Kompetenzmodell für E-Government - Grenzenloser Datenaustausch | Erfolgskriterien für Open Government

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Kompetenzmodell für E-Government - Grenzenloser Datenaustausch | Erfolgskriterien für Open Government
eGovernment Review | www.egovernment-review.org | Nr. 11 | Januar 2013   | 1

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                                                                                     Januar 2013
                                                                                      ISSN 1997-4051
                                                                                                       11

 Kompetenzmodell für E-Government
Grenzenloser Datenaustausch | Erfolgskriterien für Open Government
2 |    eGovernment Review | www.egovernment-review.org | Nr. 11 | Januar 2013

Titelbild: Deutsches Bundeskanzleramt
Copyright: Sebastian Hamm
eGovernment Review | www.egovernment-review.org | Nr. 11 | Januar 2013       | 3

                                                                                                            Editorial
Liebe E-Government Interessierte,

Vor Ihnen liegt die umfangreichste eGovernment Re-             In Österreich ist in der letzten Zeit das vielzitierte Amts-
view Ausgabe, die wir jemals produziert haben. Dies-           geheimnis breit in den Medien diskutiert worden. Öster-
mal erwarten Sie 14 Fachartikel, ein Interview mit             reich ist eines der letzten EU Länder, in denen das Amts-
Franz-Reinhard Habbel vom Deutschen Städte- und                geheimnis in der Verfassung verankert ist. Wie Franz
Gemeindebund und zwei Artikel aus der Rubrik „Aktu-            Fiedler, der ehemalige Präsident des Rechnungshofs, in
elles“. Der Themenbereich bei den Fachartikeln spannt          einem Interview angemerkt hat, gebe es eine solche Re-
sich von Open Government, über Open Innovation bis             gelung in keinem anderen demokratischen Staat. Die
hin zum Unternehmerserviceportal.                              Regelung kann so breit ausgelegt werden, dass praktisch                   FH-Prof. Dr. Wolfgang
                                                               alles unter das Amtsgeheimnis fällt. Es ist zu erwarten,                  EIXELSBERGER
Im Gespräch mit Herrn Habbel zeigt sich dieser von ei-                                                                                   Fachhochschule Kärnten
                                                               dass diese Diskussion zu einer Änderung der gesetzlichen
                                                                                                                                         Studienbereich Wirtschaft
nem Durchbruch von Cloud Computing in der öffent-              Grundlagen führen wird.
lichen Verwaltung überzeugt. Damit verbunden sieht
er die Chance, diese technologische Änderung auch als          Auch bei einem anderen Thema gibt es Bewegung. Seit
Basis für strukturelle Änderungen in der Verwaltung zu         dem 1.1.2013 sind in Österreich elektronische Rechnun-
nutzen. Zusätzlich hofft er, dass bis 2015 die wichtigsten     gen, im Hinblick auf die Berechtigung zum Vorsteuerab-
Verwaltungsdaten über Open Government Data Porta-              zug, den Papierrechnungen gleichgestellt. Zum Nachweis
le der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen werden.             der Echtheit der Rechnung ist nun keine elektronische Si-
                                                               gnatur mehr notwendig. Des Weiteren werden ab 1.1.2014
Bei diesem Thema brechen allerdings in der letzten             die Vertragspartner des Bundes im Waren- und Dienst-
Zeit immer mehr Konflikte auf. Die Grundlagen des              leistungsverkehr verpflichtet, Rechnungen ausschließlich
deutschen Open Government Portal (GovData Portal)              in elektronisch strukturierter Form einzubringen. Ab
werden heftig kritisiert. Im Zentrum steht dabei das Li-       diesem Zeitpunkt werden von den Bundesdienststellen
zenzmodell, das nicht auf einem der in vielen Ländern          keine Papierrechnungen mehr akzeptiert. Das, was in
eingesetzten offenen Lizenzmodelle aufbaut, sondern            Dänemark bereits seit 2005 umgesetzt ist, wird nun auch
es wird eine eigene Lösung entwickelt. Kritiker bezeich-       in Österreich möglich.
nen diese als Insellösung, die dem Wunsch der Com-
munity nach aktiver Förderung der Nutzung der Daten            Viel Lesevergnügen wünscht Ihnen
entgegensteht.

Das Problem ist nicht nur das förderale System in
Deutschland, das einen Konsens erschwert, sondern
auch die Scheu vor einem Kulturwandel. Nachdem in
den vergangenen zwei Jahren stark technische Lösun-            FH-Prof. Dr. Wolfgang Eixelsberger
gen im Vordergrund gestanden sind, wird jetzt endlich          Fachhochschule Kärnten
klar, dass neben dem Aufbau von Portalen auch ein we-          Studienbereich Wirtschaft & Management
sentlich länger dauernder Kulturwandel in der Verwal-
tung notwendig ist.
                                                             aufruf beiträge

Ein Beispiel dazu ist auch die Stadt Hamburg. Im Som-                          eGovernment Review veröffentlicht ausgewählte Artikel
mer 2012 wurde ein richtungsweisendes Transparenz-                             zu verschiedensten Aspekten von E-Government. Wenn
                                                                               Sie einen Artikel in eGovernment Review veröffentlichen
gesetz verabschiedet. Nun taucht allerdings die Frage
                                                                               möchten, dann senden Sie eine Kurzbeschreibung (zwi-
auf, ob die mittelbare Verwaltung auch der Veröffentli-                        schen 150 und 300 Worte) an w.eixelsberger@fh-kaernten.
chungspflicht unterliegt oder nur der Auskunftspflicht                         at. Die Kurzbeschreibung kann sowohl in deutscher als
(d.h. nur bei einer Anfrage muss Auskunft gegeben                              auch in englischer Sprache verfasst sein. Der eGovern-
werden). Auch wenn es hierbei formal um juristische                            ment-Review-Beirat bewertet die eingereichten Artikel
Fragen geht, so stehen doch der sich abzeichnende                              und gibt ausgewählte Artikel zur Veröffentlichung frei.
                                                                               Einreichungen für die 12. Ausgabe werden bis zum
Wandel und die damit verbundenen Probleme im Vor-
                                                                               22. April 2013 angenommen.
dergrund.
4 |   eGovernment Review | www.egovernment-review.org | Nr. 11 | Januar 2013

                    eGovernment-Review-Beirat
                    Der Beirat wählt die zu erscheinenden Artikel aus, schlägt
                    Interviewpartner vor und gibt Input zur generellen Ausrichtung
                    von eGovernment Review.

                                      FH-Prof. Dr. Dietmar Brodel
                                      Rektor der Fachhochschule Kärnten, Leiter Studienbereich Wirtschaft & Management
                                      Fachhochschule Kärnten

                                      FH-Prof. Dr. Wolfgang Eixelsberger
                                      Professur aus Wirtschaftsinformatik, Leiter Studienzweig Digital Business Management
                                      Fachhochschule Kärnten

                                      Dr. Peter Parycek, MSc
                                      Zentrumsleiter Zentrum für E-Governance
                                      Donau-Universität Krems
                                      Lektor FH Kärnten

                                      Prof. Dr. Reinhard Posch
                                      Leiter des IAIK (Institute for Applied Information Processing and Communications)
                                      TU Graz
                                      CIO des Bundes

                                      Prof. DI Dr. Reinhard Riedl
                                      Leiter Kompetenzzentrum Public Management & E-Government
                                      Berner Fachhochschule

                                      Prof. Dr. Jürgen Stember
                                      Dekan Fachbereich Verwaltungswissenschaften
                                      Hochschule Harz

                                      DI Manfred Wundara
                                      CIO der Stadt Villach
                                      Mitglied des Präsidiums des Fachausschusses für Informationstechnologie
                                      des Österreichischen Städtebundes
                                      Leiter der Arbeitsgruppe Q-SKF der Plattform Digitales Österreich
eGovernment Review | www.egovernment-review.org | Nr. 11 | Januar 2013           | 5

                                                                                                                                             Inhalt
                                                                                                                                Ausgabe Nr. 11 | Januar 2013
aktuelles

              „Die Zukunft sind Cloud-Computing                          6

                                                                                  fachartikel
              und Apps“                                                                         Unternehmen als Ideengeber                                24
              Interview mit Franz-Reinhard Habbel (Deutscher Städte-                            für Open Innovation-Prozesse
              und Gemeindebund)
                                                                                                im öffentlichen Sektor
                                                                                                Ralf Daum (Duale Hochschule Baden-Württemberg)
              E-Government in Deutschland -                              8
              ein Überblick                                                                     Bundeskonferenz unterstreicht       26
              Jürgen Stember (Hochschule Harz)
                                                                                                Bedeutung der Netzwerkkommunikation
                                                                                                David H. Fenner | Volkmar Kese (Hochschule Ludwigs-
              Open Government Data in Deutschland - 10                                          burg)
              Ergebnisse einer empirischen Studie
              Jürgen Stember (Hochschule Harz)                                                  Herausforderungen für integrierte                         28
                                                                                                Geodienste zur Unterstützung des
fachartikel

              COMPATeGOV - Kompetenzmodell                               12
                                                                                                E-Government
              für E-Government                                                                  Hardy Pundt (Hochschule Harz) | Sirko Scheffler | Ronny
              Sirko Hunnius | Stefanie Köhl | Tino Schuppan (IfG.CC -                           Weinkauf (brain-SCC GmbH)
              The Potsdam eGovernment Competence Center)
                                                                                                Authentische und integritätsgesicherte                    30
              Verwaltungsdienstleistungen für         14
                                                                                                Verwaltungsdaten
              Personen mit eingeschränkter Mobilität:                                           Klaus Stranacher | Vesna Krnjic (E-Government Innova-
              Von mobilen Bürgerdiensten zu                                                     tionszentrum) | Thomas Zefferer (Zentrum für sichere
              E-Government                                                                      Informationstechnologie)

              Ralf Plattfaut | Sara Hofmann | Daniel Beverungen | Mi-
              chael Räckers | Jörg Becker (ERCIS) | Thomas Kohlborn                             Was die Handy-Signatur (schon)                            32
              (Queensland University) | Björn Niehaves (Hertie School                           alles kann...
              of Governance)                                                                    Peter Reichstädter (Bundeskanzleramt)

              Grenzenloser Datenaustausch in Europa 16                                          Das Parkpickerl in Wien und                               34
              Josef El-Rayes (Ernst & Young Advisory Services GmbH)
                                                                                                § 17 E-Government-Gesetz
                                                                                                Thomas Skerlan-Schuhböck (Magistratsdirektion der
              Erfolgskritierien für die                                  18
                                                                                                Stadt Wien)
              Open Government-Umsetzung:
              Eine vergleichende Analyse                                                        Der Bürgerservice-Assistent im                            36
              Alexandra Collm (Universität St. Gallen) | Giordano Koch                          Bundesministerium für Finanzen
              (HYVE Innovation Community GmbH) | Maximilian Rapp                                Silke Weiß | Christof Hammerschmid (Bundesministerium
              (Universität Innbruck)                                                            für Finanzen) | Doris Ipsmiller (m2n)

              Open Government -                                          20                     Das Unternehmensserviceportal (USP)                       38
              der Versuch einer Abgrenzung                                                      Sabine Brandstetter | Marco Rossegger
              Moreen Heine | Matthias Döring | Sebastian Noack                                  (Bundesministerium für Finanzen)
              (Universität Potsdam)
                                                                                  service

                                                                                                E-Government Tagungen,                                    40
              Developing e-Government:                                   22                     Konferenzen und Messen
              An open and collaborative approach
              Julia Dorothée Stoffregen (Universität Friedrichshafen)                           E-Government Publikationen                                42
6 |   eGovernment Review | www.egovernment-review.org | Nr. 11 | Januar 2013                                                aktuelle information

                     „Die Zukunft sind
                     Cloud-Computing und Apps“
              Franz-Reinhard Habbel ist Sprecher und Direktor für politische Grundsatzfragen des Deutschen
  interview

              Städte- und Gemeindebundes (DStGB) in Berlin und zugleich Leiter des DStGB-Innovators Club,
              eines Think-Tanks für Kommunen in Deutschland. Er ist Mitglied des IT-Planungsrates, Vorstands-
              mitglied der European Society for eGovernment e.V. und Mitbegründer des Quadriga-Netzwerkes
              in Berlin. Seit 2009 ist er Lehrbeauftragter an der Universität Osnabrück, FB Sozialwissenschaft. In
              seiner Eigenschaft als E-Government-Experte befasst er sich in Vorträgen im In- und Ausland mit
              Fragen der Globalisierung, des Internets sowie der Modernisierung von Politik und Verwaltung. Er
              ist Herausgeber diverser Veröffentlichungen rund um IKT, Medien, Web 2.0, e-Democracy, Open
              Government und Verwaltungsmodernisierung. Im Habbel-Blog (www.habbel.de) schreibt er regel-
              mäßig Kolumnen rund um das Thema Modernisierung.

                     Welche Aktivitäten gibt es im Deutschen Städte und Gemeinde-   sollten dabei so eingesetzt werden, dass die Ideen der
                     bund im Umfeld von E-Government?                               Menschen aufgegriffen werden und dass ein Dialog
                     Hier gibt es zwei wesentliche Bereiche. Zum Ersten die         zwischen der Verwaltung, der Politik und den Bürgern
                     Modernisierung der Verwaltung in Richtung Effizienz            ermöglicht wird.
                     und damit die Digitalisierung von Verwaltungsprozes-
                     sen. Die grundsätzliche Frage ist, ob jede Verwaltung          Wird Cloud Computing die Kommunen verändern?
                     die Digitalisierung selbständig umsetzen soll oder ob          Wir stehen vor einem Paradigmenwechsel in der öffent-
                     hier eine stärkere Zusammenarbeit sinnvoll ist. Daraus         lichen Verwaltung. Wir werden in absehbarer Zukunft
                     ist die Idee eines nationalen Prozessregisters entstan-        nur noch zwei Instrumente haben, auf der einen Seite
                     den. Auf Bundesseite wird ein solches Register derzeit         Clouds und auf der anderen Seite Apps. Das wird zu ei-
                     eingerichtet und wird auch für Kommunen verfügbar              ner weitgehenden Dematerialisierung führen, in dem
                     gemacht werden. Hier sollen Best-Practice Prozesse dar-        zum Beispiel Server in Verwaltungen verschwinden
                     gestellt werden und damit Hinweise gegeben werden,             werden und ganzheitliches Arbeiten möglich wird. Die
                     wie Kommunen ihre Aufgaben effizienter und schnel-             heute noch vielfach vorhandenen Silostrukturen wer-
                     ler erfüllen können. Wir brauchen aber nicht nur ein           den verschwinden und durch eine echte Netzwerkver-
                     Prozessregister, sondern auch ein Prozessendlager. Wir         waltung ersetzt. Über Apps werden wir einen unmittel-
                     haben viel zu viele Prozesse, die durch Intransparenzen        baren Zugang zu Verwaltungsleistungen bekommen.
                     als Wildwuchs in den letzten Jahren entstanden sind. Es
                     macht also keinen Sinn mehrere Tausend Prozesse im             Wie sehen Sie den zeitlichen Rahmen bei der Umsetzung von
                     Register zu haben. Es macht viel mehr Sinn, Prozesse,          Cloud Lösungen?
                     die sich bewährt haben, die messbar sind, die von der          Wir sollten bis 2015 eine Umsetzung von Cloud Lösun-
                     Wirkungsanalyse her wirksam sind, als Best-Practice zu         gen im kommunalen Bereich haben. Zuvor müssen wir
                     etablieren.                                                    noch eine Reihe von Rechtsfragen klären. Die Klärung
                     Der zweite Bereich ist das Thema Partizipation. E-             von IT-Sicherheits- und Datenschutzfragen sollten ge-
                     Government sollte dazu eingesetzt werden, die Ver-             meinschaftlich zwischen Bund, Ländern und Kommu-
                     waltung transparenter zu machen und den Bürgern zu-            nen erfolgen. Ich möchte aber gerne noch einen Schritt
                     sätzliche Beteiligungsmöglichkeiten anzubieten. Dies           weitergehen und darüber nachdenken, ob wir für
                     betrifft einerseits Verwaltungsverfahren, aber natürlich       jede Verwaltungsebene eine eigene Cloud benötigen.
                     auch die Möglichkeiten, bei der politischen Gestaltung         Es wäre eher sinnvoll Fachclouds zu entwickeln und
                     der Kommune mitzuwirken. Die Internettechnologien              Dienstleistungen aus den unterschiedlichen Verwal-
aktuelle information                                              eGovernment Review | www.egovernment-review.org | Nr. 11 | Januar 2013   | 7

tungsebenen dort hinein zu verlagern. Ich denke dabei         auf die Interpretationen der Verwaltung angewiesen
beispielsweise an eine Cloud für Mobilität, eine Cloud        zu sein. Die Bereitstellung von Daten sehe ich als Bring-
für Energie und eine Cloud für Gesundheit. Die Prozesse       schuld der Verwaltung. Ich gehe soweit, dass ich eine
können dann durch Bürger oder andere Verwaltungs-             Transparenzdatenbank nach dem Beispiel Österreichs
einheiten über Apps angesteuert werden. Damit wür-            auch für Deutschland fordere. Für mich ist das eine logi-
de man zu einem ganzheitlichen, einem holistischen            sche Folge - von Open Data zur Transparenzdatenbank
E-Government kommen. Die Separierung der Verwal-              und dann zu Open Government. Damit soll eine part-
tung könnte damit, zumindest beim Thema Datenhal-             nerschaftliche Verwaltung aufgebaut werden, die die
tung, aufgehoben werden. Es würde eine gemeinsame             Bürger auch einbindet bei der Generierung von Ideen.
IT-Infrastruktur entstehen, die auf diesen Fachclouds         Nicht nur beim Beschwerdemanagement, sondern ich
aufbaut. Das wäre mein Wunschmodell, weil wir da-             möchte allgemein das Wissen und die Fähigkeiten der
mit unsere Leistungen weiter qualifizieren könnten. In        Bürger nutzen. Insbesondere dort wo die Menschen le-
der Frage der Kompetenzen und Aufgabenstellungen              ben. Wenn ich weiß, dass ich noch 30 Jahre in meiner
würde der Föderalismus nicht ausgehebelt werden,              Stadt leben möchte, dann möchte ich vielleicht auch
sondern es würde eine gemeinsame Datenstruktur zur            mein Wissen und meine Fähigkeiten zur Gestaltung der
Verfügung stehen. Das würde letztendlich den Födera-          Stadt einbringen. Damit soll das repräsentative System
lismus vitalisieren.                                          nicht durchbrochen werden, sondern es soll damit ge-
                                                              stärkt werden.
Welche Apps sollen hier insbesondere angeboten werden?
Der PC wird im Prinzip verschwinden und das mobile In-        Welchen Zeitrahmen sehen Sie für Open Government?
ternet mit Zugangsgeräten wie Smartphones wird eine           Das Open Data Portal des Bundes wird 2013 verfügbar
immer wichtigere Rolle spielen. Ich kann mir beispiels-       sein und damit auch für die Kommunen nutzbar sein.
weise eine Schul-App vorstellen, über die ein Zugang          Ich hoffe, dass bis 2015 darüber die wichtigsten Daten
zu den Daten der Schule und den Daten meiner Kinder           verfügbar sind. Ich kann mir prinzipiell vorstellen, alle
zur Verfügung gestellt wird. Über diese App wird Kon-         kommunalen Daten zu veröffentlichen, ausgenommen
takt zwischen den Lehrern und Eltern aufgebaut, damit         natürlich personenbezogene Daten. Veröffentlicht wer-
über Krankenstände und Hausaufgaben kommuniziert              den sollten beispielsweise alle statistischen Daten, geo-
werden kann. Das Beispiel zeigt, dass ich nicht von den       informationsbezogene Daten, Prognosedaten und Da-
klassischen Verwaltungsleistungen ausgehe, sondern            ten über Subventionen. Das Thema Open Government
von öffentlichen Leistungen, wie Gesundheit, Bildung          ist ein Thema, das generell die Politik beschäftigen wird.
und Energie. Diese eher weichen Themen sind hochin-           Es handelt sich dabei nicht um eine technische Frage,
teressant, sowohl für die Bürger, als auch für die Politik.   sondern um eine Frage des Verständnisses zwischen
E-Government wird stärker die Politikfelder erreichen,        Staat und Bürger. Ich will weg von einem Vaterstaats-
es geht nicht nur um die Prozesse. Grundlegende Ver-          modell, bei dem vieles vorgegeben wird. Ich möchte
änderungen, wie zum Beispiel die Energiewende wird            gerne ein partnerschaftliches Staatsmodell, wo Bürger
es nicht ohne den Einsatz von IT geben. Dabei werden          gemeinsam mit Wirtschaft und Zivilgesellschaft ein Tri-
Clouds und Apps eine ganz entscheidende Rolle spielen.        angel bilden. In diesem Triangel werden viele Themen
                                                              durch Bürger, die sich selbst organisieren, abgewickelt
Was erwarten Sie beim Themenbereich Open Government in        werden.
Kommunen?
In der ersten Stufe werden Daten transparent gemacht          Wir danken für das Gespräch.
und damit die Prinzipien von Open Data umgesetzt
werden. Die Bürger sollen damit die Möglichkeit erhal-
ten, die Daten selbst zu interpretieren und nicht nur         Das Interview wurde geführt von Wolfgang Eixelsberger.
8 |   eGovernment Review | www.egovernment-review.org | Nr. 11 | Januar 2013                                                    aktuelle information

                    E-Government in
                    Deutschland – ein Überblick
                    Jürgen Stember

           In der vorliegenden 11. Ausgabe von eGovernment Review finden Sie den 6. Beitrag in der Reihe E-Government
  serie

           in europäischen Ländern. Die bisher erschienenen Beiträge beschäftigten sich mit Slowenien, Dänemark, Estland,
           Italien und Norwegen (Ausgabe Nr. 3, Nr. 5, Nr. 6, Nr. 7 und Nr. 9).

                    Einführung und allgemeine Daten                                                               Anteil der Beschäftigten liegt in
                                                           info

                                                               Fakten zu Deutschland:
                    Wer sich über die Suchmaschi-                                                                 den Ländern (2,12 Mio.), gefolgt
                    ne „Google“ Klarheit über die              Anzahl Einwohner (in Mio).: 82                     von den Kommunen (1,39 Mio.)
                    Situation des E-Governments                Anzahl Einwohner pro km : 229
                                                                                          2                       sowie dem Bund und sonstigen
                    in Deutschland verschaffen will,                                                              Verwaltungen. Diese Größen-
                    erlebt Bemerkenswertes. Unter              Mitglied in der EU seit: 1957 (Gründungsmitglied)  ordnungen allein verweisen
                    den Treffern auf der ersten Seite                                                             schon insgesamt auf besondere
                    sind gleich drei Titel, die sich in                                                           Voraussetzungen hinsichtlich der
                    ihren zentralen Aussagen widersprechen:(1) „Deutschland               Modernisierung der Verwaltung und des Einsatzes mo-
                    rutscht im EU-Vergleich weiter ab!“, „Deutschland holt                derner Informationstechnologien.
                    bei EU-Benchmark stark auf!“ und „Deutschland bleibt
                    Mittelmaß!“. Letztere Überschrift entstammt der Inter-                Aktivitäten und Entwicklungen in Deutschland. Im Jahre
                    net-Plattform „politik-digital.de“(2) und bezieht sich auf            2000 definierte die Gesellschaft für Informatik den Be-
                    den so genannten aktuellen eGovernment-Monitor 2012                   griff des E-Governments in ihrem Memorandum „als
                    der Initiative D21.(3)                                                Schlüssel zur Modernisierung von Staat und Verwal-
                    Dieser Einstieg macht deutlich, dass das Thema „E-                    tung“(4) und machte ihn für die Praxis und die Wissen-
                    Government“ mittlerweile so facettenreich und viel-                   schaft salonfähig – quasi als öffentliches Pendant zum
                    schichtig geworden ist, dass selbst Fachleuten der                    damals schon bekannten „E-Business“ in der Privatwirt-
                    Überblick, die konkrete Einordnung und die Bewer-                     schaft. Das Thema war unmittelbar in die bestehende
                    tung schwer fällt, je nach dem welcher Teilbereich des                „Reformlandschaft“ eingebettet, die sich in Deutschland
                    Themas besonders in den Fokus der Betrachtungen                       an der Diskussion um Strukturreformen, demographi-
                    rückt. Es macht jedoch auch deutlich, wie schwierig                   schen Wandel, Haushaltskonsolidierung sowie Prozess-
                    und ambitioniert der Versuch einer Beschreibung des                   management und Bürgerorientierung festgemacht hat.
                    E-Governments in Deutschland auf zwei Seiten in einer                 Durch das Internet und durch die sich daraus immer
                    Fachzeitschrift ist.                                                  neu entwickelnden Möglichkeiten versprach man sich
                                                                                          vor allem neue Reformperspektiven. Auf allen Verwal-
                    Neben der komplexen Thematik sind auch die grundle-                   tungsebenen versuchten Protagonisten deshalb immer
                    genden Größendaten in der Bundesrepublik beeindru-                    wieder mit neuen Programmen neue Projekte anzusto-
                    ckend. Mit rund 82 Mio. Einwohnern ist Deutschland                    ßen: Bundonline 2005 oder die Einführung des neuen
                    das mit Abstand größte Land in der Europäischen Union.                Personalausweises sind Beispiele auf Bundesebene.
                    Rund 4,61 Mio. Menschen sind in Deutschland im öffent-                Aber auch neue rechtliche Regelungen, z. B. die Umset-
                    lichen Dienst beschäftigt, eine ebenfalls bemerkenswerte              zung der EU-Dienstleistungsrichtlinie (2006) und neue
                    Zahl, die allerdings im Pro-Kopf-Verhältnis nur Mittel-               IT-orientierte Organisationsreformen, sind Aktivitäten,
                    maß in der EU verursacht. Diese Beschäftigten verteilen               die sich bis heute auswirken. Und nicht zuletzt zählt
                    sich auf drei starke und sehr eigenständige Verwaltungs-              auch die neue Behördenrufnummer D 115 (ab 2009 im
                    ebenen von Bund, 16 Bundesländern und einer kommu-                    Pilotbetrieb) zu den E-Government-Projekten, die nur
                    nalen Ebene mit derzeit 439 Kreisen und kreisfreien Städ-             durch ein internetbasiertes Informationssystem im Hin-
                    ten sowie mit mehr als 12.500 Kommunen. Der größte                    tergrund funktionieren können.
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Bisherige Hemmnisse und Herausforderungen. Innerhalb der    tige Trends im E-Government, die mittlerweile eine
letzten Jahre wurden jedoch auch zahlreiche Hemmnisse       große Rolle spielen. In diesem Zusammenhang sei auf
für E-Government-Angebote diagnostiziert, die u. a. in      drei Strömungen hingewiesen:
den folgenden Aspekten zu sehen sind:                           1. O pen Government als komplexer Ansatz zur
    • mangelnde Ressourcen,                                        informationellen und kommunikativen Öffnung
    • nicht ausreichende Kooperation zwischen den                  der Verwaltungen(7),
      administrativen Ebenen,                                   2. M
                                                                    obile Government als Ansatz zur Steuerung und
    • schwindende Innovationsbereitschaft und –fähig-             Reorganisation des Bürgerservices sowie
      keit, u. a. auch bedingt durch den demografischen         3. C
                                                                    loud-Computing als umfassender, nicht nur
      Wandel in den Verwaltungen,                                  technischer Ansatz zur Standardisierung von
    • die mangelnde Durchgängigkeit von Angeboten                 Software und Anwendungssystemen, der nicht
      sowie nicht zuletzt                                          nur eine Bündelung der Ressourcen, sondern
    • die oftmals mangelnde Akzeptanz und Nachfrage               eine nicht unerhebliche Kostenreduzierung beim
      von Bürgern und Unternehmen.                                 Software-Betrieb gewährleisten soll.
Die aktuellen Entwicklungen sind dadurch mehr denn je
darauf ausgerichtet, die bestehenden und bislang lokali-    Resümee. Das Themenfeld E-Government hat in den letz-
sierten Hindernisse und Hemmnisse, insbesondere durch       ten Jahren in Deutschland eine große Aufwertung und
eine bessere Zusammenarbeit zwischen den administrati-      dynamische Weiterentwicklung erlebt. Das „Mitmach-In-
ven Ebenen (G2G), aus dem Weg zu räumen.                    ternet“ und viele andere interne wie auch externe Impulse
                                                            werden der technikinduzierten Verwaltungsmodernisie-
Aktuelle Trends und Aktivitäten. Ein in diesem Zusammen-    rung weiterhin die erforderliche Energie verleihen, um
hang bedeutender Schritt war die Einrichtung des bun-       den zukünftigen Herausforderungen gerecht werden zu
desweiten IT-Planungsrates, der im Herbst des Jahres        können. Mittlerweile ist unzweifelhaft, dass nur durch E-
2010 die sogenannte nationale E-Government-Strategie        Government die zukünftige Leistungs- und Zukunftsfä-
(NEGS) beschlossen und den Zielrahmen für Bund, Län-        higkeit der Verwaltungen gewährleistet werden kann.
der und Kommunen zur Modernisierung der staatlichen
Informationstechnik bis zum Jahr 2015 definiert hat. Mit
der nationalen E-Government-Strategie werden sechs
zentrale Ziele festgelegt, an denen sich alle zukünftige
                                                                                                                                     Prof. Dr. Jürgen
Projekte ausrichten sollten:(5)                                                                                                      STEMBER
    • die Orientierung am Nutzen von Bürgern, Unter-                                                                                Dekan des Fachbereichs
      nehmen und Verwaltung,                                                                                                         Verwaltungswissenschaf-
                                                                literatur

                                                                            (1)
                                                                              Aufgerufen am 05.12.2012 unter dem Suchbegriff         ten der Hochschule Harz;
    • die Erhöhung der Effizienz und der Wirtschaftlich-                   „eGovernment Deutschland“.                               jstember@hs-harz.de
      keit des Verwaltungshandelns,
                                                                            (2)
    • die Transparenz über Daten und Abläufe sowie                           Vgl. http://politik-digitalde/%E2%80%9Eegovernment-
                                                                            monitor-2012-deutschland-bleibt-mittelmass/
      Datenschutz,
                                                                            (06.12.2012).
    • die Stärkung der gesellschaftlichen Teilhabe über
                                                                            (3)
      Internetangebote des Staates,                                           Vgl. INITIATIVE D21 (Hrsg.): eGovernment Monitor
    • die Zukunftsfähigkeit und Nachhaltigkeit und                         2012. Nutzung und Akzeptanz von elektronischen
      nicht zuletzt                                                         Bürgerdiensten im internationalen Vergleich. Berlin
                                                                            2012, S.1.
    • die leistungsfähige IT-Unterstützung.
                                                                              Gesellschaft für Informatik e.V. (Hrsg.): Memorandum
                                                                            (4)

Der zweite wichtige Schritt beschreibt Regelungen                           Electronic Government als Schlüssel zur Modernisierung
durch das neue eGovernment-Gesetz. Das im Entwurf                           von Staat und Verwaltung vom September 2000.
vorliegende Gesetz ist darauf ausgerichtet, die elektro-                    (5)
                                                                             Vgl. die Internetseite des IT-Planungsrates unter
nische Kommunikation mit der Verwaltung zu erleich-                         www.it-planungsrat.de
tern sowie Bund, Ländern und Kommunen zu ermögli-
                                                                            (6)
                                                                               Vgl. hier und auch im Folgenden die Informationen
chen, einfachere, nutzerfreundlichere und effizientere
                                                                            des Bundesinnenministeriums unter http://www.
elektronische Verwaltungsdienste anzubieten.(6) Der
                                                                            bmi.bund.de/DE/Themen/OeffentlDienstVerwaltung/
Gesetzentwurf soll im ersten Halbjahr 2013 in Kraft                         Informationsgesellschaft/EGovernment/EGovGesetz
treten und beinhaltet wichtige Regelungen, z. B. die                        (06.12.2012).
Verpflichtung der Verwaltung zur Eröffnung eines elek-
                                                                            (7)
                                                                              Vgl. auch das Memorandum zur Öffnung von Staat
tronischen Kanals, Grundsätze der elektronischen Ak-
                                                                            und Verwaltung (Open Government) der Gesellschaft
tenführung, die Erleichterung bei der Erbringung von
                                                                            für Informatik e.V. vom 16.10.2012 (Download unter
elektronischen Nachweisen in Verwaltungsverfahren                           http://fb-rvi.gi.de/fileadmin/gliederungen/fg-vi/FGVI-
aber auch Regelungen zur Ersetzung der Schriftform.                         121016-GI-PositionspapierOpenGovernment.pdf).
Neben diesen Aktivitäten gibt es derweil weitere wich-
10 |   eGovernment Review | www.egovernment-review.org | Nr. 11 | Januar 2013                                               aktuelle information

                     Open Government Data in
                     Deutschland – Ergebnisse
                     einer empirischen Studie
                     Jürgen Stember

              Der vorliegende Beitrag berichtet über die Ergebnisse einer gemeinsamen Studie der Hochschule Harz und der
   abstract

              MATERNA GmbH zur bisherigen Umsetzung und zu Planungspotenzialen von Open Data Government in Deutschland.
              Darin wird bestätigt, dass die Verwaltungen in Deutschland noch am Anfang dieser Entwicklung stehen, dem Thema
              jedoch immer mehr Bedeutung geschenkt wird. Die zentralen Ergebnisse, die auf der Messe „Moderner Staat“ in
              Berlin im November 2012 vorgestellt worden sind, werden in diesem Beitrag zusammengefasst.

                     Open Government Data (OGD) ist ein hoch aktuelles,            unprofiliert erscheint, haben die Hochschule Harz und
                     zugleich aber auch sehr komplexes Themengebiet für öf-        MATERNA es sich zur Aufgabe gemacht, den aktuellen
                     fentliche Verwaltungen. Die Thematik reiht sich in eine       Stand wie auch die Planungspotenziale für diesen neuen
                     Fülle von neuen Akzenten im Zusammenhang mit der              Government-Bereich in Deutschland auf kommunaler
                     Entwicklung des E-Governments ein. Besonders der re-          und staatlicher Ebene zu ermitteln. In dieser empirischen
                     lativ neue und im Zuge der Web 2.0-Technologien ent-          Studie wurden insgesamt 489 Behörden angeschrieben
                     standene Begriff des umfassenderen „Open Government“          und zur Web-Befragung eingeladen. Davon haben 72
                     (offenes, transparentes Regieren) steht als Dachbegriff für   Behörden (50 Kommunen und 22 Bundes- bzw. Landes-
                     eine Vielzahl von Aktivitäten und Trends, die von der         behörden) den Fragebogen vollständig beantwortet, was
                     Öffnung des Staates, der besseren Zusammenarbeit bis          einer Rücklaufquote von 14,7 % entspricht.
                     hin zu mehr Beteiligung der Bürger und sonstiger Rezipi-
                     enten staatlicher Leistungen reichen.                         Wichtigste Ergebnisse. Nach dieser Studie wird Open
                     In einer aktuellen Studie von AMT24 e.V. werden „Open         Government Data inzwischen von mehr als der Hälfte der
                     Data“ definiert als „Daten von öffentlichen Institutionen     befragten Verwaltungen als bedeutend eingeschätzt. Ge-
                     – mit Ausnahme personenbezogener Daten –, welche              nerell ist jedoch die Relevanz im Vergleich zu anderen ak-
                     vollständig und für jeden frei zugänglich, verbreitbar        tuellen Verwaltungsthemen (noch) niedriger. Ähnliches
                     sowie für alle Einsatzzwecke weiterverwendbar sind.“(1)       gilt in puncto des Umsetzungsstandes: Deutlich mehr als
                     In Ergänzung zu früheren Aktivitäten der Datenbereit-         die Hälfte der Befragten haben bisher Open Government
                     stellung, die es ja zum Beispiel schon durch WebGIS gab       Data-Angebote realisiert bzw. planen diese. Einer der
                     und gibt, wird darüber hinaus mit dem Linked Open             zentralen Beweggründe für offene Verwaltungsdaten ist
                     Data-Ansatz eine Verknüpfung der bestehenden Daten            dabei die Erhöhung der Transparenz für den Bürger.
                     angestrebt, wodurch insgesamt ein spürbarer Mehrwert          Dadurch, dass die Aspekte Innovation, Effizienzsteige-
                     erzeugt werden soll.(2) In Deutschland ist das Thema          rung und Wirtschaftsförderung noch eine eher unterge-
                     „Open Government“ bundesweit durch das am 18. Au-             ordnete Rolle spielen, zeigen sich die bisherigen Aktivitä-
                     gust 2010 beschlossene Regierungsprogramm „Vernetzte          ten noch relativ weit vom eigentlichen Grundgedanken
                     und transparente Verwaltung“ als Strategie für die wei-       der „offenen Daten“ entfernt (s. o.). Sowohl die Konzep-
                     tere Modernisierung der Bundesverwaltung aufgegriffen         tionen als auch die operativen Umsetzungen sind noch
                     worden. Open Government wurde damit ein zentrales             stark ausbau- und entwicklungsfähig. Eigenschaften, wie
                     Modernisierungsprojekt.(3)                                    beispielsweise Maschinenlesbarkeit, erfüllen die wenigs-
                     Da das allgemeine Verständnis von OGD noch relativ            ten Angebote. Als Hauptprobleme bei der Planung und
aktuelle information                                              eGovernment Review | www.egovernment-review.org | Nr. 11 | Januar 2013              | 11

Abb. 1: Hemmnisse bei der Bereitstellung von                  Abb. 2: Zukünftig wichtige Themenbereich des Open
Verwaltungsdaten(4)                                           Government Data(5)

Umsetzung werden nicht ganz überraschend vor allem            Konsequenzen. Abschließend können einige wesentliche
fehlende Personalkapazitäten und hohe Kosten gesehen          Konsequenzen gezogen werden, die vor allem in den fol-
(vgl. Abb. 1). Aber auch der befürchtete Missbrauch und       genden sieben Bereichen liegen:
mangelndes Interesse der Zielgruppe sind in diesem Zu-           • e igene Erfahrungen und Kompetenzen sammeln,
sammenhang wichtige Überlegungen.                                • inhaltliche und materielle Unterstützung suchen,
Nichtsdestotrotz lassen sich aus den Ergebnissen der Stu-        •K  ooperationen als wesentliche Schlüsselfaktoren
die positive Tendenzen ableiten. So werden die Hemmnis-            aufbauen,
se von den „Praktikern“, d. h. von denjenigen, die bereits       • S tandardisierungsaktivitäten entwickeln,                             Prof. Dr. Jürgen
ein Angebot vorweisen können, überwiegend geringer               • v erstärkte Kundenorientierung umsetzen,                              STEMBER
                                                                 •T  ransparenz als zentrale Orientierung und Motiva-                    Dekan des Fachbereichs
bewertet als von den „Nicht-Anwendern“. Ebenfalls er-
                                                                                                                                          Verwaltungswissenschaf-
freulich sind die zukünftigen Entwicklungstendenzen                tion verbessern sowie nicht zuletzt                                    ten der Hochschule Harz;
und Planungen. Hierbei sollen vor allem bestehende An-           •d  ie Möglichkeiten und Chancen von Open Data                          jstember@hs-harz.de

gebote ausgebaut und mit erweiterten Möglichkeiten ver-            besser kommunizieren.
knüpft werden. So planen unter den „Nicht-Anwendern“
immerhin knapp die Hälfte zukünftig ein Angebot, rund
ein Drittel davon sogar mit erweiterten Möglichkeiten.
Die Inhalte von OGD in den Verwaltungen fokussieren
sich im Wesentlichen auf drei Bereiche: Geographische
Informationssysteme (GIS), Finanzen/Haushalt sowie
Statistik. GIS nehmen nicht unerwartet einen vorderen
Rangplatz bei den Open Government Data-Angeboten
                                                                   literatur

ein, da hier schon seit Jahren Vorarbeit geleistet worden                      (1)
                                                                                  Vgl. AMT24 (Hrsg.): Chancen und Risiken der kommerzi-
ist. Bei der Statistik gilt Ähnliches. Auch hier können die                    ellen Nutzung von Linked Open Data. Berlin 2011, S. 5.
Verwaltungen auf zum Teil umfangreiche Vorleistungen                           (2)
                                                                                 Vgl. BUNDESMINISTERIUM DES INNERN (Hrsg.): Open
verweisen. In ähnlicher Weise gaben die Behördenvertre-                        Government Data Deutschland. Berlin 2012, S. 433.
ter auch eine Auskunft zu den aus ihrer Sicht sinnvollen
                                                                               (3)
zukünftigen Themenbereichen (vgl. Abb. 2). Auch hier                             Vgl. BUNDESREGIERUNG (Hrsg.): Regierungsprogramm
                                                                               Vernetzte und transparente Verwaltung. Berlin 2010.
zeigt sich deutlich, dass es keine neuen „Renner“ gibt,
sondern dass zukünftig diejenigen Angebote für wichtig                         (4)
                                                                                 HS Harz/MATERNA GmbH (Hrsg.): Open Government
erachtet werden, in denen schon zahlreiche Vorleistun-                         Data Studie. Halberstadt, 2012, S. 35.
gen erbracht worden sind. Hier lautet die Kurzformel:                          (5)
                                                                                 HS Harz/MATERNA GmbH (Hrsg.): Open Government
Vorhandene Datenangebote haben auch in Zukunft ein                             Data Studie. Halberstadt, 2012, S. 41.
erhebliches Aktivierungspotenzial für mögliche neue
oder zusätzlich ergänzende Anwendungen.
12 |   eGovernment Review | www.egovernment-review.org | Nr. 11 | Januar 2013                                                     fachartikel

                     COMPATeGov – Kompetenzmodell
                     für E-Government
                     Sirko Hunnius I Stefanie Köhl I Tino Schuppan

              Um die Potenziale der Verwaltungsmodernisierung mit Informationstechnik zu nutzen, sind neue, interdis-
   abstract

              ziplinäre Kompetenzen erforderlich. Im Rahmen des COMPATeGov-Projektes wurden diese systematisch
              identifiziert und zu einem Kompetenzmodell verdichtet. Darin sind 28 unterschiedliche Kompetenzen aus
              verschiedenen fachlichen Disziplinen zusammengefasst, welche u.a. in Anlehnung an den Europäischen
              Qualifikationsrahmen (EQF) bewertet sind. In dem vorliegenden Artikel werden das COMPATeGov-Kompe-
              tenzmodell vorgestellt sowie dessen Anwendungsmöglichkeiten skizziert.

                     Problemstellung und Zielsetzung. Empirisch zeigt sich, dass   Projektergebnisse – Kompetenzmodell für E-Government.
                     gerade anspruchsvolle E-Government-Projekte nicht wie         Im COMPATeGov-Kompetenzmodell sind 28 Kompe-
                     geplant verlaufen oder sogar scheitern. Ein möglicher         tenzen, die in Verbindung mit E-Government relevant
                     Grund dafür ist, dass die dafür erforderlichen neuen,         sind, systematisch und strukturiert erfasst. Unter Kom-
                     interdisziplinären Kompetenzen bei den beteiligten Ak-        petenzen werden notwendiges Wissen, Fertigkeiten und
                     teuren oftmals nicht vorhanden sind. Skills und Kompe-        Fähigkeiten (Skills) sowie Eigenschaften einer Person
                     tenzen sind im E-Government vernachlässigte Themen,           verstanden, um die von der Organisation formulierten
                     so dass vielfach unklar ist, welche Kompetenzen die           Anforderungen zu erfüllen(2,3). Im Unterschied zum Qua-
                     Beschäftigten in der öffentlichen Verwaltung überhaupt        lifikationsbegriff bezieht sich Kompetenz auf die ganze
                     benötigen, um Staat und Verwaltung mithilfe von Infor-        Person, so dass bspw. auch die Fähigkeit zur Selbstorga-
                     mationstechnik zu modernisieren. Ein vom Potsdamer            nisation einbezogen wird. Die im COMPATeGov-Modell
                     Institute for eGovernment (IfG.CC) geleitetes Konsor-         erfassten Kompetenzen setzen sich jeweils aus mehreren
                     tium hat deshalb im Rahmen des zweijährigen EU-For-           Wissens-, Fertigkeits- und Kompetenzelementen zusam-
                     schungsprojektes COMPATeGov ein Kompetenzmodell               men. Dabei wird zwischen einem Set aus spezifischen E-
                     für E-Government entwickelt.                                  Government-Kernkompetenzen und allgemeinen Kom-
                                                                                   petenzen unterschieden. Erstere beziehen sich stärker
                     Methodische Vorgehensweise. In einem ersten Schritt wur-      auf die Modernisierung des öffentlichen Sektors mit IT.
                     den bisherige Untersuchungsergebnisse zu E-Govern-            Letztere waren schon immer bedeutsam, erhalten jedoch
                     ment-Kompetenzen ausgewertet und konsolidiert. Die            im Zusammenhang mit E-Government einen anderen
                     zusammengestellten Kompetenzen wurden anschließend            Stellenwert. Denn persönliche und soziale Kompetenzen
                     in einer Online-Befragung von E-Government-Experten           werden in einer vernetzten, weniger hierarchisch gepräg-
                     aus Wissenschaft und Praxis bewertet. Eingeschätzt wur-       ten Arbeitsumgebung, die zudem mehr Zusammenarbeit
                     de dabei, inwieweit die Kompetenzen für E-Government          über Organisationsgrenzen hinweg erfordert, zuneh-
                     relevant sind und welches Kompetenzniveau (Ausprä-            mend relevant. Verwaltungs- und Veränderungskom-
                     gungsgrad einer Kompetenz) jeweils erforderlich ist.          petenzen waren im öffentlichen Sektor stets notwendig,
                     Unterschieden wurde dabei zwischen Kompetenzen für            sind allerdings an die speziellen Herausforderungen bei
                     Führungskräfte und Mitarbeiter. Anschließend wurden           der Verwaltungsmodernisierung mit E-Government an-
                     die Befragungsergebnisse in Expertenworkshops validiert       zupassen.
                     und verfeinert. Das erarbeitete COMPATeGov-Kom-               Spezifische E-Government-Kernkompetenzen werden
                     petenzmodell wurde in Pilottests angewendet und auf           erst im Kontext der Verwaltungsmodernisierung mit
                     dieser Basis Schulungsangebote beschrieben, mit denen         IT erforderlich. So sind insbesondere E-Government-
                     die erforderlichen Kompetenzen gezielt gestärkt werden        Design-Kompetenzen notwendig, um die Strukturen
                     können.(1)                                                    und Prozesse der öffentlichen Verwaltung zu analysie-
fachartikel                                                           eGovernment Review | www.egovernment-review.org | Nr. 11 | Januar 2013              | 13

ren und mit IT neu zu gestalten. Weiterhin werden E-                   Forschungsmethoden Prozesse zu analysieren und
Government-Management-Kompetenzen benötigt, um                         Soll-Prozesse mit etablierten Methoden zu model-
die neu gestalteten Strukturen und Produktionsmodelle                  lieren.
umzusetzen. Insbesondere in netzwerkartigen Organisa-               • Kompetenz: Der Mitarbeitende misst die Wirksam-
tionsformen sind Risikomanagement, Finanz- und Kon-                    keit bestehender Prozesse und schlägt Veränderun-
traktmanagement notwendig, um bspw. Service-Level-                     gen vor, um Verbesserungen umzusetzen. Er erhebt
Agreements zu verhandeln. E-Policy-Kompetenzen sind                    die notwendigen Informationen und verwendet
erforderlich, wenn E-Government-Lösungen in einen                      angemessene Methoden, um mithilfe neuer Techno-
breiteren organisatorischen und politischen Kontext ein-               logien mögliche Prozessveränderungen zu analysie-
zubetten sowie Trends und strategische Potenziale von                  ren, zu evaluieren, zu gestalten und umzusetzen.
IT zu beurteilen sind. Um die Wirkungen von IT auf die
Arbeitswelt einzuschätzen – sowohl auf individueller als          Anwendungsmöglichkeiten. Das COMPATeGov-Kompe-
auch auf organisatorischer und sektoraler Ebene, sind so          tenzmodell richtet sich maßgeblich an Personalabteilun-
genannte E-Kompetenzen entscheidend.                              gen der öffentlichen Verwaltungen sowie an Anbieter von                     Sirko HUNNIUS
Folgende Grafik verdeutlicht die Struktur des COMPAT-             Aus-, Fort- und Weiterbildung im Bereich E-Govern-                          wissenschaftlicher
eGov-Kompetenzmodells. Die Projektergebnisse sowie                ment. Das Kompetenzmodell kann dazu genutzt werden,                         Mitarbeiter, IfG.CC – The
                                                                                                                                              Potsdam eGovernment
entwickelte Online-Tools sind unter http://portal.compa-          Stellen zu beschreiben, Kompetenzlücken der Stellenin-                      Competence Center,
tegov.eu frei zugänglich und dort detaillierter beschrie-         haber zu identifizieren und gezielt Schulungsangebote                       Mitarbeiter/in im EU-
                                                                                                                                              Projekt COMPATeGov;
ben.                                                              auszuwählen, mit denen die Kompetenzlücken geschlos-
                                                                                                                                              shunnius@ifg.cc
                                                                  sen werden können. Öffentliche Verwaltungen können
                                                                  somit den Einsatz ihres Personals gezielt anhand der
                                                                  erforderlichen Kompetenzen einer Stelle planen, eine
                                                                  systematische Personalentwicklung etablieren und so-
                                                                  mit gezielt Kompetenzen in Bezug auf E-Government
                                                                  aufbauen und stärken. Die Beschäftigten erhalten mit
                                                                  entsprechenden Online-Tools die Möglichkeit, eigene
                                                                  Kompetenzdefizite zu identifizieren und diese durch Ler-
                                                                  neinheiten gezielt zu beheben. Schulungsanbieter kön-
                                                                  nen Kurse anhand des Kompetenzmodells beschreiben
                                                                  bzw. neu konzipieren. Im Rahmen des Projektes wurden
                                                                  Präsenzschulungsangebote für E-Government-Kompe-                            Stefanie KÖHL
                                                                  tenzen entwickelt und praxisnah erprobt. Die Ergebnisse                     wissenschaftliche Mit-
                                                                  des COMPATeGov-Projektes leisten einen Beitrag, die                         arbeiterin, IfG.CC – The
Abb. 1: COMPATeGov-Kompetenzmodell, Quelle: Eigene Darstellung,                                                                               Potsdam eGovernment
animierte Grafik unter http://www.compategov.eu                   Fort- und Weiterbildung für E-Government der Beschäf-                       Competence Center,
                                                                  tigten im öffentlichen Dienst zu verbessern. Die ECVET-                     Mitarbeiter/in im EU-
                                                                                                                                              Projekt COMPATeGov;
Jede Kompetenz ist eindeutig definiert und mit ihren je-          konforme Beschreibung (Europäisches Leistungspunk-
                                                                                                                                              skoehl@ifg.cc
weiligen Elementen ausführlich dargestellt. Beispielhaft          tesystem für die Berufsbildung) sowie die Zuordnung
wird das nachfolgend anhand der Prozessdesign-Kompe-              der EQF-Stufen (Europäischer Qualifikationsrahmen)
tenz aufgezeigt.                                                  ermöglichen darüber hinaus, Kompetenzniveaus behör-
                                                                  den- oder sogar länderübergreifend zu vergleichen und
Prozessdesign-Kompetenz: Die Kompetenz, Geschäfts-                so von Best-Practices zu lernen.
prozesse öffentlicher Organisationen mithilfe etablierter
Methoden und Techniken zu analysieren, zu gestalten
und zu managen.
  •W  issen: Der Mitarbeitende versteht die Prozesse
                                                                     literatur

    einer Organisation, d.h. deren Ergebnisse, ihre Rolle                        (1)
                                                                                   Hunnius, Sirko/Schuppan, Tino. Competency Require-
    und Funktion im Prozessportfolio einer Organisati-                           ments for Transformational E-Government. Konferenz-
                                                                                 papier, 46th Hawaii International Conference on System       Prof. Dr. Tino
    on, das dahinter stehende Regulierungsziel und die                                                                                        SCHUPPAN
                                                                                 Sciences (HICSS), Grand Wailea, 7-10 Januar 2013.
    gesellschaftlichen Auswirkungen. Er hat ein detail-                                                                                       wissenschaftlicher
                                                                                                                                              Direktor, IfG.CC – The
    liertes Verständnis der eigenen Arbeitsprozesse, d.h.                        (2)
                                                                                   Hoffmann, Terence. The Meanings of Competency.             Potsdam eGovernment
    kennt die Prozessschritte, die beteiligten Akteure,                          Journal of European Industrial Training. 1999, Heft 23, S.   Competence Center;
    Schnittstellen und das Ergebnis.                                             275-285.                                                     schuppan@ifg.cc

  • S kills: Der Mitarbeitende ist geübt darin, mithilfe                        (3)
                                                                                   Schuppan, Tino. E-Government Competencies. Looking
    von etablierten Prozessmodellierungstechniken                                Beyond Technology. In: Shea, C.M. Garson, G.D. (eds.).
    Ist-Prozesse zu modellieren, d.h. ist in der Lage,                           Handbook of Public Information Systems. Boca Raton:
    Prozesse in angemessener Detailtiefe zu katalogi-                            Taylor & Francis, 2010, S. 353-370.
    sieren. Weiterhin ist er darin geübt, mithilfe von
14 |      eGovernment Review | www.egovernment-review.org | Nr. 11 | Januar 2013                                                               fachartikel

                            Verwaltungsdienstleistungen für
                            Personen mit eingeschränkter
                            Mobilität: Von mobilen Bürger-
                            diensten zu E-Government?
                            Ralf Plattfaut I Sara Hofmann I Thomas Kohlborn I Daniel Beverungen I Michael Räckers I Björn Niehaves I Jörg Becker

                                      Verwaltungsdienstleistungen sind über verschiedene Kanäle nutzbar. Der klassische Weg des Behördenbesuchs
                           abstract

                                      wurde in den letzten Jahren um mobile Bürgerdienste erweitert. Diese sollen insbesondere Senioren und Per-
                                      sonen mit eingeschränkter Mobilität Zugang zu den Dienstleistungen erleichtern. Neben den mobilen Bürger-
                                      diensten werden zunehmend digitale Kanäle eingeführt. Kommunikation ersetzt Mobilität und ermöglicht Zugang
                                      zu den Dienstleistungen per Computer oder Smartphone. In einer Studie in Deutschland und Australien wurde
                                      analysiert, inwiefern dies insbesondere für Personen mit eingeschränkter Mobilität gilt.*)
Ralf PLATTFAUT
Wissenschaftlicher
Mitarbeiter, European       Der klassische Weg zur Wahrnehmung von Verwaltungs-                spiel Internetseiten, eine geringe Reichhaltigkeit, telefoni-
Research Center for In-
formation Systems (ER-      dienstleistungen, persönlich in der Behörde, als einzigem          sche Kommunikation eine mittlere und Kommunikation
CIS) der Westfälischen      Zugangskanal zur Verwaltung wurde in den letzten Jah-              von Angesicht zu Angesicht die höchste Reichhaltigkeit.
Wilhelms-Universität
                            ren um verschiedene Zugangskanäle erweitert. Zum ei-               Wenn Aufgaben einen hohen Grad an Informationsaus-
Münster
                            nen wurden mobile Bürgerdienste eingerichtet, welche               tausch erfordern, sollte ein Kanal gewählt werden, der
                            die Dienstleistungen zu den Bürgern nach Hause bzw.                eine hohe Reichhaltigkeit aufweist.(3)
                            in deren Nähe bringen. Zum anderen werden – forciert
                            durch die Entwicklung des Internets – E-Government                 Um zu untersuchen, ob und wie sich Bürger mit einge-
                            Dienstleistungen, die vom heimischen Computer oder                 schränkter Mobilität von Bürgern ohne eingeschränkte
                            ganz aktuell auch mittels Smartphone wahrgenommen                  Mobilität in ihrer Wahl des Verwaltungskontaktes un-
                            werden können, stetig ausgebaut. Die Entwicklung und               terscheiden, wurden mit Unterstützung der jeweiligen
                            der Ausbau dieser zusätzlichen Zugangskanäle ist vor               Verwaltungen Daten in einem deutschen Bundesland
Sara HOFMANN
                            dem Hintergrund der wachsenden Gruppe der immer                    und einem australischen Bundesstaat erhoben. Insge-
Wissenschaftliche           älter werdenden Menschen sowie derer, die in ihrer Mo-             samt konnten 1.205 Datensätze erhoben werden – 814 in
Mitarbeiterin, European     bilität eingeschränkt sind, eine wichtige Herausforderung          Deutschland und 391 in Australien.
Research Center for In-
formation Systems (ER-      für die öffentlichen Verwaltungen.
CIS) der Westfälischen                                                                         Der klassische Kanal zur Nutzung von Verwaltungs-
Wilhelms-Universität
                            Eine Person mit eingeschränkter Mobilität ist „eine Per-           dienstleistungen ist „Persönlich in der Behörde“. Hierbei
Münster
                            son, deren Mobilität bei der Benutzung von Beförde-                muss der Bürger zur Behörde kommen und kann die Ver-
                            rungsmitteln wegen einer körperlichen (sensorischen                waltungsdienstleistung persönlich in Anspruch nehmen.
                            oder motorischen, dauerhaften oder zeitweiligen) Behin-            Der Kanal zeichnet sich durch hohe Anforderungen an
                            derung, einer geistigen Behinderung oder Beeinträchti-             Mobilität bei gleichzeitiger hoher Informationsreichhal-
                            gung, wegen anderer Behinderungen oder aufgrund des                tigkeit des Kanals aus. Interessanterweise legen unsere
                            Alters eingeschränkt ist“(1). E-Government-Dienste bie-            Daten nahe, dass insbesondere Bürger mit Mobilitätspro-
                            ten für diese Zielgruppe ein besonderes Potenzial, da sie          blemen diesen Kanal bevorzugen (61,7% bei Bürgern mit
                            ortsunabhängig genutzt werden können.(2)                           Mobilitätsproblemen gegenüber 48,2% bei Bürgern ohne
Thomas KOHLBORN                                                                                diese Probleme). Dieses kann durch zwei Faktoren erklärt
Postdoctoral Research       Informationsaustausch und Kommunikation kann über                  werden. Zum einen gehören viele der mobilitätseinge-
Fellow, Woolworths Chair    verschiedene Kanäle erfolgen. Dabei postulieren Daft und           schränkten Bürger zur Altersgruppe der Senioren, welche
of Retail Innovation der
Queensland University of    Kollegen eine Hierarchie von Informationsreichhaltigkeit           eine Affinität zu diesem Kanal haben. So bevorzugen nur
Technology                  dieser Kanäle. So haben textuelle Dokumente, zum Bei-              35% der unter-30-Jährigen diesen Kanal. Zum anderen
fachartikel                                                          eGovernment Review | www.egovernment-review.org | Nr. 11 | Januar 2013                                | 15

                                                               Zu den modernen Kanälen gehört auch mobile Govern-                                             Dr. Daniel BEVERUNGEN
                                                               ment.(4) Hier nutzen Bürger Verwaltungsdienstleistungen                                        Akademischer Rat,
                                                                                                                                                              European Research Center
                                                               über mobile Kanäle wie Handys (SMS) oder Smartphones                                           for Information Systems
Abb. 1: Bevorzugte Kanalwahl                                   (spezielle Apps). Die Daten legen nahe, dass dieser Ka-                                        (ERCIS) der Westfälischen
                                                               nal auch von mehr Bürgern ohne Mobilitätsprobleme als                                          Wilhelms-Universität
                                                                                                                                                              Münster
                                                               solchen mit Mobilitätsproblemen bevorzugt wird (10,1%
ist der Kanal besonders reichhaltig, was insbesondere bei      zu 9,3%). Rechnet man allerdings die Altersgruppe unter
komplexeren Transaktionen, die von Bürgen mit Mobi-            30 heraus, so dreht sich das Bild. In dem Fall bevorzugen
litätsproblemen vermehrt nachgefragt werden (müssen),          9,4% der Bürger mit Mobilitätsproblemen diesen Kanal
wichtig wird.                                                  und nur 7,2% der Bürger ohne diese Probleme.

Ein weiterer klassischer Kanal ist das Telefon. Viele Ver-     Es lässt sich festhalten, dass derzeit noch der persönli-
waltungsdienstleistungen können telefonisch erbracht           che Gang zur Behörde als Zugangskanal dominiert. Bei
werden, insbesondere Informations- und Kommunika-              besonderer Beachtung der Faktoren Alter und Mobilität
tionsdienstleistungen. Hier ersetzt Kommunikation Mo-          zeigt sich aber, dass mobile Bürgerdienste und (mobile)
bilität und ermöglicht den Konsum der Dienstleistungen         E-Government Angebote für die Zukunft einiges Poten-                                           Dr. Michael RÄCKERS
weitestgehend ortsunabhängig. Gleichzeitig gilt der Tele-      zial versprechen, um zum einen die Bürger in die Lage                                          Akademischer Rat,
                                                                                                                                                              European Research Center
fonkanal als sehr informationsreich, da durch das gespro-      zu versetzen, unkompliziert Verwaltungsdienstleistun-                                          for Information Systems
chene Wort auch Untertöne vermittelt werden können.            gen wahrzunehmen und zum anderen den Verwaltungen                                              (ERCIS) der Westfälischen
Beide Argumente erklären auch den vergleichsweise ho-          Entlastung, vor allem bei weniger komplexen Dienstleis-                                        Wilhelms-Universität
                                                                                                                                                              Münster
hen Zuspruch von Bürgern mit Mobilitätsproblemen zu            tungen, zu schaffen. Die Bewertung vor dem Hintergrund
diesem Kanal (66,4% bei Bürgern mit Mobilitätsproble-          der Informationsreichhaltigkeit offenbart aber auch, dass
men gegenüber 58,3% bei Bürgern ohne diese Probleme).          die Komplexität der Dienstleistungen ein wichtiger Er-
                                                               folgsfaktor ist. Wenn es gelingt, die Komplexität zu re-
Der Kanal „Persönlich außerhalb der Behörde“ umfasst           duzieren, wird es bedeutend leichter fallen, (mobile) E-
nicht nur mobile Bürgerdienste sondern auch feste Be-          Government-Dienste zum Erfolg zu führen.
ratungsstellen zum Beispiel in Einkaufszentren oder
Seniorenheimen. Auch hier kann durch die persönliche
Kommunikation eine hohe Informationsreichhaltigkeit
angenommen werden. Zusätzlich wird aber das Bedürf-            *) Diese Studie wurde durch das Smart Services Cooperative Research Centre (CRC), gefördert
nis für Mobilität verringert, da die Behörde mobil sein        durch das Australian Government’s CRC Programme (Department of Innovation, Industry,           Prof. Dr. Dr. Björn
                                                               Science and Research), die VolkswagenStiftung in Form eines Schumpeter Fellowships und
                                                                                                                                                              NIEHAVES
muss, nicht der Bürger. Entsprechend ist der Zuspruch zu       das Forschungsprojekt Networked Service Society, gefördert durch das Internationale Büro des
                                                               Bundesministerium für Bildung und Forschung (Förderkennzeichen APR 10/805), finanziert.        Professor for E-Gover-
diesem Kanal bei Personen mit eingeschränkter Mobilität                                                                                                       nance and Innovation,
fast doppelt so hoch wie bei Personen ohne diese Proble-                                                                                                      Hertie School of Gover-
                                                                                                                                                              nance
me (28,0% zu 16,5%).
                                                                 literatur

                                                                             (1)
                                                                               Europäische Union. Verordnung (EG) Nr. 1107/2006
                                                                             des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli
Ein Kanal, der die Mobilität der Bürger ersetzen soll,
                                                                             2006 über die Rechte von behinderten Flugreisenden und
ist das E-Government über das Internet. Der Kanal hat                        Flugreisende mit eingeschränkter Mobilität. Amtsblatt der
eine vergleichsweise geringe Informationsreichhaltig-                        Europäischen Union. 28.7.2006.
keit, erfordert dafür aber keine Mobilität. Damit ist er für
                                                                             (2)
                                                                               IT-Planungsrat. Nationale E-Government Strategie.
Standardaufgaben, insbesondere aus dem Bereich der In-
                                                                             Beschluss des IT-Planungsrats vom 24. September 2010.
formation, ein geeignetes Medium für Personen mit ein-
geschränkter Mobilität. Allerdings legen die Daten diesen                    (3)
                                                                               Daft, Richard L.; Lengel, Robert H.;Trevino, Linka K.
Zusammenhang nicht nahe. So bevorzugen nur 42,1%                             Message Equivocality, Media Selection, and Manager Perfor-
der mobilitätseingeschränkten Bürger im Vergleich zu                         mance: Implications for Information Systems. MIS Quarterly.
                                                                                                                                                              Prof. Dr. Jörg BECKER
                                                                             1987. 11. Ausgabe. S. 355-366.
59,5% der restlichen Bürger diesen Kanal. Auch wenn                                                                                                           Geschäftsführender Di-
man den Faktor Alter ignoriert und nur die über-60-Jäh-                      (4)                                                                              rektor, European Research
                                                                               Palka, Wolfgang; Schreiber, Veronika; Wolf, Petra; Krcmar,
                                                                                                                                                              Center for Information
rigen betrachtet, ist immer noch ein Unterschied vorhan-                     Helmut. Mobile Government - quo vadis 2012+?. eGovern-                           Systems (ERCIS) der
den (34,3% zu 36,1%). Hier werden die hohen Verspre-                         ment Review. Juli 2012, 10. Ausgabe.                                             Westfälischen Wilhelms-
                                                                                                                                                              Universität Münster
chungen des E-Governments noch nicht eingelöst.
16 |   eGovernment Review | www.egovernment-review.org | Nr. 11 | Januar 2013                                                           fachartikel

                      Grenzenloser Datenaustausch
                      in Europa
                      Josef El-Rayes

              Die Europäische Kommission hat sich zum Ziel gesetzt mittels groß angelegter Programme grenzüberschreitende Verwal-
   abstract

              tungsprozesse zu vereinfachen, um den freien Personen- und Warenverkehr auf Verwaltungsebene zu unterstützen. Bürger,
              Behörden und Unternehmen sollen in Zukunft in der Lage sein, unabhängig von nationalen Grenzen einheitliche Dienstleis-
              tungen in Anspruch zu nehmen. Dieser Artikel gibt einen Einblick in aktuelle Initiativen.

                      Freier Personen- und Warenverkehr über Ländergren-             sind, wird gemeinschaftlich die Entwicklung der „Core
                      zen hinweg sind in Europa heute schon Realität - EU-           Vocabularies“ abgestimmt und vorangetrieben.
                      weite, durchgängig unterstützte Verwaltungsprozesse
                      hinken jedoch dieser Entwicklung hinterher. Damit die          e-Government Core Vocabularies. Die e-Government Core
                      europäische Verwaltung der Wirtschaft ein zweckdien-           Vocabularies sind vereinfachte, wiederverwendbare und
                      licher Partner sein kann, steht das e-Government vor           erweiterbare Darstellungen der fundamentalen Eigen-
                      einer großen Aufgabe: grenzüberschreitender Informa-           schaften einer Entität in einer kontextfreien Abbildung. Sie
                      tionsaustausch als Voraussetzung für pan-europäische           bieten eine Ausgangsbasis zur Entwicklung interoperabler
                      Verwaltungsprozesse stößt aufgrund unterschiedlicher           e-Government-Systeme und erlauben aufgrund ihrer ver-
                      Sprachen, Kulturräume und rechtlichen Regelungen               einfachten und erweiterbaren Darstellung eine einfache
                      schnell an die Grenze des Machbaren.                           Zuordnung zu bestehenden Datenmodellen. Durch die
                      Schon seit Längerem arbeiten nationale Initiativen an          Verwendung dieser Vokabularien als Grundlage darauf
                      IT-Standardisierungsvorhaben, doch erst die pan-euro-          aufbauender e-Government-Systeme wird ein Mindest-
                      päische Kooperation lässt die europäischen Mitglieds-          maß an Interoperabilität garantiert.
                      staaten in Hinblick auf Interoperabilität der Prozesse und     Die ersten drei Vokabularien, die ihm Rahmen der Initi-
                      Daten näher zusammenrücken.                                    ative veröffentlicht wurden sind die Core Person, Core
                      Die Europäische Kommission versucht im Rahmen                  Business und Core Location Vocabulary. Abbildung 1
                      großangelegter Initiativen Infrastruktur und Services zu       stellt die drei Vokabularien in Bezug zu einander und
                      Verfügung zu stellen, die eine grenzüberschreitende Zu-        verdeutlicht ihre Anwendung.
                      sammenarbeit ermöglichen.
                                                                                     Core Person Vocabulary. Das Core Person Vocabulary war
                      Joinup.EU. Die Plattform Joinup.eu(1) ist eine Initiative im   ein erster Pilot zur Spezifizierung eines e-Government
                      Rahmen der ISA-Programme(2) des Directorate-Generale           Core Vocabulary und half dabei einen allgemeinen Ent-
                      für IT (DIGIT) der Europäischen Kommission mit dem             wicklungsprozess für weitere Vokabularien abzuleiten. Das
                      Ziel grenzüberschreitende Verwaltungsprozesse der euro-        Datenmodell der Core Person beschreibt die minimalen
                      päischen Mitgliedsstaaten voranzutreiben.                      Charakteristiken einer Person unabhängig des Kontextes
                      Neben der Bereitstellung einer Kooperationsplattform           in dem die Entität steht. Darauf aufbauend können spezi-
                      zum Erfahrungs- und Wissensaustausch und dem Be-               fische Datenmodelle wie Wähler, Passagier, Patient entwi-
                      reitstellen von Datenstandards einschlägiger e-Govern-         ckelt werden und garantieren auf diese Weise eine minima-
                      ment-Projekte, ist Joinup.eu auch in der Entwicklung           le grenzüberschreitende Interoperabilität.
                      von Datenaustauschstandards involviert. Diese Daten-
                      austauschstandards setzen darauf, mittels Harmoni-             Core Business Vocabulary. Das im Mai dieses Jahres ver-
                      sierung auf einem hohen Abstraktionslevel eine breite          öffentlichte Vokabular repräsentiert einen Konsens zur
                      Anwendbarkeit zu ermöglichen. In einer eigenen Ar-             Darstellung eines vereinfachten Datenmodells zur Iden-
                      beitsgruppe in der mehr als 70 Vertreter europäischer          tifizierung und Beschreibung legaler Entitäten. Das Core
                      Behörden, Universitäten und Unternehmen beteiligt              Business Vocabulary soll in Anlehnung an die neue Direc-
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