Frühlingsausgabe Journal 89 - Verein Carpe Diem

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Frühlingsausgabe Journal 89 - Verein Carpe Diem
Erscheinungsort Wien - 23. Jahrgang - März 2018 - Österreich

                                                               Frühlingsausgabe
                                                               Journal 89

                                                               Nur ein Foto
                                                               Seite 10

                                                               Irrfahrt und
                                                               Neubeginn
                                                               Seite 11

                                                               Welch’ süße
                                                               Verführung
                                                               Seite 15

                                                               Wintersperre
                                                               Seite 15
Frühlingsausgabe Journal 89 - Verein Carpe Diem
Das Carpe Diem Literaturjournal:

                                                                              TERMINE ZU DEN                        VEREINSAKTIVITÄTEN                             Hast Du schon einmal daran gedacht, Deine
                                                                                                                                                                   Schriftwerke zu veröffentlichen? Hat sich bisher
                                                                                                                                                                   noch nie jemand dazu bereit erklärt, Deine
                                                                                                                                                                   literarischen Werke zu publizieren? „CARPE
                                                      Termine von Lesungen und anderen Veranstaltungen                 Termine Literaturplattform Wien:
                                                                                                                                                                   DIEM“ tut es!
                                                      werden zeitgerecht auf den jeweiligen Websites unserer           www.verein-carpediem.org                    Wir veröffentlichen gerne (Geschichten, Gedichte,
                                                      Literaturplattformen sowie per E-mail-Newsletter                                                             Meinungen, Gedanken oder sonstige literarische
                                                      bekanntgegeben!                                                  Termine Literaturplattform Bucklige Welt:
                                                                                                                                                                   Werke) die uns zugesandt werden.
                         Obmann/                      Den Newsletter können Sie unter                                  www.literaturplattform-bucklige-welt.at     Für detaillierte Informationen stehen Euch die
                         Redaktionsleitung            office@verein-carpediem.org gratis und unverbindlich                                                         Vertreter/innen unserer Literaturplattformen, sowie
                         Martin Birnecker             abonnieren!                                                      Redaktionsschluss der nächsten              die CARPE DIEM-Literaturjournal Redaktion
                                                                                                                                                                   gerne zur Verfügung.
                                                                                                                       Literaturjournal-Ausgabe
                   Liebe Leser!                       Mehr über unsere Literaturplattformen findet Ihr auf                                                         Um seine Werke im                „CARPE DIEM-
                                                      Seite 4 in diesem Journal.                                       31.05.2018                                  Literaturjournal“ zu veröffentlichen, ist eine
                    Ab sofort wird es auf                                                                                                                          Mitgliedschaft nicht Voraussetzung!
                    unbestimmte      Zeit   unser                                                                                                                  Mehr darüber findest Du im Inneren des
                    Literaturjournal    nur   als                                                                                                                  Literaturjournals „Wie veröffentliche ich mein
Onlineversion geben. Da die Einkünfte über                                                                                                                         Schriftwerk“ auf Seite 5.
unsere ABO-Leser nicht mehr ausreichen, um                                                                                                                         Das Literaturjournal erscheint bereits seit 1995
die Druckkosten zu finanzieren, lässt sich die                                                                                                                     viermal jährlich im Quartal. Im Laufe dieser Zeit
Printversion nicht mehr aufrechterhalten.                                                                                                                          wurden mehrere tausend Schriftwerke über das
                                                      Rosamunde Tecot                                           8   Welch’ süße Verführung                    15   Literaturjournal veröffentlicht.
Mancher wird vielleicht sagen „schade“, aber          Arnold Nirgends                                               Eisblumen                                 15
anderseits, wie gut, dass es das Internet gibt.                                                                     Ursula Anna Polgar
                                                      Nur ein Foto                                             10
Vielleicht ist es nun eine gute Gelegenheit in        Heinz Fürhacker                                               Der verlorene Duft                        22     IMPRESSUM:
Erinnerung zu rufen, warum wir, von Carpe
Diem, vor über 23 Jahren, das „Carpe Diem
                                                                                                                    Die Sonntage werden mehr                  22     LITERATURJOURNAL AUSGABE 89
                                                      Irrfahrt und Neubeginn                                   11   Beliebter Radsport                        23     März 2018
Literaturjournal“ ins Leben gerufen haben.                                                                                                                           VERLEGER, HERAUSGEBER und
                                                      Regina Fürhacker                                              Zeitverschieben                           23     REDAKTION:
Wir wollten damals ein Medium schaffen, um                                                                          Gerti Lintner                                    Verein CARPE DIEM
noch unbekannten Autorinnen und Autoren               Wasser                                                   12                                                    Organisation zur Förderung von Kunst,
die Möglichkeit zu geben ihre Schriftwerke zu         Christa Schlögl                                                                                                Kultur, Sport und Handwerk
veröffentlichen. Vor allem sollten die Autoren                                                                                                                       Speisinger Straße 71/Top 3
Gelegenheit haben ihre Schreibkunst zu                Wintersperre                                             21                                                    1130 Wien
                                                                                                                                                                     Tel.: 0699/10 96 97 34
perfektionieren, um an der Herausforderung,           Lisa Werstatt
                                                                                                                                                                     office@verein-carpediem.org
sich einem breiteren Publikum zu stellen, reifen                                                                    Das Carpe Diem Literaturreferat            4     www.verein-carpediem.org
zu können. Denn schließlich braucht Kunst ein                                                                       Lesungen                                  15     www.literaturjournal.at
reflektierendes Publikum, und Künstler brauchen                                                                     Abo-Infos                                 22
die Resonanz ihrer Fans, auch in Form konstruktiver                                                                                                                  Vorstand:
                                                                                                                    Buchtipps                                 24
Kritik. Wenn es also ein regelmäßig erscheinendes                                                                                                                    Birnecker Martin,
                                                                                                                    Autoreninfos                              31
Medium gibt, in dem vor allem Autorenneulinge                                                                                                                        Gugubauer Doris,
Gelegenheit haben sich einem lesenden Publikum                                                                                                                       Gugubauer Claudia,
zu stellen, so würde das sicher eine Bereicherung                                                                                                                    Werstatt Lisa,
                                                      Als sich die Uhr den Zeiger brach                         6                                                    Brugger Andreas
für die werdenden Künstler darstellen.
Parallel dazu entwickelten wir die regelmäßig         Erstes Blühen                                             6
stattfindenden Lesungen. Damals füllten wir           Warum muss alles so sein?                                 7                                                    Redaktion:
                                                      Wo die grauen Schatten tanzen                             7                                                    Martin Birnecker,
mit unseren Programmen einen winzigen Teil                                                                                                                           Andreas Schornböck
eines riesigen Loches. In all dieser Zeit ist viel    Helga Gmeiner Hofer
geschehen. Eine Fülle von Projekten, auch von                                                                                                                        Grundlegende
anderen Anbietern, wurden inzwischen ins Leben                                                                                                                       Richtung:
gerufen, doch das Loch ist nicht wirklich kleiner                                                                                                                    Unabhängiges, viertel-
geworden. Auch heute gibt es noch immer nicht                                                                                                                        jährliches Schriftwerk
viele Literaturjournale für Autorenneulinge,                                                                                                                         zur Förderung von
die sich erst auf dem Weg ihrer künstlerischen                                                                                                                       Autor/innen und deren Schriftwerke.
                                                                                                                                                                     Namentlich gezeichnete Beiträge müssen nicht
                          Fortsetzung auf Seite 5                                                                                                                    mit der Meinung des Vereins übereinstimmen.
Frühlingsausgabe Journal 89 - Verein Carpe Diem
Infos                                                                        für Autoren                                                                                                                  Infos
                                                                                                                Fortsetzung von Seite 2
                                                                                                                                                                                              WIE VERÖFFENTLICHE ICH
DAS CARPE DIEM LITERATURREFERAT                                  (Eine Einrichtung des Vereins Carpe Diem)      Selbstfindung befinden. Auch die öffentliche Hand fördert lieber bereits
                                                                                                                                                                                               MEIN SCHRIFTWERK IM
                                                                                                                etablierte Künstler, schließlich fühlt man sich da auf der sicheren Seite.
Ziel und Zweck:                                                                                                                                                                                   CARPE DIEM
                                                                                                                An unser Literaturjournal haben im Laufe der Zeit nicht nur
Die Liebe zur Literatur zu erwecken und zu fördern!                                                             Autorenneulinge ihre Werke zur Veröffentlichung eingesandt.                   LITERATURJOURNAL
Die ideologische und aktive Unterstützung von Autor/innen und jenen, die es noch werden wollen!                 Auch etablierte und erfahrene Autoren und Autorinnen nutzten die
                                                                                                                Möglichkeit, sich im Literaturjournal zu präsentieren. Und auch bei          INFORMATION FÜR AUTORINNEN
                                                                                                                den regelmäßig stattfindenden Lesungen sind schon lange nicht mehr           UNDAUTOREN, DIE IHRE WERKE IM
Dies geschieht mittels
                                                                                                                nur Autorenneulinge zugegen. Für uns, aus der Redaktion, ist es eine
dem Carpe Diem Literaturjournal,                                                                                                                                                             CARPE DIEM LITERATURJOURNAL
                                                                                                                sehr emotionale Erfahrung, zu sehen, dass jene erfahrenen Autoren und
dem Organisieren von Lesungen und anderen Veranstaltungen,                                                      Autorinnen sich nicht zu gut sind, dass ihr Werk neben dem eines noch        VERÖFFENTLICHEN MÖCHTEN!
sowie unseren sehr aktiven Autor/innen-Gruppen.                                                                 nicht ausgereiften Künstlers steht. Ganz im Gegenteil, oft motivieren
Zurzeit betreiben wir zwei aktive Literaturplattformen:                                                         sie ihre Nachwuchskollegen mit aufmunternden Worten und wertvollen           „CARPE DIEM“ bietet allen angehenden
                                                                                                                Tipps. Zum interaktiven Austausch zwischen den unterschiedlichen             oder auch bereits bekannten Autor/
Literaturplattform Wien                                   Literaturplattform Bucklige Welt                      Autoren und zur Koordination gemeinschaftlicher Literaturprojekte            innen DIE Möglichkeit ihre Schriftwerke
                                                                                                                haben wir die Carpe Diem Literaturplattformen ins Leben gerufen.             im „Carpe Diem Literaturjournal“ zu
Die Literaturplattform Wien ist eine Einrichtung          Die Literaturplattform Bucklige Welt ist eine                                                                                      veröffentlichen. Wir publizieren gerne jede
des Vereins Carpe Diem. Diese Autor/innengruppe,          Einrichtung des Vereins Carpe Diem. Diese Autor/      Als wir 1995 die Idee zum Literaturjournal hatten, gab es zwar schon         Art Geschichten, Gedichte, Meinungen,
deren Mitglieder überwiegend aus Wien und Wien            innengruppe, deren Mitglieder überwiegend aus der     das Internet, jedoch - wenn ich mich recht erinnere - existierten zu         Gedanken oder Sonstiges.
Umgebung stammen, trifft sich zu regelmäßigen Autor/      Buckligen Welt stammen, trifft sich zu regelmäßigen   diesen Zeiten höchstens ein paar Hundert Websites in Europa. Auch
                                                                                                                                                                                             Senden Sie ihr Schriftwerk per email an:
innenrunden, bei denen es den Teilnehmenden möglich       Autor/innenrunden, bei denen es den Teilnehmenden     wenn dieses neue Medium in aller Munde war, so haben wir damals
                                                                                                                nicht daran gedacht, dass der Verein Carpe Diem jemals eine Website          redaktion@literaturjournal.at
ist, in zwangloser Atmosphäre regen Gedankenaustausch     möglich ist, in zwangloser Atmosphäre regen
zu halten und sich der “LIEBE ZUM SCHREIBEN” zu           Gedankenaustausch zu halten und sich der “LIEBE       haben wird, geschweige denn, dass unser Literaturjournal, als eine
                                                                                                                Art Onlineversion, über´s Netz abrufbar sein würde. Heute kann ich           Schreiben     Sie    am     Ende      Ihres
widmen.                                                   ZUM SCHREIBEN” zu widmen. Des Weiteren                                                                                             Beitrages unbedingt Name, Adresse,
                                                                                                                nur darüber staunen, wie einfältig wir damals waren. Anderseits,
Des Weiteren organisiert diese sehr erfahrene Gruppe      organisiert diese literarisch sehr aktive Gruppe      nie zuvor entstand etwas das derart rasant wuchs wie das Internet            Telefonnummer, Geburtsdatum und eine
diverse gemeinsame Lesungen, Veröffentlichungen in        diverse gemeinsame Lesungen, Veröffentlichungen       und die Community seiner Nutzer, die man heutzutage einfach                  kurze Selbstdarstellung, dies erleichtert
Zeitschriften und gemeinsamen Büchern und vieles          in Zeitschriften und gemeinsamen Büchern und          und simpel „User“ nennt. Woher sollten wir also wissen, dass ein             unsere Arbeit wesentlich.
mehr.                                                     vieles mehr.                                          derartiges Wachstum überhaupt möglich ist. Das Internet wurde zum            Bestätigen Sie uns bitte, dass der Beitrag
Den Autoren und Autorinnen sind stets offen und           Den Autoren und Autorinnen sind die                   Publikationsmedium Nummer 1, und trotzdem, Lyrik- und Prosa-                 von Ihnen verfasst wurde.
interessiert auch mit anderen Literat/innen und           Zusammenarbeit mit den jeweiligen Heimat-             Publikationen haben auch heute noch einen ganz anderen Stellenwert,          Durch die Einsendung des Schriftwerks
Literaturgruppen zu kooperieren und gemeinsame            Gemeinden, die Mitwirkung bei Veranstaltungen und     wenn sie in einem gedruckten Medium, wie dem Buch oder Journal,
                                                                                                                                                                                             bestätigt   der/die    Autor/in    sein/ihr
Projekte durchzuführen.                                   die Zusammenarbeit mit anderen Schreibgruppen ein     veröffentlicht werden. Das zeigt auch der Umstand, dass das E-Book
                                                                                                                zwar weiterhin im Vormarsch ist, aber noch immer nur einen geringen          Einverständnis zur Veröffentlichung des
Weitere Informationen finden Sie auf                      großes Anliegen.                                                                                                                   Selbigen. Eine Verständigung von uns an
www.verein-carpediem.org                                  Weitere Informationen finden Sie auf                  Prozentsatz am Buchmarkt darstellt.
                                                                                                                                                                                             den/die Autor/in vor der Veröffentlichung
Koordination:                                             www.literaturplattform-bucklige-welt.at                                                                                            muss nicht erfolgen.
                                                                                                                Wie auch immer - drucken kostet Geld und ist teurer als Texte online zu
Lisa Werstatt                                                                                                   posten. Natürlich kostet auch die Arbeitszeit Geld, oder, besser gesagt,
0699 100 78 222,                                                                                                würde Geld kosten, hätten wir nicht die fleißigen ehrenamtlichen Helfer,     Änderungen und Kürzungen der
lisa.werstatt@verein-carpediem.org                                                                              die in all den Jahren dafür sorgten, und auch weiterhin dafür sorgen,        Redaktion werden nur nur nach
                                                                                                                dass unser Journal erscheint. Bei allen, die in der Literaturjournal-        Rücksprache mit dem/der Autor/in
Mitglied werden ist nicht schwer:                                                                               Redaktion mitgewirkt haben, und bei allen die es aktuell tun, möchte         vorgenommen!
„CARPE DIEM“ freut sich über jeden Zuwachs! Solltest Du Interesse an einer Vereinsmitgliedschaft haben,         ich mich an dieser Stelle ganz herzlich für das Engagement bedanken.         Wir versichern den Autor/innen, dass ihre
so wende Dich für nähere Informationen einfach an: office@verein-carpediem.org oder an den/die jeweilige/n      Ohne euch würde es dieses Medium nicht geben.
                                                                                                                                                                                             Schriftwerke bei Veröffentlichung in ihrer
Literaturplattform Koordinator/in
                                                                                                                In diesem Sinne wünsche ich Euch, liebe Leser, weiterhin viel Vergnügen      ursprünglichen Art unangetastet bleiben!
Wir bieten unseren Mitgliedern nicht nur die Einrichtungen des Literaturreferats, sondern auch eine Vielzahl    beim Schmökern. Und vergesst nicht den Link www.literaturjournal.at
                                                                                                                mit Euren Freunden zu teilen, damit auch andere unser Literaturjournal       Eingesandtes Schriftmaterial kann leider
anderer Möglichkeiten, sich künstlerisch und handwerklich zu betätigen.
                                                                                                                kennenlernen können.                                                         nicht zurückgeschickt werden. Daher am
                                                                                                                                                                                             besten eine Kopie anfertigen.
Mehr darüber findet ihr auf www.verein-carpediem.org
                                                                                                                Euer
                                                                                                                Martin Birnecker

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Frühlingsausgabe Journal 89 - Verein Carpe Diem
Lyrik                                                                                                                                                             Lyrik

Als sich die Uhr                                                                             Warum muss
den Zeiger brach                                                                             alles so sein?
von Helga Gmeiner Hofer                                                                      von Helga Gmeiner Hofer

Ließ sie die Zeit einfach stehen                                                             Es ist die Gier der Satten
alles geschah wie gerade es war
dort wo es Tag war, war eben Tag
                                                                                             die alles vernichten
                                                                                             die Pflanzenwelt zerstören         Wo die grauen
wo die Nacht war, schlief sie sich aus
es gab nichts mehr Neues
es wurde zum Graus.
                                         Erstes Blühen                                       die Meere verseuchen
                                                                                             den Himmel mit Raketen bestücken
                                                                                             Tiere und Menschen                 Schatten tanzen
                                         von Helga Gmeiner Hofer
                                                                                             grausam quälen                     von Helga Gmeiner Hofer
Es gab nichts mehr Schönes               Wie sie leuchten                                    den Hungernden als Trost
es gab keinen Tod                        gelb und fröhlich                                   ihre Waffen schicken               Wird der Sturm nicht müde
es gab keinen Hunger                     zwischen Schnee die Erde glüht                      denn dort, wo der Zorn             wieder sich Gewehre pflanzen
gab auch kein Verbot                     ist erst Jänner!                                    am größten ist                     ihr Geschrei schon spröde.
es gab auch kein Warten                  Zeigen Stärke, zeigen Freude                        kann man am meisten gewinnen.
das Nichts blieb ja stehen               Himmelschlüssel sind erblüht.                                                          Ob der Lämmer Wölfe heulen
es gab keine Hoffnung                                                                        Denn jene die im Staub             aufgeblasne Köpfe scheren
es gab auch kein Flehen.                 Woll‘n nicht warten                                 geboren sind                       müssen keine Adler fürchten
                                         auf den Frühling                                    müssen auch im Staub sterben       sich im Schatten schnell vermehren.
Da fiel aus der Uhr                      warme Strahlen sie erweckten                        dürfen nicht auf den Höhen
ein Steinchen heraus                     nein, sie mögen‘s                                   anderer Menschen stehen.           Lassen alle Chöre singen
ein Rädchen, ein Fädchen                 selber schaffen                                     Ist doch so ,oder?                 schmettern nieder Todes Pein
wie sah es nun aus?                      in kalter Zeit uns Freude machen.                                                      ach wie schön die Stiefel glänzen
                                                                                                                                festgefressen an den Leim.
Da formt sich ein Kreis                  Ach, ihr kleinen zarten Blüten
und es tickte und schlug                 tragt ihr keine Angst in euch                                                          Denn der Wind lässt Schatten tanzen
es drehte und drehte                     wenn der Mond mit starrem Blicke                                                       zieht sie aus Ruinen hoch
der Kreis sich bewegte                   Nachtgespenster, Eises Stücke                                                          müssen neue Fahnen pflanzen
nun tickte und formte                    eure Blüten fressen auf.                                                               Wiederhall klingt immer noch.
sich alles normal
vorbei war nun endlich                   Doch ihr zeigt uns immer wieder                                                        Schreien nicht des Hungers wegen
des Stehenbleibens Qual.                 eure Stärke, eure Kraft                                                                da sie sichtlich alle satt
                                         müssten Knien vor euch nieder                                                          reiches Land lässt Winde tanzen
                                         die Natur solch Wunder schafft.                                                        bis wir fallen welk und matt.

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Frühlingsausgabe Journal 89 - Verein Carpe Diem
Erzählungen                                                                                                                                                            Erzählungen

Rosamunde Tecot
                                                                                                              am Tresen zu landen.                                  Händchen ein wenig zur Seite und brachte drei in
                                                                                                              „Hallo mein liebes Schwesterchen“, murmelte           Tücher gewickelte, leicht rostige Breitschwerter
                                                                                                              Bilok abwesend, während er gewissenhaft               hervor. „Gute Ware! Man muss sie nur ein wenig
                                                                                                              Armbrustbolzen nach Armbrustbolzen in eine            bearbeiten“ meinte Richard und Ute nickte
                                                                                                              Schatulle einsortierte. Bilok war ein aufgeweckter    zustimmend. Rosamunde gluckste, ging ein paar
                                                                                                              Achtjähriger und immer in Bewegung. Neben seinem      ungelenke Schritte auf dem Tresen rückwärts,
von Arnold Nirgends
                                                                                                              Bewegungsdrang stach noch sein kaufmännischer         übersah dabei des Tresens Rand und purzelte in
                                                                                                              Sinn hervor. So hatte er doch einmal mit seinem       Biloks Federschachtel. Die Federschachtel war für
                                                                                                              Vater gewettet, er würde schneller den Kirschbaum     Bilok etwas ganz Besonderes.
Als Nebenstrang einer Science-Fiction Space Opera                                                             vor dem Stadttor hinaufklettern, als sein Vater       In dieser waren viele ganz außerordentlich robuste,
wird in Kurzgeschichten aus dem Leben Rosamunde                                                               einen Apfel essen konnte. Und als er gewann hielt     große Federn diverser Vögel, die er entweder selbst
Tecots, einer bedeutenden Figur der Serie, berichtet.                                                         sein Vater Wort und überließ dem Sohnemann            gesammelt oder am Markt gekauft hatte, um damit
Dies ist die erste Story, in welcher sie als Dreijährige                                                      ab diesem Tag das Geschäft mit der Munition im        Pfeile und Bolzen neu zu befiedern, bevor er sie
einen ersten Eindruck ihrer zukünftigen Fähigkeiten                                                           Laden. Darum machte Bilok mit damals sieben           zum Verkauf anbot. Natürlich gefiel es ihm nun
erahnen läßt.                                                                                                 Jahren schon gute Geschäfte mit Armbrustbolzen,       gar nicht, dass seine Schwester in der Schachtel
Die Geschichte handelt im Jahr 72 Arca-Nihil                                                                  Pfeilen, Wurfspeeren und gelegentlich auch            lag, nach dem ersten Schrecken jauchzend die
Zeitrechnung.                                                                                                 mit Pulversäckchen und Kugeln. Bilok war ein          Federn durch die Luft wirbelte und etliche dabei
                                                                                                              Naturtalent, sehr zum Leidwesen seiner kleinen        beschädigte.
                                                                                                              Schwester, die ihren Bruder lieber als einfachen      „Komm SOFORT da RAUS!“, brüllte Bilok mit
Die Geschichte ist im Anhang des ersten Bandes                                                                Spielgefährten, denn als Geschäftetreiber sah.        hochrotem Kopf und riss mit ungnädiger Härte an
der Arca-Nihil Serie ‚Eine ungewöhnliche Reise‘                                                               „Urmel is owigfoin“, murmelte Rosamunde und           Rosamundes linkem Arm, um sie möglichst schnell
erschienen.                                                                                                   versuchte mit einem Dolch in den Fugen des            herauszuzerren.
Mehr dazu auf www.arcanihil.com                                                                               Bodens die Murmel herauszukratzen.                    „Nun      mal     halblang“,    meinte     Richard
                                                                                                              Da kam ein Schatten über sie und als das kleine       beschwichtigend und auch Ute redete beruhigend
                                                                                                              Mädchen aufschaute, stand ein hünenhafter Mann        auf Bilok ein, nachdem sie sich vom Schrecken
                                                                                                              in ungepflegter Lederrüstung und mit einem großen     des Sturzes ihrer Tochter erholt hatte. Rosamunde
                                                                                                              Schwert am Gürtel über ihr. Er schaute argwöhnisch    wimmerte und heulte, weil ihr der vom Bruder
                                                                                                              nach unten.                                           gezerrte Arm wehtat und wegen einer Beule, die sie
                                                                                                              „Na, kleine Dame, was hast du denn heute              sich beim abrupten Herausgezogenwerden geholt
                                                                                                              verloren?“, fragte der Hüne, beugte sich herunter     hatte. ‚Bilok böse‘, dachte das kleine Mädchen
                                                                                                              und nahm Rosamunde mit einer Leichtigkeit in          recht intensiv, wurde dabei ganz blass, ruhig und
„Alo ilod“, sang Rosamunde fröhlich, während               Eingang des Geschäftes hing ein Morgenstern,       die Höhe, als wäre sie eine Feder. Rosamunde          schaute mit leeren, tränengeröteten Augen die alte
sie drei stumpfe Dolche um ihre Strohpuppe zu              den angeblich Ichmi, der berühmte Zwerg, bei der   kicherte, als der Mann sie kitzelte und auf dem       Armbrust an. Die Armbrust erwiderte den Blick,
wickeln versuchte.                                         Verteidigung von Drowsbane geschwungen hatte.      Tresen abstellte. „Guten Tag Ute! Deine Tochter ist   zuerst ein wenig ratlos, dann mit einem leichten
Rosamunde war eine aufgeweckte Dreijährige.                Und drinnen gab es jede nur erdenklichen Hieb-,    ja schon wieder ein grooßes Stück gewachsen.“         hin und herschaukeln. Das leichte Schaukeln führte
Die Tochter von Horst und Ute Tecot. Die Tecots            Stich- und Wurfwaffen, in verschiedenen Größen     „Hallo Richard“ sagte Ute, die hinter dem Tresen      dazu, dass die etwas schräg an einem Wandregal
wohnten schon lange in Drowsbane - einer kleinen           und Qualitäten.                                    saß und Lederriemen richtete. „Schön, dass du         aufgestellte Armbrust ins Rutschen kam und
Stadt des früheren Königreichs Drowsbane,                  Ein Freund von Horst war ein guter Waffenschmied   wieder da bist. Wie war‘s am Meer?                    herunterfiel. Genau auf Biloks Kopf.
welches im Jahr 63.ANZ an Arca-Nihil überging,             und so wurden auch immer Waffen repariert und      „Hm. Kein Ort wo ich öfter sein möchte. Die Leute
als dieses sein Umland neu ausrichtete (der                verbessert, bevor man sie zum Wiederverkauf        sind griesgrämig, das Essen ist salzig und ins
König von Drowsbane bekam dafür ausreichend                anbot. Vor einigen Tagen hatte Horst einige        Wasser darf man auch nicht gehen. Bin froh, dass
Mittel, um eine neue großartige Stadt „Pride of            Dutzend ausgemusterte Dolche von der siebten       es vorüber ist. Hier sind die drei Breitschwerter,
Sulassprynn“ zu gründen) - und betrieben an der            Legion erworben. Und da sie stumpf waren durfte    die ich mitbringen sollte.“ Richard schälte sich
Straße entlang des Burgberges einen kleinen,               Rosamunde damit spielen, solange sie nicht zum     den alten, öligen Rucksack herunter, öffnete
aber sehr bekannten Waffenhandel. Über dem                 Waffenschmied kamen, um in neuem Glanz erstrahlt   ihn behutsam, schob Rosamundes neugierige

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Frühlingsausgabe Journal 89 - Verein Carpe Diem
Erzählungen                                                                                                                                           Erzählungen
Nur ein Foto                                                                          Irrfahrt und Neubeginn
von Heinz Fürhacker                                                                   von Regina Fürhacker

Gerda saß am Fenster und schaute den Autos nach,                                      Schon seine Ankunft war nicht das Gelbe vom Ei.            fand, würde sich etwas anderes ergeben. Er packte
wie sie nacheinander den Parkplatz des Seniorenheims                                  Er stellte seine Koffer am Bahnsteig ab. Rieb die          entschlossen die Koffergriffe und starrte die Straße
verließen. Erst als das letzte verschwunden war, schwang                              feuchten Hände an den Oberschenkeln. Atmete tief           entlang. Welche Richtung sollte er einschlagen?
sie den Rollstuhl wieder herum und rollte zum Tisch mit                               ein. Da war er nun. Am Hauptbahnhof. In der Stadt.         Plötzlich packte ihn jemand von hinten an der Schulter
den Blumen. Eine nette, kleine Geburtstagsfeier war es                                Er, Gerhard, siebenundzwanzig. Aus Kleinharding.           und keuchte ihm ins Ohr.
gewesen. So wie sie es sich gewünscht hatte. Die Familie                              Am Ziel seiner Träume!                                     „Verdammt! - Du bist schon da - sorry - hab die Bim
wieder einmal komplett versammelt, keine Geschenke,                                   Doch das gute Gefühl, die Erleichterung, die Freude,       verpasst. - Entschuldige, ich bin der Andi.“
keine Topfpflanzen, nur Blumensträuße. Große und                                      dass er dieses Vorhaben wirklich in die Tat umgesetzt      Eine verschwitzte Hand streckte sich ihm entgegen.
kleine Sträuße und daran Fotos befestigt. Fotos aller
                                                                                      hatte, wollte sich nicht einstellen. War sein Entschluss   Er schüttelte sie erleichtert. Ein Lächeln keimte auf
Familienmitglieder, von jeder Person eines.
Sie betrachtete die Fotos einzeln und der Reihe nach.
                                                                                      doch zu übereilt? Sechs Monate waren nicht wirklich        Gerhards Gesicht. Endlich ein Lichtblick. Der Lift
Fritz, ihr älterer Sohn, Marion, seine Frau, sowie Karl,                              ein kurzer Zeitraum. Für die meisten Menschen              trug sie in den fünften Stock.
Kurt und Konrad, deren Fußballbuben. Hans, der jüngere                                wohl nicht. Gerhard war aber nie ein Freund rascher        Der Raum, den Andi ihm zeigte tarnte sich nur
Sohn, seine Frau Wilma und deren Sohn Lukas. Nichte                                   Entschlüsse gewesen. Nun gut, das positive Gefühl          als Zimmer. Es war eher eine zu groß geratene
Hetti und Tochter Clara. Da war noch ein kleiner Strauß                               würde sich schon einstellen.                               Abstellkammer. Hier sollte also sein neues Leben
mit dem Foto eines alten Mannes. Wer war das bloß?                                    Er war bereit für die Stadt.                               beginnen? Doch Gerhard war einfach froh, endlich
Heute war er nicht dabei gewesen. Zur Familie gehörte er                                                                                         angekommen zu sein. Zu erschöpft um sich zu ärgern.
auch nicht. Sie dachte nach. Wilma musste diese Blumen                                Nach einem prüfenden Blick auf seine Notizen griff
samt Foto mitgebracht haben. Aber warum hatte sie ihr                                 er entschlossen nach den Koffern und marschierte           Er wuchtete sein Gepäck aufs Bett, das knarrend
nichts gesagt?                                                                        Richtung U-Bahn. Die abgewetzten Griffe ließen seine       protestierte. Schlüpfte aus Schuhen und Socken.
Vorsichtig löste sie das Bild von den Blumen, nahm es in                              Finger taub werden. Der Fahrscheinautomat wollte           Stellte sie ordentlich neben dem Bett ab. Wischte die
die Hand, drehte es um. Da stand etwas in Blockbuchstaben                             seine genau abgezählten Münzen nicht schlucken.            schweißigen Hände an seiner Hose ab, lehnte sich aus
auf der Rückseite. Nur ein Name: Josef.                                               Er versuchte vergeblich eine andere Reihenfolge.           dem Fenster und betrachtete fasziniert das Treiben
Josef. Sie durchforschte in Gedanken die Familie. Nein.
                                                                                      Frustriert schaute er sich um und entdeckte einen          auf der Straße.
In der Familie gab es keinen lebenden Mann mit diesem
Namen. Betrachtete das Bild genauer und grübelte weiter.
                                                                                      Imbissstand. Das Gesicht des Verkäufers verlor seinen
Ging ihre Erinnerungen durch. Aktuelle und ehemalige                                  stumpfen Ausdruck bei der Aussicht auf einen späten        War die Stadt bereit für ihn?
Freunde, Bekannte. Kein passender Josef. Dachte in der                                Kunden, erstarrte aber gleich wieder, als er Gerhard
Zeit weiter zurück, kam schließlich bei ihrer Jugendzeit                              einen Geldschein wechselte.
an.
Josef. Konnte das der Josef sein, der einstmals ihr                                   Mit den Koffern zurück zur U-Bahn. Endlich hielt
Schulkamerad gewesen war? Er hatte damals im selben                                   er sein Ticket in Händen. Steckte es sorgfältig
Gemeindebau wie sie gewohnt, war ein Jahr älter und                                   in die Brusttasche seiner Jacke. Ohne weitere
ihr erster Schwarm gewesen. Als sie siebzehn geworden                                 Schwierigkeiten erreichte er sein Fahrziel und fand
war, sind seine Eltern ausgezogen und er natürlich mit.                               auch rasch die notierte Adresse. Doch auf sein
Fast zwei Jahre lang hatten sie einander noch Briefe                                  Klingeln blieb der Türöffner stumm. Gerhard drückte
geschrieben, dann hörte auch das auf. Wie hatte er bloß                               erneut, diesmal länger. Nichts. Deprimiert lehnte er
mit dem Familiennamen geheißen? Ach ja, Novak hatte                                   seine Stirn gegen die Tür. Hatte sich denn alles gegen
er geheißen. Ob er das wirklich war? Und wie war Wilma
                                                                                      ihn verschworen. Vielleicht hätte er doch zu Hause
dazu gekommen?
Ihre Hände zitterten, als sie das Bild nochmals genauer
                                                                                      bleiben sollen. Sich mit der Schwester vertragen. Den
anschaute, umdrehte. Da stand noch etwas in kleiner                                   Ärger hinunterschlucken. Nachgeben, schon wieder.
Schrift. Sie musste ihre Brille zurechtrücken, um es
entziffern zu können: Josef Novak. Daneben eine                                       Nein! Er war hier, und wenn er hier keine Bleibe
Telefonnummer. Sie griff zu ihrem Telefon.

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Frühlingsausgabe Journal 89 - Verein Carpe Diem
Erzählungen                                                                                                                                                                          Erzählungen
Wasser                                                                                                               Mama nur Freude machen kann.“

                                                                                                                     „Etwas später sagt sie: ‚Liebster, heute hat sich
                                                                                                                                                                               nachdem mich meine Mama zusammengedrückt
                                                                                                                                                                               hat und ich noch weniger Platz habe als sonst. Dann
                                                                                                                                                                               dreht sie ständig an etwas Rundem herum, das über
von Christa Schlögl                                                                                                  unser Kind bewegt, jetzt ist genau die Hälfte der Zeit    ihren Bauch streicht, aber anders als streicheln fühlt
                                                                                                                     vergangen, die wir noch auf das Baby warten müssen.‘      es sich an, eher wie reiben. Sehr unangenehm. Mir
                                                                                                                                                                               wird immer ein wenig übel und mein Wasserbecken
„Gnädige Frau, sie sind jetzt in der zwölften Woche       paar Einzelheiten ein.                                     „Mama sagt immer ‚Liebster‘ zu einem Mann mit             schaukelt noch mehr als sonst. Ich bin sehr unsicher
ihrer Schwangerschaft und es ist alles in Ordnung.                                                                   einer ganz lieben Stimme, der uns manchmal in seinen      und weiß, dass ich so vieles zu erforschen hätte, stehe
Ich freue mich. Das nächste Mal machen wir eine           „Ja, und beim Ultraschall waren wir auch, wie              Armen wiegt und uns vorsingt. Oft sagt er auch, dass      aber mit meinem Drang danach alleine da. Wird sich
Ultra-Schall-Untersuchung. Alles Gute, lassen sie         angekündigt. Anscheinend bin ich gesund und                sie gut aufpassen soll, auf sich und das Kind. Dann ist   das jemals ändern?“
sich von meiner Assistentin einen Termin geben. Auf       munter, aber die kühle Paste auf Mamas Bauch hat           er wieder lange fort und ich höre nichts von ihm. Er
Wiedersehen.“                                             auch mich zum Frösteln gebracht, und erst dieser           ist auf Geschäftsreise und wir sind alleine, die Mama     „Gnädige Frau, sie haben schon viel zugenommen,
                                                          komische, sausende Apparat, sehr ärgerlich. Nein,          und ich. ‚Wir brauchen nämlich Geld‘, meint sie und       bitte seien sie mit dem Essen vorsichtiger, und
„Wer ist denn das? Der Mann hat eine angenehme            was man sich alles gefallen lassen muss. Dann              dann weinen wir ein bisschen gemeinsam. Geld, was         schränken sie die Nahrungsaufnahme ein.“
Stimme, aber ganz kenne ich mich nicht aus. Meine         wollten sie unbedingt sehen was ich bin, was immer         ist das? ... Aber wir hören oft Musik. Am liebsten
Mama sagt Herr Doktor zu ihm. Ich kann mich wohl          das bedeutete. Ich wusste es ja selber nicht, also hatte                                                    „Das ist wieder der Mann mit der freundlichen
                                                                                                                     habe ich Papas Lieblingsstück, ‚Die Moldau‘, das ist
erinnern, dass ich in dieses Wasserbecken katapultiert    ich keine Veranlassung es ihnen zu zeigen. Als ich         nicht nur Musik von einem Fluss, sondern auch eine
                                                                                                                                                                      Stimme, jetzt kommt er mir gar nicht mehr so
wurde, aber dann scheine ich die ganze Zeit geschlafen    verstand, welchen Körperteil sie sehen wollten, drehte                                                      nett vor. Was glaubt er denn? Ich bin mitten im
                                                                                                                     Geschichte, die mir die Mama erzählt hat. Sie handelt
zu haben.                                                 ich mich geschwind um. Ein wenig Intimsphäre muss                                                           Schwimmtraining. Ich glaube aber, dass ich mit dem
                                                                                                                     von Bauern die heiraten, von Feen, von Oberon ihrem
Zwölf Wochen, kaum zu glauben. Aber dafür bin ich         man schon verlangen dürfen. Das Spiel wiederholten         König und von einer goldenen Stadt. Immer kann   gesunden Appetit meiner Mama rechnen kann. Sie
jetzt putzmunter.“                                        wir dann ein paar Mal, bis sie aufgaben. Seither leben     ich das Wasser hören, wie es gurgelt und rauscht.lässt mich nicht im Stich und versorgt mich gut durch
                                                          wir wieder in Frieden“                                     Dazu kann ich herrliche Schwimmübungen machen,   unseren Verbindungsschlauch.
Das Baby in Mutters Bauch tastete vorsichtig herum,                                                                  ich strecke und dehne mich, bis ich mich wieder  In letzter Zeit ist es immer lustiger geworden. Ich
war aber noch so klein und ungeschickt, dass es nur       „Die große Mutter besucht uns immer wieder und             zusammenrolle und ruhe.                          bewege mich rauf und runter, hin und her, nur das
leicht ins Wasser schlagen konnte. Ins Fruchtwasser.      hilft meiner Mama beim Bügeln, weil sie immer                                                               Platzangebot ist etwas geringer geworden. So richtig
                                                                                                                     ‚Ich glaube, jetzt hat unser Baby eine Eskimorolle
Es beschloss daher, weil es doch schon wieder müde        Schmerzen in den Beinen bekommt. Ich weiß ja nicht,        gemacht‘, ruft Mama aus.                         durchstrecken kann ich mich nicht mehr, was das
war, noch ein wenig weiterzuschlafen. Aufgeweckt          was Bügeln ist, aber ich höre ihnen sehr gerne zu.                                                          wohl bedeuten kann?
                                                                                                                     Also das ist übertrieben - na ja, ich glaube, dass
wurde es durch schöne Musik. Die Mutter sang:             ‚Du Mutti‘, sagt meine Mama, ‚ich brauche deinen           Mütter zu Übertreibungen neigen. Aber mir hat es Letztens waren wir im Hallenbad. Mama ist eine gute
„Schlafe mein Prinzchen, schlaf ein, bist mein            Rat. Jetzt habe ich die zwanzigste Woche und mein          Spaß gemacht, also noch einmal.“                 Schwimmerin, das wenigstens kann ich beurteilen.
Blondengelein!“                                           kleiner Liebling sollte sich bald bewegen, wie wird                                                         Sie legt sich auf das Wasser und streckte sich durch,
Das Baby schüttelte sein Köpfchen: „Bitte, nicht          sich das anfühlen?‘                                        „Nach einiger Zeit sagt Mama, dass wir mit dem dann macht sie Arm und Beinbewegungen und
schon wieder schlafen.“                                   „Ich bin ganz stolz, kleiner Liebling hat sie mich         Auto zum Einkaufen fahren müssten. Das mag ich ich versuchte es ihr gleich zu tun. Ich spüre das
Plötzlich sagte eine Frau, die nicht seine Mama war,      genannt!“                                                  gar nicht. Ich merke das immer, wenn es rumpelt, Plätschern im Wasser und fühle mich rundherum
deren Stimme das Kleine ja schon kannte: „Komm,           ‚Nun, das Baby schwimmt ja in der Fruchtblase‘, erklärt
gehen wir spazieren, wenn ich jetzt bald Großmutter       meine große Mutter. ‚Also, wenn es sich bewegt, wirst
werde, muss ich doch fit bleiben. Dir und dem Kleinen     du das so empfinden, wie wenn ein kleiner Fisch mit
tut es auch gut!“                                         seiner Schwanzflosse beim Schwimmen ganz leicht
                                                          schlägt, du musst gut aufpassen, meine Tochter!‘, sagt
„Also, mir scheint, dass ich eine kleine und eine große   sie, streichelt uns und setzt sich zur Mama. Meine
Mutter habe“, überlegt das Baby.                          große Mutter scheint sehr weise zu sein. Aber wenn
„Da muss sich noch einiges aufklären. Na gut, gehen       meine Mama schon solche Sehnsucht nach meinen
wir los. Das Schupfen in meinem Aquarium, während         Zeichen hat, dem kann abgeholfen werden. Einmal
wir gehen, ist ganz lustig, es schwabbelt unentwegt.      ein Fuß hin, und der andere her, das müsste fürs
Das habe ich schon voriges Mal bemerkt.“                  Erste schon reichen. ‚Jetzt habe ich es auch wirklich
                                                          gespürt!‘ Mama freute sich, lachte und streichelte
Als sie wieder zu Hause waren setzte sich die Mutter      mich. Na, dann gleich noch einmal, weil es so schön
hin. In dieser Ruhephase fielen dem Baby wieder ein       war! Einmal hin, und einmal her. Wenn ich meiner

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Frühlingsausgabe Journal 89 - Verein Carpe Diem
Erzählungen                                                                                                                                                                              Gedanken
wohl. Alles gelingt mir recht gut. Ich glaube, dass
ich ein Schwimmtalent bin. Aber der größte Spaß ist
im Whirlpool, das brodelnde Wasser hebt uns hoch
                                                          richtige Stellung eingenommen hätte. Na so was,
                                                          wozu bitte sehr? Schwimmen kann ich fast nicht
                                                          mehr. Ich fühle mich in meiner Bewegungsfreiheit
                                                                                                                    Welch’ süße
                                                                                                                    Verführung
und Mama jubelt, als mein Papa uns auffängt und           eingeschränkt, obwohl genug Wasser da ist. Das soll
festhält.“                                                auch gut sein, hat er gesagt. Ich bin müde und werde
                                                          ein wenig schlafen und die Mama auch.“
„Ja, dass ich es nicht vergesse, turnen waren wir auch.

                                                                                                                                                                           Eisblumen
                                                                                                                    von Ursula Anna Polgar
Genau kann ich es nicht sagen, wann das war, mein          „Geweckt werde ich durch die tiefen Atemzüge
Zeitgefühl ist sehr schlecht.                              meiner Mama.
Wir lernen atmen, sitzen, stehen, strecken, liegen.        ‚Liebster‘, ruft sie, ‚ein wenig Fruchtwasser ist        Nachts, wenn alles schläft, werden süße Träume
Also, ich weiß nicht, ich glaube aber, dass wir das        abgegangen und ich habe alle sieben Minuten Wehen!‘      wahr…                                                  von Ursula Anna Polgar
alles schon vorher konnten. Es sollte uns niemand          Was heißt denn das wieder? Kann man denn nicht           Es duftet nach Unicorn-Coffee-Cupcakes mit
unterschätzen! Aber es soll gut für uns sein, meine        einmal seine Ruhe haben? Ich bin sehr verärgert, höre    Sahnecremehäubchen         und     Tiramisu-Muffins
Mama tut alles, was für uns gesund sein könnte. Ich        aber dann, wie mein Papa aufspringt und ein paar                                                                In der Kälte des Morgens klopft sie leise an mein
                                                                                                                    mit Mascarpone-Topping und frisch geröstetem
sage absichtlich ‚könnte‘.“                                Sachen umwirft. Was für ein Lärm, aber dann ist er                                                              Fenster, die Blütenpracht in Frost gezeichnet.
                                                                                                                    Kaffee. Meine Sinne nehmen Nuancen von frisch
                                                           bei uns.                                                                                                        In weißer, durchscheinender Manier ranken
                                                                                                                    gemahlenen Haselnüssen, herrlicher Bourbon-
„Mir ist so langweilig. In der darauffolgenden Zeit ist ‚Bleib nur schön ruhig, Liebling, ich habe alles im                                                                sich Eisgeäst und Wunderblumen an dem Glas
                                                                                                                    Vanille, Mandelsplittern und Pistazienstückchen
nicht sehr viel passiert, ich bin nur gewachsen und Griff und bin vorbereitet. Nur immer schön atmen.‘“                                                                    empor. Der Atem der eisigen Nacht hat viele
                                                                                                                    wahr. Meinem Gaumen schmeichelt ein Hauch von
bei meinen Bewegungen boxe ich meine Mama, weil                                                                                                                            Eisblumen geformt und ihnen Leben eingehaucht.
                                                                                                                    Trüffelpralinen in Nougat, mit Zartbitterschokolade
ich fast keinen Platz habe. Wie wird das werden bei „Dann fällt wieder etwas hinunter. Mein Gott, denke                                                                    Die Kristalle schimmern in der Herrlichkeit der
                                                                                                                    ummantelt und in Kakaostaub eingehüllt. Meine
dieser Einengung des Lebensraumes, frage ich mich. ich, das darf doch nicht wahr sein. Der Mann ist so                                                                     Regenbogenfarben und spiegeln das Klirren der
                                                                                                                    Geschmacksknospen baden in einem eisgekühlten
Wir gehen viel spazieren, das ist auch nicht mehr so was von ungeschickt. Aber dann dürfte er wieder                                                                       Kälte wider. Die Gebilde und Formen haben die
lustig wie früher, weil meine Mama nur langsam geht alles beisammen haben und telefoniert. Etwas später             Bananenmilchshake,        garniert    mit   heißem
                                                                                                                                                                           Minusgrade gemeißelt und laden zum Träumen
und mich nicht mehr hin und her schaukelt in meinem werden wir hochgehoben, dann wieder hingelegt. Das              Karamellschaum und Cocktailkirschen. Meinen
                                                                                                                                                                           ein. Die kristallinen Blütenblättchen verschmelzen
Wasserbassin. Ich müsste schon selber springen. passt, aber dann höre ich schrecklichen Lärm. Den                   Augen offenbaren sich riesengroße Gläser, übervoll
                                                                                                                                                                           ineinander und baden im Meer der Kälte. In der
Ich will aber nur hopsen, wenn sich Mama gerade habe ich schon einmal bei einem Spaziergang gehört,                 mit Strawberry-Cheesecake-Marshmallows in
                                                                                                                                                                           warmen Stube erspäht man das Leuchten in den
hingelegt hat.“                                            tatü, tata… Na ja, auf alle Fälle scheinen wir uns vom   allen Regenbogenfarben! Meine Hände erfühlen
                                                                                                                                                                           Kinderaugen, wenn sie die Eisblumen betrachten,
                                                           Fleck zu bewegen. Ich weiß es nicht genau, fühle         American-Double-Walnuss-Brownies und weiche
                                                                                                                                                                           wie sie sich an das Fenster schmiegen. Zart, filigran
„‚Jetzt möchte ich schlafen‘, sagt sie dann. Ich höre aber, dass Eile geboten ist. Dann werden wir wieder           Tasty-Zimt-Donuts mit ganz viel Zuckerguss
                                                                                                                                                                           und zerbrechlich räkeln sich die Frostblumen in der
schlafen und fange sofort zu Springen an. Meist sagt getragen, gehoben, geschoben und gelegt. Bis wir               und Schokostreusel. Alle Aromen des edlen
                                                                                                                                                                           Morgensonne. Man will sie behutsam pflücken und
sie dann zu mir: ‚Kleines, das ist aber gar nicht nett von endlich, anscheinend in einem Bett, etwas zur Ruhe       Hochgenusses vereinigen sich und betören meinen
                                                                                                                                                                           beschützen und den Schatten einfangen, damit sie
dir, wenn du deine Mama mit deinem Temperament kommen können.                                                       Verstand. Eine Geschmacksexplosion all der
                                                                                                                                                                           ewig leben und erblühen können. Jedoch, die Sonne
quälst!‘ Aber dann schlingt sie ihre Arme um mich Aber da passiert es, ich fühle plötzlich den Zwang                süßen Verführung durchdringt meinen Körper,
und irgendwann, wenn uns mein Papa mit einer Decke hinausschwimmen zu müssen, wo oder wohin das                                                                            schmilzt den Eisblütentraum dahin. Das Glitzern
                                                                                                                    und ich schwebe im 7. Orangen-Lollipop-Kokos-
zugedeckt hat, schlafen wir gemeinsam ein.“                immer auch sein mochte. Meine Mama keucht und                                                                   des gefrorenen Eiskunstwerkes verzaubert sich in
                                                                                                                    Makronen-Zuckerwatte-Himmel. In jeder Süßigkeit
                                                           stöhnt, ich wundere mich, und verstehe nicht, dass ich                                                          ihrer Gestalt. Die Dornen der Eisrose weinen in der
                                                                                                                    verbirgt sich eine liebliche Erinnerung, die ich für
„Die Zeit vergeht nur langsam. Mir ist so fad, ich ihr, wie es mir scheint, so wehtun kann. Offensichtlich                                                                 Sonnenkraft. So lieblich spielt der Blütenglanz, auf
                                                                                                                    immer genießen möchte, im stillen Wohlgefallen,
kenne mich nicht aus und weiß nicht, was das soll. hat sie große Schmerzen und Angst. Wahrscheinlich                                                                       Eis gebettet. Die Eissilhouetten sind zerbrochen und
                                                                                                                    welche sich jedoch im wahren Leben nur erahnen
In letzter Zeit habe ich ständig den Drang, mich bin ich der Grund und fürchte mich auch. Außerdem                                                                         zerfließen im Angesicht der traurigen Kinderaugen
                                                                                                                    ließe!
umdrehen zu müssen. Das Wasser drückt mich immer bin ich ziemlich verwirrt, ich kann nicht anders. Ich                                                                     zu Wasser. Träne für Träne perlt das gefrorene
in eine Richtung. Ich kann mich kaum dagegen denke mir, dass ich ihr am meisten helfen könnte,                                                                             Gemälde in einen Hauch von Nichts. Die Tröpfchen
wehren, und eines Tages ist es dann so weit, ich weiß wenn ich mich beeile. Ein wenig logisches Denken                                                                     dringen in die Erde ein und versiegen im Dunkel.
nicht wie das möglich ist, auf alle Fälle stehe ich auf ist angesagt. So dunkel der Kanal auch ist, in dem                                                                 Die Sonne auserwählt sich den letzten Eiskristall,
dem Kopf. Jetzt ist mir durch die Änderung der Lage ich plötzlich gefangen bin, ich muss hinaus. Aber da                                                                   verformt ihn in Eisblumenstaub und streut ihn in
gar nicht mehr fad. Der Mann mit der netten Stimme, kommt mir das Wasser aus der Fluchtblase zu Hilfe,                                                                     den Himmel. Die Eisblumen haben für den kurzen
den Mama heute wieder Herr Doktor genannt hat, in der ich lange gelebt habe und spült mich durch die                                                                       Augenblick Frost gelebt und sind im Antlitz der
meinte, dass das sehr gut sei und dass ich schon die Dunkelheit ans Licht.“                                                                                                Sonnenstrahlen gestorben!

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                                                                      von Lisa Werstatt

                                                                      Sie folgte schon längere Zeit den verschneiten Pfaden   wenn sie bereit sei Veränderungen anzunehmen,
                                                                      des Waldes, als sie immer mehr ihre Stagnation und      die Vergangenheit loszulassen und die Arme für das
                                                                      damit verbunden eine gewisse Leblosigkeit bemerkte,     Leben zu öffnen. Ein zaghaftes Lächeln huschte über
                                                                      die sie umhüllte.                                       ihr Gesicht, als sie an die Wintersperre des Weges
                                                                      Es fiel ihr schwer, die Wankelmütigkeit des Seins       dachte, und ihr wurde bewusst, auch diese wäre nur
                                                                      hinzunehmen, wo sie sich sogar mit allen ihr zur        zeitlich begrenzt.
                                                                      Verfügung stehenden Kräften dagegen gewehrt hatte.      Sie sah ein, dass Veränderungen oftmals notwendig
                                                                      Während andere fröhlich ihr Leben lebten, schien sie    seien, auch wenn man sie des Öfteren nicht versteht.
                                                                      den Job übernommen zu haben, über Vergangenes           Auch, dass man schon alle Ressourcen und ebenso die
                                                                      zu trauern und blieb mit einem sehr verzweifelten       Einzigartigkeit in sich trägt, um sich weiterentwickeln
                                                                      „Warum“ fragend vor einem rotweißen, gestreiften        zu können.
                                                                      Balken stehen. „Wintersperre von November bis
Anthologien                                                           April“ las sie auf dem Schild, welches am Balken        Nun musste sie an die Geschichte von dem kleinen
                                                                      befestigt war.                                          Mädchen denken, welches bei einem heftigen Gewitter
                                                                      Wieder umkehrend, wurde ihr Schritt für Schritt         jeden Blitz anlächelte. Als sie gefragt wurde, warum
                                                                      bewusst, dass die Trauer aus der Art wie sie liebte     sie dies tue und keine Angst vor den Blitzen hätte,
                                                                      geboren wurde.                                          antwortete das Mädchen: Ich muss doch lächeln,
                                                                      Sie den Verlust was geht und nicht wiederkommt, als     wenn Gott mich fotografiert.
                                                                      sehr schmerzhaft empfindet. Sie eine Bewahrerin ist
                                                                      und es ihr schwerfällt Vergangenes loszulassen.         Die Hoffnung in sich verspürend, dass alles gut würde,
                                                                      Doch nach den unzähligen Schritten, die sie nun schon   machte sie sich zuversichtlich auf den Heimweg,
                                                                      den Weg zurück gemacht hatte, näherte sie sich dem      wissend …
                                                                      Rande des Waldes und sah auf die vor ihr liegende       ihre Wintersperre war jetzt schon zu Ende.
                                                                      kleine Ortschaft. Sie konnte es sich nicht erklären,
                                                                      aber irgendwie sah alles verändert aus und doch war
Historisch                                                            alles noch so vorhanden als sie losging.
                                                                      Nun begriff sie, dass es nur weitergehen konnte,

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Erzählungen                                                                                                                                                                    Erzählungen
Der verlorene Die Sonntage                                                                                       Beliebter                                               Zeit-
Duft          werden mehr                                                                                        Radsport                                                verschieben
von Gerti Lintner                                      von Gerti Lintner                                         von Gerti Lintner                                       von Gerti Lintner

Der Frühling war zu kalt für die Ankunft des Kindes,   Die Antwort vielleicht, oder schon wieder Sonntag.        Die Sonne ist Auslöser, Rad samt Sportbekleidung        Die Uhr kennt keine Gnade, oder doch?
es gab noch viel zu tun.                                                                                         der Natur vorzuführen.                                  Ein Tag, wo die Fülle des Wissens, sowie gewohnte
Die Mutter wurde erwartet, um die restliche Familie    „Immer schön ist nie schön.”                              Wegweiser bleiben wie immer ein Rätsel.                 Abläufe sich änderten,
zu versorgen.                                          Die alte Frau hat jedes Zeitgefühl verloren, der Körper   Landen im Wald, der Flinte des Jägers ausgesetzt, er    Zeit ihre Bedeutung verlor, um der Gewohnheit nicht
Großvater kam völlig unerwartet ins Krankenhaus.       starr, Beweglichkeit                                      vor Zorn nie trifft, das Reh weiß                       im Wege zu stehen.
Er sorgte sich auch um die Enkelin und das zu          eingeschränkt. Ihre Augen, das zarte Gesicht lassen       Bescheid, noch ist sein Leben nicht in Gefahr.
erwartende Kindchen.                                   die einstige Schönheit erahnen.                           Am Seezugang angekommen, eine Brücke nicht              Der letzte Weg eines geliebten Menschen war
Ein kurzer Besuch wurde noch geplant.                  Sie ist nicht anspruchsvoll, das Leben war der            vorhanden, Kritik wird laut:                            Auslöser, geplante Zeit schwer
Seine Freude war groß, er nahm ihre Hände, meinte:     Kriegszeit ausgeliefert. Überleben der Sinn.              „Soweit schwimmen wir nicht”.                           zu schaffen, da Umstände hinderlich waren.
„Schmal bist geworden”.                                                                                          Verletzungen ein Thema, bremsen, naher                  Der Wunsch nach Anwesenheit war groß, wurde
Ihre fröhliche Stimme beruhigte ihn.                 Ein Problem der dringende Kleiderwechsel, sie wehrt         Körperkontakt, Schrammen die Folge.                     umgesetzt, die Uhr kam zu Hilfe.
Die Heimfahrt eilte, wenige Stunden noch, das        sich dagegen.
Kindchen erblickte das Licht der                     Unbewusst oder ein letzter Gedanke an die verlorene         Nun ist Hilfe angesagt. Ein kluger Fahrer leert roten   Eine Wahrnehmung, fern des gewohnten Wissens,
Welt. Besucher kamen, in den Händen duftende, gelb   Schönheit.                                                  eiskalten Saft über das Opfer,                          trat ein.
leuchtende Märzenbecher.                             Am Land waren Sonntage etwas Besonderes, das gute           es beginnt zu frösteln. Nachfolgende erstarren, Blut    Die Zeiger der Uhr standen still, bis Glocken, ohne
Sie ersetzten die fehlende Sonne.                    Gewand wurde angelegt,                                      ähnlich tropft die                                      Versäumnis, die Zeremonie
                                                     Kirchgang Pflicht, ein gutes Mahl der Abschluss,            rote      Flüssigkeit     über    die      Kleidung,    einläuteten. Der Stillstand war beendet, Zeit erwachte
Am nächsten Tag durchdrang Stille den Raum, Rückschau…                                                           Rettungshubschrauber anzufordern verdient               zum Leben.
Schweigen breitete sich aus.                         Es war der Weg den Wäschetausch zu erreichen.               der Überlegung.                                         Gedanken kamen, die Frage stellte sich…
Ein Gefühl spürbar, die Blumen dufteten nicht mehr.                                                              Nun wird es dem mit kleiner Schramme Verletzten zu      Sinnestäuschung, Wunschdenken?
Die endlich gestellte Frage nach Großvater endete in Die Aussage „Es ist Sonntag” wurde angenommen.              viel. Er schwingt sich auf sein
Tränen.                                              Die Sonntage wurden mehr,                                   Rad, flüchtet.                                          Wissen, welches dem Nichtwissen keine Frage stellt,
Sein langes Warten hatte sich gelohnt, die ersehnte Erinnerungen kehrten zurück, auch die nie vermutete          Gemurmel Zurückgebliebener - undankbares                um eine Antwort zu umgehen.
Nachricht erreichte ihn.                             Antwort:                                                    Verhalten - die Aussage.                                Ein unbekannter Teil unseres Daseins, welcher als
Er war Urgroßvater geworden.                         „Immer schön ist nie schön!”                                Der Adrenalinspiegel steigt, wird zur Antriebskraft.    Geheimnis verborgen bleibt?
5 Stunden später ging er für immer heim.             So begann das Spiel von neuem.                              Die Räder verlieren sich in einer
                                                                                                                 Staubwolke.
Jedes Jahr leuchten und duften die Märzenbecher,       Regt zum Nachdenken an, gesunde sorgenfreie Zeit          Das Rad der Zeit dreht mit, unmöglich die Bremse
Gedanken an Fürsorge und                               wird Gewohnheit.                                          anzuziehen.
Liebe weilen darin.                                    Dankbarkeit verliert sich…
Für kurze Zeit verlieren sie den Duft, leise aber      Wird erst erkannt, wenn Probleme auftreten, der
intensiver kehrt er zurück,                            Ausgleich beginnt.
die Farben leuchten umso mehr.                         Jede Seite hat ihre Berechtigung, auch Worte “Immer
                                                       schön ist nie schön”
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AutorInnen
                               Heinz Fürhacker,                                            Christa Schlögl, Jahrgang 1943
                               Jahrgang 1949, geboren in Wien, lebt mit seiner Frau        Lebt heute in er Steiermark.
                               seit vielen Jahren in Korneuburg und war bis zu             veröffentlichtes Buch:
                               seiner Pensionierung als Projektmanager tätig. Von          „Licht über dem Atlantik“
                               seiner Frau Regina mit dem Schreibvirus infiziert,
                               begann er vor Jahren als Ausgleich zum Beruf mit
                               dem Schreiben und setzt es nun als Hobby fort.

                               Regina Fürhacker - 1959 in Wien geboren, lebt seit          Ursula Anna Polgar, geb. 1973
                               vielen Jahren in Korneuburg. In ihren Arbeiten spielen      Sie ist sehr naturverbunden, feinfühlig und kreativ, mag
                               Alltagsszenen und Satirisches eine wichtige Rolle. Einige   Gerechtigkeit, Ehrlichkeit und Schwarzen Humor! Sie
                               ihrer Texte wurden in Zeitschriften veröffentlicht.         hasst ihren eigenen Perfektionismus und liest alles über
                               Von 2012 bis 2014 erschien auf der Website eines            Medizin, Pathologie und Kriminalgeschichte. Sie verfasst
                               großen Unternehmens monatlich ein augenzwinkernder          Prosa und Lyrik, Zitate, Aphorismen, Kabarett und
                               „Lebenshilfe-Blog“, begleitend wurde eine zusätzliche       Kurzgeschichten. Weiters schreibt sie als Regionautin
                               Kolumne        im    österreichischen      Firmenmagazin    für das „Bezirksblatt Wiener Neustadt“ und für
                               veröffentlicht.                                             Internetplattformen und verewigte sich in der Anthologie
                               2016 erschien ihr Buch „Ohne roten Faden“ im CCU            „Schreiben ist unsere Bucklige Welt“. Im Dez. 2015 trat
                               Verlag.                                                     sie der „Carpe Diem Literaturplattform Bucklige Welt“
                                                                                           bei.

                                                                                           Lisa Werstatt, Jahrgang 1951
                               Helga Gmeiner Hofer, geb. 1939
                                                                                           Lebt am wunderschönen Hackenberg über Wien
                               wohnt in Kirchberg/Wechsel
                                                                                           Schreibt Prosa und Lyrik. 2014 erschien ihr Buch „Wie
                               Helga Gmeiner Hofer schreibt und malt seit vielen Jahren.
                                                                                           das Leben so spielt - Episoden einer Ehe“
                               1986 veröffentlichte sie ihren ersten, inzwischen leider
                                                                                           Carpe Diem Literaturpreisträgerin 2011
                               vergriffenen Gedichtband: „Treibsand“. Ihr zweites Buch
                                                                                           www.seelin.at
                               „Leises Warten“ erschien 2016 im CCU Verlag.
                               Carpe Diem Literaturpreisträgerin 2015.

                               Gertrude Lintner, Jahrgang 1941
                               Lebt in Neunkirchen.
                               Der ehemalige Dipl. Krankenschwester hat das Leben
                               beruflich und privat so manches abverlangt. So entstand
                               der Wunsch ihre Gedanken auf Papier zu bringen, auch
                               um eigenes aufzuarbeiten.
                               Die Freude am Schreiben und das Vortragen in Rahmen
                               von Lesungen, nahm Gestalt an und wurde zu einem fixen
                               Bestandteil in ihrem Leben.

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