Frauenmörderin? - Annotation zum Buch "Caroline H.: Die gefährlichste der Schweiz?" von Carlos Hanimann - Kulturexpresso
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Frauenmörderin? – Annotation zum Buch „Caroline H.: Die gefährlichste Frau der Schweiz?“ von Carlos Hanimann Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Einen recht bizarren Kriminalfall der Schweiz seziert Carlos Hanimann in „Caroline H.: Die gefährlichste Frau der Schweiz?“. Es geht um eine Brandstifterin und vermeintliche Mörderin, die im Dezember 2001 durch das Zürcher Obergericht zu lebenslänglichem Zuchthaus und anschließender Verwahrung verurteilt wurde. Über die inhaftierte Dame wird in der Schweiz in regelmäßigen Abständen berichtet, weil so vieles an ihren Aussagen zu den beiden Frauenmorden, die später zur Verurteilung führten, offensichtlich nicht zusammenpasst. Hanimann begibt sich auf Spurensuche, doch es ist eine Spurensuche des Scheiterns, weil seine Bemühungen von Caroline H. und ihrem Anwalt nicht unterstützt, bzw. behindert werden. Herauszubekommen woran diese Behinderung liegt, ist eine der
schönen Kniffelaufgaben des etwas knapp geratenen Büchleins. Nicht umspannend schildert der Autor seinen Eiertanz um den heißen Brei. Mal hat er einen kompetenten Interviewpartner an der Angel, dann springt er wieder ab. Dann füttert ihn sein Hauptzweifler, ein anonymer Schweizer, mit neuen Infos und weiter geht die Suche nach alternativen Tätern und Motiven. Interessant, aber unbewiesen: Caroline H. hat in Therapie inzwischen von ihren Geständnissen Abstand genommen und die Tötungsdelikte bestritten. Frauen mochte sie nicht nie, Männer auch nicht. Ihre Liebe schenkt sie Katzen, eine Katze ist im Knast ihr wichtigster Bezugspunkt. «Frauen sind manchmal einfach furchtbar zickig und nervig.» Selbst im Gefängnis würden sie sich «auftakeln, schminken, künstliche Nägelchen – aber so sind Frauen halt», sagte sie kürzlich einer Schweizer Zeitung. Bibliographische Angaben Carlos Hanimann, Caroline H.: Die gefährlichste Frau der Schweiz?, 79 Seiten, Verlag: Echtzeit, Basel 2019, ISBN: 3-906-80714-0, Preis: 24 EUR
Funkenflug vom Höhenfeuer in Chur oder Kulturrevolution im Theaterdiscounter in Berlin Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Am 28. September 2019 soll im TD genannten Theaterdiscounter die Kulturrevolution in Berlin ausgerufen werden. So und nicht anders steht es in einer DT-Pressemitteilung vom 23.9.2019, in der es dazu weiter heißt, dass „eine Zukunft ohne den Zwang zur Lohnarbeit und befreit von der Verdummung durch die Datengiganten“ ausgerufen werde. Künstler aller Sparten sollen „prozesserprobt die Führung in eine unbekannte neue Welt der Muße und Verantwortung“ übernehmen. Folgt das Publikum? Oder folgt es nur dem Ruf in die Vorstellung, bei der sich das Schauspiel um die Frage „Wie wird sich die Arbeit in Zukunft verändern und neu gestalten“ zu drehen scheint. Die „eine Art-Fiction von Georg Scharegg & Ensemble“ soll zu sehen und hören sein am 28. und 29.9.2019 sowie am 1. und 2. Oktober 2019, jeweils ab 20 Uhr.
Ihre Weltpremiere feierte diese „Kulturrevolution“ übrigens in der Schweiz und zwar am 9.1.2019 im Rahmen des biennalen Festivals „Höhenfeuer“ am Theater Chur. Dieser Funken des Höhenfeuers sprang offenbar auf Berlin nicht um. Immerhin kommt das Stück auf eine Berliner Bühne. Das höchstgelegene Jazzfestival der Welt – Festival da Jazz St. Moritz 2019 St. Moritz, Schweiz (Kulturexpresso). Das höchstgelegenen Jazzfestival der Welt läuft noch bis zum 4. August 2019. Die Rede ist vom renommierten Festival da Jazz St. Moritz, das seit elf Jahren in einem der elegantesten Kurorte der Welt, inmitten der atemberaubend schönen Berglandschaft des Oberengadins veranstaltet wird. Seit dem 4. Juli 2019 werden auf 1822 über Normalhöhennull Sommerkonzerte gegeben. Wohl wahr, das Festival da Jazz
betrachtet den meist sonnigen St. Moritzer Sommer „als integralen Bestandteil der Happenings“. Deswegen wohl werden „zum wiederholten Mal … Konzerte im Taiswald“ gegeben nach dem Motto „Fuchs, Hase und ein wenig Jazz“. Franco Ambrosetti ehrt mit seinem Preis Anna Känzig und Heiri Känzig St. Moritz, Schweiz (Kulturexpresso). Franco Ambrosetti hat einen Preis gestiftet, der mit 10.000 SFr. dotiert ist. Damit will er Schweizer Musiker ehren, die sich um den Jahh in der Schweizer Eidgenossenschaft verdient gemacht haben, heißt es in einer Pressemitteilung von Cubus Music vom 2.7.2019.
Franco Ambrosetti. © Foto: John Abbott Am 30.7. werde Ambrosetti werde am 30. Juli den diesjährigen Preis persönlich an „Känzig & Känzig“ übergeben, die mit ihrem Album „Sound and Fury“ … auf dem sechsten Platz der Schweizer Charts landeten. Anna Känzig habe sich für „Känzig & Känzig“ mit ihrem Onkel Heiri Känzig zusammengetan. Der sei „international“ einer der „führenden Jazzbassisten“. Zitat: „Was Känzig und Känzig miteinander verbindet, ist ihr offener musikalischer Horizont. Für ihr erstes gemeinsames Projekt haben sie sich als Inspirationsquelle das ‚Great American Songbook‘ ausgesucht.“ Reinhören!
Und vorbeischauen bei dieser Veranstaltung des diesjährigen Festival da Jazz St. Moritz. Ort: Hotel Walther, Via Maistra 215, Pontresina. Zeit: 30.7.2019, Beginn: 16 Uhr, Konzert 17 Uhr. Calanda kommt auf den Geschmack – Zum Kriminalroman „Versuchung“ von Florian Harms Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Privatermittler Calanda, der aufs Suchen von Personen spezialisiert ist und meist findet, fliegt von Hamburg nach Zürich, um von seinen neuen Auftraggebern Informationen einzuholen. Dort kommt der Mann, der „in kenntnisreichen Kreisen einen exzellenten Ruf“ genießt und selbstredend Diskretion groß schreibt, nicht nur buchstäblich auf den Geschmack, sondern setzt selbst dann „ein betont teilnahmsloses Gesicht“ auf, wenn er die Witterung aufgenommen hat. Das Geld des Mannes, der als zuverlässig und vertrauensvoll gilt, kommt von den hohen Herren eines Lebensmittelkonzern,
die in ihrer Gier nach Profit anderen zuvorkommen wollen und niedere Methoden kennen, koste es, was es wollen, um an das Begehrte zu gelangen. In den Geschichten, zu den Florian Harms in seinem Debütroman „Versuchung“ ausholt und die ausschweifend erscheinen mögen, aber im Laufe der Ereignisse und Erzählung zu einem Strang verknüpft werden, der – nebenbei bemerkt – hält, was er verspricht, wird viel gekostet und selbstverständlich kostet das in einem Kriminalroman Menschenleben, die auch die Bewahrer eines der letzten großen Geheimnisse der Menschheit in Kauf nehmen. Dabei soll Calanda, der auch auf den Geschmack kommt, für den Schweizer Lebensmittelkonzern eigentlich nur August Lieblig suchen und finden. Dieser ist auf der Suche nach seinem verschollenen Vater irgendwo über der Wüste Nordafrikas abgestürzt. Wohin ist Lieblig verschwunden – und was hat er über den neuen Geschmack, den das Schweizer Unternehmen gefunden zu haben glaubt und der eine außerordentlich starke Wirkung auf die menschlichen Sinne haben soll, herausgefunden? Nicht nur der Privatermittler, auch die anderen Protagonisten des Thrillers, bei dem der Leser auch etwas über die Errungen- und Machenschaften der Biotechnologie beigebracht bekommt, schlittern von einem Erlebnis zum anderen und treffen auf schillernde Persönlichkeiten zwischen Rommel und Rendite, Himmel und Hölle, Al-Dschadida und Aleppo. Dabei nimmt Florian Harms als wort- und weltgewandter Autor seine Leser zwar mit auf eine Reise von Marokko bis Syrien, wobei er immer wieder zwischen Okzident und Orient wechselt, dass man wir werden möchte, doch es ist eine mit hü und hott,
hin und her. Nicht nur das, Harms hüpft auch durch die Zeiten und führt den einmal gefesselten Leser mit in eine Welt aus Tausendundeine Erzählung, die den in Sachen Morgenland unbeschriebenen (besser: vorverblödeten) Blättern über die literarische Form einen scheinbar leichteren Weg ebnet, um Leute und Länder besser kennenzulernen. Vor dieser Leistung, seine Erkenntnisse, die im Wesentlichen auf Erfahrungserkenntnisse basieren, umgangssprachlich zu vermitteln und also das Verstandene mundgerecht zu erklären, zu erläutern, zu erzählen, damit jeden die nicht nur einfach so hingeschriebenen Happen schlucken kann, sondern auch verdauen, muss man großen Respekt haben. Das bedarf nicht nur Talent, sondern viel Fleiß und also Zeit. In diesem Buch steckt ein gutes Stück Florian Harms, der 1973 geboren wurde und sowohl in Freiburg im Breisgau als auch in Damaskus Islam- und Politikwissenschaft studierte. Dass die Feder des Bildungsbürgers und hauptberuflich tätigen Formulierers hier und da etwas zu bemüht geführt wird, das darf man bei seinem ersten Roman getrost überlesen, denn mit diesem fiktionalen Text dürfte Harms mehr zur Völkerverständigung beigetragen haben als unzählige themenzentrierte Texte Abertausender von Journalisten. Bibliographische Angaben Florian Harms, Versuchung, Kriminalroman, 448 Seiten, Format: 14.5 x 21.0 cm, Verlag: Benevento, ISBN-13: 9783710900570, Preise: 20 EUR (A), 20 EUR (D), 28,90 SFr, E-Buch: ISBN-13
9783710950803, Preise: 15,99 EUR (A), 15,99 EUR (D), 23 SFr Mutter der Nanas – Künstlerin Niki de Saint Phalle wäre 88 Jahre alt geworden Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). 1930 wurde sie am 29. Oktober geboren, im Mai 2002 starb sie 71jährig in La Jolla, einer Community von 50.000 Einwohnern in den USA. 7 Meilen oder 11 Kilometer lang ist die Küstenlinie La Jollas am Pazifik, das zur Stadt San Diego gehört, seit Kalifornien um 1850 ein Staat wurde. Der heutige Bundesstaat der USA gehörte zu Mexiko und war eine Kriegsbeute nach dem mexikanisch- amerikanischen Krieg wie Arizona, New Mexico und andere Provinzen auch. Niki de Saint Phalle hatte es geschafft. Ihr Name und ihre Kunst wurden weltweit berühmt, vor allem in Europa und in den Vereinigten Staaten von Amerika. Besonders herausragend im doppelten Sinne sind riesige bunte Frauenfiguren, die sogenannten Nanas. Wer an einem Ort wie La Jolla seinen Alterssitz hätte, dem stünden lange Sandstrände und felsige Uferbereiche in allernächster Nähe sehr abwechslungsreich zur Verfügung. Hier an der Ostküste des Stillen Ozeans geht die Sonne, so die Wolken es zulassen, immer im Meer unter. Im größten Weltmeer,
das der blaue Planet zu bieten hat. Niki de Saint Phalle und ihr Werk. Zum Beispiel „Hon“ Der Lebensweg von Niki de Saint Phalle war lang und interessant. Sieben Jahrzehnte mit Reisen, von denen man viel erzählen könnte. Sie gewann wichtige Freunde und Mitstreiter in der Kunstwelt und lernte viele Menschen kennen. Zum Beispiel Claes Oldenburg und Martial Raysse. Pontus Hulten hatte sie nach Schweden eingeladen. Im Moderna Museet in Stockholm sollte parallel zur elften Ausstellung des Europarates im Nationalmuseum, „Königin Christina“, eine Skulptur gezeigt werden. Herr Hulten bat die vier Künstler, Jean Tinguely eingeschlossen, sie zu bauen. Da die anderen drei absagten, verhindert waren, oder, wie Tinguely, keine rechte Lust hatten, machte Niki de Saint Phalle es allein. Schweden ist kein armes Land und recht groß. Das stolze skandinavische Königreich war durch seine Erze ziemlich unabhängig und blieb im Zweiten Weltkrieg neutral. Das ‚moderne Museum‘ für moderne Kunst ist nicht klein; die große Halle erst recht nicht. So entstand „HON“ (schwedisch für Sie). „Die größte Nana aller Zeiten“, wie es ihre Düsseldorfer Biographin, die Kunsthistorikerin Dr. Monika Becker ausdrückt. Keine Reise nach Moskau Letztlich machte Tinguely doch mit und Per O. Ultvedt stieß dazu. Doch den dreien fiel nichts ein. Pontus Hulten „wollte die Inspiration beflügeln, indem er den Künstlern anbot, ein paar Tage nach Moskau zu reisen“. Vielleicht dachte Hulten an die Zwiebeltürme, die den Rundungen der Nanas in nichts nachstehen. Die Erlöserkirche in Leningrad, wie Sankt Petersburg damals noch hieß, ist ein Beispiel für den beeindruckenden Gebrauch der Farben. Auch in der russischen Hauptstadt gibt es
unzählige kunsthistorische Beispiele. Die Petersburger Kirche ist von so einer beeindruckenden Schönheit und Andersartigkeit, dass sie aus einer anderen Welt zu stammen scheint. Staunend hält man an und ein. Ähnlich wie die Sagrada familia in Barcelona, sind das die Orte, wo Kunst Ehrfurcht bewirkt – und Transzendenz. „Leider wurde nicht daraus“. Aus der Reise in die Sowjetunion, schreibt Dr. Becker. Also blieb Niki de Saint Phalle bei den Farben aus Henri Matisses Palette. Hellgrün, Gelb, Blau, Rot und Orange. Ergänzt durch ein leuchtendes Rosa. Für Sprachverführte und - verirrte: Rosa ist das, was viele heute „pink“ nennen. Dazu kam an einigen Stellen Schwarzweiß. Zeitdruck und Zufälle Das Problem, rechtzeitig zur Ausstellungseröffnung im Moderna Museet fertigzuwerden, löste Pontus Hulten. Er schlug eine Nana vor, die die ganze Museumshalle ausfüllen sollte. Höchste Eisenbahn. Bis zum Eröffnungstermin 9. Juni waren nur noch 6 Wochen geblieben. Da die Halle sich in die Waagerechte erstreckt, musste „SIE“ liegen. Fast 27 Meter lang sollte sie werden und von innen begehbar! „Oberweite: 24 Meter.“ In anderthalb Monaten hätte die drei Künstler – ja, zwei Künstler und eine Künstlerin verflixt – das nie allein schaffen können. Tinguely leitete andere an. Wieder wurde Pontus Hulten aktiv. Er wohl mehr als die Künstler war in der Verantwortung, wenn sein Stadion erst nach den Olympischen Spielen fertig geworden wäre. Er organisierte eine Mannschaft. Darunter Rico Weber. Der war auch aus der Schweiz. So ein Zufall. Doch damit nicht genug: Weber, der sich zu dem Zeitpunkt als Koch in der Snackbar des Museums etwas dazuverdiente, war Künstler. Als deutsch und französisch sprechender Künstler war die Kommunikation im
fernen Schweden kein Problem. Jetzt hatte er für die nächsten zehn Jahre einen Job; solange arbeitete er nämlich dann mit Tinguely und de Saint Phalle zusammen. Im Register der Beckerschen Biographie taucht er allein zwölfmal auf. Kopfkino? Nein, Kino im linken Arm In einem Arm war ein kleines Kino vorgesehen mit genau einem Dutzend Plätze. Es sollte immer derselbe Streifen gezeigt werden. Gretas Garbos erster Film. „Luffarpetter“. ‚Luffar- Petter‘ bedeutet „Peter, der Vagabund“. Der mittellange Stummfilm von 1922 ist ein Slapstickkomödie. Ein Stummfilm, versteht sich. Dieser Spielfilm ist nie in Deutschland in die Kinos gekommen und wurde auch im Fernsehen nie gezeigt. Manchmal lohnt es sich eben doppelt, nach Schweden zu fahren. Big Brother oder Kein Datenschutz auf der Liebesbank Verschiedenes für Kinder und Erwachsene fand im Innern Platz. Ein halbes Tausend Besucher täglich hatte man eingerechnet, 1.800 wurden es. Ein Kritiker hatte sich sehr positiv geäußert und so strömten ein Vierteljahr lang die Leute nur so ins Museum. Und das, obwohl es einen klaren Bruch des Datenschutzes, der Privatsphäre gab. Die Datenschutzgesetzgebung war um 1970 noch nicht so ausgefeilt. Im Knie gab es die „beschallte Bank der Verliebten“ mit beleuchtetem roten Samt. „Von der Liebeslaube aus hatte man einen Ausblick auf die Galerie der Fälschungen, daneben ein Münzfernsprecher. Das Geflüster der Liebenden wurde heimlich per Mikro in die Colabar in der rechten Brust übertragen.“
„Die Idee für diese Indiskretion hatte man aus der phantastischen Grottenarchitektur aus dem italienischen Orsini-Park in Bomarzo. Dort trug der Schall das, was im Innern des Felsenraumes geflüstert wurde, nach draußen in den Park.“ Leergut ohne Pfandrückgabe „Das Leergut der Flaschen aus der Cola-Bar wurde einer komplizierten Maschine im Verdauungstrakt zugeführt, die es zermalmte.“ Gebaut, na klar, von Jean Tinguely, dem Maschinenbauer. Selbst in Malmö würde so etwas heute nicht mehr durchgehen. Wo das Überleben der Welt gefährdet ist, werden Solarzellen, Recycling und Kreislaufdenken Existenz-entscheidend. Kleinkopferter Großkörper Weitere Attraktionen waren ein bewegliches Holzgehirn im Kopf, eine Radioskulptur in der Nana-Hüfte, in der linken Brust ein Planetarium. Im Herzen den „Mann im Schaukelstuhl“ von Ultveldt. „Daß man in der Tatsache, die Figur durch das Geschlecht betreten zu müssen, absolut nichts Pornographisches zu sehen habe, wurde explizit auf der Innenseite des rechten Oberschenkels notiert.“ Warum dort? Nun zum einen war das neben dem Eingang. Viele mussten warten. Eine rote Ampel regelte den Verkehr. Waren 150 Menschen im Innern, mussten sich die anderen die Füße vertreten. „Ein Blick durch ein beleuchtetes Aquarium mit Goldfischen und ein versilbertes Schaufelrad einer Wassermühle verwandelte“ eventuell aufkommende Unruhe, Ungeduld und Unwillen in Ruhe und „Neugierde“. Zum anderen stand der Hinweis auf einem schwarzen Streifen, der sich als Strumpfband interpretieren ließ: „Honi soit qui
mal y pense“. Der englische Hosenbandorden benutzt diesen französischen Vers, der auf deutsch bedeutet: Ein Schelm sei, wer Schlechtes dabei denkt. „Die Anregung, den Eingang mit einem Leitspruch zu versehen, hatte man von dem Höllenmaul aus dem Heiligen Hain von Bomarzo bekommen.“ Es trägt die Inschrift „Ogni pensiero vola“. Was blieb von „IHR“, von „HON“? Nur der Kopf blieb erhalten. Dass er so klein war, löste Diskussionen aus. Alle Köroerteile, die sie mit Emotionen verbunden sah, betonte Niki de Saint Phalle. Neue Neuro-Forschungen strafen sie lügen. Ohne Kopf kein Gefühl, steuert doch die Hypophyse mit Hormonen alles. „HON“ hatte Folgen – für die Theaterbühne Dass Niki de Saint Phalle nicht nur wahrgenommen wurde und polarisierte, sondern auch inspirierte und aufgegriffen wurde, zeigt das Beispiel von „LYSISTRATA“, der Aristophanes-Komödie, im nordhessischen Kassel. Den jungen Regisseur Rainer von Diez inspirierte das berühmte Pressephoto, das das Publikum in einer Warteschlange zwischen den monumentalen Beinen der HON abbildet. Das athenische Volk sehnt sich nach Frieden. Er wird durch die List der „Heeresauflöserin Lysistrata“ erzwungen. „Sie überredete alle Frauen Griechenlands, in den Liebesstreik zu treten“ – gemeint ist natürlich Sexualiät – „bis ihre Männer Frieden schlössen“. Niki de Saint Phalle baute dann in Kassel eine 10 Meter große Nana im Theater. Diez hatte Erfolg: „LYSISTRATA“blieb ausverkauft.
Rundungen im Freien Niki de Saint Phalles Werke stehen heute in vielen Museen oder im Freien. Einiges schuf sie allein, anderes mit anderen zusammen. Als Frau wurde sie von Feministinnen besonders wahrgenommen. Ihr Tun verstand sie jedoch selbst auch frauenbefreiend. Die erste zusammenfassende deutschsprachige Biographie erschien mit ebendiesem Hinweis 1999 und 2001 als Taschenbuch. Das Paperback wurde in den drei Jahren der Abschaffung der D- Mark in mindestens drei Auflagen gedruckt. Und das zu einer Zeit, als das gedruckte Buch bereits ernsthafte Konkurrenz erhalten hatte und das ebook am Horizont drohte. 2001, im ersten Jahr des neuen Jahrtausends (das Jahr 2000 gehört ja zum 20. Jahrhundert), war das deutsche Buch also im Schnitt schon einmal jährlich gedruckt worden. Das ist umso bemerkenswerter, als dass es noch zu de Saint Phalles Lebzeiten geschah. Natürlich erfuhr die Künstlerin posthum, ab Mai 2002, nochmals eine gewisse Aufmerksamkeit. Das phantastische Paradies „Le Paradis Fantastique“ (sprich Le paradi fantastiehk, alles hinten betont) ist in Zusammenarbeit Saint Phalles mit dem Frankoschweizer Jean Tinguely in den Jahren 1967-1971entstanden. Die beiden kollaborierten immer wieder. Dieses Werk ist ein gemeinsames Frühwerk. Es brachte den beiden den Durchbruch. Die Expo 2000 in Hannover und der damit verbundene Schuldenberg sind nur ein Abglanz früherer Weltausstellungen. Viele kennen diese Phase vielleicht nur von der Innenseite eines Flakons Kölnischwasser. In einer Zeit. Als Reisen nicht so selbstverständlich und preiswert war, wirkten die Weltausstellungen und die Berichte darüber in den Zeitungen wie Magneten. Die Ausstellungen waren auch ein Anlass, in die Zukunft zu
weisen oder etwas für die Zukunft zu hinterlassen. Das Atomium in Brüssel und der Eiffelturm sind solche Wahrzeichen. Montreal hatte sich 1967 zum Ziel gesetzt, „einem neuen Weltbild zur Reife zu verhelfen, einem Weltbildes totalen Engagements, zu dem der schöpferische und soziale Mensch fähig ist“. Was wäre für die Neuen Realisten der Nouveaux Réalistes ein besserer Anlass für eine Beteiligung gewesen? Doch zuerst musste der Auftrag an Land gezogen werden. Das erledigte die kämpferische Niki. Die Französischkenntnisse des Künstlerduos waren nicht nur in Paris, sondern auch in der Schweiz und in Quebec, dem französischsprachigen Osten Kanadas, von Vorteil. Letztlich gelang es. Die französische Regierung erteilte einen exklusiven Auftrag für eine Außenskulptur, den Dachgarten des französischen Pavillons. Tinguelys schwarze Maschinen griffen quasi die bunten Riesenfiguren de Saint Phalles an. Seit Radha und Krishna, wie Lakshmi und Narayan in ihrer Kindheit hießen, gehört necken wohl dazu. Der indische Tanz drückt das mit verschmitzten Blicken und vielerlei Gesten bis heute aus. Die Kosten des Ruhms Das Konzept wurde verstanden und kam an. Zu dem großen Erfolg des PHANTASTISCHEN PARADIESES trug bei, dass der französische Pavillon beim Publikum der Welt nicht gut aufgenommen wurde. Dabei war er der größte auf der Expo und hatte acht Ebenen. Doch wurde er als zu schwer und kompliziert empfunden. Dagegen der Kontrast, wenn man auf das Dach hinaus kam. Die Fröhlichkeit der bunten Figuren, obwohl von dunklen Maschinen bedrängt, und das bei Tageslicht und frischer Luft muss wie eine doppelte Befreiung gewirkt haben nach acht Etagen bedeutungsschwangerer Schwere. Wie sehr ein Künstler unter den Ausgaben für das Material zu leiden hat, dafür ist das phantastische Paradies ein Lehrbeispiel. Zwei Tonnen Polyester und 300 Kubikmeter
Schaumstoff verarbeitete de Saint Phalle für die neuen Skulpturen auf dem Pavillon-Dach. De Gaulle hatte zwar das beauftragt, die Finanzierung war damit aber nicht abgesichert! Anschließend kaufte das Ministerium für Kunst und Wissenschaft vier Figuren. 80.000 DM. Immerhin. Die Materialkosten waren damit eigentlich nicht gedeckt, geschweige denn die Kosten für Produktion und Transport. Aber das nordamerikanische Publikum liebte das „Paradies“. Nach der Expo ‘67 in Montreal verließ es Kanada, ging nach nach Buffalo in den Innenhof einer Galerie und dann 1968 in den Central Park in Manhattan, New York. De Saint Phalle und Tinguely überließen es dann dem Moderna Museet. Sammler aus Texas bezahlten des Transport aus den Vereinigten Staaten von Amerika nach Schweden. Bibliographische Angaben Monika Becker: Starke Weiblichkeit entfesseln. Niki de Saint Phalle. In der Reihe „Rebellische Frauen“. Als List- Taschenbuch im Econ Ullstein List Verlag GmbH und Co. KG München 2001. Copyright 1999/2001. Anhang, Quellen, literatur, Register, 249 Seiten. „Originalausgabe“ Titelabbildung: Thilo Tuchscherer – „Schutzengel“ in der großen Halle im Hauptbahnhof Zürich
Zugfälltaus. Berlin hat einen neuen Stadtteil. Mindestens. Ring und Zug fällt aus Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Kennen Sie die Geschichte von Herrn Kannitverstahn? Macht nichts. Mein Vater hat sie mir mehrfach erzählt, in größeren zeitlichen Abständen und mit Variationen, wie es sich für mündliche Überlieferung gehört. Das Nibelungenlied Mittelasiens, das Manas-Epos aus Kyrgystan, wurde Jahrhunderte und Jahrtausende nur mündlich überliefert, bis es vor (relativ) kurzer Zeit erstmals niedergeschrieben wurde. Herrn K. verschieben wir auf später. Hier geht es um einen neuen Stadtteil. Die Berliner S-Bahn kommt ab und zu zu spät. Kann ja mal vorkommen, denkt der nachsichtige Beobachter. Der nachsichtige Fahrgast dachte das auch – vor ein paar Jahren. Inzwischen ist die Geduldsleine gerissen und man macht sich Luft. Irgendwie hat man das Gefühl, die S-Bahn kriegt‘s nicht hin. Wobei: Dahinter steht die Bahn. Die Deutsche Bahn. Die ist inzwischen ein Unternehmen. Unter den deutschen Tugenden wird die Pünktlichkeit genannt, sowohl von befragten Ausländern wie auch von Deutschen. Manchmal hat man das Gefühl, dass im Rahmen der Globalisierung auch diese verlorengeht. Vielleicht sollte man die Schweizer bitten, in Zürich und Luzern, in Basel und Bern die Flagge der Pünktlichkeit hochzuhalten. Ein bisschen deutsch sind sie ja, zumindest sprachlich. Die Standarte Pünktlichkeit ist einfach zu schwer geworden und muss einmal kurz abgesetzt werden. Berlin hat einen neuen Stadtteil? Über die Größe Berlins wurde manches geschrieben. Gemeint ist
hier die schiere Größe der Stadt Groß-Berlin (size) und nicht ihre greatness. Dadurch und durch die Zusammenlegung kleinerer Orte mit Berlin zu dem Groß-Berlin, das wir heute haben, wenn es auch fast niemand korrekt so nennt, gibt es von allem mehr. Mehr als in anderen – deutschen – Städten. Manchmal auch europäischen. Mehr Brücken als in Venedig, hört man von Stadtführern. Manche sagen auch: mehr als im Hamburg. Mehr Straßen, mehr Straßennamen (sogar „Berliner Straßen“), mehr Rathäuser … Mehr Stadtteile? Das wurde noch nicht verifiziert oder geprüft, soviel wir wissen. Doch schon bevor die Stadtteilzähler ihren Bleistift spitzen und die Möchtegern- Wikipedia-Autoren abstruse Vergleiche anstellen, sind ein oder zwei neue Stadtteile hinzugekommen. Berlin hat einen neuen Stadtteil? Das wüsste ich, werden manche denken – oder interessiert aufhorchen. Vorm Flaneur Franz versteckt Franz-Hessel-Buch aus dem Berliner Verlag „das Arsenal“. „Ein Flaneur in Berlin“ ist ein Nachdruck (Reprint). Das Konzept des Flaneurs, wenn auch teils nur oberflächlich verstanden, ist am Leben geblieben. © 2019, Foto/BU: Andreas Hagemoser
Zumindest handelt es sich um einen neuen Stadtteil, den der Flaneur Franz Hessel noch nicht entdeckt hat. Neu muss er also sein, vielleicht auch neo. Schwarz auf weiß hört man von ihm nicht oder wenig, wenn, dann in „der App“. Vielfahrer in Berlin und alle, die es aufgegeben haben, Parkplätze zu suchen, da diese immer seltener werden – 20% des Stickoxidausstoßes entfallen auf den Parksuchverkehr, erfuhren wir jüngst bei Maybrit Illner – meinen meist die App vom VBB; manche „Öffi“. Virtuell gibt es ihn also schon, einen neuen Stadtteil. Nicht schwarz auf weiß, sondern Weiß auf Blau leuchtet er uns entgegen, der neue Ort. Auf manchem Bahnhof finden wir den Hinweis (und im Zug). Die Berliner S-Bahn, zurzeit von der Deutschen Bahn verwaltet, steuert ähnlich wie die U-Bahn der BVG Orte an. Die in London hilfreichen Hinweise „southbound train“ oder „northbound“ für Züge, die nach Süden respektive Norden fahren, gibt es in Berlin nicht. Man muss schon genau wissen, wo man hin will – und, wichtiger noch – wie der Ort heißt. Wegen der kürzeren Distanzen zwischen zwei U-Bahnhöfen – im Vergleich mit der S-Bahn – heißen Stationen der Untergrundbahn oft nach Straßen, Plätzen oder Rathäusern. Bei der S-Bahn gibt es das auch (Osdorfer Straße, Yorckstraße, Rathaus Reinickendorf). Häufiger sind allerdings S-Bahnhöfe mit Ortsnamen, die Viertel oder Bezirke benennen. Außerhalb von Berlin fahren die S-Bahn-Züge auch Städte wie die brandenburgische Landeshauptstadt Potsdam oder mit der S46 Königs Wusterhausen an, das allen Unkenrufen zum Trotz mit seinen über 36.000 Einwohnern auch eine Stadt ist. Manchmal kann man es lesen, meist jedoch hört man nur von dem einen neuen Stadtteil Ring. Da heißt es zum Beispiel: „S41 nach Ring“.
Berlin hat einen neuen Stadtteil oder: Wo liegt Ring? Zug fällt aus. Ring @ (am 29.10.2018 um 17.22 Uhr) © Foto/BU : Andreas Hagemoser, 2018 Ausländer, Touristen und fleißige Appbenutzer – manche scheinen sich aus praktischen Gründen das Handy schon an die Nase haben nähen lassen – suchen unverzüglich online nach diesem Ort. GPS wird eingeschaltet und die vier Buchstaben des kurzen Wortes werden geschwind eingetippt: R I N G. Kein Ergebnis; außer vielleicht: Kaufen Sie „Ring“ bei Otto o.ä. Nun ist Berlin ja bekanntlich aufgrund der schieren Anzahl seiner Stadtbezirke und Kieze darauf angewiesen, immer wieder neue Namen zu finden. Ganz normale Wörter, die auf deutsch oder englisch eine Bedeutung haben wie „Mitte“ oder „Wedding“, werden hier zu Bezirken und Ortsteilen. Jetzt anscheinend auch „Ring“. Sogar die S-Bahn fährt schon dahin. Ganz so neu scheint der Berliner Ort doch nicht zu sein, doch wo befindet er sich? Such, such. Menschen scheinen dort auch zu wohnen, heißt es doch „innerhalb des Rings“ oder: „Wer außerhalb des Rings wohnt, braucht keine Umweltplakette“. Während der Ring der Nibelungen
schon mal verballhornt wurde als „Ring, der nie gelungen“, sogar in Buchform, ist der Berliner Ring in den 1990er Jahren (wieder-) erbaut worden. Doch einfach nur die Ringbahn, die historisch älter als die S- oder Stadtbahn ist, kann nicht gemeint sein. Denn es heißt ja ausdrücklich nicht: „S41 Ringbahn“ oder „Ringbahn S42“. Nein, es heißt „S41 nach Ring“. Genauso, wie es „S9 nach Spandau“ heißt. (Jetzt mal ohne die Diskussion, ob das eine Stadt sei.) Ring oder den Ring muss es also geben wie den Wedding oder Mitte. Bitte. Bei wem es noch nicht klingelt, der fahre einfach mal auf der Ringbahn und warte an einem Bahnhof, bis zwei Züge nacheinander „nach Ring“ fahren. Da steht dann „Ring, Ring“ (zu deutsch: „klingeling“) und zumindest die Engländer, Kanadier und US-Amerikaner wachen dann auf. Eigene Welt mit eigener Sprache Auch die Berliner S-Bahn ist eine eigene Welt, so wie ihre Mutter Erde, die Deutsche Bahn. Die Deutsche Bahn, die alles kann. Sie spricht sogar eine eigene Sprache, wie sich das für Länder und andere Welten so gehört. Berlin hat anscheinend einen neuen Stadtteil, einen ganz neuen. Doch: Wo liegt Zugfälltaus?
Zug fällt aus. Signalstörung in Wannsee. S7 Potsdam nur im 20- Minuten-Takt. Alltag bei der Berliner S-Bahn? © Foto/BU : Andreas Hagemoser, 2018 In der Nähe der Zugspitze? Oder doch weiter hinten? Vielleicht liegt Zugfälltaus eher querfeldein. Denn ein Zug fährt da einfach nicht hin. Obwohl die Bezeichnung immer wieder, sehr häufig sogar, im Zugzielanzeiger auftaucht. Man sollte mal mit einem SUV hinfahren, einem Geländewagen. Viele haben ja auch Navi an Bord, da könnte man auch gleich versuchen, das Ring-Rätsel zu lösen. Da wird es dann wahrscheinlich nicht heißen: „Bitte biegen Sie jetzt rechts ab!“, sondern eher: „Bitte fahren Sie jetzt im Kreis!“ Niki Lauda, der Rennfahrer und Organisator der Fluglinien Laudamotion und Niki Luftfahrt GmbH, hatte 1979 in Kanada die Worte ausgesprochen, die in die Geschichte eingingen: „Ich will nicht mehr im Kreis fahren“. Sich ewig im Kreis bewegen und nicht vorwärtskommen, ist ja auch eher eine Schreckensvorstellung. Positiv betrachtet das Leben darstellend ist „Der ewige Kreis“
– ein Lied aus dem Musical „König der Löwen“ von Jocelyn B. Smith (The Circle of Life). Der Pilot konzentrierte sich dann auf die Fliegerei und gründete im selben Jahr Lauda Air. Er war schon immer sehr schnell und wollte dann auch ein Ziel erreichen und nicht ewig im Kreis fahren. Niki Lauda kehrte 1982 wieder in die Formel 1 zurück, um seinem Unternehmen mehr Geld zu verschaffen. Auf dem Nürburgring hatte er 1976 einen schweren Unfall gehabt. Autos und Fliegen sind seine beiden großen Leidenschaften. Laudamotion begann als Autovermietung. Wer weiß, würde Niki Lauda Züge managen, vielleicht hieße es dann seltener: Nächster Halt „Zugfälltaus“. „Klänge statt Klingen“ – Musik im Dreißigjährigen Krieg beim 13. Wittenberger Renaissance-Musikfestival Wittenberg, Sachsen-Anhalt, Deutschland (Kulturexpresso). Der Dreißigjährige Krieg, der vor 400 Jahren begann und von 1618 bis 1648 um die Herrschaft im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation und somit im Zentrum Europas ausgetragen wurde, begann mehr oder weniger mit dem Prager Fenstersturz
und endete mit dem Westfälischen Frieden beziehungsweise damit, dass die geschwächten Habsburger gestutzt wurden und sich allerlei Leute auf ihrem Land davonmachten. Die einen Deutschen machten auf Niederlande, die anderen auf Schweiz. Hinzu kamen Überläufer vor allem zu den Franzosen und Schweden. Dem deutschen Kaiser wurden Rechte entzogen und auf den Reichstag übertragen. Das deutsche Volks- und Kinderlied „Maikäfer flieg“ überdauert bis heute im kollektiven Gedächtnis der Deutschen und steht für deren Niederlage, denn nicht nur „Pommerland“ war in 30 Jahren Krieg, der in Wahrheit aus vielen Kriegen bestand, die 30 Jahre im Herzen Europas stattfanden, abgebrannt. Viele Lieder wurden gesungen und gespielt. Zu hören werden einige auf dem 13. Wittenberger Renaissance-Musikfestival sein, das vom 26. bis 31. Oktober 2018 in Wittenberg am Nordurfer der Elbe im Osten des Bundeslandes Sachsen-Anhalt stattfinden soll. Laut Veranstalter Wittenberger Hofkapelle e.V. in Kooperation mit Wittenberg-Kultur e.V. seien elf Konzerte, zehn Kurse für Instrumentalspiel und Tanz, ein historischer Tanzball sowie eine Instrumentenausstellung geplant. Dieses Festival der Alten Musik, zu dem die gastgebende Wittenberger Hofkapelle lade, stünde laut Pressemitteilung vom 17.7.2018 unter dem Motto „Klänge statt Klingen“. Das klingt gut. Wie die Hofkapelle und Wittenberger Renassancemusik an historischen Orten klingt, das müssen wir uns anhören. „Die Musiker, allen voran der Festivalleiter und Gründer der Wittenberger Hofkapelle Thomas Höhne“, sollen „aus einer Fülle an geistlicher und weltlicher Musik“ ausgewählt haben. „Neben Auszügen aus den ‚Kleinen Geistlichen Konzerten‘ von Heinrich Schütz erklingen u. a. Battaglie und Lamenti von Claudio Monteverdi und Heinrich Ignaz Franz Biber, irische und englische Tänze der Renaissance und Liebeslieder von Heinrich
Albert und Thomas Selle. Denn auch zu Kriegszeiten wurde getanzt, geliebt und gelacht – sei es auch nur für kurze Zeit.“ „Nur für kurze Zeit“? Wenn dumme Leute schreiben und ihr Geschreibsel veröffentlichen dürfen, dann kommt das dabei heraus. Denn dass in den 30 Jahren zwischen Prager Fenstersturz und Westfälischem Frieden mehr getanzt, geliebt und gelacht als die Klinge gewetzt wurde, das darf hier und heute jeder wissen, der Sozial- und Geisteswissenschaften im Allgemeinen und Geschichtswissenschaft im Besonderen mit heißem Bemühen studierte. Sie haben es getan! Niedersachsen führt mit dem 31.10. einen neuen Feiertag ein Berlin/ Hannover, Deutschland (Kulturexpresso). Neue Feiertage einzurichten, ist in der Bundesrepublik Deutschland gerade Mode. Das Land Berlin überlegt noch und beteiligt seine Bürger und die Presse an der Diskussion. Feiertag: ja, bitte, aber wann? Niedersachsen hat entschieden: in Zukunft gibt es jedes Jahr in diesem nördlichen Flächenstaat 9 Feiertage, statt 8.
Man feiert die Reformation vom 31. Oktober 1517, die zur lutherischen Kirche führte, zu Evangelischen und Protestanten. Manch anderer Teilstaat Deutschlands feiert den Reformationstag bereits. So das Bundesland Brandenburg. Zur Freude der Brandenburger, die gern Ende Oktober zum Einkaufen in die Hauptstadt fahren. Diese ist ganz vom ostdeutschen Brandenburg umschlossen, so dass der Zugang leicht fällt, zumindest seit Maueröffnung 1989. 8. März oder 17. Juni – welches wird der neue Berliner Feiertag? Berlin will laut Regierendem Bürgermeister Müller auch einen Feiertag einführen. Der 8.3., 17.6. und 31.10. waren und sind im Gespräch. Gegen den 31. Oktober spricht, dass Berlin dann viele Einnahmen von den Shoppingtouristen aus Cottbus, Rheinsberg und Frankfurt an der Oder fehlten. Noch ist Berlin nicht schuldenfrei, obwohl trotz Zinszahlungen Schritte in die richtige Richtung unternommen wurden und die Zahl der Minus- Milliarden sinkt. Für den 17. Juni spricht, dass dieser in den 70er und 80er Jahren bereits gesetzlicher Feiertag war – auch in Berlin (West) – und sich auf Ereignisse bezieht, die in Leipzig und der DDR, vor allem aber auch in Berlin passiert sind. Die Weltnetz-Enzyklopädie Wikipedia vermerkt im Artikel „Aufstand vom 17. Juni 1953“: „Der 17. Juni war von 1954 bis zur deutschen Wiedervereinigung 1990 als „Tag der deutschen Einheit“ der Nationalfeiertag der Bundesrepublik Deutschland; er ist weiterhin Gedenktag.“ Der Reformationstag, der 2017 per Gesetz überraschend bundesweit dekretiert wurde – von einigen auch begangen – sollte einmalig so gefeiert werden. Läuft es jetzt so wie bei der PKW-Maut? Jahrelang stand sie außer Frage. Nach Einführung der LKW-Maut wurde eine eventuelle PKW-Maut dementiert und abgestritten. Niemand hatte die Absicht, eine PKW-Maut
einzuführen. Und nun ist sie da. Warum ein neuer, zusätzlicher Feiertag? An alten Pfründen rütteln, trauen sich auch Politiker nur selten. Die bereits bestehenden gesetzlichen Feiertage in Niedersachsen und Berlin bleiben also. Wie kommt es aber, dass plötzlich mehr oder weniger aus heiterem Himmel Feiertage „dazugebucht“ werden, werden sollen? Ein Grund könnte das Ungleichgewicht innerhalb der föderalen Struktur Deutschlands sein. Der Freistaat Bayern feiert dreizehnmal. Trotzdem bietet Horst Seehofers Heimat neben dem Ländle die besten Wirtschaftsergebnisse Deutschlands. Obwohl weniger gearbeitet wird. Wie das? Vielleicht denken sich die Landesregierungen in Hannover und Berlin: „Wir wollen mehr wirtschaftlichen Erfolg und mehr Steuereinnahmen. Bayern hat ihn – und viele Feiertage. Vielleicht besteht ein Zusammenhang? Lasst uns mit der Zahl der freien Tage gleichziehen, dann wird auch die Landeskasse gefüllt.“ So naiv sind wohl doch auch die Politiker nicht. Feiertag statt Gehaltserhöhung? Was ist dann der Grund? Vielleicht folgendes: Berlin laufen die fähigen Beamten weg. Spätestens seit der Flüchtlingswelle 2015 fehlen Lehrer, doch auch in der Polizei und an anderen Stellen, sogar in den Bezirksämtern hapert es. Auch Spitzenpositionen sind schlecht zu besetzen mit subdurchschnittlichen Gehaltsangeboten. Wer schon da ist, wandert ab. Freie Stellen können einfach nicht besetzt werden, zudem in der gegenwärtig wirtschaftlich guten Situation. Auf dem Arbeitsmarkt finden Unternehmer seit Monaten nicht mehr alle, die sie suchen. Staatliche Institutionen geraten dadurch noch mehr ins Hintertreffen. Der Pillenknick wird sich bemerkbar machen. Die
jetzt verrenteten Jahrgänge sind noch geburtenstark. Ab Jahrgang 1965 wendet sich das Blatt weiter. Dann wird es nicht „Fachkräftemangel“ heißen, sondern „Arbeitskräftemangel“. Allen opportunistischen Beteuerungen zum Trotz füllen Flüchtlinge nicht die Lücken. Zudem vor allem die Syrer bald zurückwollen; der Bürgerkrieg scheint so gut wie zu Ende. Weder sprachlich noch von der Qualifikation her wird im großen Maßstab ein Schuh daraus. Aber schon heute muss die Verwaltung ihre Probleme lösen. Angleichung der Löhne an bayerische Verhältnisse ist unmöglich; gleichzeitig steigen die Berliner Mieten und es fehlt an allen Ecken und Enden Wohnraum, vor allem bezahlbarer. Der Neubau hinkt seit Jahren hinterher, nur Luxusobjekte werden stark angeboten. Die Vorzüge einer Hauptstadt allein ziehen nicht. Dann wenigstens Freizeitausgleich. Was war die Reformation, nach der der neue Feiertag benannt ist? Reiche und Religionen scheinen die Tendenz zu haben, sich im Laufe der Weltgeschichte immer weiter aufzuspalten. Syrien, der Irak und Saudi-Arabien – alles Teile des Osmanischen Reiches. Indien umfasste auch Pakistan und Bangladesh. Die Sowjetunion war mit Riesenabstand der größte Staat, gebar viele neue Staatenkinder vom Baltikum bis Mittelasien. Der Islam erlebte ein Schisma, im Buddhismus gibt es ein großes und kleines Fahrzeug sowie Theravada. Der Hinduismus ist nur homogen, weil er seinen Gründer nicht kennt und sowieso in viele Splitter aufgespalten. Das Christentum kannte West- und Ostkirche. Doch 1517 war es mit der Einheit der Westkirche vorbei. Die Reformation oder „Erneuerung“ bis zum westfälischen Frieden von 1648, der den verheerenden Dreißigjährigen Krieg beendete, schuf streng genommen drei Konfessionen. Die alte Richtung hieß fortan katholisch, die
neuen lutherisch und reformiert. Die heutigen Mitgliederzahlen lassen infragestellen, ob sich die Erneuerung überhaupt „gelohnt“ hat. Weit über 1,2 Milliarden Katholiken gibt es, noch nicht mal ein Dreiviertel Hundert Millionen evangelische Christen lutherischer Prägung, von den Reformierten ganz zu schweigen. Sie datieren auf 1522 zurück. Ein Wurstessen während der Fastenzeit sollte die Nichtbefolgung menschlicher Gesetze repräsentieren. Die starke zahlenmäßige Ausbreitung der Katholiken ist vor allem der Mission und dem Kolonialismus geschuldet. Lateinamerika spricht portugiesisch und spanisch, denkt katholisch. Die Reformation spricht – grob zusammengefasst – deutsch. Auch in der Schweiz. (Die Hochburgen der Reformierten waren Zürich, Genf, die Kurpfalz und Schottland.) Feiertag in deutschen Landen Kein Wunder, dass man das Ereignis in deutschen Landen feiern will. Doch passt das in die Zeit? Die während des Nationalsozialismus eingeführte Kirchensteuer entbehrt mancherorts ihrer legalen Grundlage, müssen doch 55% Gläubige vorhanden sein. Viele Kirchen werden an andere Konfessionen verkauft oder entwidmet. Ausgerechnet jetzt neue gesetzliche, religiöse Feiertage? Wegen der Macht der runden Zahl? Das Dogma des Jubiläums, das auch die Briefmarkenausgaben der Deutschen Bundespost und Deutschlands fest im Griff hat? Oder wird hier über den Kopf hinweg etwas entschieden, was bei einer Volksabstimmung keinen Bestand hätte? Oder wenn doch, so nur wegen des einen arbeitsfreien Tages? Reformationstag 2017: Freier Eintritt ins Cinemaxx 7 – Rosaana Velasco ante Portas! Kunst im Kino: „Breaking Religion – 500 Jahre Reformation“ in Berlin
Feiertagsbedarf? Stalins Tod und die Folgen. Film „The Death of Stalin“ erhellt.- Gesammeltes Schweigen – gerät der 17. Juni in Vergessenheit? Brauchen wir wieder einen Feiertag? Gisela Breitling: Künstlerin, Autorin und Frauenrechtlerin Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Keine Ahnung, warum jetzt fast alle alten Leute an Demenz erkranken. So erging es auch Gisela Breitling. Man kann ihr nicht vorwerfen, unbewusst gelebt zu haben. Nein. Sie hat sich ausgedrückt. Sie malte; und sie schrieb. Was sie nicht tat: Gisela Breitling schwieg nicht. Künstlerin, Autorin, Feministin – alles richtig, um sie zu charakterisieren. Alter schützt vor Torheit nicht, vor Alzheimer erst recht. Ende der 80er fasste ein Stuttgarter Verlag Breitlings Wirken so zusammen: Gisela Breitling, 1939 in Berlin geboren, 1962-68 Studium an der Hochschule für Bildende Künste Berlin 1968 Stipendium des Institut Francais de Berlin für Paris
Ernennung zur Meisterschülerin 1977/78 Stipendium Villa Massimo, Rom seit 1965 zahlreiche Einzel- und Gruppenaustellungen im In- und Ausland zahlreiche Textveröffentlichungen* die Künstlerin lebt in Berlin. In der obigen Zeile irrt der Verlag inzwischen. 1987 irrte er nicht, doch Gisela Breitlings Leben, dass zuletzt in einer Seniorenresidenz in Lankwitz stattfand, ist vorüber. Gisela Breitling starb am 12. März 2018. In Berlin. Dort, wo sie auch am 27. Mai 1939 geboren wurde. In einem Wonnemonat, in einem Großdeutschen Reich, in dem noch vieles möglich war und Krieg keine Selbstverständlichkeit. Einem Deutschen Reich, das nicht mehr in den Grenzen von 1937 lebte, sondern das Sudetenland „heimgeholt“ hatte und die nördlichste Stadt Deutschlands wieder Memel nannte. Dafür bezahlte Deutschland und Millionen andere teuer. Brutale und menschenverachtende Jahre standen bevor, doch war das halbes Dutzend Jahre vor ihrer Geburt schon voller Grausamkeit. Gisela Breitling: Selbstbildnisse in den alten dunklen Farben eines Poussin Ein Künstler, der in so eine Zeit hineingeboren wurde, nur wenige Monate vor dem bis dahin größten Krieg der Menschheitsgeschichte, gerade mal ein Vierteljahr und ein paar Tage, würde wohl solche Bilder malen. Solche Bilder wie ihre Selbstporträts. Hermann Peter Piwitt beschrieb sie als „Selbstbildnisse in den alten dunkeln Farben eines Lorenzo Lotto, eines Poussin.“ Doch er fährt nach der Beschreibung
dieser speziellen Dunkelheit auch lobend fort „von einer solchen Ruhe des Ausdrucks, daß man sich dazustellen möchte, ins Bild hinein, um an ihrem furchtlosen Für-sich-Sein teilzuhaben.“ (Hermann P. Piwitt, „Vor-bilder weiblich“, Stuttgart 1987). Gisela Breitling malte Traumbilder von Frauen aus Mythologie und Geschichte „Oder es wird in Allegorien und Traumbildern von heimgesuchten Frauen aus Mythologie und Geschichte erzählt“, schrieb er, was man unterschreiben kann. Die passenden Werke heißen „Unbefleckte Empfängnis“ oder „Martyrium der Venus“. Niedergemacht von einem „kalten Gottesauge“. Seneca Falls ist Motiv, heute fast unbekannt. Im Juli 1848 fand hier auf Initiative von Elizabeth Cady-Stanton und Lucretia Mott die Seneca Falls Convention, der erste Frauenrechtskongress der USA, statt. Breitling porträtierte Olympe De Gouges (1748-93), die Frauenrechtlerin und Schriftstellerin. Sie wurde in Frankreich zur Zeit der Terrorherrschaft Robbespierres geköpft. Der Kampf der Gisela Breitling, „Suffragette“ und die göttliche Ordnung Es sollte noch Jahrhunderte dauern, bis die Frauen wenigstens ein Wahlrecht erhielten, selbst in „urdemokratischen Ländern“ wie dem Vereinigten Königreich oder der Schweiz. In der Eidgenossenschaft wurde das Wahlrecht 1971 eingeführt, wie der Spielfilm „Die Göttliche Ordnung“ wunderschön zu berichten weiß. In Großbritannien geschah es ein paar Jahre früher. 1918 erteilte das Parlament das Wahlrecht für Frauen über 30. 1903 hatte Emmeline Pankhurst in Großbritannien die „Women’s Social and Political Union“ gegründet, eine bürgerliche Frauenbewegung, die in den folgenden Jahren sowohl durch
passiven Widerstand, als auch durch öffentliche Proteste bis hin zu Hungerstreiks auf sich aufmerksam machte. Neben dem Wahlrecht kämpfte sie für die allgemeine Gleichstellung der Frau. Schön dargestellt in dem Spielfilm „SUFFRAGETTE – TATEN STATT WORTE“ u.a. mit Carey Mulligan, Helena Bonham Carter und MERYL STREEP als Frau Pankhurst, der am 16. Juni ‘16 als DVD und Blu-Ray erschien. Das Frauenwahlrecht im deutschsprachigen Raum Der Präsident des Abgeordnetenhauses von Berlin, Ralf Wieland, lud am Mittwoch, dem 7. März 2018, um 18 Uhr anlässlich des 100. Jubiläums der Einführung des Frauenwahlrechts in Deutschland ins Berliner Landesparlament zu einer Feierstunde ein. Die Festrede hielt Sabine Schudoma, Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin. Eingeführt wurde das Wahlrecht im Deutschen Reich im selben Jahr wie im Vereinigten Königreich: 1918. Als eines der letzten europäischen Länder führte die Schweiz erst 1971 das Wahlrecht für Frauen ein. Am 28. Juni 2017 feierte „DIE GÖTTLICHE ORDNUNG“ Deutschlandpremiere beim 35. Filmfest München. Der deutsche Kinostart der Komödie, die im Jahr ‘71 spielt, war am 3. August ‘17. Hauptdarsteller sind Marie Leuenberger und Max Simonischek. Weitere Darstellerinnen: Sibylle Brunner, Marta Zoffoli, Rachel Braunschweig, Bettina Stucky und Ella Rumpf. Gedreht wurde er von Petra Volpe und damit von einer Regisseurin. Die Gemeinsamkeiten von Gisela Breitling
und Salvador Dali Breitling hat etwas mit Dali gemein. „Neben der Malerei befasst er sich am eifrigsten mit schriftstellerischer Arbeit“, schreibt Fleur Cowles (1908-2009) in „The Case of Salvador Dali“ (Heinemann 1959). Die US-Amerikanerin Fleur Fenton Cowles, selbst Autorin, Herausgeberin und Künstlerin, fährt fort: „Wenn auch einige Maler seiner Generation mit entsprechendem Ruf sich nebenher als Schriftsteller betätigen, hat er (Dali) doch durch seine recht eindrucksvolle Bibliographie von Büchern, Prosastücken und Essays bereits einen Platz in der Literatur errungen, der selbst vor seinen Feinden sicher ist.“ Dali entwarf Schmuck und Bühnenbilder, Kleider und Schlipse. Er illustrierte und schrieb Bücher, malte Kulissen und Werbeplakate, dekorierte Schaufenster, arbeitete an Drehbüchern mit, machte Filmtrickzeichnungen und Filmausstattungen, schrieb Aufsätze und hielt Vorlesungen. Vielleicht war Dali breiter aufgestellt, wie es heute in der Wirtschaftssprache unschön heißt. Vielleicht war Dali auf mehr verschiedenen Feldern unterwegs. Aber die Hauptbeschäftigung der beiden ist identisch. Gisela Breitling verfasste unter anderem *„Der verborgene Eros: Weiblichkeit und Männlichkeit im Zerrspiegel der Künste“ (Fischer, Frankfurt/Main 1990) und „Feministischer Liebesbrief oder Notizen für M.“ in der von Rodrigo Jokisch herausgegebenen Anthologie „Annäherungsversuche“ (Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1984, ISBN 3499178036). „So wollen wir denn wieder über Liebe reden“. In dem Sachbuch geht es um Emanzipation; wie das damals hieß. Gisela Breitling konzentrierte sich auf das Malen und Schreiben; und den Feminismus. Vielleicht sollte man sagen: die Gerechtigkeit.
Sie entriss viele wichtige Frauen dem Vergessen. Fällt sie dem Vergessen jetzt selbst anheim?
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