Wir alle altern und brauchen eines Tages vielleicht die Spitex
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58 P fi ster, nne Maria George s T. Roos , 57 Marian ne P fis ter, 78 os, 77 e orges T. Ro G Dominique Truchot-Cardot, 51 Dominiq FOKUS «Der Spitex-Klient der Zukunft» Seite 15 ue Truc hot-C ardot, 71 Wir alle altern und brauchen eines Tages vielleicht die Spitex DIENSTLEISTUNG Die zweite Covid-19-Welle beschäftigt die Spitex stark. Seite 9 GESELLSCHAFT Auch während der Weihnachtstage wird die Spitex gebraucht. Seite 10 NETZWERK Forscher untersuchen Möglichkeiten des Personalerhalts in der Pflege. Seite 40
Die zweite Schöpfung 6.11.20–11.7.21 Kundenbegeisterung durch Service Excellence. Publicare ist die schweizweit grösste Liefe- rantin und Dienstleisterin von medizinischen Hilfsmitteln in den Bereichen Inkontinenz, Stoma- und Tracheostoma-Versorgung sowie zur Wundbehandlung. · Kostenloser, schneller und diskreter Versand · Individuelle Beratung · Direkte Abrechnung mit dem Kostenträger u n s e re n Webshop! Sie Besuchen are.ch lic www.pub Publicare AG Vorderi Böde 9 Eine Stiftung von 5452 Oberrohrdorf Unterstützt von Telefon 056 484 15 00 www.mfk.ch UBS Kulturstiftung
SPITEX MAGAZIN 6 / 2020 | DEZEMBER / JANUAR EDITORIAL 3 Ein riesiger Dank und ein Blick nach vorn Die zweite Welle der Covid-19-Pandemie hat die Spitex derzeit vielerorts fest im Griff. Tausende Spitex-Mitarbeitende geben jeden Tag alles, um ihre Klientinnen und Klienten zu versorgen und einen zentralen Beitrag zur Eindämmung der Pandemie zu leisten. Für diesen erneuten Kraftakt, der noch länger nicht vorbei sein dürfte, möchte Spitex Schweiz allen Spitex-Mitarbeitenden ein riesiges «Danke für Ihr enormes Engagement in dieser herausfordernden Zeit!» zukommen lassen. Spitex Schweiz setzt sich weiterhin 4 AUFTAKT mit Kräften dafür ein, dass die Anliegen der Spitex in dieser anspruchsvollen Zeit gehört werden (vgl. Seite 9). DIENSTLEISTUNG 9 Die Spitex und Covid-19 aktuell Schon bald neigt sich das Jahr dem Ende zu. Wir wünschen Ihnen und Ihren Nächsten schöne Festtage und hoffen, dass GESELLSCHAFT Sie trotz allem etwas innehalten können und dass die Pande- 10 Die Spitex und Weihnachten mie bald abflaut. 15 FOKUS «Der Spitex-Klient der Zukunft» Diese Ausgabe des «Spitex Magazins» blickt noch weiter nach 16 Fachpersonen über den Klienten der Zukunft 24 Ein Besuch in einem Pflegelabor vorn: «Der Spitex-Klient der Zukunft» heisst das Fokusthema. 30 Eine Umfrage zu den Wünschen für die Zukunft Um zu ergründen, was die Klientinnen und Klienten der Spitex 36 Wer finanziert künftig die Betreuung? in 10, 20 oder mehr Jahren ausmacht und was sie wünschen, NETZWERK hat die Redaktion verschiedene Fachpersonen interviewt, ein 40 Wie Pflegende im Beruf gehalten werden können Pflegelabor besucht und mit potenziellen Klientinnen und DIALOG Klienten der Zukunft gesprochen. Dass wir alle älter werden 45 «5 Fragen» an Sänger Michael von der Heide und darum vielleicht eines Tages Pflege und Betreuung 47 DIE LETZTE benötigen – dies zeigen die Porträts in dieser Ausgabe, die digital um rund 20 Jahre gealtert wurden. Titelseite: Einige der Interviewten dieser Ausgabe, per Liebe Leserinnen und Leser, ich wünsche Ihnen eine spannende FaceApp um 20 Jahre gealtert. Schliesslich wird jeder älter und ist damit der potenzielle «Spitex-Klient der Zukunft». Lektüre, schöne, geruhsame Weihnachtstage und schon jetzt Bild: zvg / FaceApp / POMCANYS einen guten Start ins neue Jahr! Marianne Pfister, Geschäftsführerin Spitex Schweiz Smart, nützlich, gratis. Die Spitex Magazin-App mit neuen Informiert sein und mitreden: Funktionen für Ihr Smartphone oder Tablet. facebook.com/SpitexMagazin
4 AUFTAKT SPITEX MAGAZIN 6 / 2020 | DEZEMBER / JANUAR Ein Boxsack für ein Power-Team sich hier fürs interne Dampfablassen einsetzt, hat eine Vor- geschichte: Als Spitex-Mitarbeiterin Sonia Kull kürzlich nach 20 Jahren im Dienste der Spitex in den Ruhestand ging, schenkte sie ihrem Team als Abschiedsgeschenk weder Pra- linen noch Blumen – vielmehr kaufte die 64-Jährige einen Boxsack, liess ihn von der Kunstgewerblerin Nicole Malzach beplotten und stellte ihn in die Räumlichkeiten der Spitex. Sonia Kull machte vor 30 Jahren eine Ausbildung zur Pfle- gefachfrau am Kantonsspital Luzern. Später kam sie zur Spi- tex und bildete sich dort zur Berufsbildnerin weiter. Der Kon- takt mit den Menschen im Team und den Klientinnen und Klienten hielt sie geistig und körperlich beweglich. «Wir ar- beiten professionell mit viel Vernunft. Persönliche Gefühle bleiben oft unverdaut im Magen hängen. So ein Boxsack hät- te mir oft bei der ‹Verdauung› geholfen», sagt sie scherzend. «Wenn zum Beispiel der Zeitdruck gross, die Situation schwierig ist oder die Krankenkasse kompliziert tut, hätte ich gerne einmal so einen Boxsack gehabt», gesteht sie. Seit dem 9. Oktober geniesst Sonia Kull nun ihren Ru- hestand. Ob Sie nicht ab und zu Sehnsucht nach ihrem Be- Sonia Kull mit ihrem Geschenk fürs Team Obergrund. Bild: zvg ruf verspüren werde? Sonia Kull winkt ab und sagt: «Bei der Spitex konnte ich mich beruflich und menschlich wei- Beb. Dieser Boxsack muss viel einstecken können. In den terentwickeln. Sollte ich privat einmal das Bedürfnis ha- Räumlichkeiten der Spitex Stadt Luzern am Standort Him- ben, Dampf abzulassen, darf ich jederzeit ambulant bei der melrich ist er nämlich ab jetzt dem äusserst starken Spi- Spitex vorbeischauen und mit einem Kaffee gedopt dem tex-Power-Team Obergrund schutzlos ausgeliefert. Dass er Boxsack zu Leibe rücken.» «Gemeinsam meistern wir zu Tag stärker», sagte er. Die Pandemie verun- Spitex-Statistik zeigt: mögliche eine Feier allerdings. Darum würdi- alle Herausforderungen» Immer mehr Mitarbeitende ge er die Spitex nun eben auf virtuellem Weg, Red. Weil die Jubiläumsfeier «25 Jahre Spitex denn eine Würdigung habe sie verdient. Dar- Red. Die Mitte November veröffentlichte Schweiz» vom 19. November wegen der Pan- aufhin ging er auf die Geschichte des Dachver- Spitex-Statistik 2019 des Bundesamtes für demie ausfallen musste, wurde die National- bands genauso ein wie auf dessen Erfolge (vgl. Statistik (BSV) zeigt, dass sich der Trend un- verbandskonferenz (NVK) mit den Geschäfts- Ausgabe 5/2020). Und er blickte auf die vielen gebrochen fortsetzt, dass immer mehr Spitex- führenden sowie Präsidentinnen und zukünftigen Herausforderungen der Branche. Mitarbeitende (39 545; 2018: 38 850), immer Präsidenten der Spitex-Kantonalverbände in «Ich bin zuversichtlich, dass wir alle dies ge- mehr Klientinnen und Klienten (312 070; digitaler Form durchgeführt. Zum Abschluss meinsam meistern werden», betonte er. «Mei- 2018: 293 457) versorgen Die Nonprofit-Spi- richtete sich Thomas Heiniger, Präsident von ne Zuversicht ist insbesondere darin begrün- tex ist nach wie vor klare Marktführerin mit Spitex Schweiz, mit einer Jubiläums-Grussbot- det, dass ich all die hochmotivierten und gut 79 Prozent aller Klienten und 71 Prozent der schaft an die Teilnehmenden. «Zum 25-Jahr-Ju- qualifizierten Mitarbeitenden sehe, die sich geleisteten Pflegestunden. Die Anzahl Stun- biläum würde man gerne feiern, was man in tagtäglich in den vielfältigen Bereichen der den pro Klientin und Klient in der Langzeit- all den Jahren erreicht hat. Man würde gerne Spitex mit Herzblut, aber auch mit grosser Pro- pflege ist bei der Nonprofit-Spitex nur halb auf die vielen Herausforderungen anstossen, fessionalität engagieren. Ich möchte heute die so hoch (48) wie bei erwerbswirtschaftlichen die man für die Spitex gemeistert hat – und sie Gelegenheit nutzen, Ihnen allen herzlich Dan- Organisationen (113), unter anderem weil die damit zur schweizweit sehr beliebten und sehr ke zu sagen!» Es werde bestimmt an einer Nonprofit-Spitex auch viele Kurzeinsätze anerkannten Organisation gemacht hat, die nächsten Versammlung die Möglichkeit ge- übernimmt. Mehr Zahlen und Fakten gibt es sie heute ist: nicht mehr wegzudenken, von Tag ben, doch noch auf das Jubiläum anzustossen. unter www.spitex.ch.
SPITEX MAGAZIN 6 / 2020 | DEZEMBER / JANUAR AUFTAKT 5 Fachtagung gibt Einblick in Rekrutierung und Personalerhalt Im Herbst 2021 statt wie ursprünglich geplant am 16. März 2021 findet in Bern die Fachtagung von Spitex Schweiz unter dem Titel «Spitex – attraktive Arbeitgeberin heute und morgen» statt. Red. Die nächste Fachtagung von Spitex übersetzung in Deutsch oder Französisch des Luzerner Forums für Sozialversicher Schweiz wird die Gegenwart genauso im bieten – stehen als Erstes Inputreferate zu ungen und Soziale Sicherheit sowie Dozent Blick haben wie die Zukunft, lautet ihr Ti- Themen wie «Gesundheitspersonal: aktuel- für Wirtschaft an der Hochschule Luzern, tel doch «Spitex – attraktive Arbeitgebe- le Entwicklungen und Bedarfsprognosen». der sich auf seiner Website als «Vater von rin heute und morgen». Der Anlass hätte Nach einer Pause samt einer Präsentation drei Kindern, Partner, Politologe, Dozent, ursprünglich am Dienstag, 16. März 2021, von Neuroth, Premiumpartner von Spitex Geschäftsführer, Veranstalter, Moderator, im Wankdorf-Stadion in Bern stattfinden Schweiz, geht es mit einer Podiumsdiskus- Rock-Bassist, Velo-, Zug- und Autofahrer» sollen. Spitex Schweiz hat nun aber ent- sion weiter: Deren Teilnehmer debattieren, bezeichnet. schieden, die Tagung aufgrund der Co- wie genügend qualifizierte Fachkräfte für die vid-19-Pandemie auf Herbst 2021 zu ver- Spitex gewonnen und im Beruf gehalten Das neue Datum wird online publiziert schieben. werden können – und welchen Beitrag die Wer sich bereits für den 16. März 2021 für Politik, der Arbeitnehmerverband SBK, die die Tagung angemeldet hat, wird über das Referate und eine Podiumsdiskussion Bildungsinstitute und die Spitex-Organisa- Verschiebungsdatum im kommenden An der Fachtagung werden Expertinnen tionen hierzu leisten. Herbst informiert – und er muss keine und Experten aus Wissenschaft, Politik, Angst haben, dass er den Eintrittspreis ver- Bildung und Pflege über bewährte und in- Parallelsessionen und ein Künstler geblich entrichtet hat, wurden die Stornie- novative Massnahmen für die Rekrutie- Nach einem Stehlunch werden dann zwei rungsbedingungen doch der aktuellen Situ- rung und den Personalerhalt bei der Spi- Runden mit jeweils vier Parallelsessionen ation rund um die Pandemie angepasst. tex diskutieren. Dabei sollen Fragen durchgeführt, die sich um Themen drehen Das neue Veranstaltungsdatum im geklärt werden wie: Was muss die Spitex wie «Welche Kanäle nutzen die jungen Leute Herbst 2021 wird in der ersten Dezember- tun, um eine attraktive Arbeitgeberin zu heute bei der Stellensuche?» und «Wie der hälfte auf der Website der Fachtagung so- bleiben und in Zeiten des drohenden Fach- Wiedereinstieg in die Spitex gelingen kann». wie auf www.spitex.ch bekannt gegeben. kräftemangels auch als solche wahrge- Am Ende der Fachtagung gilt es schliess- nommen zu werden? Wie kann sie also ge- lich für alle Teilnehmerinnen und Teilneh- Auf https://fachtagung.spitex.ch wird in der nügend qualifizierte Fachkräfte für sich mer, ihre mit zahlreichen Informationen ge- ersten Dezemberhälfte das neue Veranstal- gewinnen und bestehende Mitarbeitende füllten Köpfe durchzulüften. Behilflich ist tungsdatum publiziert. Zudem finden sich dort halten? ihnen hierbei der Auftritt eines jungen das genaue Programm, Anmeldemöglichkeiten, Auf dem Programm der Fachtagung – alle Schweizer Künstlers. Moderiert wird der An- Stornierungsbedingungen, Eintrittspreise und Programmpunkte werden eine Simultan- lass von Hannes Blatter, Geschäftsführer weitere Informationen.
6 PUBLIREPORTAGE SPITEX MAGAZIN 6 / 2020 | DEZEMBER/JANUAR Gut zu hören muss (wieder) gelernt sein Schlechter hören bedeutet nicht nur häufig nachzufragen, sondern sich sozial abzukapseln. Mit den Hörlösungen von Neuroth findet man wieder zurück zur alten Lebensfreude – Schritt für Schritt. Denn Gehör und Gehirn brauchen etwas Zeit, um sich wieder an das natürliche Hören zu gewöhnen. hen stets der Mensch und seine Hörbedürf- Das erste Erfolgserlebnis nisse im Mittelpunkt. Denn jeder Mensch Danach wartet die grösste Herausforderung hört anders. «Nachdem Sprache und Geräu- auf den Hörgeräte-Träger: Klänge und Ge- sche über Jahre nicht oder nur vermindert räusche, die zuvor noch in die Kategorie wahrgenommen wurden, muss das Gehirn «neu» gefallen sind, erkennt der Hörgerä- erst wieder lernen, diese Eindrücke richtig te-Träger jetzt wieder und kann sie richtig zu verarbeiten und als normal empfinden zu zuordnen. In dieser Zeit ist es besonders können. Dieser Prozess dauert ungefähr wichtig, die Hörgeräte so oft wie möglich zu Hörgeräte werden bei Neuroth individuell an sechs Monate», sagt Fabian Heeg, Hörakus- tragen. «Je öfter ein Hörgerät getragen wird, die Bedürfnisse der Träger angepasst. Quelle: tikmeister im Neuroth Hörcenter in Zug. desto schneller schreitet der Gewöhnungs- Neuroth «Hörminderungen beeinträchtigen den sozi- prozess voran», so Heeg. 24 Stunden ist unser Gehör «on air» – beina- alen Kontakt, was psychisch belasten kann. he unbemerkt. Dabei zählt es zu einem der Viele Betroffene kommen mit gewissen Un- Der natürliche Höreindruck wichtigsten Sinnesorgane des Menschen. sicherheiten zu uns, sind gleichzeitig aber In der letzten Phase geht es schlussendlich Denn nur wer gut hört, kann die schönen voller Erwartungen», erklärt Fabian Heeg. um das Verstehen von Sprache – dem eigent- Klänge des Alltags in vollen Zügen genie- Umso schöner ist es, wenn der Betroffene lichen Ziel jeder Hörgeräte-Versorgung. Auch ssen. Wer schlecht hört, zieht sich hingegen Fortschritte macht. «Den Weg zurück zu bes- hier ist laufendes Training wichtig. Zum Bei- meist aus der Gesellschaft zurück. Hörgerä- serem Hören so hautnah mitzuerleben, ist spiel durch Gespräche mit Vertrauten, um te helfen dabei, wieder zurück zu alter Le- berührend. Wenn man Menschen ein Stück das Sprachverstehen zu verbessern. Nach ei- bensfreude zu finden. An das natürliche Hö- Lebensqualität zurückgeben kann und ihre nigen Wochen wird das Leben mit Hörgerä- ren müssen sich Ohren und Gehirn aber erst Freude darüber spürt, weiss man, wie sinn- ten immer leichter. «Aber auch danach ist wieder gewöhnen. Gerade deshalb ist eine voll unsere Aufgabe ist», sagt Fabian Heeg. eine persönliche Betreuung von besonderer persönliche Betreuung in der Eingewöh- Bedeutung. Denn nur durch den laufenden nungsphase von besonderer Bedeutung – Das richtige Hörgerät Kontakt mit einem Akustiker und einen regel- eine Verantwortung, die ein Hörakustiker In einem ausführlichen Beratungsgespräch mässigen Hörgeräte-Service ist die volle Hör- Tag für Tag übernimmt und so zum engen mit dem Hörakustiker wird zuerst genau leistung auf Dauer gewährleistet.» Begleiter auf dem Weg zum besseren Hören analysiert, in welchen Situationen der Be- wird. Dieser Weg kann in mehrere Phasen troffene wieder besser hören möchte. Ge- eingeteilt werden – von der Hörgeräte-An- meinsam werden die passenden Hörgeräte passung bis zum natürlichen Höreindruck. ausgewählt und so individuell angepasst, dass sie in verschiedensten Alltagssituatio- Der Weg zum besseren Hören nen optimal zu tragen sind. Denn so einzigartig jedes Ohr ist, so indivi- duell müssen auch Hörgeräte angepasst «Nach der umfassenden Beratung folgt das werden. Dabei ist besonderes Feingefühl ge- Probetragen: Jeder kann mehrere Hörgerä- fragt – genauso wie Geduld. Bei Neuroth ste- te-Modelle 30 Tage lang kostenlos testen», sagt Neuroth-Experte Fabian Heeg. Im Zuge dieser Phase prasseln viele neue oder be- Neuroth: Hörkompetenz seit 1907 reits verlernte Höreindrücke auf den Betrof- 68 × in der Schweiz & Liechtenstein fenen ein. Es geht nun darum, sich den Un- Info-Tel.: 00800 8001 8001 Hörakustiker werden auf dem Weg zum terschied bewusst zu machen, wie man besseren Hören zu treuen Begleitern. www.neuroth.com ohne und mit Hörgeräten hört. Quelle: Neuroth
SPITEX MAGAZIN 6 / 2020 | DEZEMBER / JANUAR AUFTAKT 7 Neues Rollenmodell für APN in der Spitex Spitex Zürich Sihl hat im Projekt CASE die Rolle der weisung im ersten halben Jahr auf durch- schnittlich 1,8 Zuweisungen pro Monat Pflegeexpertin APN w eiterentwickelt. Fokus war das gesteigert werden. Die APN-Rolle wurde Zusammenspiel zwischen Spitex und Hausarztpraxis. während der Projektphase bei Spitex Zürich Sihl implementiert; das APN-Team wird nach Projektende weitergeführt. Der nun vorliegende Schlussbericht lis- tet sechs Erkenntnisse auf: 1. Die Rolle «Pflegeexpertin und Pflege experte APN» in einer Spitex-Organisa- tion ist wirksam und attraktiv. 2. Pflegeexpertinnen und Pflegeexperten APN wenden ihre klinische Expertise direkt zu Hause bei der Klientin, dem Klienten und den Angehörigen an. 3. Als Arbeitsmethode für die strukturier- te Erfassung des Versorgungsbedarfs haben sich das multidimensionale geri- atrische Screening, Fokus-Assessments und die Körperuntersuchung bewährt. APN Jeanine Altherr im Gespräch mit Klienten. Bild: Jacqueline Morgenroth, Spitex Zürich Sihl 4. Nur ein systematischer und klienten orientierter Zuweisungsprozess ermög- Martin Radtke. «Unser Projekt hat gezeigt, dazu notwendige Informationsfluss sowohl licht, dass Pflegeexpertinnen und dass Klientinnen und Klienten selbst bei einem innerhalb der Spitex als auch mit externen Pflegeexperten APN in einer Spitex- schwierigen gesundheitlichen Befund weiter zu Partnerorganisationen der Grundversorgung Organisation ihr Potenzial voll aus- Hause versorgt werden können», sagt Devrim verbessert werden könnten. schöpfen und für die Klientinnen und Yetergil Kiefer, Geschäftsleiterin Spitex Zürich Das Projekt fokussierte auf drei Risikogrup- Klienten wirksam sein können. Sihl, über das nun abgeschlossene Pilotprojekt pen und zwei Zuweisungswege. Dazu wurden 5. Pflegeexpertinnen und Pflegeexperten CASE. Das bedeutet «Coordinated APN Sup- fünf Gruppen definiert, wobei die APN wäh- APN können nur Wirkung entfalten, port for the Elderly», also koordinierte Unter- rend der Projektdauer am häufigsten Klientin- wenn alle involvierten Schlüsselperso- stützung von älteren Menschen durch Pflege- nen und Klienten der Gruppen 1 sowie 5 nen die Kompetenzen und Aufgaben expertinnen APN. Der Fokus lag dabei auf der betreuten: 1) Personen über 65 mit einer ver- voneinander kennen. APN als Bindeglied zwischen Spitex und Haus- änderten Kognition, 2) Zuweisung durch Hau- 6. Die Rollenentwicklung zur Pflegexpertin/ arzt. «Die im Projekt entwickelte Pflegeexper- särztinnen und Hausärzte, 3) gebrechliche zum Pflegeexperten APN ist ein heraus- tise hilft, komplexe Situationen im häuslichen Personen über 80 (Frailty), 4) Personen über fordernder, komplexer Prozess, der im- Umfeld gut zu meistern», sagt Devrim Yeter- 80 nach einem Spitalaufenthalt und 5) Zuwei- mer alle involvierten Personen betrifft. gil Kiefer. Die veränderte Demografie, die Zu- sung durch fallführende Pflegefachpersonen. nahme an chronischen Krankheiten und Mehr- Wie geht es nun weiter? «Für uns ist klar: facherkrankungen sowie die stärkere Betonung APN-Rolle kopieren erwünscht Auch wenn es noch offene Fragen bezüglich der ambulanten Versorgung verlangen neue Die Hauptziele des Projekts konnten erreicht der Finanzierung gibt, treiben wir die Entwick- Versorgungsmodelle. «Hierfür wollten wir mit werden: Es wurden für Pflegexpertinnen und lung voran», so Devrim Yetergil Kiefer. «Und dem CASE-Projekt einen Beitrag leisten.» Pflegeexperten APN neue Aufgabenbereiche wir freuen uns, wenn auch andere Spitex- Das Projekt dauerte drei Jahre und wurde und Kooperationsprozesse eingeführt. Die Organisationen unserem Beispiel folgen!» wissenschaftlich begleitet. Es wollte unter an- Zusammenarbeit mit Hausarztpraxen wurde derem aufzeigen, wie durch APN neue Aufga- etabliert. Entsprechend konnten die Zuwei- Der Projektbericht steht zum Download benbereiche, Kooperationsprozesse und der sungen durch Hausarztpraxen von einer Zu- bereit unter www.bit.ly/CASESpitex
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SPITEX MAGAZIN 6 / 2020 | DEZEMBER/JANUAR DIENSTLEISTUNG 9 Die Spitex in der zweiten Welle Die zweite Covid-19-Welle trifft die Schweiz heftig. Die Spitex-Organisationen leisten erneut einen zentralen Beitrag zur Eindämmung der Pandemie. Im Vergleich zur ersten Welle versorgen sie schweizweit mehr Covid-Erkrankte, und auch hinsichtlich der Personalsituation und des Schutzmaterials gibt es Unterschiede. Auch in der zweiten Welle entlastet die Spitex die Spitäler, Spitex Schweiz setzt sich ein indem sie Covid-19-Infizierte und Risikopatienten zu Hau- «Wichtig ist, dass das Personal nicht übermässig belas- se professionell versorgt. Schweizweit werden mehr Co- tet wird, damit es nicht zu Erschöpfungen kommt, denn vid-Klienten von ihr versorgt als in der ersten Welle, sowohl die Pandemie wird nicht so schnell vorbei sein», erklärt von Beginn an als auch in der Nachsorge nach dem Spital- Marianne Pfister, Geschäftsführerin von Spitex Schweiz. austritt. Gegenüber der ersten Welle ist genügend Schutz- Es braucht Lösungen, um zusätzliches Personal einset- material vorhanden, einzig bei den Handschuhen wird es zen zu können: Bildung von Personalpools in den Regio- teilweise knapp. Die Spitex-Organisationen sind regional nen, Akquirieren von pensioniertem Pflegepersonal, Auf- unterschiedlich gefordert. Besonders hoch ist der Druck bei- stockung der Kleinpensen, Zurückholen von ehemaligen spielsweise in den Kantonen Waadt und Genf. Die Genfer Mitarbeitenden, Entlastung des Personals bei administrativen Spitex IMAD (Institution genevoise de maintien à domicile) Arbeiten, Möglichkeiten, die Quarantäne bei negativem Test musste die höchste Stufe ih- zu verkürzen, sowie die Ent- res Krisenaktionsplans in Kraft setzen. Die Zahl der «Wichtig ist, dass das lastung des Personals von unnötigen oder nicht drin- Klienten, die gleichzeitig an Covid-19 litten, überstieg Personal nicht unnötig genden administrativen Ar- beiten. Wichtig ist, dass zeitweise 200. Dies ist ein belastet wird, damit es Schutzkonzepte eingehalten viel höherer Spitzenwert als werden, um das Personal und in der ersten Welle, was nicht zu Erschöpfungen die Klienten zu schützen. auch damit zu erklären ist, Auch in dieser zweiten dass Patienten, die damals kommt.» Welle setzt sich Spitex im Spital blieben, jetzt zu Marianne Pfister Schweiz für gute Rahmen Hause betreut werden. Die bedingungen der Spitex-Or- Waadtländer Spitex AVASAD (Association Vaudoise d’Aide ganisationen ein. Der nationale Dachverband steht in engem et de Soins à Domicile) betreut gemäss Angaben auf ihrer Kontakt mit dem Bundesamt für Gesundheit (BAG), der Website (Stand 19.11.2020) in ihren sozialmedizinischen Schweizerischen Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) und Zentren 330 Covid-Betroffene, das entspricht 1,9% der ins- anderen Institutionen. Er fordert, dass die Covid-bedingten gesamt 17377 AVASAD-Klienten (Monatsdurchschnitt). Zusatzkosten vollumfänglich übernommen werden und Spi- Aus den Ergebnissen einer Umfrage, die Spitex Schweiz bei tex-spezifische Merkblätter ausgearbeitet werden. So hat Spi- den Spitex-Kantonalverbänden durchführte, geht hervor, dass tex Schweiz beispielsweise erwirkt, dass das BAG das Co- (Stand 2.11.2020) die Mehrheit der Kantonalverbände die Per- vid-Merkblatt «Informationen und Empfehlungen für sonalsituation in der Spitex besorgt beobachtet. Im Unter- Organisationen und Gesundheitsfachleute, die im Bereich der schied zur ersten Welle werden kaum Einsätze von Klienten häuslichen Pflege tätig sind» vom Mai 2020 aktualisiert hat. oder Angehörigen abgesagt, mehr Mitarbeitende sind in Qua- Ursprünglich wollte das BAG die Empfehlungen für die Spitex rantäne oder Isolation oder fallen aus, weil sie zur Risikogrup- und die Empfehlungen für Alters- und Pflegeheime bündeln pe gehören.Weil in dieser zweiten Welle insgesamt viel mehr und in einem gemeinsamen Dokument publizieren. Nun ist Personen getestet werden und weil die Posi- das Merkblatt mit spezifischen Empfehlungen für die Spitex tivitätsrate deutlich höher ist, sind zurzeit neu aufgelegt und auf der BAG-Coronavirus-Website unter mehr Spitex-Mitarbeitende in Quarantä- «Empfehlungen für Gesundheitsfachpersonen» abrufbar. ne, da sie in ihrem privaten Umfeld Kon- takt zu einer infizierten Person hatten. Francesca Heiniger
10 GESELLSCHAFT SPITEX MAGAZIN 6 / 2020 | DEZEMBER/JANUAR Claudia Vanoni von der Bülacher Spitex (rechts) hat ihrer Klientin Ruth Thalmann ein Weih- nachtsgeschenk mitgebracht. Bild: Leo Wyden Auch an Heiligabend kommt die Spitex Die Spitex wird auch an den Festtagen von vielen Menschen gebraucht. Das «Spitex Magazin» hat mit einer Bülacher Spitex-Mitarbeiterin und einer ihrer Klientinnen über die besondere Stimmung während dieser Zeit gesprochen. Und ein Spitex-Klient aus Luzern erzählt von den Weihnachts- tagen seiner Kindheit genauso wie von den heutigen, die er mit seiner an Demenz erkrankten Frau verbringt.
SPITEX MAGAZIN 6 / 2020 | DEZEMBER/JANUAR GESELLSCHAFT 11 Neben dem Christkind oder auch dem Weihnachtsmann ventskranzes das Kompliment gemacht, dass ich eine sind während der Festtage noch ganz andere Akteure un- tolle Frisur habe. Sie hat es sehr geschätzt, dass sich je- terwegs, die weder Engelsflügel noch einen Sack mit Ge- mand für sie an diesem speziellen Tag hübsch schenken dabeihaben. Vielmehr fahren sie in Autos mit der macht. Ich glaube, an den Festtagen haben die Aufschrift «Spitex» durch weihnachtlich beleuchtete Stras Menschen Freude an solchen Kleinigkeiten, die sen und bringen ihren Klientinnen und Klienten Hoffnung, Wertschätzung ausstrahlen», erzählt sie. Viele Trost und Freude in die kalte, dunkle und mitunter auch der Klientinnen und Klienten seien dann auch recht einsame Zeit. Darum sind die Mitarbeitenden der Spi- speziell an ihr als Person interessiert. «Einmal tex gerade dann überall in der Schweiz ein Lichtblick. Ohne sagte eine Klientin, ich solle doch nur das Nö- grosses Aufheben stellen sie ganz bewusst ihr Privatleben tigste machen und dann lieber nach Hause gehen, um in den Hintergrund und kümmern sich auch während der selbst Weihnachten zu feiern», berichtet sie. Festtage und mancherorts Manchmal sind an Weih- im 24-Stunden-Dienst um nachten Angehörige da, die kranke oder betagte Men- «Einmal sagte eine Klientin, der Mutter, dem Vater oder schen. Wie zum Beispiel um die Bülacherin Ruth Thal- ich solle doch nur das den Grosseltern bei der Kör- perpflege helfen können mann. Die 90-Jährige ist geistig noch total fit, stets Nötigste machen und dann und sie auch ins Bett brin- gen. Gelegentlich sind sie zu einem Spässchen aufge- lieber nach Hause gehen, dann aber überfordert und legt und kann immer noch benötigen trotzdem die Spi- im eigenen Haus wohnen. um selbst Weihnachten tex. Dazu kommt, dass Pati- Jeden Tag kommt die Spitex enten im Spital zeitweise zu ihr – auch an Weihnach- zu feiern.» darauf drängen, die Festta- ten. «Sie pflegen mich für Claudia Vanoni ge zu Hause zu verbringen. den Festtag. Zuvor geniesse Manchmal überschätzen sie ich ein feines Mittagessen, das mir der Mahlzeitendienst diese Herausforderung und müssen noch am Austrittstag der Stiftung Alterszentrum Grampen bringt», sagt sie und wieder im Spital einchecken. «Aber oft geht es gut. Mit der erklärt, dass sie sich auf den Christbaum freue, den ihr Sohn Hilfe der Spitex ist es für die Klientinnen und Klienten dann immer über die Weihnachtszeit vor ihrem Fenster platziert. möglich», erzählt Claudia Vanoni. So war das vor einigen Jahren im Fall der Dame, die Weihnachten zu Hause so rich- Wertschätzung der Spitex tig genoss. Als Claudia Vanoni abends eintraf, um ihr die Claudia Vanoni arbeitet seit vier Jahren bei der Spitex Kompressionsstrümpfe auszuziehen und die Medikamente Region Bülach ZH, die der Stiftung Alterszentrum Region zu verabreichen, war die ganze Familie versammelt. «Für die Bülach angehört. Auf ihren bevorstehenden Einsatz am anwesenden Kinder waren meine Dienstleistungen beinahe Heiligabend angesprochen, sagt die 37-jährige Fachfrau spannender als Weihnachten selbst. Sie umringten mich und Gesundheit (FaGe): «Ich habe kein Problem damit. Schliess- schauten interessiert zu», berichtet die FaGe. Später, als die lich gehört das zu meinem Beruf.» Und so organisiert die Kerzen am Weihnachtsbaum brannten, lud man die Spi- Single-Frau ihre private Weihnachtsfeier einfach um ihren tex-Mitarbeiterin ein, doch noch ein wenig zu bleiben. «Ich Spitex-Einsatzplan herum. «Zum Glück sind meine Eltern bin wirklich keine begnadete Sängerin. Aber als ich mit der und Geschwister extrem flexibel. Sie wissen halt, wie sehr Familie ’O du fröhliche’ sang, spürte ich, wie man die Arbeit ich meinen Beruf liebe», erklärt sie. «Meine der Spitex wertschätzt», berichtet sie. Ab und zu bekommt Mutter kocht dann immer etwas, das Claudia Vanoni von den Klientinnen und Klienten auch eine sich auch warmhalten lässt. Ich schät- kleine Aufmerksamkeit. «Einmal schenkte mir eine Dame ze diese Momente mit der Familie, eine Kerze, ganz grob in eine Serviette gehüllt, weil ihre Fin- denn ich weiss, dass das nicht selbst- ger nicht mehr in der Lage waren, ein Päckchen zu machen. verständlich ist.» So etwas berührt mich schon», sagt sie. Für Betagte und Ein- Für ihren Einsatz am Heiligabend same werden die Festtage dieses Jahr – Corona-bedingt – bindet sich Claudia Vanoni einen bunten noch einmal anders sein. Die Anzahl der Gäste ist auch im Schal um oder trägt aufmunternde Ac- privaten Bereich beschränkt, und es wird wohl weniger Be- cessoires. «Die Klientinnen und Klienten such vorbeischauen. Wer möchte schon riskieren, Eltern oder schätzen das an Weihnachten ganz be- Grosseltern in Gefahr zu bringen. «Es zeichnet sich ab, dass sonders. Einmal hat mir eine Klientin ne- man uns von der Spitex noch mehr benötigen wird als sonst ben den brennenden Kerzen des Ad- schon», sagt Claudia Vanoni.
12 GESELLSCHAFT SPITEX MAGAZIN 6 / 2020 | DEZEMBER/JANUAR Szenenwechsel nach Luzern Obwohl die Spitex auch an den Festtagen vorbeischaut, sehnen sich viele Menschen dann ganz besonders nach den Angehörigen. So wie Walter Reichlin aus Luzern. Der 83-Jährige vermisst seine Frau Mona. «Seit Januar 2019 lebt die 82-Jährige im Viva-Betag- tenzentrum Wesemlin in Luzern. Mona hat es dort schön und es geht ihr gut», sagt er, presst die Lippen zusammen und versucht zu lächeln. Als Mona vor zehn Jahren die Diagnose «Demenz vom Alzhei- mer-Typus» erhielt, fiel ihr Ehemann aus allen Wol- ken. «Ich landete recht unsanft auf dem Boden der Realität. Wir hatten es doch eben noch so schön zu- sammen, machten Reisen und genossen das Leben. Mona war ausserordentlich intelligent und sprachbegabt. Sie machte Korrespondenz und Stenografie in Deutsch, Fran- zösisch, Italienisch und Englisch. Nach der Hochzeit enga- gierte sie sich im sozialen Bereich. Und dann das …», er- zählt er. Am ersten Weihnachtsfeiertag wird Walter Reichlin sei- ne Mona zu sich nach Hause nehmen und auch ihre Toch- ter Petra wird zu Besuch kommen. Er plant, einen kleinen Christbaum zu kaufen und ihn mit den roten Kugeln von früher zu schmücken. Es wird fast so sein, wie damals am So haben Mona und Walter Reichlin mit ihrer Tochter Petra 2. Weihnachtsfeiertag, als er Mona den Verlobungsring mit 1967 Weihachten gefeiert. Bild: Walter Reichlin der Gravur «Julen 61 Walti» an den Finger steckte. «Ich kaufte ihn in Göteborg, Schweden. Julen heisst mich ein kompletter Bauernstall unter dem Christbaum», auf Deutsch übersetzt Weihnachten», berichtet er. erzählt er und strahlt dabei übers ganze Gesicht. Gemein- Er weiss schon jetzt, dass seine Frau den Christbaum sam hatte ihn sein Bruder mit der Unterstützung eines anschauen werde, als sehe sie zum ersten Mal so ein Schreiner-Kollegen mit der Laubsäge gebaut. «Acht Sim- geschmücktes Bäumchen. Und auch beim Anblick der mentaler Kühe, zwei Rössli und ein Wagen zum Vorspan- Päckchen werde sie ihn fragen, was das denn eigentlich soll. nen. Wahnsinnig schön», sagt er. Walter Reichlin hat den Und wie schon im vergangenen Jahr wird er zu ihr sagen: Krieg miterlebt. Er berichtet über die Verdunklung am «Mona, das sind Geschenke für dich. Die darfst du auspa- Abend und von den Scheinwerfern der Fliegerabwehr, die cken.» Bis jetzt ist Walter Reichlin ohne die Hilfe der Spi- in der Dunkelheit den Luftraum über dem Vierwaldstätter- tex an Heiligabend ausgekommen. Sollte er aber dieses Mal see absuchten. Unterstützung benötigen, Als Kind stapfte er auf sei- hat er eine Notfallnummer, die er jederzeit anrufen «Dass ich die Spitex bei nem Schulweg eine Stunde lang durch den Schnee. kann. «Das gibt mir grosse einem Notfall jederzeit «Aber ich durfte auch noch Sicherheit», erklärt er. im Wald mit anderen Kin- anrufen kann, gibt mir dern Feuer machen. Das Das Grösste und Beste wäre heute gar nicht mehr Als jüngstes von acht Kin- grosse Sicherheit.» möglich», erzählt er und dern wuchs Walter Reichlin Walter Reichlin betont dann, dass seine in Hinterwürzenbach un- Frau Mona das Grösste und weit von Luzern auf. «Meine Mutter ging vor Heiligabend Beste sei, das ihm in seinem Leben passierte. immer noch schnell auf die Bank. Dort schaute sie, ob die «Jetzt ist meine Mona da und doch nicht da. Kunden meines Vaters, der selbstständiger Zimmermann Sie lebt in einer anderen Welt und sucht oft war, gezahlt hatten. Erst dann konnte sie sagen, ob und wel- ihre Gedanken in den Wolken», sagt er. Früher che Geschenke es gab», berichtet er. Und wenn die Zah- lud das Paar an Weihnachten Gäste ein und be- lungsmoral dann doch schlechter als erwartet war, schenk- kochte diese mit Freude. Bis 2010 wie aus heiterem te man sich einfach Selbstgemachtes. «Einmal stand für Himmel die ersten Anzeichen der Krankheit auftauchten.
SPITEX MAGAZIN 6 / 2020 | DEZEMBER/JANUAR GESELLSCHAFT 13 Auch dieses Jahr malt der pensionierte Grafiker Walter Reichlin Weihnachtskarten für Freunde und Bekannte. Und wieder widmet er die kleinen Kunstwerke seiner Frau Mona. Bild: Beatrix Bächtold Bei Gesprächen wiederholte sich Mona. Sie stell- chen jeden Morgen eine liebe, freundliche Person von der te auch immer wieder die gleichen Fragen. «An- Spitex Stadt Luzern kam, um mir bei der Körperpflege zu fangs akzeptierte sie die Diagnose nicht. Sie sag- helfen, und sich auch Zeit für gute Gespräche te, dass das doch Humbug sei und auch andere nahm», berichtet er. allerlei vergessen. Manchmal wurde sie auch rich- Auf das kommende Weihnachtsfest freut tig ghässig. Das erforderte Liebe und Geduld von sich der pensionierte Grafiker. In seinem mir», erzählt er. Atelier entwirft er, wie jedes Jahr, eigene Weihnachtskarten und widmet sie seiner Die Spitex half mehrfach Mona. «Dieses Jahr ist das Motiv der Stall von Rückblickend ist Walter Reichlin glücklich, sich frühzeitig Bethlehem», sagt er, setzt seine Brille auf, knipst die Lam- Unterstützung von Fachpersonen geholt zu haben. So lern- pe an und greift zum Pinsel. Und während er den Engeln te er zum Beispiel bei Pro Senectute und der Alzheimerstif- eine leuchtend gelbe Farbe verleiht, sagt er: «Ich bin fest tung, mit der Krankheit seiner Frau zu leben, und die Haus- davon überzeugt, dass über den Wolken jemand ist, der da- halthilfe der Spitex leistete wertvolle Dienste. «Alle für sorgt, dass ich meine liebe Mona noch lange begleiten Mitarbeitenden der Spitex wussten sehr gut mit Mona und darf.» ihrer Krankheit umzugehen. Ich lernte viel und gewann an Sicherheit», sagt er. Grosse Hilfe war ihm auch ein Work- Beatrix Bächtold shop der Spitex Stadt Luzern. Dort gab ihm die diplomier- te Pflegefachfrau und Diplompsychologin Dr. Bettina Ugo- lini in ihrem Referat folgenden Schlüsselsatz mit auf den DOK-Sendung mit Spitex-Klienten Weg: «An Demenz Erkrankte lügen nie, machen nie etwas Walter und Mona Reichlin werden im kommenden Jahr Protagonisten falsch und haben immer recht.» Dass das Zusammen einer DOK-Sendung des Schweizer Fernsehens SRF sein, die sich leben mit an Demenz Erkrankten viel, fast zu viel Kraft um das Thema «Alleine oder einsam» dreht. Die Dreharbeiten sind braucht, spürte er am eigenen Leib. Psychisch und physisch abgeschlossen. Der Termin für die Ausstrahlung 2021 steht noch am Boden erlitt Walter Reichlin 2019 einen Zusammen- nicht fest. Das «Spitex Magazin» wird auf seiner Facebook-Seite bruch. «Nach dem Spitalaufenthalt allein zu Hause zu sein, darüber informieren. war für mich nicht leicht. Ich war froh, dass für einige Wo-
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SPITEX MAGAZIN 6 / 2020 | DEZEMBER/JANUAR GESELLSCHAFT FOKUS 15 62 legel, es Sc h Johann Doris F ischer- Taesch ler, 65 Joha nne s Sc hl ege l, 8 2 5 hler, 8 isc her-Taesc Doris F Iren Bischofberger, 55 Drei der im Fokusteil Interviewten wurden mit FaceApp um rund 20 Jahre gealtert, um zu zeigen, dass wir alle älter und damit vielleicht Iren Bis pflegebedürftig werden. Fotos: zvg / FaceApp c ho fbe rger, 7 5 Wir alle sind potenzielle künftige Spitex-Klienten Wir alle werden älter, und darum sind wir alle vielleicht eines Tages die Klientinnen und Klienten der Spitex. Dies sollen die um rund 20 Jahre gealterten Porträts der Interviewten in diesem Fokusteil aussagen. Doch was wollen die Spitex-Klienten in 10, 20 oder auch mehr Jahren? Dieser Frage gehen die Berichte auf den kommenden Seiten nach: Es werden Fachpersonen befragt und es wird ein Labor besucht, eine innovative App genauer betrachtet, über die künftige Finanzierung der Betreuung diskutiert – und eine Umfrage soll zeigen, was die Spitex-Klienten selbst von der Spitex der Zukunft wollen.
16 GESELLSCHAFT FOKUS SPITEX MAGAZIN 6 / 2020 | DEZEMBER/JANUAR Drei Fachpersonen blicken auf die Klienten der Zukunft Was wird die Klientinnen und Klienten der Spitex in Zukunft ausmachen, welche Ansprüche werden sie haben und wie wichtig werden Technologien für sie sein? Solchen Fragen gehen drei Fachpersonen mit unterschiedlichen Blickwinkeln in drei Interviews nach: eine Spitex-Geschäftsführerin, ein Zukunftsforscher und eine Pflegewissenschaftlerin. Interviews: Kathrin Morf; Bilder: zvg/FaceApp «Digitalisierung und Diversifizierung werden den Klienten der Zukunft prägen.» Claudia Aufdereggen Geschäftsleiterin Spitex Regio Liestal / Vorstandsmitglied Spitex Schweiz Spitex Magazin: Frau Aufdereggen, wenn Sie die Entwicklungen betrachten, welche Sie in über 30 Jahren in der Pflege miterlebt haben: Was wird den Spitex-Klienten der Zukunft von demjeni- gen von heute unterscheiden? Claudia Aufdereggen: Das Leben der Klien- tinnen und Klienten der Zukunft wird sicher- lich von digitalen Technologien durchdrun- gen sein. Dazu gehört, dass sie häufiger digital mit der Spitex kommunizieren. Die Digitalisierung wird auch das «Tele Nursing» vorantreiben, also die Pflege über digitale Ka- näle. Dies gilt insbesondere für Bereiche wie die Claudia Aufdereggen, 55 Psychiatrie, in denen die Spitex nicht immer phy- sisch präsent sein muss. Eine andere Entwicklung betrifft die Angehörigen: Wie eine Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz kürzlich ge- zeigt hat, werden bereits jetzt 8 Prozent der 70- Claudia bis 80-Jährigen ohne Familienangehörige alt, Ten- Aufder eggen, denz steigend. Unsere Klienten werden demnach 75 immer weniger Familienangehörige haben, die sich an ihrer Pflege und Betreuung beteiligen. Stattdes-
SPITEX MAGAZIN 6 / 2020 | DEZEMBER/JANUAR GESELLSCHAFT FOKUS 17 sen wird jeder Klient ein sehr individuelles Beziehungsnetz hält. Dieses Verhalten wird auch durch die marktwirtschaft- aufbauen, das er als seine «Familie» betrachtet. Und die Spi- liche Entwicklung unseres Gesundheitssystems forciert. tex muss lernen, mit all diesen sozialen Systemen zu koope- Schliesslich darf der Klient inzwischen sogar sein Spital frei rieren. Zusammenfassend bin ich der Meinung, dass Digita- wählen. Anspruchsvoller werden unsere Klienten auch in Be- lisierung und Diversifizierung die Klientinnen und Klienten zug auf die Kommunikation: Sie wollen intensiver über das der Zukunft prägen werden. Vorgehen der Pflegefachpersonen informiert werden – und begegnen der Spitex dabei zunehmend kritisch, indem sie Die Klienten der Zukunft wollen zu Hause leben, wie zum Beispiel ihre Einsatzzeiten und ihre Kontinuität in der Studien zeigen [vgl. auch Umfrage S. 30]. Forscher Pflege hinterfragen. gehen nun aber davon aus, dass Menschen künftig sehr alt werden und viel Unterstützung benötigen. Und muss die Spitex auf solche Kritik reagieren, Wird es künftig also vermehrt Formen des betreuten selbst wenn solche Sonderwünsche einen finanziel- Wohnens geben, die zwischen dem u rsprünglichen len Mehraufwand bedeuten? Zuhause und einem Altersheim angesiedelt sind? Bereits jetzt ist es für die Spitex eine grosse Herausforde- Die Häufigkeit und die Beliebtheit von Formen des betreu- rung, gute Einsatzpläne zu erstellen. Würde sie dabei auf je- ten Wohnens werden sicherlich zunehmen. Wichtig wird da- den Sonderwunsch eingehen, würde sie ihr Budget spren- bei sein, dass Angebote des betreuten Wohnens zentral ge- gen. Vielleicht muss auch die Nonprofit-Spitex ihr Angebot legen sind, damit die Bewohnerinnen und Bewohner am künftig differenzieren und neben ihren normalen Leistun- gesellschaftlichen Leben teilhaben und öffentliche Ver- gen, mit denen sie ihre Versorgungspflicht effizient erfüllt, kehrsmittel schnell erreichen können. Auch in Bezug auf be- bezahlpflichtige Sonderleistungen wie Einsatzzeiten nach treutes Wohnen bin ich mir sicher, dass es von Diversifizie- Wunsch einführen. Dies würde einem unternehmerischen rung geprägt werden wird: Je nach Kanton und Region Denken und Handeln entsprechen, das laut Experten auch werden sich unterschiedliche Formen durchsetzen. Und die für Nonprofit-Organisationen immer wichtiger wird. Spitex braucht auch hier Flexibilität, damit sie ihre Dienst- leistungen an all diese Formen anpassen kann. Angesichts der zunehmenden Zahl an alleinstehen- den Menschen dürfte auch die Nachfrage nach – oft Ein weiterer Trend bei der Spitex scheint die Zunahme auch nicht verrechenbaren – Betreuungsleistungen der Komplexität der Fälle zu sein? Dies, weil Fort- durch die Spitex zunehmen? schritte in Medizin und Technologie die Möglichkeiten Das halte ich für wahrscheinlich. Auch hier muss die Spitex der Pflege zu Hause laufend erweitern und weil der unternehmerisch denken und Angebote wie Wäschediens- Leitsatz «ambulant vor stationär» umgesetzt wird. te, Beistandschaften und Fahrdienste schaffen. Sonst wer- Ich habe vor diesem Interview in der Spitex Regio Liestal eine den die Klienten vermehrt auf private Spitex-Organisatio- Umfrage zum Thema durchgeführt, und diese hat eindeutig nen ausweichen, die alle gewünschten Leistungen aus einer ergeben, dass die pflege- und medizintechnischen Anforde- Hand anbieten. Ich bin aber optimistisch, dass sich parallel rungen an die Spitex immer weiter steigen. Die Spitex wird zu diesem Trend auch Modelle für unentgeltliche Betreu- in Zukunft also sehr viele sehr komplexe Fälle wie multimor- ungsleistungen etablieren. So wäre es unter anderem denk- bide Klienten versorgen, und dies mit den unterschiedlichs- bar, dass die wachsende Zahl der Rentnerinnen und Rentner ten modernen Therapien und Technologien. sich künftig häufiger gegenseitig unterstützt. Klientinnen und Klienten werden laut einer explorati- Sie haben im Vorstand von Spitex Schweiz das Res- ven Umfrage, die Spitex Schweiz 2019 durchgeführt sort Qualität inne. Wie kann die Spitex die hohe Qua- hat, nicht nur in Bezug auf ihren Bedarf anspruchsvol- lität ihrer Dienstleistungen aufrechterhalten, obwohl ler – sondern auch in Bezug auf ganz persönliche Wünsche und Ansprüche. Ist der Klient der Zukunft also fordernder und kritischer? Zur Person Auch diese Entwicklung zeigt sich im Spitex-Alltag deutlich Claudia Aufdereggen, 55, ist Pflegefachfrau HF mit einem Master in und dürfte weiter voranschreiten. Denn die künftigen Be- Betriebsökonomie und Gerontologie. In den 1980er-Jahren war sie eini- tagten sind es gewohnt, dass sie aus zahlreichen Angeboten ge Jahre für die Spitex tätig und kehrte im Jahr 2000 zur Spitex zurück; wählen dürfen – zum Beispiel täglich zwischen Aldi, Coop seit 2003 ist sie Geschäftsleiterin der Spitex Regio Liestal [vgl. auch ihre oder auch einem Spezialitätenladen. Ähnlich wird der Klient Ausführungen zum betreuten Wohnen S. 39]. Seit 2015 ist sie zudem der Zukunft über die Spitex denken: Er wird alle Angebote Vorstandsmitglied von Spitex Schweiz mit dem Ressort Qualität, zuvor auf dem Markt genau prüfen und öfters den Anbieter wech- war sie mehrere Jahre im Kantonalverband tätig. seln, wenn er ein anderes Angebot für besser oder günstiger
18 GESELLSCHAFT FOKUS SPITEX MAGAZIN 6 / 2020 | DEZEMBER/JANUAR sie immer mehr Technologien beherrschen und genden zum Beispiel beim Mobilisieren von Klienten unter- Sonderdienstleistungen anbieten sollte? stützen. Über kurz oder lang wird die Spitex im Markt nur Erstens muss die Spitex gezielt Aus- und Weiterbildungen bestehen können, wenn sie mit der rasanten Entwicklung organisieren, um den steigenden Ansprüchen gerecht zu solcher Technologien mithält – oder sie sogar durch inno- werden. Zweitens muss sie vative Projekte vorantreibt. sich aktiv in die Entwicklung Wichtig ist dabei, dass jeder der Ausbildung in der ge- «Wollen wir, dass unsere Mensch die Wahl hat, ob er samten Branche einbringen. Und drittens sollte sie sich älteren Mitmenschen auch die Technologien nutzen will. Das gilt auch für Spi- horizontal und vertikal spe- zialisieren: Horizontal be- in Zukunft gut gepflegt tex-Mitarbeitende: Vor ei- nigen Jahren haben Ange- deutet Spezialisierungen in- werden, müssen wir jetzt hörige in der Wohnung nerhalb jeder Organisation. eines Klienten mehrere Vi- In den vergangenen Jahren in die Pflegebranche deokameras installiert. Da- zeigte sich zum Beispiel klar mit überwachten sie aber ein steigender Bedarf nach investieren.» auch die Spitex, was un- Psychiatriepflege und Pal Claudia Aufdereggen ethisch ist. Um unsere Mit- liative Care. Und an solche arbeitenden zu schützen, Entwicklungen sollte die Strategie jeder Spitex-Organisation haben wir durchgesetzt, dass die Kameras während unse- angepasst werden. Mit vertikaler Spezialisierung meine ich, rer Einsätze abgeschaltet wurden. dass die Spitex ihr Angebot auch erweitern kann, indem sie die Kooperation mit anderen Leistungserbringern optimiert. Die Zahl der Spitex-Klienten steigt laufend [vgl. S pitex-Statistik S. 4]. Deswegen ist in der ambu- Stichwort Kooperation: Die integrierte Versorgung, lanten Pflege bis 2030 mit einem Mehrbedarf an die eines Ihrer Spezialgebiete ist, wird oft als Zukunft Fachkräften von rund 57 Prozent zu rechnen, wie der unseres Gesundheitssystems bezeichnet. Ist der Spi- nationale Versorgungsbericht 2016 festhält. tex-Klient der Zukunft also eigentlich ein Klient des Wird der K lient der Zukunft unter dem Fachkräfte- Gesamtsystems, in dem sich die Grenzen zwischen mangel leiden? den Leistungserbringern auflösen? Das droht zu passieren, denn hinsichtlich des Fachkräfteman- Ich glaube nicht, dass sich die Grenzen komplett auflösen. gels ist es 5 vor 12. Die Politik muss hier dringend etwas un- Die integrierte Versorgung soll die einzelnen Leistungser- ternehmen. Denn wollen wir, dass unsere älteren Mitmen- bringer aber näher zusammenrücken, damit sie gemeinsam schen auch in Zukunft gut gepflegt werden, dann müssen wir die optimale Lösung für jede Klientin und jeden Klienten su- jetzt in die Pflegebranche investieren. Gerne wird vergessen, chen. Der Klient der Zukunft wird von der Spitex insbeson- dass jeder immer älter wird und möglicherweise eines Tages dere erwarten, dass sie die Schnittstellen zu anderen Leis- Hilfe und Pflege benötigt. Ausserdem gilt es, die Branche Spi- tungserbringern optimiert. Diese schwierige Aufgabe dürfte tex auch jungen Menschen als tollen Arbeitsplatz mit guten durch die Digitalisierung vereinfacht werden. Beispielswei- Laufbahnmöglichkeiten schmackhaft zu machen. Diese Auf- se kann eine Spitex-Mitarbeiterin während eines Einsatzes gabe müssen wir selbst wahrnehmen und uns im Ausbil- einen Arzt zuschalten, wie es in Genf bereits getan wird [vgl. dungsbereich weiterhin tatkräftig engagieren. «Spitex Magazin» 4/2020; Anmerkung der Redaktion]. Nun haben wir über vieles gesprochen, was den Die moderne Technologie wird die Spitex künftig Klienten der Zukunft von demjenigen heute unter- auch anderweitig unterstützen, zum Beispiel durch scheidet. Gibt es auch Aspekte, die sich kaum Roboter – oder durch Sensoren, welche die Klienten verändern werden? überwachen [vgl. Artikel S.27]. Diese Technologien Ich denke, dass sich viele grundpflegerische Aspekte eben- werden aber auch kritisch betrachtet. Zu Recht? so wenig verändern werden wie die Bedürfnisse der Men- Solche Technologien werden sich unaufhaltbar durchset- schen, von denen die Spitex viele abzudecken vermag. Dazu zen. Die Spitex tut folglich gut daran, die Chancen dieser gehört zum Beispiel der Wunsch nach einer positiven Bezie- Entwicklung zu sehen. So können uns Sensoren in Zukunft hung zu den Spitex-Mitarbeitenden. Viele Kernaufgaben der bei der Früherkennung von Demenz helfen. Und viele be- Pflege – wie die Beziehungsarbeit, der empathische Aus- tagte Menschen akzeptieren die Überwachung durch Sen- tausch und das einfühlsame Beraten – werden in Zukunft soren bereitwillig, wenn sie dafür sicher zu Hause leben genauso wichtig sein wie heute, egal ob sie im direkten Kon- können. Roboter sind ebenfalls hilfreich, weil sie die Pfle- takt oder über digitale Kanäle geschehen.
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