NETZWERKDOKUMENTATION 11 - BAU KULTUR - BETEILIGUNG UND BAUKULTUR - BAUKULTUR NIEDERSACHSEN
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16. Forum des Netzwerk Baukultur in Niedersachsen Lüneburg, Museum Lüneburg | 14. September 2017 BETEILIGUNG UND BAUKULTUR Beteiligung und bAUKULTUR netzwerkDOKUMENTATION BAU KULTUR www.baukultur-niedersachsen.de Niedersachsen 1 11
Programm NETZWERK BAUKULTUR IN NIEDERSACHSEN E.V. | 16. Forum | am 14. September 2017 im Museum Lüneburg bETEILIGUNG UND B aukultur 10:00 Come in 10:15 Begrüßung 12:30 Mittagsimbiss Prof. Dr. Heike Düselder Museum Lüneburg, Museumsdirektorin 13:30 World Café Prof. Dr. Bernd Krämer Dialog zum Thema Beteiligung Netzwerk Baukultur in Niedersachsen e.V., Vorsitzender 15:00 Diskussion Moderation: Prof. Dr. Ursula Kirschner 10:40 Einführung in den Ort Forum Baukultur Lüneburg e.V., Vorstand Baukultur in Lüneburg Mitwirkende des 16. Forums „Beteiligung und Baukultur“ v.l.n.r.: Christina Dirk (NBN e.V.), Birgit Leube (Niedersächsisches Heike Gundermann 16:00 Ende Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz), Johannes Jakubeit (Forum Baukultur Lüneburg e.V.), Prof. Dr. Ursula Kirschner (Forum Baukultur Lüneburg e.V.), Sonja Hörster (Institut für Partizipatives Gestalten IPG Oldenburg), Heike Gundermann Stadtbaurätin der Hansestadt Lüneburg (Stadtbaurätin der Hansestadt Lüneburg), Prof. Dr. Bernd Krämer (NBN e.V.), Ursula Maria Berzborn (Grotst Maru Berlin), Renée Engagement für Baukultur Tribble (PlanBude Hamburg), Carl-Peter von Mansberg (Forum Baukultur Lüneburg e.V.), Nicole Froberg (NBN e.V.). Carl-Peter von Mansberg BDA Forum Baukultur Lüneburg e.V., Vorstand 11:15 Impulsvorträge 16:30 EXKURSION Am 14. September wurde über „Beteiligung und jektarbeit des IPG ist auf Gestaltungsprozesse Baukultur & Beteiligung. Besichtigung der Leuphana Universität mit Baukultur“ im Museum Lüneburg diskutiert. Wie in verschiedenen Bereichen ausgerichtet, die die Wieso unterstützt entwurfsorientierte dem Zentralgebäude von Daniel Libeskind kann Beteiligung erfolgreich funktionieren? Mit wel- Potentiale diverser Gruppen und Zusammenhän- Partizipation Baukultur? Führung: chen Ideen wurden schon positive Beteiligungspro- ge nutzen um zu gemeinsamen Entwürfen zu Sonja Hörster, Institut für Partizipatives Karl Werner, Leuphana Universität jekte umgesetzt? gelangen. Partizipation wird hier als Methode und Gestalten (IPG) Oldenburg Carl-Peter von Mansberg, Prof. Dr. Ursula Haltung begriffen, die das Aufkommen qualitativer Wunschproduktion als Planungsprozess. Kirschner, Johannes Jakubeit, alle Forum Zum 16. Forum kooperierte das Netzwerk Baukultur und passender Ideen ermöglicht. Zudem berät Neubau der Esso-Häuser in Hamburg Baukultur Lüneburg e.V., Vorstand in Niedersachsen e.V. mit dem Institut für Partizi- und schult das IPG Verantwortliche aus Verwal- Renée Tribble, PlanBude Hamburg patives Gestalten IPG, Oldenburg und dem Forum tung, Politik und Unternehmen zum Thema Betei- „Berliner Luft“ - partizipatorisches Theater im 17:30 Ende Baukultur Lüneburg e.V. ligung, Kollaboration und Transformation. öffentlichen Raum, Grotest Maru. Zur Stadtdebatte „Alte Mitte - Neue Liebe“ Das Institut für Partizipatives Gestalten (IPG), Ol- Das Forum Baukultur Lüneburg e.V. ist eine en- Ursula Maria Berzborn, Grotest Maru, denburg, ist ein interdisziplinär arbeitendes Team gagierte Baukulturinitiative und Ort für öffentliche Berlin aus Landschaftsarchitekt*innen, Philosoph*innen, Auseinandersetzung um Fragen der Architektur, Kultur- und Sozialwissenschaftler*innen, Grafik- des Städtebaus und der Denkmalpflege. designer*innen und Stadtplaner*innen. Die Pro- 3
IM GESPRÄCH MIT Heike Gundermann Sadtbaurätin der Hansestadt Lüneburg Sehr geehrte Frau Gundermann, was sollte ein und der sehr gut besucht wird, auch am letzten ein zweites oder drittes Mal zum selben B-Plan baukulturell interessierter Besucher in Lüne- Sonntag wieder. Zusätzlich gibt es seit einigen eine Versammlung anbieten. burg unbedingt gesehen haben – den Campus Jahren den „Tag der Städtebauförderung“. Dort Ich stelle fest, dass der Leuphana Universität mit dem neuen haben wir immer ein Ganztagsangebot in einem Was sind aktuell wichtige Arbeitsschwerpunkte Hauptgebäude von Daniel Libeskind oder die Städtebau-Fördergebiet. Dann gibt es bei uns viele für Sie als Stadtbaurätin in einer Stadt mit rund bestimmte Entwicklungen Altstadt mit mehr als 1.500 Baudenkmälern? Informationsveranstaltungen zu Bebauungsplänen 75.000 Einwohnern vor den Toren Hamburgs? und zu Bauvorhaben. Außerdem gibt es Bürgerforen Das Thema Wohnbauentwicklung? gleichzeitig auftauchen. (...) Heike Grundermann: Eins nach dem anderen. oder Partizipationsprojekte, zum Beispiel wenn wir Ich denke, die Altstadt ist sehr wichtig. Sie ist das Kinderspielplätze gestalten. Es gibt also vielfältige HG: Wohnungsneubau ist wirklich ein wichtiges Jetzt (...) haben wir ein Kapital dieser Stadt, das wir behüten und beschüt- Möglichkeiten, sich zu informieren über das, was Thema. Wir haben ein Wohnungsbauprogramm zen. Doch es lohnt sich auch in Lüneburg die Ka- baulich hier geschieht. aufgelegt. Das heißt, die Politik hat es diskutiert Thema Beteiligung und sernenstandorte, die Konversionsprojekte zu be- und beschlossen. Wir wollen bis 2021 insgesamt sichtigen. Und da gibt es nicht nur die Universität. Wie ist die Resonanz, wenn sie so ein Bürger- 2.100 neue Wohnungen bauen. Dafür schlagen wir Partizipation, das sich forum veranstalten? diverse Standorte vor: einerseits Konversionspro- Welches Baukultur-Angebot gibt es in ihrer jekte und andererseits das Thema innerstädtische bundesweit beobachten Stadt? Ganz sicher den „Tag des offenen Denk- HG: Wenn wir in Bauleitplanverfahren zu Bür- Nachverdichtung. Da jede Standortentwicklung mals“ am vergangenen Wochenende. Aber was gerversammlungen einladen gibt es viele Besu- eigene Anforderungen hat, erfordert die Bauleitpla- lässt und nicht nur auf die interessiert die Menschen hier sonst noch? cherinnen und Besucher und viele Diskussionen. nung viel Engagement. Wir nehmen das, was die Bürger sagen, auf und großen Städte konzentriert. HG: Es gibt den Tag des offenen Denkmals, den wir lassen es nach fachlicher Prüfung in die Pläne schon seit über zwanzig Jahren jährlich organisieren einfließen. Zum Teil ist es auch so, dass wir dann 4
Es geht dabei auch um eine Innenentwicklung? relativ große Malschule, Ateliers ,für Künstler, die HG: Ja. Und auch die Universität trägt wesentlich Mitwirkung zuzulassen und malen oder bildhauerisch tätig sind, mit Stoffen dazu bei. Zeitweise gestalte ich Seminare an der HG: Ja, wir haben hier den Grundsatz, dass wir und Schmuck arbeiten. Es gibt Journalisten und es Universität mit. Diese hat zwar keine Stadtpla- von innen nach außen entwickeln. Natürlich brau- dazu aufzufordern, ist eine gibt Restauratoren, die dort arbeiten. nungs- oder Architekturfakultät, aber zum Beispiel chen wir auch Außenentwicklung, weil die Flächen den Studiengang Umweltwissenschaften. Es ist im Innenbereich nicht ausreichen, aber spannen- Frage der Akzeptanz, die Vor dieser Kulturbäckerei war der Vorplatz zu ge- immer ein Interesse der Studierenden, etwas über der ist die Entwicklung im Inneren. stalten. Wir haben unterschiedliche Varianten ent- die Stadt zu erfahren oder bei Entwicklungsprozes- man braucht, wenn man worfen, die wir zum Tag der Städtebauförderung sen mitzuwirken. Und wahrscheinlich auch diskussionsreicher? auf Plänen dargestellt und erläutert haben. Den Bauprojekte in Zukunft ganzen Tag waren wir vor Ort und haben Führun- HG: Ja, natürlich. Wenn Sie innen entwickeln, gen durch das Gebiet angeboten und sowohl die Besonders spannend ist, haben Sie natürlich die Situation, dass alle, die entwickeln will. Stimmen der Künstler in der Kulturbäckerei einge- rund um das Entwicklungsgebiet herum leben, holt, als auch die Stimmen aus der Bevölkerung, dass Kreativität heute dort auch mitdiskutieren. die dort zu Besuch kam. Beides ist anschließend in Welche Projekte in Lüneburg sind zu nennen die Pläne eingeflossen und wurde dann noch ein- möglich ist, wo früher Das Netzwerk Baukultur in Niedersachsen e.V. beim Thema Partizipation – in der Vergangen- mal mit Vertretern der Kulturbäckerei abgestimmt, ist – eher zufällig – mit dem Thema Partizipa- heit oder auch in der Zukunft? bevor der Platz gestaltet wurde. Er ist so angelegt, Gehorsam und Befehl tion nach Lüneburg gekommen. Spielen aus dass jetzt auch Theaterdarstellungen vor dem Ihrer Sicht Beteiligungsprozesse auch hier eine HG: Wir haben dieses Jahr im Vorfeld eines Auf- Gebäude stattfinden können. angesagt waren. ständig zunehmende Rolle – oder doch eher in stellungsbeschlusses für einen Bebauungsplan großen Städten wie Hannover, Bremen, Ham- ein Beteiligungsverfahren für das neue Baugebiet Und der Platz hat eine hohe Akzeptanz bei den burg oder Berlin? „Wienerbüttel“ durchgeführt. Es handelt sich um Nutzern vor Ort? Die Entwicklung der Universität ist ja auch städtische Flächen, auf denen wir geförderten ein Umbruch, der die Stadt sehr beeinflusst HG: Ich bin seit über zwanzig Jahren Mitglied im Wohnungsbau umsetzen könnten. Darüber hinaus HG: Das hoffe ich. Er ist Ende letzten Jahres fertig hat – von einem alten Kasernenstandort zu Bauausschuss des Deutschen Städtetags, und diskutieren wir zurzeit über ein Stadtentwicklungs- geworden. Jetzt müssen sich die Menschen den einer Hochschule mit inzwischen 10.000 Stu- ich stelle fest, dass bestimmte Entwicklungen konzept – und wenn der Rat die Finanzmittel dafür Ort aneignen. Ich denke, das braucht mehrere dierenden. Das gibt auch der gesamten Stadt bundesweit gleichzeitig auftauchen. Zum Beispiel zur Verfügung stellt- werden wir natürlich einen Jahre. einen neuen Geist, einen Impuls in eine neue war vor knapp zwei Jahrzehnten das Thema Bahn- umfangreichen Bürgerbeteiligungsprozess auf den Richtung? hofsumbau oder Gestaltung des Bahnhofsumfelds Weg bringen. Gibt es aus Ihrer Sicht genug Engagement in vielen Städten relevant. Jetzt gibt es ein neues der Bürger für Baukultur in ihrer Stadt? Oder HG: Lüneburg ist eine junge Stadt, viele der Stu- Thema mit der Bundesanstalt für Immobilien: die Sie haben in ihrem Vortrag im Forum eine so- konzentriert sich dies auf einige wenige Berei- dierenden bleiben hier. Das ist ein ganz großes Aufgabe, Flächen des Bundes zu erwerben und genannte „Kulturbäckerei“ erwähnt. Vielleicht che wie den Denkmalschutz oder die (eigene) Potenzial an kreativen Köpfen. Besonders span- zu entwickeln. Ebenso haben wir ein Thema Be- können Sie zu der Platzgestaltung und dem Schulgestaltung? nend ist, dass Kreativität heute dort möglich ist, wo teiligung und Partizipation, das sich bundesweit Prozess noch einmal ganz kurz etwas sagen? früher Befehl und Gehorsam angesagt waren. beobachten lässt und nicht nur auf die großen HG: Nein, die Debatte hier geht weit darüber hin- Städte konzentriert. Es kommt dort sicher stärker HG: In einem Sanierungsgebiet Stadtumbau West, aus. Alle Entscheidungen für öffentliche Gebäude Vielen Dank für das Gespräch. vor. Vielleicht haben die Großstädte hier auch eine das ein Heeresverpflegungsamt aus den 1930er werden grundsätzlich diskutiert. Die Presse inte- Vorreiter-Rolle, aber erreichen wird uns alle die Jahren betraf, hat die Hansestadt das Bäckerei- ressiert sich sehr dafür, Auch die Vorträge an der Interview: Nicole Froberg NBN zunehmende Aufgabe, Menschen zu beteiligen gebäude in weitgehend kommunalem Eigentum Universität, die Herr von Mannsberg organisiert hat, und Planungsprozesse zu erklären, Mitwirkung behalten. Das Gebäude wurde durch die Lünebur- waren alle sehr gut besucht. zuzulassen. Dazu aufzufordern, ist eine Frage der ger Wohnungsbaugesellschaft übernommen, die Akzeptanz, die man braucht, wenn man Baupro- es um- und ausgebaut hat. Die Sparkassenstiftung Baukultur hat also nach Ihrer Wahrnehmung jekte in Zukunft entwickeln will. betreibt das Projekt. In dem Gebäude gibt es ein ein gutes Fundament in dieser bürgerschaftli- Theater, es gibt Ausstellungsflächen und eine chen Gesellschaft? 5
Das Forum will Aufklärungsarbeit leisten, Widersprüche aufdecken, Abhängigkeiten verständlich machen, Spielräume erkunden und Ziele formulieren in Richtung auf das, „was sein könnte“. Nennen wir es Baukunst. ENGAGEMENT FÜR BAUKULTUR Carl-Peter von Mansberg Forum Baukultur Lüneburg e.V., Vorsitzender Mit der Gründung des Forum Baukultur e.V., akkre- dem Ostpreußischen Landesmuseum und dem Hat, wie behauptet wird, diese Modeme wirklich Landschaftsgestaltung und des Verkehrs und nicht ditiert am Museum Lüneburg, findet die schon lang Fürstentum Museum dokumentierte im Ergebnis nur Verluste gezeitigt? Wird sie ein unvollendetes zuletzt der Kunst. Und vorrangig sind auch die anhaltende öffentliche Auseinandersetzung um eindrucksvoll das anhaltende öffentliche Interesse Projekt bleiben? Eine Bestandsaufnahme ist in die- Benutzer des Geplanten und Gebauten mit ihren Fragen der Architektur, des Städtebaus und der an Fragen der Baukunst. ser Situation geboten, eine kritische Analyse von sich verändernden Beheimatungsansprüchen Denkmalpflege einen festen Ort. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunftsvisionen, und Vorstellungen von Stadt zu befragen und zu Architektur ist natürlich nicht unpolitisch. auch vor dem Hintergrund eines sich verändern- beteiligen! Im Angesicht der unbestrittenen Schön- Schon vor Jahren fanden zahlreiche Ausstellungen Bauen spiegelt gesellschaftliche Verfasstheit. den Bewusstseins von Zeit und Raum. Die Motive heit unseres historischen Stadtkernes mit seinen zur Architektur der Modeme statt mit Arbeiten Allenthalben finden sich neuerlich Gruppen von rnüssen gesichtet werden, die Ausgangspunkt geschlossenen Reihen sich ähnelnder Häuser, den von Adolph Loos, Ludwig Mies van der Rohe, Bürgern zusammen, Partizipation fordernd, meist unseres Handelns sind, wenn wir Häuser bauen, Straßen, Plätzen und überragenden öffentlichen Hans Scharoun, Richard Neutra und anderen in Besorgnis oder aus Empörung über aktuelle Stadträume planen und Landschaft verbrauchen. Gebäuden, zu erkennen als eine Gesamtleistung im Fürstentum Museum statt. Damals gelang Veränderungen der Stadtlandschaft durch Eingriffe seiner Bürger, erhält jede Erörterung hier zusätzli- auch ein mit Studierenden gestalteter Werkbericht in Bestehendes und vermeintlich unorganisierte Das Forum Baukultur versteht sich in dieser Situa- che Perspektiven und Stoff für eine kritische Ausei- zu den Arbeiten des großen Alvar Aalto an Hand Bautätigkeiten an der Peripherie, nicht zuletzt tion als ein Werkraum, in dem Erfahrungen ausge- nandersetzung. von Bildern und Modellen. Es folgten Staffeln von verursacht durch Auflassen großer, bisher anders tauscht, einzelne Aspekte detailliert untersucht und Gastvorlesungen zu „Positionen der Architektur genutzter Flächen. Dabei klaffen oft die Vorstellun- zukunftsorientierte Experimente unter die Lupe Das Forum will Aufklärungsarbeit leisten, Wider- der Gegenwart‘‘. Zu den Referenten gehörten gen von dem unverzichtbar Notwendigen und dem genommen werden. Gehört und beteiligt werden sprüche aufdecken, Abhängigkeiten verständlich unter anderen: Günther Behnisch, Hilde Leon, Zvi Wünschenswerten weit auseinander. Die leiden- sollen die Umweltwissenschaften, die Sozialwis- machen, Spielräume erkunden und Ziele formulie- Hecker, Meinhard von Gerkan, Regine Leibinger, schaftlichen Befürworter der Rekonstruktion von senschaften, die Kulturwissenschaften, die ren in Richtung auf das, „Was sein könnte“. Nen- Daniel Libeskind. Sie alle fanden hier das lebhafte Schlössern und Kirchen stehen dabei meist unver- Stadtsoziologie, Personen aus dem Bereich nen wir es Baukunst. Interesse eines breiten Publikums. Die Ausstellung söhnlich den Vertretern einer Freiheit symboli- Psychologie, Immobilienwirtschaft, Finanzen, ,,Neues Bauen in Lüneburg‘‘ 2013 zusammen mit sierenden Architektur der Moderne gegenüber. aber auch der Architektur, der Stadtplanung, der 6
ENTWURFSORIENTIERTE PARTIZIPATION ALS WEGWEISER FÜR EINE NEUE BAUKULTUR Felderfahrungen aus Beteiligungsprojekten in der Freiraumplanung Sonja Hörster, Institut für Partizipatives Gestalten (IPG) Oldenburg Anhand der Definition von Baukultur der werden kann, damit ein praktischer Umgang mit eines Planungsverfahrens („Phase Null“) oder die Bundesstiftung zeigen wir, dass Baukultur Differenz ermöglicht wird. gemeinsame Debatte über Entwürfe, die von den vor allem dadurch gefördert wird, wenn sie professionell Planenden bereits entworfen worden in partizipativer Entwurfsarbeit gemeinsam Aus der praktischen Arbeit am Institut für Partizipa- sind. ausgehandelt wird. Dafür führen wir einerseits tives Gestaltung (IPG) aus Oldenburg, soll daher den Begriff „entwurfsorientierte Partizipation“ ein für das Themenfeld „Baukultur und Beteiligung“ Die gemeinsame Entwicklung von neuen planeri- und zeigen daraufhin anhand von Fallbeispielen, der Begriff der Entwurfsorientierten Partizipation schen Lösungen auf Ansprüche aus der Praxis ist wie entwurfsorientiertes partizipatives Arbeiten eingeführt werden. bei entwurfsorientierten Formen von Partizipation verschiedene Aspekte von Baukultur erfüllt. hingegen Gegenstand und Ziel der gemeinsamen Entwurfsorientierte Partizipation Arbeit. Grundlegend ist die Erkenntnis, dass rein „Baukultur ist wesentlich, um eine Umwelt zu sprachliche Aushandlungen selten genügen, um in schaffen, die als lebenswert empfunden wird. Sie Entwurfsorientierte Partizipation beschreibt For- Zusammenarbeit mit allen, die beteiligt sind, neue hat neben sozialen, ökologischen und ökonomi- mate der Beteiligung, die mit Methoden und Werk- räumliche Konzepte überhaupt denken zu können. schen Bezügen auch eine emotionale und ästheti- zeugen aus der Planungs- und Entwurfspraxis Es bedarf vielmehr der Nutzung professioneller Nutzung kreativer Werkzeuge ist so ein hervorra- sche Dimension. Ihre Herstellung, Aneignung und arbeiten. Methoden des Entwurfes, um gemeinsam etwas gendes Mittel der Verständigung. Nutzung ist ein gesellschaftlicher Prozess, der auf zu planen, was über das Einsammeln von vorhan- einer breiten Verständigung über qualitative Werte Im Forschungsbericht „Impulse zur Bürgerbeteili- denen Wünschen oder Interessen als Anregung für Im Sinne der anfänglichen Definition von Bau- und Ziele beruht.“ gung vor allem unter Inklusionsaspekten“ (Rohr et die weitere Gestaltung hinausgeht. kultur werden wir nachfolgend anhand zweier al. 2017, 28-30) unterscheiden wir zwischen drei Beteiligungsprojekte am IPG in den letzten Jahren (Bundesstiftung Baukultur 2015) Beteiligungsformen – informativ, deliberativ und Professionelle Planer*innen verlieren dadurch zeigen, dass Beteiligung – verstanden als gemein- kollaborativ. nicht ihre Rolle oder Berechtigung. Lediglich ver- same Entwurfsarbeit – ein Bewusstsein für Baukul- Ein wesentlicher Aspekt dieser Definition von Bau- ändern sich die Methoden und Werkzeuge, die zur tur und die Baukultur selbst fördern und entwickeln kultur durch die Bundesstiftung ist die Schaffung Bei informativer Beteiligung werden meist bereits Beteiligung gewählt werden. Planer*innen bringen kann. einer Umwelt, die als lebenswert empfunden wird. erarbeitete Ergebnisse in der Öffentlichkeit vorge- ihre Expertise in den Planungsprozess mit ein und Verschränkung verschiedenster Dimensionen und stellt, bei denen die Teilnehmenden dann lediglich erarbeiten auf der Grundlage der Ergebnisse einen Bewusstsein für emotionale und ästhetische Systemlogiken ist ein Hinweis auf die Komplexität, ihre Eindrücke oder Bedenken schildern können. professionellen Entwurf. Durch den Einsatz von Dimension durch Aneignung schaffen. die dem zu Grunde liegt. Das betrifft ebenso die Gesetzlich vorgeschriebene (formelle) Bürgerbetei- Plänen und gestalterischen Methoden während Ein Beispiel aus Hamburg Verständigung über qualitative Werte und Ziele, die ligung fällt in diese Kategorie. der Beteiligung können sie sich jedoch darauf aus der Art der Vermittlung unterschiedlicher Blick- verlassen, dass ihre Ergebnisse sich vertiefen So eignen sich entwurfsorientierte Partizipati- winkel und aus der Prozesshaftigkeit von Planung, Eine nicht gesetzlich vorgeschriebene – und damit und besser verstanden werden. Darüber hinaus onsverfahren besonders gut, um emotionale und Gestaltung und Implementierung neue Kriterien informelle – Form der Beteiligung ist deliberative macht das kreative Arbeiten allen Beteiligten viel ästhetische Dimensionen von Planung sichtbar entwerfen lässt. In der Praxis ist genau dieses Auf- Partizipation, wie sie z.B. in Bürgergutachten, mehr Spaß, ist weniger nervenaufreibend und viele zu machen. Mitmacher*innen können erleben, einandertreffen verschiedener Verständnisse häu- Runden Tischen oder anderen Dialogverfahren zu vermeintliche Konfliktlinien, die in der Diskussion wie Planer*innen Erkenntnisse gewinnen, indem fig Grund für Konflikt oder Auseinandersetzung. Es finden ist. Im Vordergrund steht hier der Austausch noch vorhanden waren, sind auf dem Plan so nicht sie ihr Gespür einsetzen und daraus eine gestal- stellt sich daher die Frage, wie Baukultur gestaltet über Wünsche, Vorstellungen und Ideen im Vorfeld mehr vorhanden. Gemeinsame Planarbeit und die terische Lösung entsteht. 7
Ein Beispiel für die Nutzung von nicht sprachli- teilten uns mit den ca. 30 Personen, die sich für Fachkolloquien und Bürgerwerkstätten die inhalt- den sind, wurden von uns im Nachgang analysiert chen oder rein kognitiven Methoden, die statt- diese Arbeitsgruppe entschieden hatten, entlang liche Grundlage für Bürgerleitlinien zu erarbeiten, und bildeten die Grundlage für die Bürgerleitlinien, dessen mit Emotionen und Atmosphäre arbeiten, dieser Absteckung. Es wurde sofort deutlich, dass die im Nachgang dem Abgeordnetenhaus zur Ab- die im weiteren Verfahren entstanden. Für die ist die Planung eines kleinen Quartierplatzes der Platz zu groß wäre und auch die Form nicht stimmung vorgelegt werden sollten. städtische Debatte war das ein enormer Durch- während der Neugestaltung des Bertha-von-Sutt- stimmte. Wir bewegten uns nun alle solange, bis bruch, weil über dieses entwurfsorientierte ge- ner-Parks in Hamburg-Altona (2014). Der Bertha- eine stimmige Form und Größe gefunden war Auch hier wurde erlebbar, wie entwurfsorientierte meinsame Arbeit plötzlich doch Gemeinsamkeiten von-Suttner-Park ist ein Quartierspark, der schon und maßen den „neuen Platz“ ein. Auf genau Partizipation tatsächlich zu einer Lösung beitragen sichtbar wurden, was bei einer weiteren Debatte längere Zeit vernachlässigt worden war. Neue diese Weise ist er in den finalen Entwurf einge- kann. Wäre an diesem Punkt einfach nur weiter nicht so entstehen hätte können. Relevanz bekam er durch den Neubau von meh- gangen und gebaut worden. Heute kann man diskutiert worden – wie all die Jahre vorher – dann reren Hundert neuen Wohnungen auf einer direkt bei einem Besuch erleben, dass dieser Platz hätte sich das Ergebnis nicht groß von der Aus- Die methodische Arbeit mit den verschiedenen angrenzenden Konversionsfläche. atmosphärisch genau richtig funktioniert und zu gangslage unterschieden: Gruppen mit unterei- „Schichten“, die als Transparentpapiere auf den einem lebendigen Treffpunkt geworden ist. Durch nander unvereinbaren Ideen tauschen sich aus Plan des zu gestaltenden Areals gelegt wurden, Die Verwaltung hatte sich in diesem Fall ent- die gemeinsame Arbeit vor Ort konnte so eine für und finden zu keiner gemeinsamen Lösung. Wir zeigte den Teilnehmenden, dass ihre Werte und schlossen, alle an den Park angrenzenden An- alle wahrnehmbare passende Lösung gefunden sahen die Chance, diesen festgefahrenen Diskurs Ziele nicht so weit auseinander lagen wie bis wohner*innen einzuladen, zusammen mit einem werden. durch entwurfsorientiertes Arbeiten durchbrechen dahin gedacht und es doch möglich war, darauf professionellen Planungsteam Ideen für die zu können und das starke Thema der vielfältigen aufbauend gemeinsame Leitlinien zu entwicklen. Umgestaltung des Parks zu entwickeln. Das IPG Verständigung über qalitative Werte und Ziele zeitlichen Schichten, die diesen Ort und die Argu- Die Idee zu diesem Vorgehen leitete sich direkt hatte die Aufgabe, ein entsprechendes Beteili- als Grundlage von Baukultur. mentationslinien der Hauptgruppen mit (Be-)Deu- aus der Ausgangssituation ab, nämlich aus den gungsverfahren zu entwickeln, als Prozessbeglei- Ein Beispiel aus Berlin tungen aufluden, aufzunehmen und methodisch verschiedene (Ge-)Schichten oder Narrationen, die tende diesen Prozess zu moderieren, auf Basis umzusetzen. sich aus der Wahrnehmung und Beurteilung dieses der Ergebnisse einen Plan zu entwerfen und das Wie ein breiter Diskurs über qualitative Werte und Platzes ergaben. Projekt durch alle Leistungsphasen bis zur Fertig- Ziele in Bezug auf Baukultur durch entwurfsori- An Plantischen sammelten alle Teilnehmenden zu- stellung zu begleiten. entierte Arbeit erleichtert wird, zeigen auch die nächst auf einer ersten Planebene die Nutzungen, Die zehn Bürgerleitlinien wurden im Mai 2016 Erfahrungen aus dem prominenten Vorhaben „Alte die sie aktuell vor Ort kannten. Ein kurzes Blitzlicht durch das Abgeordnetenhaus als beschlossen Zunächst wurden in einer „Suttnerwerkstatt“ Mitte – Neue Liebe“ in Berlin-Mitte (2015) . Über im Plenum zeigte: Die aktuellen Nutzungen wur- verabschiedet. Das Projekt wurde 2017 in der gemeinsame Grundlagen für den Vorentwurf die Gestaltung des Bereichs zwischen Spree und den von allen positiv bewertet. Daraufhin wurden Kategorie Partizipation für den Landschaftsarchi- entwickelt. Auf dieser Grundlage aufbauend Alexanderplatz stritten seit 25 Jahren engagierte auf einer zweiten Planschicht die Nutzungen ge- tekturpreis nominiert. entstanden einige Wochen später während einer Bürger*innen, Architekt*innen, Verwaltung und sammelt, von denen die Teilnehmenden dachten, „Bürgernahen Entwurfswerkstatt“ über mehrere Politik. Absolut konträre Ideen standen einander dass es gut sei, diese Nutzungen zusätzlich vor Resüme Nachmittage hinweg Detailvorschläge zur Ausar- unvereinbar gegenüber und schienen eine Lösung Ort zu haben. In der gegenseitigen Präsentation beitung des Entwurfs. unmöglich zu machen. wurde eine ziemlich hohe Übereinstimmung, auch Wie die beiden Beispiele zeigen, kann entwurfso- für zukünftige Nutzungen, ausgemacht. Es folgte rientierte Partizipation ein Ort der Verständigung Während der Suttnerwerkstatt war bei den Es zeigten sich im Wesentlichen drei große Linien, die dritte Schichtung. Alle gefundenen Nutzungen, und der gemeinsamen Elaboration der Bedeutung Planarbeiten ein Platz im Quartierspark aufge- wie sie bei vielen Stadtentwicklungsprozessen die mit der vorangegangenen Leitbild-Arbeit über- von Baukultur sein. Das, was als Baukultur wahr- taucht, der zwar nicht ganz in der Mitte dieses auftauchen: Die erste Gruppe setzte sich aus einstimmten, konnten neu arrangiert und auf den genommen wird, muss in jedem Einzelfall neu Parks lag, aber dennoch räumlich eine zentrale Vertreter*innen des historischen Berlins zusam- Plänen verortet werden. Die Pläne wurden neben- gefasst und anhand der konkreten Umstände des Funktion einnahm. Während der Arbeit am Vor- men. Für sie sollte der Ort nach dem Vorbild des einander aufgehängt und nacheinander vorgestellt. Projektfeldes eingeordnet werden. So können entwurf war unser Eindruck, dass er in seiner historischen Berlin wiederaufgebaut werden. Die Dabei war die Überraschung für alle groß: In allen genau die Differenzen und Diskrepanzen ver- Größe und Anordnung nicht „passte“ und die zweite Gruppe sprach sich für eine grundlegende wesentlichen Punkten gab es eine annähernd schiedener Verständnisse von Baukultur zwischen Gesamtästhetik des Parks störte. Während der Erneuerung und Neubebauung des Platzes nach konsensuale Übereinstimmung. Interessant war Architekt*innen, Planenden, Bürger*innen, Politik, Bürgernahen Entwurfswerkstatt machten wir uns zeitgenössischen architektonischen Idealen aus. beispielsweise, dass auch die Vertreter*innen, die Verwaltung und anderen Akteur*innen zwar nicht das Körpergefühl der Teilnehmenden zu nutze. Die dritte starke Gruppe wollte den Bestand als das alte Berlin wiederaufgebaut sehen wollten, überwunden oder abgeschafft, sehr wohl aber Wir steckten zunächst den Platz, so wie in der kulturelles Erbe der DDR erhalten, aufwerten und die Sichtachse zwischen Fernsehturm und Spree als aktivierendes Potential für eine ko-kreative Suttnerwerkstatt entwickelt und im Vorentwurf unter Denkmalschutz stellen. Unsere Aufgabe freigelassen hatten, wogegen sie sich zuvor noch und kollaborative Entwurfsarbeit genutzt werden. gezeichnet, gemeinsam mit Bändern ab und ver- bestand darin, in für alle Interessierten offenen ausgesprochen hatten. Die Pläne, die so entstan- Partizipation, die sich am Entwurf orientiert, kann 8
alle vorhandenen Potentiale und Qualitäten opti- mal aufgreifen und nutzen. Zusätzlich schafft sie eine Vermittlung, ohne alle – in einer pluralen und demokratischen Gesellschaft ja notwendigen – Un- terschiede aufzulösen. Es braucht die Orte, wo diese gemeinsame Ge- staltungsarbeit erprob- und lernbar ist. Es gibt viele Projekte, in denen gemeinsam Pläne, Konzepte, Entwürfe entwickelt werden und die sich für eine solche Arbeit eignen. Das stärkt Demokratie, ge- sellschaftlichen Zusammenhalt, aber auch bauliche Ästhetik, lokale Identität und räumliche Qualität – letztlich Baukultur. Formen entwurfsorientierter Partizipation können dafür einen sinnvollen metho- dischen und methodologischen Rahmen bieten. Literatur: Bundesstiftung Baukultur 2015. Baukulturbericht 2014/15, Gebaute Lebensräume der Zukunft – Fokus Stadt. Potsdam: Bundesstiftung Baukultur. Rohr, Jascha, Hanna Ehlert, Benjamin Möller, Sonja Hörster und Marie Hoppe. 2017. Impulse zur Bürgerbeteiligung vor allem unter Inklusionsaspek- ten – empirische Befragungen, dialogische Aus- wertungen, Synthese praxistauglicher Empfehlun- gen zu Beteiligungsprozessen. Umweltbundesamt. Dessau-Roßlau. Abbildungen: o.r.: Arbeit im Gelände während der„Bürgernahen Entwurfswerkstatt“, u.r.: Platz heute, Bertha-von-Suttner-Park, Hamburg Altona, Fotos: Institutfür Partizipatives Gestalten IPG, Oldenburg 9
Wunschproduktion als Planungsprozess NEUBAU DER ESSO-HÄUSER IN HAMBURG Renée Tribble, PlanBude Hamburg Jahre später wurden sie weiterverkauft, bereits mit und haben den Film gezeigt. Hinterher waren wir dem Wunsch des neuen Eigentümers abzureißen Wenn dort jetzt etwas für Gespräche da. So kommt man auf einer ganz und hochwertigen Wohn- und Gewerberaum neu anderen Ebene mit Leuten ins Gespräch, die sonst zu entwickeln. Dagegen hat sich die „Initiative Neues entstehen muss, an Planungsprozessen nicht beteiligt sind. Auch für Esso-Häuser“ aus Bewohnern, Gewerbetreiben- Workshops sind wir in Kneipen, Hotellobbys und den und Nachbarn gebildet, und für den Erhalt und dann müssen wir eigentlich Clubs gegangen, z.B. zum Thema „Mehr haben die Sanierung der Häuser gekämpft. Gutachten durch Teilen“: wie kann man toll wohnen, ohne haben jedoch einen hohen Sanierungsbedarf und daran beteiligt sein oder alles selbst in einer Riesenwohnung haben zu eine Beeinträchtigung der Standfestigkeit ergeben. müssen? Wenn man Manches auslagert und teilt, Schließlich wurde im Dezember 2013 ein Wackeln sagen, wie es entwickelt dann ist die Wohnung kleiner und man kann sie der Häuser gemeldet und die Gebäude wurden vielleicht auch besser bezahlen. über Nacht evakuiert. Die Bewohner durften nicht werden soll. Das heißt, wir wieder in ihre Wohnungen zurück. Damit war die Wir haben immer wieder Veranstaltungen ge- Frage „Erhalten – Nicht erhalten“ erledigt. Kurze müssen eigentlich die macht, Institutionen und Vereine angesprochen Zeit später wurde abgerissen. und besucht. Wir hatten sechs Tage in der Woche Planung machen. geöffnet, immer von 16 bis 21 Uhr. Trotzdem In den 80er Jahren war St. Pauli noch einer der In dieser Situation fand eine selbstorganisierte musste man immer wieder Anlässe geben, dass ärmsten Stadtteile in West-Deutschland. Heute ist Stadtteilversammlung mit über 400 Teilnehmern Daraus ist die PlanBude die Leute vorbeikommen. Nach den 4 1/2 Monaten St. Pauli ein sehr nachgefragter zentraler Stadtteil, statt. „Wenn dort jetzt etwas Neues entstehen haben wir eine große Abschlusslesung gemacht – in den viele Menschen ziehen wollen, allerdings muss, dann müssen wir eigentlich daran beteiligt entstanden. Italo Calvino’s „Unsichtbare Städte“ und damit die häufig ungeachtet der Geschichte und der Tra- sein oder sagen, wie es entwickelt werden soll. Wunschproduktion beendet. dition, was zu Konflikten führt. Wohnraum ist Das heißt, wir müssen eigentlich die Planung ma- mittlerweile sehr teuer und die Menschen, die dort chen.“ Daraus ist die PlanBude entstanden. Begonnen haben wir mit einem Foto-Workshop: Aber wie kann man eigentlich wirklich breit und jahrelang gelebt haben, werden verdrängt. „Knack den St. Pauli Code“. Die Teilnehmer haben niedrigschwellig gemeinsam planen, Ideen entwi- Wir konnten die Stadt überzeugen, anders an die „ihr“ St. Pauli fotografiert, drei Bilder ausgewählt ckeln, aufschreiben und zeichnen? Die Esso-Häuser wurden in den 50er Jahren Planung heranzugehen und einen Beteiligungspro- und uns dann erklärt, warum. Später bei der gebaut, eine moderne Planung der Wiederauf- zess zu machen, der vor der eigentlichen Planung Auswertung haben wir erst bemerkt, wie toll die- Wir haben mit künstlerischen und planerischen bau-Zeit: zwei achtgesschossige Wohn-Scheiben stattfindet, so dass die Ergebnisse der Beteiligung se Bilder wirklich St. Pauli zeigen, was man auf Methoden gearbeitet. Wir hatten eine kleine urba- auf einem Tiefgaragensockel und zum Spielbu- auch in die Planung einfließen können. Schließlich den ersten Blick gar nicht erfasst und vermutet ne Bibliothek, auch mit Filmen. Es gab ein Knet- denplatz ein zweigeschossiger Riegel für Clubs, sind wir vom Bezirk Hamburg-Mitte beauftragt hätte. Wir haben Haustürgespräche geführt und modell im Maßstab 1:500, um ein Gefühl für die Shops, einem Hotel und einer Esso-Tankstelle, worden, den Prozess durchzuführen und haben sind von Tür zu Tür gegangen. Wir machen auch Baumassen zu entwickeln. Die Nachtkarte stellt die weswegen der Komplex Esso-Häuser genannt eine GbR gegründet, um auftragsfähig zu sein. Im heute noch Urbanismuskurse mit Schülern, die Frage „Wie sieht es zukünftig an der Reeperbahn wurde. Nicht unbedingt besonders schön, dennoch Oktober 2014 konnten wir mit einem großen Fest die Themen an ihre Freunde weitergetragen und aus?“ Am Reeperbahn-Panorama konnte man sich ein sehr lebendiges und vielfältiges Quartier an eröffnen und hatten dann 4 1/2 Monate Zeit. Seit- in die Familien. Wir haben eine Tour mit dem Film in die Gebäude und Funktionen im Bestand vertie- der Reeperbahn. 1997 wurden die Häuser von der dem sind wir am Planungsprozess beteiligt. „buy buy St. Pauli“ gemacht, der die Geschichte fen. Wir haben einen Fragebogen entwickelt und in Stadt an den Pächter verkauft, weil sie saniert wer- der Esso-Häuser dokumentiert. Gemeinsam mit mehrere Sprachen übersetzt, der nach Situationen den mussten. Dies passierte jedoch nicht und zehn den Filmemachern sind wir in Kneipen gegangen im Alltag fragt und zu Ideen anregt: „Nennen sie 10
drei ihrer Lieblingsorte tagsüber“, “Wohin gehen sie mit ihren Gästen und warum?“ Der Fragebogen ging per Postwurf an alle Haushalte St. Paulis. In extra aufgestellten Boxen in Kiosken und Läden konnte man den Fragebogen einwerfen und wieder abgeben. Auch von den Kindern und Jugendlichen wurde je ein Fragebogen für ihre Altersgruppe gemacht, in ihren Schulen verteilt und wieder ein- gesammelt. Diese Fragebögen haben wir genauso ausgewertet wie die anderen. Alle Beiträge haben wir fotografiert und archiviert. Über 2.300 Beiträge sind in unser Archiv eingegan- gen und wurden anschließend von uns ausgewer- tet, zugespitzt und übersetzt. Wir haben beispiels- weise alle Wärme-Karten übereinander gelegt, um zu sehen, wo welche Stimmungen sein sollen, wo Treffpunkte, Durchgänge oder auch geschütz- te Orte sein sollen. Wir haben auch quantitativ ausgewertet, welche Art von Wohnraum benötigt wird und was er kosten darf, wenn neu gebaut wir, damit man ihn sich auf St. Pauli leisten kann. Es gab zahlreiche Wünsche zur Nutzung: Wohnungen sind wichtig, aber trotzdem muss es Freiräume und etwas für die Nachbarschaft geben, Orte an denen man sich aufhalten und was machen kann. Ein Nachbarschaftsplatz, eine Jugendpassage und nutzbare Dächer waren deutliche Aussagen. Auch die Atmosphäre war wichtig: an der Reeperbahn gab es Vorschläge wieder die kleinen Büdchen vom Spielbudenplatz aufzugreifen, oder auch hohe Gebäude mit signethaften Leuchtschriften und Figuren an der Fassade. Ein öffentliches Erdge- schoss, eine hohe Eingangsdichte und „Häuser bauen“ waren Ergebnisse und vor allem Unter- schiedlichkeit... . Bei allen Aussagen, die wir hatten, schwang immer eine Art Grundaussage mit: der St. Pauli-Code. Er ist die Grundlage für die Planung im Städtebau und der Architektur geworden. Unterschiedlichkeit statt Homogenität, Alt vor Neu, keine Ketten, Toleranz und Raum für alles, was von der Norm abweicht, schmuddeliger Glamour, echt und le- bendig statt Hochglanzfassade, Selbermachen Planungsprozess Neubau Esso-Häuser in Hamburg, Fotos: PlanBude Hamburg 11
statt Konsummeile und vor allem Musik, Life statt einem Riegel auf dem Grundstück platziert. Es Konserve, Freiraum ohne Konsumzwang, Orte, wo entsteht eine neue Gasse, die den Wunsch nach man sich einfach aufhalten kann. dem Quartiersplatz und der Durchquerung auf- genommen hat. In dieser Gasse entsteht neuer, urbaner Raum, aber auch mehr Erdgeschossflä- Bei allen Aussagen, die wir che mit Schnittflächen zum öffentlichen Raum. Ein Nachbarschaftscluster mit Stadtteilkantine, hatten, schwang immer eine FabLab, Proberäumen und sozialer Versorgung ist vorgesehen, und öffentliche Nutzungen auf den Art Grundaussage mit: Dächern. Der St.-Pauli-Code. Er ist Wir haben das Wettbewerbsergebnis wieder im Stadtteil aus- und vorgestellt. Das Thema der die Grundlage für die Gasse haben wir aufgenommen und dazu neue Workshops gemacht. Zum Beispiel haben wir die Planung im Städtebau und Gassen in St. Pauli selber vermessen und unter- sucht, wie diese eigentlich aussehen. Alle Erkennt- der Architektur geworden. nisse wurden dann wieder in den hochbaulichen Wettbewerb eingespeist. Auch hier gab es wieder eine Gläserne Werkstatt. Die Ergebnisse haben wir immer zuerst im Stadt- teil vorgestellt. Erst danach hatten wir Gespräche Als Ergebnis des Architekturwettbewerbs werden mit dem Bezirk und dem Eigentümer und haben insgesamt vier Architekten planen, damit die Archi- sortiert, was wichtig für Städtebau und Architektur tektur wirklich unterschiedlich wird und ihre eigene ist – und haben das dann tatsächlich mit dem Be- Sprache hat und nicht nur Fassade ist. Zum zirk und dem Eigentümer verhandelt. So sind die Spielbudenplatz wird es einen Park auf dem Dach Ergebnisse des Beteiligungsprozesses als Grund- geben, von dem man auf die Reeperbahn herun- lage in den städtebaulichen Wettbewerb eingeflos- terblicken kann, einen öffentlichen Stadtbalkon, sen. Wir haben die Beiträge als Wettbewerbsan- ein Kletter- und ein Skatedach. Auf einem weiteren lage aufbereitet und entsprechend der Auslobung Dach wird es ein Kunstspielfeld für Kinder- und verschlagwortet, so dass die Architekten auch auf Jugendliche aus der Nachbarschaft geben. Neben das Originalmaterial zugreifen konnten. Zudem einem Hotel an der Reeperbahn, das auch dem haben wir auch Mitglieder der Jury für den Wettbe- Lärmschutz dient, sind im hinteren Bereich drei werb vorgeschlagen und einige Büros benannt. Wohnblöcke vorgesehen: frei finanzierter Woh- nungsbau, in dem der Investor die Höhe der Miete Auch im Wettbewerbsverfahren ging die Beteili- festlegen kann, öffentlich geförderter Wohnungs- gung weiter. In „Gläsernen Werkstätten“ haben die bau, in dem auch die ehemaligen Mieter wieder Architekten ihre Ideen präsentiert. Man konnte sich zurückkehren können, und eine Baugemeinschaft, die Entwürfe anschauen und mit den Architekten die selber bauen kann, da es auch häufig den reden. Diese konnten das Feedback dann in ihre Wunsch gab, anders zu wohnen und selber ent- Planungen einarbeiten. scheiden zu können, wie und mit wen man wohnt. 2021 soll alles fertig sein. Die Gewinner des städtebaulichen Wettebewerbs NL Architects und BeL haben mehrere Gebäude Planungsprozess Neubau Esso-Häuser in Hamburg, Fotos: PlanBude Hamburg mit unterschiedlichen Höhen zu einem Block und 12
NEUE WEGE DER PARTIZIPATION: PERFORMATIVE FORMATE IM BÜRGERDIALOG THEATER IM ÖFFENTLICHEN RAUM: „BERLINER LUFT“ UND „HOMO BOTANICUS“ Ursula Maria Berzborn, Grotest Maru, Berlin Grotest Maru arbeitet im Bereich Theater im ein Publikum zu erreichen, welches für gewöhn- Diskussionsforen auch einen niedrigschwelligen Grotest Maru entwickelte elf Figuren, die sowohl öffentlichen Raum und mit ortsspezifischen In- lich keinen Zugang zu Kultur, Kunst und Theater Dialog im öffentlichen Raum mit Hilfe unter- unterschiedliche Aspekte der Geschichte, als szenierungen. Es bezieht sich dabei auf Bilder-, hat. Grotest Maru sucht für jeden Ort neu nach schiedlicher künstlerischer Formate konzipierte. auch aktuelle Themen des Ortes verkörperten: Objekt- und Körpertheater ebenso wie auf Instal- künstlerischen Formaten, um ein spezifisches lationskunst. Die Gruppe wurde 1996 im Kunst- Publikum mit anspruchsvollen Inhalten zu kon- Grotest Maru entwarf für die die Stadtdebatte das • der Spreefischer des Mittelalters – die Was- haus KuLe in Berlin gegründet, ist dort bis heute frontieren und zu berühren. Projekt „Berliner Luft“ als performative Interven- serstadt Berlin ansässig und tourt seit 1999 mit Inszenierungen tion im Stadtraum. Es fand in drei Etappen im auf zahlreichen internationalen Festivals. Das An dieser Stelle sollen nun zwei Projekte vorge- Juni, August und September 2015 im öffentlichen • die Marktfrau der Renaissance – Handel in der Netzwerk der mitwirkenden internationalen Künst- stellt werden, die Grotest Maru als partizipatori- Raum des zur Diskussion stehenden Areals statt: Stadt ler speist sich aus kultureller und künstlerischer sches Theater im öffentlichen Raum entwickelt „Dialog-Inseln“, „Speaker‘s Corner“ und „Parade“. Vielfalt, sucht nach Formen der Kommunikation, hat. • ein barocker, elitärer Partygänger – VIP-Par- die kulturelle Grenzen überschreiten, und schafft Wir fragten uns: Was macht die „Berliner Mitte“ ties, Sicherheit des Ortes, „Wo ist meine eine Theatersprache aus Bildern, die oft ohne „Berliner Luft“ aus? Wer lebte und arbeitete hier zu früheren Parzelle?“ Worte, international verständlich ist. Zeiten? Welche Geschichten ranken sich um Im Sommer 2015 veranstaltete der Berliner Se- das heutige Gebiet zwischen Fernsehturm und • der Eckensteher Nante, ein Berliner Original Grotest Maru ist darauf spezialisiert, ortsspe- nat die Stadtdebatte „Alte Mitte – Neue Liebe“, Spree? der 1830er – Gastro-Infrastruktur, Gestaltungs- zifische Projekte für besondere Situationen, um die Meinung der Berliner Bevölkerung zur spielraum von Freizeit und Arbeit architektonische Räume oder Landschaften zu architektonischen Planung des Areals zwischen Wir luden das Publikum ein, mit uns auf eine entwickeln. In partizipativen Projekten werden Fernsehturm, Marienkirche und Rotem Rathaus (Zeit)Reise in die Geschichten der Berliner Mitte • der Märzgefallene, 1848 mit Elementen von lokale Künstler, Laiengruppen, Jugendliche und zu evaluieren. Hierfür wurde die Agentur „Zebra- zu kommen und den Ort einmal ganz anders zu 1989 – Repression durch ein politisches Sys- Kinder in Inszenierungen eingebunden. Ziel ist, log“ engagiert, die neben Bürgerwerkstätten und erleben. tem, gleiche Rechte für alle 13
• Otto Lilienthal, 1880/90 – Erfindungen, Stadt „Homo Botanicus“ aus der Vogelperspektive, Luftverkehr, Überwa- chung Die Großraumsiedlung Wolfsburg-Westhagen ent- stand in den 1970er Jahren, maßgeblich, um den • der Schuster und Straßenentrepreneur, 1920er Arbeitern von VW neuen und modernen Wohnraum – Straßenhändler zwischen Delinquenz und zu ermöglichen. Seit Mitte der 1990er Jahre war Unternehmertum, die Qualität der Berliner Westhagen mit städtebaulichen und sozialen Prob- Straßen lemlagen konfrontiert. • das Jüdische Flüchtlingsmädchen, 1940–1944, Grotest Maru kooperierte mit dem Stadtteilbüro mit Bezügen zu aktuellen Flüchtlingsthematiken im Rahmen des Förderprogramms „Soziale Stadt“ – Flucht, Untertauchen, Solidarität und begab sich unter die Bewohner und Bewohne- rinnen dieses Stadtteils mit der Frage: „Was wäre, • der Ostberliner Bauarbeiter, 1970er – DDR-Mo- wenn Ihre Zimmerpflanze sprechen könnte?“. In derne, Architektur mit freiem Blick über dreißig Interviews wurde im Winter 2013/2014 Material zum Leben der Menschen in Westhagen • der Trompeter, 1920er/1980er – Berlin als gesammelt, das in Form von Hörstationen, the- Stadt der Künste atralen Szenen, Tanzperformances, interaktiven Installationen und Kommunikationsräumen in • die hilflose Touristin, 2015 – touristische Erwar- einem Parcours im Sommer 2014 inszeniert wurde. tungen an die Stadt. Er sollte ein Publikum unterschiedlichen Alters und auch unterschiedlicher Bildung ansprechen. Die Diese elf Figuren fuhren jeweils mit einem his- bespielten Räume waren leerstehende Geschäfte torischen Feuerwehrauto auf den Platz, stellten der Westhagener Einkaufspassage („Bürgerpassa- sich in einer Choreographie dem Publikum vor ge“), die wegen Immobilienverkäufen seit längerer und agierten an den unterschiedlichen architek- Zeit ungenutzt waren. tonischen Orten des Platzes. Sie schwärmten zu individuellen Szenen, Interaktionen, Dialogen Das bestimmende Thema in diesem sehr viel- und Interviews mit dem Publikum aus, luden schichtigen und multikulturellen Stadtteil, wo z.B. die ZuschauerInnen zu Debatten und zum ab- 48% der Bürger und Bürgerinnen Russlanddeut- schließenden Plakate Malen ein. Höhepunkt war sche sind und knapp achtzig verschiedene Natio- eine inszenierte Demonstration vor dem Roten nalitäten vertreten sind, war für uns die Frage nach Rathaus in der u.a. „Berliner Mitte – ein Ort für Herkunft und Heimat. Wie eine Zimmerpflanze alle“, „öffentlich statt kommerziell“, „Geschichte meist aus exotischen Ländern auf unsere Fenster- sichtbar machen“ und „mehr Debatte“ gefordert bank getopft wird, werden heutzutage Menschen wurden. aus ökonomischen, politischen und sozialen Grün- den „umgetopft“. Wo und wie können sie wieder Die Ergebnisse aller künstlerischen Formate Wurzeln schlagen? und der Bürgerforen wurden gesammelt und im November 2015 dem Berliner Abgeordnetenhaus Bei Begehungen und Beobachtungen vor Ort fiel vorgelegt. Im Juni 2016 hat das Abgeordneten- auf, dass die in Westhagen lebenden Menschen haus die Bürgerleitlinien unterstützt und die zu- aus aller Welt eine hohe Affinität zur Gestaltung gehörige Prozessempfehlung beschlossen. Das ihrer Fenster und kleinen Gärten haben, da viele Projekt wurde von der Berliner Senatsverwaltung von ihnen aus ländlichen Gebieten stammen. Das „Berliner Luft“, Fotos: Andreas Kermann für Stadtentwicklung und Umwelt gefördert. Thema der Zimmerpflanze war damit ein Auslöser, 14
um in Kontakt zu kommen und Menschen anzure- und es wurden – wenn auch nur temporär – in den gen, uns von ihren eigenen Wurzeln, Sehnsüchten ihnen bekannten Orten neue Freiräume geschaf- und Wünschen zu erzählen und mehr Austausch fen: Im ehemaligen Schlecker waren sie eingeladen unter den in Westhagen ansässigen Kulturen zu auf einer aus Erde installierten Landkarte von schaffen. Wir stießen immer wieder auf große Vor- Westhagen ihre Wünsche zu platzieren, die sie urteile zwischen den verschiedenen Nationalitäten, zuvor auf Fähnchen geschrieben hatten. Diese die nicht in einem zeitlich begrenzten Projekt über- Wunsch-Fähnchen wurden dem Stadtteilmanager wunden werden können. Oft ist es aber geglückt, am Ende des Projektes übergeben. neue Brücken zu schlagen und neuen Raum für Es wurde die Möglichkeit aufgezeigt, mit wenig Kommunikation zu schaffen. Mitteln einen Ort zu transformieren, wodurch viele Gespräche über die lokal-politische Situation des Homo Botanicus bestand im Wesentlichen aus benachbarten leerstehenden Hochhauses entstan- zwei Projektphasen: dem Zimmerpflanzen-Tausch den – einer der Hauptgründe des Ladenleerstandes als kommunikativem und recherchierenden Vorlauf und Startpunkt des Projektes. Welche Denkanstöße und der Projektrealisierung. In einer Voraktion im und Gespräche auf dem nächsten Markt wir ange- Winter 2013/2014 und in zwei weiteren intensiven regt haben oder welche zukünftigen nachbarschaft- Arbeitsphasen im Frühling 2014 wurde in der Bür- lichen Verbindungen entstanden sind, wird uns gerpasssage der „Zimmerpflanzen-Tausch-Laden“ unbekannt bleiben... betrieben. Als Anlaufstelle des Projektes wurden hier erste Kontakte geknüpft, Interviews geführt und Träger: Kunst Konnexion e.V. Tauschpartner für Zimmerpflanzen gefunden. Über Gefördert und unterstützt von: Fonds Soziokultur, den Tausch ihrer Pflanzen und die temporäre Für- Lüneburgischer Landschaftsverband, Stiftung Nie- sorge um eine fremde Pflanze hatten die Menschen dersachsen, Bürgergeldfonds Westhagen, Stadt die Gelegenheit, sich gegenseitig kennen zu lernen. Wolfsburg, BUWOG group, Stadtmuseum Wolfs- Über den Sommer 2014 wurden die Ergebnisse burg, Stadttheater Wolfsburg - Junges Theater, dieser Arbeitsphase vom Homo Botanicus Team VW-Immobilien, WOB, Lichtblick Second Hand ausgewertet und in künstlerische Ideen umgesetzt. Die letzte, intensive Phase der Projektrealisierung fand im August und September 2014 statt. Als Proben- und Aufführungsort wurden sechs leer- stehende Läden in der Bürgerpassage in ein Café und Treffpunkt, in eine Schaufensterbühne, eine Pflanzendisko, eine interaktive Videoinstallation, eine Hörstation, einen Seminarraum und einen Tanzperformance Space umgestaltet. In einem performativen Parcours, in den einige aktive Bürger und Bürgerinnen einbezogen wurden, ließ sich das Publikum durch diese Räume führen, wobei es auf dem Weg immer wieder Gelegenheiten zum Mitma- chen fand. Homo Botanicus brachte neues Leben in die durch den Leerstand verwaiste Bürgerpassage. Die Men- schen wurden mit ihren Themen ernst genommen „Homo Botanicus“, Fotos: o.l.: Andreas Kermann, o.r.: Ursula Maria Berzborn, u.: Anton Soloveychik 15
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World café Dialog zumThema Beteiligung Am Nachmittag fanden in entspannter Atmosphäre konstruktive Gespräche zum Thema Beteiligung statt. In Tischgruppen wurden die Fragen diskutiert: Wie kann Baukultur durch Beteiligung gefördert werden? Wie ist Ihre konkrete Empfehlung an das Netzwerk Baukultur in Niedersachsen e.V., um die Beteiligung zu stärken? Auf Initiative einiger Tagungsteilnehmer soll zukünftig in einem neuen Arbeitskreis „Beteiligung“ an dem Thema weitergearbeitet werden. Kontakt Arbeitskreis „Beteiligung“: Sonja Hörster, Institut für Partizipatives Gestalten IPG Oldenburg s.hoerster@partizipativ-gestalten.de 17
KURZBIOGRAFIEN Heike Gundermann Sonja Hörster Renée Tribble Ursula Maria Berzborn Heike Gundermann (Jahrgang 1962) studierte von Sonja Hörster (Jahrgang 1970) ist Landschaftsar- Renée Tribble, Dipl.-Ing. (Architektur), ist Grün- Ursula Maria Berzborn, geb. 1967 in Köln, ist 1981-1985 an der Hochschule für Architektur chitektin, Geschäftsführerin des IPG und seit März dungsmitglied und Gesellschafterin der Planbude freischaffende Regisseurin, Bühnen- und Kostüm- und Bauingenieurwesen in Weimar. Von 1985-90 2017 (Beirats-)Mitglied im Netzwerk Baukultur. Sie Hamburg und freiberufliche Planerin. Seit ihrem bildnerin und Performerin und lebt und arbeitet arbeitete sie als Planerin in einem mittelständigen verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrungen aus Diplom an der Bauhaus-Universität Weimar (2005) seit 1987 in Berlin. 1994 schloss sie als Meister- Bauunternehmen in Arnstadt. Sie schloss von Projekten im Themenfeld räumliche Planung und ist sie freiberuflich in Architektur- und Planungs- schülerin ihr Studium des Bühnenkostüms an der 1988-1990 ein postgraduales Studium an der TH partizipative Gestaltung. Neben der Beratung von büros sowie in internationalen Projektteams tätig. HdK, Berlin ab. 1996 gründete sie die Performan- Dresden zur Gebäudeerhaltung und Stadtsanie- Kommunen und Organisationen sowie der Durch- Ihre Schwerpunkte liegen in informeller Planung, cegruppe Grotest Maru und ist dort bis heute als rung an. Von 1990-1996 war sie Leiterin des Stadt- führung von Planungs- und Beteiligungsverfahren Prozessgestaltung, Verfahrensmanagement und Künstlerische Leiterin, Regisseurin, Ausstatterin, bauamtes in Arnstadt. Von 1994-2008 wurde sie sucht sie nach Wegen, wie die Idee entwurfsori- Beteiligungsprozessen. Sie war wissenschaftliche Managerin und auch als Performerin tätig. Seit als Expertin des Bundesbauministeriums Berlin in entierter Partizipation in verschiedenen Bereichen Mitarbeiterin am Gebiet Städtebau und Quartier- 1999 geht sie mit Grotest Maru auf internationale die Expertengruppe für städtebaulichen Denkmal- der Gesellschaft implementiert werden kann. planung der HafenCity Universität Hambug (2008- Tourneen mit Eigenproduktionen und ortsspezi- schutz berufen. Seit 1996 ist sie Stadtbaurätin in 14) und promoviert über künstlerische urbane fischen Inszenierungen. Seit 2004 übt sie diverse der Hansestadt Lüneburg. Heike Gundermann ist Praxis als Stadtentwicklung. Lehrtätigkeiten aus. Seit 2006 ist sie Vorstands- seit 1996 Mitglied im Bau- und Verkehrsausschuss mitglied des Bundesverbandes für Theater im des Deutschen Städtetages. Öffentlichen Raum. 18
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