NETZWERKDOKUMENTATION 11 - BAU KULTUR - BETEILIGUNG UND BAUKULTUR - BAUKULTUR NIEDERSACHSEN

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NETZWERKDOKUMENTATION 11 - BAU KULTUR - BETEILIGUNG UND BAUKULTUR - BAUKULTUR NIEDERSACHSEN
16. Forum des Netzwerk Baukultur in Niedersachsen
    Lüneburg, Museum Lüneburg | 14. September 2017

BETEILIGUNG UND BAUKULTUR

                     Beteiligung und bAUKULTUR
    netzwerkDOKUMENTATION
                                                                                                 BAU KULTUR
                                                     www.baukultur-niedersachsen.de
                                                                                      Niedersachsen

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NETZWERKDOKUMENTATION 11 - BAU KULTUR - BETEILIGUNG UND BAUKULTUR - BAUKULTUR NIEDERSACHSEN
Programm
NETZWERK BAUKULTUR IN NIEDERSACHSEN E.V. | 16. Forum |
am 14. September 2017 im Museum Lüneburg

bETEILIGUNG UND B
                            aukultur
10:00 Come in

10:15 Begrüßung                                         12:30 Mittagsimbiss
      Prof. Dr. Heike Düselder
      Museum Lüneburg, Museumsdirektorin                13:30 World Café
      Prof. Dr. Bernd Krämer                                  Dialog zum Thema Beteiligung
      Netzwerk Baukultur in Niedersachsen e.V.,
      Vorsitzender                                      15:00 Diskussion
                                                              Moderation: Prof. Dr. Ursula Kirschner
10:40 Einführung in den Ort                                   Forum Baukultur Lüneburg e.V., Vorstand
      Baukultur in Lüneburg                                                                                 Mitwirkende des 16. Forums „Beteiligung und Baukultur“ v.l.n.r.: Christina Dirk (NBN e.V.), Birgit Leube (Niedersächsisches
      Heike Gundermann                                  16:00 Ende                                          Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz), Johannes Jakubeit (Forum Baukultur Lüneburg e.V.), Prof. Dr. Ursula
                                                                                                            Kirschner (Forum Baukultur Lüneburg e.V.), Sonja Hörster (Institut für Partizipatives Gestalten IPG Oldenburg), Heike Gundermann
      Stadtbaurätin der Hansestadt Lüneburg                                                                 (Stadtbaurätin der Hansestadt Lüneburg), Prof. Dr. Bernd Krämer (NBN e.V.), Ursula Maria Berzborn (Grotst Maru Berlin), Renée
      Engagement für Baukultur                                                                              Tribble (PlanBude Hamburg), Carl-Peter von Mansberg (Forum Baukultur Lüneburg e.V.), Nicole Froberg (NBN e.V.).
      Carl-Peter von Mansberg BDA
      Forum Baukultur Lüneburg e.V., Vorstand

11:15 Impulsvorträge                                    16:30 EXKURSION                                     Am 14. September wurde über „Beteiligung und                       jektarbeit des IPG ist auf Gestaltungsprozesse
       Baukultur & Beteiligung.                               Besichtigung der Leuphana Universität mit     Baukultur“ im Museum Lüneburg diskutiert. Wie                      in verschiedenen Bereichen ausgerichtet, die die
       Wieso unterstützt entwurfsorientierte                  dem Zentralgebäude von Daniel Libeskind       kann Beteiligung erfolgreich funktionieren? Mit wel-               Potentiale diverser Gruppen und Zusammenhän-
       Partizipation Baukultur?                               Führung:                                      chen Ideen wurden schon positive Beteiligungspro-                  ge nutzen um zu gemeinsamen Entwürfen zu
       Sonja Hörster, Institut für Partizipatives             Karl Werner, Leuphana Universität             jekte umgesetzt?                                                   gelangen. Partizipation wird hier als Methode und
       Gestalten (IPG) Oldenburg                              Carl-Peter von Mansberg, Prof. Dr. Ursula                                                                        Haltung begriffen, die das Aufkommen qualitativer
       Wunschproduktion als Planungsprozess.                  Kirschner, Johannes Jakubeit, alle Forum 		   Zum 16. Forum kooperierte das Netzwerk Baukultur                   und passender Ideen ermöglicht. Zudem berät
       Neubau der Esso-Häuser in Hamburg                      Baukultur Lüneburg e.V., Vorstand             in Niedersachsen e.V. mit dem Institut für Partizi-                und schult das IPG Verantwortliche aus Verwal-
       Renée Tribble, PlanBude Hamburg                                                                      patives Gestalten IPG, Oldenburg und dem Forum                     tung, Politik und Unternehmen zum Thema Betei-
      „Berliner Luft“ - partizipatorisches Theater im   17:30 Ende                                          Baukultur Lüneburg e.V.                                            ligung, Kollaboration und Transformation.
       öffentlichen Raum, Grotest Maru.
       Zur Stadtdebatte „Alte Mitte - Neue Liebe“                                                           Das Institut für Partizipatives Gestalten (IPG), Ol-               Das Forum Baukultur Lüneburg e.V. ist eine en-
       Ursula Maria Berzborn, Grotest Maru, 		                                                              denburg, ist ein interdisziplinär arbeitendes Team                 gagierte Baukulturinitiative und Ort für öffentliche
       Berlin                                                                                               aus Landschaftsarchitekt*innen, Philosoph*innen,                   Auseinandersetzung um Fragen der Architektur,
                                                                                                            Kultur- und Sozialwissenschaftler*innen, Grafik-                   des Städtebaus und der Denkmalpflege.
                                                                                                            designer*innen und Stadtplaner*innen. Die Pro-
                                                                                                                                                                                                                                               3
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IM GESPRÄCH MIT
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                                                                                                                    Sadtbaurätin der Hansestadt Lüneburg

    Sehr geehrte Frau Gundermann, was sollte ein            und der sehr gut besucht wird, auch am letzten          ein zweites oder drittes Mal zum selben B-Plan
    baukulturell interessierter Besucher in Lüne-           Sonntag wieder. Zusätzlich gibt es seit einigen         eine Versammlung anbieten.
    burg unbedingt gesehen haben – den Campus               Jahren den „Tag der Städtebauförderung“. Dort                                                                 Ich stelle fest, dass
    der Leuphana Universität mit dem neuen                  haben wir immer ein Ganztagsangebot in einem            Was sind aktuell wichtige Arbeitsschwerpunkte
    Hauptgebäude von Daniel Libeskind oder die              Städtebau-Fördergebiet. Dann gibt es bei uns viele      für Sie als Stadtbaurätin in einer Stadt mit rund     bestimmte Entwicklungen
    Altstadt mit mehr als 1.500 Baudenkmälern?              Informationsveranstaltungen zu Bebauungsplänen          75.000 Einwohnern vor den Toren Hamburgs?
                                                            und zu Bauvorhaben. Außerdem gibt es Bürgerforen        Das Thema Wohnbauentwicklung?                         gleichzeitig auftauchen. (...)
    Heike Grundermann: Eins nach dem anderen.               oder Partizipationsprojekte, zum Beispiel wenn wir
    Ich denke, die Altstadt ist sehr wichtig. Sie ist das   Kinderspielplätze gestalten. Es gibt also vielfältige   HG: Wohnungsneubau ist wirklich ein wichtiges         Jetzt (...) haben wir ein
    Kapital dieser Stadt, das wir behüten und beschüt-      Möglichkeiten, sich zu informieren über das, was        Thema. Wir haben ein Wohnungsbauprogramm
    zen. Doch es lohnt sich auch in Lüneburg die Ka-        baulich hier geschieht.                                 aufgelegt. Das heißt, die Politik hat es diskutiert   Thema Beteiligung und
    sernenstandorte, die Konversionsprojekte zu be-                                                                 und beschlossen. Wir wollen bis 2021 insgesamt
    sichtigen. Und da gibt es nicht nur die Universität.    Wie ist die Resonanz, wenn sie so ein Bürger-           2.100 neue Wohnungen bauen. Dafür schlagen wir        Partizipation, das sich
                                                            forum veranstalten?                                     diverse Standorte vor: einerseits Konversionspro-
    Welches Baukultur-Angebot gibt es in ihrer                                                                      jekte und andererseits das Thema innerstädtische      bundesweit beobachten
    Stadt? Ganz sicher den „Tag des offenen Denk-           HG: Wenn wir in Bauleitplanverfahren zu Bür-            Nachverdichtung. Da jede Standortentwicklung
    mals“ am vergangenen Wochenende. Aber was               gerversammlungen einladen gibt es viele Besu-           eigene Anforderungen hat, erfordert die Bauleitpla-   lässt und nicht nur auf die
    interessiert die Menschen hier sonst noch?              cherinnen und Besucher und viele Diskussionen.          nung viel Engagement.
                                                            Wir nehmen das, was die Bürger sagen, auf und                                                                 großen Städte konzentriert.
    HG: Es gibt den Tag des offenen Denkmals, den wir       lassen es nach fachlicher Prüfung in die Pläne
    schon seit über zwanzig Jahren jährlich organisieren    einfließen. Zum Teil ist es auch so, dass wir dann
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Es geht dabei auch um eine Innenentwicklung?                                                                relativ große Malschule, Ateliers ,für Künstler, die   HG: Ja. Und auch die Universität trägt wesentlich
                                                      Mitwirkung zuzulassen und                             malen oder bildhauerisch tätig sind, mit Stoffen       dazu bei. Zeitweise gestalte ich Seminare an der
HG: Ja, wir haben hier den Grundsatz, dass wir                                                              und Schmuck arbeiten. Es gibt Journalisten und es      Universität mit. Diese hat zwar keine Stadtpla-
von innen nach außen entwickeln. Natürlich brau-      dazu aufzufordern, ist eine                           gibt Restauratoren, die dort arbeiten.                 nungs- oder Architekturfakultät, aber zum Beispiel
chen wir auch Außenentwicklung, weil die Flächen                                                                                                                   den Studiengang Umweltwissenschaften. Es ist
im Innenbereich nicht ausreichen, aber spannen-       Frage der Akzeptanz, die                              Vor dieser Kulturbäckerei war der Vorplatz zu ge-      immer ein Interesse der Studierenden, etwas über
der ist die Entwicklung im Inneren.                                                                         stalten. Wir haben unterschiedliche Varianten ent-     die Stadt zu erfahren oder bei Entwicklungsprozes-
                                                      man braucht, wenn man                                 worfen, die wir zum Tag der Städtebauförderung         sen mitzuwirken.
Und wahrscheinlich auch diskussionsreicher?                                                                 auf Plänen dargestellt und erläutert haben. Den
                                                      Bauprojekte in Zukunft                                ganzen Tag waren wir vor Ort und haben Führun-
HG: Ja, natürlich. Wenn Sie innen entwickeln,                                                               gen durch das Gebiet angeboten und sowohl die          Besonders spannend ist,
haben Sie natürlich die Situation, dass alle, die     entwickeln will.                                      Stimmen der Künstler in der Kulturbäckerei einge-
rund um das Entwicklungsgebiet herum leben,                                                                 holt, als auch die Stimmen aus der Bevölkerung,        dass Kreativität heute dort
auch mitdiskutieren.                                                                                        die dort zu Besuch kam. Beides ist anschließend in
                                                      Welche Projekte in Lüneburg sind zu nennen            die Pläne eingeflossen und wurde dann noch ein-        möglich ist, wo früher
Das Netzwerk Baukultur in Niedersachsen e.V.          beim Thema Partizipation – in der Vergangen-          mal mit Vertretern der Kulturbäckerei abgestimmt,
ist – eher zufällig – mit dem Thema Partizipa-        heit oder auch in der Zukunft?                        bevor der Platz gestaltet wurde. Er ist so angelegt,   Gehorsam und Befehl
tion nach Lüneburg gekommen. Spielen aus                                                                    dass jetzt auch Theaterdarstellungen vor dem
Ihrer Sicht Beteiligungsprozesse auch hier eine       HG: Wir haben dieses Jahr im Vorfeld eines Auf-       Gebäude stattfinden können.                            angesagt waren.
ständig zunehmende Rolle – oder doch eher in          stellungsbeschlusses für einen Bebauungsplan
großen Städten wie Hannover, Bremen, Ham-             ein Beteiligungsverfahren für das neue Baugebiet      Und der Platz hat eine hohe Akzeptanz bei den
burg oder Berlin?                                     „Wienerbüttel“ durchgeführt. Es handelt sich um       Nutzern vor Ort?                                       Die Entwicklung der Universität ist ja auch
                                                      städtische Flächen, auf denen wir geförderten                                                                ein Umbruch, der die Stadt sehr beeinflusst
HG: Ich bin seit über zwanzig Jahren Mitglied im      Wohnungsbau umsetzen könnten. Darüber hinaus          HG: Das hoffe ich. Er ist Ende letzten Jahres fertig   hat – von einem alten Kasernenstandort zu
Bauausschuss des Deutschen Städtetags, und            diskutieren wir zurzeit über ein Stadtentwicklungs-   geworden. Jetzt müssen sich die Menschen den           einer Hochschule mit inzwischen 10.000 Stu-
ich stelle fest, dass bestimmte Entwicklungen         konzept – und wenn der Rat die Finanzmittel dafür     Ort aneignen. Ich denke, das braucht mehrere           dierenden. Das gibt auch der gesamten Stadt
bundesweit gleichzeitig auftauchen. Zum Beispiel      zur Verfügung stellt- werden wir natürlich einen      Jahre.                                                 einen neuen Geist, einen Impuls in eine neue
war vor knapp zwei Jahrzehnten das Thema Bahn-        umfangreichen Bürgerbeteiligungsprozess auf den                                                              Richtung?
hofsumbau oder Gestaltung des Bahnhofsumfelds         Weg bringen.                                          Gibt es aus Ihrer Sicht genug Engagement
in vielen Städten relevant. Jetzt gibt es ein neues                                                         der Bürger für Baukultur in ihrer Stadt? Oder          HG: Lüneburg ist eine junge Stadt, viele der Stu-
Thema mit der Bundesanstalt für Immobilien: die       Sie haben in ihrem Vortrag im Forum eine so-          konzentriert sich dies auf einige wenige Berei-        dierenden bleiben hier. Das ist ein ganz großes
Aufgabe, Flächen des Bundes zu erwerben und           genannte „Kulturbäckerei“ erwähnt. Vielleicht         che wie den Denkmalschutz oder die (eigene)            Potenzial an kreativen Köpfen. Besonders span-
zu entwickeln. Ebenso haben wir ein Thema Be-         können Sie zu der Platzgestaltung und dem             Schulgestaltung?                                       nend ist, dass Kreativität heute dort möglich ist, wo
teiligung und Partizipation, das sich bundesweit      Prozess noch einmal ganz kurz etwas sagen?                                                                   früher Befehl und Gehorsam angesagt waren.
beobachten lässt und nicht nur auf die großen                                                               HG: Nein, die Debatte hier geht weit darüber hin-
Städte konzentriert. Es kommt dort sicher stärker     HG: In einem Sanierungsgebiet Stadtumbau West,        aus. Alle Entscheidungen für öffentliche Gebäude       Vielen Dank für das Gespräch.
vor. Vielleicht haben die Großstädte hier auch eine   das ein Heeresverpflegungsamt aus den 1930er          werden grundsätzlich diskutiert. Die Presse inte-
Vorreiter-Rolle, aber erreichen wird uns alle die     Jahren betraf, hat die Hansestadt das Bäckerei-       ressiert sich sehr dafür, Auch die Vorträge an der     Interview: Nicole Froberg NBN
zunehmende Aufgabe, Menschen zu beteiligen            gebäude in weitgehend kommunalem Eigentum             Universität, die Herr von Mannsberg organisiert hat,
und Planungsprozesse zu erklären, Mitwirkung          behalten. Das Gebäude wurde durch die Lünebur-        waren alle sehr gut besucht.
zuzulassen. Dazu aufzufordern, ist eine Frage der     ger Wohnungsbaugesellschaft übernommen, die
Akzeptanz, die man braucht, wenn man Baupro-          es um- und ausgebaut hat. Die Sparkassenstiftung      Baukultur hat also nach Ihrer Wahrnehmung
jekte in Zukunft entwickeln will.                     betreibt das Projekt. In dem Gebäude gibt es ein      ein gutes Fundament in dieser bürgerschaftli-
                                                      Theater, es gibt Ausstellungsflächen und eine         chen Gesellschaft?

                                                                                                                                                                                                                           5
NETZWERKDOKUMENTATION 11 - BAU KULTUR - BETEILIGUNG UND BAUKULTUR - BAUKULTUR NIEDERSACHSEN
Das Forum will Aufklärungsarbeit leisten, Widersprüche
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                                                                                                                 Spielräume erkunden und Ziele formulieren in Richtung auf
                                                                                                                 das, „was sein könnte“. Nennen wir es Baukunst.

                                                                                                                 ENGAGEMENT FÜR BAUKULTUR
                                                                                                                 Carl-Peter von Mansberg
                                                                                                                 Forum Baukultur Lüneburg e.V., Vorsitzender

    Mit der Gründung des Forum Baukultur e.V., akkre-     dem Ostpreußischen Landesmuseum und dem                Hat, wie behauptet wird, diese Modeme wirklich         Landschaftsgestaltung und des Verkehrs und nicht
    ditiert am Museum Lüneburg, findet die schon lang     Fürstentum Museum dokumentierte im Ergebnis            nur Verluste gezeitigt? Wird sie ein unvollendetes     zuletzt der Kunst. Und vorrangig sind auch die
    anhaltende öffentliche Auseinandersetzung um          eindrucksvoll das anhaltende öffentliche Interesse     Projekt bleiben? Eine Bestandsaufnahme ist in die-     Benutzer des Geplanten und Gebauten mit ihren
    Fragen der Architektur, des Städtebaus und der        an Fragen der Baukunst.                                ser Situation geboten, eine kritische Analyse von      sich verändernden Beheimatungsansprüchen
    Denkmalpflege einen festen Ort.                                                                              Vergangenheit, Gegenwart und Zukunftsvisionen,         und Vorstellungen von Stadt zu befragen und zu
                                                          Architektur ist natürlich nicht unpolitisch.           auch vor dem Hintergrund eines sich verändern-         beteiligen! Im Angesicht der unbestrittenen Schön-
    Schon vor Jahren fanden zahlreiche Ausstellungen      Bauen spiegelt gesellschaftliche Verfasstheit.         den Bewusstseins von Zeit und Raum. Die Motive         heit unseres historischen Stadtkernes mit seinen
    zur Architektur der Modeme statt mit Arbeiten         Allenthalben finden sich neuerlich Gruppen von         rnüssen gesichtet werden, die Ausgangspunkt            geschlossenen Reihen sich ähnelnder Häuser, den
    von Adolph Loos, Ludwig Mies van der Rohe,            Bürgern zusammen, Partizipation fordernd, meist        unseres Handelns sind, wenn wir Häuser bauen,          Straßen, Plätzen und überragenden öffentlichen
    Hans Scharoun, Richard Neutra und anderen             in Besorgnis oder aus Empörung über aktuelle           Stadträume planen und Landschaft verbrauchen.          Gebäuden, zu erkennen als eine Gesamtleistung
    im Fürstentum Museum statt. Damals gelang             Veränderungen der Stadtlandschaft durch Eingriffe                                                             seiner Bürger, erhält jede Erörterung hier zusätzli-
    auch ein mit Studierenden gestalteter Werkbericht     in Bestehendes und vermeintlich unorganisierte         Das Forum Baukultur versteht sich in dieser Situa-     che Perspektiven und Stoff für eine kritische Ausei-
    zu den Arbeiten des großen Alvar Aalto an Hand        Bautätigkeiten an der Peripherie, nicht zuletzt        tion als ein Werkraum, in dem Erfahrungen ausge-       nandersetzung.
    von Bildern und Modellen. Es folgten Staffeln von     verursacht durch Auflassen großer, bisher anders       tauscht, einzelne Aspekte detailliert untersucht und
    Gastvorlesungen zu „Positionen der Architektur        genutzter Flächen. Dabei klaffen oft die Vorstellun-   zukunftsorientierte Experimente unter die Lupe         Das Forum will Aufklärungsarbeit leisten, Wider-
    der Gegenwart‘‘. Zu den Referenten gehörten           gen von dem unverzichtbar Notwendigen und dem          genommen werden. Gehört und beteiligt werden           sprüche aufdecken, Abhängigkeiten verständlich
    unter anderen: Günther Behnisch, Hilde Leon, Zvi      Wünschenswerten weit auseinander. Die leiden-          sollen die Umweltwissenschaften, die Sozialwis-        machen, Spielräume erkunden und Ziele formulie-
    Hecker, Meinhard von Gerkan, Regine Leibinger,        schaftlichen Befürworter der Rekonstruktion von        senschaften, die Kulturwissenschaften, die             ren in Richtung auf das, „Was sein könnte“. Nen-
    Daniel Libeskind. Sie alle fanden hier das lebhafte   Schlössern und Kirchen stehen dabei meist unver-       Stadtsoziologie, Personen aus dem Bereich              nen wir es Baukunst.
    Interesse eines breiten Publikums. Die Ausstellung    söhnlich den Vertretern einer Freiheit symboli-        Psychologie, Immobilienwirtschaft, Finanzen,
    ,,Neues Bauen in Lüneburg‘‘ 2013 zusammen mit         sierenden Architektur der Moderne gegenüber.           aber auch der Architektur, der Stadtplanung, der
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NETZWERKDOKUMENTATION 11 - BAU KULTUR - BETEILIGUNG UND BAUKULTUR - BAUKULTUR NIEDERSACHSEN
ENTWURFSORIENTIERTE PARTIZIPATION ALS
WEGWEISER FÜR EINE NEUE BAUKULTUR
Felderfahrungen aus Beteiligungsprojekten in der Freiraumplanung

Sonja Hörster, Institut für Partizipatives Gestalten (IPG) Oldenburg

Anhand der Definition von Baukultur der                werden kann, damit ein praktischer Umgang mit           eines Planungsverfahrens („Phase Null“) oder die
Bundesstiftung zeigen wir, dass Baukultur              Differenz ermöglicht wird.                              gemeinsame Debatte über Entwürfe, die von den
vor allem dadurch gefördert wird, wenn sie                                                                     professionell Planenden bereits entworfen worden
in partizipativer Entwurfsarbeit gemeinsam             Aus der praktischen Arbeit am Institut für Partizipa-   sind.
ausgehandelt wird. Dafür führen wir einerseits         tives Gestaltung (IPG) aus Oldenburg, soll daher
den Begriff „entwurfsorientierte Partizipation“ ein    für das Themenfeld „Baukultur und Beteiligung“          Die gemeinsame Entwicklung von neuen planeri-
und zeigen daraufhin anhand von Fallbeispielen,        der Begriff der Entwurfsorientierten Partizipation      schen Lösungen auf Ansprüche aus der Praxis ist
wie entwurfsorientiertes partizipatives Arbeiten       eingeführt werden.                                      bei entwurfsorientierten Formen von Partizipation
verschiedene Aspekte von Baukultur erfüllt.                                                                    hingegen Gegenstand und Ziel der gemeinsamen
                                                       Entwurfsorientierte Partizipation                       Arbeit. Grundlegend ist die Erkenntnis, dass rein
„Baukultur ist wesentlich, um eine Umwelt zu                                                                   sprachliche Aushandlungen selten genügen, um in
schaffen, die als lebenswert empfunden wird. Sie       Entwurfsorientierte Partizipation beschreibt For-       Zusammenarbeit mit allen, die beteiligt sind, neue
hat neben sozialen, ökologischen und ökonomi-          mate der Beteiligung, die mit Methoden und Werk-        räumliche Konzepte überhaupt denken zu können.
schen Bezügen auch eine emotionale und ästheti-        zeugen aus der Planungs- und Entwurfspraxis             Es bedarf vielmehr der Nutzung professioneller        Nutzung kreativer Werkzeuge ist so ein hervorra-
sche Dimension. Ihre Herstellung, Aneignung und        arbeiten.                                               Methoden des Entwurfes, um gemeinsam etwas            gendes Mittel der Verständigung.
Nutzung ist ein gesellschaftlicher Prozess, der auf                                                            zu planen, was über das Einsammeln von vorhan-
einer breiten Verständigung über qualitative Werte     Im Forschungsbericht „Impulse zur Bürgerbeteili-        denen Wünschen oder Interessen als Anregung für       Im Sinne der anfänglichen Definition von Bau-
und Ziele beruht.“                                     gung vor allem unter Inklusionsaspekten“ (Rohr et       die weitere Gestaltung hinausgeht.                    kultur werden wir nachfolgend anhand zweier
                                                       al. 2017, 28-30) unterscheiden wir zwischen drei                                                              Beteiligungsprojekte am IPG in den letzten Jahren
(Bundesstiftung Baukultur 2015)                        Beteiligungsformen – informativ, deliberativ und        Professionelle Planer*innen verlieren dadurch         zeigen, dass Beteiligung – verstanden als gemein-
                                                       kollaborativ.                                           nicht ihre Rolle oder Berechtigung. Lediglich ver-    same Entwurfsarbeit – ein Bewusstsein für Baukul-
Ein wesentlicher Aspekt dieser Definition von Bau-                                                             ändern sich die Methoden und Werkzeuge, die zur       tur und die Baukultur selbst fördern und entwickeln
kultur durch die Bundesstiftung ist die Schaffung      Bei informativer Beteiligung werden meist bereits       Beteiligung gewählt werden. Planer*innen bringen      kann.
einer Umwelt, die als lebenswert empfunden wird.       erarbeitete Ergebnisse in der Öffentlichkeit vorge-     ihre Expertise in den Planungsprozess mit ein und
Verschränkung verschiedenster Dimensionen und          stellt, bei denen die Teilnehmenden dann lediglich      erarbeiten auf der Grundlage der Ergebnisse einen     Bewusstsein für emotionale und ästhetische
Systemlogiken ist ein Hinweis auf die Komplexität,     ihre Eindrücke oder Bedenken schildern können.          professionellen Entwurf. Durch den Einsatz von        Dimension durch Aneignung schaffen.
die dem zu Grunde liegt. Das betrifft ebenso die       Gesetzlich vorgeschriebene (formelle) Bürgerbetei-      Plänen und gestalterischen Methoden während           Ein Beispiel aus Hamburg
Verständigung über qualitative Werte und Ziele, die    ligung fällt in diese Kategorie.                        der Beteiligung können sie sich jedoch darauf
aus der Art der Vermittlung unterschiedlicher Blick-                                                           verlassen, dass ihre Ergebnisse sich vertiefen        So eignen sich entwurfsorientierte Partizipati-
winkel und aus der Prozesshaftigkeit von Planung,      Eine nicht gesetzlich vorgeschriebene – und damit       und besser verstanden werden. Darüber hinaus          onsverfahren besonders gut, um emotionale und
Gestaltung und Implementierung neue Kriterien          informelle – Form der Beteiligung ist deliberative      macht das kreative Arbeiten allen Beteiligten viel    ästhetische Dimensionen von Planung sichtbar
entwerfen lässt. In der Praxis ist genau dieses Auf-   Partizipation, wie sie z.B. in Bürgergutachten,         mehr Spaß, ist weniger nervenaufreibend und viele     zu machen. Mitmacher*innen können erleben,
einandertreffen verschiedener Verständnisse häu-       Runden Tischen oder anderen Dialogverfahren zu          vermeintliche Konfliktlinien, die in der Diskussion   wie Planer*innen Erkenntnisse gewinnen, indem
fig Grund für Konflikt oder Auseinandersetzung. Es     finden ist. Im Vordergrund steht hier der Austausch     noch vorhanden waren, sind auf dem Plan so nicht      sie ihr Gespür einsetzen und daraus eine gestal-
stellt sich daher die Frage, wie Baukultur gestaltet   über Wünsche, Vorstellungen und Ideen im Vorfeld        mehr vorhanden. Gemeinsame Planarbeit und die         terische Lösung entsteht.
                                                                                                                                                                                                                           7
NETZWERKDOKUMENTATION 11 - BAU KULTUR - BETEILIGUNG UND BAUKULTUR - BAUKULTUR NIEDERSACHSEN
Ein Beispiel für die Nutzung von nicht sprachli-     teilten uns mit den ca. 30 Personen, die sich für    Fachkolloquien und Bürgerwerkstätten die inhalt-         den sind, wurden von uns im Nachgang analysiert
    chen oder rein kognitiven Methoden, die statt-       diese Arbeitsgruppe entschieden hatten, entlang      liche Grundlage für Bürgerleitlinien zu erarbeiten,      und bildeten die Grundlage für die Bürgerleitlinien,
    dessen mit Emotionen und Atmosphäre arbeiten,        dieser Absteckung. Es wurde sofort deutlich, dass    die im Nachgang dem Abgeordnetenhaus zur Ab-             die im weiteren Verfahren entstanden. Für die
    ist die Planung eines kleinen Quartierplatzes        der Platz zu groß wäre und auch die Form nicht       stimmung vorgelegt werden sollten.                       städtische Debatte war das ein enormer Durch-
    während der Neugestaltung des Bertha-von-Sutt-       stimmte. Wir bewegten uns nun alle solange, bis                                                               bruch, weil über dieses entwurfsorientierte ge-
    ner-Parks in Hamburg-Altona (2014). Der Bertha-      eine stimmige Form und Größe gefunden war            Auch hier wurde erlebbar, wie entwurfsorientierte        meinsame Arbeit plötzlich doch Gemeinsamkeiten
    von-Suttner-Park ist ein Quartierspark, der schon    und maßen den „neuen Platz“ ein. Auf genau           Partizipation tatsächlich zu einer Lösung beitragen      sichtbar wurden, was bei einer weiteren Debatte
    längere Zeit vernachlässigt worden war. Neue         diese Weise ist er in den finalen Entwurf einge-     kann. Wäre an diesem Punkt einfach nur weiter            nicht so entstehen hätte können.
    Relevanz bekam er durch den Neubau von meh-          gangen und gebaut worden. Heute kann man             diskutiert worden – wie all die Jahre vorher – dann
    reren Hundert neuen Wohnungen auf einer direkt       bei einem Besuch erleben, dass dieser Platz          hätte sich das Ergebnis nicht groß von der Aus-          Die methodische Arbeit mit den verschiedenen
    angrenzenden Konversionsfläche.                      atmosphärisch genau richtig funktioniert und zu      gangslage unterschieden: Gruppen mit unterei-            „Schichten“, die als Transparentpapiere auf den
                                                         einem lebendigen Treffpunkt geworden ist. Durch      nander unvereinbaren Ideen tauschen sich aus             Plan des zu gestaltenden Areals gelegt wurden,
    Die Verwaltung hatte sich in diesem Fall ent-        die gemeinsame Arbeit vor Ort konnte so eine für     und finden zu keiner gemeinsamen Lösung. Wir             zeigte den Teilnehmenden, dass ihre Werte und
    schlossen, alle an den Park angrenzenden An-         alle wahrnehmbare passende Lösung gefunden           sahen die Chance, diesen festgefahrenen Diskurs          Ziele nicht so weit auseinander lagen wie bis
    wohner*innen einzuladen, zusammen mit einem          werden.                                              durch entwurfsorientiertes Arbeiten durchbrechen         dahin gedacht und es doch möglich war, darauf
    professionellen Planungsteam Ideen für die                                                                zu können und das starke Thema der vielfältigen          aufbauend gemeinsame Leitlinien zu entwicklen.
    Umgestaltung des Parks zu entwickeln. Das IPG        Verständigung über qalitative Werte und Ziele        zeitlichen Schichten, die diesen Ort und die Argu-       Die Idee zu diesem Vorgehen leitete sich direkt
    hatte die Aufgabe, ein entsprechendes Beteili-       als Grundlage von Baukultur.                         mentationslinien der Hauptgruppen mit (Be-)Deu-          aus der Ausgangssituation ab, nämlich aus den
    gungsverfahren zu entwickeln, als Prozessbeglei-     Ein Beispiel aus Berlin                              tungen aufluden, aufzunehmen und methodisch              verschiedene (Ge-)Schichten oder Narrationen, die
    tende diesen Prozess zu moderieren, auf Basis                                                             umzusetzen.                                              sich aus der Wahrnehmung und Beurteilung dieses
    der Ergebnisse einen Plan zu entwerfen und das       Wie ein breiter Diskurs über qualitative Werte und                                                            Platzes ergaben.
    Projekt durch alle Leistungsphasen bis zur Fertig-   Ziele in Bezug auf Baukultur durch entwurfsori-      An Plantischen sammelten alle Teilnehmenden zu-
    stellung zu begleiten.                               entierte Arbeit erleichtert wird, zeigen auch die    nächst auf einer ersten Planebene die Nutzungen,         Die zehn Bürgerleitlinien wurden im Mai 2016
                                                         Erfahrungen aus dem prominenten Vorhaben „Alte       die sie aktuell vor Ort kannten. Ein kurzes Blitzlicht   durch das Abgeordnetenhaus als beschlossen
    Zunächst wurden in einer „Suttnerwerkstatt“          Mitte – Neue Liebe“ in Berlin-Mitte (2015) . Über    im Plenum zeigte: Die aktuellen Nutzungen wur-           verabschiedet. Das Projekt wurde 2017 in der
    gemeinsame Grundlagen für den Vorentwurf             die Gestaltung des Bereichs zwischen Spree und       den von allen positiv bewertet. Daraufhin wurden         Kategorie Partizipation für den Landschaftsarchi-
    entwickelt. Auf dieser Grundlage aufbauend           Alexanderplatz stritten seit 25 Jahren engagierte    auf einer zweiten Planschicht die Nutzungen ge-          tekturpreis nominiert.
    entstanden einige Wochen später während einer        Bürger*innen, Architekt*innen, Verwaltung und        sammelt, von denen die Teilnehmenden dachten,
    „Bürgernahen Entwurfswerkstatt“ über mehrere         Politik. Absolut konträre Ideen standen einander     dass es gut sei, diese Nutzungen zusätzlich vor          Resüme
    Nachmittage hinweg Detailvorschläge zur Ausar-       unvereinbar gegenüber und schienen eine Lösung       Ort zu haben. In der gegenseitigen Präsentation
    beitung des Entwurfs.                                unmöglich zu machen.                                 wurde eine ziemlich hohe Übereinstimmung, auch           Wie die beiden Beispiele zeigen, kann entwurfso-
                                                                                                              für zukünftige Nutzungen, ausgemacht. Es folgte          rientierte Partizipation ein Ort der Verständigung
    Während der Suttnerwerkstatt war bei den             Es zeigten sich im Wesentlichen drei große Linien,   die dritte Schichtung. Alle gefundenen Nutzungen,        und der gemeinsamen Elaboration der Bedeutung
    Planarbeiten ein Platz im Quartierspark aufge-       wie sie bei vielen Stadtentwicklungsprozessen        die mit der vorangegangenen Leitbild-Arbeit über-        von Baukultur sein. Das, was als Baukultur wahr-
    taucht, der zwar nicht ganz in der Mitte dieses      auftauchen: Die erste Gruppe setzte sich aus         einstimmten, konnten neu arrangiert und auf den          genommen wird, muss in jedem Einzelfall neu
    Parks lag, aber dennoch räumlich eine zentrale       Vertreter*innen des historischen Berlins zusam-      Plänen verortet werden. Die Pläne wurden neben-          gefasst und anhand der konkreten Umstände des
    Funktion einnahm. Während der Arbeit am Vor-         men. Für sie sollte der Ort nach dem Vorbild des     einander aufgehängt und nacheinander vorgestellt.        Projektfeldes eingeordnet werden. So können
    entwurf war unser Eindruck, dass er in seiner        historischen Berlin wiederaufgebaut werden. Die      Dabei war die Überraschung für alle groß: In allen       genau die Differenzen und Diskrepanzen ver-
    Größe und Anordnung nicht „passte“ und die           zweite Gruppe sprach sich für eine grundlegende      wesentlichen Punkten gab es eine annähernd               schiedener Verständnisse von Baukultur zwischen
    Gesamtästhetik des Parks störte. Während der         Erneuerung und Neubebauung des Platzes nach          konsensuale Übereinstimmung. Interessant war             Architekt*innen, Planenden, Bürger*innen, Politik,
    Bürgernahen Entwurfswerkstatt machten wir uns        zeitgenössischen architektonischen Idealen aus.      beispielsweise, dass auch die Vertreter*innen, die       Verwaltung und anderen Akteur*innen zwar nicht
    das Körpergefühl der Teilnehmenden zu nutze.         Die dritte starke Gruppe wollte den Bestand als      das alte Berlin wiederaufgebaut sehen wollten,           überwunden oder abgeschafft, sehr wohl aber
    Wir steckten zunächst den Platz, so wie in der       kulturelles Erbe der DDR erhalten, aufwerten und     die Sichtachse zwischen Fernsehturm und Spree            als aktivierendes Potential für eine ko-kreative
    Suttnerwerkstatt entwickelt und im Vorentwurf        unter Denkmalschutz stellen. Unsere Aufgabe          freigelassen hatten, wogegen sie sich zuvor noch         und kollaborative Entwurfsarbeit genutzt werden.
    gezeichnet, gemeinsam mit Bändern ab und ver-        bestand darin, in für alle Interessierten offenen    ausgesprochen hatten. Die Pläne, die so entstan-         Partizipation, die sich am Entwurf orientiert, kann
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NETZWERKDOKUMENTATION 11 - BAU KULTUR - BETEILIGUNG UND BAUKULTUR - BAUKULTUR NIEDERSACHSEN
alle vorhandenen Potentiale und Qualitäten opti-
mal aufgreifen und nutzen. Zusätzlich schafft sie
eine Vermittlung, ohne alle – in einer pluralen und
demokratischen Gesellschaft ja notwendigen – Un-
terschiede aufzulösen.

Es braucht die Orte, wo diese gemeinsame Ge-
staltungsarbeit erprob- und lernbar ist. Es gibt viele
Projekte, in denen gemeinsam Pläne, Konzepte,
Entwürfe entwickelt werden und die sich für eine
solche Arbeit eignen. Das stärkt Demokratie, ge-
sellschaftlichen Zusammenhalt, aber auch bauliche
Ästhetik, lokale Identität und räumliche Qualität
– letztlich Baukultur. Formen entwurfsorientierter
Partizipation können dafür einen sinnvollen metho-
dischen und methodologischen Rahmen bieten.

Literatur:
Bundesstiftung Baukultur 2015. Baukulturbericht
2014/15, Gebaute Lebensräume der Zukunft –
Fokus Stadt. Potsdam: Bundesstiftung Baukultur.

Rohr, Jascha, Hanna Ehlert, Benjamin Möller,
Sonja Hörster und Marie Hoppe. 2017. Impulse zur
Bürgerbeteiligung vor allem unter Inklusionsaspek-
ten – empirische Befragungen, dialogische Aus-
wertungen, Synthese praxistauglicher Empfehlun-
gen zu Beteiligungsprozessen. Umweltbundesamt.
Dessau-Roßlau.

                                                         Abbildungen: o.r.: Arbeit im Gelände während der„Bürgernahen Entwurfswerkstatt“, u.r.: Platz heute, Bertha-von-Suttner-Park, Hamburg Altona, Fotos: Institutfür Partizipatives Gestalten IPG, Oldenburg

                                                                                                                                                                                                                                                                   9
NETZWERKDOKUMENTATION 11 - BAU KULTUR - BETEILIGUNG UND BAUKULTUR - BAUKULTUR NIEDERSACHSEN
Wunschproduktion als Planungsprozess
                                                             NEUBAU DER ESSO-HÄUSER IN HAMBURG

                                                             Renée Tribble, PlanBude Hamburg

                                                             Jahre später wurden sie weiterverkauft, bereits mit                                                          und haben den Film gezeigt. Hinterher waren wir
                                                             dem Wunsch des neuen Eigentümers abzureißen           Wenn dort jetzt etwas                                  für Gespräche da. So kommt man auf einer ganz
                                                             und hochwertigen Wohn- und Gewerberaum neu                                                                   anderen Ebene mit Leuten ins Gespräch, die sonst
                                                             zu entwickeln. Dagegen hat sich die „Initiative       Neues entstehen muss,                                  an Planungsprozessen nicht beteiligt sind. Auch für
                                                             Esso-Häuser“ aus Bewohnern, Gewerbetreiben-                                                                  Workshops sind wir in Kneipen, Hotellobbys und
                                                             den und Nachbarn gebildet, und für den Erhalt und     dann müssen wir eigentlich                             Clubs gegangen, z.B. zum Thema „Mehr haben
                                                             die Sanierung der Häuser gekämpft. Gutachten                                                                 durch Teilen“: wie kann man toll wohnen, ohne
                                                             haben jedoch einen hohen Sanierungsbedarf und         daran beteiligt sein oder                              alles selbst in einer Riesenwohnung haben zu
                                                             eine Beeinträchtigung der Standfestigkeit ergeben.                                                           müssen? Wenn man Manches auslagert und teilt,
                                                             Schließlich wurde im Dezember 2013 ein Wackeln        sagen, wie es entwickelt                               dann ist die Wohnung kleiner und man kann sie
                                                             der Häuser gemeldet und die Gebäude wurden                                                                   vielleicht auch besser bezahlen.
                                                             über Nacht evakuiert. Die Bewohner durften nicht      werden soll. Das heißt, wir
                                                             wieder in ihre Wohnungen zurück. Damit war die                                                               Wir haben immer wieder Veranstaltungen ge-
                                                             Frage „Erhalten – Nicht erhalten“ erledigt. Kurze     müssen eigentlich die                                  macht, Institutionen und Vereine angesprochen
                                                             Zeit später wurde abgerissen.                                                                                und besucht. Wir hatten sechs Tage in der Woche
                                                                                                                   Planung machen.                                        geöffnet, immer von 16 bis 21 Uhr. Trotzdem
     In den 80er Jahren war St. Pauli noch einer der         In dieser Situation fand eine selbstorganisierte                                                             musste man immer wieder Anlässe geben, dass
     ärmsten Stadtteile in West-Deutschland. Heute ist       Stadtteilversammlung mit über 400 Teilnehmern         Daraus ist die PlanBude                                die Leute vorbeikommen. Nach den 4 1/2 Monaten
     St. Pauli ein sehr nachgefragter zentraler Stadtteil,   statt. „Wenn dort jetzt etwas Neues entstehen                                                                haben wir eine große Abschlusslesung gemacht –
     in den viele Menschen ziehen wollen, allerdings         muss, dann müssen wir eigentlich daran beteiligt      entstanden.                                            Italo Calvino’s „Unsichtbare Städte“ und damit die
     häufig ungeachtet der Geschichte und der Tra-           sein oder sagen, wie es entwickelt werden soll.                                                              Wunschproduktion beendet.
     dition, was zu Konflikten führt. Wohnraum ist           Das heißt, wir müssen eigentlich die Planung ma-
     mittlerweile sehr teuer und die Menschen, die dort      chen.“ Daraus ist die PlanBude entstanden.            Begonnen haben wir mit einem Foto-Workshop:            Aber wie kann man eigentlich wirklich breit und
     jahrelang gelebt haben, werden verdrängt.                                                                     „Knack den St. Pauli Code“. Die Teilnehmer haben       niedrigschwellig gemeinsam planen, Ideen entwi-
                                                             Wir konnten die Stadt überzeugen, anders an die       „ihr“ St. Pauli fotografiert, drei Bilder ausgewählt   ckeln, aufschreiben und zeichnen?
     Die Esso-Häuser wurden in den 50er Jahren               Planung heranzugehen und einen Beteiligungspro-       und uns dann erklärt, warum. Später bei der
     gebaut, eine moderne Planung der Wiederauf-             zess zu machen, der vor der eigentlichen Planung      Auswertung haben wir erst bemerkt, wie toll die-       Wir haben mit künstlerischen und planerischen
     bau-Zeit: zwei achtgesschossige Wohn-Scheiben           stattfindet, so dass die Ergebnisse der Beteiligung   se Bilder wirklich St. Pauli zeigen, was man auf       Methoden gearbeitet. Wir hatten eine kleine urba-
     auf einem Tiefgaragensockel und zum Spielbu-            auch in die Planung einfließen können. Schließlich    den ersten Blick gar nicht erfasst und vermutet        ne Bibliothek, auch mit Filmen. Es gab ein Knet-
     denplatz ein zweigeschossiger Riegel für Clubs,         sind wir vom Bezirk Hamburg-Mitte beauftragt          hätte. Wir haben Haustürgespräche geführt und          modell im Maßstab 1:500, um ein Gefühl für die
     Shops, einem Hotel und einer Esso-Tankstelle,           worden, den Prozess durchzuführen und haben           sind von Tür zu Tür gegangen. Wir machen auch          Baumassen zu entwickeln. Die Nachtkarte stellt die
     weswegen der Komplex Esso-Häuser genannt                eine GbR gegründet, um auftragsfähig zu sein. Im      heute noch Urbanismuskurse mit Schülern, die           Frage „Wie sieht es zukünftig an der Reeperbahn
     wurde. Nicht unbedingt besonders schön, dennoch         Oktober 2014 konnten wir mit einem großen Fest        die Themen an ihre Freunde weitergetragen und          aus?“ Am Reeperbahn-Panorama konnte man sich
     ein sehr lebendiges und vielfältiges Quartier an        eröffnen und hatten dann 4 1/2 Monate Zeit. Seit-     in die Familien. Wir haben eine Tour mit dem Film      in die Gebäude und Funktionen im Bestand vertie-
     der Reeperbahn. 1997 wurden die Häuser von der          dem sind wir am Planungsprozess beteiligt.            „buy buy St. Pauli“ gemacht, der die Geschichte        fen. Wir haben einen Fragebogen entwickelt und in
     Stadt an den Pächter verkauft, weil sie saniert wer-                                                          der Esso-Häuser dokumentiert. Gemeinsam mit            mehrere Sprachen übersetzt, der nach Situationen
     den mussten. Dies passierte jedoch nicht und zehn                                                             den Filmemachern sind wir in Kneipen gegangen          im Alltag fragt und zu Ideen anregt: „Nennen sie
10
drei ihrer Lieblingsorte tagsüber“, “Wohin gehen
sie mit ihren Gästen und warum?“ Der Fragebogen
ging per Postwurf an alle Haushalte St. Paulis. In
extra aufgestellten Boxen in Kiosken und Läden
konnte man den Fragebogen einwerfen und wieder
abgeben. Auch von den Kindern und Jugendlichen
wurde je ein Fragebogen für ihre Altersgruppe
gemacht, in ihren Schulen verteilt und wieder ein-
gesammelt. Diese Fragebögen haben wir genauso
ausgewertet wie die anderen.

Alle Beiträge haben wir fotografiert und archiviert.
Über 2.300 Beiträge sind in unser Archiv eingegan-
gen und wurden anschließend von uns ausgewer-
tet, zugespitzt und übersetzt. Wir haben beispiels-
weise alle Wärme-Karten übereinander gelegt,
um zu sehen, wo welche Stimmungen sein sollen,
wo Treffpunkte, Durchgänge oder auch geschütz-
te Orte sein sollen. Wir haben auch quantitativ
ausgewertet, welche Art von Wohnraum benötigt
wird und was er kosten darf, wenn neu gebaut wir,
damit man ihn sich auf St. Pauli leisten kann. Es
gab zahlreiche Wünsche zur Nutzung: Wohnungen
sind wichtig, aber trotzdem muss es Freiräume
und etwas für die Nachbarschaft geben, Orte an
denen man sich aufhalten und was machen kann.
Ein Nachbarschaftsplatz, eine Jugendpassage und
nutzbare Dächer waren deutliche Aussagen. Auch
die Atmosphäre war wichtig: an der Reeperbahn
gab es Vorschläge wieder die kleinen Büdchen
vom Spielbudenplatz aufzugreifen, oder auch hohe
Gebäude mit signethaften Leuchtschriften und
Figuren an der Fassade. Ein öffentliches Erdge-
schoss, eine hohe Eingangsdichte und „Häuser
bauen“ waren Ergebnisse und vor allem Unter-
schiedlichkeit... .

Bei allen Aussagen, die wir hatten, schwang immer
eine Art Grundaussage mit: der St. Pauli-Code.
Er ist die Grundlage für die Planung im Städtebau
und der Architektur geworden. Unterschiedlichkeit
statt Homogenität, Alt vor Neu, keine Ketten,
Toleranz und Raum für alles, was von der Norm
abweicht, schmuddeliger Glamour, echt und le-
bendig statt Hochglanzfassade, Selbermachen            Planungsprozess Neubau Esso-Häuser in Hamburg, Fotos: PlanBude Hamburg

                                                                                                                                11
statt Konsummeile und vor allem Musik, Life statt     einem Riegel auf dem Grundstück platziert. Es
                                                                              Konserve, Freiraum ohne Konsumzwang, Orte, wo         entsteht eine neue Gasse, die den Wunsch nach
                                                                              man sich einfach aufhalten kann.                      dem Quartiersplatz und der Durchquerung auf-
                                                                                                                                    genommen hat. In dieser Gasse entsteht neuer,
                                                                                                                                    urbaner Raum, aber auch mehr Erdgeschossflä-
                                                                              Bei allen Aussagen, die wir                           che mit Schnittflächen zum öffentlichen Raum.
                                                                                                                                    Ein Nachbarschaftscluster mit Stadtteilkantine,
                                                                              hatten, schwang immer eine                            FabLab, Proberäumen und sozialer Versorgung
                                                                                                                                    ist vorgesehen, und öffentliche Nutzungen auf den
                                                                              Art Grundaussage mit:                                 Dächern.

                                                                              Der St.-Pauli-Code. Er ist                            Wir haben das Wettbewerbsergebnis wieder im
                                                                                                                                    Stadtteil aus- und vorgestellt. Das Thema der
                                                                              die Grundlage für die                                 Gasse haben wir aufgenommen und dazu neue
                                                                                                                                    Workshops gemacht. Zum Beispiel haben wir die
                                                                              Planung im Städtebau und                              Gassen in St. Pauli selber vermessen und unter-
                                                                                                                                    sucht, wie diese eigentlich aussehen. Alle Erkennt-
                                                                              der Architektur geworden.                             nisse wurden dann wieder in den hochbaulichen
                                                                                                                                    Wettbewerb eingespeist. Auch hier gab es wieder
                                                                                                                                    eine Gläserne Werkstatt.
                                                                              Die Ergebnisse haben wir immer zuerst im Stadt-
                                                                              teil vorgestellt. Erst danach hatten wir Gespräche    Als Ergebnis des Architekturwettbewerbs werden
                                                                              mit dem Bezirk und dem Eigentümer und haben           insgesamt vier Architekten planen, damit die Archi-
                                                                              sortiert, was wichtig für Städtebau und Architektur   tektur wirklich unterschiedlich wird und ihre eigene
                                                                              ist – und haben das dann tatsächlich mit dem Be-      Sprache hat und nicht nur Fassade ist. Zum
                                                                              zirk und dem Eigentümer verhandelt. So sind die       Spielbudenplatz wird es einen Park auf dem Dach
                                                                              Ergebnisse des Beteiligungsprozesses als Grund-       geben, von dem man auf die Reeperbahn herun-
                                                                              lage in den städtebaulichen Wettbewerb eingeflos-     terblicken kann, einen öffentlichen Stadtbalkon,
                                                                              sen. Wir haben die Beiträge als Wettbewerbsan-        ein Kletter- und ein Skatedach. Auf einem weiteren
                                                                              lage aufbereitet und entsprechend der Auslobung       Dach wird es ein Kunstspielfeld für Kinder- und
                                                                              verschlagwortet, so dass die Architekten auch auf     Jugendliche aus der Nachbarschaft geben. Neben
                                                                              das Originalmaterial zugreifen konnten. Zudem         einem Hotel an der Reeperbahn, das auch dem
                                                                              haben wir auch Mitglieder der Jury für den Wettbe-    Lärmschutz dient, sind im hinteren Bereich drei
                                                                              werb vorgeschlagen und einige Büros benannt.          Wohnblöcke vorgesehen: frei finanzierter Woh-
                                                                                                                                    nungsbau, in dem der Investor die Höhe der Miete
                                                                              Auch im Wettbewerbsverfahren ging die Beteili-        festlegen kann, öffentlich geförderter Wohnungs-
                                                                              gung weiter. In „Gläsernen Werkstätten“ haben die     bau, in dem auch die ehemaligen Mieter wieder
                                                                              Architekten ihre Ideen präsentiert. Man konnte sich   zurückkehren können, und eine Baugemeinschaft,
                                                                              die Entwürfe anschauen und mit den Architekten        die selber bauen kann, da es auch häufig den
                                                                              reden. Diese konnten das Feedback dann in ihre        Wunsch gab, anders zu wohnen und selber ent-
                                                                              Planungen einarbeiten.                                scheiden zu können, wie und mit wen man wohnt.
                                                                                                                                    2021 soll alles fertig sein.
                                                                              Die Gewinner des städtebaulichen Wettebewerbs
                                                                              NL Architects und BeL haben mehrere Gebäude
     Planungsprozess Neubau Esso-Häuser in Hamburg, Fotos: PlanBude Hamburg   mit unterschiedlichen Höhen zu einem Block und
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NEUE WEGE DER PARTIZIPATION:
                                                     PERFORMATIVE FORMATE IM BÜRGERDIALOG
                                                     THEATER IM ÖFFENTLICHEN RAUM: „BERLINER LUFT“ UND „HOMO BOTANICUS“

                                                     Ursula Maria Berzborn, Grotest Maru, Berlin

Grotest Maru arbeitet im Bereich Theater im          ein Publikum zu erreichen, welches für gewöhn-       Diskussionsforen auch einen niedrigschwelligen       Grotest Maru entwickelte elf Figuren, die sowohl
öffentlichen Raum und mit ortsspezifischen In-       lich keinen Zugang zu Kultur, Kunst und Theater      Dialog im öffentlichen Raum mit Hilfe unter-         unterschiedliche Aspekte der Geschichte, als
szenierungen. Es bezieht sich dabei auf Bilder-,     hat. Grotest Maru sucht für jeden Ort neu nach       schiedlicher künstlerischer Formate konzipierte.     auch aktuelle Themen des Ortes verkörperten:
Objekt- und Körpertheater ebenso wie auf Instal-     künstlerischen Formaten, um ein spezifisches
lationskunst. Die Gruppe wurde 1996 im Kunst-        Publikum mit anspruchsvollen Inhalten zu kon-        Grotest Maru entwarf für die die Stadtdebatte das    • der Spreefischer des Mittelalters – die Was-
haus KuLe in Berlin gegründet, ist dort bis heute    frontieren und zu berühren.                          Projekt „Berliner Luft“ als performative Interven-     serstadt Berlin
ansässig und tourt seit 1999 mit Inszenierungen                                                           tion im Stadtraum. Es fand in drei Etappen im
auf zahlreichen internationalen Festivals. Das       An dieser Stelle sollen nun zwei Projekte vorge-     Juni, August und September 2015 im öffentlichen      • die Marktfrau der Renaissance – Handel in der
Netzwerk der mitwirkenden internationalen Künst-     stellt werden, die Grotest Maru als partizipatori-   Raum des zur Diskussion stehenden Areals statt:        Stadt
ler speist sich aus kultureller und künstlerischer   sches Theater im öffentlichen Raum entwickelt        „Dialog-Inseln“, „Speaker‘s Corner“ und „Parade“.
Vielfalt, sucht nach Formen der Kommunikation,       hat.                                                                                                      • ein barocker, elitärer Partygänger – VIP-Par-
die kulturelle Grenzen überschreiten, und schafft                                                         Wir fragten uns: Was macht die „Berliner Mitte“        ties, Sicherheit des Ortes, „Wo ist meine
eine Theatersprache aus Bildern, die oft ohne        „Berliner Luft“                                      aus? Wer lebte und arbeitete hier zu früheren          Parzelle?“
Worte, international verständlich ist.                                                                    Zeiten? Welche Geschichten ranken sich um
                                                     Im Sommer 2015 veranstaltete der Berliner Se-        das heutige Gebiet zwischen Fernsehturm und          • der Eckensteher Nante, ein Berliner Original
Grotest Maru ist darauf spezialisiert, ortsspe-      nat die Stadtdebatte „Alte Mitte – Neue Liebe“,      Spree?                                                 der 1830er – Gastro-Infrastruktur, Gestaltungs-
zifische Projekte für besondere Situationen,         um die Meinung der Berliner Bevölkerung zur                                                                 spielraum von Freizeit und Arbeit
architektonische Räume oder Landschaften zu          architektonischen Planung des Areals zwischen        Wir luden das Publikum ein, mit uns auf eine
entwickeln. In partizipativen Projekten werden       Fernsehturm, Marienkirche und Rotem Rathaus          (Zeit)Reise in die Geschichten der Berliner Mitte    • der Märzgefallene, 1848 mit Elementen von
lokale Künstler, Laiengruppen, Jugendliche und       zu evaluieren. Hierfür wurde die Agentur „Zebra-     zu kommen und den Ort einmal ganz anders zu            1989 – Repression durch ein politisches Sys-
Kinder in Inszenierungen eingebunden. Ziel ist,      log“ engagiert, die neben Bürgerwerkstätten und      erleben.                                               tem, gleiche Rechte für alle
                                                                                                                                                                                                                   13
• Otto Lilienthal, 1880/90 – Erfindungen, Stadt        „Homo Botanicus“
                                                 aus der Vogelperspektive, Luftverkehr, Überwa-
                                                 chung                                                Die Großraumsiedlung Wolfsburg-Westhagen ent-
                                                                                                      stand in den 1970er Jahren, maßgeblich, um den
                                               • der Schuster und Straßenentrepreneur, 1920er         Arbeitern von VW neuen und modernen Wohnraum
                                                 – Straßenhändler zwischen Delinquenz und             zu ermöglichen. Seit Mitte der 1990er Jahre war
                                                 Unternehmertum, die Qualität der Berliner 		         Westhagen mit städtebaulichen und sozialen Prob-
                                                 Straßen                                              lemlagen konfrontiert.

                                               • das Jüdische Flüchtlingsmädchen, 1940–1944,          Grotest Maru kooperierte mit dem Stadtteilbüro
                                                 mit Bezügen zu aktuellen Flüchtlingsthematiken       im Rahmen des Förderprogramms „Soziale Stadt“
                                                – Flucht, Untertauchen, Solidarität                   und begab sich unter die Bewohner und Bewohne-
                                                                                                      rinnen dieses Stadtteils mit der Frage: „Was wäre,
                                               • der Ostberliner Bauarbeiter, 1970er – DDR-Mo-        wenn Ihre Zimmerpflanze sprechen könnte?“. In
                                                 derne, Architektur mit freiem Blick                  über dreißig Interviews wurde im Winter 2013/2014
                                                                                                      Material zum Leben der Menschen in Westhagen
                                               • der Trompeter, 1920er/1980er – Berlin als 		         gesammelt, das in Form von Hörstationen, the-
                                                 Stadt der Künste                                     atralen Szenen, Tanzperformances, interaktiven
                                                                                                      Installationen und Kommunikationsräumen in
                                               • die hilflose Touristin, 2015 – touristische Erwar-   einem Parcours im Sommer 2014 inszeniert wurde.
                                                 tungen an die Stadt.                                 Er sollte ein Publikum unterschiedlichen Alters und
                                                                                                      auch unterschiedlicher Bildung ansprechen. Die
                                               Diese elf Figuren fuhren jeweils mit einem his-        bespielten Räume waren leerstehende Geschäfte
                                               torischen Feuerwehrauto auf den Platz, stellten        der Westhagener Einkaufspassage („Bürgerpassa-
                                               sich in einer Choreographie dem Publikum vor           ge“), die wegen Immobilienverkäufen seit längerer
                                               und agierten an den unterschiedlichen architek-        Zeit ungenutzt waren.
                                               tonischen Orten des Platzes. Sie schwärmten
                                               zu individuellen Szenen, Interaktionen, Dialogen       Das bestimmende Thema in diesem sehr viel-
                                               und Interviews mit dem Publikum aus, luden             schichtigen und multikulturellen Stadtteil, wo z.B.
                                               die ZuschauerInnen zu Debatten und zum ab-             48% der Bürger und Bürgerinnen Russlanddeut-
                                               schließenden Plakate Malen ein. Höhepunkt war          sche sind und knapp achtzig verschiedene Natio-
                                               eine inszenierte Demonstration vor dem Roten           nalitäten vertreten sind, war für uns die Frage nach
                                               Rathaus in der u.a. „Berliner Mitte – ein Ort für      Herkunft und Heimat. Wie eine Zimmerpflanze
                                               alle“, „öffentlich statt kommerziell“, „Geschichte     meist aus exotischen Ländern auf unsere Fenster-
                                               sichtbar machen“ und „mehr Debatte“ gefordert          bank getopft wird, werden heutzutage Menschen
                                               wurden.                                                aus ökonomischen, politischen und sozialen Grün-
                                                                                                      den „umgetopft“. Wo und wie können sie wieder
                                               Die Ergebnisse aller künstlerischen Formate            Wurzeln schlagen?
                                               und der Bürgerforen wurden gesammelt und im
                                               November 2015 dem Berliner Abgeordnetenhaus            Bei Begehungen und Beobachtungen vor Ort fiel
                                               vorgelegt. Im Juni 2016 hat das Abgeordneten-          auf, dass die in Westhagen lebenden Menschen
                                               haus die Bürgerleitlinien unterstützt und die zu-      aus aller Welt eine hohe Affinität zur Gestaltung
                                               gehörige Prozessempfehlung beschlossen. Das            ihrer Fenster und kleinen Gärten haben, da viele
                                               Projekt wurde von der Berliner Senatsverwaltung        von ihnen aus ländlichen Gebieten stammen. Das
     „Berliner Luft“, Fotos: Andreas Kermann   für Stadtentwicklung und Umwelt gefördert.             Thema der Zimmerpflanze war damit ein Auslöser,
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um in Kontakt zu kommen und Menschen anzure-           und es wurden – wenn auch nur temporär – in den
gen, uns von ihren eigenen Wurzeln, Sehnsüchten        ihnen bekannten Orten neue Freiräume geschaf-
und Wünschen zu erzählen und mehr Austausch            fen: Im ehemaligen Schlecker waren sie eingeladen
unter den in Westhagen ansässigen Kulturen zu          auf einer aus Erde installierten Landkarte von
schaffen. Wir stießen immer wieder auf große Vor-      Westhagen ihre Wünsche zu platzieren, die sie
urteile zwischen den verschiedenen Nationalitäten,     zuvor auf Fähnchen geschrieben hatten. Diese
die nicht in einem zeitlich begrenzten Projekt über-   Wunsch-Fähnchen wurden dem Stadtteilmanager
wunden werden können. Oft ist es aber geglückt,        am Ende des Projektes übergeben.
neue Brücken zu schlagen und neuen Raum für            Es wurde die Möglichkeit aufgezeigt, mit wenig
Kommunikation zu schaffen.                             Mitteln einen Ort zu transformieren, wodurch viele
                                                       Gespräche über die lokal-politische Situation des
Homo Botanicus bestand im Wesentlichen aus             benachbarten leerstehenden Hochhauses entstan-
zwei Projektphasen: dem Zimmerpflanzen-Tausch          den – einer der Hauptgründe des Ladenleerstandes
als kommunikativem und recherchierenden Vorlauf        und Startpunkt des Projektes. Welche Denkanstöße
und der Projektrealisierung. In einer Voraktion im     und Gespräche auf dem nächsten Markt wir ange-
Winter 2013/2014 und in zwei weiteren intensiven       regt haben oder welche zukünftigen nachbarschaft-
Arbeitsphasen im Frühling 2014 wurde in der Bür-       lichen Verbindungen entstanden sind, wird uns
gerpasssage der „Zimmerpflanzen-Tausch-Laden“          unbekannt bleiben...
betrieben. Als Anlaufstelle des Projektes wurden
hier erste Kontakte geknüpft, Interviews geführt und   Träger: Kunst Konnexion e.V.
Tauschpartner für Zimmerpflanzen gefunden. Über        Gefördert und unterstützt von: Fonds Soziokultur,
den Tausch ihrer Pflanzen und die temporäre Für-       Lüneburgischer Landschaftsverband, Stiftung Nie-
sorge um eine fremde Pflanze hatten die Menschen       dersachsen, Bürgergeldfonds Westhagen, Stadt
die Gelegenheit, sich gegenseitig kennen zu lernen.    Wolfsburg, BUWOG group, Stadtmuseum Wolfs-
Über den Sommer 2014 wurden die Ergebnisse             burg, Stadttheater Wolfsburg - Junges Theater,
dieser Arbeitsphase vom Homo Botanicus Team            VW-Immobilien, WOB, Lichtblick Second Hand
ausgewertet und in künstlerische Ideen umgesetzt.

Die letzte, intensive Phase der Projektrealisierung
fand im August und September 2014 statt. Als
Proben- und Aufführungsort wurden sechs leer-
stehende Läden in der Bürgerpassage in ein Café
und Treffpunkt, in eine Schaufensterbühne, eine
Pflanzendisko, eine interaktive Videoinstallation,
eine Hörstation, einen Seminarraum und einen
Tanzperformance Space umgestaltet. In einem
performativen Parcours, in den einige aktive Bürger
und Bürgerinnen einbezogen wurden, ließ sich das
Publikum durch diese Räume führen, wobei es auf
dem Weg immer wieder Gelegenheiten zum Mitma-
chen fand.

Homo Botanicus brachte neues Leben in die durch
den Leerstand verwaiste Bürgerpassage. Die Men-
schen wurden mit ihren Themen ernst genommen                                                                „Homo Botanicus“, Fotos: o.l.: Andreas Kermann, o.r.: Ursula Maria Berzborn, u.: Anton Soloveychik

                                                                                                                                                                                                                 15
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World café
Dialog zumThema Beteiligung

Am Nachmittag fanden in entspannter Atmosphäre
konstruktive Gespräche zum Thema Beteiligung
statt. In Tischgruppen wurden die Fragen diskutiert:

Wie kann Baukultur durch Beteiligung gefördert
werden?

Wie ist Ihre konkrete Empfehlung an das
Netzwerk Baukultur in Niedersachsen e.V., um
die Beteiligung zu stärken?

Auf Initiative einiger Tagungsteilnehmer soll
zukünftig in einem neuen Arbeitskreis „Beteiligung“
an dem Thema weitergearbeitet werden.

Kontakt Arbeitskreis „Beteiligung“:
Sonja Hörster, Institut für Partizipatives Gestalten
IPG Oldenburg
s.hoerster@partizipativ-gestalten.de
                                                       17
KURZBIOGRAFIEN

     Heike Gundermann                                      Sonja Hörster                                        Renée Tribble                                         Ursula Maria Berzborn

     Heike Gundermann (Jahrgang 1962) studierte von        Sonja Hörster (Jahrgang 1970) ist Landschaftsar-     Renée Tribble, Dipl.-Ing. (Architektur), ist Grün-    Ursula Maria Berzborn, geb. 1967 in Köln, ist
     1981-1985 an der Hochschule für Architektur           chitektin, Geschäftsführerin des IPG und seit März   dungsmitglied und Gesellschafterin der Planbude       freischaffende Regisseurin, Bühnen- und Kostüm-
     und Bauingenieurwesen in Weimar. Von 1985-90          2017 (Beirats-)Mitglied im Netzwerk Baukultur. Sie   Hamburg und freiberufliche Planerin. Seit ihrem       bildnerin und Performerin und lebt und arbeitet
     arbeitete sie als Planerin in einem mittelständigen   verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrungen aus       Diplom an der Bauhaus-Universität Weimar (2005)       seit 1987 in Berlin. 1994 schloss sie als Meister-
     Bauunternehmen in Arnstadt. Sie schloss von           Projekten im Themenfeld räumliche Planung und        ist sie freiberuflich in Architektur- und Planungs-   schülerin ihr Studium des Bühnenkostüms an der
     1988-1990 ein postgraduales Studium an der TH         partizipative Gestaltung. Neben der Beratung von     büros sowie in internationalen Projektteams tätig.    HdK, Berlin ab. 1996 gründete sie die Performan-
     Dresden zur Gebäudeerhaltung und Stadtsanie-          Kommunen und Organisationen sowie der Durch-         Ihre Schwerpunkte liegen in informeller Planung,      cegruppe Grotest Maru und ist dort bis heute als
     rung an. Von 1990-1996 war sie Leiterin des Stadt-    führung von Planungs- und Beteiligungsverfahren      Prozessgestaltung, Verfahrensmanagement und           Künstlerische Leiterin, Regisseurin, Ausstatterin,
     bauamtes in Arnstadt. Von 1994-2008 wurde sie         sucht sie nach Wegen, wie die Idee entwurfsori-      Beteiligungsprozessen. Sie war wissenschaftliche      Managerin und auch als Performerin tätig. Seit
     als Expertin des Bundesbauministeriums Berlin in      entierter Partizipation in verschiedenen Bereichen   Mitarbeiterin am Gebiet Städtebau und Quartier-       1999 geht sie mit Grotest Maru auf internationale
     die Expertengruppe für städtebaulichen Denkmal-       der Gesellschaft implementiert werden kann.          planung der HafenCity Universität Hambug (2008-       Tourneen mit Eigenproduktionen und ortsspezi-
     schutz berufen. Seit 1996 ist sie Stadtbaurätin in                                                         14) und promoviert über künstlerische urbane          fischen Inszenierungen. Seit 2004 übt sie diverse
     der Hansestadt Lüneburg. Heike Gundermann ist                                                              Praxis als Stadtentwicklung.                          Lehrtätigkeiten aus. Seit 2006 ist sie Vorstands-
     seit 1996 Mitglied im Bau- und Verkehrsausschuss                                                                                                                 mitglied des Bundesverbandes für Theater im
     des Deutschen Städtetages.                                                                                                                                       Öffentlichen Raum.

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