Kult.kino zu Besuch bei Ramstein Optik - Blick hinter die Kulissen

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kult.kino zu Besuch bei Ramstein Optik
                             Blick hinter die Kulissen
klares Bild entstehen lässt. Kinobetreiberinnen wie    erregt, leitet er die Informationen von der Netzhaut
Das menschliche Auge. 		                                 Optiker wissen, worauf sie scharf stellen wollen –     ins Gehirn weiter und lässt damit erst ein Bild ent-
Ein anatomischer Kurzlehrgang                            auf Qualität. Sie stellen die Kultur in den Vorder-    stehen.
                                                         grund und blenden Massenware aus. Damit wird           Die kult.kinos und Ramstein stellen die Verbindung
Andreas Bichweiler,
                                                         das menschliche Auge auch zum Auge für das Be-         vom Auge zum Hirn auf ihre Art her. Dem Kinoerleb-
Inhaber Ramstein Optik
                                                         sondere: Das Team von Ramstein Optik sichtet die       nis geben Publikumsdiskussionen und Gespräche
(Text von Diana Frei, Journalistin)
                                                         Brillenkollektionen auf den Messen in Paris, Mailand   mit dem Regisseur zusätzliche Tiefe, und das Op-
                                                         und New York vor Ort und rückt Basels Gesichter mit    tikergeschäft bot Jean Tinguely eine künstlerische
Die kult.kinos zeigen, was sehenswert ist, und           handverlesenen Modellen ins rechte Licht. Entspre-     Plattform als Schaufensterdekorateur, liess Fred
Ramstein bietet, was den Blick dafür schärft: Filme      chend war die Vision der kult.kinos von Anfang an,     Spillmann Brillen entwerfen und engagierte den
und Brillen, offensichtlich. Die Verwandtschaften zwi-   auf eine inhaltlich verschwommene Programmation        Wiener Künstler Alfred Hofkunst für eine Schwarz-
schen dem Optikergeschäft und den Kinobetreiberin-       zu verzichten. Sie zeigen keine Hollywood-Filme,       weissgrafik, die als Werbeplakat verwendet wurde.
nen reichen aber weiter – so verbindet sie nicht nur     für die das Publikum blindlings die Kinosäle stürmt.   Ramstein machte das Sehen zur Kunst.
das Sehen, sondern auch die gleiche Blickrichtung.       Vielmehr bringen die kult.kinos kleine Produktionen
                                                         auf die Leinwand, in denen Konturen und Kontraste      Nun kann das menschliche Auge schliesslich nur
Beide haben ein menschliches Auge. Seine Linse           zu erkennen sind, sodass man merkt: Das Sehen an       auf einen Punkt scharf stellen, und so wollen sich
ist ein elastischer Körper, der auf der Netzhaut ein     sich ist schon Nervenkitzel. Denn wird der Sehnerv     die kult.kinos wie das Optikergeschäft auf ihre Stadt
Tobias Faust (strategischer Allrounder, Querdenker, Betriebsökonom) / Suzanne Schweizer (Geschäftsleitung, Sozialpädagogin) /
Olaf Kollodzinsky (Filmpromotion, Kultursoziologe) / Roman Weiss (Sekretariat, Computerspezialist) / Romy Gysin (Geschäftsleitung,
Juristin) / Ruth Grünenfelder (Co-Personalleitung, Choreographin, Tänzerin)

konzentrieren. Basel ist ihr Gesichtsfeld – das,        im Firmenschaufenster Weihnachtsmärchen zeigte.         Möchten Sie innerhalb der nächsten Woche gratis zu einer
                                                                                                                Première eingeladen werden?
was beide Augen gleichzeitig überblicken können.        Die kult.kinos eröffneten vor dreissig Jahren im da-    Dann schicken Sie eine E-Mail mit dem Vermerk «Blick hinter die
Nicht, dass die Kinobetreiberinnen und der Opti-        maligen Spaghettiwestern-Kino Maxim ihren ersten        Kulissen» an: info@kultkino.ch.
ker mit Scheuklapppen herumlaufen würden und            Saal unter dem Namen Camera. Heute bespielen sie        kult.kino ag, Clarastrasse 48, 4058 Basel        061 681 46 33
nicht wüssten, was links und rechts läuft. Aber sie     mit den zusätzlichen kult.kinos club, atelier und mo-   kult.kino atelier 1 / 2 /3, Theaterpassage       061 272 87 81
                                                                                                                kult.kino movie, Clarastrasse 2                  061 681 57 77
haben bereits vor Jahrzehnten ihr Auge auf Basel        vie insgesamt sieben Leinwände.                         kult.kino club, Marktplatz 34                    061 261 90 60
geworfen und dabei ihr Herz an die Stadt verloren.                                                              kult.kino camera, Rebgasse 1 (Claraplatz)        061 681 28 28

Hier sind sie entstanden und gewachsen, und hier        Mit ihrer Stadt verwachsen, haben die Kinobetreibe-     Sehen Sie die Untertitel wirklich scharf? Falls Sie unsicher sind,
liegen sie sicher eingebettet wie der Augapfel in der   rinnen und der Optiker jederzeit im Blick, wem sie      schicken Sie eine E-Mail oder rufen Sie uns an. Vereinbaren Sie
                                                                                                                bis Ende Oktober einen Termin für einen kostenlosen Sehtest.
Augenhöhle: 1899 gegründet, war Ramstein Optik          was zeigen. Als Partner tragen sie dazu bei, dass       Wir möchten, dass Sie gute Filme auch gut sehen!
über drei Generationen ein Familienunternehmen,         in Basel die Sehkraft nicht nachlässt. Und sie ver-
                                                                                                                Ramstein Optik                Ramstein Optik
bevor sie in eine Aktiengesellschaft umgewandelt        gessen dabei nie, dass das menschliche Auge ein         Sattelgasse 4                 EKZ Gartenstadt
wurde. Andreas Bichweiler, der hier Jahre zuvor         vielseitiges Organ ist. Deshalb nennt man es auch       Beim Marktplatz               Kaspar-Pfeiffer-Strasse 6
                                                                                                                CH - 4001 Basel               CH - 4142 Münchenstein
Lehrling gewesen war, übernahm die Firma von der        Fenster zur Welt. Oder biologische Kamera. Oder         Tel. 061 261 58 88            Tel. 061 411 00 20
Gründerfamilie. Er setzte Projekte um, die fortan       Spiegel der Seele.                                      info@ramstein-optik.ch

ins Auge sprangen – ob nun brillenlose Prominente                                                               Idee, Konzept und Gestaltung: wolke7-basel.ch, Hermann Joos
Modell standen oder das Basler Marionettentheater                                                               Fotografie: Christian Speck, www.formzone.ch
Phone home
Antje Leppin, Augenoptik­meisterin und
Möchtegern-Stuntfrau
(Text von Antje Leppin)

Ein verschrumpelter Finger, schräg aufwärts in den
Himmel gestreckt. 1982 – Ost-Berlin, Kino am Fried-
richshain: «E.T.». Für schlappe 50 Ostpfennige – etwa
50 Rappen. Ein 10-jähriges Mädchen mit blonden
Haaren steht mit großen Augen vor dem Kino und ist
super aufgeregt. Die bunten Fotos im Schaukasten
des Kinos lassen sein Herz vor Vorfreude hüpfen ...
Mein erster großer Kino-Kinderfilm. Viele russische
und tschechische Märchen hatte ich schon gesehen,
kannte den kleinen Maulwurf und «Hase und Wolf».
Aber in so einem großen Kino war ich noch nie.
Neunzig Minuten später kam ich aus der Vorstellung,
immer noch gefesselt von der fantastischen Welt
des großen Kinomärchens. Aber nichts schien mehr
so zu sein, wie es vorher war. Für mich stand fest:
«Ich muss zum Film», oder besser: «Ich werde gleich
Schauspielerin».
Bei den folgenden Kinderfilm-Castings stellte sich je-
doch schnell heraus, dass mein schauspielerisches
Talent gegen Null tendierte. Na ja, man kann ja mal
träumen. Von meinen kindlichen Wünschen befreit,
machte ich den Schulabschluss, entschied mich für die
Ausbildung zur Augenoptikerin und arbeitete in diesem
Beruf nach der Lehrabschlussprüfung mehrere Jah-
re in meiner Heimatstadt Berlin. Eines Tages las ich
in der Zeitung eine Annonce, die mich faszinierte. Die
Filmstudios in Potsdam-Babelsberg, die älteste Film-
fabrik der Welt, suchten für ihre Stuntcrew eine junge
Frau. Jetzt sollte mein Traum vom Film also doch noch
wahr werden?! Stuntfrau wollte ich doch schon immer
werden. Kurzentschlossen sagte ich zu. Risikofreudig
war ich ja schließlich auch. Durch jahrelangen Leis-
tungssport befand sich mein Körper in bester Verfas-
sung. Diesmal konnte wirklich nichts schief gehen.
Nach einem Sturz aus sieben Metern Höhe und meh-
reren Verletzungen war auch dieser Traum ausge-
träumt. Offensichtlich war ich nicht hart genug für den
Job. «Na gut, dann nehme ich die Kamera selbst in
die Hand», so mein nächster Gedanke. In der Kaske-
line-Film-Akademie in Berlin kann jeder Filmbegeis-
terte das Handwerk des Filmemachens erlernen. Von
Bildaufbau über Kameraführung bis zum Schnitt –
in einem Hinterhof im Prenzlauer Berg wird jedes «Ge-
heimnis» gelüftet. Wahre Filmluft bei Fernseh- und
Kinoproduktionen schnupperte ich als «Blocker» –
so werden die netten Menschen genannt, die das
Set während den Aufnahmen absichern. Zahlreiche
Drehs später, nach literweise dünnem Kaffee, end-
losem Warten auf die nächste Szenenwiederholung
und kalten Füßen, wurde mir klar: «Geht mir alles viel
zu langsam! Nix für mich! Aus der Traum! Schuster
bleib bei deinen Leisten!».
Seit einigen Jahren lebe und arbeite ich nun in Basel.
Während ich mich in meinem Beruf immer weiter
qualifizieren konnte, ist Kino für mich das geblieben,
was es schon immer war – ein wunderbares Erlebnis.
Heute sitze ich als Zuschauerin tief versunken im Ki-
nosessel und genieße es, in die Weiten der Filmwelten
einzutauchen. Ohne Verletzungsrisiko und stunden-
langes Ausharren am Set. Nach neunzig Minuten trete
ich entspannt auf die Strasse. Die frische Luft holt mich
in die Realität zurück ...
Schön, dass es Kino gibt!
Eine Liebesgeschichte
Melanie Eberle, Opératrice-Koordinatorin
und kreative Allrounderin
(Text von Melanie Eberle)

Ich habe Filme, Kostüme und andere Wirklichkeiten
immer geliebt, habe mich oft in Traumwelten bege-
ben, setzte mich mit der anderen Wirklichkeit des
Schamanismus auseinander – und stand mit der
alltäglichen Wirklichkeit etwas auf Kriegsfuss. Sie
entglitt mir immer wieder, ich wusste nicht, wie ich
den Übergang von Wachsein – Wachtraum – Anders-
welt gut steuern konnte. In dieser Zeit arbeitete ich an
der Kinokasse und da gab es einmal eine Panne bei
einer Filmvorführung. Ich fragte den Operateur, was
passiert sei und er liess mich in die in jenem Betrieb
streng gehütete, für mich unzugängliche Vorführka-
bine herein – RUMMS! machte es da und ich hatte
mich verliebt – nicht etwa in den Operateur, oh nein,
in den Projektor!
Es gibt keine rationale Erklärung dafür: der Operateur
erklärte mir, wie der Objektivwechsel funktioniert,
und dass er an diesem Abend eben nicht funktionier-
te; da wusste ich, ich muss in meinem Leben Filme
vorführen. Ich wollte es nicht, weil ich als Operatrice
mehr Geld verdienen würde oder weil ich nicht mehr
soviel mit gestressten Kunden zu tun hätte; ich wollte
an den Schaltern sein, die das richtige Objektiv ein-
stellen. Ich wollte den Knopf drücken, der die Lampe
zündete und wie durch ein Wunder Licht durch ein
Filmband warf, dass durch die richtige Linse auf der
Leinwand zu einer Welt wurde, in die man versinken
konnte. Ich wollte diejenige sein, die dafür verant-
wortlich ist, dass bei der Entstehung dieser Kinowirk-
lichkeit alles stimmte, dass das Objektiv stimmte, die
Schärfe, der Bildstrich, die Lautstärke und so weiter.
Ich habe dann alles über Projektoren gelernt, was ich
in Trockenübung lernen konnte, bin durch Antiquaria-
te gezogen und habe Bücher über die Geschichte der
Vorführtechnik gesucht, gefunden und verschlungen,
ich habe die Form der alten Projektoren geliebt, mich
mit wehem Herzen nach dem Geräusch der flattern-
den Filmschlaufen gesehnt, ich habe inbrünstig dafür
gebetet, Operatrice werden zu können, mir einen Pro-
jektor auf den Oberarm tätowieren lassen – aber trotz
allen Bemühungen, trotz allem Lernen zuhause – in
dem Betrieb sollte mein Traum nicht wahr werden,
denn sie wollten keine Operatricen, nur Operateure...
Zum Glück! Denn so bin ich dank einer Blindbe-
werbung zu den kult.kinos gekommen, ich MUSSTE
einfach mein Glück versuchen; schmerzlos war es
nicht, es hat mich eine Freundschaft im Team des
ehemaligen Arbeitgebers gekostet ... dennoch: et-
was Besseres, als im Team des kult.kino aufgenom-
men zu werden, hätte mir nicht passieren können –
hier hatte ich die Möglichkeit und den Raum meine
Liebe zu den Projektoren auszuleben – hier konnte
ich sie anfassen und bedienen anstatt nur Comics
darüber zu zeichnen – und mache das immer noch,
geniesse es, solange es noch dauert und die guten
alten Projektoren nicht von der digitalen Techik ver-
drängt werden.
Die Arbeit im Kino gibt mir extrem viel und hat mir
schon viel beigebracht: nicht nur wie ich im Kino das
richtige Objektiv einstelle, sondern auch im richtigen
Leben; dafür werde ich den ratternden wundersamen
Maschinen ewig dankbar sein.
im späten 13. Jahrhundert. Wer erinnert sich nicht   die schwarze Decke des Guckkastens stecken. Der
Alles eine Frage der Optik – oder                     an das überschwängliche Lob seiner Augengläser,      Camera obscura als Vorläuferin der Kamera wurde
weshalb wir an die Zukunft des                        das der Mönchsdetektiv William von Baskerville       bald darauf, erneut in den Niederlanden der Ba-
Kinos glauben                                         in Der Name der Rose anstimmt? Die damalige          rockzeit, die Laterna Magica zur Seite gestellt. Mit
                                                      High-tech-Erfindung Brille verlängert die produk-    dieser Zauberlaterne war die optische Grundlegung
(Text von Hansmartin Siegrist, Film-
                                                      tive Lebenszeit des Menschen wie das künstliche      des Kinos geschaffen. Dessen chemische, feinme-
historiker und Auftragsfilm-Produzent)
                                                      Licht den Tag. Das 17. Jh., das Jahrhundert der      chanische und elektrische Voraussetzungen sollten
                                                      Optik, brachte die Verkürzung der Distanzen durch    indessen erst 1895 erfüllt sein, als das Projektoren-
Optik hat den Gang der Geschichte verändert. So       das Fernrohr und die Verlängerung unseres Auges      licht eines Brüderpaars mit dem sinnigen Namen
setzte Archimedes mit Hohlspiegeln die Segel der      durch das Mikroskop. Wie wunderbar die Linse auch    Lumière erstmals eine Filmleinwand mit lebendigen
gegnerischen Flotte vor Syracus in Brand. Genützt     als Herzstück der Camera Obscura das Leuchten        Fotografien erleuchtete. Was uns heute erstaunt: Die
hat’s ihm zwar wenig – die Römer eroberten seine      der Aussenwelt zum hellen Bild in dunkler Kam-       sonst geschäftstüchtigen Erfinder und Industriellen
Heimatstadt dennoch und meuchelten den Gelehr-        mer umgestaltet, war bei uns im Kino zu sehen:       Lumière glaubten ausdrücklich nicht an die Zukunft
ten, als er über der Geometrie von Rundflächen –      Johannes Vermeer (1632–75) bringt Das Mädchen        ihres Kinematographen und verkauften ihr Patent
und damit vielleicht über Berechnungen zur Optik –    mit dem Perlen-Ohrring ins Staunen (und sich ins     Charles Pathé, dem ersten Multi-Medien-Mogul der
brütete. Eine weit folgenreichere und vor allem       Schwitzen), als der niederländische Maler und sein   Filmgeschichte.
friedlichere optische Erfindung war jene der Brille   schönes Modell ihre Köpfe zur Bilderschau unter
Laserlicht im Spiel: Bilder und Töne lassen sich im     gesehen werden. Nicht nur gebeamt im familiären
Es bleibt eine Frage der Optik –                      Computer bearbeiten, speichern, ja herstellen – und     Rahmen der couch potatoes, sondern im Kino. Was
eine Zukunft dem subjektiven                          auch auf kreisrunden Scheiben wie der DVD vertrei-      im interessierten Welt-Blick durch den Sucher einer
Objektiv des Kinos!                                   ben. Drum raunen, wie schon oft, die Unkenrufer         Filmkamera entstand, was durch ihr subjektives
                                                      wieder einmal vom Ende des Kinos – als ob dieses        Objektiv aufgenommen wurde, soll durch das helle
(Text von Hansmartin Siegrist, Film-
                                                      den Technologiewandel von Ton- und Farbfilm oder        Bildfenster des Filmprojektors wieder aufscheinen
historiker und Auftragsfilm-Produzent)
                                                      die Konkurrenz von Fernsehen und Video nicht ge-        dürfen. Im Kino, auf grosser Leinwand, mit trans-
                                                      meistert hätte.                                         parentem Ton, vor engagiertem Publikum. Denn
Heute, 111 Jahre nach Lumières Erfindung des Ki-      Geschichtsschreibung, gerade jene des Films, bleibt     das Lichtspieltheater, wie es früher so schön hiess,
nematographen, einem bahnbrechenden Mix aus           immer auch eine Frage der Optik: Wer Kinos mit so       bleibt Kult.
Optik, Mechanik, Chemie und Elektrizität, scheinen    programmatischen Namen wie Atelier, Camera, Club
sich die technische Komplexität und die Arbeitstei-   und Movie betreibt, ist stolz auf Kunst und Handwerk
ligkeit von Film und Kino verringert zu haben, weil   des Films, aber auch auf die Tradition seiner Vor-
alles in Computer und Bildschirm zusammenzu-          gängermedien. Vor allem aber glauben wir an die
kommen scheint. Das Zauberwort heisst «digitale       Zukunft des Kinos. Denn alle diese Filme, die von ei-
Speichermedien» – und erneut ist die Optik, dies-     ner neuen, Bildverarbeitungs-kompetenten Genera-
mal mit enorm gebündeltem, präzis gesteuertem         tion geschaffen werden, wollen gezeigt sein, sollen
Sonja Schöpfer
Augenoptikerin und Reisende
(Text von Sonja Schöpfer)

«Le Grand Bleu» in einem kleinen, improvisierten
Openair-Kino irgendwo auf der Welt. Gross die Lein-
wand vor Augen, eher unbequem die Klappstühle
zum Sitzen. Daneben die Sicht aufs tiefblaue Meer.
Das Rauschen des Ozeans in den Ohren, genauso
das Zirpen der Zikaden und das Kreischen der Mö-
wen. Im Hintergrund das leise Rattergeräusch vom
Abspulen der Filmrolle. Die Luft durchtränkt vom
Salz- und Fischgeruch. Einen Film nicht nur sehen,
sondern fühlen und erleben. Wahrnehmen mit allen
Sinnen. Noch lange nach dem Ende des Films war
ich ganz benommen von den überwältigenden Bil-
dern in dieser unübertrefflichen Atmosphäre. Dies
ist für mich Kino der Superlative.

Ein ganzes Kino gemietet, für meine Freunde, Be-
kannten, Verwandten und natürlich mich. Ein ganz
eigenartiges Gefühl, zu wissen, dass ich alle Anwe-
senden kenne und für dieses kunterbunt gemisch-
te Publikum nur einen einzigen Film aussuchen
konnte! Ich hatte mich auf mein Bauchgefühl verlas-
sen, einen irischen Steifen mit schwarzem Humor
und sattgrüner, schroffer Landschaft gewählt. Ob
meine Filmwahl Anklang findet? Glücklicherweise
kommt mir kein Gähnen oder gar Schnarchen zu
Ohren. Doch bei jedem Lacher weiss ich, wer da-
hinter steckt. Die sonstige Anonymität ist komplett
aufgehoben! Es hat mir Spass gemacht, meinen
dreissigsten Geburtstag auf diese Art und Weise zu
erleben.

Für mich als «Augenmensch» ist das Sehen zen-
tral. Umso spannender waren meine Erfahrungen
bei einem Praktikum mit blinden Menschen. Bei
dieser Arbeit lernte ich die Welt der Blinden näher
kennen. Ich versuchte, ihre Augen zu sein, für sie zu
sehen. Angefangen bei für mich ganz Alltäglichem,
wie zum Beispiel der Beschreibung der Speisenan-
ordnung auf einem Teller. Schwieriger dann, wenn
es galt, Farben oder gar Menschen mit Worten zu
umschreiben. Wie anders ich in dieser Zeit alles be-
trachtet habe. Als stärkster Eindruck aber blieb mir,
wie weitsichtig die meisten Blinden sind.

Im täglichen Stadtleben werden unsere sehenden
Augen überflutet. Bisweilen habe ich das Gefühl,
im falschen Film zu sitzen. Zu viele Seheindrücke
in zu rascher Abfolge. Oft fehlen mir Zeit und Mus-
se, etwas wirklich zu sehen. Den richtigen Fokus
zu finden fällt mir nicht immer leicht. Und auch die
Einstellung der Schärfe kommt nicht immer wie
von selbst. Oder brauche ich in gewissen Situatio-
nen diese Unschärfe, um scharf zu sehen? Ich habe
gelernt, dass es in allen Dingen, die ich sehe, noch
mehr zu entdecken gilt.
Am leichtesten fällt mir das «wahre Sehen» auf mei-
nen Reisen in berauschender Natur. Und zwischen
meinen Reisen beschäftigt mich das Sehen meiner
Kunden, nicht nur das physiologische, sondern auch
die Sichtweise, die Ansichten, die Einsichten. Auch
dies sind oft spannende Reisen, ohne dass ich das
Geschäft verlasse.
Das atmende Bild
Walter Derungs, Opérateur und Fotokünstler
(Text von Eva Kuhn)

Ein Augenblick reiht sich an den nächsten, Kader für
Kader rattert durch den Projektor, vierundzwanzig pro
Sekunde. Wir sitzen gebannt im Saal und werden ins
filmische Universum hineingeflochten. Angenommen
der Lauf der Story will es so, dass der Protagonist
sich ins Bett legt und einschläft. Da schläft er dann
auf der Leinwand und wir erwarten einen Schnitt, ei-
nen Wechsel des Schauplatzes, die Wiederaufnahme
des Handlungsstranges eines Widersachers, einen
Zeitsprung, mit dem wir uns am nächsten Morgen
mit dem Helden in ein neues Abenteuer begeben
oder aber eine sanfte Überblendung, die uns in seine
Traumwelt entführt. Nichts dergleichen geschieht.
Das Tageslicht schwindet, die an der Decke reflek-
tierten Scheinwerfer der Autos wandern über den
leicht bewegten, atmenden Körper, hin und wieder
ein zuckendes Lid. Jede Regung wird registriert: ein
Geräusch aus dem Off − ein Hoffnungsträger für ein
eintretendes Ereignis. Doch der Protagonist schläft
weiter. Gelegentlich stellen wir uns die Frage, ob sich
denn hier überhaupt irgendwas bewegt oder ob die
Operatrice uns an der Nase herumführt − es ist, als
würde ein Einzelbild wie ein Diapositiv projiziert. Die
minimalsten Bewegungen werden bedeutend, jene
die das Filmbild vom Standbild unterscheiden und
immer als Abweichungen von diesem erfahren wer-
den. Unsere Aufmerksamkeit ist verschärft − die Zeit
unter der Lupe. Ein labiles Gleichgewicht zwischen
Stillstand und Bewegung stellt sich ein. Wir stehen
auf einer Schwelle: da, wo das Filmbild einschläft, auf
einen ruhigen Atem reduziert wird beziehungsweise
da, wo die Fotografie zu atmen beginnt. Durch die
Annäherung der beiden Medien − durch die Stauung
oder Mortifizierung des bewegten oder die Animati-
on, die Beseelung des fixierten Bildes − stellen sich
grundlegende Unterschiede von Foto- und Kinema-
tografie heraus. Jener der im Foto schläft, wird für
immer schlafend bleiben. Ein stummes Fragment,
offen für unsere Projektionen und Geschichten. Die
Metapher des Foto-Schiessens beschreibt den Akt
des Auslösens der Kamera, wobei der fixierte Aus-
schnitt aus dem raum-zeitlichen Kontinuum heraus-
gelöst und auf den Negativstreifen gebannt wird. Wir
sehen denjenigen, der damals, zum Zeitpunkt der
Aufnahme geschlafen hat. Das Jetzt des Fotos ist ge-
wesen. Das Off der Fotografie ist ausgeschlossen, für
immer abgetrennt von dem uns visuell stets zugäng-
lichen Ausschnitt. Im Gegensatz dazu kehrt der Au-
genblick im Film nicht wieder, vorbei ist vorbei, es sei
denn wir sehen den Film ein weiteres Mal. Im Kino
befinden wir uns im Zeitmodus der Gegenwart −
ein Jetzt reiht sich ans nächste. Jederzeit könnte
etwas Unvorhergesehenes eintreten: Ein Zustand
der Spannung, der potentiellen Möglichkeit. Das Off
bleibt präsent und spielt im filmischen Erleben mit.
Ein Öffnen der Tür, ein Zuschlagen eines Fensters,
ein Ruf oder auch das Klingeln des Weckers könn-
te den Handlungsstillstand jederzeit wieder in Gang
bringen. Der Schlaf im Film ist ein flüchtiger. Indem
nun aber nichts geschieht, ist das zeitliche Erlebnis,
das sich hier einstellt, jenes der Dauer. Die Zeit der
Betrachtung und die Zeit des Films gehen synchron −
unser Atem passt sich demjenigen des Schlafenden
an und unsere Lider werden schwer.
en Feder-Scharnier-Steck-Systems an der Front zu         nach kurzen hektischen Jahren sind sie Eigentümer
ic! berlin ist eine Lebensauffassung                  befestigen: Kein Schrauben, kein Schweissen, kein        der angesagtesten Brillenfirma! Und 2003, mitten im
                                                      Löten!                                                   und wegen des überwältigenden Erfolges kommt es
(Text von Theo Schäfer, Text- und
                                                      Mit einem einzigen Modell in Händen veranstalte-         zur Trennung zwischen den Gründern. Allein, aber
Möbelmacher)
                                                      ten die drei Jungunternehmer Subskriptions-Par-          mit ungebrochenem Enthusiasmus, bleibt Ralph
                                                      tys und verkauften Urkunden, welche drei Monate          Anderl, der studierte Kunstpädagoge und Strassen-
«I see, Berlin!», sagte der potenzielle japanische    später zum Bezug einer Brille ermächtigten. Uner-        kunstsammler, der charismatische Blechbrillen-
Kunde, als er mit drei Berliner Studenten auf das     schrocken baten sie gleichzeitig Schauspieler für ihr    verkäufer: «ic! berlin ist eine Lebensauffassung»,
Dach des Gebäudes trat, in welchem diese an einer     Produkt Werbung zu machen. Dies taten sie offenbar       wie er gerne betont. Wenn Sie eine ic! berlin in den
total neuen Brillenfassung herumwerkelten. Irgend-    so überzeugend, dass sich Corinna Harfouch (dem-         Händen halten, wissen und fühlen Sie warum. ic!
wie war in diesem Moment klar, wie die Brillenkol-    nächst in Das Parfum) und Peter Lohmeyer (Das            berlin Brillen sind Luxusprodukte, Stück für Stück
lektion dereinst heissen müsste – «ic! berlin».       Wunder von Bern) finanziell an ic! berlin beteiligten.   in Handarbeit gefertigt in der «Alten Backfabrik» in
Die Geschichte von ic! berlin ist eine Geschichte,    1997 zeigten sie erstmals ihre Modelle an einer          Berlin Mitte. Vorbei sind die Zeiten, als drei Studen-
die sich so nur im Berlin nach der Wende abspielen    Messe, bekamen den Segen von Design-Übervater            ten bei Rotwein und Punkmusik um den Esstisch
konnte. Angefangen hatte es mit der Idee, Brillen-    Alain Mikli – und ein Jahr später den Oskar der Bril-    sassen und die ausgestanzten Teile feilten. Heute
fassungen aus Federstahl auszustanzen und so-         lenbranche. Unglaublich, aber wahr: Drei Studenten       arbeiten Grössen wie Proksch oder Joop an neuen
wohl die Gläser wie die Bügel mittels eines schlau-   erfinden ein cleveres Scharnier ohne Schrauben und       Modellen mit.
«Ich liebe Mickey Mouse mehr als jede Frau, die ich   «Begin at the beginning», the king said, gravely, and
Kino ist wenn ...                                    je gekannt habe.»                                     go on till you come to the end: then Stopp!»
                                                     Walt Disney                                           Lewis Carroll: Alice in Wonderland
(Berühmte Stimmen zum Kino)
                                                     «Es gibt keine Regeln für das Filmschaffen, es gibt   «Je älter ich werde, desto mehr misstraue ich den
«Das Kino ist eine Kiste mit zauberhaftem Gerümpel   nur Sünden. Und die Hauptsünde ist Langeweile.»       Ideen, um so mehr vertraue ich den Emotionen.»
(...) Ersatz für die Träume.»                        Frank Capra                                           Louis Malle
Hugo von Hofmannsthal zum Kinotopp
                                                     «Beim Drama habe ich einige Fehler gemacht. Ich       «Das Kino ist eine Entschuldigung dafür, das eigene
«Film ist die wichtigste aller Künste».              dachte, Drama sei, wenn die Schauspieler weinen.      Leben für ein paar Stunden zu verlassen und das
Lenin                                                Aber Drama ist, wenn das Publikum weint.»             eines anderen zu leben.»
                                                     Frank Capra                                           Steven Spielberg
«Film ist 24mal die Wahrheit pro Sekunde.»
Jean-Luc Godard                                      «In einem Dokumentarfilm ist Gott der Regisseur, in   «Gott sei Dank sieht das Publikum nur das End-
                                                     einem Spielfilm der Regisseur Gott.»                  produkt».
«Kino ist die Verbesserung des Lebens!»              A.Hitchcock                                           Woody Allen
François Truffaut
Kino? Buch? Oder sich lieber selber
etwas ausdenken?
Rachel Harper, Augenoptikerin und ...
(Text von Rachel Harper)

Ob ich gerne ins Kino gehe? Klar, ich liebe das
Kino. Gespannt im Kinosaal zu warten bis das Licht
ausgeht, und sich dann von einem guten Film auf
einer grossen Leinwand verführen zu lassen. Zu
vergessen, dass man nicht alleine im Kinosaal sitzt.
Die Freuden der Filmfiguren zu teilen, mitzulachen
oder mitzutrauern; die Gedanken und Gefühle aus
dem Film mit nach Hause zu nehmen. Gibt es etwas
Schöneres, als sich verzaubern zu lassen?

Ja, vielleicht. Auch ein gutes Buch kann mich ver-
zaubern. Die Bücherfreunde kennen das: Am Abend
fange ich mit der ersten Seite an, und kann das Buch
dann nicht mehr aus den Händen legen bis ich es zu
Ende gelesen habe. Oder bis mich die aufgehende
Sonne daran erinnert, dass ich vor der Arbeit even-
tuell noch eine kurze Stunde schlafen sollte. Bücher
begleiten mich schon lange. Meine Eltern haben mir
und meinen drei Geschwistern immer Geschichten
vorgelesen. Nicht etwa kleine süsse Kinderbücher,
sondern richtig dicke Wälzer, oder sechs- oder auch
zwölfbändige Romane. Lange Abende und Wochen-
enden haben sie sie uns erzählt. Manchmal sogar
die ganzen Ferien lang. Ein Fernsehgerät besassen
wir nicht, und so liessen wir beim Zuhören unserer
Fantasie freien Lauf.

Vor ein paar Jahren hatte mein Bruder dann diese
wunderbare Idee: Wir vier Geschwister sollten und
könnten selber ein Buch schreiben. Immer nur die
Geschichten von anderen zu lesen, deren Fehler
aufzuzählen und Mängel zu kritisieren – nein, Ideen
hätten wir doch genug in unseren Köpfen! Begeis-
tert haben wir zugestimmt. Die Umsetzung war
dann doch nicht so einfach, wie wir zu Beginn dach-
ten. Schon genügend Zeit zu finden war nie leicht,
da wir nicht mehr alle in derselben Gegend wohnen
und alle ihr eigenes Leben führen. So begannen
wir, uns möglichst oft an Sonntagen zu treffen und
zu schreiben. Mehrere Male verbrachten wir auch
«Schreibferien» zusammen, während denen wir nur
geschrieben und über den Fortgang der Geschich-
te diskutiert haben. Von einem bestimmten Punkt
an dachten wir, es wäre wohl einfacher, ein Dreh-
buch zu verfassen, als unsere Ideen lesegerecht in
Buchform zu bringen. Sich Szenen bildlich auszu-
malen war eben nicht dasselbe, wie sie spannend
aufzuschreiben. Vor allem, weil wir sie uns so gut
als Filmszenen vorstellen konnten, mit all den Ge-
räuschen, der Mimik, der Dynamik. Diese Tage wa-
ren intensiv. Wir haben viel gelacht, aber auch sehr
ernste Diskussionen geführt.

Wenn ich jetzt zurückschaue, dann ist mir die Zeit
des gemeinsamen Schreibens und Argumentierens
fast wichtiger als das ursprüngliche Ziel. Vielleicht
bleibt es bei unseren Entwürfen und Diskussionen,
und unser Buch wird nie fertig geschrieben werden.
So wird unsere Geschichte ein grossartiger Film
bleiben, welcher sich nur in den Köpfen von mir
und meinen Geschwistern abgespielt hat. Eigentlich
auch eine grossartige Vorstellung ...
Gute Filmmusik
Niki Reiser – Musiker und Filmkomponist,
unter anderem bekannt für seine enge
Zusammenarbeit mit dem Regisseur
Dani Levy, dessen Filme von «Du mich auch»
bis «Alles auf Zucker» in den kult.kinos
liefen.

Wenn ich gegen 9 Uhr morgens in meinem Studio
auf dem Gundeldinger Feld ankomme, ist mir etwas
bang: War das wirklich gut, was ich gestern ange-
fangen habe, hält es einer kritischen Analyse stand?
Denn das ist das Allererste, was ich mache – das
Material vom Vortag hören und sichten, es mit Ab-
stand bewerten. So, als ob ich der Regisseur wäre.
Natürlich will man, dass etwas wirklich gut ist und
man einfach weiterarbeiten kann. Aber das ist halt
nicht immer so. Manchmal denkt man sich auch:
Gestern muss ich von Sinnen gewesen sein.

... kommentiert die Bilder von aussen
Meine Basis für die Musik sind Filmbilder, manch-
mal auch nur das Drehbuch. Schwer zu sagen, wie
ich zu meinen musikalischen Themen finde; oder
sie zu mir. Es ist ein Prozess, der mit Nachdenken
beginnt, mit einer Analyse der Emotionen, mit ei-
nem grossen Rätsel auch. Am Anfang ist das Rätsel.
Dann gibt es eine Phase des Probierens und Schei-
terns und Wiederprobierens, des sich Abmühens.
Die Lösung wird schliesslich nicht selten aus Ver-
zweiflung geboren. Klingt das nach harter Arbeit? Es
ist Arbeit.

... und unterwandert sie manchmal
Am Vormittag bin ich kreativer. Deshalb sehe ich zu,
dass ich vor dem Mittagessen etwas Gutes zustan-
de bringe. Sonst wird es danach immer schwieriger.
Und ja, es gibt Tage, an denen nichts kommt, wo ich
vor dem Klavier sitze und denke: Was mache ich da?
Filmmusik schreiben ist manchmal wie sich zum
Verlieben zwingen. Paradox. Es gibt Tage, an denen
ich mir wünsche einen normalen Beruf zu haben.
Aber es gibt auch diese anderen Tage, wo’s läuft, wo
die Säfte fliessen und die Ideen spriessen. Dann bin
ich sicher, den schönsten und privilegiertesten Beruf
der Welt zu haben. Spielen dürfen und dafür Geld
bekommen.
Abends dann, wenn ich nach 18 Uhr heimwärts
gehe, lasse ich die Arbeit im Studio. Man lernt das
mit den Jahren. Meine Familie hat mir dabei gehol-
fen. Mit dem, was sie anzubieten hat und braucht,
indem mir meine Frau und Kinder zeigen, dass es
noch ein anderes Leben gibt, jenseits des Films.
Diese Eigenschaft der Lichtbrechung wurde bald zur       ger stark abgelenkt werden.
Das Glas, das aus dem Weltraum kam                     Herstellung von Fernrohren, Lupen und Sehhilfen          Das Potenzial als innovatives Brillenglas hat Dr.
                                                       eingesetzt. Heute werden beim Fachoptiker Gläser         Andreas Dreher, Laser-Spezialist in Kalifornien, er-
(Text von Theo Schäfer, Text- und
                                                       mit hoher Brechkraft verwendet; denn je stärker          kannt. Er entwickelte ein Gerät, mit welchem rasch
Möbelmacher)
                                                       ein Material Licht ablenken kann, desto dünner und       und präzise untersucht werden kann, wie Lichtwel-
                                                       leichter kann damit ein Brillenglas gefertigt werden.    len durch das Auge verlaufen, und wo sie wie stark
«Star-Wars für die Augen» hat Alois Feusi seinen       Die Lichtbrechung des verwendeten Glases war bis         vom idealen Weg abweichen. Solche Abweichun-
Artikel in der NZZ am Wochenende genannt – aber        heute an allen Stellen in der Brille gleich gross. War   gen sind bei jedem Menschen einzigartig – wie der
er hat damit nicht auf die Filme von George Lucas      gleich gross – bis zu dem Moment, als die amerikani-     Fingerabdruck. Also müsste doch jedes Brillenglas
angespielt. Er hat den Begriff von Ronald Reagan’s     sche Firma Ophthonix ein neuartiges Plastikpolymer       diese Ablenkungen auch individuell korrigieren! Ge-
Programm zur satellitengestützten Abwehr sowjeti-      einzusetzen begann.                                      nau dies ermöglichen «i-Zon Gläser» von Ophthonix,
scher Atomraketen übernommen. Was hat dies bloss       Damit sind wir doch noch bei Star-Wars gelandet.         der Firma von Dr. Dreher. In Basel bietet Ramstein
mit den Augen und dem Sehen zu tun?                    Das spezielle Polymer wurde nämlich für das Rake-        Optik diese objektive Messung des Strahlengangs
Vor der Beantwortung dieser Frage ist ein Blick in     tenabwehr-Programm entwickelt. Seine herausra-           durch die Augen und die Herstellung dieser neuar-
die Geschichte der Brille nützlich. Schon vor Jahr-    gende Eigenschaft ist die Variabilität der Brechkraft:   tigen Brillengläser an: Als ungekanntes, verblüffend
hunderten haben Gelehrte realisiert, dass Glas einen   Man kann sie so einstellen, dass Lichtstrahlen in eng    neues Sehen bezeichnen «i-Zon» Brillenträger ihre
einfallenden Lichtstrahl ablenken oder brechen kann.   nebeneinander liegenden Punkten mehr oder weni-          Erfahrungen.
heute gerne daran glauben, dass man vor über 100        Entstellte wieder schön oder wenigstens geliebt
Kinomagie                                                 Jahren noch an alles glaubte, wie die Kleinen im        wird. Kino ist der Glaube an Wunder. Und was ist es
                                                          Kasperletheater – Achtung, das Krokodil!                anderes als ein kleines Wunder, wenn wir während
(Text von Oliver Lüdi)
                                                          Kino ist Täuschung. Angefangen bei den 24 Einzelbil-    90 Minuten oder mehr einem Geschehen folgen, das
                                                          dern pro Sekunde, die unserem Hirn suggerieren, es      uns weit mehr interessiert als das Interessanteste
Als der Film eben erst geboren war und längst noch        sehe gerade einen Film; über diese plane Leinwand,      überhaupt (unsere eigenen Sorgen und Nöte), dass
nicht sprechen konnte, bei einer Vorführung der           auf der sich das runde, pralle, volle Leben abspielt;   wir das tun, ohne auf die Uhr zu sehen oder das Pro-
Brüder Lumières war es, im Jahr 1895 in Paris. Da         bis hin zu den Schauspielern, die uns vormachen sie     fil der Nachbarin zu studieren; dass wir hernach aus
sollen Zuschauer in Panik geraten sein, als auf der       seien gerade verzweifelt, verliebt oder Serienmör-      einem halbdunklen Kinosaal in eine fremde Stadt
Leinwand ein Zug in einen Bahnhof einfuhr, augen-         der. Und Kino ist in seinen besten Momenten Ma-         hinauskommen, uns erst einmal und gelegentlich
scheinlich auf sie zu, kein Zweifel, in wenigen Au-       gie. Verzaubert uns, macht, dass wir hin und weg        für längere Zeit nicht zurechtfinden, draussen, in
genblicken hätte er sie zermalmt. Warum wird diese        sind. Im Kino wird, wer mag, wider besseres Wissen      dieser anderen Welt, wo wir doch gerade ganz und
Szene aus den Kindertagen des Kinos (von der man          und entgegen aller so genannten Lebenserfahrung         gar in Berlin, Tokio, Sarajewo oder einem kirgisi-
noch nicht einmal sicher weiss, ob sie stimmt), wa-       wieder zum Kind; das bangt und hofft und wünscht,       schen Dorf lebten, litten oder glücklich waren.
rum wird «L‘Arivée d‘un Train en Gare de la Ciotat»       dass am Ende alles gut wird, dass – unsere Abnei-
so oft zitiert? Vielleicht, weil die Geschichte einfach   gung gegen zuckrige Happyends hin oder her – sie
schön ist, die Zuschauer damals schön naiv und wir        ihn und er sie bekommt, die Bösen bestraft und der
ches Taschentuch, in dem ich mich in den nächsten        Mit meinem damaligen besten Freund träumte ich
Die Drehbücher habe ich weg­geworfen                    Stunden verstecken konnte. Meinem Vater ist sie          von technisch hochstehenden Special Effects und
                                                        wohl eher wie ein blutleerer lederner Handschuh          Plots. Die haben wir auch geschrieben und unseren
Andreas Studer, eidg. dipl. Augen­optiker
                                                        vorgekommen, so wie ich sie gedrückt haben muss.         Freunden präsentiert. Die Probeleser waren davon
und beinahe Filmer
                                                        Damals trug ich keine Brille. Was ich wohl noch alles    so begeistert, dass wir voller Mut und mit dem En-
(Text von Andreas Studer)
                                                        gesehen hätte?                                           thusiasmus der Jugend weitermachten. In tage- und
                                                        Filme waren zwar meine Passion, doch eine Leh-           nächtelanger Arbeit verloren wir uns im Schreiben
Mein erstes Erlebnis im Kino war eine Sonntagsma-       re habe ich als Augenoptiker absolviert. Aber: Was       von Drehbüchern, nicht einem, sondern mehreren.
tinée mit meinen Eltern und meinem Bruder Raeto.        habe ich mir von meinem angesparten Lehrlings-           Mein Freund zog dann für ein Musikstudium nach
«Das hast du alles nur geträumt!» ruft dieser jetzt.    lohn geleistet? Eine Videokamera! Toll habe ich sie      Boston und kam nie mehr zurück. Und ich – ich habe
Nein, wirklich, es war ein Film über wilde Tiere in     gefunden. Endlich meinen Vorbildern und Helden           die Drehbücher beim letzten Umzug endlich weg-
Afrika. In Farbe! Ein überwältigendes Gefühl – auf      nacheifern, selber Filme drehen. Zugegeben, es war       geworfen. So geht das. Aber immer noch begleiten
harten Stühlen zwar, ähnlich denjenigen im alten        dann nicht so einfach, nur schon wegen meiner sper-      mich das Sehen, die Filme, die Menschen. Im Beruf,
Kino Atelier, das ich später lieben lernte. Das Licht   rigen Kunststoffbrille. Zu der Zeit brauchte ich eine,   in der Freizeit, im Alltag faszinieren sie mich. Sie las-
wurde abgedunkelt, der Film begann, riesengross.        aber sie war schwarz und total cool. Dieses Problem      sen mich in andere Welten einsteigen, in gute und
Ein wunderbares, mulmiges Gefühl breitete sich in       habe ich mit Kontaktlinsen aus dem Weg geräumt.          weniger gute Geschichten hineinsehen und -hören.
mir aus, und die Hand meines Vaters war ein wei-        Ja, ohne Brille konnte nichts mehr schief gehen:         Das hab ich nicht alles nur geträumt, Raeto!
und Bea auseinander zu halten, das heisst zusam-         toren erklären und sie dann auch noch bedienen?)
Kasse und Kabine                                        menzubringen, also Name und Person oder Funktion.        Klar, dass dies technisches Verständnis und das Ver-
                                                        Eine Kassenfrau – uns dreien fällt keine bessere und     mögen erfordert, den Dingen auch mal ihren Lauf zu
Bea Hüsler; Kassenfrau, macht eine Aus-
                                                        treffendere Bezeichnung für diese Tätigkeit ein, die     lassen. Legt überzeugend, kenntnisreich und nicht
bildung zur Bewegungspädagogin.
                                                        Talent zur Verkäuferin, Sitzplatzberaterin, Filmkriti-   minder sympathisch Eva dar, die auch schon Kas-
Eva Kuhn, Opératrice und angehende                      kerin, aber auch Psychologin, Sozialarbeiterin und       senfrau war, daher beide Seiten kennt, und nun fra-
Kunst- und Filmwissenschaftlerin                        Mediatorin erfordert – sollte, so die sympathische       ge ich mich wieder: War das nicht doch Bea?
                                                        Kassenfrau Bea offen sein, keine Angst vor Men-          Wie auch immer, beide lieben sie Kino, eher Filme,
(Text von Oliver Lüdi)
                                                        schen haben und Nerven wie Drahtseile. Ausser-           die in den kult.kinos laufen, und das sollte so sein,
                                                        dem sollte sie irgendwann begreifen, dass sie das        finden sie. Beide schätzen sie die entspannte und
Als ich Eva und Bea zum ersten Mal treffe, reicht es    Kino repräsentiert, für Preise, Programm, kein Pop-      angenehme Atmosphäre im Team. Beide haben ei-
gerade eben fürs Vorstellen und die Frage, wer von      corn und mehr gerade sitzen muss. Das geht aber in       nen aktuellen Lieblingsfilm («Caché» und «The se-
beiden die Operatrice ist, das heisst die Kassenfrau,   Ordnung, das macht sogar Spass.                          cret life of words»), aber das sind längst nicht alle.
nämlich Bea. Oder Eva? – ach, meine Namensschwä-        Die Operatrice hingegen muss alles wissen und            Und beide versuchen manchmal vorauszusagen,
che. Auf jeden Fall wurde dann sofort ein schönes       können, wovon ein durchschnittliches Kinopublikum        wer in der Warteschlange vor der Kasse wohl in
Foto gemacht, das sie oben sehen können, wonach         keine Ahnung hat. (Oder könnten Sie auf Anhieb die       welchen Film geht. Meist liegen sie richtig und das
ich noch einmal und länger Gelegenheit erhielt, Eva     Unterschiede zwischen Spulen- und Tellerprojek-          heisst doch: Sie kennen ihr Publikum. Gut.
Thema. Der verlaufende Gelbfilter für die Schwarz-       das passende Brillenglas herausgeschliffen, und
Die Brillenmacher                                       weiss-Fotografie wurde sogar von Ramstein erfun-         die Ränder je nach Fassung fazettiert, poliert oder
                                                        den. In Basel berühmt geworden sind die Brillen des      gebohrt. Das Zusammenfügen der Teile, das Justie-
(Text von Theo Schäfer, Text- und
                                                        exaltierten Modemachers Fred Spillmann, der seine        ren und der Finish werden dann von einem der vier
Möbelmacher)
                                                        Entwürfe als Einzelstücke in der Ramstein Werkstatt      Mitglieder des Werkstatt-Teams übernommen. Jetzt
                                                        anfertigen liess. Bis heute sind immer wieder Desig-     ist manuelles Geschick gefragt, denn Glas ist immer
Wer macht eigentlich Brillen? Bei Ramstein sind es      ner zu Gast, die vom Wissen und von der Kompetenz        noch Glas! Gespür und Erfahrung braucht es auch
die Optiker des Werkstatt-Teams; denn Augenoptiker      der Ramstein Handwerker profitieren.                     für den feinmechanischen Umgang mit der ganzen
sind Brillenmacher, unter anderem. In der vierjähri-    Und wie wird jetzt Ihre Brille gemacht? Gläser werden    heute üblichen Palette von Materialien, von High-
gen Ausbildung lernen die jungen Leute das Hand-        nach individuellem Rezept bestellt; mit Ausnahme         Tech-Kunststoff bis Platin, von Büffelhorn bis Titan,
werk des Brillenmachers von der Pike auf.               von wenigen Spezialitäten sind es immer Original-        von Federstahl bis Aluminium. Da wird gebogen, ge-
Die Werkstatt von Ramstein Optik hat eine lange         Gläser von Essilor, dem Erfinder des Gleitsichtglases    schliffen, poliert, geklebt, gelötet und gebohrt. Denn
Tradition. In den Anfängen der Firmengeschich-          Varilux. Geliefert werden sie in kreisrunder Form, die   Brillen werden bei Ramstein Optik nicht nasenfertig
te war es die Glasschleiferei, die einen dermassen      es in die vom Kunden gewählte Fassung einzusetzen        angeliefert. Es verlassen nur Glanzstücke die Werk-
guten Ruf besass, dass sie den Auftrag zur Herstel-     gilt. Was früher eine knifflige Handarbeit war, wird     statt, dies gehört zum Berufsstolz des Handwerkers.
lung der Objektive für die West Pocket Kameras von      heute bei Ramstein Optik von einem computerge-
Kodak erhielt. Fotografie war damals ein ganz grosses   steuerten Schleifautomaten übernommen. Also wird
nicht passiert, da hätte ich in aller Ruhe während der   die nächste Sitzreihe drüber und los gings, und ich
Die Geschichte mit den Maltesers                     Werbung die Maltesers gegessen, mir anschlies-           kann Ihnen sagen, hätte Lars von Trier seine Kame-
                                                     send von den Vorfilmen die eine Hälfte des Gehirns       ra da hineingehalten, goldene Palme mindestens,
(Text von Ralf Schlatter, Autor und
                                                     und vom Hauptfilm die andere Hälfte rausblasen           vier leicht Verletzte, drei neu übers Kreuz formierte
Kabarettist)
                                                     lassen und wäre zufrieden und mit einem Hirn so          Paare, zwei davon gleichgeschlechtlich, Slapstick
                                                     leicht wie ein Malteser nach Hause gegangen, aber        bis zum Abwinken, aber eben, statt Lars von Trier
Die Geschichte mit den Maltesers. Also streng ge-    eben, kaum fängt der Dogmafilm an, da kommt              kam dann, und da staune ich ehrlich gesagt heute
nommen mit dem Malteser, also mit einem einzi-       dieser Wahnsinnsschwenk, da können diese Holly-          noch, der Malteserorden, um die Verletzten zu ver-
gen dieser Maltesers, die kennen Sie sicher, diese   woodheissluftballonproduktionen nur träumen da-          sorgen und als ich taumelnd das Kino verliess, war
wahnsinnig leichten Schokoladekügelchen, die         von, die dürfen ja erst ab Minute fünfzehn ein lautes    der Malteserorden verschwunden, die Leute gingen
in der Werbung nur so durch die Luft fliegen, und    Wort einbauen, weil dann erst alle Leute im Multi-       davon, als wäre nichts geschehen und da erst wurde
genau das wurde mir zum Verhängnis. Wobei das        plex ihren Platz gefunden haben, aber eben, Dog-         mir bewusst, dass ich kein einziges Malteser ge-
eigentliche Verhängnis ja der Entscheid war, im      mafilm los und dieser Wahnsinnsschwenk aus dem           gessen und einen Mordshungerast hatte und dass
kult.kino diesen Dogmafilm schauen zu gehen, und     Handgelenk und hopp, mein Malteser fliegt in die         ich im kult.kino regelmässig Sachen erlebe, die mir
aus Angst vor einem Hungerast kaufte ich mir eine    Luft, mein Arm hinterher, das Cola des Sitznachbarn      garantiert wieder niemand glauben wird.
Packung Maltesers und ich bin sicher, wäre ich in    auch und dann der Arm des Sitznachbarn hinter
einen dieser Multiplexschuppen gegangen, wäre es     dem Cola her und dann ich und der Sitznachbar über
Bild oben: Angela Seiler (Augenoptikerin) / Lukas Schmid (Augenoptiker, Werkstatt) / Dominique Blatter (Augenoptikerin) / Andrea Reiter (Augenoptikerin)
Bild unten: Karoline Schaffner (Augenoptikerin) / Theo Schäfer (Marketing) / Rahel Brodmann (Augenoptikerin, Sportbrillenspezialistin) / Sonja Topp (Augenoptikerin, dipl. Ingenieur,
Leiterin Low Vision-Abteilung)
Bild oben: Nico Markwalder (atelier Kasse) / Antonio Gomez (Operateur club) / Sabil Voigtmann (Kassa-Koordination) / Caroline Burkhardt (Kasse atelier) / Sebastian Refardt
(Kasse atelier) / Alban Frei (Ticketkontrolle camera)
Bild unten: Noëlle Pia (Kasse camera) / Sabine Berchtold (Kasse club) / Jonas Meier (Operateur atelier) / Jean-Marc Wyss (camera Bar)
Bild oben: Susanne Sauter (Buchhaltung) / Markus Glünkin (Augenoptikermeister) / Claudio Treier (Augenoptiker) / Andrea Sauter (Augenoptikerin) / Arpasela Imhof (Augenoptikerin,
Kontaktlinsenspezialistin)
Bild unten: Christian Furler (Lehrling) / Mirjam Isler (Administration) / Roberto Pausa (eidg. dipl. Augenoptiker, Leiter Kontaktlinsenabteilung) / Celine Schnell (Lehrtochter) /
Sonam Wieland (Lehrling)
Bild oben: Andras Hägler (Ticket movie) / Thomas Brem (Operateur club) / Lena Erikkson (Operatrice club) / Ruis Morais (Operateur camera) / Alice Della Morte (Operatrice movie) /
Verena Moser (Operatrice camera) / Kurt Iten (Operateur movie) / Livie Davatz (camera Bar)
Bild unten: Seraina Sprecher (Operatrice atelier) / Val Meyer (Ticket atelier) / Sandor Frich (Operateur club) / Isa Mele (Technikerin)
Ramstein Optik zu Besuch bei kult.kino
                             Blick hinter die Kulissen
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