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Ökonomie & Praxis Medikamente · Fakten · Kosten · Trends KÄRNTEN 1. Ausgabe 2021 Antibiotika- verordnungen in Österreich Seite 4 –9 Die neue ESC-Leitlinie zum Vorhofflimmern 2020 Seite 10 –13 P2Y12-Inhibitoren nach einem Akuten Koronarsyndrom Seite 14 –15 Osteoporose Überblick und Behandlung Seite 16 –21 Versorgungsforschung in der Demenz Seite 22 –24 www.gesundheitskasse.at
ÖKONOMIE & PRAXIS 3 Sehr geehrte Ärztinnen und Ärzte, liebe Vertragspartnerinnen und Vertragspartner! Seit mehr als einem Jahr wird die Welt von einem Eine besondere Bedeutung hat die e-Medi- Thema beherrscht: Covid-19. Die Pandemie kation. Die elektronische Übermittlung der hat auch bei uns das gesellschaftliche und Medikamentenverordnungen ist aus dem Alltag wirtschaftliche Leben sowie in besonderem der verschreibenden Ärztinnen und Ärzte und Maß das Gesundheitswesen bis an die Grenzen ihrer Patienten nicht mehr wegzudenken. Die beansprucht. Wir können stolz darauf sein, dass unbürokratische e-Medikation spart Zeit und ver- das Netz in Österreich gehalten hat – nicht hindert unnötige Kontakte – was in Zeiten einer zuletzt wegen Ihrer engagierten Arbeit als unser Pandemie zum Schutz aller Beteiligten beiträgt. Vertragspartner. Die Österreichische Gesund- heitskasse möchte sich auch an dieser Stelle Auch das Jahr 2021 wird für uns alle enorme herzlich für Ihren Einsatz in der Krise bedanken. Herausforderungen bringen. Die Österreichische Gesundheitskasse ist Corona hat natürlich auch unsere Arbeit auf allen mit dem dichten Netz an Vertragspartnern Ebenen beherrscht und tut es noch immer. Trotz- und dem engagierten Einsatz von jeder/ dem haben wir auch abseits davon wichtige Pro- jedem Einzelnen von Ihnen gut aufgestellt. jekte vorangetrieben. So hat die Österreichische Gesundheitskasse schon während des ersten Dr. Rainer Thomas Lockdowns für ihre Vertragspartner die Mög- Generaldirektor- lichkeit geschaffen, Patientinnen und Patienten Stellvertreter mittels Telemedizin zu beraten und auch zu be- Österreichische handeln. Visit-e bietet dazu einen einfachen und Gesundheitskasse sicheren Zugang. In mehreren Bundesländern wurden mit den Landesärztekammern bereits Vereinbarungen zur Telemedizin abgeschlossen. Gemeinsam werden wir es schaffen, die medizinische Versorgung der Bevölkerung auch weiterhin auf höchstem Niveau sicherzustellen. 4. Ausgabe
4 ÖKONOMIE & PRAXIS Antibiotikaverordnungen in Österreich Antibiotikaverordnungen Verordnungszahlen sinken Verordnungen von Antibiotika zur oralen Anwendung sind in Österreich erfreulicherwe in Österreich ger Zeit konstant rückläufig (Abbildung 1). Wurden 2015 österreichweit noch rund 5,5 M gen Antibiotika auf Kosten der Krankenversicherung verordnet, sank dieser Wert auf ru Packungen im Jahr 2019, was einem Rückgang um rund 11% entspricht. Verordnungszahlen sinken 6.000.000 verordnete Packungen Verordnungen von Antibiotika zur oralen Anwendung sind 5.000.000 in Österreich erfreulicher- weise seit einiger Zeit kons- 4.000.000 tant rückläufig (Abbildung 1). Wurden 2015 österreichweit 3.000.000 noch rund 5,5 Mio. Packun- gen Antibiotika auf Kosten der 2.000.000 Krankenversicherung ver- ordnet, sank dieser Wert auf 1.000.000 rund 4,9 Mio. Packungen im Jahr 2019, was einem Rück- 0 gang um rund 11% entspricht. 2015 2016 2017 2018 2019 Q1 Q2 Q3 Q4 Fast schon traditionell haben Antibiotikaverordnungen im Abbildung 1: Antibiotikaverordnungen Abbildung auf Kostenauf 1: Antibiotikaverordnungen derKosten österreichischen Krankenversicherungsträger der österreichischen Jahresverlauf ihr Maximum in Quartalen. Quelle: BIG. Krankenversicherungsträger nach Jahr und Quartalen. Quelle: BIG. den Wintermonaten, also im 4. und im sich anschließenden Fast schon traditionell haben Antibiotikaverordnungen im Jahresverlauf ihr Maximum i 1. Quartal, wobei von Jänner von Gesichtsmasken haben sonstige Antibiotika (Antibio- termonaten, also im 4. und im sich anschließenden 1. Quartal, wobei von Jänner bis Mä bis März die absolut meisten sicherlich ihren Teil dazu beige- tika, die keiner der anderen meisten Verordnungen erfolgen. Die niedrigsten Verordnungszahlen werden im 3. Qua Verordnungen erfolgen. Die tragen, Infektionen und konse- Klassen zuordenbar sind, z.B. niedrigsten Verordnungs- net.kutive Die erhöhten Verordnungszahlen in kälteren Antibiotika-Verordnun- Monaten Fusidinsäure, sind zumindest teilweise au Nitrofurantoin, zahlen werden im 3. Quartal vongen Antibiotika bei (u.a.Ob zu verringern. viral undbedingten) wie Erkältungskrankheiten Fosfomycin, Metronidazol,zurückführen, die in die verzeichnet. Die erhöhten sich die weitaus Pandemie häufiger als im Rest desLinezolid längerfristig auftreten Jahres. und Tedizolid). Bei Verordnungszahlen in kälte- auf die Verordnungshäufig- insgesamt rückläufigen Ver- ren Monaten sind zumindest Fürkeit das von JahrAntibiotika 2020 zeigenauswirken ordnungszahlen erste Auswertungen, wurden relativvon Antibio dass die Verordnungszahlen teilweise auf den Einsatz von wird, bleibt abzuwarten mehr Penicilline verordnet, ihr abnehmen, sogar in verstärktem Maße. Allerdings war dieses Jahr maßgeblich von der Antibiotika bei (u.a. viral be- Anteil stieg von 2015 bis 2019 dingten) Erkältungskrankhei- Pandemie geprägt. Diesbezügliche Veränderungen im Maßnahmen von 38,8%wie Kontaktbeschränkungen auf 46,4%. Während und die h ten zurückführen, die in dieser wendung von Gesichtsmasken haben sicherlich Verordnungsspektrum ihrenvon der Anteil Teil Cephalosporinen dazu beigetragen, Infektione Zeit weitaus häufiger auftre- kutive Antibiotika‐Verordnungen Interessante Veränderungenzu verringern. Ob und wie und sonstigen sich die Pandemie längerfr Betalactaman- ten als im Rest des Jahres. lassen sich auch imvon Verordnungshäufigkeit Verord- tibiotikawird, Antibiotika auswirken leicht von abzuwarten. bleibt 12,3% auf nungsspektrum von Antibiotika 13,9% stieg, nahm der Anteil der Für das Jahr 2020 zeigen erste erkennen (Abbildung 2). Nach Makrolidantibiotika von 27,1% Auswertungen, dass die Ver- wie vor entfallen mehr als 95% auf 22,4% merklich ab. Leichte ordnungszahlen von Antibioti- aller Antibiotikaverordnungen Zuwächse konnten auch die ka weiter abnehmen, sogar in auf die fünf Wirkstoffklassen sonstigen Antibiotika verzeich- verstärktem Maße. Allerdings Penicilline, Cephalosporine nen. Auch die veränderten war dieses Jahr maßgeblich von und andere Betalactamantibio- Empfehlungen zum Einsatz der Corona-Pandemie geprägt. tika (Monobactame und Carba- von Fluorchinolonen (siehe Diesbezügliche Maßnahmen peneme), Makrolidantibiotika Kasten), machen sich in der wie Kontaktbeschränkungen (inkl. Lincosamide und Strepto- Statistik bemerkbar: Der Ver- und die häufige Verwendung gramine), Fluorchinolone und ordnungsanteil sank von 11,6% www.gesundheitskasse.at
Foto: shutterstock.com ÖKONOMIE & PRAXIS 5 Anwendungseinschränkung von Fluorchinolonen Aufgrund einer Neubewertung des Nutzen-Risiko-Profils von Fluorchinolonen (das betrifft die in Österreich vermarkteten Wirkstoffe Ciprofloxacin, Levofloxacin, Moxifloxacin, Norflo- xacin, Ofloxacin und Prulifloxacin) durch die europäische Zu- lassungsbehörde EMA und der Finalisierung durch die Euro- päische Kommission gelten seit 2019 Einschränkungen für die systemische und inhalative Verwendung dieser Wirkstoffe [1]: • keine Anwendung um Infektionen zu therapieren, die auch ohne Behandlung abklingen oder nicht schwerwiegend sind (z.B. Halsentzündungen) • keine Anwendung zur Behandlung nicht bakteriell verursachter Infektionen, wie z.B. nichtbakterielle (chronische) Prostatitis • keine Anwendung zur Vorbeugung von Reisediarrhoe oder wiederkehrenden Infektionen der unteren Harnwege (Harninfektionen, die nicht über die Harnblase hinausgehen) • keine Anwendung zur Behandlung leichter oder mittelschwerer bakterieller Infektionen, es sei denn, andere üblicherweise für diese Infektionen empfohlene Antibiotika können nicht angewendet werden. Anwenderinnen und Anwendern wird geraten, bei ersten Anzei- chen von Nebenwirkungen, die Muskeln, Sehnen oder Gelenke bzw. das Nervensystem betreffen, die Behandlung abzubrechen und sich an ihre Ärztin oder ihren Arzt zu wenden. Bei Personen, Fast schon die zuvor bereits schwerwiegende Nebenwirkungen mit einem traditionell haben Fluorchinolon gezeigt hatten, soll eine erneute Exposition ver- Antibiotikaverordnungen im mieden werden. Bei älteren Personen, Personen mit Nierener- Jahresverlauf ihr Maximum krankungen und solchen, die eine Organtransplantation hatten, in den Wintermonaten. sollen Fluorchinolone mit besonderer Vorsicht angewendet Interessante Veränderungen werden, da bei diesen ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von lassen sich auch im Sehnenschäden vorliegt. Aus dem gleichen Grund sollte auch die Verordnungsspektrum von gleichzeitige Gabe mit einem Kortikosteroid vermieden werden. Antibiotika erkennen. auf nur mehr 7,2%. Dieser Anteil verordnungen verantwortlich, Nitrofurantoin und Metronida- sollte bei konsequenter Um- 2019 wurden absolut mehr zol. Azithromycin war 2019 das setzung der Anwendungsein- Packungen verordnet als 2015, am zweithäufigsten verordnete schränkungen in den kommen- bei allgemein abnehmenden Antibiotikum. Die moderaten den Jahren noch weiter sinken. Antibiotikaverordnungen. Wei- Steigerungen im Vergleich zu tere Wirkstoffe, deren absolute 2015 werden von den sehr star- Bei den verordneten Wirk- Verordnungszahlen in diesem ken Rückgängen der anderen stoffen bzw. Wirkstoffkombi- Zeitraum stiegen, sind die Makrolidantibiotika deutlich nationen (Tabelle 1) dominiert Penicilline Pivmecillinam und übertroffen. Ebenfalls rückgän- nach wie vor Amoxicillin in Amoxicillin (als Einzelwirkstoff), gige Verordnungszahlen gab es Kombination mit Clavulansäu- die Cephalosporine Cefalexin vor allem für Ciprofloxacin und re. Präparate mit dieser Wirk- und Cefuroxim sowie die unter die anderen Fluorchinolone stoffkombination waren 2019 Sonstige Antibiotika klassifi- sowie die Tetrazyklin-Derivate allein für 31% der Antibiotika- zierten Wirkstoffe Fosfomycin, Doxycyclin und Minocyclin. 4. Ausgabe
6 ÖKONOMIE & PRAXIS 100% 100%5,0% 5,4% 6,0% 6,3% 7,0% 5,0% 5,4% 6,0% 6,3% 7,0% Sonstige Antibiotika Sonstige Antibiotika 100% 90% 11,6% 11,1% 7,2% Sonstige Antibiotika 5,0% 5,4% 10,7% 6,0% 10,1% 6,3% 90% 11,6% 11,1% 10,7% 10,1%7,0%7,2% Sonstige Antibiotika 90% 80% 11,6% 11,1% 10,7% 10,1% 7,2% Fluorchinolone Fluorchinolone 80% Fluorchinolone 22,4% 23,1% Fluorchinolone 80% 70% 27,1% 25,7% 24,5% 22,4% Aminoglykoside Aminoglykoside Abbildung 2: 70% 27,1% 25,7% 24,5% 23,1% 22,4% Aminoglykoside 70% 60% 27,1% 25,7% 24,5% 23,1% Verordnungsanteile nach Aminoglykoside 60% 13,9% Makrolide, Makrolide, Lincosamide Lincosamide Packungen und für Antibiotika- Streptogramine 60% 12,9% 13,4% 13,9% und Makrolide, Lincosamide und Streptogramine Streptogramine 50% 12,3% 12,7% 13,4% verordnungen auf Kosten der 50% 12,3% 12,7% 12,9% 13,4% 13,9% Makrolide, Lincosamide und Streptogramine Sulfonamide Sulfonamide und österreichischen Trimethoprim Krankenversi- 50% 40% 12,3% 12,7% 12,9% und Sulfonamide und Trimethoprim Trimethoprim 40% cherungsträger nach Jahr und Sulfonamide und Trimethoprim 40% 30% Cephalosporine, Cephalosporine, Monobactame und Carbapeneme(aggregiert Antibiotikaklassen 30% Cephalosporine, Monobactame und Carbapeneme Monobactame 38,8% 40,3% 42,2% 44,0% 46,4% Cephalosporine, auf Ebene Monobactame 3 der ATC-Klassifika- und Carbapeneme 30% 20% 38,8% 40,3% 42,2% 44,0% 46,4% und Carbapeneme Penicilline tion der WHO). Der Anteil der 20% 38,8% 40,3% 42,2% 44,0% 46,4% Penicilline 20% 10% Penicilline Penicilline Aminoglykosidantibiotika liegt 10% Tetrazykline im Auswertungszeitraum kon- 10% Tetrazykline 0% sequent bei 0,1% und ist daher 0%2015 Tetrazykline Tetrazykline 2016 2017 2018 2019 nicht sichtbar. Quelle: BIG. 0% 2015 2016 2017 2018 2019 Abbildung 2:2015 2016 2017 Verordnungsanteile 2018 nach Packungen 2019 für Antibiotikaverordnungen auf Kosten der österreichischen Abbildung 2: Verordnungsanteile nach Packungen für Antibiotikaverordnungen auf Kosten der österreichischen Krankenversicherungsträger Abbildung nachnach 2: Verordnungsanteile Jahr und Antibiotikaklassen (aggregiert auf Ebene 3 der ATC‐Klassifikation der Krankenversicherungsträger nach Packungen für Antibiotikaverordnungen Jahr und Antibiotikaklassen aufEbene (aggregiert auf Kosten3 der der österreichischen ATC‐Klassifikationwww.gesundheitskasse.at der WHO). Der Anteil der Aminoglykosidantibiotika Krankenversicherungsträger liegt im Auswertungszeitraum nach Jahr und Antibiotikaklassen konsequent bei (aggregiert auf Ebenekonsequent 0,1% und ist 3 der ATC‐Klassifikation daher derdaher WHO). Der Anteil der Aminoglykosidantibiotika liegt im Auswertungszeitraum bei 0,1% und ist nicht sichtbar. WHO). Quelle: Dersichtbar. Anteil der BIG. Aminoglykosidantibiotika liegt im Auswertungszeitraum konsequent bei 0,1% und ist daher nicht Quelle: BIG.
ÖKONOMIE & PRAXIS 7 WIRKSTOFF(E) KLASSE 2015 2019 2015–2019 Amoxicillin + Clavulansäure Penicillin 1.432.576 1.483.341 +50.765 Clarithromycin Makrolid 491.007 216.305 -274.702 Azithromycin Makrolid 470.768 490.696 +19.928 Clindamycin Lincosamid 384.991 327.304 -57.687 Ciprofloxacin Fluorchinolon 348.005 193.873 -154.132 Cefaclor Ceph., 2. Gen. 242.333 221.507 -20.826 Amoxicillin Penicillin 223.489 248.466 +24.977 Penicillin V Penicillin 177.437 147.230 -30.207 Cefalexin Ceph., 1. Gen. 173.936 192.776 +18.840 Cefuroxim Ceph., 2. Gen. 149.206 153.566 +4.360 Doxycyclin Tetrazyklin 148.479 35.190 -113.289 Moxifloxacin Fluorchinolon 134.709 68.449 -66.260 Pivmecillinam Penicillin 125.721 186.492 +60.771 Cefpodoxim Ceph., 3. Gen. 106.528 76.786 -29.742 Penicillin V-Benzathin Penicillin 102.533 96.373 -6.160 Fosfomycin Sonstige 99.942 144.606 +44.664 Metronidazol Sonstige 98.055 102.874 +4.819 Josamycin* Makrolid 97.373 10.979 -86.394 Levofloxacin Fluorchinolon 88.578 58.041 -30.537 Sultamicillin Penicillin 74.115 54.439 -19.676 Minocyclin Tetrazyklin 68.112 6.338 -61.774 Nitrofurantoin Sonstige 51.652 64.972 +13.320 Roxithromycin Makrolid 45.167 29.665 -15.502 Trimethoprim Trimethoprim** 39.104 35.850 -3.254 Norfloxacin Fluorchinolon 31.099 5.921 -25.178 Tabelle 1: Verordnungszahlen von Antibiotika auf Kosten der österrei- chischen Krankenversicherungsträger nach Jahr und Wirkstoff gereiht nach der Verordnungsmenge 2015. Ceph. = Cephalosporin; Gen. = Generation. Quelle: BIG. * In Österreich sind aktuell keine Arzneispezialitäten mit dem Wirkstoff Josamycin mehr verfügbar. ** Trimethoprim wird nach ATC-Klassifizierung zusammen mit Sulfonamiden in eine Klasse gestellt. 4. Ausgabe
8 ÖKONOMIE & PRAXIS Als Antibiotika der ersten Wahl werden daher Wirkstoffe empfohlen, die niedrige Resistenzraten aufweisen und oral verfügbar sind. Rationaler Einsatz von lang wie nötig und so kurz zum überwiegenden Teil den Antibiotika wie möglich sein, da eine zu Hauptverursacher von HWI dar, Die unnötige Einnahme von kurze Anwendung den The- daneben finden sich noch Pro- Antibiotika, z.B. bei viral be- rapieerfolg gefährdet, wäh- teus mirabilis, Staphylococcus dingten Infektionen, aber auch rend eine zu lange Antibioti- saprophyticus (und andere Sta- der unkorrekte Einsatz von kaeinnahme die Entwicklung phylokokken), Klebsiella pneu- Antibiotika bei eigentlicher von Resistenzen begünstigt. moniae sowie Enterokokken, Indikation, z.B. in einer fal- andere Erreger sind selten. [2] schen Dosierung, haben nicht Leitliniengerechte Das Hauptziel der Behand- nur negative Auswirkungen Anwendung von Antibiotika lung liegt in einer möglichst auf das Individuum, wie bei- beim unkomplizierten schnellen Linderung der Sym- spielsweise Nebenwirkungen, Harnwegsinfekt ptomatik. Obwohl Spontanhei- denen nur ein geringer oder Ein Beispiel für die Anwen- lungsraten von 30–50% nach gar kein Nutzen gegenüber- dung dieser Grundsätze bietet einer Woche berichtet werden, steht, sondern tragen auch zur die Therapie des unkom- wird generell eine antibioti- fortschreitenden Resistenzent- plizierten Harnwegsinfekts sche Behandlung empfohlen, wicklung bakterieller Erreger (HWI), die auch in aktuellen allenfalls bei Patientinnen mit bei. Darüber hinaus werden Leitlinien umgesetzt sind [2, leichten bis mittelschweren auch zusätzliche Kosten im 3]. Ein unkomplizierter HWI Symptomen kann die alleinige Gesundheitssystem verursacht. liegt insbesondere bei nicht- symptomatische Therapie (z.B. Einige generelle Grundsätze schwangeren Frauen vor, wenn mit NSAR oder Phytopharmaka sollten daher bei jeder Ver- die Symptome nur auf den unter Beachtung der Kontra- ordnung beachtet werden: unteren Harntrakt beschränkt indikationen) als Alternative sind, keine relevanten funk- zur antibiotischen Behandlung 1. Antibiotika sollten nur tionellen oder anatomischen erwogen werden. Die Entschei- eingesetzt werden, wenn Anomalien im Harntrakt, keine dung sollte aber im Konsens ein klarer Nutzen er- Nierenfunktionsstörungen mit der Patientin erfolgen. [2] wartet werden kann. und keine relevanten Vor- bzw. Wie erwähnt, orientiert sich 2. Wenn ein Antibiotikum zum Begleiterkrankungen vorliegen, die Auswahl des Antibiotikums Einsatz kommt, soll ein dem die eine Harnwegsinfektion am Erregerspektrum und der wahrscheinlichen Erreger- oder gravierende Komplika- Resistenzlage. Wirkstoffe, für spektrum entsprechendes tionen begünstigen. [2] die Resistenzraten über 10% Mittel eingesetzt werden. Anhand der typischen Symp- dokumentiert sind, sollen nur Das Wirkspektrum des An- tome (Dysurie/Algurie, Polla- nach Austestung im Antibio- tibiotikums sollte dabei so kisurie, imperativer Harndrang, gramm eingesetzt werden [4, breit wie nötig und so sch- Schmerzen oberhalb der 5]. Aktuelle österreichische mal wie möglich sein. Lokale Symphyse), evtl. unter Zuhilfe- Resistenzdaten für die Leitkei- Resistenzdaten sollen dabei nahme eines Harnteststreifens me E.coli und K. pneumoniae berücksichtigt werden. (Leukozyten, Nitrit, Erythrozy- gegenüber ausgewählten 3. Die Darreichungsform und ten/Hb), wird die Diagnose ge- Antibiotikaklassen bzw. Ein- die Dosierung des Anti- stellt. Eine Harnkultur ist beim zelwirkstoffen finden sich in biotikums soll nach pati- unkomplizierten HWI primär Tabelle 2. Es ist aber zu beach- entenindividuellen Merk- nicht erforderlich, da das Er- ten, dass es durchaus regionale malen gewählt werden. regerspektrum relativ einheit- Unterschiede geben kann. 4. Die Therapiedauer sollte so lich ist: Escherichia coli stellt www.gesundheitskasse.at
ÖKONOMIE & PRAXIS 9 E. coli K. pneumoniae Tabelle 2: Wirkstoff(klasse) Resistenzraten von E.coli und resistent resistent K. pneumoniae gegenüber ausge- Aminoglykoside 5,1%a 4,4%a wählten Antibiotika-klassen und Aminopenicilline 42,6%a n.d. Einzelwirkstoffen. BLI: Betalac- tamase-Inhibitoren, n.d.: keine Aminopenicilline + BLI 13,2%a 13,4%a Daten verfügbar. Cephalosporine, 2. Generation 10,1%a 11,9%a a AURES 2018 [4], die Daten beziehen Fluorchinolone 16,4%a 11,1%a sich auf aus Harnproben gewon- nenen Isolaten aus dem intra- und Fosfomycin 2%b n.d. extramuralen Bereich in Österreich. Nitrofurantoin 1,4%a n.d. b labors.at: Jahresbericht 2019 [5], die Daten beziehen sich auf aus Harn- Pivmecillinam 6,6%a 9,7%a proben bei un-kompliziertem HWI gewonnenen Isolaten aus Wien und Sulfamethoxazol + Trimethoprim 22,5%a 13,6%a umgebenden Regionen. Trimethoprim 24,1%a 12%b Es zeigen sich kritische Resis- verfügbar sind: Fosfomycin Dass diese Empfehlungen tenzraten gegenüber Amino- (3 g einmalige Abendgabe umgesetzt werden, zeigt penicillinen (z.B. Amoxicillin), nach entleerter Harnblase), sich auch an den steigenden auch in Kombination mit Nitrofurantoin (100 mg 2 x Verordnungszahlen dieser Betalactamase-Inhibitoren täglich für 5–7 Tage) sowie Wirkstoffe entgegen dem (z.B. Amoxicillin + Clavulan- Pivmecillinam (400 mg 2–3 allgemeinen Trend (Tabelle 1). säure), Fluorchinolonen (z.B. x täglich für 3 Tage). [2, 3] Ciprofloxacin, Moxifloxacin), Cephalosporinen der 2. Gene- ration (z.B. Cefuroxim, Cefa- clor) sowie für Trimethoprim allein und in Kombination mit Literatur 3. Arznei und Vernunft: Leitlinie Antiin- 1. European Medicines Agency: Disab- fektiva. Wien 2018. Online verfügbar Sulfamethoxazol (Cotrimo- ling and potentially permanent side unter http://www.arzneiundvernunft. xazol). Aminoglykoside (z.B. effects lead to suspension or restric- at/uploads/190902_Leitlinie_Antiin- fektiva_Onlineversion_610_DE.pdf. Gentamicin) weisen niedrige tions of quinolone and fluoroquino- lone antibiotics (11.03.2019). Online 4. Bundesministerium für Soziales, Resistenzraten auf, allerdings verfügbar unter https://www.ema. Gesundheit, Pflege und Konsumenten- sind diese Wirkstoffe aufgrund europa.eu/en/documents/referral/ schutz: Resistenzbericht Österreich AU- ihrer schlechten Bioverfüg- quinolone-fluoroquinolone-article- RES 2018 – Antibiotikaresistenz und Ver- 31-referral-disablingpotentially- brauch antimikrobieller Substanzen in barkeit nur begrenzt anwend- permanent-side-effects-lead_en.pdf. Österreich. Wien, 2020. Online verfüg- bar (keine orale Anwendung 2. Deutsche Gesellschaft für Urologie: bar unter https://www.analyse.eu/con- tent/inhalte/nationales_referenzzent- möglich) und kommen nur Interdisziplinäre S3-Leitline – Epidemio- rum/antibiotikaresistenz/index_ger.html. logie, Diagnostik, Therapie, Prävention äußerst selten zum Einsatz. und Management unkomplizierter, 5. Labors.at: Antibiotika-Resistenz Als Antibiotika der ersten bakterieller, ambulant erworbener häufiger bakterieller Erreger – Jah- Wahl werden daher Wirkstoffe Harnwegsinfektionen bei erwachsenen resbericht 2019. Wien, 2020. Online Patienten. Aktualisierung 2017. Online verfügbar unter https://www.labors. empfohlen, die niedrige Resis- verfügbar unter https://www.awmf. at/wp-content/uploads/2020/08/ tenzraten aufweisen und oral org/leitlinien/detail/ll/043-044.html. Antibiotika-Jahresbericht-2019_V9.pdf. 4. Ausgabe
10 ÖKONOMIE & PRAXIS Die neue ESC-Leitlinie zum Vorhofflimmern 2020 Im Sommer 2020 wurde von der European Society of Cardiology (ESC) gemeinsam mit der European Association for Cardio- Thoratic Surgery (EACTS) nach vier Jahren wieder ein Update zum Vorhofflimmern (Atrial Fibrillation – AF) publiziert.(1) Damit AF-Patienten und -Pati- gestrichen, die Einteilungen in wiederholende P-Wellen und entinnen rechtzeitig gefunden erstmals diagnostiziert, par- irreguläre RR-Intervalle finden. werden, wird unverändert ab oxysmal, persistierend, lang dem Alter von mindestens 65 anhaltend persistierend und Das zweite C steht für „Cha- Jahren ein opportunistisches permanent blieben erhalten. racterize AF“ und hat das Ziel, Screening auf AF mittels Puls- das AF nach dem 4S-Schema und EKG-Kurve empfohlen. CC und 4S einzuteilen. Die vier S be- Ein systematisches EKG- Das erste C steht für „Con- deuten nun im Einzelnen: Screening sollte bei Personen firmation“ und legt fest, dass ab 75 Jahren oder bei einem eine Diagnose dann gestellt Stroke risk = Schlag- hohen Schlaganfallrisiko in werden darf, wenn sich in anfallrisiko nach dem Betracht gezogen werden. einem Standard-12-Kanal- CHA2DS2-VASc-Score EKG oder einer 1-Kanal-EKG- Die Begriffe Lone AF, valvulä- Kurve über mindestens 30 Symptom severity = Schwe- res oder nicht-valvuläres AF Sekunden irreguläre atriale regrad der Symptome sowie chronisches AF wurden Aktivitäten ohne sich klar nach dem EHRA-Score 1 keine Symptome 2a milde Symptome, nor- Abkürzungen: male tägliche Aktivität AAD Anti arrythmic drug – Antiarrhytmikum ist nicht eingeschränkt AF Atrial Fibrillation – Vorhofflimmern 2b moderate Symptome, nor- BNP natriuretisches Peptid Typ B male tägliche Aktivität ist CrCl Kreatinin-Clearance nicht eingeschränkt, Be- DOAK Direkter oraler Antikoagulator troffene aber verunsichert EACTS European Association for Cardio-Thoratic Surgery 3 schwere Symptome, EF Ejektionsfraktion normale tägliche Aktivi- EHRA European Heart Rhythm Association tät ist eingeschränkt EKG Elektrokardiogramm 4 behindernde Sympto- ESC European Society of Cardiology me, normale tägliche INR International Normalized Ratio Aktivität ist unmöglich MRT Magnetresonanztomographie OAK Orale Antikoagulation Severity of AF burden = Zeit- TEE Transösophageale Echokardiographie dauer, Häufigkeit, (spontane) TSH Thyreoidea-stimulierendes Hormon Terminierungen pro Zeiteinheit TTR Time in therapeutic range VKA Vitamin-K-Antagonist Substrate severity = funktio- nelle, strukturelle oder anato- www.gesundheitskasse.at
ÖKONOMIE & PRAXIS 11 Um diese vielen S-Kurven zu bewältigen, schlägt die ESC vor, bei allen Patienten und Patientinnen mit AF eine genaue Anamnese zu erheben. mische Basis der Arrhythmie, zu erheben, zumindest ein „ABC pathway – Atrial wie kardiale Komorbiditäten Standard-12-Kanal-EKG zu fibrillation Better Care“ und Risikofaktoren, aber dokumentieren und ergänzend Auf Diagnostik (Confirma- auch atrialen Veränderun- eine Blutanalyse (komplettes tion) und Beschreibung gen wie Vorhof-Vergröße- Blutbild, Kreatinin, TSH) und (Characterize) des AF folgt rung oder -fibrosierung Echokardiographie zu veran- die Therapieempfehlung lassen. Nur in selektiven Fällen nach dem Schema „ABC“: Um diese vielen S-Kurven werden Langzeit-EKG, TEE, zu bewältigen, schlägt die BNP, koronare Ischämiediag- „A” (Anticoagulati- ESC vor, bei allen Patien- nostik sowie kognitive Funkti- on/Avoid stroke) ten und Patientinnen mit onsdiagnostik und cerebrales „B” (Better symp- AF eine genaue Anamnese MRT ergänzend benötigt. tom management) Dabigatran Rivaroxaban Apixaban Edoxaban Standarddosis 150 mg 2 x tägl. 20 mg 1 x tägl. 5 mg 2 x tägl. 60 mg 1 x tägl. niedrige Dosis 110 mg 2 x tägl. 30 mg 1 x tägl. 30 mg 1 x tägl./ reduzierte Dosis 15 mg 1 x täglich 2,5 mg 1 x tägl. 15 mg 1 x tägl. Dabigatran CrCl 15–49 Mindestens 2 Eines der folgen- 110 mg 2 x tägl. mL/min von 3 Kriterien: den Kriterien: bei Pat. mit: • Alter ≥ 80 Jahre • CrCl 30–50 • Alter ≥ 80 Jahre mL/min, • Körperge- Kriterien zur • gleichzeitiger wicht ≤ 60 kg • Körperge- Dosisreduktion Anwendung wicht ≤ 60 kg • Serum-Kreatinin von Verapamil ≥ 1,5 mg/dL • gleichzeitige oder (133 µmol/L) Anwendung von Verapamil, • erhöhtem Chinidin oder Blutungsrisiko Drone-daron Abbildung 1: Dosierungsschema für DOAKs laut ESC-Leitlinie 2020(1) 4. Ausgabe
12 ÖKONOMIE & PRAXIS „C” (Cardiovascular and Co- tic range). Die Beurteilung des EKG, Pausen oder Bradykar- morbidity optimisation) Blutungsrisikos anhand des dien im Langzeit-EKG; Schild- HAS-BLED-Scores „sollte in drüsen-Erkrankungen und Die Indikation zur OAK ist für Betracht gezogen werden“ (IIa). notwendige Labor-Kontrollen Frauen ab einem CHA2DS2- bei Amiodaron-Therapie) VASc-Score ≥ 3 (mit höchstem „B” (Better symptom ma- erfolgen. AAD-Kombinationen Empfehlungsgrad) und für nagement) bedeutet jene sollten vermieden werden. Männer ≥ 2 gegeben. Bei einem Faktoren zu erfassen, die es Faktoren, die für eine Rhyth- Score von 2 (Frauen) bzw. 1 notwendig erscheinen las- muskontrolle gegenüber der (Männer) sollte eine OAK in Be- sen, eine frequenzkontrollie- Frequenzkontrolle sprechen, tracht gezogen werden. Beach- rende oder rhythmisierende sind laut ESC jüngeres Alter, tet werden soll, dass im Rah- Therapie mit Medikamenten Erstepisode, Tachykardie- men von regelmäßigen Nach- oder Interventionen wie Ka- assoziierte Kardiomyopathie, kontrollen eine Neuevaluierung theterablation einzuleiten. wenige oder fehlende kar- erfolgt, da alle ab 65 Jahren 1 diale Komorbiditäten (etwa Punkt, ab 75 Jahren 2 Punkte So muss bei asymptomatisch auch normal große Atrien), und spätestens dann das Krite- Erkrankten mit neu diagnosti- AAD-Nebenwirkungen oder rium zu OAK erreicht haben. ziertem normofrequenten AF auch die Präferenz des Pa- zwar bei gegebenem Score tienten bzw. der Patientin. Mit Ausnahme von Patienten eine OAK, aber nicht zwangs- Die Katheterablation wurde und Patientinnen mit einer Mi- läufig eine antiarrhythmische aufgewertet. Bei Patienten und tralklappenstenose oder einem Therapie gestartet werden. Patientinnen mit paroxysmalem mechanischen Herzklappen- Wenn aber ein Antiarrhyth- oder persistierendem Vorhof- ersatz sind laut ESC DOAKs zu mikum (AAD) vernünftig flimmern wird die Katheterab- bevorzugen. Sollte weiterhin erscheint, sollte die Auswahl lation zur Rhythmuskontrolle ein VKA verwendet werden, entsprechend der kardialen nach erfolglosem medikamen- müssen 70% der INR-Werte Komorbiditäten (EF im Echo, tösen Therapieversuch oder bei im therapeutischen Bereich PQ-Zeit im Sinusrhythmus, Unverträglichkeit von Klasse-I/ liegen (TTR – time in therapeu- QRS-Dauer und QTc-Zeit im III-AAD nun mit einer Klasse- www.gesundheitskasse.at
ÖKONOMIE & PRAXIS 13 Abbildung 2: CC To ABC, adaptiert nach ESC(1) Abbildung 2: CC To ABC, adaptiert nach ESC(1) IA-Empfehlung bedacht, bzw. bei ausgewählten Patienten mit symptomatischem paroxys- malen Vorhofflimmern auch als First-Line-Therapie diskutiert (IIa). Als Erstlinientherapie wird sie auch für Patienten und Patientinnen empfohlen, die eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine Tachykardieinduzierte Kardiomyopathie oder links- ventrikuläre Dysfunktion bzw. Herzinsuffizienz aufweisen. „C” (Cardiovascular and Comorbidity optimisation) umfasst das über „A“ und „B“ hinaus erforderliche Ma- nagement von Risikofaktoren wie Hypertonie, Übergewicht, Rauchen, ungesunde Ernäh- rung und Bewegungsmangel. Literatur (1) European Heart Journal (2020) 00, 1–126 ESC GUIDELINES doi:10.1093/eurheartj/ehaa612 4. Ausgabe Literatur
14 ÖKONOMIE & PRAXIS P2Y12-Inhibitoren nach einem Akuten Koronarsyndrom Clopidogrel oder Prasugrel oder Ticagrelor? Herz-Kreislauferkrankungen Die duale antithrombotische derauftreten eines ACS oder zählen zu den häufigsten Er- Therapie (DAPT) mit einem dem Tod zu untersuchen.8 krankungen in den Industrie- Thrombozyten-P2Y12-Rezep- ländern.1 Die klinische Erfah- tor-Inhibitor wie Clopidogrel, Analysiert wurden die Abrech- rung zeigt, dass die koronare Prasugrel oder Ticagrelor nungsdaten von 13 österrei- Herzerkrankung (KHK) durch gemeinsam mit Acetylsalicyl- chischen Sozialversicherungs- einen atherosklerotischen säure verhindert thrombo- trägern von insgesamt 49.124 Prozess gekennzeichnet ist, tische Komplikationen und PatientInnen mit P2Y12-Inhibi- welcher mit Lebensstil, Medika- wiederkehrende ischämische toren mit der Entlassungsdia- menten und Revaskularisierun- Ereignisse nach einem aku- gnose ACS zwischen 2015 und gen beeinflusst werden kann.2 ten Koronarsyndrom (ACS).3 2017. Bei 25.147 PatientInnen Gemäß aktuellen Richtlinien wurde innerhalb von 30 Tagen der Europäischen Gesellschaft nach dem Indexereignis ACS für Kardiologie (European erstmalig eine Verschreibung Society of Cardiology, ESC) von einem P2Y12-Inhibitor wird eine DAPT vorzugsweise in der Apotheke eingelöst. mit Prasugrel oder Ticagrelor 10.626 (42,9%) PatientInnen für 12 Monate empfohlen.4 hatten eine Verschreibung für Clopidogrel, 4.788 (19,3%) für Randomisierte kontrollierte Prasugrel und 9.383 (37,8%) Studien zeigten, dass das Wie- für Ticagrelor. Ticagrelor derauftreten von ACS bei Pa- war der am häufigsten ver- P2Y12- tientInnen, die eine DAPT mit schriebene P2Y12-Hemmer INHIBITOREN Prasugrel oder Ticagrelor erhal- bei PatientInnen unter 70 ten, im Vergleich zu Clopido- Jahren und Clopidogrel bei Das Risiko für Mortalität grel reduziert ist.5,6 Epidemio- den über 70-Jährigen. und Wiederauftreten logische Studien berichteten von ACS war bei älteren eine geringere Anzahl von kar- Das Risiko für Mortalität und PatientInnen am diovaskulären Ereignissen oder Wiederauftreten von ACS höchsten. Todesfällen bei PatientInnen war bei älteren PatientInnen mit Prasugrel oder Ticagrelor.7 am höchsten. Es erfolgte eine Adjustierung nach Alter, Das Ziel der hier vorgestellten Geschlecht und bereits vor- Beobachtungsstudie war es, handenen Medikamenten als epidemiologische Daten aus Annäherung für Komorbiditä- Österreich über die Verwen- ten. Die Hazard Ratio war für dung von P2Y12-Inhibitoren ACS oder Tod für Prasugrel vs. nach einem ACS und den Clopidogrel mit 0,70 (95% KI: Zusammenhang zwischen 0,61; 0,79) ähnlich hoch wie der Wahl der Therapie (Clo- die für Ticagrelor vs. Clopido- pidogrel, Prasugrel oder grel 0,70 (95% KI: 0,64; 0,77). Ticagrelor) und dem Wie- www.gesundheitskasse.at
ÖKONOMIE & PRAXIS 15 Die Verschreibung von Ticag- relor oder Prasugrel nach ACS war in Österreich im Vergleich zu Clopidogrel mit einem gerin- geren Risiko für ein Wiederauf- treten von ACS oder den Tod verbunden. Die medikamentö- se Anwendung von P2Y12-In- hibitoren nach ACS entspricht den aktuellen Empfehlungen der europäischen Leitlinien und den Vorgaben des EKO. Safoura Klopprogge, MD Klinische Pharmakologie, MUW safoura.klopprogge@ meduniwien.ac.at Michael Wolzt Klinische Pharmakologie, MUW michael.wolzt@ meduniwien.ac.at Referenzen: artery disease developed in collabo- 361: 1045-1057. 2009/09/01. DOI: 1. Tu JV, Naylor CD and Austin P. Temporal ration with EACTS: The Task Force 10.1056/NEJMoa0904327. changes in the outcomes of acu- for dual antiplatelet therapy in coro- 7. Green A, Pottegård A, Broe A, et al. te myocardial infarction in Ontario, nary artery disease of the European Initiation and persistence with dual 1992-1996. CMAJ 1999; 161: 1257-1261. Society of Cardiology (ESC) and of antiplatelet therapy after acute myo- the European Association for Cardio- cardial infarction: a Danish nationwide 2. Huang S and Frangogiannis NG. Anti- Thoracic Surgery (EACTS). Eur Heart inflammatory therapies in myocardial population-based cohort study. BMJ J 2018; 39: 213-260. 2017/09/10. Open 2016; 6: e010880-e010880. infarction: failures, hopes and challen- DOI: 10.1093/eurheartj/ehx419. ges. Br J Pharmacol 2018; 175: 1377-1400. DOI: 10.1136/bmjopen-2015-010880. 2018/03/04. DOI: 10.1111/bph.14155. 5. Wiviott SD, Braunwald E, McCabe 8. Sheikh Rezaei S, Gleiss A, Reich- CH, et al. Prasugrel versus clopido- ardt B, Wolzt M. Use of Clopidogrel, 3. Valgimigli M, Costa F, Byrne R, et al. grel in patients with acute coronary Dual antiplatelet therapy duration Prasugrel, or Ticagrelor and Patient syndromes. N Engl J Med 2007; Outcome after Acute Coronary Syn- after coronary stenting in clinical 357: 2001-2015. 2007/11/06. DOI: practice: results of an EAPCI survey. drome in Austria from 2015 to 2017 10.1056/NEJMoa0706482. EuroIntervention 2015; 11: 68-74. J Clin Med. 2020 Oct 23;9(11): 2015/05/20. DOI: 10.4244/eijv11i1a11. 6. Wallentin L, Becker RC, Budaj A, E3398. doi: 10.3390/jcm9113398. et al. Ticagrelor versus clopidog- 4. Valgimigli M, Bueno H, Byrne RA, rel in patients with acute coronary https://www.mdpi.com/2077- et al. 2017 ESC focused update on syndromes. N Engl J Med 2009; 0383/9/11/3398/htm, dual antiplatelet therapy in coronary Zugang am 4.11.2020 4. Ausgabe
16 ÖKONOMIE & PRAXIS Bei über 70-Jährigen nimmt die senile Osteoporose bei beiden Geschlechtern kontinuierlich zu. www.gesundheitskasse.at
ÖKONOMIE & PRAXIS 17 Osteoporose Überblick und Behandlung Teaser gewebes charakterisiert und sowie bei Auftreten verschie- Laut WHO zählt die Osteo- geht mit einem nachfolgend denster Risikofaktoren ab porose weltweit zu den zehn erhöhten Frakturrisiko einher. einem Alter von 50 Jahren häufigsten Erkrankungen. Sind bereits Frakturen als Folge empfohlen. Sie besteht aus: Die Häufigkeit der Osteo- der Osteoporose aufgetreten, 1. der Anamnese (inkl. Erhe- porose nimmt mit dem Al- liegt eine manifeste Osteopo- bung niedrigtraumatischer ter, aber auch der Anzahl an rose vor. Die WHO-Definition Frakturen, osteoporoti- Begleiterkrankungen zu. basiert auf der Messung der scher Schmerzen/Funk- Die häufigste Form ist die Knochenmineraldichte mittels tionseinschränkungen, primäre Osteoporose. 80% Dual Energy X-ray Absorptio- der Erfassung von allge- aller Osteoporosen betreffen metry (DXA) und legt einen meinen und speziellen postmenopausale Frauen. Ca. T-Score kleiner -2,5 als Diagno- Risikofaktoren (siehe un- 30% aller Frauen müssen im sekriterium fest. Der T-Score ist ten) , der Medikamenten- Laufe ihres Lebens mit der die Standardabweichung vom und Sturzanamnese) Entwicklung einer klinisch rele- Mittelwert des Knochenmi- 2. dem klinischen Befund vanten Osteoporose rechnen. neraldichte-Wertes gesunder (Erhebung eines signifi- Sekundäre Osteoporosen oder Erwachsener im Alter von 30 kanten Größenverlusts, Erkrankungen, die mit Osteo- Jahren. Nachdem osteopo- Skelettdeformitäten, Tan- porose assoziiert sein können, rotische Frakturen aber auch nenbaumphänomen) sind seltener, sollten aber bei einem T-Score von größer 3. einer Knochendichte- ebenso stets berücksichtigt als - 2,5 auftreten, kann die messung mittels DXA werden. Bei über 70-Jährigen Diagnose nie alleine aus dem 4. einem Basislabor nimmt die senile Osteoporo- T-Score, sondern nur im weite- 5. einer bildgebenden Diag- se bei beiden Geschlechtern ren klinischen Kontext gestellt nostik bei klinischen Hin- kontinuierlich zu. Osteoporose- werden. Unabhängig vom weisen auf osteoporotische assoziierte Frakturen können Frakturrisiko gilt ein Alter von > Wirbelkörperfrakturen zu einer deutlichen Einschrän- 70 Jahren bei Frauen und > 80 Das von der Leitliniengruppe kung der Lebensqualität führen Jahren bei Männern und einem der DVO empfohlene Stan- und sind mit einer erhöhten T-Score < -2,5 als Indikation dardverfahren zur Knochen- Mortalität, die innerhalb des für eine spezifische Therapie. dichtemessung ist die Osteo- ersten Jahres nach Fraktur Als Diagnoseschwelle wird in densitometrie mittels DXA an am höchsten ist, verbunden. der DVO-Leitlinie (Dachver- der Lendenwirbelsäule und am band der deutschsprachigen proximalen Femur. Da das indi- Definition und Diagnose wissenschaftlichen osteolo- viduelle Frakturrisiko von vielen Definiert wird Osteoporose gischen Gesellschaften) eine weiteren Variablen abhängig ist, als eine systemische Skelet- Wahrscheinlichkeit für osteo- sind für dessen Abschätzung terkrankung. Sie ist durch eine porotische Frakturen von > Vorhersagemodelle wie z.B. der verminderte Knochenmasse 20% in 10 Jahren angegeben. FRAX (http://www.shef.ac.uk/ sowie eine mikroarchitektoni- Eine Basisdiagnostik wird FRAX/) oder das DVO-Risiko- sche Störung des Knochen- bei allen Fragilitätsfrakturen modell entwickelt worden. 4. Ausgabe
18 ÖKONOMIE & PRAXIS Risiken kungen, die mit Osteoporose Prävention Wesentlich ist die Er- assoziiert sein können) sind Eine gesunde, ausgewogene fassung von Risikofak- unter anderem endokrinologi- Ernährung wirkt sich positiv toren für Frakturen. sche Erkrankungen wie Hyper- auf den Knochenstoffwech- Zu den allgemeinen Risikofak- kortisolismus, prim. Hyperpa- sel aus und zählt neben toren zählen beispielsweise rathyreoidismus oder Diabetes regelmäßiger körperlicher das Lebensalter (nach dem 50 mellitus und rheumatologische Aktivität zu den allgemein- Lj. verdoppelt sich das Frak- bzw. gastroenterologische präventiven Maßnahmen. turrisiko mit jeder Dekade), Erkrankungen (z.B. Zöliakie). Hierbei wird eine Zufuhr von das Geschlecht (bei Männern Das Frakturrisiko kann auch 1000 mg/Tag Kalzium und 800 über 60 Jahren ist das Risiko durch medikamentöse The- IE/Tag Vitamin D empfohlen. halb so hoch wie bei Frauen rapien wie durch orale Glu- Supplemente sollten dann gleichen Alters), vertebrale kokortikoide stark (abhängig eingenommen werden, wenn Frakturen, nicht-vertebrale von Dosis und Dauer) oder diese Menge nicht auf anderen Frakturen nach dem 50. Le- beispielsweise mäßig durch Wegen erreicht werden kann, bensjahr, proximale Femurfrak- hormonablative Therapien, wobei die Gesamtzufuhr von tur der Eltern, multiple Stürze, Aromatasehemmer, Antide- Kalzium 2000 mg/Tag nicht Immobilität oder Rauchen. pressiva, Protonenpumpen- überschritten werden sollte. Risiken durch spezielle Grund- hemmer (bei Langzeiteinnah- Die ausreichende Vitamin D- erkrankungen (sekundäre me) oder Sedativa und Neuro- Zufuhr ist insbesondere von Osteoporosen sowie Erkran- leptika (Sturzrisiko) erhöht sein. der Sonnenexposition ab- www.gesundheitskasse.at
ÖKONOMIE & PRAXIS 19 vertebrale nichtvertebrale proximale Die Häufigkeit der Wirkstoff Osteoporose nimmt Fraktur Fraktur Femurfraktur mit dem Alter, aber Alendronat A A A auch der Anzahl an Ibandronat A A (§) (x) Begleiterkrankungen zu. Risedronat A A A Die häufigste Form ist die primäre Osteoporose. Zoledronat A A A Denosumab A A A Teriparatid A A (x) Raloxifen A (x) (x) Grad A - Evidence levels Ia und Ib, (§) nur in Untergruppen signifikant (Post-hoc-Analyse), (x) fraktursenkender Effekt nicht adäquat belegt Tabelle 1: Fraktursenkender Effekt verschiedener Medikamente zur Behandlung der postmenopausalen Osteoporose im EKO (Arznei und Vernunft; modifiziert ÖGK) hängig. Vor allem gefährdete entsprechend den Leitlini- rapie mit Bisphosphonaten Personen, wie beispielsweise en eine Indikation für eine oder Denosumab muss der Pflegeheimbewohner und spezifisch-pharmakologische Kalziumstatus ausgeglichen verhüllte Personengruppen Osteoporosetherapie dar, sein (cave: Hypokalzämien)! können von einer Supplemen- wobei für Hochrisikopatienten tierung profitieren. Unterge- der stärkste Wirkungseffekt zu b) Spezifisch-medikamentöse wicht (Body Mass Index
20 ÖKONOMIE & PRAXIS Orale Bisphosphonate Dosierintervall Risedronsäure 35 mg 1x/Woche Alendronsäure 70 mg 1x/Woche Ibandronsäure 150 mg 1x/Monat Intravenöse Bisphosphonate Dosierintervall IND Text Ibandronsäure 3 mg alle 3 Monate Patientinnen mit Knochenbruchkrankheit (Osteo- porose) mit hohem Frakturrisiko oder vorherge- Zoledronsäure 5 mg 1x/Jahr gangenen Frakturen nach inadäquatem Trauma Tabelle 2: Im EKO verfügbare Bisphosphonate Wirkungsdauer auch nach atypischen Femurfrakturen und EKOs ist Denosumab 60mg, Absetzen des Präparates und Kieferosteonekrosen wird als ein osteoklastenhemmender die Kosten in die Überlegun- selten beschrieben. Folgende monoklonaler Antikörper, der gen einbezogen werden. Bisphosphonate sind für die alle 6 Monate subkutan verab- Osteoporose zugelassen und reicht wird, für die Behandlung c) Präparate im österreichischen Erstat- von Frauen angeführt. Atypi- Bisphosphonate sind nach wie tungskodex in der grünen Box sche Frakturen und Kieferne- vor die Therapie der 1. Wahl. Sie generisch mehrfach verfügbar krosen stellen seltene Neben- sind potente Inhibitoren der (Ausnahme Zoledronsäure wirkung dar. Ärzte sollten vor Knochenresorption und wer- 5 mg) und im Infotool zum Behandlungsbeginn, wie auch den im Knochen abgelagert. Erstattungskodex ökono- bei einer Bisphosphonatthera- Für Bisphosphonate wurde eine misch gereiht, Tabelle 2. pie, mögliche Risikofaktoren für fraktursenkende Wirkung über Kieferosteonekrosen evaluie- einen Zeitraum von zumindest Wenn eine Bisphosphonat- ren und die Patienten anhalten, 3 bis 5 Jahren nachgewiesen. therapie nicht möglich ist, während der Behandlung eine Nachdem orale Präparate stehen im EKO weitere Al- gute Mundhygiene einzuhalten Irritationen der Ösophagus- ternativen zur Verfügung, die und zahnärztliche Routineun- schleimhaut verursachen kön- allesamt eine rasch reversi- tersuchungen durchführen zu nen, ist es wichtig die korrekte ble Wirkung im Vergleich zu lassen. Eine bereits bestehende Einnahme dem Patienten mit- Bisphosphonaten aufweisen. Hypokalzämie muss ebenfalls, zuteilen. Sie sollten nüchtern in Als weitere antiresorptive Subs- vor Therapiebeginn korrigiert ausreichendem Abstand zum tanz, die im grünen Bereich des werden (CAVE: fatale Hypo- Essen (mind. ½ Stunde), in auf- EKOs (mit IND) für postmeno- kalzämien). Nach Absetzen rechter Körperhaltung (mind. pausale Frauen gelistet ist, ist scheint es im Gegensatz zu den 30 min danach nicht wieder Raloxifen 60mg - ein selektiver Bisphosphonaten zu einer ra- hinlegen) mit mindestens 200 Östrogenrezeptor-Modulator schen Abnahme der Knochen- ml Wasser (keine Mineralwas- (SERM) – zu nennen. Es muss mineraldichte und einherge- ser oder andere Getränke) einmal täglich eingenommen henden Frakturen zu kommen. und nicht gleichzeitig mit dem werden und reduziert das Derzeit ist unklar, ob es sogar Kalzium/Vitamin D-Präparat Frakturrisiko nur für vertebra- zu einer Art „Rebound-Effekt“ eingenommen werden. Bei le Frakturen (siehe Tabelle 1). mit überschießend vermehr- allen Bisphosphonaten stel- Das Risiko für thromboembo- tem Knochenabbau kommt. len Hypokalzämie, erhebliche lische Ereignisse sollte bei der Bei der Entscheidung für eine Nierenfunktionseinschränkung Therapieentscheidung jeden- Denosumabbehandlung sollte und Gravidität eine Kontrain- falls berücksichtigt werden. nach Ansicht der Arzneimit- dikation dar. Das Auftreten von Im gelben Bereich (RE1) des telkommission der deutschen www.gesundheitskasse.at
ÖKONOMIE & PRAXIS 21 Eine gesunde, ausgewogene Ernährung wirkt sich positiv auf den Knochenstoffwechsel aus und zählt neben regelmäßiger körperlicher Aktivität zu den allgemein-präventiven Maßnahmen. Ärzteschaft die derzeit unklare monoklonale Antikörper ver- renz gesteigert werden kann. Situation hinsichtlich des Vor- fügt über eine duale Wirkung, • Aufgrund des Hypokalzä- gehens bei Absetzen berück- der einerseits den Knochen- mierisikos wird bei Bispho- sichtigt und die Patienten ent- aufbau stärkt und andererseits phonat-, Denosumab- oder sprechend aufgeklärt werden. den Knochenabbau hemmt. Romosozumabtherapie Maßnahmen zum Erhalt der Als Kontraindikationen werden empfohlen vor und während Knochendichte müssen nach Hypokalzämie und Myokard- einer Behandlung den Kalzi- Absetzen eingeleitet werden. infarkt bzw. Schlaganfall in umspiegel zu überprüfen und Als osteoanabole Therapie der Historie genannt. Zu den gegebenenfalls zu korrigieren. steht ebenfalls im gelben Nebenwirkungen zählen u.a. Wegen seltener aber poten- Bereich Teriparatid 20 µg neben kardiovaskulären Er- tiell gefährlicher Kieferoste- einmal täglich subkutan mit krankungen, auch atypischen onekrosen ist auch auf gute einer maximalen Therapi- Frakturen, Hypokalzämien und Mundhygiene zu achten. edauer von 24 Monaten zur Kieferosteonekrosen. Daten • Nach Beendigung einer De- Verfügung. Tierstudien haben hinsichtlich der Langzeitsicher- nosumab-, Teriparatid- oder bei längerer Anwendung auf heit liegen noch unzureichend Romosozumabtherapie muss eine erhöhte Osteosarkome- vor. Zudem gibt es Beobach- eine antiresorptive Anschluss- Inzidenz hingewiesen. Als tungen, die eine Anwendung behandlung erfolgen. Kontraindikationen werden dieser Substanz bei TNF- • Bei Teriparatid stehen u.a. Hyperkalzämien, schwere alpha-vermittelten Erkrankun- nun Nachfolgepräparate Niereninsuffizienz und meta- gen oder beispielsweise bei mit größeren Kostenvor- bolische Knochenkrankheiten Glukokortikoid-Dauertherapie teilen zur Verfügung. angeführt. Seine osteoanabole ungünstig erscheinen lassen. • Generell ist auf präventive Wirkung beruht u.a. auf einer Maßnahmen hinzuweisen Stimulierung der Osteoblasten. Therapie-TIPPS für die Praxis: und auf die Therapiecompli- Seit kurzem sind Nachfolge- • Eine Basistherapie mit Kal- ance/Adhärenz zu achten. präparate mit einem großen zium und Vitamin D ist je- Preisvorteil am Markt. Auch denfalls sicherzustellen. nach dieser Therapieoption ist • Bisphosphonate stellen die Quellen: jedenfalls eine antiresorptive spezifische-medikamentöse G. Herold et al., Innere Medizin 2016 Anschlussbehandlung (mit z.B. Therapie der 1. Wahl dar. DVO-Leitlinie 2017 zur Prophylaxe, Diagnos- Bisphosphonaten) erforderlich. Genaue Einnahmemodalitä- tik und Therapie der Osteoporose bei post- Romosozumab ist eine neue ten bei oralen Formen sollten menopausalen Frauen und bei Männern Wirksubstanz, die nicht im EKO dem Patienten unbedingt Arznei & Vernunft Osteopo- rose; Stand Juli 2017 angeführt und für die Behand- mitgeteilt werden, da hier- AVP Arzneiverordnung in der Praxis: Zweck- lung bei postmenopausalen durch die Verträglichkeit und mäßige Diagnostik und medikamentöse Frauen zugelassen ist. Der somit die Compliance/Adhä- Therapie der Osteoporose; Februar 2020 4. Ausgabe
22 ÖKONOMIE & PRAXIS Versorgungsforschung in der Demenz Erkenntnisse aus Verschreibungsdaten Demenzerkrankungen sind und den Verlauf dieser Erkran- lauf der Therapie bei mehr als weltweit auf dem Vormarsch. kungen - und allen voran der 127.000 Menschen untersucht Trotz deutlicher Verbesserun- Alzheimer Demenz - wissen, [1]. In den vollständig analy- gen in der Prävention führt sind bisher nur wenige medika- sierbaren Jahren 2014 und auch in Europa die steigende mentöse Therapien zugelassen, 2015 wurden jeweils fast 1% der Lebenserwartung zu einem deren Einsatz in Österreich Versicherten mit einem Anti- starken Anstieg an Erkrank- relativ streng reguliert wird. Es dementivum behandelt. Die ten. Menschen mit Demenz erschien uns daher von gro- WHO geht in Österreich von versterben nicht nur deutlich ßem Interesse, die bestehende rund 127.000 Betroffenen im früher als solche ohne, ihre Versorgung dieser Patientinnen Jahr 2016 aus [2]. Naturgemäß Lebensqualität wird durch und Patienten zu untersuchen, lässt sich aus den Verschrei- die Erkrankung auch zu- um einerseits eine Planungs- bungsdaten nur grob auf die nehmend eingeschränkt. sicherheit für die Zukunft zu tatsächliche Prävalenz schlie- Obwohl wir mittlerweile viel schaffen und andererseits be- ßen. Unter dem Aspekt, dass mehr über die Entstehung stehende Verbesserungsmög- nur für manche Demenzformen lichkeiten zu identifizieren. In eine Therapie zugelassen ist, Zusammenarbeit mit den öster- dass viele Menschen nach der reichischen SV-Trägern konn- Diagnose nicht durchgehend ten wir 2016 einen Datensatz Antidementiva einnehmen, erstellen, der alle Menschen sowie einer Dunkelziffer an inkludierte, die im Beobach- Erkrankten, die noch nicht tungszeitraum von 2006 - 2016 diagnostiziert wurden, schätzen eines der zugelassenen anti- wir die Anzahl der an Demenz dementiven Medikamente (die erkrankten Personen auf DEMENZ- drei Acetylcholinesterasehem- Basis unserer Zahlen auf rund ERKRANKUNGEN mer Rivastigmin, Donepezil und 175.000 - 200.000 (entspricht Galantamin, sowie Memantin) ca. 2.3% der Bevölkerung). Sie führen zu großem verschrieben bekommen hat- Das mediane Alter zum Start Leid für die Betroffe- ten. Anhand dieser Verschrei- der ersten Verschreibung eines nen und Angehörige bungsdaten lässt sich Vieles Antidementivums lag in unse- aber auch zu hohen aus der Krankengeschichte von rem Beobachtungsraum bei Kosten für das Ge- Patientinnen und Patienten mit 82.3 Jahren, mehr als 65% der sundheitssystem. Demenz rekonstruieren und Betroffenen waren Frauen. Es wir widmen uns in mehreren ist bekannt, dass Frauen häufi- Arbeiten der Epidemiologie ger von Demenz betroffen sind und Versorgung dieser be- als Männer [3]. Zum jetzigen sonders wichtigen Gruppe an Zeitpunkt ist nicht klar, ob das Patientinnen und Patienten. einzig auf eine erhöhte Lebens- erwartung von Frauen oder Zunächst haben wir die Epide- möglicherweise auch auf einen miologie, insbesondere Alter biologischen Unterschied bei Start der Verschreibung, zurückzuführen ist. Wenngleich sowie den individuellen Ver- es keine sicheren Referenz- www.gesundheitskasse.at
ÖKONOMIE & PRAXIS 23 zahlen für das typische Alter dass erst relativ spät mit der Demenzerkrankungen bei Erkrankungsbeginn gibt, Therapie begonnen wird - hier sind weltweit auf dem so legen doch internationa- besteht also möglicherweise Vormarsch. le Vergleiche nahe, dass der ein Optimierungspotential. Gipfel vor dem 80. Lebens- Das erste verschriebene An- jahr liegt [4]. Das relativ hohe tidementivum war in 80% Alter bei Erstverschreibung der Fälle aus der Klasse der erscheint uns etwas hoch und Acetylcholinesterase-Inhibito- könnte ein Hinweis darauf sein, ren, welche für die leichte bis 4. Ausgabe
24 ÖKONOMIE & PRAXIS Bei etwa 26% der PatientInnen ren zu großem Leid für die wurde die letzte antidementi- Betroffenen und Angehörige ve Medikation zumindest ein aber auch zu hohen Kosten für Jahr (oder länger) vor ihrem das Gesundheitssystem. Eine Tod verordnet, ¾ davon waren möglichst genaue Abschät- Acetylcholinesterase-Hemmer. zung der Fallzahlen und Pro- Es entspricht den Verschrei- jektionen für die Zukunft sind bungsrichtlinien und der daher unerlässlich. Aus diesem Fachinformation, die Behand- Grund planen wir bereits, die lung zu beenden, wenn kein Analyse für die Jahre 2019 und Nutzen mehr nachweisbar ist, 2020 zu wiederholen, um noch jedoch könnte ein Wechsel auf besser Veränderungen über Memantin ein Potential für eine die Zeit darstellen zu können. Therapieoptimierung bieten. mittelschwere Demenz zuge- Dr. Raphael Wurm, Abteilung lassen sind, wohingegen in 20% Zusammenfassend lässt sich für Neurologie, MUW der Fälle direkt mit Memantin, aus dieser ersten Analyse dem Präparat für die mittel- der Daten eine vorsichtige Univ.-Prof. Dr. Tanja schwere bis schwere Demenz, Schätzung der Prävalenz von Stamm, Center for Medical begonnen wurde. Die Dauer Demenzerkrankungen in Statistics, Informatics and der Therapie mit einem Antide- Österreich für die Jahre 2014 Intelligent Systems, MUW mentivum betrug im Median und 2015 ableiten. Mit rund 13 Monate. Beinahe 14% aller 200.000 Betroffenen liegt Assoc. Prof. Dr. Elisabeth Patientinnen und Patienten diese über den hochgerech- Stögmann, Abteilung für bezogen nur die erste Packung neten Zahlen, entspricht aber Neurologie, MUW ihres Medikaments, wobei einer geschätzten Prävalenz sich aus dieser Analyse nicht in vergleichbaren Ländern. DI Berthold Reichardt, ÖGK feststellen lässt, ob das Me- Demenzerkrankungen füh- dikament von ärztlicher Seite abgesetzt wurde, zum Beispiel Referenzen aufgrund von Nebenwirkun- 1. Wurm R, Stamm T, Reichardt B, Schwarz a systematic analysis for the Global Bur- F, Parvizi T, Silvaieh S, et al. Prescription den of Disease Study 2016. Lancet Neurol. gen, oder von den Patientinnen patterns of antidementives in a high 2018. doi:10.1016/S1474-4422(18)30403-4 und Patienten selbstständig income country: A pharmacoepidemio- 3. Mazure CM, Swendsen J. Sex differences nicht weiter genommen wurde, logic study. Alzheimers Dement. 2020;6: e12014. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/ in Alzheimer’s disease and other demen- z.B. aufgrund wahrgenom- pmc/articles/PMC7189407/pdf/TRC2- tias. Lancet neurology. 2016. pp. 451–452. mener oder angenommener 6-e12014.pdf, Zugang am 14.7.2020 4. Bohlken J, Weber S, Rapp MA, Kostev Wirkungslosigkeit, aufgrund 2. Nichols E, Szoeke CEI, Vollset SE, Abbasi K. Continuous treatment with antide- N, Abd-Allah F, Abdela J, et al. Global, re- mentia drugs in Germany 2003-2013: von Vergessen der Einnahme gional, and national burden of Alzheimer’s a retrospective database analysis. Int oder aufgrund anderer Gründe. disease and other dementias, 1990–2016: Psychogeriatr. 2015;27: 1335–1342. Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an: Dr. Christian Sturm • Gesundheitsökonomie A-9021 Klagenfurt am Worthersee • Kempfstrase 8 Tel: 05 0766-164891 • Fax: 05 0766-164895 • E-Mail: christian.sturm@oegk.at IMPRESSUM Medieninhaber und Herausgeber: Österreichische Gesundheitskasse Haidingergasse 1, 1030 Wien • www.gesundheitskasse.at/ impressum • Redaktion: ÖGK Landesstelle Kärnten, Kempfstraße 8, 9021 Klagenfurt am Wörthersee • Hersteller: Satz- und Druckteam, 9020 Klagenfurt, www.sdt.at • Fotos: sutterstock.com • Grundlegende Richtung des periodischen Mediums: Fach- und Informationsblatt für die Vertragsärzte der Österreichi- schen Gesundheitskasse in Kärnten (ÖGK) über die ökonomische Verschreibweise von Heilmitteln und andere mit dem Vertragsverhältnis zwischen der ÖGK und den Vertragsärzten im Zusammenhang stehenden Belange. www.gesundheitskasse.at www.gesundheitskasse.at
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