektor der Fachhochschule Kärnten, Leiter Studienbereich Wirtschaft & Management Fachhochschule Kärnten FH-Prof. Dr. Wolfgang Eixelsberger Professur aus Wirtschaftsinformatik, Leiter Studienzweig Digital Business Management Fachhochschule Kärnten Dr. Peter Parycek, MSc Zentrumsleiter Zentrum für E-Governance Donau-Universität Krems Lektor FH Kärnten Prof. Dr. Reinhard Posch Leiter des IAIK (Institute for Applied Information Processing and Communications) TU Graz CIO des Bundes Prof. DI Dr. Reinhard Riedl Leiter Kompetenzzentrum Public Management & E-Government Berner Fachhochschule Prof. Dr. Jürgen Stember Dekan Fachbereich Verwaltungswissenschaften Hochschule Harz DI Manfred Wundara CIO der Stadt Villach Mitglied des Präsidiums des Fachausschusses für Informationstechnologie des Österreichischen Städtebundes Leiter der Arbeitsgruppe Q-SKF der Plattform Digitales Österreich
eGovernment Review | www.egovernment-review.org | Nr. 11 | Januar 2013 | 5 Inhalt Ausgabe Nr. 11 | Januar 2013 aktuelles „Die Zukunft sind Cloud-Computing 6 fachartikel und Apps“ Unternehmen als Ideengeber 24 Interview mit Franz-Reinhard Habbel (Deutscher Städte- für Open Innovation-Prozesse und Gemeindebund) im öffentlichen Sektor Ralf Daum (Duale Hochschule Baden-Württemberg) E-Government in Deutschland - 8 ein Überblick Bundeskonferenz unterstreicht 26 Jürgen Stember (Hochschule Harz) Bedeutung der Netzwerkkommunikation David H. Fenner | Volkmar Kese (Hochschule Ludwigs- Open Government Data in Deutschland - 10 burg) Ergebnisse einer empirischen Studie Jürgen Stember (Hochschule Harz) Herausforderungen für integrierte 28 Geodienste zur Unterstützung des fachartikel COMPATeGOV - Kompetenzmodell 12 E-Government für E-Government Hardy Pundt (Hochschule Harz) | Sirko Scheffler | Ronny Sirko Hunnius | Stefanie Köhl | Tino Schuppan (IfG.CC - Weinkauf (brain-SCC GmbH) The Potsdam eGovernment Competence Center) Authentische und integritätsgesicherte 30 Verwaltungsdienstleistungen für 14 Verwaltungsdaten Personen mit eingeschränkter Mobilität: Klaus Stranacher | Vesna Krnjic (E-Government Innova- Von mobilen Bürgerdiensten zu tionszentrum) | Thomas Zefferer (Zentrum für sichere E-Government Informationstechnologie) Ralf Plattfaut | Sara Hofmann | Daniel Beverungen | Mi- chael Räckers | Jörg Becker (ERCIS) | Thomas Kohlborn Was die Handy-Signatur (schon) 32 (Queensland University) | Björn Niehaves (Hertie School alles kann... of Governance) Peter Reichstädter (Bundeskanzleramt) Grenzenloser Datenaustausch in Europa 16 Das Parkpickerl in Wien und 34 Josef El-Rayes (Ernst & Young Advisory Services GmbH) § 17 E-Government-Gesetz Thomas Skerlan-Schuhböck (Magistratsdirektion der Erfolgskritierien für die 18 Stadt Wien) Open Government-Umsetzung: Eine vergleichende Analyse Der Bürgerservice-Assistent im 36 Alexandra Collm (Universität St. Gallen) | Giordano Koch Bundesministerium für Finanzen (HYVE Innovation Community GmbH) | Maximilian Rapp Silke Weiß | Christof Hammerschmid (Bundesministerium (Universität Innbruck) für Finanzen) | Doris Ipsmiller (m2n) Open Government - 20 Das Unternehmensserviceportal (USP) 38 der Versuch einer Abgrenzung Sabine Brandstetter | Marco Rossegger Moreen Heine | Matthias Döring | Sebastian Noack (Bundesministerium für Finanzen) (Universität Potsdam) service E-Government Tagungen, 40 Developing e-Government: 22 Konferenzen und Messen An open and collaborative approach Julia Dorothée Stoffregen (Universität Friedrichshafen) E-Government Publikationen 42
6 | eGovernment Review | www.egovernment-review.org | Nr. 11 | Januar 2013 aktuelle information „Die Zukunft sind Cloud-Computing und Apps“ Franz-Reinhard Habbel ist Sprecher und Direktor für politische Grundsatzfragen des Deutschen interview Städte- und Gemeindebundes (DStGB) in Berlin und zugleich Leiter des DStGB-Innovators Club, eines Think-Tanks für Kommunen in Deutschland. Er ist Mitglied des IT-Planungsrates, Vorstands- mitglied der European Society for eGovernment e.V. und Mitbegründer des Quadriga-Netzwerkes in Berlin. Seit 2009 ist er Lehrbeauftragter an der Universität Osnabrück, FB Sozialwissenschaft. In seiner Eigenschaft als E-Government-Experte befasst er sich in Vorträgen im In- und Ausland mit Fragen der Globalisierung, des Internets sowie der Modernisierung von Politik und Verwaltung. Er ist Herausgeber diverser Veröffentlichungen rund um IKT, Medien, Web 2.0, e-Democracy, Open Government und Verwaltungsmodernisierung. Im Habbel-Blog (www.habbel.de) schreibt er regel- mäßig Kolumnen rund um das Thema Modernisierung. Welche Aktivitäten gibt es im Deutschen Städte und Gemeinde- sollten dabei so eingesetzt werden, dass die Ideen der bund im Umfeld von E-Government? Menschen aufgegriffen werden und dass ein Dialog Hier gibt es zwei wesentliche Bereiche. Zum Ersten die zwischen der Verwaltung, der Politik und den Bürgern Modernisierung der Verwaltung in Richtung Effizienz ermöglicht wird. und damit die Digitalisierung von Verwaltungsprozes- sen. Die grundsätzliche Frage ist, ob jede Verwaltung Wird Cloud Computing die Kommunen verändern? die Digitalisierung selbständig umsetzen soll oder ob Wir stehen vor einem Paradigmenwechsel in der öffent- hier eine stärkere Zusammenarbeit sinnvoll ist. Daraus lichen Verwaltung. Wir werden in absehbarer Zukunft ist die Idee eines nationalen Prozessregisters entstan- nur noch zwei Instrumente haben, auf der einen Seite den. Auf Bundesseite wird ein solches Register derzeit Clouds und auf der anderen Seite Apps. Das wird zu ei- eingerichtet und wird auch für Kommunen verfügbar ner weitgehenden Dematerialisierung führen, in dem gemacht werden. Hier sollen Best-Practice Prozesse dar- zum Beispiel Server in Verwaltungen verschwinden gestellt werden und damit Hinweise gegeben werden, werden und ganzheitliches Arbeiten möglich wird. Die wie Kommunen ihre Aufgaben effizienter und schnel- heute noch vielfach vorhandenen Silostrukturen wer- ler erfüllen können. Wir brauchen aber nicht nur ein den verschwinden und durch eine echte Netzwerkver- Prozessregister, sondern auch ein Prozessendlager. Wir waltung ersetzt. Über Apps werden wir einen unmittel- haben viel zu viele Prozesse, die durch Intransparenzen baren Zugang zu Verwaltungsleistungen bekommen. als Wildwuchs in den letzten Jahren entstanden sind. Es macht also keinen Sinn mehrere Tausend Prozesse im Wie sehen Sie den zeitlichen Rahmen bei der Umsetzung von Register zu haben. Es macht viel mehr Sinn, Prozesse, Cloud Lösungen? die sich bewährt haben, die messbar sind, die von der Wir sollten bis 2015 eine Umsetzung von Cloud Lösun- Wirkungsanalyse her wirksam sind, als Best-Practice zu gen im kommunalen Bereich haben. Zuvor müssen wir etablieren. noch eine Reihe von Rechtsfragen klären. Die Klärung Der zweite Bereich ist das Thema Partizipation. E- von IT-Sicherheits- und Datenschutzfragen sollten ge- Government sollte dazu eingesetzt werden, die Ver- meinschaftlich zwischen Bund, Ländern und Kommu- waltung transparenter zu machen und den Bürgern zu- nen erfolgen. Ich möchte aber gerne noch einen Schritt sätzliche Beteiligungsmöglichkeiten anzubieten. Dies weitergehen und darüber nachdenken, ob wir für betrifft einerseits Verwaltungsverfahren, aber natürlich jede Verwaltungsebene eine eigene Cloud benötigen. auch die Möglichkeiten, bei der politischen Gestaltung Es wäre eher sinnvoll Fachclouds zu entwickeln und der Kommune mitzuwirken. Die Internettechnologien Dienstleistungen aus den unterschiedlichen Verwal-
aktuelle information eGovernment Review | www.egovernment-review.org | Nr. 11 | Januar 2013 | 7 tungsebenen dort hinein zu verlagern. Ich denke dabei auf die Interpretationen der Verwaltung angewiesen beispielsweise an eine Cloud für Mobilität, eine Cloud zu sein. Die Bereitstellung von Daten sehe ich als Bring- für Energie und eine Cloud für Gesundheit. Die Prozesse schuld der Verwaltung. Ich gehe soweit, dass ich eine können dann durch Bürger oder andere Verwaltungs- Transparenzdatenbank nach dem Beispiel Österreichs einheiten über Apps angesteuert werden. Damit wür- auch für Deutschland fordere. Für mich ist das eine logi- de man zu einem ganzheitlichen, einem holistischen sche Folge - von Open Data zur Transparenzdatenbank E-Government kommen. Die Separierung der Verwal- und dann zu Open Government. Damit soll eine part- tung könnte damit, zumindest beim Thema Datenhal- nerschaftliche Verwaltung aufgebaut werden, die die tung, aufgehoben werden. Es würde eine gemeinsame Bürger auch einbindet bei der Generierung von Ideen. IT-Infrastruktur entstehen, die auf diesen Fachclouds Nicht nur beim Beschwerdemanagement, sondern ich aufbaut. Das wäre mein Wunschmodell, weil wir da- möchte allgemein das Wissen und die Fähigkeiten der mit unsere Leistungen weiter qualifizieren könnten. In Bürger nutzen. Insbesondere dort wo die Menschen le- der Frage der Kompetenzen und Aufgabenstellungen ben. Wenn ich weiß, dass ich noch 30 Jahre in meiner würde der Föderalismus nicht ausgehebelt werden, Stadt leben möchte, dann möchte ich vielleicht auch sondern es würde eine gemeinsame Datenstruktur zur mein Wissen und meine Fähigkeiten zur Gestaltung der Verfügung stehen. Das würde letztendlich den Födera- Stadt einbringen. Damit soll das repräsentative System lismus vitalisieren. nicht durchbrochen werden, sondern es soll damit ge- stärkt werden. Welche Apps sollen hier insbesondere angeboten werden? Der PC wird im Prinzip verschwinden und das mobile In- Welchen Zeitrahmen sehen Sie für Open Government? ternet mit Zugangsgeräten wie Smartphones wird eine Das Open Data Portal des Bundes wird 2013 verfügbar immer wichtigere Rolle spielen. Ich kann mir beispiels- sein und damit auch für die Kommunen nutzbar sein. weise eine Schul-App vorstellen, über die ein Zugang Ich hoffe, dass bis 2015 darüber die wichtigsten Daten zu den Daten der Schule und den Daten meiner Kinder verfügbar sind. Ich kann mir prinzipiell vorstellen, alle zur Verfügung gestellt wird. Über diese App wird Kon- kommunalen Daten zu veröffentlichen, ausgenommen takt zwischen den Lehrern und Eltern aufgebaut, damit natürlich personenbezogene Daten. Veröffentlicht wer- über Krankenstände und Hausaufgaben kommuniziert den sollten beispielsweise alle statistischen Daten, geo- werden kann. Das Beispiel zeigt, dass ich nicht von den informationsbezogene Daten, Prognosedaten und Da- klassischen Verwaltungsleistungen ausgehe, sondern ten über Subventionen. Das Thema Open Government von öffentlichen Leistungen, wie Gesundheit, Bildung ist ein Thema, das generell die Politik beschäftigen wird. und Energie. Diese eher weichen Themen sind hochin- Es handelt sich dabei nicht um eine technische Frage, teressant, sowohl für die Bürger, als auch für die Politik. sondern um eine Frage des Verständnisses zwischen E-Government wird stärker die Politikfelder erreichen, Staat und Bürger. Ich will weg von einem Vaterstaats- es geht nicht nur um die Prozesse. Grundlegende Ver- modell, bei dem vieles vorgegeben wird. Ich möchte änderungen, wie zum Beispiel die Energiewende wird gerne ein partnerschaftliches Staatsmodell, wo Bürger es nicht ohne den Einsatz von IT geben. Dabei werden gemeinsam mit Wirtschaft und Zivilgesellschaft ein Tri- Clouds und Apps eine ganz entscheidende Rolle spielen. angel bilden. In diesem Triangel werden viele Themen durch Bürger, die sich selbst organisieren, abgewickelt Was erwarten Sie beim Themenbereich Open Government in werden. Kommunen? In der ersten Stufe werden Daten transparent gemacht Wir danken für das Gespräch. und damit die Prinzipien von Open Data umgesetzt werden. Die Bürger sollen damit die Möglichkeit erhal- ten, die Daten selbst zu interpretieren und nicht nur Das Interview wurde geführt von Wolfgang Eixelsberger.
8 | eGovernment Review | www.egovernment-review.org | Nr. 11 | Januar 2013 aktuelle information E-Government in Deutschland – ein Überblick Jürgen Stember In der vorliegenden 11. Ausgabe von eGovernment Review finden Sie den 6. Beitrag in der Reihe E-Government serie in europäischen Ländern. Die bisher erschienenen Beiträge beschäftigten sich mit Slowenien, Dänemark, Estland, Italien und Norwegen (Ausgabe Nr. 3, Nr. 5, Nr. 6, Nr. 7 und Nr. 9). Einführung und allgemeine Daten Anteil der Beschäftigten liegt in info Fakten zu Deutschland: Wer sich über die Suchmaschi- den Ländern (2,12 Mio.), gefolgt ne „Google“ Klarheit über die Anzahl Einwohner (in Mio).: 82 von den Kommunen (1,39 Mio.) Situation des E-Governments Anzahl Einwohner pro km : 229 2 sowie dem Bund und sonstigen in Deutschland verschaffen will, Verwaltungen. Diese Größen- erlebt Bemerkenswertes. Unter Mitglied in der EU seit: 1957 (Gründungsmitglied) ordnungen allein verweisen den Treffern auf der ersten Seite schon insgesamt auf besondere sind gleich drei Titel, die sich in Voraussetzungen hinsichtlich der ihren zentralen Aussagen widersprechen:(1) „Deutschland Modernisierung der Verwaltung und des Einsatzes mo- rutscht im EU-Vergleich weiter ab!“, „Deutschland holt derner Informationstechnologien. bei EU-Benchmark stark auf!“ und „Deutschland bleibt Mittelmaß!“. Letztere Überschrift entstammt der Inter- Aktivitäten und Entwicklungen in Deutschland. Im Jahre net-Plattform „politik-digital.de“(2) und bezieht sich auf 2000 definierte die Gesellschaft für Informatik den Be- den so genannten aktuellen eGovernment-Monitor 2012 griff des E-Governments in ihrem Memorandum „als der Initiative D21.(3) Schlüssel zur Modernisierung von Staat und Verwal- Dieser Einstieg macht deutlich, dass das Thema „E- tung“(4) und machte ihn für die Praxis und die Wissen- Government“ mittlerweile so facettenreich und viel- schaft salonfähig – quasi als öffentliches Pendant zum schichtig geworden ist, dass selbst Fachleuten der damals schon bekannten „E-Business“ in der Privatwirt- Überblick, die konkrete Einordnung und die Bewer- schaft. Das Thema war unmittelbar in die bestehende tung schwer fällt, je nach dem welcher Teilbereich des „Reformlandschaft“ eingebettet, die sich in Deutschland Themas besonders in den Fokus der Betrachtungen an der Diskussion um Strukturreformen, demographi- rückt. Es macht jedoch auch deutlich, wie schwierig schen Wandel, Haushaltskonsolidierung sowie Prozess- und ambitioniert der Versuch einer Beschreibung des management und Bürgerorientierung festgemacht hat. E-Governments in Deutschland auf zwei Seiten in einer Durch das Internet und durch die sich daraus immer Fachzeitschrift ist. neu entwickelnden Möglichkeiten versprach man sich vor allem neue Reformperspektiven. Auf allen Verwal- Neben der komplexen Thematik sind auch die grundle- tungsebenen versuchten Protagonisten deshalb immer genden Größendaten in der Bundesrepublik beeindru- wieder mit neuen Programmen neue Projekte anzusto- ckend. Mit rund 82 Mio. Einwohnern ist Deutschland ßen: Bundonline 2005 oder die Einführung des neuen das mit Abstand größte Land in der Europäischen Union. Personalausweises sind Beispiele auf Bundesebene. Rund 4,61 Mio. Menschen sind in Deutschland im öffent- Aber auch neue rechtliche Regelungen, z. B. die Umset- lichen Dienst beschäftigt, eine ebenfalls bemerkenswerte zung der EU-Dienstleistungsrichtlinie (2006) und neue Zahl, die allerdings im Pro-Kopf-Verhältnis nur Mittel- IT-orientierte Organisationsreformen, sind Aktivitäten, maß in der EU verursacht. Diese Beschäftigten verteilen die sich bis heute auswirken. Und nicht zuletzt zählt sich auf drei starke und sehr eigenständige Verwaltungs- auch die neue Behördenrufnummer D 115 (ab 2009 im ebenen von Bund, 16 Bundesländern und einer kommu- Pilotbetrieb) zu den E-Government-Projekten, die nur nalen Ebene mit derzeit 439 Kreisen und kreisfreien Städ- durch ein internetbasiertes Informationssystem im Hin- ten sowie mit mehr als 12.500 Kommunen. Der größte tergrund funktionieren können.
aktuelle information eGovernment Review | www.egovernment-review.org | Nr. 11 | Januar 2013 | 9 Bisherige Hemmnisse und Herausforderungen. Innerhalb der tige Trends im E-Government, die mittlerweile eine letzten Jahre wurden jedoch auch zahlreiche Hemmnisse große Rolle spielen. In diesem Zusammenhang sei auf für E-Government-Angebote diagnostiziert, die u. a. in drei Strömungen hingewiesen: den folgenden Aspekten zu sehen sind: 1. O pen Government als komplexer Ansatz zur • mangelnde Ressourcen, informationellen und kommunikativen Öffnung • nicht ausreichende Kooperation zwischen den der Verwaltungen(7), administrativen Ebenen, 2. M obile Government als Ansatz zur Steuerung und • schwindende Innovationsbereitschaft und –fähig- Reorganisation des Bürgerservices sowie keit, u. a. auch bedingt durch den demografischen 3. C loud-Computing als umfassender, nicht nur Wandel in den Verwaltungen, technischer Ansatz zur Standardisierung von • die mangelnde Durchgängigkeit von Angeboten Software und Anwendungssystemen, der nicht sowie nicht zuletzt nur eine Bündelung der Ressourcen, sondern • die oftmals mangelnde Akzeptanz und Nachfrage eine nicht unerhebliche Kostenreduzierung beim von Bürgern und Unternehmen. Software-Betrieb gewährleisten soll. Die aktuellen Entwicklungen sind dadurch mehr denn je darauf ausgerichtet, die bestehenden und bislang lokali- Resümee. Das Themenfeld E-Government hat in den letz- sierten Hindernisse und Hemmnisse, insbesondere durch ten Jahren in Deutschland eine große Aufwertung und eine bessere Zusammenarbeit zwischen den administrati- dynamische Weiterentwicklung erlebt. Das „Mitmach-In- ven Ebenen (G2G), aus dem Weg zu räumen. ternet“ und viele andere interne wie auch externe Impulse werden der technikinduzierten Verwaltungsmodernisie- Aktuelle Trends und Aktivitäten. Ein in diesem Zusammen- rung weiterhin die erforderliche Energie verleihen, um hang bedeutender Schritt war die Einrichtung des bun- den zukünftigen Herausforderungen gerecht werden zu desweiten IT-Planungsrates, der im Herbst des Jahres können. Mittlerweile ist unzweifelhaft, dass nur durch E- 2010 die sogenannte nationale E-Government-Strategie Government die zukünftige Leistungs- und Zukunftsfä- (NEGS) beschlossen und den Zielrahmen für Bund, Län- higkeit der Verwaltungen gewährleistet werden kann. der und Kommunen zur Modernisierung der staatlichen Informationstechnik bis zum Jahr 2015 definiert hat. Mit der nationalen E-Government-Strategie werden sechs zentrale Ziele festgelegt, an denen sich alle zukünftige Prof. Dr. Jürgen Projekte ausrichten sollten:(5) STEMBER • die Orientierung am Nutzen von Bürgern, Unter- Dekan des Fachbereichs nehmen und Verwaltung, Verwaltungswissenschaf- literatur (1) Aufgerufen am 05.12.2012 unter dem Suchbegriff ten der Hochschule Harz; • die Erhöhung der Effizienz und der Wirtschaftlich- „eGovernment Deutschland“. jstember@hs-harz.de keit des Verwaltungshandelns, (2) • die Transparenz über Daten und Abläufe sowie Vgl. http://politik-digitalde/%E2%80%9Eegovernment- monitor-2012-deutschland-bleibt-mittelmass/ Datenschutz, (06.12.2012). • die Stärkung der gesellschaftlichen Teilhabe über (3) Internetangebote des Staates, Vgl. INITIATIVE D21 (Hrsg.): eGovernment Monitor • die Zukunftsfähigkeit und Nachhaltigkeit und 2012. Nutzung und Akzeptanz von elektronischen nicht zuletzt Bürgerdiensten im internationalen Vergleich. Berlin 2012, S.1. • die leistungsfähige IT-Unterstützung. Gesellschaft für Informatik e.V. (Hrsg.): Memorandum (4) Der zweite wichtige Schritt beschreibt Regelungen Electronic Government als Schlüssel zur Modernisierung durch das neue eGovernment-Gesetz. Das im Entwurf von Staat und Verwaltung vom September 2000. vorliegende Gesetz ist darauf ausgerichtet, die elektro- (5) Vgl. die Internetseite des IT-Planungsrates unter nische Kommunikation mit der Verwaltung zu erleich- www.it-planungsrat.de tern sowie Bund, Ländern und Kommunen zu ermögli- (6) Vgl. hier und auch im Folgenden die Informationen chen, einfachere, nutzerfreundlichere und effizientere des Bundesinnenministeriums unter http://www. elektronische Verwaltungsdienste anzubieten.(6) Der bmi.bund.de/DE/Themen/OeffentlDienstVerwaltung/ Gesetzentwurf soll im ersten Halbjahr 2013 in Kraft Informationsgesellschaft/EGovernment/EGovGesetz treten und beinhaltet wichtige Regelungen, z. B. die (06.12.2012). Verpflichtung der Verwaltung zur Eröffnung eines elek- (7) Vgl. auch das Memorandum zur Öffnung von Staat tronischen Kanals, Grundsätze der elektronischen Ak- und Verwaltung (Open Government) der Gesellschaft tenführung, die Erleichterung bei der Erbringung von für Informatik e.V. vom 16.10.2012 (Download unter elektronischen Nachweisen in Verwaltungsverfahren http://fb-rvi.gi.de/fileadmin/gliederungen/fg-vi/FGVI- aber auch Regelungen zur Ersetzung der Schriftform. 121016-GI-PositionspapierOpenGovernment.pdf). Neben diesen Aktivitäten gibt es derweil weitere wich-
10 | eGovernment Review | www.egovernment-review.org | Nr. 11 | Januar 2013 aktuelle information Open Government Data in Deutschland – Ergebnisse einer empirischen Studie Jürgen Stember Der vorliegende Beitrag berichtet über die Ergebnisse einer gemeinsamen Studie der Hochschule Harz und der abstract MATERNA GmbH zur bisherigen Umsetzung und zu Planungspotenzialen von Open Data Government in Deutschland. Darin wird bestätigt, dass die Verwaltungen in Deutschland noch am Anfang dieser Entwicklung stehen, dem Thema jedoch immer mehr Bedeutung geschenkt wird. Die zentralen Ergebnisse, die auf der Messe „Moderner Staat“ in Berlin im November 2012 vorgestellt worden sind, werden in diesem Beitrag zusammengefasst. Open Government Data (OGD) ist ein hoch aktuelles, unprofiliert erscheint, haben die Hochschule Harz und zugleich aber auch sehr komplexes Themengebiet für öf- MATERNA es sich zur Aufgabe gemacht, den aktuellen fentliche Verwaltungen. Die Thematik reiht sich in eine Stand wie auch die Planungspotenziale für diesen neuen Fülle von neuen Akzenten im Zusammenhang mit der Government-Bereich in Deutschland auf kommunaler Entwicklung des E-Governments ein. Besonders der re- und staatlicher Ebene zu ermitteln. In dieser empirischen lativ neue und im Zuge der Web 2.0-Technologien ent- Studie wurden insgesamt 489 Behörden angeschrieben standene Begriff des umfassenderen „Open Government“ und zur Web-Befragung eingeladen. Davon haben 72 (offenes, transparentes Regieren) steht als Dachbegriff für Behörden (50 Kommunen und 22 Bundes- bzw. Landes- eine Vielzahl von Aktivitäten und Trends, die von der behörden) den Fragebogen vollständig beantwortet, was Öffnung des Staates, der besseren Zusammenarbeit bis einer Rücklaufquote von 14,7 % entspricht. hin zu mehr Beteiligung der Bürger und sonstiger Rezipi- enten staatlicher Leistungen reichen. Wichtigste Ergebnisse. Nach dieser Studie wird Open In einer aktuellen Studie von AMT24 e.V. werden „Open Government Data inzwischen von mehr als der Hälfte der Data“ definiert als „Daten von öffentlichen Institutionen befragten Verwaltungen als bedeutend eingeschätzt. Ge- – mit Ausnahme personenbezogener Daten –, welche nerell ist jedoch die Relevanz im Vergleich zu anderen ak- vollständig und für jeden frei zugänglich, verbreitbar tuellen Verwaltungsthemen (noch) niedriger. Ähnliches sowie für alle Einsatzzwecke weiterverwendbar sind.“(1) gilt in puncto des Umsetzungsstandes: Deutlich mehr als In Ergänzung zu früheren Aktivitäten der Datenbereit- die Hälfte der Befragten haben bisher Open Government stellung, die es ja zum Beispiel schon durch WebGIS gab Data-Angebote realisiert bzw. planen diese. Einer der und gibt, wird darüber hinaus mit dem Linked Open zentralen Beweggründe für offene Verwaltungsdaten ist Data-Ansatz eine Verknüpfung der bestehenden Daten dabei die Erhöhung der Transparenz für den Bürger. angestrebt, wodurch insgesamt ein spürbarer Mehrwert Dadurch, dass die Aspekte Innovation, Effizienzsteige- erzeugt werden soll.(2) In Deutschland ist das Thema rung und Wirtschaftsförderung noch eine eher unterge- „Open Government“ bundesweit durch das am 18. Au- ordnete Rolle spielen, zeigen sich die bisherigen Aktivitä- gust 2010 beschlossene Regierungsprogramm „Vernetzte ten noch relativ weit vom eigentlichen Grundgedanken und transparente Verwaltung“ als Strategie für die wei- der „offenen Daten“ entfernt (s. o.). Sowohl die Konzep- tere Modernisierung der Bundesverwaltung aufgegriffen tionen als auch die operativen Umsetzungen sind noch worden. Open Government wurde damit ein zentrales stark ausbau- und entwicklungsfähig. Eigenschaften, wie Modernisierungsprojekt.(3) beispielsweise Maschinenlesbarkeit, erfüllen die wenigs- Da das allgemeine Verständnis von OGD noch relativ ten Angebote. Als Hauptprobleme bei der Planung und
aktuelle information eGovernment Review | www.egovernment-review.org | Nr. 11 | Januar 2013 | 11 Abb. 1: Hemmnisse bei der Bereitstellung von Abb. 2: Zukünftig wichtige Themenbereich des Open Verwaltungsdaten(4) Government Data(5) Umsetzung werden nicht ganz überraschend vor allem Konsequenzen. Abschließend können einige wesentliche fehlende Personalkapazitäten und hohe Kosten gesehen Konsequenzen gezogen werden, die vor allem in den fol- (vgl. Abb. 1). Aber auch der befürchtete Missbrauch und genden sieben Bereichen liegen: mangelndes Interesse der Zielgruppe sind in diesem Zu- • e igene Erfahrungen und Kompetenzen sammeln, sammenhang wichtige Überlegungen. • inhaltliche und materielle Unterstützung suchen, Nichtsdestotrotz lassen sich aus den Ergebnissen der Stu- •K ooperationen als wesentliche Schlüsselfaktoren die positive Tendenzen ableiten. So werden die Hemmnis- aufbauen, se von den „Praktikern“, d. h. von denjenigen, die bereits • S tandardisierungsaktivitäten entwickeln, Prof. Dr. Jürgen ein Angebot vorweisen können, überwiegend geringer • v erstärkte Kundenorientierung umsetzen, STEMBER •T ransparenz als zentrale Orientierung und Motiva- Dekan des Fachbereichs bewertet als von den „Nicht-Anwendern“. Ebenfalls er- Verwaltungswissenschaf- freulich sind die zukünftigen Entwicklungstendenzen tion verbessern sowie nicht zuletzt ten der Hochschule Harz; und Planungen. Hierbei sollen vor allem bestehende An- •d ie Möglichkeiten und Chancen von Open Data jstember@hs-harz.de gebote ausgebaut und mit erweiterten Möglichkeiten ver- besser kommunizieren. knüpft werden. So planen unter den „Nicht-Anwendern“ immerhin knapp die Hälfte zukünftig ein Angebot, rund ein Drittel davon sogar mit erweiterten Möglichkeiten. Die Inhalte von OGD in den Verwaltungen fokussieren sich im Wesentlichen auf drei Bereiche: Geographische Informationssysteme (GIS), Finanzen/Haushalt sowie Statistik. GIS nehmen nicht unerwartet einen vorderen Rangplatz bei den Open Government Data-Angeboten literatur ein, da hier schon seit Jahren Vorarbeit geleistet worden (1) Vgl. AMT24 (Hrsg.): Chancen und Risiken der kommerzi- ist. Bei der Statistik gilt Ähnliches. Auch hier können die ellen Nutzung von Linked Open Data. Berlin 2011, S. 5. Verwaltungen auf zum Teil umfangreiche Vorleistungen (2) Vgl. BUNDESMINISTERIUM DES INNERN (Hrsg.): Open verweisen. In ähnlicher Weise gaben die Behördenvertre- Government Data Deutschland. Berlin 2012, S. 433. ter auch eine Auskunft zu den aus ihrer Sicht sinnvollen (3) zukünftigen Themenbereichen (vgl. Abb. 2). Auch hier Vgl. BUNDESREGIERUNG (Hrsg.): Regierungsprogramm Vernetzte und transparente Verwaltung. Berlin 2010. zeigt sich deutlich, dass es keine neuen „Renner“ gibt, sondern dass zukünftig diejenigen Angebote für wichtig (4) HS Harz/MATERNA GmbH (Hrsg.): Open Government erachtet werden, in denen schon zahlreiche Vorleistun- Data Studie. Halberstadt, 2012, S. 35. gen erbracht worden sind. Hier lautet die Kurzformel: (5) HS Harz/MATERNA GmbH (Hrsg.): Open Government Vorhandene Datenangebote haben auch in Zukunft ein Data Studie. Halberstadt, 2012, S. 41. erhebliches Aktivierungspotenzial für mögliche neue oder zusätzlich ergänzende Anwendungen.
12 | eGovernment Review | www.egovernment-review.org | Nr. 11 | Januar 2013 fachartikel COMPATeGov – Kompetenzmodell für E-Government Sirko Hunnius I Stefanie Köhl I Tino Schuppan Um die Potenziale der Verwaltungsmodernisierung mit Informationstechnik zu nutzen, sind neue, interdis- abstract ziplinäre Kompetenzen erforderlich. Im Rahmen des COMPATeGov-Projektes wurden diese systematisch identifiziert und zu einem Kompetenzmodell verdichtet. Darin sind 28 unterschiedliche Kompetenzen aus verschiedenen fachlichen Disziplinen zusammengefasst, welche u.a. in Anlehnung an den Europäischen Qualifikationsrahmen (EQF) bewertet sind. In dem vorliegenden Artikel werden das COMPATeGov-Kompe- tenzmodell vorgestellt sowie dessen Anwendungsmöglichkeiten skizziert. Problemstellung und Zielsetzung. Empirisch zeigt sich, dass Projektergebnisse – Kompetenzmodell für E-Government. gerade anspruchsvolle E-Government-Projekte nicht wie Im COMPATeGov-Kompetenzmodell sind 28 Kompe- geplant verlaufen oder sogar scheitern. Ein möglicher tenzen, die in Verbindung mit E-Government relevant Grund dafür ist, dass die dafür erforderlichen neuen, sind, systematisch und strukturiert erfasst. Unter Kom- interdisziplinären Kompetenzen bei den beteiligten Ak- petenzen werden notwendiges Wissen, Fertigkeiten und teuren oftmals nicht vorhanden sind. Skills und Kompe- Fähigkeiten (Skills) sowie Eigenschaften einer Person tenzen sind im E-Government vernachlässigte Themen, verstanden, um die von der Organisation formulierten so dass vielfach unklar ist, welche Kompetenzen die Anforderungen zu erfüllen(2,3). Im Unterschied zum Qua- Beschäftigten in der öffentlichen Verwaltung überhaupt lifikationsbegriff bezieht sich Kompetenz auf die ganze benötigen, um Staat und Verwaltung mithilfe von Infor- Person, so dass bspw. auch die Fähigkeit zur Selbstorga- mationstechnik zu modernisieren. Ein vom Potsdamer nisation einbezogen wird. Die im COMPATeGov-Modell Institute for eGovernment (IfG.CC) geleitetes Konsor- erfassten Kompetenzen setzen sich jeweils aus mehreren tium hat deshalb im Rahmen des zweijährigen EU-For- Wissens-, Fertigkeits- und Kompetenzelementen zusam- schungsprojektes COMPATeGov ein Kompetenzmodell men. Dabei wird zwischen einem Set aus spezifischen E- für E-Government entwickelt. Government-Kernkompetenzen und allgemeinen Kom- petenzen unterschieden. Erstere beziehen sich stärker Methodische Vorgehensweise. In einem ersten Schritt wur- auf die Modernisierung des öffentlichen Sektors mit IT. den bisherige Untersuchungsergebnisse zu E-Govern- Letztere waren schon immer bedeutsam, erhalten jedoch ment-Kompetenzen ausgewertet und konsolidiert. Die im Zusammenhang mit E-Government einen anderen zusammengestellten Kompetenzen wurden anschließend Stellenwert. Denn persönliche und soziale Kompetenzen in einer Online-Befragung von E-Government-Experten werden in einer vernetzten, weniger hierarchisch gepräg- aus Wissenschaft und Praxis bewertet. Eingeschätzt wur- ten Arbeitsumgebung, die zudem mehr Zusammenarbeit de dabei, inwieweit die Kompetenzen für E-Government über Organisationsgrenzen hinweg erfordert, zuneh- relevant sind und welches Kompetenzniveau (Ausprä- mend relevant. Verwaltungs- und Veränderungskom- gungsgrad einer Kompetenz) jeweils erforderlich ist. petenzen waren im öffentlichen Sektor stets notwendig, Unterschieden wurde dabei zwischen Kompetenzen für sind allerdings an die speziellen Herausforderungen bei Führungskräfte und Mitarbeiter. Anschließend wurden der Verwaltungsmodernisierung mit E-Government an- die Befragungsergebnisse in Expertenworkshops validiert zupassen. und verfeinert. Das erarbeitete COMPATeGov-Kom- Spezifische E-Government-Kernkompetenzen werden petenzmodell wurde in Pilottests angewendet und auf erst im Kontext der Verwaltungsmodernisierung mit dieser Basis Schulungsangebote beschrieben, mit denen IT erforderlich. So sind insbesondere E-Government- die erforderlichen Kompetenzen gezielt gestärkt werden Design-Kompetenzen notwendig, um die Strukturen können.(1) und Prozesse der öffentlichen Verwaltung zu analysie-
fachartikel eGovernment Review | www.egovernment-review.org | Nr. 11 | Januar 2013 | 13 ren und mit IT neu zu gestalten. Weiterhin werden E- Forschungsmethoden Prozesse zu analysieren und Government-Management-Kompetenzen benötigt, um Soll-Prozesse mit etablierten Methoden zu model- die neu gestalteten Strukturen und Produktionsmodelle lieren. umzusetzen. Insbesondere in netzwerkartigen Organisa- • Kompetenz: Der Mitarbeitende misst die Wirksam- tionsformen sind Risikomanagement, Finanz- und Kon- keit bestehender Prozesse und schlägt Veränderun- traktmanagement notwendig, um bspw. Service-Level- gen vor, um Verbesserungen umzusetzen. Er erhebt Agreements zu verhandeln. E-Policy-Kompetenzen sind die notwendigen Informationen und verwendet erforderlich, wenn E-Government-Lösungen in einen angemessene Methoden, um mithilfe neuer Techno- breiteren organisatorischen und politischen Kontext ein- logien mögliche Prozessveränderungen zu analysie- zubetten sowie Trends und strategische Potenziale von ren, zu evaluieren, zu gestalten und umzusetzen. IT zu beurteilen sind. Um die Wirkungen von IT auf die Arbeitswelt einzuschätzen – sowohl auf individueller als Anwendungsmöglichkeiten. Das COMPATeGov-Kompe- auch auf organisatorischer und sektoraler Ebene, sind so tenzmodell richtet sich maßgeblich an Personalabteilun- genannte E-Kompetenzen entscheidend. gen der öffentlichen Verwaltungen sowie an Anbieter von Sirko HUNNIUS Folgende Grafik verdeutlicht die Struktur des COMPAT- Aus-, Fort- und Weiterbildung im Bereich E-Govern- wissenschaftlicher eGov-Kompetenzmodells. Die Projektergebnisse sowie ment. Das Kompetenzmodell kann dazu genutzt werden, Mitarbeiter, IfG.CC – The Potsdam eGovernment entwickelte Online-Tools sind unter http://portal.compa- Stellen zu beschreiben, Kompetenzlücken der Stellenin- Competence Center, tegov.eu frei zugänglich und dort detaillierter beschrie- haber zu identifizieren und gezielt Schulungsangebote Mitarbeiter/in im EU- Projekt COMPATeGov; ben. auszuwählen, mit denen die Kompetenzlücken geschlos- shunnius@ifg.cc sen werden können. Öffentliche Verwaltungen können somit den Einsatz ihres Personals gezielt anhand der erforderlichen Kompetenzen einer Stelle planen, eine systematische Personalentwicklung etablieren und so- mit gezielt Kompetenzen in Bezug auf E-Government aufbauen und stärken. Die Beschäftigten erhalten mit entsprechenden Online-Tools die Möglichkeit, eigene Kompetenzdefizite zu identifizieren und diese durch Ler- neinheiten gezielt zu beheben. Schulungsanbieter kön- nen Kurse anhand des Kompetenzmodells beschreiben bzw. neu konzipieren. Im Rahmen des Projektes wurden Präsenzschulungsangebote für E-Government-Kompe- Stefanie KÖHL tenzen entwickelt und praxisnah erprobt. Die Ergebnisse wissenschaftliche Mit- des COMPATeGov-Projektes leisten einen Beitrag, die arbeiterin, IfG.CC – The Abb. 1: COMPATeGov-Kompetenzmodell, Quelle: Eigene Darstellung, Potsdam eGovernment animierte Grafik unter http://www.compategov.eu Fort- und Weiterbildung für E-Government der Beschäf- Competence Center, tigten im öffentlichen Dienst zu verbessern. Die ECVET- Mitarbeiter/in im EU- Projekt COMPATeGov; Jede Kompetenz ist eindeutig definiert und mit ihren je- konforme Beschreibung (Europäisches Leistungspunk- skoehl@ifg.cc weiligen Elementen ausführlich dargestellt. Beispielhaft tesystem für die Berufsbildung) sowie die Zuordnung wird das nachfolgend anhand der Prozessdesign-Kompe- der EQF-Stufen (Europäischer Qualifikationsrahmen) tenz aufgezeigt. ermöglichen darüber hinaus, Kompetenzniveaus behör- den- oder sogar länderübergreifend zu vergleichen und Prozessdesign-Kompetenz: Die Kompetenz, Geschäfts- so von Best-Practices zu lernen. prozesse öffentlicher Organisationen mithilfe etablierter Methoden und Techniken zu analysieren, zu gestalten und zu managen. •W issen: Der Mitarbeitende versteht die Prozesse literatur einer Organisation, d.h. deren Ergebnisse, ihre Rolle (1) Hunnius, Sirko/Schuppan, Tino. Competency Require- und Funktion im Prozessportfolio einer Organisati- ments for Transformational E-Government. Konferenz- papier, 46th Hawaii International Conference on System Prof. Dr. Tino on, das dahinter stehende Regulierungsziel und die SCHUPPAN Sciences (HICSS), Grand Wailea, 7-10 Januar 2013. gesellschaftlichen Auswirkungen. Er hat ein detail- wissenschaftlicher Direktor, IfG.CC – The liertes Verständnis der eigenen Arbeitsprozesse, d.h. (2) Hoffmann, Terence. The Meanings of Competency. Potsdam eGovernment kennt die Prozessschritte, die beteiligten Akteure, Journal of European Industrial Training. 1999, Heft 23, S. Competence Center; Schnittstellen und das Ergebnis. 275-285. schuppan@ifg.cc • S kills: Der Mitarbeitende ist geübt darin, mithilfe (3) Schuppan, Tino. E-Government Competencies. Looking von etablierten Prozessmodellierungstechniken Beyond Technology. In: Shea, C.M. Garson, G.D. (eds.). Ist-Prozesse zu modellieren, d.h. ist in der Lage, Handbook of Public Information Systems. Boca Raton: Prozesse in angemessener Detailtiefe zu katalogi- Taylor & Francis, 2010, S. 353-370. sieren. Weiterhin ist er darin geübt, mithilfe von
14 | eGovernment Review | www.egovernment-review.org | Nr. 11 | Januar 2013 fachartikel Verwaltungsdienstleistungen für Personen mit eingeschränkter Mobilität: Von mobilen Bürger- diensten zu E-Government? Ralf Plattfaut I Sara Hofmann I Thomas Kohlborn I Daniel Beverungen I Michael Räckers I Björn Niehaves I Jörg Becker Verwaltungsdienstleistungen sind über verschiedene Kanäle nutzbar. Der klassische Weg des Behördenbesuchs abstract wurde in den letzten Jahren um mobile Bürgerdienste erweitert. Diese sollen insbesondere Senioren und Per- sonen mit eingeschränkter Mobilität Zugang zu den Dienstleistungen erleichtern. Neben den mobilen Bürger- diensten werden zunehmend digitale Kanäle eingeführt. Kommunikation ersetzt Mobilität und ermöglicht Zugang zu den Dienstleistungen per Computer oder Smartphone. In einer Studie in Deutschland und Australien wurde analysiert, inwiefern dies insbesondere für Personen mit eingeschränkter Mobilität gilt.*) Ralf PLATTFAUT Wissenschaftlicher Mitarbeiter, European Der klassische Weg zur Wahrnehmung von Verwaltungs- spiel Internetseiten, eine geringe Reichhaltigkeit, telefoni- Research Center for In- formation Systems (ER- dienstleistungen, persönlich in der Behörde, als einzigem sche Kommunikation eine mittlere und Kommunikation CIS) der Westfälischen Zugangskanal zur Verwaltung wurde in den letzten Jah- von Angesicht zu Angesicht die höchste Reichhaltigkeit. Wilhelms-Universität ren um verschiedene Zugangskanäle erweitert. Zum ei- Wenn Aufgaben einen hohen Grad an Informationsaus- Münster nen wurden mobile Bürgerdienste eingerichtet, welche tausch erfordern, sollte ein Kanal gewählt werden, der die Dienstleistungen zu den Bürgern nach Hause bzw. eine hohe Reichhaltigkeit aufweist.(3) in deren Nähe bringen. Zum anderen werden – forciert durch die Entwicklung des Internets – E-Government Um zu untersuchen, ob und wie sich Bürger mit einge- Dienstleistungen, die vom heimischen Computer oder schränkter Mobilität von Bürgern ohne eingeschränkte ganz aktuell auch mittels Smartphone wahrgenommen Mobilität in ihrer Wahl des Verwaltungskontaktes un- werden können, stetig ausgebaut. Die Entwicklung und terscheiden, wurden mit Unterstützung der jeweiligen der Ausbau dieser zusätzlichen Zugangskanäle ist vor Verwaltungen Daten in einem deutschen Bundesland Sara HOFMANN dem Hintergrund der wachsenden Gruppe der immer und einem australischen Bundesstaat erhoben. Insge- Wissenschaftliche älter werdenden Menschen sowie derer, die in ihrer Mo- samt konnten 1.205 Datensätze erhoben werden – 814 in Mitarbeiterin, European bilität eingeschränkt sind, eine wichtige Herausforderung Deutschland und 391 in Australien. Research Center for In- formation Systems (ER- für die öffentlichen Verwaltungen. CIS) der Westfälischen Der klassische Kanal zur Nutzung von Verwaltungs- Wilhelms-Universität Eine Person mit eingeschränkter Mobilität ist „eine Per- dienstleistungen ist „Persönlich in der Behörde“. Hierbei Münster son, deren Mobilität bei der Benutzung von Beförde- muss der Bürger zur Behörde kommen und kann die Ver- rungsmitteln wegen einer körperlichen (sensorischen waltungsdienstleistung persönlich in Anspruch nehmen. oder motorischen, dauerhaften oder zeitweiligen) Behin- Der Kanal zeichnet sich durch hohe Anforderungen an derung, einer geistigen Behinderung oder Beeinträchti- Mobilität bei gleichzeitiger hoher Informationsreichhal- gung, wegen anderer Behinderungen oder aufgrund des tigkeit des Kanals aus. Interessanterweise legen unsere Alters eingeschränkt ist“(1). E-Government-Dienste bie- Daten nahe, dass insbesondere Bürger mit Mobilitätspro- ten für diese Zielgruppe ein besonderes Potenzial, da sie blemen diesen Kanal bevorzugen (61,7% bei Bürgern mit ortsunabhängig genutzt werden können.(2) Mobilitätsproblemen gegenüber 48,2% bei Bürgern ohne Thomas KOHLBORN diese Probleme). Dieses kann durch zwei Faktoren erklärt Postdoctoral Research Informationsaustausch und Kommunikation kann über werden. Zum einen gehören viele der mobilitätseinge- Fellow, Woolworths Chair verschiedene Kanäle erfolgen. Dabei postulieren Daft und schränkten Bürger zur Altersgruppe der Senioren, welche of Retail Innovation der Queensland University of Kollegen eine Hierarchie von Informationsreichhaltigkeit eine Affinität zu diesem Kanal haben. So bevorzugen nur Technology dieser Kanäle. So haben textuelle Dokumente, zum Bei- 35% der unter-30-Jährigen diesen Kanal. Zum anderen
fachartikel eGovernment Review | www.egovernment-review.org | Nr. 11 | Januar 2013 | 15 Zu den modernen Kanälen gehört auch mobile Govern- Dr. Daniel BEVERUNGEN ment.(4) Hier nutzen Bürger Verwaltungsdienstleistungen Akademischer Rat, European Research Center über mobile Kanäle wie Handys (SMS) oder Smartphones for Information Systems Abb. 1: Bevorzugte Kanalwahl (spezielle Apps). Die Daten legen nahe, dass dieser Ka- (ERCIS) der Westfälischen nal auch von mehr Bürgern ohne Mobilitätsprobleme als Wilhelms-Universität Münster solchen mit Mobilitätsproblemen bevorzugt wird (10,1% ist der Kanal besonders reichhaltig, was insbesondere bei zu 9,3%). Rechnet man allerdings die Altersgruppe unter komplexeren Transaktionen, die von Bürgen mit Mobi- 30 heraus, so dreht sich das Bild. In dem Fall bevorzugen litätsproblemen vermehrt nachgefragt werden (müssen), 9,4% der Bürger mit Mobilitätsproblemen diesen Kanal wichtig wird. und nur 7,2% der Bürger ohne diese Probleme. Ein weiterer klassischer Kanal ist das Telefon. Viele Ver- Es lässt sich festhalten, dass derzeit noch der persönli- waltungsdienstleistungen können telefonisch erbracht che Gang zur Behörde als Zugangskanal dominiert. Bei werden, insbesondere Informations- und Kommunika- besonderer Beachtung der Faktoren Alter und Mobilität tionsdienstleistungen. Hier ersetzt Kommunikation Mo- zeigt sich aber, dass mobile Bürgerdienste und (mobile) bilität und ermöglicht den Konsum der Dienstleistungen E-Government Angebote für die Zukunft einiges Poten- Dr. Michael RÄCKERS weitestgehend ortsunabhängig. Gleichzeitig gilt der Tele- zial versprechen, um zum einen die Bürger in die Lage Akademischer Rat, European Research Center fonkanal als sehr informationsreich, da durch das gespro- zu versetzen, unkompliziert Verwaltungsdienstleistun- for Information Systems chene Wort auch Untertöne vermittelt werden können. gen wahrzunehmen und zum anderen den Verwaltungen (ERCIS) der Westfälischen Beide Argumente erklären auch den vergleichsweise ho- Entlastung, vor allem bei weniger komplexen Dienstleis- Wilhelms-Universität Münster hen Zuspruch von Bürgern mit Mobilitätsproblemen zu tungen, zu schaffen. Die Bewertung vor dem Hintergrund diesem Kanal (66,4% bei Bürgern mit Mobilitätsproble- der Informationsreichhaltigkeit offenbart aber auch, dass men gegenüber 58,3% bei Bürgern ohne diese Probleme). die Komplexität der Dienstleistungen ein wichtiger Er- folgsfaktor ist. Wenn es gelingt, die Komplexität zu re- Der Kanal „Persönlich außerhalb der Behörde“ umfasst duzieren, wird es bedeutend leichter fallen, (mobile) E- nicht nur mobile Bürgerdienste sondern auch feste Be- Government-Dienste zum Erfolg zu führen. ratungsstellen zum Beispiel in Einkaufszentren oder Seniorenheimen. Auch hier kann durch die persönliche Kommunikation eine hohe Informationsreichhaltigkeit angenommen werden. Zusätzlich wird aber das Bedürf- *) Diese Studie wurde durch das Smart Services Cooperative Research Centre (CRC), gefördert nis für Mobilität verringert, da die Behörde mobil sein durch das Australian Government’s CRC Programme (Department of Innovation, Industry, Prof. Dr. Dr. Björn Science and Research), die VolkswagenStiftung in Form eines Schumpeter Fellowships und NIEHAVES muss, nicht der Bürger. Entsprechend ist der Zuspruch zu das Forschungsprojekt Networked Service Society, gefördert durch das Internationale Büro des Bundesministerium für Bildung und Forschung (Förderkennzeichen APR 10/805), finanziert. Professor for E-Gover- diesem Kanal bei Personen mit eingeschränkter Mobilität nance and Innovation, fast doppelt so hoch wie bei Personen ohne diese Proble- Hertie School of Gover- nance me (28,0% zu 16,5%). literatur (1) Europäische Union. Verordnung (EG) Nr. 1107/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli Ein Kanal, der die Mobilität der Bürger ersetzen soll, 2006 über die Rechte von behinderten Flugreisenden und ist das E-Government über das Internet. Der Kanal hat Flugreisende mit eingeschränkter Mobilität. Amtsblatt der eine vergleichsweise geringe Informationsreichhaltig- Europäischen Union. 28.7.2006. keit, erfordert dafür aber keine Mobilität. Damit ist er für (2) IT-Planungsrat. Nationale E-Government Strategie. Standardaufgaben, insbesondere aus dem Bereich der In- Beschluss des IT-Planungsrats vom 24. September 2010. formation, ein geeignetes Medium für Personen mit ein- geschränkter Mobilität. Allerdings legen die Daten diesen (3) Daft, Richard L.; Lengel, Robert H.;Trevino, Linka K. Zusammenhang nicht nahe. So bevorzugen nur 42,1% Message Equivocality, Media Selection, and Manager Perfor- der mobilitätseingeschränkten Bürger im Vergleich zu mance: Implications for Information Systems. MIS Quarterly. Prof. Dr. Jörg BECKER 1987. 11. Ausgabe. S. 355-366. 59,5% der restlichen Bürger diesen Kanal. Auch wenn Geschäftsführender Di- man den Faktor Alter ignoriert und nur die über-60-Jäh- (4) rektor, European Research Palka, Wolfgang; Schreiber, Veronika; Wolf, Petra; Krcmar, Center for Information rigen betrachtet, ist immer noch ein Unterschied vorhan- Helmut. Mobile Government - quo vadis 2012+?. eGovern- Systems (ERCIS) der den (34,3% zu 36,1%). Hier werden die hohen Verspre- ment Review. Juli 2012, 10. Ausgabe. Westfälischen Wilhelms- Universität Münster chungen des E-Governments noch nicht eingelöst.
16 | eGovernment Review | www.egovernment-review.org | Nr. 11 | Januar 2013 fachartikel Grenzenloser Datenaustausch in Europa Josef El-Rayes Die Europäische Kommission hat sich zum Ziel gesetzt mittels groß angelegter Programme grenzüberschreitende Verwal- abstract tungsprozesse zu vereinfachen, um den freien Personen- und Warenverkehr auf Verwaltungsebene zu unterstützen. Bürger, Behörden und Unternehmen sollen in Zukunft in der Lage sein, unabhängig von nationalen Grenzen einheitliche Dienstleis- tungen in Anspruch zu nehmen. Dieser Artikel gibt einen Einblick in aktuelle Initiativen. Freier Personen- und Warenverkehr über Ländergren- sind, wird gemeinschaftlich die Entwicklung der „Core zen hinweg sind in Europa heute schon Realität - EU- Vocabularies“ abgestimmt und vorangetrieben. weite, durchgängig unterstützte Verwaltungsprozesse hinken jedoch dieser Entwicklung hinterher. Damit die e-Government Core Vocabularies. Die e-Government Core europäische Verwaltung der Wirtschaft ein zweckdien- Vocabularies sind vereinfachte, wiederverwendbare und licher Partner sein kann, steht das e-Government vor erweiterbare Darstellungen der fundamentalen Eigen- einer großen Aufgabe: grenzüberschreitender Informa- schaften einer Entität in einer kontextfreien Abbildung. Sie tionsaustausch als Voraussetzung für pan-europäische bieten eine Ausgangsbasis zur Entwicklung interoperabler Verwaltungsprozesse stößt aufgrund unterschiedlicher e-Government-Systeme und erlauben aufgrund ihrer ver- Sprachen, Kulturräume und rechtlichen Regelungen einfachten und erweiterbaren Darstellung eine einfache schnell an die Grenze des Machbaren. Zuordnung zu bestehenden Datenmodellen. Durch die Schon seit Längerem arbeiten nationale Initiativen an Verwendung dieser Vokabularien als Grundlage darauf IT-Standardisierungsvorhaben, doch erst die pan-euro- aufbauender e-Government-Systeme wird ein Mindest- päische Kooperation lässt die europäischen Mitglieds- maß an Interoperabilität garantiert. staaten in Hinblick auf Interoperabilität der Prozesse und Die ersten drei Vokabularien, die ihm Rahmen der Initi- Daten näher zusammenrücken. ative veröffentlicht wurden sind die Core Person, Core Die Europäische Kommission versucht im Rahmen Business und Core Location Vocabulary. Abbildung 1 großangelegter Initiativen Infrastruktur und Services zu stellt die drei Vokabularien in Bezug zu einander und Verfügung zu stellen, die eine grenzüberschreitende Zu- verdeutlicht ihre Anwendung. sammenarbeit ermöglichen. Core Person Vocabulary. Das Core Person Vocabulary war Joinup.EU. Die Plattform Joinup.eu(1) ist eine Initiative im ein erster Pilot zur Spezifizierung eines e-Government Rahmen der ISA-Programme(2) des Directorate-Generale Core Vocabulary und half dabei einen allgemeinen Ent- für IT (DIGIT) der Europäischen Kommission mit dem wicklungsprozess für weitere Vokabularien abzuleiten. Das Ziel grenzüberschreitende Verwaltungsprozesse der euro- Datenmodell der Core Person beschreibt die minimalen päischen Mitgliedsstaaten voranzutreiben. Charakteristiken einer Person unabhängig des Kontextes Neben der Bereitstellung einer Kooperationsplattform in dem die Entität steht. Darauf aufbauend können spezi- zum Erfahrungs- und Wissensaustausch und dem Be- fische Datenmodelle wie Wähler, Passagier, Patient entwi- reitstellen von Datenstandards einschlägiger e-Govern- ckelt werden und garantieren auf diese Weise eine minima- ment-Projekte, ist Joinup.eu auch in der Entwicklung le grenzüberschreitende Interoperabilität. von Datenaustauschstandards involviert. Diese Daten- austauschstandards setzen darauf, mittels Harmoni- Core Business Vocabulary. Das im Mai dieses Jahres ver- sierung auf einem hohen Abstraktionslevel eine breite öffentlichte Vokabular repräsentiert einen Konsens zur Anwendbarkeit zu ermöglichen. In einer eigenen Ar- Darstellung eines vereinfachten Datenmodells zur Iden- beitsgruppe in der mehr als 70 Vertreter europäischer tifizierung und Beschreibung legaler Entitäten. Das Core Behörden, Universitäten und Unternehmen beteiligt Business Vocabulary soll in Anlehnung an die neue Direc-
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