Gewerkschaftliche Grüne Delegierte 2012 - Arbeit und Leben NRW
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Projektmanagement Innovatione Apprendimento Lavoro IAL Toscana - Italien Confederazione Italiana Sindacato Lavoratori CISL – Italien Verantwortlich für Texte Ecologia e Lavoro - Italien Confederazione Italiana Sindacato Lavoratori CISL – Italien Partner: Arbeit und Leben DGB/VHS NW e.V. – Deutschland o in Kooperation mit Deutscher Gewerkschaftsbund - DGB NRW Industriegewerkschaft Bauen Agrar-Umwelt - IG BAU Westfalen Конфедерация на труда - Confederation of Labour PODKREPA – Bulgarien Confédération Démocratique du Travail CFDT – Frankreich ΕΡΓΑΤΟΫΠΑΛΛΗΛΙΚΟ ΚΕΝΤΡΟ ΑΘΗΝΑΣ - Athens Labour Unions Organization EKA – Griechenland Fédération Générale du Travail de Belgique FGTB – Belgien Trades Union Congress TUC – Vereinigtes Königreich Mit Unterstützung durch European Trade Union Confederation, ETUC - Belgien Dieses Projekt wurde unterstützt mit Mitteln der Europäischen Union (Budgetlinie 04 03 03 02, Informations- und Trainingsmaßnahmen für Arbeitnehmerorganisationen, Aufruf VP/2011/002. Identifikationsnummer des Projektes VS/2011/0188). Die Verantwortung liegt bei den Autoren und die Kommission ist nicht verantwortlich für mögliche Nutzungen der hier enthaltenen Informatio- nen. 2
Inhaltsverzeichnis Vorworte Einführung Kapitel 1. Nachhaltige Entwicklung Kapitel 2. Der europäische Rahmen Kapitel 3. Umweltgerechtes Verhandeln für eine kohlen- stoffarme Wirtschaft: ein bottom-up-Ansatz Kapitel 4. Umweltvertreter der Gewerkschaften am Arbeits- platz Kapitel 5. Die Rolle der Gewerkschaften bei lokalen und ge- sellschaftlichen Umweltfragen Kapitel 6. Arbeitsplätze und Fähigkeiten für einen gerech- ten Übergang Kapitel 7. Gewerkschaften und internationales Handeln Anhang I Die Projektpartner Anhang II Liste nützlicher Links zu Beispielen betrieblicher Praxis 3
Projektpartner des Green-Delegates-Projektes beim zweiten Projekttreffen im April 2012 im Centro Studi CISL, Florenz. Foto: Jürgen Lange. 4
Vorworte Gewerkschaften als Treiber einer nachhaltigen Wirtschaft in Europa Europäische Gewerkschaften arbeiten an der Umsetzung der Europa 2020-Ziele Nachhaltigkeit hat das Potenzial, Zukunftsfähigkeit in Europa zu sichern. Die Auswirkungen der Klimaschutzpolitik und die Umstellung auf erneuerbare Energien, Ressourcen- und Materialeffi- zienz auf betrieblicher Ebene oder auch die Sicherung der Bio-Diversität – das sind nur einige Handlungsfelder, die künftig für gewerkschaftliche Akteure in Europa größere Bedeutung bekom- men werden. Die Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie bietet auch ökonomische Chancen, und damit die Aussicht auf Arbeitsplätze und Einkommen. Diese ökologische Wende wird jeden Wirt- schaftsbereich betreffen, in dem Emissionen entstehen, und damit auch die dort Beschäftigten und ihre Interessenvertretungen. Im Rahmen des Projektes „Trade Unions’ Green Delegates for the Europe 2020 Objectives“ tauschte ein Team gewerkschaftlicher Akteure aus sechs Ländern gemeinsam mit dem ETUC, dem Europäischen Gewerkschaftsbund, Erfahrungen über gute Praxisbeispiele aus (z.B. ein Eco- Label für die Tourismusbranche in Belgien, ein Abkommen zur Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks aus Großbritannien oder ein Beispiel zur Produktkonversion aus Deutschland) und produzierte einen Leitfaden für gewerkschaftliche Akteure in Europa: Was kann ein Green Delega- te tun, um in seinem Umfeld etwas für eine nachhaltige Entwicklung zutun? Wo fängt er an? Wie geht er vor? Die englische Version „Geen Delegate“ haben wir im Text so belassen, da er in Euro- pa auf Grund unterschiedlicher gewerkschaftlicher Strukturen immer auch unterschiedlich gedeutet wird. Gemeint sind je nach Anwendungsfeld Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter in Betrieben und gewerkschaftliche Akteure in Betrieben. Experten des DGB NRW und der IG BAU beteiligen sich an dem Projekt, dass auf deutscher Seite von Arbeit und Leben NRW koordiniert wurde. Die inhaltliche Arbeit der Gewerkschafter wurde durch Beiträge von Experten ergänzt. Mit Vertre- tern der OECD, von Arbeitgeberverbänden und Umweltexperten wurde die Bedeutung des Kon- zeptes einer „Green Economy“ kritisch diskutiert. Der gewerkschaftliche Standpunkt ist klar: Keine Green Economy ohne gute Arbeit. Ist ein fairer Übergang in eine nachhaltige Wirtschaft sichergestellt, kommt Gewerkschaften eine wichtige Funktion zu: Sie müssen den notwendigen Kulturwandel befördern, nachhaltige Lösungen im sozialen Dialog weitertreiben und Beschäftigte und Interessenvertretungen in den Betrieben unterstützen. Dabei können die europäischen Gewerkschaften viel voneinander lernen. Die Er- gebnisse des Projektes sollen als Fundament für künftige Aktivitäten dienen. Sabine Katzsche-Döring, IG BAU, Regionalbüro Westfalen Jürgen Lange, Arbeit und Leben DGB/VHS NW Achim Vanselow, DGB Bezirk Nordrhein-Westfalen 5
Vorwort Ecologia e Lavoro Dieser Leitfaden wurde produziert von Ecologia e Lavoro, einem Partner in dem von CISL Toscana in Italien geleiteten Projekt, zusammen mit Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern aus Bel- gien, Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Griechenland und Großbritannien. Der Leitfaden soll Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und Gewerkschaftsvertretern in der EU das Handwerkszeug liefern, um Gewerkschaftsarbeit und Maßnahmen für eine nachhaltige Ent- wicklung zu planen. Der Leitfaden umfasst sowohl die Rahmenbedingungen der europäischen Energiepolitik und der Politik des Klimawandels als auch viele praktische Beispiele für gewerkschaftliche Aktionen, die auf lokaler Ebene und am Arbeitsplatz durchgeführt werden können. Es ist nicht immer einfach, andere davon zu überzeugen, dass die Antworten auf die ökonomi- schen, ökologischen und sozialen Krisen ein und dieselben sind. Diese Ideen werden nicht immer sofort akzeptiert. Wir brauchen weiterhin das Engagement von Arbeitnehmern, Arbeitgebern und Regierungen. Aber wir müssen neue Wege finden, um neuen Herausforderungen zu begegnen und dieser Leitfaden will Wege dahin aufzeigen. Besonderer Dank gebührt den Experten, die mit ihrer Arbeit dazu beigetragen haben: Roberto Ca- racciolo, Director ISPRA (Institut für Umweltforschung) und Professor Mark Frey (Sant' Anna Col- lege der Universität Pisa). Besonderer Dank geht an Elizabeth Biliotti, Giuseppe D'Ercole und Gabriella Fenili, die den ur- sprünglichen Bericht verfasst haben. Sergio Sorani Ecologia e Lavoro 6
Gewerkschaften sind Akteure des sozialen und ökologischen Wandels: Lasst uns auch so handeln! Europa ist an vielen Fronten in der Krise und jede stellt eine fundamentale Herausforderung für Gewerk- schaften und ihre Mitglieder dar. 25 Millionen Menschen in der EU sind ohne Arbeit, denn die Arbeitenden zahlen für die Bankenkrise mit tiefen Einschnitten bei Arbeitsplätzen, Löhnen und öffentlichen Diensten. Die Hälfte der jungen Menschen in Ländern wie Spanien und Griechenland ist arbeitslos und die wirtschaftliche Unsicherheit vergrößert die Kluft zwischen Reichen und Armen und schafft größere Ungleichheit und ein geteilteres Europa. Zusätzlich sorgen konjunkturelle Unwägbarkeiten dafür, dass sich die Menschen weniger Sorgen um die Umwelt und den Klimawandel machen in einer Zeit, in der wir wissen, dass wir den Planeten durch unseren Verbrauch an Energie und natürlichen Ressourcen in völlig untragbaren Mengen an seine Grenzen treiben. Doch innerhalb dieser kritischen Herausforderung des Klimawandels liegt die reale Mög- lichkeit für eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung, die zu Wachstum, Investitionen, neuen Arbeitsplätzen und Qualifikationen führt. Bei all dem spielen die Gewerkschaften eine Schlüsselrolle, wie sie in demokrati- schen Veränderungen bewiesen haben, die in Frankreich, Griechenland, Deutschland und anderswo offen- sichtlich sind. Es gibt Alternativen zu Rezession und Sparmaßnahmen. Dieses Handbuch wurde in Zusammenarbeit von Gewerkschaften aus sieben Ländern (geleitet von CISL Toscana in Italien) entwickelt. Es soll Arbeitnehmer und Gewerkschaftsvertreter mit Werkzeugen zur Gewerkschaftsarbeit und mit Maßnahmen für eine nachhal- tige Entwicklung ausstatten. Als Gewerkschafter erkennen wir die Pflicht an, ein Teil der Lösung zu sein. Für den Europäischen Gewerk- schaftsbund (EGB) ist Europa heute mit einer dreifachen Krise konfrontiert: Sozial: Europa erreicht den höchsten je gemessenen Stand der Arbeitslosigkeit. Ar- beitsplätze, Löhne und Arbeitsbedingungen sind unter Druck. Es hat einen dramati- schen Anstieg unsicherer, prekärer Beschäftigungsverhältnisse in Europa gegeben, wobei die Jugendarbeitslosigkeit die Hoffnungen einer ganzen Generation ruiniert. Doch aufgrund mangelnder Führungskompetenz haben wir Kompetenzlücken in wichti- gen Schlüsselbranchen und Berufen. Wir brauchen Strategien zur Schaffung von Ar- beitsplätzen die den Wert und die Qualität von Arbeit fördern. Umweltbezogen: Extreme Wetterereignisse, die wir seit einiger Zeit erleben, werden immer häufiger. Meinungsumfragen zeigen, dass die Mehrheit der Bevölkerung in der Europäischen Union die globale Erwärmung als eines der weltweit größten Probleme sieht, mit allen Implikationen für den Verlust der Artenvielfalt und extreme Wetterereig- nisse. Der Klimawandel stellt eine Gefahr für den Frieden weltweit dar, denn Ressour- cen und Energie sind immer teurer und damit Thema des Konflikts geworden sind. Unser Finanzsystem ist pleite. Unser gescheitertes Bankensystem arbeitet nicht für die Realwirtschaft. Es ist unfähig, die erforderlichen Investitionen zu tätigen, um die lang- fristigen Herausforderungen des Klimawandels und der Ressourcenverknappung zu bewältigen. Die Vereinten Nationen schätzen die Kosten für die Bewältigung dieser Herausforderungen des Klimawandels auf mindestens 2% des weltweiten BIP. Wäh- rend wir leicht in der Lage sind, finanzielle Mittel für Subventionen von fossilen Brenn- stoffen oder von Militärausgaben zu finden, müssen wir darum kämpfen, das Geld in unsere Gemeinden zu investieren und in das Öko-System unseres Planeten, von dem wir abhängen. Als Gewerkschaften sind wir zu einer nachhaltigen Entwicklung verpflichtet. Wir haben in der Ver- gangenheit auf die Gesundheit der Arbeitnehmer und ihre Arbeitsplatzsicherheit und auf Umwelt- vorschriften gedrängt und müssen dieses Erbe auch weiterhin für unser Wohlergehen in der Zu- kunft verteidigen. Dies bedeutet eine Veränderung der Art, wie wir Waren und Dienstleistungen produzieren und 7
konsumieren, damit wir Ressourcen schonen, intelligenter arbeiten und die Zerstörung der le- benswichtigen Ökosysteme vermeiden, die unsere Meere und Wälder uns zur Verfügung stellen. Es bedeutet, dringend nach Alternativen zu fossilen Brennstoffen - Öl, Gas, Kohle - zu suchen. Wir brauchen Investitionen in die neuen Technologien der Zukunft und in die Arbeitsplätze und die Fähigkeiten, mit ihnen umzugehen: Solar- und Windenergie, Elektrofahrzeuge und Züge, die Ab- scheidung und Speicherung von Kohlenstoff-Emissionen, Energie sparen zu Hause und bei der Arbeit. Energie- und Ressourceneffizienz in dem Umfang, den Klimawandel und "planetarische Grenzen“ zu fordern heißt auch, neue Modelle wie die " Kreislaufwirtschaft " zu fördern. Sie basiert auf der Entwicklung von Produkten, die in ihre Bestandteile zerlegt und am Ende ihres Lebenszyk- lus wiederverwendet werden können. Sie bedeutet weniger Verbrauch von Rohstoffen und Ener- gie, viel mehr Recycling und die Wiederverwendung von Abfällen als Rohstoff für neue Produktion. Für den EGB bedeutet dies eine grundlegende und notwendige Veränderung unserer Gesellschaf- ten, in denen die Gewerkschaften eine zentrale Rolle spielen. Unsere Herausforderung ist es, das Potenzial für die Schaffung von Arbeitsplätzen und sozialen Zusammenhalt für die Arbeitnehmer und ihre Familien bestmöglich zu fördern, aber auch negative Folgen zu vermeiden, wo immer sie auftreten können. Deshalb haben wir uns konsequent für einen "gerechten Übergang" zum ener- gie- und ressourceneffizienten Modell ausgesprochen, das wir dringend brauchen. Unser gerechter Übergang ruht auf fünf Säulen: 1. Partizipation und Dialog auf allen Ebenen 2. Investitionen in die Schaffung von Arbeitsplätzen und in die Transformation durch kohlen- stoffarme Industriepolitik und Investitionen in die Infrastruktur 3. Effektive und öffentlich gesteuerte Lern- und Qualifikationsprogramme, darunter unabhän- gig vom Arbeitsvertrag ein individuelles Recht auf Weiterbildung für alle Arbeitnehmer 4. Respekt vor Gewerkschafts- und Menschenrechten; keine Arbeit kann „grüne“ Arbeit sein, die keine menschenwürdige Arbeit ist 5. Soziale Sicherheitsnetze für diejenigen Arbeitnehmer die durch den Übergang negativ be- einflusst werden, mit aktiver Arbeitsmarktpolitik und gut finanzierten Systemen der sozialen Sicherheit. Für den EGB spielen alle Arbeitnehmer unabhängig von Branche, Beruf, Ge- schlecht oder Alter eine Rolle bei diesem Übergang und bei der Sicherung der Ökologisie- rung ihrer eigenen Arbeitsplätze. Der EGB ist zu einem inklusiven Ansatz verpflichtet. Dieser Europäische Leitfaden für gewerkschaftliche Umweltbeauftragte soll als Werkzeug dienen, Gewerkschaftern auf allen Ebenen dabei zu helfen, die Bedeutung der nachhaltigen Entwicklung besser zu verstehen - wo der Finanzsektor für das Gemeinwohl arbeitet, wo das Wachstum die Umwelt respektiert und wie "gerechter Übergang“ als Weg gefördert werden kann. Das Handbuch enthält Informationen über bereits vorhandene Instrumente, Beispiele gewerkschaftlicher guter Praxis, die Rechte und Politikansätze, die wir fördern wollen und die Ziele, die wir erreichen wollen. Ich hoffe, dieser Ratgeber wird sich für Gewerkschafter als nützlich dabei erweisen, Wege nach- haltiger Entwicklung in ihren eigenen Industrien, an ihren Arbeitsplätzen und in ihren Gewerkschaf- ten zu finden. Und er zeigt den Wert der Stimmen der arbeitenden Bevölkerung in diesem lebens- wichtigen Bereich. Ob durch gewerkschaftseigene Initiativen oder im Rahmen von Tarifverhand- lungen, ich hoffe, dass dieser Leitfaden Gewerkschaftsvertretern Inspirationen vermittelt und den Gewerkschaften eine solide Grundlage zur Zusammenarbeit liefert, um Lösungen zu fördern für die Menschen und den Planeten und nicht lediglich für den Profit. Viel Erfolg mit Euren Bemühungen um grünere Arbeitsplätze, wo immer sie sein mögen. Judith Kirton-Darling ETUC 8
Unsere Mission heißt "Ökologisierung" Die Arbeiten an diesem europäischen Leitfaden für gewerkschaftliche Umweltbeauftragte wurde von CISL Toscana (zusammen mit IAL Toscana und Ecologia e Lavoro) geleitet und von der E- TUC und sechs Gewerkschaftspartnern unterstützt: Arbeit und Leben DGB / VHS NW e.V. – Deutschland Confederation of Labour PODKREPA – Bulgarien Confédération Démocratique du Travail – Frankreich EKA Athens Labour Unions Organization – Griechenland Fédération Générale du Travail de Belgique – Belgien Trades Union Congress (TUC) - UK Der Leitfaden soll den Arbeitnehmern und Gewerkschaftsvertretern in der EU das Handwerkzeug dazu liefern, gewerkschaftliche Arbeiten und Maßnahmen für eine nachhaltige Entwicklung leisten zu können. Der Leitfaden basiert auf den Erfahrungen von Gewerkschaftern, die sich seit mehreren Jahren für die nachhaltige Entwicklung engagieren, mit dem Ziel, das Interesse aller Gewerkschafter für die Herausforderung der Ökologisierung der Wirtschaft zu wecken. Nachhaltiges Wirtschaftswachstum ist ein entscheidender Faktor um unseren Lebensraum Erde und den künftiger Generationen ge- rechter und inklusiver zu sichern. Um wirksam und inklusiv zu sein, muss die Teilnahme an dieser großen Transformation am Ar- beitsplatz beginnen. Das ist das Ziel dieses grünen Leitfadens: möglichst alle Arbeitsplätze und Mitarbeiter zu erreichen. Der Begriff "grün", wie er in diesem Handbuch verwendet wird, bedeutet streben nach einem grü- neren Planeten und einer sichereren Erde, die für alle Arten sorgt, die auf ihr leben. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit bei der Benutzung des Ratgebers und viel Erfolg bei Ihrer Arbeit. Besonderer Dank geht an Gabriella Pusztai von IAL Toscana für ihre sorgsame Arbeit bei der Ko- ordinierung der Partner und an das nationale CISL-Sekretariat, das mit Fulvio Giacomassi konti- nuierlich volle Unterstützung und Vertrauen gewährleistet hat. Renato Santini CISL Toscana 9
Geleitworte „Nicht wir entfernen uns vom Kerngeschäft. Es besteht vielmehr umgekehrt die Gefahr, dass sich das Kerngeschäft von uns entfernt. Ich erwarte, dass Elektroantriebe sich schneller durchsetzen werden, als von vielen erwartet wird. Das hätte für uns als Motorenwerk gravierende Folgen. Des- halb müssen wir intensiv über alternative Produkte nachdenken, die wirtschaftlich sind und gleich- zeitig Beschäftigung sichern.“ Andreas Blechner Betriebsratsvorsitzender VW Salzgitter „Betriebsräte stehen für Nachhaltigkeit. Versorgungssicherheit und Strom der kein Luxus ist, sind für private Haushalte und Wirtschaft gemeinsam wichtig. Ein gemeinsames Ziel gibt Motivation. Daran wollen wir arbeiten.“ Pietro Bazzoli Betriebsratsvorsitzender Siemens Energy, Mülheim/Ruhr 10
Einführung Grünere Wirtschaft “Die schwerwiegenden Krisen in der Wirtschaft und auf dem Arbeitsmarkt, die wir zurzeit erle- ben, untergraben unsere sozialen Strukturen. Für den Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) 1 gibt es eine ausweglose Alternative zum Spardiktat: ein nachhaltiger ‚New Deal‘ für Eu- ropa, basierend auf Investitionen und nachhaltiger politischer Steuerung für die Zukunft. Dies ist die Zukunft der Arbeit. Sie verändert die Wirtschaft nicht nur im Hinblick auf Klima und Energie, sondern hinterfragt gleichzeitig die Nutzung unserer Ressourcen. Wir als Gewerk- schaft tragen die Verantwortung dafür, unsere Vertreter im sicheren Umgang mit grünen The- men auszubilden und zu unterstützen. Gewerkschaften sind wichtige Interessenvertretungen und fordern ein langfristig orientiertes Mitspracherecht bei Industriepolitik, Klimawandel und Umwelt. Die gewerkschaftliche Bewegung und der soziale Dialog bilden die wichtigsten Säulen des Wandels zu einer nachhaltigen Zukunft.“ Judith Kirton-Darling, politische Sekretärin des EGB Die Beschäftigungschancen einer grüneren Wirtschaft unbedingt zu nutzen ist eine Schlüsselemp- fehlung des Ausschusses für Beschäftigung der Europäischen Union (EU)2. Dessen Report To- wards a greener labour market - the employment dimension of tackling environmental challenges (2010) hebt die Zusammenhänge zwischen Klimawandel, ökologischer Nachhaltigkeit und Ar- beitsmarkt hervor. Eine auf neue, zum Beispiel erneuerbare Industriezweige begrenzte Definition von “grüner Wirtschaft” oder “grünen Jobs”, wird den vielen vor uns liegenden Veränderungen der Arbeitswelt nicht gerecht. Ein „gerechter Übergang” wird die ganze Welt der Arbeit beeinflussen “ähnlich wie die Herausforderungen der Globalisierung, des technologischen Wandels und der alternden Bevölkerung” (Europe 2020’s strategy). Also müssen europäische und nationale Gewerkschaften sich auf adäquate Beschäftigungs- Strategien unter Berücksichtigung der Herausforderungen des Klimawandels fokussieren. Es gilt, unsere Kapazitäten zu erweitern, damit wir einen effektiven Beitrag zum Aufbau einer neuen Wirt- schaft schaffen, die den Klimawandel eingrenzt und die Zahl neuer Möglichkeiten für Arbeitnehmer maximiert. Kritische Umweltprobleme Die ökologischen Folgen industrieller Entwicklung für die menschliche Gesundheit – zum Beispiel Atemwegserkrankungen aufgrund von Luftverschmutzung – beschränkten sich anfangs auf die lokale Ebene, haben aber mittlerweile zunehmend eine globale Dimensionen angenommen. Das erste globale Umwelt-Phänomen, der sogenannte “saure Regen”, wurde verursacht durch Schwefeldioxid- und Stickstoffoxid-Emissionen aus Kraftwerken mit Schäden für das Erdreich, die Vegetation, das Wasservorkommen und das Ökosystem. Daraufhin führten die Regierungen der einzelnen Staaten sowie die EU strenge Reglementierungen ein, um die Emissionen von Kraft- werken und anderen Branchen zu bekämpfen. Im Laufe der Zeit ist die Zahl der unerwünschten Schadstoffe in der Umwelt erheblich gestiegen. Die folgenden kritischen Themen werden von der Europäischen Umweltagentur zur Erstellung re- gelmäßiger Berichte über die Lage der Umweltbeschaffenheit in Europa herangezogen: 1 Auszüge aus Judith Kirton-Darlings Rede, Florenz, 19. Januar 2012 2 http://ec.europa.eu/social/main.jsp?langId=it&catId=89&newsId=970&furtherNews=yeshttp://ec.europa.eu/social/Blob Servlet?docId=6438&langId=en 11
Umweltthemen Treibhausgase und Klimawandel Ozonabbau Artenvielfalt Grenzübergreifende Luftverschmutzung Gefahrstoffe Wasserstress Bodendegradation Abfall Natürliche und technologische Gefahren Genetisch veränderte Organismen Menschliche Gesundheit Stadtgebiete Küsten- und Meeresgebiete Ländliche Gebiete Gebirge Die ersten vier haben eine globale Reichweite und erfordern ein Abkommen zwischen allen Natio- nen. Das macht es schwerer, sie effektiv zu bekämpfen, wie die Erfahrungen mit dem Rahmenab- kommen der UN zum Klimawandel zeigten. Weitere Schwierigkeiten bezüglich dieser kritischen Fragen liegen in ihrer gegenseitigen Verwo- benheit.. Der Klimawandel zum Beispiel ist Wegbereiter einer erheblichen Zahl von Umweltaus- wirkungen. Grundsätzlich verursacht der von Treibhausgas-Emissionen vorangetriebene Klima- wandel eine starke (Zer-)Störung von Lebensräumen durch extreme Wetterereignisse, vermehrte Desertifikation, Meeresspiegelanstieg und Gletscherschmelze mit schwerwiegenden Konsequen- zen für die Artenvielfalt. Bestehende Arten könnten aussterben, während sich gebietsfremde Arten in neuen Territorien einfinden – als Beispiel sei die Asiatische Tigermücke genannt, die nun Krankheiten in Europa verbreitet. Die Kette durchbrechen Die Lösung liegt im Aufbau einer nachhaltigen Zukunft und der Umgestaltung der Arbeitswelt. Wir müssen uns in die Lage versetzen, geschickt aushandeln zu können, dass die Bekämpfung des Klimawandels in unseren Wissenskanon aufgenommen wird. Das Aushandeln einer CO2-armen Gesellschaft bedeutet die Erneuerung unseres gemeinsamen Ziels eines gerechteren und ver- antwortungsvolleren Zusammenlebens für jetzige und zukünftige Generationen. Wir sind uns der Schwierigkeit bewusst, eine einzige EU-Richtlinie zu schaffen, die die sehr diffe- renzierten Gewerkschaftstraditionen innerhalb der Gemeinschaft sowie die vielfältigen ökonomi- schen und regulativen Systeme der Mitgliedsstaaten berücksichtigt. Doch in unseren Augen ist ein gemeinsames Grundlagenwissen notwendig, um denen, die sich diesen dringenden Problemen nähern möchten, einen exakten Überblick sowie die Möglichkeit geben zu können, sich speziellen Initiativen anzuschließen. Im Kampf gegen den Klimawandel engagieren sich die EU, ihre Mitgliedsstaaten und der EGB in mehreren Schlüssel-Initiativen (siehe unten). Diese Liste ist nicht vollständig – nützliche Aktuali- 12
sierungen gibt es von der EU Generaldirektion für Umwelt3 und im vierteljährlich erscheinenden Magazin Umwelt für Europäer4. Europäische Umwelt-Initiativen 1. Seit der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC), die während der Konferenz 1992 in Rio de Janeiro unterschrieben wurde, setzen sich alle Staaten der Welt für den Kampf gegen Klimawandel und globale Erwärmung als Konsequenzen der Treib- hausgas-Emissionen ein5. 2. Die UNFCCC hielt ihre 17. jährliche Konferenz in Durban ab (Dezember 2011) und bekräftig- te dort die Notwendigkeit, die globale Erwärmung auf weniger als 2 Grad oberhalb des vor- industriellen Niveaus einzugrenzen (wissenschaftlich abgesichert, um irreparable Verände- rungen des Klimas und andere extreme Erscheinungsformen, die sonst eintreten würden, zu verhindern6). Verminderung globaler Erwärmung bedeutet einen rapiden Wechsel produkti- ver menschlicher Beschäftigung hin zu einer CO2-armen Wirtschaft. 3. Die EU hat bindende Vorgaben für ihre Mitgliedsstaaten festgelegt, um Treibhausgas- Emissionen innerhalb der EU um 20 % bis 2020 zu senken und bis 2050 einen ersten Fahr- plan für ihre CO2-arme Wirtschaft entworfen7. 4. Die “20-20-20”-Ziele der EU sind: - Eine Reduktion der Treibhausgas-Emissionen innerhalb der EU von mindestens 20 % unter dem Niveau von 1990 - 20 % des EU-Energieverbrauchs aus erneuerbaren Ressourcen - 20 % weniger Energieverbrauch im Vergleich zum prognostizierten Bedarf durch eine effizientere Energienutzung. 5. Europa 2020 ist die EU-Wachstumsstrategie für das kommende Jahrzehnt. In einer sich stets im Wandel befindenden Welt beabsichtigt die EU die Entwicklung einer “intelligenten, nachhaltigen und inklusiven Wirtschaft”8. Diese Strategie wird Europa helfen, die innen- und außenpolitischen Krisen zu bewältigen sowie Wettbewerbsfähigkeit, Produktivität, Wachs- tumspotenzial, sozialen Zusammenhalt und wirtschaftliche Konvergenz zu fördern. Das wird mittel- bzw. langfristige Reformen einleiten, die Wachstum und Beschäftigung fördern und die Staatsfinanzen nachhaltig erhalten. Alle gemeinsamen Vorgehensweisen, insbesondere die gemeinsame Agrar- und Sozialpolitik, sind mit dieser neuen Strategie abgestimmt. 6. Der EGB stimmt den Zielen der europäischen Strategie für 2020 zu und möchte sich daran gemeinsam mit seinen einzelnen Gewerkschaften und im Namen der 65 Millionen EU- weiten Mitglieder weiter beteiligen9. 7. Der EGB und die nationalen Gewerkschaften haben die Ziele der CO2-armen Wirtschaft (“20-20-20”) übernommen als eine Möglichkeit für Beschäftigungswachstum, Innovation und gleichmäßigere Entwicklung in Europa10. Der hier vorliegende Europäische Leitfaden für gewerkschaftliche Grüne Delegierte möchte die di- rekte Beteiligung von Gewerkschaften und Arbeitnehmern an besagten Schlüssel-Initiativen fördern. Gleiches gilt für das Verständnis von Umweltproblemen und Interventionsmethoden, um die Ver- wirklichung der von der Europäischen Union gesetzten Vorgaben voran zu treiben. 3 http://ec.europa.eu/environment 4 http://ec.europa.eu/environment/news/efe/index.htm 5 http://europa.eu/legislation_summaries/development/sectoral_development_policies/l28102_en.htm 6 http://unfccc.int/meetings/durban_nov_2011/meeting/6245.php 7 http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=IP/11/272&format=HTML&aged=0&language=EN&guiLangu age=en 8 http://ec.europa.eu/europe2020/index_en.htm 9 http://www.etuc.org/r/6 10 http://www.ituc-csi.org/IMG/pdf/2CO_10_Sustainable_development_and_Climate_Change_03-10-2.pdf; http://www.etuc.org/a/9159 13
Gewerkschaftliche Grüne Delegierte “Die Botschaft, die wir in der jetzigen Übergangsphase an gewerkschaftliche Grüne Delegierte rich- ten, lautet: ‘In deinem Unternehmen (in deinem Einzugsgebiet) kannst du Dinge verändern." Wir erweitern den Horizont von Gewerkschaftern um Themen, die nicht nur die Notwendigkeit, sondern auch die Chancen einer stabileren und wettbewerbsfähigeren Wirtschaft aufzeigen.”11 Verschiedene Traditionen bestimmen die gewerkschaftlichen Aktivitäten quer durch die EU, doch sie teilen alle die Prinzipien von Autonomie, Demokratie und Solidarität gegenüber ihren eigenen Communities. Während manche Gewerkschaften ihren Fokus auf erwerbsbezogene Themen rich- ten, arbeiten andere Gewerkschaften eher auf der Ebene lokaler, regionaler oder nationaler Insti- tutionen. Dieser Leitfaden soll allen europäischen Gewerkschaftlern nutzen, die sich engagieren oder ihr Handeln im Sinne der Umwelt verändern möchten. Er spiegelt die Fülle von Erfahrungen wider, die gemeinsame Praxis werden kann. Der Leitfaden widerspricht nicht der organisatorischen Selbstbestimmung nationaler Gewerk- schaften, die möglicherweise spezielle Beauftragte für grüne Themen, insbesondere Umweltprob- leme, in ihren Reihen haben, oder die sich dafür entscheiden, eine allgemeinere und breit gefä- cherte Umweltkultur zu fördert oder eine andere Ausrichtung haben. Jede Gewerkschaft wird vor dem Hintergrund ihrer Geschichte, ihrer Tradition oder sogar hinsichtlich ihrer Experimentierfreu- digkeit die richtige Organisationsform sowie die für sie angemessene und notwendige Rolle wäh- len. Dennoch können gewerkschaftliche Grüne Delegierte, wie auch immer man diese definiert, die Basis der EU-Umweltpolitik bilden. Sie sollten die Bedeutung der Klimawandel-Bekämpfung für die Wirtschaft bedenken und geben darüber hinaus der Aussage, Arbeitnehmer könnten tragende Säulen des Wandels sein, einen Sinn. 11 Auszug aus Sébastien Stormes Bemerkungen, Florenz, 19. Januar 2012. 14
Kapitel 1. Nachhaltige Entwicklung Was ist „nachhaltige Entwicklung“? Die klassische Definition von nachhaltiger Entwicklung lautet: “Entwicklung ist nachhaltig, wenn sie die Bedürfnisse der Gegenwart erfüllt, ohne dass sie zukünftige Generationen daran hindert, die eigenen Bedürfnisse zu erfüllen.” Brundtland-Bericht, 1987 Die UN gründeten 1983 die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung unter Vorsitz der nor- wegischen Premierministerin Gro Harlem Brundtland. 1987 veröffentlichte die Kommission den Brundtland-Bericht Unsere gemeinsame Zukunft. Angesichts zahlreicher Anzeichen von globaler Verschmutzung der Atmosphäre und der Umwelt sowie der Tatsache, dass der Planet über seine Verhältnisse lebt, stärkte der Bericht erstmalig das Konzept nachhaltiger Entwicklung (siehe oben). Mit der Zeit bedeutet Nachhaltigkeit, eine Balance zwischen Bevölkerung, Ressourcen und Umwelt zu finden. Die Kommission machte deutlich, dass weit verbreitete Armut nicht länger hinnehmbar sei: Nach- haltige Entwicklung erfordert die Erfüllung der Grundbedürfnisse aller und soll darüber hinaus das Bestreben nach einem besseren Leben für jeden ermöglichen. Eine Welt, in der Armut herrscht, wird stets zu ökologischen und anderen Katastrophen neigen. Die Grundbedürfnisse zu befriedi- gen erfordert nicht nur eine neue Ära ökonomischen Wachstums in Ländern, in denen die Mehr- heit verarmt ist, sondern die Garantie, dass diese arme Bevölkerung eine faire Beteiligung an Ressourcen bekommt, um Wachstum zu festigen. Diese Gerechtigkeit würde geschützt von politi- schen Systemen, die effektive Bürgerbeteiligung garantieren, sowie von einem größeren Maß an Demokratie in der internationalen Entscheidungsfindung. Eine frühe Antwort auf die voranschreitenden institutionellen und politischen Umweltkrisen ist das Gesetz über nationale Umweltpolitik der Vereinigten Staaten aus dem Jahr 1969 (National Envi- ronmental Policy Act, NEPA). Das Gesetz etablierte nationale Grundsätze zur Verbesserung der Umwelt. Nach NEPA führten auch andere Länder spezielle Gesetze und Institutionen zur Umset- zung von Umweltpolitik ein. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (United Nations Environment Programme, UNEP) wurde auf der ersten Weltumweltkonferenz in Stockholm (1972) ins Leben gerufen. UNEP über- wacht das Umweltprogramm der UNO, das hauptsächlich Umweltabkommen zwischen Regierun- gen und internationalen Behörden fördert und unterstützt. Schlussendlich ist nachhaltige Entwicklung kein fixer Harmoniezustand, sondern vielmehr ein Wandlungsprozess in dem die Nutzung von Ressourcen, die Koordination von Investitionen sowie die Ausrichtung von technologischer Entwicklung und institutionellem Wandel in Einklang stehen mit dem Aufrechterhalten einer Zukunft, die ebenso komfortabel ist wie die Gegenwart. Rio-Konferenz 1992 – Prinzipien und Maßnahmen Eine strukturiertere Definition von nachhaltiger Entwicklung beinhaltet der Maßnahmenplan, der während der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Ja- neiro geschaffen wurde („The Earth Summit“): Die „Agenda 21“ oder „die Agenda von den Dingen, die getan werden müssen“, ist global, national und lokal im 21. Jahrhundert verankert, um die Ziele nachhaltiger Entwicklung zu erreichen. Die Agenda 21 benennt die sozialen und ökonomischen Dimensionen von Umweltproblemen. In- dustriestaaten schlägt sie tiefgreifende Veränderungen der aktuellen Lebens- und Arbeitsweise vor, während sie für Entwicklungsländer ein umweltfreundliches Wirtschaftswachstumsprogramm 15
vorsieht. Dies basiert auf dem Kampf gegen schwerwiegende soziale Ungleichheiten, auf Gebur- tenkontrolle und auf der Überlebensfähigkeit urbaner Ballungsgebiete. Teil der Agenda 21 ist das Umweltprogramm für den Erhalt und die Verwaltung von Ressourcen im Sinne des Fortschritts. Es umfasst Themen wie den Schutz der Atmosphäre, ganzheitliche Boden- bewirtschaftung, Kampf gegen das Abholzen von Wäldern, Desertifikation und Dürre, nachhaltige Agrarwirtschaft, Artenvielfalt, Wasserschutz und die ökologisch optimale Verwaltung giftiger Stoffe und aller Abfallarten. Für jedes Thema bestimmt die Agenda 21 Ziele, die Aktivitäten, die die Länder ausführen müssen, erforderliche technische und finanzielle Mittel sowie die legalen und institutionellen Mittel, die nötig sind. Definiert sind die Rollen von sozialen und wirtschaftlichen Gruppen, deren Mitwirkung die Regie- rungen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung verstärken sollten. Dies sind Frauen, Kinder und junge Menschen, Arbeitnehmer und Gewerkschaften, Landwirte, wissenschaftliche Forschungen und Ergebnisse. Hervorgehoben wird die Notwendigkeit zur Förderung der Teilhabe verschiedener Interessenvertreter an Umweltpolitik, statt des Anweisungs- und Kontrollansatzes12, der die Um- weltpolitik in der Vergangenheit geprägt hat. Zu guter Letzt liegt auch eine detaillierte Analyse von Werkzeugen zur Umsetzung des Programms vor. Sie reicht von finanziellen Instrumenten – wie der Hilfe von Industriestaaten für Entwicklungs- länder durch einen steigenden Anteil am Bruttoinlandsprodukt – bis hin zu wissenschaftlichen, technologischen und bildungspolitischen Initiativen wie Befähigung, Training, Information, Vorbe- reitung und effektivem Gebrauch im Umgang mit institutionellen und regulativen Instrumenten. Während der Rio-Konferenz wurden zwei internationale Konventionen ins Leben gerufen und von den meisten anwesenden Regierungen unterzeichnet: die Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen und das Abkommen über die biologische Vielfalt. Die erste beabsichtigt, die Treibhaus- gase in der Atmosphäre auf einem Niveau zu halten, das das Weltklima nicht zerstört. Die zweite fordert, dass alle Länder Strategien und Mittel erarbeiten, um die Artenvielfalt zu erhalten und si- cherzustellen, dass die Vorteile dieser Artenvielfalt gerecht verteilt werden. Auch wenn die Konferenz auf ein politisch-diplomatisches Level reduziert war, entstanden wichtige Beiträge, um Schwierigkeiten zu benennen, Lösungen zu finden und die Hauptprobleme einer neu- en Umweltagenda zu benennen. Insbesondere die Definition von generationsübergreifenden Problemen förderte den sogenannten „vorbeugenden Ansatz“: „Angesichts von Bedrohungen mit ernsthaftem Schadenspotential sollte das verspätete Einführen präventiver Maßnahmen gegen Umweltzerstörung nicht mit wissenschaft- lichen Ungewissheiten gerechtfertigt werden.“ Eine genaue Untersuchung des Konzepts der Nachhaltigkeit aus ökologischer Sicht hat das Wup- pertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH13 durchgeführt. Die Boxen 1 und 2 zeigen jeweils die Kriterien und Prinzipien für Nachhaltigkeit. Im Anhang14 wer- den die Osterinseln nach diesen Theorien als ein Fall nicht nachhaltiger Entwicklung genannt. 12 Der Anweisungs- und Kontrollanspruch ist eine Form der Handhabung von Umweltschutz-Aktivitäten, basierend auf der Anerkennung gegebener Normen und Anweisungen sowie der daraus folgenden Kontrolle der Umsetzung (Kontrol- le). 13 Das Wuppertal Institut führt Forschungsprojekte auf Wunsch von privaten und öffentlichen Institutionen durch. Es hat Ökonomen, Technologen, Klimatologen, Physiker, Biologen, Soziologen und Kulturhistoriker als Mitarbeiter. Das Wuppertal Institut hat fünf Abteilungen: Klimapolitik, Stoffströme und struktureller Wandel, Energie, Transport und neue Wohlstandsmodelle. Prof. Dr. Uwe Schneidewind ist Präsident des Wuppertal Instituts, welches 1991 unter der Leitung von Professor Ernst Ulrich von Weizsäcker gegründet wurde. 14 Siehe Anhang 1, Kapitel 1 16
Box 1. Ökologische Kriterien für die Nutzung des Raumes 1. Der Verbrauch erneuerbarer Energien darf nicht schneller vonstatten gehen als ihre Wiederherstellung 2. Die materielle Emission darf nicht größer sein als das Absorptionsvermögen der Umwelt 3. Die Nutzung nicht erneuerbarer Energien muss auf ein Minimum reduziert werden. Sie können nur dann genutzt werden, wenn ein physischer Ersatz auf gleichem funktionalen Niveau in Form von erneuerbaren Energien geschaffen wird 4. Die Dauer menschlichen Eingreifens muss verknüpft sein mit der natürlichen Länge eines Prozesses und beides betreffen: den Abbauprozess der Reststof- fe und die Regenerationszeit von erneuerbaren Energien oder Ökosystemen. Box 2. Prinzipien für die Nutzung von Ressourcen Regenerationsprinzip: Eine erneuerbare Ressource kann nur genutzt werden, solange sie regeneriert wird; sie kann quantitativ nicht mehr Substanzen abgeben als die Umwelt absorbieren kann. Verbrauchsprinzip: Der Verbrauch von Energie und Material muss auf ein risikoarmes Niveau reduziert werden. Mittel für die Umsetzung nachhaltiger Entwicklung in Europa Mit dem EU-Vertrag wurde ein wichtiger Schritt getan, nachhaltige Umweltpolitik im Herzen des politischen Prozesses zu etablieren. Artikel 2 besagt, dass eines der grundlegenden Ziele der EU das Fördern einer „gleichmäßigen und nachhaltigen Entwicklung“ sei, während Artikel 174 sagt: „Die gemeinsame Umweltpolitik […] soll auf dem Vorsorgeprinzip und präventiven Maßnahmen basieren [...].“15 Einhergehend mit diesen Grundannahmen sind die Prinzipien von nachhaltiger Entwicklung sowie ein Programm zur Umsetzung der Konzepte in den europäischen Ratsbeschluss vom 1. Februar 1993 aufgenommen. Dieser Beschluss nimmt sich des fünften Umweltaktionsplans an, der teilwei- se bereits für die Rio-Konferenz entwickelt wurde und einige ihrer Ergebnisse widerspiegelt. Der Aktionsplan sieht Präventivmaßnahmen in allen Wirtschaftssektoren vor und tritt ein für eine schrittweise Veränderung der Umweltpolitik von „Anordnung und Kontrolle“ hin zu „Partizipation und Konsens“. Außerdem vereint er einen einheitlichen, präventiven Denkansatz, der auf dem Prinzip der Vorbeugung aufbaut sowie auf Analysen der Lebenszyklen von Produkten. Das Sechste Umweltaktionsprogramm, 2002 für 10 Jahre ins Leben gerufen, intensiviert dieses Vorgehen. Es legt vor allem Schwerpunktbereiche fest (Klimawandel, Natur und Artenvielfalt, Um- welt, Gesundheit und Lebensqualität, natürliche Ressourcen und Abfallprodukte), setzt allgemeine Ziele und Prinzipien (Subsidiarität, Verursacherprinzip etc.) und unterstützt zahlreiche Initiativen in Zusammenhang mit Agenda 21 (z. B. den Transfer umweltfreundlicher Technologien an Beitritts- kandidaten, Zusammenarbeit mit sozialen Partnern, Modelle für Konsum und Verbrauch etc.). Anders als die UN (oder andere international Vereinigungen, die grundsätzlich nicht die notwendige Macht besitzen, die Einhaltung und Umsetzung ihrer Beschlüsse zu gewährleisten) ist die EU eine wirklich supranationale Gemeinschaft, die mit ihren Mitteln garantieren kann, dass die Mitgliedsstaa- ten ihre Richtlinien übernehmen. Was den Bereich der Umwelt angeht, hat die EU-Gesetzgebung 15 http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/en/oj/2006/ce321/ce32120061229en00010331.pdf 17
über die Jahre eine wichtige Rolle eingenommen. Das zeigt sich vor allem durch das Ausgeben von Richtlinien, die Ziele festlegen, während die Umsetzung in der Autonomie der Mitgliedstaaten liegt. Andere Formen der EU-Gesetzgebung sind Beschlüsse, die nur für bestimmte Staaten bindend sind, und Vorschriften, die für alle Mitgliedsstaaten gelten. Derzeit betrifft das alle grundsätzlichen Umweltprobleme und –richtlinien wie Umweltverschmutzung, Abfallwirtschaft, Boden-, Wasser und Küstenschütz, Schutz von Flora und Fauna, städtische Umwelt, Prävention vor industriellen Risiken sowie ökologische Qualität von Produkten (Ökolabel) und Produktionsprozesse (Ökoaudit). Ordnungsmaßnahmen wie EMAS und Ökolabel (siehe Kapitel 3) sind freiwillig, während einige, wie das Verursacherprinzip oder die Beschreibung von Produkteigenschaften von der EU-Verordnung für die Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung von Chemikalien (Registration, Evaluation, Authorisation & restriction of Chemicals, REACH), verpflichtend sind. Die REACH- Verordnung für Chemikalien ist ein Beispiel für das vollständige Umsetzen des Prinzips der Produ- zentenverantwortung. Während zuvor die Staaten für das Erscheinen potentiell schädlicher Chemi- kalien auf dem Markt verantwortlich gemacht wurden, müssen dank REACH nun die Produzenten die Risiken in Verbindung mit den Substanzen, die sie produzieren, dokumentieren. Dieses Prinzip galt vormals ausschließlich für die Pharmaindustrie. Ein anderes Beispiel ist eine neue Richtline zu Abfallprodukten, welche die umfassende Anwen- dung „erweiterter“ Produzentenverantwortung hervorhebt. Demzufolge müssen Verpackungsher- steller sicherstellen, dass der Verpackungsabfall recycelt wird; Produzenten von Elektroartikeln müssen den Abfall, den sie produzieren, wiederverwerten. Eines der Hauptziele der Gesetzgebung ist das Fördern von Produktion und Konsum mit sehr ge- ringem Ressourcenverbrauch. So können wir mit der Zeit den Wandel von einem „Von der Wiege bis zur Bahre“-Konzept (welches die Umweltauswirkungen von Produkten zwischen Produktion und dem Zeitpunkt, an dem sie nicht mehr genutzt werden, kontrolliert) zum „Von der Wiege bis zur Wiege“-Konzept (welches durch das Zirkularitätsprinzip bei der Nutzung von Ressourcen maximale Wiederverwertung in Produktionsprozessen fördert, angelehnt an den natürlichen Lebenszyklus der Natur). Eine Definition der Arbeitswelt Verschiedenste Akteure aus den Bereichen Wirtschaft, Soziales und Kultur in ganz Europa haben zahlreiche Initiativen, Projekte und Definitionen zu nachhaltiger Entwicklung auf Grundlage der EU- Gesetzgebung umgesetzt. Eine dieser Definitionen ist im Nationalen Tarifvertrag der Chemieindust- rie in Italien genannt (Mai 2006): “Nachhaltige Entwicklungs- und Umweltstrategie: Die Teilnehmer erkennen an, dass nachhaltige Entwicklung – verstanden als ausgeglichene und dynamische Integration der Prinzipien von wirt- schaftlichem Wachstum, Umweltschutz und sozialer Gerechtigkeit – der Ausgangspunkt für die Schaffung einer einheitlichen Umweltstrategie ist. Diese Definition von nachhaltiger Entwicklung, basierend auf dem dynamischen Gleichgewicht der Faktoren Wirtschaft, Soziales und Ökologie, ist insofern verbindlich, als sie allen Akteuren – Arbeit- gebern, Gewerkschaften und der breiten Umweltbewegung – Verantwortung für das Fördern einer Balance dieser drei Faktoren überträgt. Es definiert außerdem, dass einige Regionen, insbesondere die wohlhabende westliche Industrie- welt, mehr Verantwortung gegenüber der Umwelt übernehmen müsste, während in Entwicklungs- ländern den sozialen Faktoren wie Armut mehr Beachtung zukommt. Umweltschutz sollte jedoch immer als wichtig wahrgenommen werden, wenngleich mit unterschiedlicher Gewichtung in reiche- ren und ärmeren Ländern. Die richtige Balance zu finden, liegt in der Verantwortung jeder Nation und jeder Region und das wird sich mit der Zeit ändern. 18
Kapitel 2. Der europäische Rahmen EU 2020 – Europas Wachstumsstrategie Die europäische Wachstumsstrategie für 202016 verfolgt drei Ziele: 1. Intelligentes und nachhaltiges Wachstum zur Förderung einer wissensbasierten Wirtschaft und Innovation 2. Nachhaltiges Wachstum zur Schaffung einer wettbewerbsfähigeren Wirtschaft mit einem geringe- ren CO2-Ausstoß 3. Integratives Wachstum zur Steigerung der europäischen Beschäftigungsquote. Um die Fortschritte bezüglich dieser Ziele einzuschätzen wurden fünf Kernziele für die gesamte EU vereinbart: 1. Beschäftigung - 75% der 20-64-Jährigen sollen erwerbstätig sein 2. F&E /Innovation - 3% des BIPs der EU (öffentlich und privat) sollen in F&E/Innovationen an- gelegt werden 3. Klimawandel/Energie – Erreichen der „20/20/20“ Ziele (siehe unten) 4. Ausbildung – Verminderung der Schulabbruchquote auf unter 10%; Abschluss einer tertiä- ren Ausbildung bei mindestens 40% der 30-34-Jährigen 5. Armut/Soziale Ausgrenzung – Verringerung der Anzahl der von Armut und sozialer Aus- grenzung bedrohten Menschen um mindestens 20 Millionen. Hinsichtlich dieser Kernziele sind Gewerkschaften durch ihre direkte Verankerung in der Arbeitswelt sowie wegen ihrer Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensqualität und dem Schutz von armuts- und marginalisierungsgefährdeten Gruppen eine wichtige Interessenvertretung. 20-20-20 Richtlinie über erneuerbare Energie Das im Dezember 2008 vom europäischen Parlament verabschiedete Klima- und Energiepaket der Europäischen Union17 umfasst eine Reihe von Maßnahmen zur Bewältigung von Problemen der Energieversorgung, des Klimawandels und der nachhaltigen Industrieentwicklung. Die 2009/28 Richtlinie zum Klimawandel und Energie legt EU-Ziele fest, die eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 20% und einen Anstieg der Energiegewinnung aus erneuerbaren Energien um 20% verbindlich vorschreibt und gleichzeitig einen Anstieg der Energieeffizienz um 20% fördert. Ferner bietet die Richtlinie sektorspezifische Handlungshilfen zur Erlangung von Energieeffizienz und Energieeinsparung.18 Das Ziel ist der Entwurf eines gemeinsamen europäischen Rahmenkonzepts zur Energieprodukti- on aus erneuerbaren Energien durch die Festlegung nationaler Zielsetzungen, die, abhängig von Ausgangsbedingungen und Entwicklungsmöglichkeiten, von Land zu Land verschieden ausfallen. Für den Verkehrssektor gilt lediglich das verbindliche Ziel bis zum Jahr 2020 10% der Energie aus Biokraftstoffen zu gewinnen. Die Mitgliedstaaten wurden aufgefordert (bis zum 30. Juni 2010) jeweils einen nationalen Aktions- plan für das Erreichen dieser Gesamtziele zu verabschieden, unter Berücksichtigung der Auswir- 16 http://ec.europa.eu/europe2020/index_en.htm 17 http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=MEMO/08/33&format=HTML&aged=1&language=EN&gu iLanguage=fr 18 http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2009:140:0016:0062:en:PDF 19
kungen anderer existenter Maßnahmen für Energieeffizienz auf den Endenergieverbrauch: Je hö- her die Reduzierung des Gesamtenergieverbrauchs desto weniger wird Energie aus erneuerbaren Quellen zur Verwirklichung des Ziels erforderlich. Außerdem sollen nationale Programme Pla- nungs- und Preisfestsetzungsreformen zu Gunsten erneuerbarer Energien verfolgen. Mitgliedstaaten können durch sogenante„statistische Transfers“ Quoten für erneuerbare Energien austauschen. Sie können zusammen an gemeinsamen Projekten arbeiten und Kooperationsverein- barungen mit Drittländern zur Produktion von nachhaltiger Energie abschließen, sofern die Energie in neu errichteten Anlagen produziert und innerhalb der EU verbraucht wird und keine weitere För- dermaßnahme erhalten hat. Erstmals am 31. Dezember 2011 und danach alle zwei Jahre sind Mitgliedstaaten angehalten, der Kommission einen Bericht über die Fortschritte vorzulegen. Die Europäische Kommission wird die Programme und eingereichten Berichte prüfen und gegebenenfalls Korrekturmaßnahmen vor- schlagen. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass allen wichtigen Akteuren (Verbrauchern, Bauun- ternehmern, Installateuren, Architekten und Lieferanten von Energiesystemen) Informationen zu Fördermaßnahmen von Energieeffizienz und Energie aus erneuerbaren Quellen zur Verfügung stehen. Ferner sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass zweckdienliche Informations-, Sensibilisie- rungs-, Orientierungs- und Ausbildungsprogramme entwickelt werden, um die Bürger über die Vor- teile des Ausbaus und der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen zu informieren. Begriffsbestimmungen (Art. 2 Richtlinie 2009/28/CE) „Energie aus erneuerbaren Quellen bezeichnet Energie aus erneuerbaren, nichtfossilen Energie- quellen, das heißt Wind, Sonne, aerothermische, geothermische, hydrothermische und Meeres- energie, Wasserkraft, Biomasse, Deponiegas, Klärgas und Biogas.“ (…) „Bruttoendenergieverbrauch bezeichnet Energieprodukte, die der Industrie, dem Verkehrssektor, Haushalten, dem Dienstleistungssektor einschließlich des Sektors der öffentlichen Dienstleistun- gen, der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft zu energetischen Zwecken geliefert werden (…)“. (…) „Förderregelung bezeichnet jegliches Instrument, Regelung oder Mechanismus, welches bzw. welche von einem Mitgliedstaat oder einer Gruppe von Mitgliedstaaten angewendet wird und die Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen dadurch fördert, dass die Kosten dieser Energie gesenkt werden, ihr Verkaufspreis erhöht wird oder ihre Absatzmenge durch eine Verpflichtung zur Nutzung erneuerbarer Energie oder auf andere Weise gesteigert wird. Dazu zählen unter an- derem Investitionsbeihilfen, Steuerbefreiungen oder –erleichterungen, Steuererstattungen, För- derregelungen, die zur Nutzung erneuerbarer Energiequellen verpflichten einschließlich solcher, bei denen grüne Zertifikate verwendet werden, sowie direkte Preisstützungssysteme einschließ- lich Einspeisetarife und Prämienzahlungen.“ Fahrplan nach 2050 Die Mitteilung der Europäischen Kommission vom 8. März 2011 über den ‚Energiefahrplan für den Übergang zu einer wettbewerbsfähigen CO2-armen Wirtschaft bis 2050’ bestärkt in noch größerem Maße die EU-Strategie in Richtung einer CO2-armen Wirtschaft19. In dieser Mitteilung liefert die EU-Kommission einen Überblick über die wichtigsten Schritte mit denen eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen in der EU um 80-95% bis 2050 (gegenüber dem Stand von 1990) mittels Energieeffizienz, Innovation und steigernder Investitionen erreicht werden sollen. Das Dokument verweist auf mögliche Maßnahmen für Schlüsselsektoren, ein- schließlich: 19 http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:52011DC0112:EN:NOT 20
Energie: Könnte diversifizierter sein und CO2-Emissionen könnten fast vollständig eliminiert werden ohne dabei die Wettbewerbsfähigkeit und Sicherheit zu beeinträchtigen. Dies kann durch die Verwendung bereits existierender Technologien und durch weitere Investitionen ins- besondere in ‚intelligente Netzwerke’ und in Photovoltaikanlagen erreicht werden. Verkehr: Emissionen des Straßen-, Schienen- und Binnenschifffahrtsverkehrs können bis 2030 durch den effektiven Einsatz der vorhandenen Verkehrsinfrastruktur, der Entwicklung von Hyb- ridmotortechnologien, energieeffizienteren Fahrzeugen, der Elektrifizierung und Biokraftstoffen der 2. und 3. Generation den Stand von vor 1990 erreichen. Bebaute Umwelt: Verbesserung der Energieeffizienzstandards im Gebäudesektor, um Emissi- onen bis zum Jahr 2050 um 90% zu reduzieren. Um dieses Ziel zu erreichen müssen Gebäude, die ab dem Jahr 2021 gebaut werden, nahezu energieautark sein und es muss in die Sanierung des bestehenden Gebäudebestands investiert werden. Industriesektoren einschließlich energieintensiver Industriezweige. Durch Innovationen bei der Nutzung der Energieressourcen, zunehmendes Recycling und umfangreiche Kohlenstoff- bindung und –speicherung können Treibhausgasemissionen bis 2050 um 83-87% verringert werden. Landwirtschaft: Nachhaltige Landnutzung und Emissionsminderung kann durch effiziente Bo- denbewirtschaftung und pflanzliches Nahrungsmittelmanagement, durch effiziente Düngernut- zung sowie durch die Diversifizierung der Produktionstätigkeit, welche die Vorteile einer extensi- ven Landwirtschaft optimieren, erreicht werden. Investment: Die Investition in eine CO2-arme Zukunft setzt einen umfangreichen Anstieg an öffentlichen und privaten Investitionen voraus und bedeutet für die nächsten 40 Jahre eine zu- sätzliche Investition von rund 270 Mrd. Euro (1,5% des BIP der EU pro Jahr) zusätzlich zu den derzeitigen Gesamtinvestitionen, die sich auf 19 % des BIP belaufen. Dies würde jedoch Fol- gendes bedeuten: - Verringerung der Energieausgaben der EU und ihrer Abhängigkeit von der Einfuhr fossiler Brennstoffe - sowohl kurz- als auch längerfristig Schaffung neuer Arbeitsplätze und eines besseren Know- hows; infolgedessen Entwicklung von Beschäftigungssektoren und die Weiterbildung von Ar- beitskräften, insbesondere in den Bereichen der erneuerbaren Energien, der neuen Technolo- gien und im Bausektor. - Verbesserung der Luftqualität, Überwachung und fortschreitende Reduzierung der Luftschad- stoffe, welches zu einer Verbesserung der öffentlichen Gesundheit, Reduzierung der Sterb- lichkeitsrate und Gesundheitsausgaben sowie eine Verringerung der Gefährdung von Ökosys- temen führt. Abschließend befasst sich das Dokument mit der internationalen Dimension: Wissenschaftliche Erkenntnisse besagen, dass bis zum Jahr 2050 eine Reduzierung der Treibhausgase um 50% erforderlich sein wird, um einen globalen Temperaturanstieg von 2°C zu verhindern, der unum- kehrbare Auswirkungen des Klimawandels bedeuten würde. Die EU, die etwa 10% der weltweiten THG-Emissionen erzeugt, ist entschlossen ihre Kooperation im Kampf gegen den Klimawandel auszubauen. Ihre Maßnahmen sollen zur Innovation, Energie- versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit in den wichtigsten Wachstums- und Entwick- lungssektoren beitragen. Durch die Verknüpfung von Innovationszielen, dem ‚Klima-Energiepaket’ und Wachstum und Be- schäftigungsqualifikationen spielen europäischen Gewerkschaften eine Schlüsselrolle bei der Er- richtung eines neuen, wirtschaftlich wettbewerbsfähigeren, nachhaltigeren und wachstumsgerech- teren Europas. 21
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