Kultur- und Kreativwirtschaft im Land Bremen - wenn Corona auf einen fragilen Arbeitsmarkt trifft - Branchenanalyse mit Fokus auf Rundfunksektor ...
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www.arbeitnehmerkammer.de Kultur- und Kreativwirtschaft im Land Bremen – wenn Corona auf einen fragilen Arbeitsmarkt trifft Branchenanalyse mit Fokus auf Rundfunksektor und Pressemarkt
IMPRESSUM Arbeitnehmerkammer Bremen Bürgerstraße 1 28195 Bremen Telefon 0421.3 63 01 - 0 Telefax 0421.3 63 01 - 89 info@arbeitnehmerkammer.de www.arbeitnehmerkammer.de Autor Adrian Rudershausen Redaktur, Bremen Die empirisch-quantitativen Analysen zur Kul- tur- und Kreativwirtschaft in Bremen wurden von Michael Söndermann, Büro für Kulturwirt- schaftsforschung, Köln, erstellt. Lektorat Martina Kedenburg Gestaltung GfG / Gruppe für Gestaltung GmbH, Bremen Druck Wilhelm Brüggemann Buchbinderei und Druckerei GmbH Stand: August 2020
— 3 Inhalt 4 Vorwort 22 3 Entwicklungen und Trends im Mediensektor 6 1 Kultur- und Kreativwirtschaft – 24 3.1 Rundfunksektor Definition und statistischer Überblick 28 3.2 Fokus: Radio Bremen 7 1.1 Eckdaten und gesamtwirtschaftliche 34 3.3 Pressemarkt Bedeutung 38 3.4 Fokus: Bremer Tageszeitungen 9 1.2 Erwerbstätigkeit in der Kultur- und Kreativwirtschaft 46 4 Die Corona-Krise und ihre 10 1.3 Kultur- und Kreativwirtschaft im Land Auswirkungen auf die Kultur- Bremen und Kreativwirtschaft 47 4.1 Ausgangslage 12 2 Kultur- und Kreativwirtschaft im 50 4.2 Erfahrungsberichte Wandel – Auswirkungen auf Arbeit und 53 4.3 Unterstützungsprogramme des Bremer Beschäftigung Senats 13 2.1 Arbeitsmarktstrukturen der Kultur- und 54 4.4 Perspektiven Kreativwirtschaft 16 2.2 Das Arbeiten in der Kultur- und Kreativ- 56 Literatur wirtschaft verändert sich 18 2.3 Die Teilmärkte der Kultur- und Kreativ- wirtschaft: große Unterschiede
— 4 — Strukturwandel in Bremen – Branchenanalyse Vorwort Liebe Leserinnen, liebe Leser, als einer der von der Corona-Krise am stärksten betroffenen Bereiche ist die Kultur- und Kreativwirtschaft in aller Munde. Im Zuge von Maßnahmen zum Infektionsschutz und dem Lockdown mussten Kulturstätten schließen, Veranstaltungen wurden abgesagt und Kulturschaffende konnten nicht mehr auftreten. Dabei ist jeder sogenannte Teilmarkt der Kultur- und Kreativwirtschaft – vom Kunst-, dem Buch- oder Werbemarkt über die Designwirtschaft und die Architektur bis zur Musik- oder Filmwirtschaft – von den Pandemie-Fol- gen unterschiedlich betroffen. Gemeinsam ist allen Teilbereichen der Kultur- und Kreativwirtschaft jedoch, dass der schöpferische Akt und das Gestalten den Kern ihrer Aktivität bilden. Autoren, Filmemacherinnen, Musiker, bildende und darstellende Künstlerinnen, Architekten, Designerinnen und Entwickler von Compu- terspielen schaffen und verbreiten kreative Inhalte, Produkte oder Dienstleistungen. In dieser Branchenana- lyse betrachten wir die wirtschaftlichen Aspekte des kulturellen Sektors – und die starke Wechselwirkung mit anderen Unternehmen und Branchen ist ein zentrales Merkmal dieser Kultur- und Kreativwirtschaft. Aus der Industrie geben vier von fünf Unternehmen an, in den vergangenen Jahren Kultur- und Kreativleis- tungen extern nachgefragt zu haben. Kulturelle und kreative Erzeugnisse sind meist wegen ihres Inhalts wirtschaftlich wertvoll – vom gesellschaftlichen Wert handelt diese Studie nicht –, nicht wegen ihrer mate- riellen Hülle. Insofern sind sie mit forschungs- und wissensintensiven Branchen verwandt – auch wenn sie noch nicht deren Anerkennung genießen. Dabei steht die Kultur- und Kreativwirtschaft als kleinteiliger und höchst innovativer Wirtschaftszweig für eine beträchtliche wirtschaftliche Dynamik. Obwohl andere Städte vielleicht noch eher als Zentren der Kultur- und Kreativwirtschaft gelten, hat sich in Bremen und Bremerhaven eine lebendige Szene entwickelt, zudem gibt es einige große Player. Von der Kreativität, die sie ausstrahlt, profitieren Bremen und Bremerhaven. Die Kultur- und Kreativwirtschaft hat darüber hinaus noch ganz handfeste Bedeutung: Mehr als 19.000 Menschen sind im Land Bremen in Bran- chen der Kultur- und Kreativwirtschaft erwerbstätig. Der bedeutendste Teilmarkt ist mittlerweile die Soft- ware-/Games-Industrie. Dieser umsatzstarke Bereich ist allerdings eher untypisch für die Kultur- und Kreativwirtschaft, da sich Erwerbstätigkeit hier tatsächlich oft als gut bezahlt, sozialversicherungspflich- tig und in Vollzeit abspielt. Jenseits dieser Teilbranche ist der kultur- und kreativwirtschaftliche Arbeits- markt zerklüftet. Es finden sich viele verschiedene Beschäftigungsformen, soziale Absicherung oder auch nur Existenzsicherung werden dabei oft genug nicht erreicht. Man darf von einem verletzlichen, fragi- len Arbeitsmarkt sprechen. Das gilt mehr und mehr auch für den Medienbereich. In Rundfunkwirtschaft und Pressemarkt wird das „Normalarbeitsverhältnis“ zur Ausnahme. Die Zahl an sozialversichert Vollzeit- beschäftigten sinkt. Das hat nicht nur Auswirkungen auf die tägliche Arbeit, auch finanzielle Absicherung schwindet und Interessenvertretung wird erschwert.
— Vorwort — 5 Corona hat auch auf den Mediensektor gravierende Auswirkungen. Der Anzeigenmarkt ist eingebro- chen, freie Mitarbeitende dürfen in Redaktionen in Kurzarbeit nicht beauftragt werden. Das Einkommen von Freiberuflern ist während der Corona-Krise laut einer Befragung auf ein Drittel des Vorkrisenniveaus gesunken. Die erwarteten Umsatzverluste sind gravierend, es zeigt sich die besondere Anfälligkeit der Kul- tur- und Kreativwirtschaft – nicht zuletzt eben wegen ihres verletzlichen Arbeitsmarktes. Hilfsmaßnahmen wurden zwar in die Wege geleitet, kommen jedoch nicht überall und zielgenau an. Insgesamt zeigen sich die hiesigen Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft zufrieden mit den Anstrengungen der Bremer Poli- tik während der Corona-Krise. Gleichwohl ist diese noch lange nicht ausgestanden. Es wird erwartet, dass die Branche noch lange bis ins Jahr 2021 mit den Folgen zu kämpfen haben wird – und viele wirtschaftli- che Existenzen auf dem Spiel stehen. Schon vor Corona hat die Arbeitnehmerkammer die Branchenanalyse zur Kultur- und Kreativwirtschaft in Auftrag gegeben. So konnten Erkenntnisse zur Ausgangslage gewonnen werden, die Folgen der Pandemie wurden sauber nachgezeichnet. Erstellt hat den qualitativen Teil der Studie Adrian Rudershausen, der ein exzellenter Kenner der Bremer Kulturwirtschaftsszene ist. Zahlen, Daten und Fakten aus der statistischen Analyse hat Michael Söndermann vom Büro für Kulturwirtschaftsforschung in Köln beigesteuert, der auch die heute bundesweit gängige Definition von Kultur- und Kreativwirtschaft erarbeitet hat. Beiden danken wir sehr herzlich für ihre Arbeit. Ebenso bedanken wir uns bei allen, die für Interviews im Rahmen der Studie zur Verfügung standen. Interessante O-Töne aus diesen Gesprächen finden sich an vielen Stellen im Text. Bei der Lektüre der vorliegenden Studie wünschen wir viel Freude und spannende Einblicke in die bremi- sche Kultur- und Kreativwirtschaft. Arbeitnehmerkammer Bremen, im September 2020
— 6 — Strukturwandel in Bremen – Branchenanalyse 1 — Kultur- und Kreativwirtschaft – Definition und statistischer Überblick Unter dem Begriff Kultur- und Kreativwirtschaft Gestalten bilden den Kern kultur- und kreativ- werden Kultur- beziehungsweise Kreativunterneh- wirtschaftlicher Aktivität. Damit sind „alle künst- men erfasst, die überwiegend erwerbswirtschaft- lerischen, literarischen, kulturellen, musischen, lich orientiert sind und sich mit der Schaffung, Pro- architektonischen oder kreativen Inhalte, Werke, duktion, Verteilung und/oder medialen Verbreitung Produkte, Produktionen oder Dienstleistungen von kulturellen und/oder kreativen Gütern und gemeint, die als wirtschaftlich relevanter Ausgangs- Dienstleistungen befassen. Die Studie stützt sich auf kern den elf Teilmärkten zugrunde liegen“.3 Die die Definition der Wirtschaftsministerkonferenz.1 übliche Definition umfasst lediglich den marktwirt- Damit ist eine vergleichende Bewertung mit ande- schaftlich orientierten Teil der Kultur- und Krea- ren Kulturwirtschaftsberichten in Deutschland und tivwirtschaft. Im Verlauf dieser Studie wird jedoch dem Monitoringbericht Kultur- und Kreativwirt- auch der intermediäre und öffentliche Kulturbe- schaft des Bundes möglich. trieb in die Analyse einbezogen, was vor allem der großen Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rund- Entsprechend dieser Definition der Wirtschaftsmi- funks in Bremen geschuldet ist. nisterkonferenz setzt sich die Kultur- und Kreativ- wirtschaft aus elf Teilmärkten zusammen (siehe Dabei ist ein wichtiges Merkmal der Kultur- und Abbildung 1): Die (1.) Musikwirtschaft, der (2.) Kreativwirtschaft die starke Wechselwirkung mit Buchmarkt, der (3.) Kunstmarkt, die (4.) Filmwirt- anderen Unternehmen und Branchen. Vier von fünf schaft, die (5.) Rundfunkwirtschaft, der (6.) Markt Unternehmen der Kreativwirtschaft liefern Pro- für darstellende Künste, die (7.) Designwirtschaft, dukte oder Dienstleistungen an andere Unterneh- der (8.) Architekturmarkt und der (9.) Pressemarkt men und leisten damit einen Beitrag in deren Wert- bilden die Kulturwirtschaft, der (10.) Werbemarkt schöpfungsketten.4 Diese Bedeutung als Impulsgeber und die (11.) Software- und Games-Industrie bil- ist nicht nur branchenintern oder bezogen auf den den die Kreativwirtschaft. Autoren, Filmemacherin- Dienstleistungssektor relevant, sondern besonders nen, Musiker, bildende und darstellende Künstle- auch für die Industrie, deren Unternehmen zu rund rinnen, Architekten, Designerinnen und Entwickler 80 Prozent angeben, in den vergangenen Jahren von Computerspielen schaffen „künstlerische Qua- Kultur- und Kreativleistungen extern beauftragt zu lität, kulturelle Vielfalt und kreative Erneuerung. haben. Die Kultur- und Kreativwirtschaft verbindet Zugleich stehen sie für die wirtschaftliche Dynamik traditionelle Wirtschaftsbereiche, neue Technolo- einer auf Wissen und Innovation basierenden Öko- gien und moderne Informations- und Kommunika- nomie“.2 Der schöpferische Akt und das tionsformen5 und nimmt damit eine „Vorreiterrolle für Innovationen und die gesamtwirtschaftliche Ent- wicklung“6 ein. 1 Vgl. Söndermann (2009). Eine Systematisierung der Kultur- und Kreativwirtschaft anhand der Klassifikation 3 Wirtschaftsministerkonferenz (2016). der Wirtschaftszweige liefert Wirtschaftsministerkonfe- 4 Vgl. BMWi (2019b), S. 64 f. renz (2016). 5 Vgl. BMWi: Branchenskizze. 2 BMWi: Die Branche. 6 BMWi (2019b), S. 59.
— Kultur- und Kreativwirtschaft im Land Bremen – wenn Corona auf einen fragilen Arbeitsmarkt trifft — 7 Abbildung 1: Der Branchenkomplex der Kultur- und Kreativwirtschaft 1. Sonstiges Musik- wirtschaft 11. Software-/ 2. Games- Buch- Industrie markt 10. 3. Werbe- Kunst- markt markt Künstler/ Kulturproduktion 9. 4. Presse- Film- markt wirtschaft 8. 5. Architektur- Rundfunk- markt wirtschaft 7. 6. Design- Markt für wirtschaft darstellende Künste Quelle: BMWi (2019a) 1.1 Eckdaten und gesamt In der volkswirtschaftlichen Betrachtung der Brut- wirtschaftliche Bedeutung towertschöpfung verzeichnet die Kultur- und Kre- ativwirtschaft in Deutschland – wie in den meis- ten europäischen Ländern – eine jährliche positive Im Folgenden werden zunächst ausgewählte Kenn- Entwicklung und ist in 2018 auf einen Wert von zahlen der Kultur- und Kreativwirtschaft aus dem 100,5 Milliarden Euro gestiegen. Der Anteil am Monitoringbericht der Bundesregierung zur Kul- Bruttoinlandsprodukt in Deutschland liegt aktuell tur- und Kreativwirtschaft7 zusammengefasst, um bei rund 3,0 Prozent. Damit liegt die Kultur- und eine grundlegende Einordnung der Branche in den Kreativwirtschaft etwa gleichauf mit dem Maschi- gesamtwirtschaftlichen Kontext in Deutschland zu nenbau und weist einen deutlich höheren Anteil auf ermöglichen und den Hintergrund zu skizzieren für als andere wichtige Branchen in Deutschland, wie die weiteren Betrachtungen im Rahmen des vorlie- die chemische Industrie, die Energieversorger oder genden Berichtes. die Finanzdienstleister. 7 Vgl. für die in diesem Abschnitt genannten Kenn- zahlen BMWi (2019a), sofern nicht anders gekennzeich- net.
— 8 — Strukturwandel in Bremen – Branchenanalyse Der Unternehmensbestand in der Kultur- und Kre- Durch die kleinteilige Branchenstruktur der Kul- ativwirtschaft in Deutschland ist seit 2010 in ähn- tur- und Kreativwirtschaft müssen Gesamtbetrach- licher Größenordnung wie die Gesamtwirtschaft tungen der Kennzahlen, Leistungen und Effekte der gewachsen und erreicht in 2018 einen geschätzten Branche immer vor dem Hintergrund eingeordnet Wert von 256.600 Unternehmen. Damit kommen werden, dass sich die einzelnen Teilmärkte in ihrer rund 7,8 Prozent aller Unternehmen in Deutschland Größe, Wertschöpfung, (Beschäftigungs-)Struk- aus der Kultur- und Kreativwirtschaft. tur, Dynamik et cetera zum Teil erheblich vonein- ander unterscheiden und jeweils charakteristische Der Gesamtumsatz der Branche ist im selben Zeit- Spezifika aufweisen. Dennoch lassen sich teilmark- raum um 31 Milliarden Euro auf geschätzt 168,3 tübergreifende Aspekte benennen, welche die Kul- Milliarden Euro für das Jahr 2018 gestiegen, was tur- und Kreativwirtschaft in Deutschland als einen einem Anteil von knapp 2,6 Prozent am Gesamtum- Faktor für mehr Wirtschaftswachstum, Innovation satz deutscher Unternehmen entspricht. und Arbeitsplätze9 kennzeichnen. So konstatiert der Monitoringbericht der Bundesregierung10 in Bezug Kennzeichnend für die Branche ist in diesem auf Innovation, Digitalisierung und Crossover-Ef- Zusammenhang ihre extreme Kleinteiligkeit: fekte der Kultur- und Kreativwirtschaft Knapp 97 Prozent der Marktakteure in der Kultur- und Kreativwirtschaft sind Freiberufler und Kleinst- überdurchschnittlich viele eigene Innovationen unternehmen mit weniger als zwei Millionen Euro mit einem direkt messbaren Beitrag zur gesamt- Jahresumsatz, die zusammen jedoch gut ein Viertel wirtschaftlichen Entwicklung; des Gesamtumsatzes der Branche erzielen. Rechnet eine Vorreiterrolle in der Entwicklung, Anwen- man die Kleinunternehmen mit unter zehn Millio- dung und Verbreitung von innovativen digitalen nen Euro Jahresumsatz hinzu, ergibt sich ein Anteil Technologien; von über 99 Prozent an Freiberuflern, Kleinst- und hybride, branchenübergreifende Marktaktivi- Kleinunternehmen, die zusammen rund 40 Prozent täten, die durch kreative Spill-overs in andere des Branchenumsatzes erzielen.8 Branchen neue Geschäftsmodelle entwickeln, ganze Märkte verändern oder neue Märkte kre- Zwar liefert die Kultur- und Kreativwirtschaft über- ieren; wiegend keine materiellen Produkte wie Autos, eine Vorreiterrolle in flexiblen Arbeitsweisen, Flugzeuge oder Schiffe, sondern immaterielle Güter wie projektbasiertes Zusammenarbeiten in Netz- und Dienstleistungen. Wirtschaftlich wertvoll sind werken, Co-working Spaces oder Remote-Arbeit, diese kulturellen und kreativen „Produktionen“ die in einer digitalen Arbeitswelt der Zukunft in wegen ihres Inhalts, nicht wegen ihrer materiel- allen Branchen an Bedeutung gewinnen. len Hülle (siehe Musik, Buch, Kunst, Film, Design, Architektur). Sie sind daher mit den wissens- und forschungsintensiven Branchen verwandt, genießen aber – noch – nicht deren wirtschaftliche Anerken- nung. 9 Vgl. Deutscher Bundestag (2007). 8 Vgl. BMWi (2019b). 10 Vgl. BMWi (2019b), S. 56 ff.
— Kultur- und Kreativwirtschaft im Land Bremen – wenn Corona auf einen fragilen Arbeitsmarkt trifft — 9 Abbildung 2: Umsatz und Erwerbstätigkeit in der Kultur- und Kreativwirtschaft 2018 Land Bremen Deutschland absolut Anteil an der Gesamtwirtschaft I. Kernbereich Kernerwerbstätige 11.993 3,4 % 3,3 % davon: Selbstständige 1.867 8,3 % 7,8 % davon: sozialversicherungspflichtig Beschäftigte 10.126 3,1 % 2,9 % Umsatz in Millionen Euro 1.005,30 1,4 % 2,6 % II. Minibereich Mini-Selbstständige 1.482 11,9 % 10,6 % geringfügig Beschäftigte 3.450 4,9 % 3,8 % III. B eschäftigte im öffentlichen Kulturbetrieb* 2.102 k. A. k. A. I.–III. Gesamterwerbstätige 19.027 4,4 % 3,5 %** einschl. öffentlicher Kulturbetrieb Hinweis: Mini-Selbstständige erzielen einen Jahresumsatz von weniger als 17.500 Euro. Zahlen teilweise vorläufig bzw. geschätzt. * sozialversicherungspflichtig und geringfügig Beschäftigte. Mindestangaben zum öffentlichen einschließlich intermediären Kulturbetrieb mit Theater, Bibliotheken, Museen, VHS, Musikschulen, öfftl.-rechtlichem Rundfunk u. Ä. ** Anteil ohne Beschäftigte des öffentlichen Kulturbetriebs berechnet. Quelle: Statistisches Landesamt Bremen; Bundesagentur für Arbeit; BMWi (2019a); eigene Berechnungen Büro für Kulturwirtschaftsforschung, Köln 1.2 Erwerbstätigkeit in der Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäf- tigten wächst seit Jahren in der Kultur- und Kre- Kultur- und Kreativwirtschaft ativwirtschaft stärker als in der Gesamtwirtschaft und ist zuletzt noch einmal deutlich angestiegen. Die Gesamtzahl11 der Erwerbstätigen im Arbeits- Neben den Kernerwerbstätigen sind weitere 0,5 Mil- markt der Kultur- und Kreativwirtschaft liegt für lionen geringfügig erwerbstätig14 – mit rückläufi- das Jahr 2018 insgesamt bei knapp 1,7 Millio- ger Tendenz bei den geringfügig Beschäftigten und nen, was einem Anteil von gut 3,5 Prozent an allen etwa gleichbleibender – und in der Kulturwirtschaft Erwerbstätigen in Deutschland entspricht.12 Davon außerordentlich hoher – Zahl an Mini-Selbststän- sind knapp 1,2 Millionen Kernerwerbstätige13 – digen. Die Zahl der geringfügig Tätigen, also der rund 260.000 Selbstständige und rund 940.000 Selbstständigen mit weniger als 17.500 Euro Jah- sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. resumsatz, ist in der Kulturwirtschaft außerordent- lich hoch. 11 Vgl. für die in diesem Abschnitt genannten Kenn- zahlen BMWi (2019a). 12 Rechnet man die Kultur- und Kreativberufe außer- halb der Kultur- und Kreativwirtschaft (zum Beispiel Designer/innen in der Automobilbranche) hinzu, wächst der Gesamtmarkt nach Berechnungen der UNESCO auf rund 4,1 Millionen Erwerbstätige bundesweit. 14 Geringfügig Erwerbstätige umfassen Mini-Selbst- 13 Kernerwerbstätige umfassen steuerpflichtige ständige (Jahresumsatz unter 17.500 Euro) sowie gering- Unternehmerinnen und Unternehmer beziehungsweise fügig Beschäftigte (Arbeitsverhältnisse mit weniger als Selbstständige mit mindestens 17.500 Euro Jahresum- 450 Euro im Monat oder weniger als 3 Monate bezie- satz und sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. hungsweise weniger als 70 Arbeitstage im Jahr).
— 10 — Strukturwandel in Bremen – Branchenanalyse 1.3 Kultur- und Kreativwirt- Die Entwicklung am Arbeitsmarkt spiegelt das Umsatzwachstum der Bremer Kultur- und Krea- schaft im Land Bremen tivwirtschaft wider. In den Jahren 2010 bis 2016 bewegt sich die Zahl der Beschäftigten zwischen Im Jahr 2018 sind in der Bremer Kultur- und Kre- 7.400 bis 8.200. Ab 2016 steigt die Zahl stark ativwirtschaft rund 1.870 Selbstständige bezie- an und erreicht 2018 – dem letzten Jahr, für das hungsweise Unternehmen tätig. Das entspricht umfängliche Daten in dieser Form verfügbar sind – einem Anteil von 8,3 Prozent an allen Unterneh- schließlich einen neuen Höchststand. Das entspricht men. Im Bundesgebiet liegt der Anteil bei 7,8 Pro- einer Zuwachsrate von mehr als 20 Prozent in zwei zent und damit etwas darunter. Gemessen an dieser Jahren. Auch hier sei darauf hingewiesen, dass die ersten Kennzahl ist Bremen eine Region mit einer Software-/Games-Industrie der Hauptträger dieser überdurchschnittlichen Konzentration von Kultur- Entwicklung war. und Kreativproduktionen. Da dieser Bereich jedoch ohnehin verstärkt im urbanen Raum angesiedelt ist, Im Minibereich waren in Bremen 2018 schätzungs- überrascht das nicht. Der Gesamtumsatz der Bre- weise rund 1.480 Selbstständige aktiv, das sind mer Kultur- und Kreativwirtschaft erreicht im Jahr anteilig 11,9 Prozent, hinzu kamen 3.450 gering- 2018 erstmals den Wert von 1 Milliarde Euro. In fügig Beschäftigte, das sind anteilig 4,9 Prozent. den Jahren 2010 bis 2016 hatte er noch zwischen Damit gab es im Jahr 2018 insgesamt rund 4.930 800 und 960 Millionen Euro gelegen und stieg Erwerbstätige in geringfügiger Tätigkeit. Diese Zah- danach rapide an. Die Wachstumsrate lag zwischen len liegen erwartungsgemäß über den Vergleichs- 2016 und 2018 bei rund 18 Prozent. Entscheidend werten im Kernbereich. Der Bremer Anteil liegt mit für die Dynamik der Kultur- und Kreativwirtschaft 11,9 Prozent auch deutlich über dem Bundesdurch- war das Wachstum der Software-/Games-Industrie, schnitt von 10,6 Prozent. Zusammengefasst ergibt die in Bremen zwischen 2016 und 2018 um 43 Pro- sich folgendes Bild: In der Bremer Kultur- und Kre- zent zulegte. Trotz Wachstums und dem Erreichen ativwirtschaft waren im Jahr 2018 rund 3.350 der Milliardenmarke liegt der kultur-/kreativwirt- Selbstständige und Unternehmen tätig, die rund schaftliche Anteil an der Bremer Wirtschaft insge- 13.600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftig- samt bei nur 1,4 Prozent. Bundesweit hat die Kul- ten. Der Gesamtumsatz lag bei über einer Milliarde tur- und Kreativwirtschaft einen Umsatzanteil von Euro. Addiert man die rund 2.100 Beschäftigten 2,6 Prozent.15 im öffentlichen und gemeinnützigen Kulturbetrieb hinzu, sind in Bremen mehr als 19.000 Erwerbs- tätige im Kultur- und Kreativsektor aktiv (siehe Tabelle 1). Zur Erläuterung: Der öffentliche und intermediäre Kulturbetrieb umfasst etwa öffentli- che Theater, Museen, Bibliotheken, die öffentlich finanzierten Musikschulen, aber auch den öffent- lich-rechtlichen Rundfunk, der sich über Gebühren und nicht über den Markt finanziert. 15 Dies könnte zum einen an der relativen Stärke anderer Branchen liegen, aber auch daran, dass der Unternehmenssitz kultur- und kreativwirtschaftlicher Betriebe nicht im Land Bremen ist. Der Umsatz wird steuerrechtlich am Unternehmenssitz ermittelt, die Beschäftigten jedoch am Arbeitsort. Im Gegensatz zu den privatrechtlich organisierten Tochterunternehmen ist der Jahresumsatz der Landesanstalt Radio Bremen als Anstalt öffentlichen Rechts in Höhe von 110,0 Millio- nen Euro im hier genannten Umsatzvolumen der Bremer Kultur- und Kreativwirtschaft nicht enthalten, da die Kultur- und Kreativwirtschaft laut Definition den öffent- lichen Kulturbetrieb nicht umfasst.
— Kultur- und Kreativwirtschaft im Land Bremen – wenn Corona auf einen fragilen Arbeitsmarkt trifft — 11 Die Bremer Kultur- und Kreativwirtschaft gehört Wird auf die Umsatzzahlen und damit auf die wirt- damit trotz ihrer ausgeprägten Kleinteiligkeit in der schaftliche Perspektive abgestellt, verschieben Summe zu den beachtenswerten Wirtschaftsbran- sich die Gewichte. Mit einem Anteil von 35 Pro- chen der lokalen Wirtschaft. Im Städtevergleich – zent dominiert hier die Software-/Games-Indust- und Kultur- und Kreativwirtschaft sind vor allem rie. Ihre Vorrangstellung innerhalb der Kultur- und städtische Phänomene – zeigt sich aber, dass es Kreativwirtschaft hat sie seit 2010 ständig ausge- einen deutlichen Nachholbedarf gibt. In der Gruppe baut. Lagen in jenem Jahr Software-/Games-Indus- „Kunst/Unterhaltung u. Ä.“ erreichte die Stadt Bre- trie und der Pressemarkt mit je 20 Prozent Anteil men 2015 beim Unternehmensbesatz einen Anteils- noch gleichauf, sank der Anteil des Pressemarkts wert von 4,7 Prozent an der Gesamtwirtschaft und bis 2018 auf nur noch 14 Prozent – weniger als die liegt damit zwar über dem Bundesdurchschnitt von Hälfte des aktuellen Softwareumsatzes. Der Anteil 4,1 Prozent. Die Werte von Kiel und Hannover (je der Designwirtschaft an der Kultur- und Kreativ- 5,2 Prozent) werden aber ebenso wenig erreicht wie wirtschaft liegt nunmehr bei elf Prozent, der des von Frankfurt am Main (5,7 Prozent) oder Stuttgart Werbemarktes bei zehn Prozent. Die restlichen eher (6,2 Prozent). Andererseits müsste Bremen sein kre- kulturellen Teilmärkte erreichen nur noch geringe atives Potenzial lediglich um rund 150 selbststän- Umsatzanteile von zwei bis vier Prozent. Die starke dige Künstlerinnen und Künstler ausbauen, um zah- Verschiebung der Umsatzanteile zugunsten der Soft- lenmäßig das Niveau von Hannover zu erreichen. ware weist darauf hin, dass sich die Bremer Kultur- Der Abstand zu München, Hamburg, Köln oder Ber- und Kreativwirtschaft immer mehr zu einer stark lin, deren Werte zwischen 7,6 und 12,8 Prozent lie- von Softwareleistungen geprägten Branche entwi- gen, ist hingegen noch deutlich größer. In der Rub- ckelt hat. rik „Umsatz“ belegt Bremen im Vergleich sogar den letzten Platz und liegt mit einem Anteil von 0,5 Pro- Diese deutliche Verschiebung zugunsten der Soft- zent auch unter dem Bundesdurchschnitt von ware-/Games-Industrie bestätigt sich auch beim 0,7 Prozent. Blick auf die Zahl der Beschäftigten: 48 Prozent ent- fallen auf diesen Teilmarkt. Auf den Plätzen folgen Die Bremer Kultur- und Kreativwirtschaft ist zwei- weit abgeschlagen der Pressemarkt mit 13 Prozent geteilt: Die kleineren Teilmärkte Musikwirtschaft, und der Werbemarkt mit elf Prozent. Damit sind Buchmarkt, Kunstmarkt, Filmwirtschaft, Rundfunk- diesen drei Teilmärkten knapp drei Viertel aller wirtschaft und der Markt für darstellende Künste Stellen in der Bremer Kultur- und Kreativwirtschaft sind eher kulturell orientiert. Die größeren Teil- zuzurechnen. Dagegen erreichen die sechs kultu- märkte – Designwirtschaft, Architekturmarkt, Pres- rellen Teilmärkte von der Musikwirtschaft bis zum semarkt, Werbemarkt und die Software-/Games-In- Markt für darstellende Künste nur noch 15 Prozent dustrie – sind stärker wirtschaftlich ausgerichtet. des Umsatzes insgesamt. Nur folgerichtig prägt die Die Kultur- und Kreativwirtschaft als heterogener Software-/Games-Industrie durch ihre dominante Branchenkomplex bietet aus der Unternehmens- Rolle bei Umsatz und Beschäftigung die strukturel- perspektive ein relativ ausgewogenes Gesamtbild – len Bedingungen des gesamten Branchenkomplexes. kein Teilmarkt dominiert hier aufs Ganze gesehen Bei der Untersuchung von Arbeitsmarktstrukturen eindeutig. Anteilig liegt die Designwirtschaft mit in der Kultur- und Kreativwirtschaft nimmt dieser 21 Prozent aller Unternehmen der Kultur- und Krea- dominierende Teilmarkt so eine Sonderstellung ein. tivwirtschaft an der Spitze, es folgen die Software-/ Games-Industrie mit 14 Prozent, der Pressemarkt mit 12 Prozent und der Architekturmarkt und der Werbemarkt mit jeweils zehn Prozent. Die diesbezüglich breite Aufstellung stabilisiert die Branche insgesamt. Das Schwächeln einzelner Teil- märkte wird so insbesondere in konjunkturell kri- tischen Phasen ausgeglichen. Das konnte zum Bei- spiel in und nach der Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 beobachtet werden. Zwar wurden damals ein- zelne Segmente wie die Werbung oder der Export von Kulturgütern hart getroffen, nicht aber der Großteil der überwiegend auf den inländischen Absatzmarkt agierenden Kultur- und Kreativwirt- schaft.
— 12 — Strukturwandel in Bremen – Branchenanalyse 2 — Kultur- und Kreativwirtschaft im Wandel – Auswirkungen auf Arbeit und Beschäftigung Im Rahmen der Reihe der Arbeitnehmerkammer Entgrenzung von Arbeit18 mit Branchenanalysen vor dem Hintergrund des Strukturwandels wurden bereits zentrale Merkmale Durch den Einsatz moderner Informations- und eines Wandels der Arbeitsverhältnisse und deren Kommunikationstechnologien kann Arbeit räum- Auswirkungen auf verschiedene Branchen unter- lich, zeitlich und organisatorisch flexibler stattfin- sucht. Zentrale Befunde, die besonders auch für die den, zum Beispiel durch mobiles Arbeiten von zu Kultur- und Kreativwirtschaft relevant sind, betref- Hause oder unterwegs oder Arbeiten außerhalb der fen die Zunahme atypischer Beschäftigungsverhält- Betriebsstätte. Zugleich gewinnen digital gestützte nisse16 als Abweichung vom Normalarbeitsverhält- Arbeitsformen und Beschäftigungsverhältnisse an nis sowie die Entgrenzung von Arbeit. Bedeutung, wie Cloudworking oder Crowdsourcing, also die Vergabe von genau definierten Arbeitspake- ten an Selbstständige. Normalarbeitsverhältnis versus atypische Beschäftigung An Bedeutung verlieren demgegenüber betrieb- lich vorgegebene Strukturen mit festen Arbeitszei- Nach Definition des Statistischen Bundesamtes wird ten und Arbeitsorten sowie die langfristig angelegte unter einem Normalarbeitsverhältnis „ein abhän- Bindung von Mitarbeitern an den Betrieb. giges Beschäftigungsverhältnis verstanden, das in Vollzeit oder in Teilzeit ab 21 Wochenstunden und unbefristet ausgeübt wird“. Normalarbeitsverhält- Plurale Erwerbsformen nisse bieten in der Regel geregelte Gehälter sowie Sozialversicherungen, die Arbeitslosigkeit, Krank- Vor dem Hintergrund dieser und ähnlicher Trans- heit, Mutterschaft, Alter oder Ähnliches absichern. formationsprozesse in der Arbeitswelt plädiert die Dazu sind im Idealfall Aufstiegsmöglichkeiten und von der Hans-Böckler-Stiftung eingesetzte Exper- Weiterqualifizierungen innerhalb des Betriebes tenkommission „Arbeit der Zukunft“ in ihrem möglich.17 Abschlussbericht dafür, dass die Pluralität von Erwerbstätigkeiten und -formen auch in gesell- Demgegenüber zählen zu den atypischen Beschäf- schafts- und arbeitspolitischen Rahmensetzungen tigungsformen Teilzeitbeschäftigungen mit 20 oder stärker berücksichtigt wird, da diese derzeit mit weniger Arbeitsstunden pro Woche, geringfügige höchst unterschiedlichen Formen der sozialen Absi- Beschäftigungen beziehungsweise Minijobs, befris- cherungen und der arbeitsrechtlichen Behandlung tete Beschäftigungen sowie Zeitarbeitsverhältnisse, einhergehen: „Soziale Absicherung, Arbeitsschutz Leiharbeit oder Werkverträge. und kollektive Vertretungsrechte sollten in allen Erwerbsformen zur Geltung kommen.“ Es gelte, 16 Vgl. Gabriel/Salot/Ludwig (2015). 17 Vgl. Gabriel/Salot/Ludwig (2015). 18 Vgl. BMAS (2017) und Gabriel/Salot/Ludwig (2015).
— Kultur- und Kreativwirtschaft im Land Bremen – wenn Corona auf einen fragilen Arbeitsmarkt trifft — 13 „ein neues System abgestufter Rechte zu finden Mischformen führen dazu, dass eine Zuordnung und einen Arbeitnehmerbegriff, der für die digitale zum Unternehmer- oder Arbeitnehmerstatus nicht Transformation trägt“19. mehr eindeutig vorgenommen werden kann. So kann ein Künstler in einem Jahr gleichzeitig als Demnach sollten neue Gruppen und Zwischenbe- Honorarkraft (zum Beispiel in einer Musikschule), reiche zwischen abhängiger Beschäftigung und als freier Mitarbeiter (zum Beispiel beim Rund- Selbstständigkeit (wie zum Beispiel auch organi- funk), als unstetig Beschäftigter (zum Beispiel in der satorisch oder wirtschaftlich von einem Arbeitge- Filmproduktion), als freiberuflicher Dozent (zum ber abhängige Selbstständige) in den Schutz einbe- Beispiel an der Volkshochschule), als Produzent zogen werden, der bislang am Arbeitnehmerbegriff eigener Werke (zum Beispiel als bildende Künstle- festgemacht war. Verwiesen wird in diesem Zusam- rin/bildender Künstler) und als Gewerbetreibender menhang auf die für eine Ausweitung beispielge- (zum Beispiel als Kleinverleger) tätig sein. bende Kategorie der „arbeitnehmerähnlichen Per- son“ beziehungsweise der „festen Freien“, die im Passend dazu nimmt die Vollzeitbeschäftigung in Mediensektor der Kultur- und Kreativwirtschaft der Kultur- und Kreativwirtschaft seit Jahren ab. bereits existiert. Die hier beschriebenen kombinierten Tätigkeiten sichern zunehmend die Existenz von immer mehr Künstlerinnen und Künstlern und Kreativen, gelten jedoch bis heute je für sich als „atypische Beschäf- 2.1 Arbeitsmarktstrukturen der tigungsform“. Dabei kann empirisch belegt werden, dass die Kombination von „atypischem“ inzwischen Kultur- und Kreativwirtschaft eher typisch geworden ist – dies gilt vor allem jen- seits des gesondert zu betrachtenden Teilmarkts Seit den Siebziger- und Achtzigerjahren hat sich im Software-/Games-Industrie. Arbeitsleben ein Strukturwandel vollzogen, der im Dienstleistungssektor am ausgeprägtesten und vor allem auch in der Kultur- und Kreativwirtschaft zu beobachten ist. Es lassen sich verschiedene Phäno- mene identifizieren. Dazu gehört die Vielfalt der Beschäftigungsformen von der Selbstständigkeit, über die sozialversicherungspflichtige bis hin zur geringfügigen Beschäftigung. Ein weiteres Phäno- men ist die „Flexibilisierung“, also die Auflösung fester Arbeitsverhältnisse hin zu zeitlich befriste- ten Verträgen oder gar zu kurzfristiger Beschäfti- gung. Hinzu kommt eine ausgeprägte Mehrfachtä- tigkeit, die Künstlerinnen und Künstlern schon immer vertraut war. Sie reicht von der eigenständi- gen Produktion über freie Mitarbeit bis hin zu Teil- zeitbeschäftigungen, die der Sicherung einer – oft bescheidenen – Existenz dienen. Inzwischen sind auch andere Berufsgruppen in der Kultur- und Kre- ativwirtschaft von diesem „Strukturwandel“ betrof- fen, zum Beispiel Werbegestalter, Architektinnen/ Architekten, Designerinnen/Designer und Soft- wareentwicklerinnen/Softwareentwickler. Diese 19 Hans-Böckler-Stiftung (2017), S. 26 und 28.
— 14 — Strukturwandel in Bremen – Branchenanalyse Abbildung 3: Arbeitsmarktstruktur des Kultur- und Kreativsektors im Land Bremen 2018 Kultur- und Kreativwirtschaft Gesamtwirtschaft Anzahl Anteil Anzahl Anteil Kultur- und Kreativwirtschaft Selbstständige (ohne Mitarbeiter) 1.195 6% 10.575 2% Selbstständige (mit Mitarbeitern) 672 4% 11.926 3% Mini-Selbstständige 1.482 8% 12.482 3% sozialversicherungspflichtig 7.523 40 % 232.788 53 % Beschäftigte (Vollzeit) sozialversicherungspflichtig 2.603 14 % 97.602 22 % Beschäftigte (Teilzeit) geringfügig Beschäftigte 3.450 18 % 69.896 16 % öffentlicher Kulturbetrieb Beschäftigte im öffentlichen und 2.102 11 % - - intermediären Kulturbetrieb Erwerbstätige insgesamt 19.027 100 % 435.269 100 % Quelle: Statistisches Landesamt Bremen; Bundesagentur für Arbeit; eigene Berechnungen Büro für Kulturwirtschaftsforschung, Köln Exkurs: Frauen in der Bremer Kultur- und Kreativwirtschaft Bei der Analyse der Lage der selbstständigen Frauen muss Allerdings können die Zahl und die Verteilung der abhängig auf die Daten der Künstlersozialkasse (KSK) zurückgegriffen beschäftigten Frauen in der Kultur- und Kreativwirtschaft werden, weil die amtliche Statistik derzeit noch keine tiefer- auf der Basis der amtlichen Statistik analysiert werden. Aus gehende, frauenspezifische Untersuchung ermöglicht. Das hat datenschutzrechtlichen Gründen liegen allerdings nur einge- zur Folge, dass sich der Blick auf die vier in der KSK vertrete- schränkte Angaben vor. Statt auf elf Teilmärkte kann hier nur nen Künstlergruppen verengt. Dazu zählen die Berufsgruppen auf gröber aggregierte Wirtschaftsgruppen zugegriffen werden. Wort, bildende Kunst, Musik und darstellende Kunst. Auch eine Differenzierung der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze nach Voll- und Teilzeit ist nicht möglich. In der Im Land Bremen waren im Jahr 2019 demnach 1.891 freibe- Bremer Kultur- und Kreativwirtschaft arbeiten im Jahr 2019 rufliche Künstlerinnen und Künstler tätig. 933 oder 49,3 Pro- rund 14.100 Personen in abhängiger Beschäftigung. Diese zent davon sind Frauen. Die Zahl der Männer beträgt 958 oder Zahl umfasst sowohl den Kern- wie den Minibereich. Bei den 50,7 Prozent. Aus diesen Zahlen wird deutlich, dass der Anteil Beschäftigten insgesamt liegt der Anteil der Frauen bei 5.748 der Frauen in der Künstlersozialkasse in den vergangenen Jah- oder 41 Prozent. Diese verhältnismäßig geringe Zahl erstaunt, ren deutlich gestiegen ist. Inzwischen stellen sie in drei der weil die Frauenquote der Bremer Gesamtwirtschaft immer- vier Berufsgruppen die Mehrheit. Nur im Musikbereich liegen hin bei 46 Prozent liegt. Einer der Gründe dafür könnte sein, die Männer mit 55 Prozent noch deutlich vorn. Nur deshalb dass die sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze des Kern- fällt beim Endergebnis für alle Kulturgruppen ein minimales bereichs nur zu 38 Prozent von Frauen eingenommen werden, Plus zugunsten der Männer an. Ob diese Zahlen die Marktrea- das entspricht einer Zahl von 4.038 Frauen. Auch der Mini- lität der freiberuflichen Künstlerinnen wirklich abbilden, kann bereich der Bremer Kultur- und Kreativwirtschaft erreicht mit nicht eindeutig beantwortet werden. Die amtliche Statistik lie- 49 Prozent eine unerwartet niedrige Frauenquote. In der Bre- fert hierzu bisher keine zusätzlichen Erkenntnisse. mer Wirtschaft insgesamt liegt sie bei 56 Prozent.
— Kultur- und Kreativwirtschaft im Land Bremen – wenn Corona auf einen fragilen Arbeitsmarkt trifft — 15 Abbildung 4: Frauenanteil in der Kultur- und Kreativwirtschaft nach Teilmärkten im Land Bremen 2019 38 % Kultur-/Kreativwirtschaft 49 % 52 % KKW (ohne Software) 49 % 44 % Gesamtwirtschaft 56 % 24 % Software/Games 52 % 52 % Buch/Presse 43 % 53 % Werbung/Foto/Design 52 % 57 % Architektur 65 % 47 % Film/Rundfunk/Video 56 % 44 % darstellende Kunst 55 % 56 % Sonstige 63 % 0% 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % sozialversicherungspflichtig Beschäftigte geringfügig Beschäftigte Quelle: Bundesagentur für Arbeit; eigene Berechnungen Büro für Kulturwirtschaftsforschung, Köln In der Unterscheidung nach den sozialversiche- Anteil von 52 Prozent, während die geringfügige rungspflichtig und den geringfügig Beschäftigten Beschäftigung unterdurchschnittlich bei 43 Prozent macht die Abbildung deutlich, dass die unterdurch- liegt. Die sozialversicherungspflichtig in Werbung/ schnittlichen Frauenquoten zum einen mit der prä- Foto/Design Beschäftigten sind ebenfalls mehrheit- genden Branche der Software-/Games-Industrie lich weiblich: Der Frauenanteil liegt bei 53 Prozent. zusammenhängt. Dort erreichen die Frauen in der Auch geringfügige Beschäftigung wird hier – wie sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung ledig- in den restlichen Teilmärkten – mehrheitlich von lich 24 Prozent. Hier wirkt sich wiederum der über- Frauen ausgeübt. starke Anteil der Softwarebranche auf den gesamten Arbeitsmarkt der Kultur- und Kreativwirtschaft aus, Insgesamt ist die Lage der Frauen im Bremer denn ohne die Softwarebranche läge die Frauen- Arbeitsmarkt der Kultur- und Kreativwirtschaft – quote bei 52 Prozent. Bei der Gruppe der geringfü- bei Ausklammerung der Softwarebranche – in vier gig Beschäftigten bleibt die unterdurchschnittliche der sechs übrigen Gruppen bei den sozialversiche- Frauenquote von 49 Prozent bestehen, da hier die rungspflichtigen Arbeitsplätzen so, dass der Frau- Softwarebranche keine relevante Rolle für den Frau- enanteil jeweils über 50 Prozent liegt. In den Grup- enarbeitsmarkt spielt. pen Film/Rundfunk/Video und darstellende Kunst liegt die Frauenquote geringer jeweils unterhalb In qualitativer Hinsicht ist die Gruppe Buch/Presse von 50 Prozent. Eine Unterscheidung nach Voll- für die Frauenbeschäftigung bedeutsam. Hier bele- und Teilzeit ist aus datenschutzrechtlichen Gründen gen Frauen die sozialversicherungspflichtigen nicht möglich. Arbeitsplätze mehrheitlich und erreichen einen
— 16 — Strukturwandel in Bremen – Branchenanalyse 2.2 Das Arbeiten in der Kultur- Die derzeitigen Steuer- und Sozialsysteme bezie- und Kreativwirtschaft verän- hen sich in ihrer Regulierung und Absicherung von Erwerbstätigkeit „in weiten Teilen auf die unter- dert sich schiedlichen Statusformen von sozialversicherungs- pflichtiger Beschäftigung einerseits und unterneh- In allen Branchen verändert sich die Arbeit durch merischer Selbstständigkeit andererseits“24. Der Digitalisierung, Automatisierung und technische Kultur- und Kreativsektor ist hingegen von pro- Innovation im Bereich Information, Kommunikation jektbezogenen Arbeitsverträgen und Tätigkei- und Produktion, wie unter anderem auch der Moni- ten dominiert. „Deshalb sind weder das Normal- toringbericht Kultur- und Kreativwirtschaft der Bun- arbeitsverhältnis noch das finanziell unabhängige desregierung 2018 unter dem Schwerpunktthema Unternehmertum dominante Formen kreativer „Arbeit und Beschäftigung“ konstatiert. Dabei seien Erwerbstätigkeit. Häufiger sind befristete aufeinan- „viele der diskutierten Veränderungen von Arbeit der folgende Anstellungen, Solo-Selbstständigkeit durch den Einsatz digitaler Technologien […] oder ‚hybride Erwerbsformen‘.“25 bereits heute in einigen Branchen zu beobachten. Zu diesen ‚Vorreiter-Branchen‘ der Digitalisierung So sind Beschäftigungen insbesondere in den von gehören auch die Teilbranchen der Kultur- und Kre- digitalen Arbeitsformen geprägten Bereichen des ativwirtschaft […]. Hier wird die Flexibilisierung Kultur- und Kreativsektors „durch instabile Rah- von Arbeit durch mehr projektbezogene, organisa- menbedingungen mit prekären Einkommen und tionsübergreifende und marktbezogene Tätigkeiten geringer Sicherheit des Arbeitsplatzes charakteri- vielfach und schon seit längerem praktiziert“20. Der siert“26. Gleiches gilt für Solo-Selbstständige und Monitoringbericht für das Folgejahr hält fest, dass Freiberufler sowie für Beschäftigte in befristeten, die aktuellen Arbeitstrends der Kultur- und Krea- projektbezogenen Arbeitsverhältnissen: „Viele von tivwirtschaft den zukünftigen Entwicklungen am ihnen stehen parallel in verschiedenen Beschäfti- Arbeitsmarkt entsprechen.21 gungsverhältnissen und bewegen sich überdurch- schnittlich häufig im Grenzfeld prekärer Beschäfti- Wie bereits anhand der aufgeführten Kennzahlen gung.“27 verdeutlicht wurde, ist für den Kultur- und Kreativ- sektor ein hoher Anteil an Teilzeitarbeit und Mini- Auch die Studie „Kultur- und Kreativwirtschaft in jobs sowie von Solo-Selbstständigen signifikant. In Stadt und Region“ stellt fest, dass bei einem gro- der Verteilung der Erwerbsformen überwiegen aty- ßen Teil der Akteure in der Kultur- und Kreativ- pische Beschäftigungs- und Tätigkeitsformen sogar wirtschaft erwerbsbiografische Unsicherheit vor- im Verhältnis zu Normalarbeitsverhältnissen und herrscht, die sich in der Altersvorsorge fortsetzt. klassischen Selbstständigen. Damit ist die Tendenz „Während Beschäftigte großer und mittlerer Unter- hin zu atypischer Beschäftigung im Zuge des Struk- nehmen noch von relativ geregelten Arbeitszei- turwandels in der Arbeitswelt in der Kultur- und ten und garantierten Bezügen ausgehen können, Kreativwirtschaft bereits zum größten Teil vollzo- gilt dies für die Mehrheit der Beschäftigten klei- gen.22 Diese in der Kultur- und Kreativwirtschaft ner Unternehmen nicht.“28 Genau diese Kleinst- und besonders ausgeprägten Kennzeichen eines Wandels Kleinunternehmen bilden jedoch zusammen mit den der Arbeitswelt gehen jedoch damit einher, dass der Sektor ein höheres Maß an externer Flexibilität und Lohnspreizung aufweist und kaum durch Kündi- gungsschutz und Tarifverträge reguliert wird.23 24 Basten (2019), S. 91. 20 BMWi (2018), S. 44. 25 Basten (2019), S. 92. 21 Vgl. BMWi (2019b), S. 59. 26 BMWi (2018), S. 48. 22 Vgl. Söndermann (2018), S. 11. 27 BMWi (2018), S. 48. 23 Vgl. Eichhorst et al. (2010), S. 27. 28 BBSR (2011), S. 32.
— Kultur- und Kreativwirtschaft im Land Bremen – wenn Corona auf einen fragilen Arbeitsmarkt trifft — 17 Solo-Selbstständigen und Freiberuflern 99 Prozent Neue Konturierung des Arbeitnehmerbegriffs, des Unternehmensbestandes der Kultur- und Kre- um Zwischenbereiche zwischen abhängiger ativwirtschaft. Weiter heißt es in der Studie, dass Beschäftigung und in Selbstständigkeit Arbeiten- zwar Akteure einiger Teilmärkte über die Künstler- den sichtbar zu machen, zum Beispiel indem die sozialkasse in Deutschland sozialversicherungsrecht- bereits existierende Kategorie der „arbeitneh- lich integriert sind, für die Mehrheit der Selbststän- merähnlichen Person“ ausgeweitet wird, bislang digen jedoch keinerlei obligatorische Einbindung nur auf kleine Gruppen, zum Beispiel auf soge- in Sozialversicherungssysteme besteht. „Grundsätz- nannte „feste Freie“ im Medienbereich, ange- lich kann ein Hinterherhinken dieser Regulierun- wendet wird und die soziale Schutzvorschriften, gen hinter den tatsächlichen flexiblen Arbeitsstruk- wie zum Beispiel der Anspruch auf Urlaub, Pfle- turen in diesem Bereich konstatiert werden, was zu gezeit oder Bildungsurlaub sowie die Möglich- einer mangelhaften sozialen Absicherung in die- keit zum Abschluss von Tarifverträgen;32 sem Feld führt. Die kollektive als auch individu- Ausweitung beziehungsweise lebenslauforien- elle Vorsorge für soziale Risiken vieler Selbstständi- tierte Anpassung branchenübergreifender sozia- ger zum Beispiel sozialer Armutsrisiken bei längerer ler Sicherungssysteme33, insbesondere Kranken- Krankheit, Erwerbsunfähigkeit, Auftragslosigkeit und Rentenversicherung, an Selbstständige34 und Alter muss als unzureichend bezeichnet wer- und freiberuflich Tätige35 sowie an projektba- den.“29 Gleiches gilt für zeitlich befristete Beschäf- sierte Arbeitsverhältnisse, zum Beispiel durch tigungsverhältnisse, bei denen „trotz angemesse- Prüfung einer Übertragbarkeit von bestehen- ner Entlohnung in sozialversicherungspflichtiger, den Systemen wie der Künstlersozialkasse (KSK) projektbasierter Anstellung […] auch erfolgreiche oder der Pensionskasse Rundfunk (PKR)36; Erwerbstätige vor höheren Prekarisierungsrisi- breitere Abdeckung kreativer Erwerbstätigkeit ken“30 stehen. Dazu kommen Risiken, wie fehlende in Sozialpartnerschaften, zum Beispiel durch Arbeitnehmerrechte oder fehlende Möglichkeiten zu Erforschung und Unterstützung von Initiativen gemeinschaftlicher Organisation und Vertretung.31 und Ansätzen zur kollektiven Organisierung von Akteuren mit projektbasierter Tätigkeit37, wie Zudem bildet die empirische Erfassung der Kul- zum Beispiel Verbände auf Bundes- und Lände- tur- und Kreativwirtschaft in ihrer notwendigen rebene, regionale und kommunale Netzwerke Abgrenzung zum Beispiel zwischen abhängiger und oder das ver.di-Beratungsangebot „mediafon“; selbstständiger Arbeit beziehungsweise zwischen empirische Erfassung der realen Lage auf dem privatwirtschaftlichen und öffentlich geförderten Segment des Arbeitsmarktes, der von atypi- Bereichen nur zum Teil die Realität der Erwerbstä- schen Beschäftigungsverhältnissen und hybriden tigkeiten ab. So wechseln viele Akteure innerhalb Erwerbsformen dominiert wird;38 kreativer und kultureller Wertschöpfungsketten zum Entwicklung neuer und anderer unternehmens- einen zwischen öffentlich geförderten und privat- und arbeitsmarktpolitischer „Leitplanken“, um wirtschaftlich organisierten Projekten, zum anderen die Rahmenbedingungen für die jenseits des werden ihre Tätigkeiten oder Teile davon je nach klassischen Normalarbeitsverhältnisses tätigen Beschäftigungsfeld mal dem privatwirtschaftlichen, Beschäftigten, Selbstständigen, Unternehmer mal dem öffentlichen Sektor zugeordnet. und so weiter nicht nur im Kultur- und Kreativ- sektor, sondern auch in anderen Segmenten des Vor diesem Hintergrund werden in der Forschung Arbeitsmarktes längerfristig zu verbessern.39 und Literatur verschiedene Ansätze diskutiert, deren Gemeinsamkeit eine Revision und Anpassung beste- hender Regulierungssysteme von Erwerbsarbeit ist. In diesem Zusammenhang wird – oftmals ausgehend von gewachsenen Strukturen, Lösungsansätzen und Best-Practice-Modellen der „Pionierbranche“ Kultur- und Kreativwirtschaft – unter anderem angeregt: 32 Vgl. Hans-Böckler-Stiftung (2017), S. 30. 33 Vgl. BMAS (2017), S. 194. 34 Vgl. Eichhorst et al. (2010), S. 47. 35 Vgl. BMWi (2018), S. 145. 36 Vgl. Basten (2019), S. 98. 29 BBSR (2011), S. 32. 37 Vgl. Basten (2019), S. 98. 30 Basten (2019), S. 97. 38 Vgl. Söndermann (2018), S. 17. 31 Vgl. Söndermann (2018), S. 16. 39 Vgl. Söndermann (2018), S. 17.
— 18 — Strukturwandel in Bremen – Branchenanalyse 2.3 Die Teilmärkte der Kultur- und Kreativwirtschaft: große Unterschiede Ein erster Blick auf die Arbeitsmarktstatistik zeigt, dass die Kultur- und Kreativwirtschaft im Ver- gleichszeitraum zwischen 2010 und 2018 jeweils stärker zugelegt hat als die Gesamtwirtschaft. Besonders eindrucksvoll sind die Wachstumsraten bei sozialversicherungspflichtiger Voll- und Teil- zeitbeschäftigung. Wird der Teilmarkt Software-/ Games-Industrie, der wie erwähnt speziell gelagert ist, aus der Kultur- und Kreativwirtschaft ausge- klammert, relativiert sich das Bild allerdings deut- lich. Abbildung 5: Entwicklung der Erwerbsformen im Land Bremen von 2010 bis 2018 Selbstständige -0,3 % 5,6 % 0,7 % Mini-Selbstständige 0,9 % 8,8 % 5,1 % sozialversicherungspflichtig 6,1 % Beschäftigte (Vollzeit) 31,4 % -3,1 % sozialversicherungspflichtig 53,9 % Beschäftigte (Teilzeit) 55,0 % 24,4 % 16,8 % sozialversicherungspflichtig 36,8 % Beschäftigte (insgesamt) 5,1 % 3,7 % geringfügig Beschäftigte -11,7 % -12,7 % -20 -10 0 10 20 30 40 50 60 Gesamtwirtschaft Kultur-/Kreativwirtschaft Kultur-/Kreativwirtschaft ohne Software Quelle: Statistisches Landesamt Bremen; Bundesagentur für Arbeit; eigene Berechnungen Büro für Kulturwirtschaftsforschung, Köln
— Kultur- und Kreativwirtschaft im Land Bremen – wenn Corona auf einen fragilen Arbeitsmarkt trifft — 19 Während die Gesamtwirtschaft in der Vollzeitbe- Minijobs sind in der Kultur- und Kreativwirtschaft schäftigung lediglich um sechs Prozent wachsen merklich auf dem Rückzug. Auch in anderen Bran- konnte, erreichten die kreativen Branchen insge- chen nimmt die geringfügige Beschäftigung seit Ein- samt eine Steigerung von 32 Prozent. Die Ent- führung des Mindestlohns anno 2015 zugunsten wicklung der Teilzeitbeschäftigung verlief in der sozialversicherungspflichtiger (Teilzeit-)Beschäfti- Kultur- und Kreativwirtschaft in etwa so wie im gung ab. Insbesondere das ausschließliche Arbei- Durchschnitt der anderen Branchen. Dem 54-Pro- ten im Minijob wird weniger, Mini- als Nebenjobs zent-Zuwachs der Gesamtwirtschaft stehen 55 Pro- haben hingegen nach wie vor Zulauf. Im Zeitraum zent in der Kultur- und Kreativwirtschaft gegenüber. seit 2010 ist die Zahl der Minijobs gesamtwirt- Die Entwicklung der Zahl von Selbstständigen und schaftlich leicht um vier Prozent gestiegen, in der Mini-Selbstständigen ist in der Kultur- und Kre- Kultur- und Kreativwirtschaft ging sie dagegen von ativwirtschaft stärker als in der Gesamtwirtschaft. 2010 bis 2018 um 12 Prozent zurück. Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist als experimen- tierfreudige Branche auf einen ständigen „Zuzug“ Trotz der Einschränkungen bleibt als Fazit, dass von neuen Akteuren angewiesen, um als Branche beim Vergleich der Arbeitsmarktstrukturen die Kul- lebendig zu bleiben. tur- und Kreativwirtschaft insbesondere bei der Gruppe der abhängig Beschäftigten eine überdurch- schnittliche Wachstumsdynamik aufweist – zumin- dest bei Einbeziehung des Bereichs Software-/ Games. Ohne diesen Teilmarkt ist die Vollzeitbe- schäftigung in der Kultur- und Kreativwirtschaft in den vergangenen Jahren gesunken. Ohnehin ver- läuft die Entwicklung der Teilmärkte sehr unter- schiedlich, wie Abbildung 6 zeigt. Abbildung 6: Entwicklungen in der Kultur- und Kreativwirtschaft und ihren wichtigsten Teilmärkten im Land Bremen von 2010 bis 2018 5,6 % Kultur- und Kreativwirtschaft 46,1 % 36,7 % 0,7 % KKW (ohne Software) 16,9 % 5% 9,1 % Designwirtschaft 42,6 % -5 % -2,9 % Architekturmarkt 30,9 % 46,3 % 13,9 % Pressemarkt 9,1 % -15,0 % -23,2 % Werbemarkt 21,0 % 4,4 % 39,3 % Software-/ Games-Industrie 141,3 % 108,6 % -40 -20 0 20 40 60 80 100 120 140 160 Selbstständige/Unternehmen Umsatz sozialversicherungspflichtige Beschäftigung Quelle: Statistisches Landesamt Bremen; Bundesagentur für Arbeit; eigene Berechnungen Büro für Kulturwirtschaftsforschung, Köln
— 20 — Strukturwandel in Bremen – Branchenanalyse Insgesamt zeigt die Entwicklung der Kultur- und Eine Darstellung der anteiligen Beschäftigungsver- Kreativwirtschaft im Vergleich des Jahres 2018 zu hältnisse zeigt deutlich den strukturellen Wandel: 2010 eine Zuwachsrate von sechs Prozent bei den Bei allen dargestellten Wirtschaftszweigen ist Voll- Selbstständigen/Unternehmen, einen weit über- zeit zwar noch die vorherrschende Beschäftigungs- durchschnittlichen Zuwachs von 46 Prozent beim form, im Jahresvergleich 2010 zu 2019 wird aber Umsatz und einen ähnlich überdurchschnittlichen deutlich, dass der Anteil der Vollzeit in nahezu Zuwachs bei der sozialversicherungspflichtigen allen Wirtschaftszweigen kleiner geworden ist. Bei Beschäftigung. der Software geht er von 92 Prozent auf 84 Pro- zent zurück, bei der Architektur von 87 Prozent auf Betrachtet man jedoch die Entwicklung ohne den 69 Prozent. Insgesamt schrumpft der Vollzeitan- Teilmarkt Software-/Games-Industrie, so wird deut- teil in der Kultur- und Kreativwirtschaft einschließ- lich, dass beim Umsatz lediglich ein Zuwachs von lich Software von 77 Prozent auf 74 Prozent. Wie- 17 Prozent im Jahr 2018 gegenüber 2010 erzielt derum deutlicher verschiebt sich das Verhältnis der werden konnte. Die Zahl der Selbstständigen und Kultur- und Kreativwirtschaft ohne die Software. Unternehmen sowie der Beschäftigung stagniert Dann sinkt der Anteil im Jahr 2019 bei der Voll- im Zeitverlauf. Der Blick auf die dargestellten Teil- zeit von 70 Prozent im Jahr 2010 auf 64 Prozent. märkte zeigt, dass die Designwirtschaft, der Archi- Eine Darstellung der anteiligen Beschäftigungsver- tekturmarkt und der Werbemarkt ein nennenswer- hältnisse zeigt deutlich den strukturellen Wandel: tes Umsatzplus zwischen 21 Prozent und 43 Prozent Bei allen dargestellten Wirtschaftszweigen ist Voll- erzielen können. Zusammen mit dem Plus im Pres- zeit zwar noch die vorherrschende Beschäftigungs- semarkt können diese größeren Teilmärkte die Kul- form, im Jahresvergleich 2010 zu 2019 wird aber tur- und Kreativwirtschaft insgesamt in wirtschaftli- deutlich, dass der Anteil der Vollzeit in nahezu cher Hinsicht in einem positiven Wachstum halten. allen Wirtschaftszweigen kleiner geworden ist. Bei Abbildung 7: Anteil von Teil- und Vollzeit in beschäftigungsstärksten Teilbereichen der Kultur- und Kreativwirtschaft im Land Bremen 2010 2019 Softwareentwicklung 92 % 8% Softwareentwicklung 84 % 16 % Architekturbüros 87 % 13 % Architekturbüros 69 % 31 % Werbeagenturen 84 % 16 % Werbeagenturen 71 % 29 % darstellende Kunst (ÖKB)* 80 % 20 % darstellende Kunst* 75 % 25 % Buch-Einzelhandel 74 % 26 % Buch-Einzelhandel 54 % 46 % Rundfunkveranstalter (AöR)* 59 % 41 % Rundfunkveranstalter* 61 % 39 % Buch-/Presseverlage 51 % 49 % Buch-/Presseverlage 56 % 44 % Kultur- und Kultur- und Kreativwirtschaft 77% 23% Kreativwirtschaft 74 % 26 % KKW (ohne Software) 70% 30% KKW (ohne Software) 64 % 36 % 0% 20 % 40 % 60 % 80 % 100 % 0% 20 % 40 % 60 % 80 % 100 % Vollzeit Teilzeit Vollzeit Teilzeit * überwiegend öffentlich finanzierter Kulturbetrieb (ÖKB) beziehungsweise Anstalt öffentlichen Rechts (AöR) Quelle: Bundesagentur für Arbeit; eigene Berechnung Büro für Kulturwirtschaftsforschung, Köln
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