Informationsgrundlagen des internationalen Marketing-Management
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Teil 2 Informationsgrundlagen des internationalen Marketing-Management A. Rahmenbedingungen des internationalen Marketing I. Überblick Die besondere Schwierigkeit internationaler Marketing-Entscheidungen im Ver- gleich zu einer rein nationalen Betätigung liegt in der länderspezifisch teilweise sehr unterschiedlichen Ausgangssituation für die unternehmerische Betätigung. Während bei nationalen Marketing-Entscheidungen ein Großteil der Rahmenbe- dingungen bereits bekannt bzw. vergleichsweise einfach zu ermitteln ist, müssen im internationalen Marketing zahlreiche entscheidungsrelevante Daten erst erho- ben werden, wobei hinsichtlich Aktualität und Vergleichbarkeit der Informationen erhebliche Probleme auftreten können. Abbildung 2.1 stellt die für internationale Marketing-Entscheidungen relevanten Faktoren im Überblick dar. Grundsätzlich können die einzelnen Determinanten in globale Rahmenbedingungen, Branchen- und Wettbewerbsfaktoren sowie unternehmensspezifische Faktoren unterteilt wer- den (vgl. Sander 1998, S. 42 f.); welche Faktoren im Einzelfall von Relevanz sind, ist von der konkreten Situation des Unternehmens abhängig. Hinzu kommen noch spezifische Rahmenbedingungen für die einzelnen Marketinginstrumente (vgl. die Ausführungen im 4. Teil). II. Globale Rahmenbedingungen Globale Rahmenbedingungen beschreiben die allgemeine Situation einer Volks- wirtschaft unabhängig von der Branche, in der ein Unternehmen tätig ist. Gerade solche globalen Rahmenbedingungen variieren häufig sehr stark von Land zu Land und können nicht nur den Handlungsspielraum im internationalen Marketing er- heblich einschränken, sondern gar eine Betätigung auf einzelnen Auslandsmärkten von vornherein als unratsam erscheinen lassen; dies gilt insbesondere für politisch und wirtschaftlich instabile Volkswirtschaften bspw. der Dritten Welt. Die globalen Rahmenbedingungen können unterteilt werden in R. Berndt et al., Internationales Marketing-Management, 19 DOI 10.1007/978-3-642-12691-8_2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
20 Teil 2 Informationsgrundlagen des internationalen Marketing-Management Faktoren Beispiele Ökonomische Marktgröße Bruttosozialprodukt Faktoren Pro-Kopf-Einkommen Kaufkraft Zinsentwicklung Globale Rahmenbedingungen Wechselkursentwicklung Lohnkosten Politisch-rechtliche Heimat- und Gastlandrecht Faktoren Internationales Recht politische Stabilität Arbeitskämpfe Wirtschaftsabkommen tarifäre und nichttarifäre Handelshemmnisse Soziokulturelle Sprache und Religion Faktoren Werte und Normen Gepflogenheiten Bildungsstand soziale Institutionen und soziales Verhalten Geographische Klima Faktoren Topographie Ressourcen Infrastruktur Branchenstruktur Marktform Eintrittsbarrieren Kapitalintensität der Branche Wertschöpfung innerhalb der Branche technischer Wandel innerhalb der Branche Branche und Wettbewerb Wettbewerber Art, Anzahl und Größe der Konkurrenten Wettbewerbsintensität Leistungsprogramm der Konkurrenten Marktanteile Lieferanten Konzentrationsrate der Lieferanten Art, Anzahl und Größe der Lieferanten Qualität von Rohstoffen und Vorprodukten Angebot an Arbeitskräften und Nominalgütern Abnehmer Endverbraucher Handel Nachfrageverhalten Nachfragemacht des Handels Bedürfnisstruktur Einkaufsvolumen der Händler Beschaffenheit und Größe Konzentrationsrate des Han- der Marktsegmente dels Preisbereitschaft Distributionsstrukturen Stellung der Produkte im PLZ Unternehmensziele oberste Unternehmensziele/Unternehmensphilosophie Unternehmensspezifische länderspezifische Marketing-Ziele Finanzkraft Kapitalstruktur Liquidität Kreditwürdigkeit Faktoren Produktmerkmale Standardisierbarkeit Produktqualität Nebenleistungen Personal Qualifikation Auslandserfahrung Produktionskapazi- vorhandene Kapazität tät Kapazitätsauslastung Abb. 2.1 Rahmenbedingungen des internationalen Marketing
A. Rahmenbedingungen des internationalen Marketing 21 • ökonomische Faktoren, • politisch-rechtliche Faktoren, • soziokulturelle Faktoren und • geographische Faktoren (vgl. ausführlich z. B. Cateora/Graham 2007, S. 56 ff.; Czinkota/Ronkainen 2007, S. 51 ff.). 1. Ökonomische Faktoren Ökonomische Faktoren sind heranzuziehen, um die Größe und die Eigenschaften der verschiedenen Auslandsmärkte erfassen zu können; von der Größe des Marktes kann wiederum auf Marktpotenzial und Marktvolumen geschlossen werden, was für die Beurteilung der Marktchancen der eigenen Produkte von zentraler Bedeutung ist. Solche Faktoren umfassen u. a. (vgl. z. B. Czinkota/Ronkainen 2007, S. 88 ff.; Meffert/Bolz 1998, S. 49 ff.): • Bevölkerungsentwicklung, • Bruttoinlandsprodukt insgesamt und pro Kopf, • Pro-Kopf-Einkommen und Einkommensverteilung, • Inflation, • Kaufkraft • Zinsentwicklung und • Arbeitslosenquote. Unmittelbar von Bedeutung für die Absatzchancen ist zunächst die Bevölkerungs- entwicklung. Während es weltweit noch ein deutliches Wachstum der Bevölkerung gibt, sind in den Industrieländern kaum noch Zuwächse zu verzeichnen. Die Indust- rieländer sind auf Grund ihres hohen Pro-Kopf-Einkommens besonders attraktiv für die anbietenden Unternehmen. Abbildung 2.2 zeigt die Bevölkerungsentwicklung in den Industrieländern seit 1980 auf. Aus Abb. 2.3 lässt sich die jährliche Veränderung des Bruttoinlandsproduk- tes der EU-15-Länder (Deutschland, Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden und Spanien) sowie der Neuen EU-12-Länder (Bulgarien, Est- land, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern) entnehmen. Ersichtlich sind die höheren Zuwachsraten des Bruttoinlandsproduktes bei den Neuen EU-12-Ländern, allerdings ausgehend von einem deutlich niedrigeren Niveau des Bruttoinlandsproduktes im Vergleich zu den EU-15-Ländern. Abbildung 2.4 zeigt ergänzend die reale Veränderung des Brut- toinlandsproduktes einzelner Länder auf. Zusätzlich sind die Wachstumsraten der Vereinigten Staaten, Kanada, Schweiz und Japan angegeben. Weitere Erkenntnisse ergeben sich, wenn die Größe eines Landes, gemessen an der Einwohnerzahl, berücksichtigt wird. Selbst innerhalb Europas bestehen in diesem Zusammenhang große Unterschiede; so erreicht Norwegen mehr als das
22 Teil 2 Informationsgrundlagen des internationalen Marketing-Management 1980 1985 1990 1997 2000 2003 2007 2008 Belgien 9,9 9,9 10,0 10,2 10,3 10,3 10,4 10,4 Dänemark 5,1 5,1 5,1 5,3 5,3 5,4 5,5 5,5 Deutschland 61,5 61,0 79,8 82,0 82,1 82,5 82,3 82,1 Finnland 4,8 4,9 5,0 5,1 5,2 5,2 5,2 5,2 Frankreich 53,9 55,3 56,7 58,6 58,9 60,2 63,7 64,1 Griechenland 9,6 9,9 10,2 10,5 10,5 10,6 10,7 10,7 Irland 3,4 3,5 3,5 3,7 3,8 3,9 4,1 4,2 Italien 56,4 56,5 56,7 57,5 57,2 58,0 58,2 58,2 Japan 116,8 120,8 123,5 126,1 126,9 127,2 127,4 127,3 Kanada 24,0 25,9 27,8 30,0 30,8 32,2 33,4 33,2 Niederlande 14,1 14,5 15,0 15,6 15,9 16,2 16,6 16,7 Österreich 7,6 7,6 7,7 8,1 8,1 8,2 8,2 8,2 Portugal 9,8 10,0 9,9 9,9 10,0 10,1 10,6 10,7 Schweden 8,3 8,4 8,6 8,9 8,9 9,0 9,0 9,0 Schweiz 6,3 6,5 6,7 7,1 7,2 7,4 7,6 7,6 Spanien 37,5 38,4 38,9 39,3 39,5 40,2 40,5 40,5 USA 227,8 238,5 250,1 267,9 275,4 290,3 301,1 301,2 Großbritannien 56,3 56,6 57,6 59,0 59,8 60,1 60,8 60,9 Stand: jeweils zur Jahresmitte; Deutschland: bis 1990 Westdeutschland Abb. 2.2 Entwicklung der Bevölkerung in den Industrieländern (in Mio.). (Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft 2004, S. 125, 2008, S. 130 und 2009, S. 132) 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 6,6 6,3 5,6 4,8 4,1 4,4 Neue EU-12 3,0 4,0 3,9 3,0 3,0 2,9 2,9 2,2 2,7 1,9 1,8 1,2 1,2 EU-15 0,6 Abb. 2.3 Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts der EU-15-Länder sowie der neuen EU-Mit- gliedsländer (in %). (Quelle: Metro AG 2009, S. 40)
A. Rahmenbedingungen des internationalen Marketing 23 Abb. 2.4 Reale Veränderung Rumänien 7,1 des Bruttoinlandsprodukts Slowakische Republik 6,4 2008 verschiedener Länder (in %). (Quelle: Institut der Bulgarien 6,0 deutschen Wirtschaft 2009, Polen 4,8 S. 138) Tschechien 4,4 Zypern 3,7 Slowenien 3,5 Litauen 3,0 Griechenland 2,9 Luxemburg 2,4 Niederlande 2,0 Norwegen 2,0 Österreich 1,8 Schweiz 1,6 Malta 1,6 Deutschland 1,3 Belgien 1,2 Spanien 1,2 USA 1,1 Finnland 0,9 Frankreich 0,8 Großbritannien 0,7 Ungarn 0,5 Kanada 0,5 Portugal –0,1 Schweden –0,2 Japan –0,7 Italien –1,0 doppelte Pro-Kopf-Einkommen wie Italien. Gegenüber armen Ländern wie der Ukraine ist dieses fast der 25-fache Wert (vgl. Abb. 2.5). Eine Überbetonung sol- cher globaler Kennziffern bei der Beurteilung der Tragfähigkeit eines ökonomi- schen Engagements in einem bestimmten Land sollte allerdings unterbleiben, da auch ärmere Länder durchaus interessante Marktsegmente mit hoher Kaufkraft auf- weisen können. Eine erfreuliche Entwicklung ist im Hinblick auf das Ziel der Preisstabilität zu verzeichnen. In den führenden Industriestaaten sind für 2008 Inflationsraten zwi- schen 1,4 % und 3,8 % zu verzeichnen, die in den Vorjahren aber noch unterboten wurden. Abbildung 2.6 zeigt die Entwicklung der Inflationsraten in ausgewählten Industrieländern im Zeitablauf auf. Von entscheidender Bedeutung für den internationalen Handel ist auch die Kauf- kraft von Währungen im Ausland. Neben den Inflationsraten spielt insbesondere die Wechselkursentwicklung – mit Ausnahme des Euro-Raumes – eine Rolle für
24 Teil 2 Informationsgrundlagen des internationalen Marketing-Management Norwegen 65.200 Spanien 24.600 Schweiz 44.600 Griechenland 21.800 Dänemark 42.800 Portugal 15.600 Irland 42.400 Tschechien 14.600 Niederlande 36.200 Slowakei 12.500 Schweden 35.800 Kroatien 10.400 Finnland 35.200 Ungarn 10.090 Österreich 33.600 Polen 9.500 Belgien 32.800 Russland 7.700 Frankreich 31.500 Türkei 6.600 Deutschland 30.300 Rumänien 6.400 Großbritannien 29.700 Bulgarien 4.500 Italien 26.700 Ukraine 2.700 Abb. 2.5 Bruttoinlandsprodukt pro Kopf im europäischen Vergleich in EUR (2008). (Quelle: Metro AG 2009, S. 36) USA Japan Deutsch- Frank- Italien Groß- Kanada land reich britannien 1981 – 1990 4,7 2,1 2,6 6,4 9,7 6,6 6,0 1991 – 2000 2,8 0,8 2,4 1,7 3,7 3,0 2,0 2000 3,4 –0,7 1,4 1,7 2,5 3,0 2,7 2001 2,8 –0,7 1,9 1,7 2,7 1,8 2,6 2002 1,5 –1,0 1,4 1,9 2,5 1,3 2,2 2003 2,3 –0,2 1,0 2,1 2,7 1,4 2,8 2004 2,7 0 1,8 2,3 2,3 1,3 1,9 2005 3,4 –0,6 1,9 1,9 2,2 2,0 2,2 2006 3,2 0,2 1,8 1,9 2,2 2,3 2,0 2007 2,8 0 2,2 1,5 2,0 2,3 2,4 2008* 3,8 1,4 2,6 2,8 3,3 3,6 2,4 Deutschland: bis 1990 Westdeutschland * geschätzt Abb. 2.6 Jährliche Veränderung der Verbraucherpreise (in %). (Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft 2004, S. 140 und 2009, S. 146)
A. Rahmenbedingungen des internationalen Marketing 25 Für einen Euro erhält man im jeweiligen Land Waren und Dienstleistungen im Gegenwert von ... Euro: Ukraine Tschechien 1,46 Polen Niederlande Österreich USA 1,26 Frankreich Schweiz Dänemark Italien 1,12 1,05 0,97 0,94 0,89 0,87 0,84 0,78 Abb. 2.7 Kaufkraft des Euro in ausgewählten Ländern (2009). (Quelle: http://www.destatis. de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Statistiken/Preise/InternationalerVer- gleich/Tabellen/Content50/KaufkraftEuroAusland.psml) die Veränderung der Kaufkraft. Abbildung 2.7 zeigt die Kaufkraft des Euro in aus- gewählten Ländern. Neben den bisher beschriebenen Faktoren, welche als Indikatoren für die Markt- größe herangezogen werden können, sind auch solche Determinanten zu beachten, die direkt die finanzielle Seite berühren. Dazu gehört zum einen die Entwicklung der Zinsen, insbesondere der Fremdkapitalzinsen; diese bestimmen die Kapitalkos- ten in den einzelnen Ländern und damit die Attraktivität eines Landes für Direktin- vestitionen. Wie Abb. 2.8 zeigt, sind die langfristigen Realzinsen in den führenden Industrienationen von 1995 bis 2005 ausnahmslos zurückgegangen. Seitdem ist teil- weise ein leichter Anstieg zu verzeichnen. Zum anderen spielt die Entwicklung der Wechselkurse eine bedeutende Rolle, da diese im Falle einer Exportstrategie die Höhe der Exporterlöse, im Falle von Direktinvestitionen die Höhe der von den aus- ländischen Tochtergesellschaften an die Muttergesellschaft transferierten Gewinne beeinflussen. Im Hinblick auf die USA, Japan, Schweiz, Kanada und Großbritan- nien zeigt sich diesbezüglich kein einheitliches Bild (vgl. Abb. 2.9). Insgesamt hat
26 Teil 2 Informationsgrundlagen des internationalen Marketing-Management USA Japan Deutsch- Frank- Italien Groß- Kanada land reich britan- nien 1995 6,6 3,4 6,9 7,5 12,2 8,2 8,2 2000 6,0 1,7 5,3 5,4 5,6 5,3 5,9 2005 4,3 1,4 3,4 3,4 3,6 4,4 4,1 2008 3,7 1,5 4,0 4,2 4,7 4,6 3,6 Jährliche Rendite 10-jähriger Staatsanleihen oder ähnlicher Finanzinstrumente; Durchschnitte täglicher Werte oder von Monatsendwerten. Abb. 2.8 Langfristige Realzinsen in ausgewählten Industrienationen (in %). (Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft 2009, S. 148) sich der Euro in der jüngeren Vergangenheit aber als sehr stabile Währung erwiesen, die sich gegenüber anderen Währungen – insbesondere gegenüber dem US-$ – sehr gut behaupten konnte. Auch die Arbeitskosten, welche besonders in lohnintensiven Branchen u. U. eine Produktionsverlagerung in das Ausland zur Folge haben können, sind für Interna- tionalisierungsentscheidungen von großer Bedeutung. Gerade die Arbeitskosten – insbesondere auch die Lohnnebenkosten – lassen die Diskussion um den Standort US-Dollar Yen (*10^2) 2,00 Schweizer Franken Kanadischer Dollar Pfund Sterling 1,59 1,56 1,52 1,50 1,47 1,00 0,80 0,50 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 bis 1998: ECU-Wechselkurs; Euro-Kurse sind Referenzkurse der EZB Abb. 2.9 Entwicklung der Euro-Wechselkurse ausgewählter Währungen. (Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft 2009, S. 45)
A. Rahmenbedingungen des internationalen Marketing 27 Deutschland immer wieder neu aufleben. Ein großes Gefälle besteht diesbezüglich auch innerhalb der Europäischen Union (EU 27); so betrugen die gesamten Arbeits- kosten pro Stunde im verarbeitenden Gewerbe im Jahre 2007 in Bulgarien 5,2 % der Arbeitskosten in Westdeutschland (vgl. Abb. 2.10). Auch divergiert das Ausmaß an Personalzusatzkosten; während Malta mit weitem Abstand mit 27 % am unteren Ende rangiert, liegen in Frankreich die Zusatzkosten sogar über dem Direktentgelt. Die Arbeitslosenquote hingegen gibt Auskunft einerseits über das zur Verfügung stehende Ressourcenpotenzial im Hinblick auf neu einzustellende Arbeitskräfte, an- dererseits lässt sie auf das zur Verfügung stehende Haushaltseinkommen und damit auf die Kaufkraft der Bevölkerung schließen. Abbildung 2.11 zeigt die international stark divergierenden Arbeitslosenquoten; gleichzeitig deutet sie darauf hin, dass Arbeitslosigkeit in vielen Ländern nach wie vor ein aktuelles Problem ist. 2. Politisch-rechtliche Faktoren Politische Rahmenbedingungen beschreiben die politische Lage und insbeson- dere auch die politische Stabilität eines Landes; dazu gehören u. a. (vgl. Czinkota/ Ronkainen 2007, S. 133 ff.): • politische Konflikte (z. B. Bürgerkriege), • Souveränitätsbestrebungen, • Rolle des Militärs, • politische Interventionen (Enteignung, Konfiszierung), • Wirtschaftssystem und Wirtschaftsordnung, • tarifäre und nichttarifäre Handelshemmnisse. Solche politischen Faktoren können u. U. ein erhebliches Auslandsrisiko begrün- den (zu den einzelnen Auslandsrisiken vgl. z. B. Meissner 1995, S. 78 ff. und Zim- mermann 1992 sowie Abschn. B.II. im 3. Teil). Bürgerkriege wie im ehemaligen Jugoslawien, Unruhen und militärische Auseinandersetzungen im Kosovo, Souve- ränitätsbestrebungen in Russland oder auf Korsika, Militärdiktaturen etc. führen zu einem politisch und als Folge auch wirtschaftlich instabilen Klima, welches ein En- gagement in einzelnen Ländern unattraktiv macht oder gar verbietet (zu den Markt- eintrittsstrategien vgl. Kap. C. im 3. Teil). Auch protektionistische Maßnahmen, wie z. B. Importkontrollen und Ein- fuhrzölle zum Schutz der heimischen Wirtschaft, können erhebliche Markteintritts- barrieren darstellen. So verlagern die deutschen Automobilhersteller die Montage oder gar die gesamte Produktion in Länder wie Indonesien, wo die hohen Einfuhr- zölle für fertige Pkws den Export in diese Länder geradezu verbieten. Andererseits sind in vielen Teilen der Welt Liberalisierungsbestrebungen zu beobachten; dazu gehören Zollunionen und Handelsabkommen wie z. B. die Europäische Union, NAFTA in Nordamerika, Mercosur in Südamerika und ASEAN in Südostasien. Abbildung 2.12 zeigt die Entwicklung der dem GATT bzw. der WTO gemelde- ten regionalen Handelsabkommen im Zeitraum 1949–2009, welche derzeit noch
28 Teil 2 Informationsgrundlagen des internationalen Marketing-Management insgesamt davon: Personal- Zusatz- Direkt- zusatz- kosten- entgelt kosten quote Norwegen 40,19 26,40 13,79 52 Belgien 35,84 18,47 17,37 94 Schweden 34,53 19,30 15,23 79 Westdeutschland 34,29 19,64 14,65 75 Dänemark 32,81 22,82 9,99 44 Schweiz 32,70 20,86 11,84 57 Frankreich 32,26 15,94 16,32 102 Niederlande 31,34 17,94 13,40 75 Luxemburg 30,68 20,40 10,28 50 Finnland 30,01 17,54 12,47 71 Österreich 29,90 15,89 14,01 88 Großbritannien 27,19 17,36 9,82 57 Irland 26,87 19,64 7,23 37 Italien 24,26 13,05 11,21 86 Ostdeutschland 20,29 12,76 7,53 59 Spanien 19,57 10,46 9,10 87 Japan 18,39 10,29 8,10 79 Griechenland 15,75 8,39 7,36 88 Zypern 12,27 9,01 3,26 36 Slowenien 11,33 6,54 4,79 73 Malta 9,46 7,46 1,99 27 Portugal 9,15 5,49 3,66 67 Tschechien 7,39 4,15 3,24 78 Ungarn 7,02 3,76 3,26 87 Estland 6,43 4,17 2,26 54 Slowakische Republik 6,30 3,63 2,68 74 Polen 5,90 3,80 2,10 55 Litauen 4,77 3,04 1,72 57 Lettland 4,29 2,98 1,31 44 Rumänien 3,23 2,07 1,16 56 Bulgarien 1,80 1,16 0,64 55 Gesamte Arbeitskosten je geleistete Stunde; weibliche und männliche Arbeiter; z.T. vorläu- fige Zahlen; Umrechnung: Jahresdurchschnitt der amtlichen Devisenkurse; Zusatzkosten- quote: Personalzusatzkosten in Prozent des Direktentgelts Abb. 2.10 Arbeitskosten je geleistete Stunde in der verarbeitenden Industrie in Euro (2007). (Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft 2009, S. 144)
A. Rahmenbedingungen des internationalen Marketing 29 2008 Spanien 11,3 Slowakische Republik 9,7 Ungarn 7,9 Frankreich 7,8 Portugal 7,8 Deutschland 7,3 Polen 7,1 Belgien 7,1 Finnland 6,4 Irland 6,3 Schweden 6,2 Kanada 6,1 USA 5,8 Tschechien 4,4 Luxemburg 4,4 Japan 4,0 Österreich 3,8 Schweiz 3,5 Dänemark 3,4 Niederlande 2,8 Abb. 2.11 Arbeitslosigkeit in verschiedenen Ländern (in % aller Erwerbspersonen). (Quelle: Ins- titut der deutschen Wirtschaft 2009, S. 134) Gültigkeit besitzen. Während bis zu den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts weniger als 5 Handelsabkommen gemeldet waren, begann die Anzahl der Abkom- men ab den 70er Jahren zu steigen. Besonders hinzuweisen ist auf die hohe Zahl der geschlossenen Handelsabkommen seit den 90er Jahren. Für Direktinvestitionen bedeutsam ist auch die Neigung zu Streiks und Arbeits- kämpfen in den verschiedenen Ländern. In Industrieländern rangierte die Band- breite verlorener Arbeitstage je 1.000 Arbeitnehmer von unter 10 Tagen in Deutsch- land, der Schweiz und Japan bis zu deutlich über 100 Tagen in Italien, Spanien und Kanada im Jahresdurchschnitt 2002–2006 (vgl. Abb. 2.13). Auch steuerliche Aspekte spielen für Markteintrittsentscheidungen in Aus- landsmärkten eine bedeutende Rolle. Betrachtet man die Einkommen- und Körper- schaftsteuer in verschiedenen Ländern (vgl. Abb. 2.14), so wird ersichtlich, dass diese international nicht unbeträchtlich variieren. Im Hinblick auf das Konsumkli-
30 Teil 2 Informationsgrundlagen des internationalen Marketing-Management 250 200 Anzahl regionaler Handelsabkommen 150 100 50 0 49 53 57 61 65 69 73 77 81 85 89 93 97 01 03 05 07 0 9 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 20 20 20 20 20 Abb. 2.12 Der WTO gemeldete und in Kraft befindliche Handelsabkommen 1949–2009. (Quelle: http://www.wto.org/english/tratop_e/region_e/regfac_e.htm) ma spielt darüber hinaus die Mehrwertsteuer eine besondere Rolle. Auch hier ist die Spannweite sehr groß (vgl. Abb. 2.15). Weitere eintrittshemmende Wirkungen ge- hen schließlich auch von nichttarifären Handelshemmnissen wie Subventionen, Ausgleichzöllen, restriktiven Devisenbestimmungen, Mindestpreisfestsetzungen u. Ä. aus (vgl. z. B. Cateora/Graham 2007, S. 167 f.). Rechtliche Rahmenbedingungen umfassen (vgl. z. B. Cateora/Graham 2007, S. 182 ff.): • das Rechtssystem, • das Heimat- und das Gastlandrecht sowie • das internationale Wirtschaftsrecht. Das Rechtssystem beschreibt die allgemeine Rechtsordnung eines Staates; grund- sätzlich ist dabei zwischen Common Law und Code Law zu unterscheiden (vgl. Jain 2001, S. 260 f.). Während Common Law auf Tradition und Praktiken der
A. Rahmenbedingungen des internationalen Marketing 31 Kanada 180 Irland 15 Spanien 164 Neuseeland 15 Italien 111 Portugal 15 Finnland 91 USA 15 Österreich 80 Niederlande 11 Norwegen 43 Frankreich 10* Dänemark 38 Deutschland 6 Schweden 34 Schweiz 4 Australien 30 Japan 0* Großbritannien 28 * basiert auf unvollständigen Daten Abb. 2.13 Durch Arbeitskämpfe verlorene Arbeitstage je 1.000 Beschäftigte (im Jahresdurch- schnitt 2002–2006). (Quelle: Hale 2008, S. 33) Vergangenheit basiert und insbesondere für den angelsächsischen Raum typisch ist (Großbritannien, USA, Australien, Indien, Ägypten), beruht Code Law auf umfas- senden Katalogen von Rechtsvorschriften, wie z. B. in Deutschland, Italien, Frank- reich und der Schweiz. Darüber hinaus haben andere Länder eigene, stark religions- geprägte Rechtssysteme, wie z. B. die meisten islamischen Länder. Unterschiede im Rechtssystem können für das Marketing erhebliche Konsequenzen haben: So würde in den USA (Common Law) das Recht auf ein Warenzeichen demjenigen Unternehmen zugesprochen werden, das es als erstes genutzt hat, in Deutschland (Code Law) demjenigen, welches es zuerst angemeldet hat. Neben dem Heimatlandrecht ist bei internationalen Marketing-Entscheidungen insbesondere das Gastlandrecht zu beachten, hier vor allem • Recht des Währungs- und Kreditwesens, • Steuerrecht, • Wettbewerbsrecht, • Arbeits- und Sozialrecht usw. Einen besonderen Stellenwert nimmt hier das Wettbewerbsrecht ein; hier finden sich bspw. Regelungen im Hinblick auf die Werbung (Werbebeschränkungen für be- stimmte Produkte wie Alkohol, Tabak, Arzneimittel; Beschränkungen im Hinblick auf die einsetzbaren Medien und Tageszeiten, Verbot vergleichender Werbung usw.),
32 Teil 2 Informationsgrundlagen des internationalen Marketing-Management Einkommensteuer Körperschaftsteuer 41,8 USA 39,60 35,0 Malta 35,0 46,4 Kanada 33,50 48,0 Frankreich 33,3 53,5 Belgien 33,0 43,0 Spanien 30,0 50,0 Japan 30,0 40,0 Großbritannien 28,0 40,0 Norwegen 28,0 56,6 Schweden 28,0 44,2 Italien 27,5 50,1 Finnland 26,0 52,0 Niederlande 25,5 59,0 Dänemark 25,0 40,0 Griechenland 25,0 50,0 Österreich 25,0 42,0 Portugal 25,0 41,0 Slowenien 22,0 39,0 Luxemburg 22,0 21,0 Estland 21,0 15,0 Tschechien 21,0 40,0 Polen 19,0 Slowakische 19,0 19,0 Rep. 40,0 Schweiz 17,50 40,0 Ungarn 16,0 47,5 Deutschland 15,75 24,0 Litauen 15,0 25,0 Lettland 15,0 41,0 Irland 12,5 30,0 Zypern 10,0 Abb. 2.14 Einkommensteuer und Körperschaftsteuer im internationalen Vergleich (Höchstsätze 2008 in % inkl. aller Zuschläge). (Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft 2009, S. 147)
A. Rahmenbedingungen des internationalen Marketing 33 Norwegen 25,0 Dänemark 25,0 Schweden 25,0 Finnland 22,0 Polen 22,0 Irland 21,5 Belgien 21,0 Italien 20,0 Österreich 20,0 Slowenien 20,0 Ungarn 20,0 Schweiz 7,6 Portugal 20,0 Japan 5,0 Deutschland 19,0 USA1 0,0 1USA: auf Bundesebene keine Umsatzsteuer Abb. 2.15 Mehrwertsteuersätze (2008) im internationalen Vergleich (in %). (Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft 2009, S. 147) anzuwendende Maß- und Gewichtseinheiten, bestimmte Produkteigenschaften (z. B. Sicherheitsvorschriften) usw. Darüber hinaus sind freiwillige Selbstbeschrän- kungsabkommen z. B. im Bereich der Werbung dieser Gruppe von Rahmenbedin- gungen zuzurechnen. Das internationale Recht umfasst solche supranationale rechtliche Regelungen, welche dazu dienen, einen internationalen Rechtsrahmen für den grenzüberschrei- tenden Waren-, Dienstleistungs- und Informationsverkehr zu schaffen (vgl. Mef- fert/Bolz 1998, S. 48 f.). Sie beinhalten Regelungen und Abkommen, welche von bestimmten Ländern respektiert werden und können freiwilligen Charakter haben oder rechtlich bindend sein. Da gerade unterschiedliche rechtliche Bestimmungen in den einzelnen Ziellän- dern den Handlungsspielraum für internationale Marketing-Entscheidungen erheb- lich einschränken können, ist ihre genaue Kenntnis unentbehrlich. Darüber hinaus sind auch die in den einzelnen Ländern gegebenen Möglichkeiten der Rechtsdurch- setzung von Bedeutung, da diesbezüglich teilweise sehr unterschiedliche Praktiken vorherrschen. 3. Soziokulturelle Faktoren Kultur beinhaltet alle Errungenschaften im sozialen Leben eines Menschen; sie wird gelernt, geteilt und von einer Generation zur anderen übertragen. Da kulturelle
34 Teil 2 Informationsgrundlagen des internationalen Marketing-Management Faktoren die Art und Weise, wie auf Marketing-Maßnahmen reagiert wird, mitbe- stimmen, ist eine Berücksichtigung kultureller Besonderheiten in den anvisierten Ländermärkten von zentraler Bedeutung. Kultur umfasst dabei folgende Elemente (vgl. Czinkota/Ronkainen 2007, S. 53 ff.): • Sprache (verbal und nonverbal), • Religion, • Werte und Normen, • Gepflogenheiten, • Ästhetik, • Bildung, • soziale Institutionen und Sozialverhalten. Die Sprache stellt eine der größten Barrieren für internationale Marketing-Ent- scheidungen dar; dies gilt vor allem für die Kommunikationspolitik, aber auch für die Markierung und Verpackung von Produkten. Problematisch ist zum einen die Sprachenvielfalt, teilweise sogar in einem einzelnen Land, wie z. B. in der Schweiz, Belgien, Kanada (vgl. Meffert/Bolz 1998, S. 42). Selbst in Ländern mit gleicher Sprache werden bestimmte Begriffe unterschiedlich aufgefasst, oder aber es werden für denselben Sachverhalt unterschiedliche Begriffe verwendet: So heißt „staubsaugen“ in Großbritannien „to hoover“, in den USA „to vacuum“. Zum an- deren sind auch semantische, syntaktische und phonetische Aspekte zu beachten; so können wörtliche Übersetzungen oftmals unerwünschte Assoziationen herbei- führen, etwa der Slogan von Eastern Air Lines „We earn our wings daily“, dessen Übersetzung in Lateinamerika nahelegte, dass Passagiere oftmals „in den Himmel fliegen“ und damit den Flug nicht überleben (vgl. Manguel 1991, S. 30). Zur Über- windung von Sprachbarrieren ist daher in den meisten Fällen lokale Unterstützung erforderlich. In vielen Ländern wird die Kultur sehr stark von der Religion geprägt, was für internationale Marketing-Entscheidungen erhebliche Konsequenzen nach sich zie- hen kann. Für den Export von Produkten in islamische Länder müssen beispiels- weise darin enthaltene tierische Fette durch pflanzliche ersetzt werden; des Weite- ren hat Anheuser-Busch speziell für den islamischen Markt ein alkoholfreies Bier entwickelt. Werte und Normen entscheiden darüber, ob ein Produkt in einem Land auf Akzeptanz stößt oder abgelehnt wird. Internationales Marketing ist einerseits dann problematisch, wenn die Kultur im Zielland Produkte ablehnt, die nicht im eigenen Land hergestellt wurden. So ist in Japan vielfach die Meinung verbreitet, dass der Kauf ausländischer Produkte „unpatriotisch“ ist (vgl. Czinkota/Ronkai- nen 2007, S. 62). Ähnliche Haltungen finden sich auch in Großbritannien („Buy British“). Andererseits kann das Herkunftsland den Verkauf fördern, wenn dadurch Pres- tige, Status oder Luxus suggeriert werden; so ist der „American way of life“ in vie- len westlichen, aber auch asiatischen Ländern ein starkes Verkaufsargument (z. B. Coca Cola, Levi’s). Derartige Made-in-Images können einen durchaus starken
A. Rahmenbedingungen des internationalen Marketing 35 kaufentscheidenden Einfluss haben (vgl. Keegan/Schlegelmilch 2001, S. 384). So werden deutsche Produkte, insbesondere im technischen Bereich, häufig mit guter Qualität assoziiert. Andererseits können Produkte aus anderen Ländern auch ein eher schlechtes Qualitätsimage besitzen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der technologische und wirtschaftliche Status eines Landes als niedrig einzuschätzen ist (z. B. Entwicklungsländer). Darüber hinaus können Made-by-Images, d. h. die Einstellungen bzgl. bestimmter Hersteller, die Kaufentscheidung wesentlich mit- bestimmen. Zu den Gepflogenheiten gehört zum einen die Art und Weise, wie Pro- dukte verwendet werden. Während beispielsweise Orangensaft in den USA zum Frühstück getrunken wird, zählt er in Frankreich und Italien zu den Er- frischungsgetränken. Der zu kommunizierende Produktnutzen ist damit län- derspezifisch unterschiedlich und erfordert eine andere kommunikative Posi- tionierung. Zu den Gepflogenheiten gehört auch das Geschäftsgebaren; insbe- sondere in asiatischen Ländern verläuft die Anbahnung und Abwicklung von Geschäften teilweise völlig unterschiedlich zu den im Westen herrschenden Usancen. Zur Ästhetik gehört die Wahrnehmung von einzelnen Wörtern, Objekten und Symbolen. So ist in moslemischen Ländern das Zeigen lebender Objekte un- erwünscht bzw. verboten; in manchen Kulturkreisen werden bestimmte Tiere – wie z. B. die Kuh in Indien – als heilig oder aber als unrein empfunden. Auch Farben haben teilweise sehr unterschiedliche symbolische Werte: Während die Farbe Weiß in Europa mit Reinheit assoziiert wird, symbolisiert sie in Pakistan Trauer (vgl. Abb. 2.16). Vom Bildungsniveau hängen oft die Konsumgewohnheiten ab, z. B. die Nach- frage nach Klassik-CDs, Büchern, Theater- und Museenbesuchen; darüber hinaus bestimmt das Bildungsniveau, welche Medien von den Rezipienten genutzt werden. In Ländern mit hoher Analphabetenquote sind Kampagnen in Printmedien daher eher ungeeignet; vielmehr sollte die Ansprache über TV und insbesondere Hörfunk erfolgen. Soziale Institutionen beeinflussen die Art und Weise, wie Personen in einem sozialen Umfeld miteinander verbunden sind. Für das Marketing bedeutsam ist u. a. die Familiengröße, z. B. im Hinblick auf die Verpackungsgrößengestaltung; Abb. 2.17 gibt einen Überblick über die durchschnittliche Haushaltsgröße in aus- gewählten Ländern. Aber auch die Familienzusammensetzung ist für Marketing- Entscheidungen von Bedeutung: Während im Westen eine Familie typischerweise aus Eltern und Kindern besteht, umfasst sie in weniger entwickelten Ländern auch Großeltern und sonstige Verwandte, welche einen z. T. erheblichen Einfluss auf die Kaufentscheidungen ausüben. Die soziale Struktur hängt von der sozialen Schichtzugehörigkeit ab und ist häufig auf die Religion zurückzuführen, z. B. in Indien. Von der sozialen Struk- tur, d. h. dem Anteil der oberen, mittleren und unteren Schicht in der Bevölke- rung, hängt die Auswahl der relevanten Marktsegmente in den verschiedenen Ländern ab.
36 Land Österreich Brasilien Dänemark Finnland Frankreich Italien Pakistan Portugal Schweden Schweiz Farbe Sorge Trauer Trunkenheit Trauer Pessimis- Trauer Sorge Trauer Depression Schwarz Trauer Tod Eifersucht Depression Sorge mus Sorge Eifersucht Hilflosigkeit Sorge Geheimnis Pessimis- Hunger illegal mus Unschuld Friede Trauer Friede Unschuld Unschuld Reinheit Furcht Reinheit Weiß Unschuld Sauberkeit Nüchternheit Unschuld Güte Reinheit Sauberkeit Jung erfolglos Unschuld Reinheit Eleganz Reinheit Liebesaffäre Wärme Ärger Ärger Leidenschaft Ärger Ärger Krieg Liebe Hitze Ärger Ärger Liebe Hass Liebe Heirats- Blut Ärger Rot Gefahr Vergnügen Gefahr Wut Leidenschaft Feuer Leidenschaft zusage Leidenschaft Feuer Feuer Schüchtern- Feuer Feuer Feuer Ärger Feuer (Frauen) Feuer heit Gewalt Neid Hoffnung Jugend Glück Hoffnung Neid Freiheit Hoffnung jugendlich Geldknapp- Frömmigkeit Hoffnung unwohl Grün Hoffnung Langeweile unerfahren unreif Neid Furcht heit Ewiges Neid unreif Gesundheit Güte Krankheit depressiver Leben Ärger Ruhe Eifersucht blauäugig Kälte (kein Wut Kälte Ärger Schwierig- lelchtgläubig Blau Treue Qualität ohne Geld Furcht besonderer Ärger Gleichgültig- Furcht keit, Proble- gefroren unschuldig Ausdruck) Romanze keit me zu lösen kalt Freude Jungfräulich- Sonne Gefahr (kein keit Verzweiflung ohne Geld Gelb Eifersucht Glück Falschheit besonderer Krankheit Ärger Neid Schwäche Plage (slang) Neid Neid Ausdruck) Ärger Krankheit Abb. 2.16 Farbsymboliken im internationalen Marketing. (Quelle: Wilkes 1977, S. 122) Teil 2 Informationsgrundlagen des internationalen Marketing-Management
A. Rahmenbedingungen des internationalen Marketing 37 6 5 4 3 5,6 4,7 5,0 2 2,6 2,7 2,8 1 2,1 Deutschland Japan USA Polen Türkei Marokko Jordanien Abb. 2.17 Durchschnittliche Haushaltsgröße in ausgewählten Ländern. (Quelle: www.euromoni- tor.com sowie eigene Berechnungen) 4. Geographische Faktoren Zu den geographischen Faktoren gehören (vgl. Meffert/Bolz 1998, S. 52): • Klima, • Topographie, • Ressourcenausstattung und • Infrastruktur. Klimatische Bedingungen wie Höhe, Feuchtigkeit und Temperatur beeinflussen zum einen die Nachfrage nach bestimmten Produkten, zum anderen auch deren Funktionsfähigkeit. Beispielsweise können viele technische Geräte in tropischen oder staubigen Umgebungen nur durch entsprechende Modifikationen ihre Funk- tionstüchtigkeit beibehalten (vgl. Cateora/Graham 2007, S. 63). Zur Topografie zählen natürliche Barrieren wie Urwälder, Berge u. Ä. Länder mit vielen derartigen Barrieren, wie z. B. in Südamerika, werden allein durch die Geografie in Marktseg- mente aufgeteilt, welche nur wenige Beziehungen untereinander unterhalten und teilweise sogar auch unterschiedliche Sprachen sprechen. Darüber hinaus ist die Bedienung solcher Märkte mit erheblichen logistischen Problemen verbunden. Die Ausstattung mit Ressourcen, d. h. die Verfügbarkeit von Bodenschätzen und die Möglichkeit zur Herstellung von Energie, bildet die Grundlage für jede moderne Technologie; das Vorkommen wertvoller Bodenschätze in einzelnen Ländern lässt eine rasche wirtschaftliche Entwicklung und damit das Aufkommen neuer Märkte erwarten. Infrastrukturelle Bedingungen umfassen Faktoren wie Größe und Entwick- lungsstand der Verkehrsnetze, vorhandene Transportmittel und Verkehrsknotenpunkte
38 Teil 2 Informationsgrundlagen des internationalen Marketing-Management Internet- Mobil- DSL- WLAN- Nutzer Telefone Anschlüsse Hotspots1 Großbritannien 72 113 56,7 48 Japan 69 75 53,7 8 Frankreich 64 80 47,1 36 Deutschland 72 104 37,3 17 Italien 39 124 37,9 7 USA 72 76 49,9 20 Spanien 57 102 45,2 12 1je 100.000 Einwohner Abb. 2.18 Kommunikations-Infrastruktur je 100 Einwohner bzw. Haushalte (2007). (Quelle: Ins- titut der deutschen Wirtschaft 2009, S. 155) (z. B. Häfen), aber auch die Kommunikationsinfrastruktur (z. B. Medienstruktur, Telefondichte, Postsystem) wie auch die Möglichkeit der Energieversorgung (vgl. Meffert/Bolz 1998, S. 53 f.). Die verkehrsmäßige Infrastruktur hängt sehr stark von der Topografie ab und stellt einen entscheidenden Faktor für die Wahl der Distribu- tionswege dar. Gerade in weniger entwickelten Ländern mit z. T. hohen geographi- schen Barrieren ist es häufig nicht möglich, auf entwickelte Transportrouten zurück- zugreifen; darüber hinaus sind oft mehrere Distributionszentren in ein und demselben Land erforderlich, um den Markt flächendeckend bedienen zu können. Des Weiteren hat die Kommunikationsinfrastruktur erhebliche Auswirkungen auf die Möglichkei- ten von Marketing-Kommunikation und Marktforschung. Abbildung 2.18 zeigt die Ausstattung ausgewählter Länder mit Kommunikationseinrichtungen. III. Branche und Wettbewerb Branchen- und Wettbewerbsfaktoren betreffen nur Unternehmen, die in der jeweili- gen Branche tätig sind. Neben der allgemeinen Branchenstruktur sind Faktoren zu analysieren, welche die Wettbewerber, die Lieferanten und die Abnehmer betreffen (vgl. Sander 1998, S. 52 ff.). Gerade solche Faktoren können von Land zu Land sehr stark variieren und erfordern eine detaillierte Analyse. 1. Branchenstruktur Die Branchenstruktur beschreibt die allgemeinen Charakteristika des Industriesek- tors, in dem das Unternehmen tätig ist, und bestimmt im hohen Maße die Art des Wettbewerbs, mit dem das betreffende Unternehmen konfrontiert wird. Dazu gehört
A. Rahmenbedingungen des internationalen Marketing 39 zum einen die Marktform (z. B. oligopolistisch oder polypolistisch); zum anderen stellen Markteintrittsbarrieren, wie etwa Nationalismus und Patriotismus, aber auch Subventionen für heimische Anbieter, Importzölle für bestimmte Güter etc., wesentliche Restriktionen des internationalen Marketing dar. Ein weiterer Faktor ist die Konkurrenzintensität innerhalb einer Branche; gera- de vor dem Hintergrund der Binnenmarktharmonisierung in Europa ist – auf Grund des daraus resultierenden erleichterten Marktzugangs – von einer Erhöhung der Konkurrenzintensität auszugehen. Die Kapitalintensität der Branche spielt insb. für die Errichtung ausländischer Produktionsstätten eine Rolle; so sind arbeitsinten- sive Technologien für den Einsatz in Niedriglohnländern eher geeignet als kapital- intensive. Als weitere Branchenstrukturfaktoren sind die Wertschöpfung innerhalb einer Branche sowie der technische Wandel zu nennen. 2. Wettbewerber Eine Wettbewerbsanalyse umfasst zum einen die Identifikation der Konkurrenten, zum anderen auch deren Evaluierung. Im Rahmen einer Identifikation der Konkur- renten gilt es festzustellen, ob das eigene Unternehmen auf den einzelnen Länder- märkten eher mit lokalen Anbietern oder mit international tätigen Unternehmen im Wettbewerb steht. Generell lässt sich ein zunehmender Trend zur Globalisierung des Wettbewerbs feststellen, d. h. eine Tendenz von Unternehmen, die Planung ihrer Aktivitäten zunehmend auf länderübergreifender Ebene vorzunehmen und eine Profilierung vornehmlich gegenüber anderen internationalen Wettbewerbern anzustreben (vgl. Meffert/Bolz 1998, S. 60). Eine Evaluierung der Wettbewerber sollte u. a. die Marktmacht, die strategische Ausrichtung sowie die Marktabdeckung der einzelnen Konkurrenten in Betracht ziehen (vgl. Hünerberg 1994, S. 49). Die Marktmacht der Konkurrenten resultiert aus deren Größe und Marktanteil, aber auch aus den Ressourcen und Potenzialen, über die die einzelnen Wettbewerber verfügen, z. B. Finanzkraft, Personal, Zu- gang zu Beschaffungsquellen und Gewinnsituation. Die strategische Ausrichtung der Konkurrenten kann zum einen durch die generelle Marktbearbeitungsstrategie (Kostenführerschaft, Differenzierung oder Nischenstrategie), zum anderen durch die grundlegende Marketingstrategie (globale oder polyzentrisch orientierte Strate- gie) beschrieben werden; darüber hinaus ist das Ausmaß an vertikaler und lateraler Integration von Bedeutung. Die Marktabdeckung resultiert schließlich aus dem angebotenen Leistungsprogramm wie auch aus dem Distributionsgrad der angebo- tenen Produkte. 3. Lieferanten Die Analyse der Lieferanten ist insbesondere für solche Unternehmen von Be- deutung, welche Direktinvestitionen in bestimmten Ländern planen oder bereits mit eigenen Niederlassungen präsent sind. Aber auch für Unternehmen, die eine
40 Teil 2 Informationsgrundlagen des internationalen Marketing-Management Exportstrategie verfolgen, spielt die Analyse internationaler Lieferanten im Hin- blick auf eine Global Sourcing-Strategie eine wichtige Rolle. Solche Lieferanten- faktoren umfassen (vgl. Berndt 1995b, S. 29): • Anzahl und Größe der Lieferanten, • Konzentration und Marktmacht, • Qualität von Rohstoffen und Vorprodukten, • Arbeitsangebot und • Angebot an Nominalgütern, d. h. sie betreffen sämtliche Beschaffungsmärkte des Unternehmens. Insbesondere die Marktmacht der Lieferanten kann erhöhte Kosten für die Beschaffung von Inputgütern nach sich ziehen; die Qualität von Rohstoffen und Vorprodukten be- einflusst hingegen die Qualität der Endprodukte und damit deren Durchsetzbarkeit auf dem Weltmarkt. Von Bedeutung sind darüber hinaus auch Local-content-Vor- schriften, welche vorsehen, dass ein bestimmter Anteil der Wertschöpfung durch Heranziehung lokaler Zulieferer zu realisieren ist; solche Bestimmungen finden sich vielfach in den Schwellenländern Südostasiens wie Indonesien und Malay- sia und dienen vornehmlich der Stützung der heimischen Wirtschaft (vgl. Fantapié Altobelli 1994a, S. 28 f.). Derartige Vorschriften haben die Konsequenz, dass das Unternehmen in der Wahl seiner Lieferanten teilweise erheblich eingeschränkt ist. 4. Abnehmer a. Endverbraucher Bei einer Analyse der Endverbraucher sind u. a. die nachfolgend angeführten Fak- toren von Bedeutung: Nachfragerverhalten auf den einzelnen Ländermärkten Zum Nachfragerver- halten gehören z. B. Kaufkriterien, Bedarfshäufigkeit, spezifische Produktanforde- rungen und Markenwahlverhalten. Unterschiedliche Produktanforderungen in den einzelnen Ländern führen i. d. R. zu einer differenzierten Produktpolitik, unter- schiedliche Kaufkriterien zu einer Differenzierung u. a. der Kommunikationspolitik; das Markenwahlverhalten ist insbesondere für solche Unternehmen wichtig, welche auf den ausländischen Märkten mit etablierten lokalen Marken konkurrieren. Entwicklung der Bedürfnisstruktur Produkte, die in manchen Ländern zu den Grundnahrungsmitteln gehören, stellen in anderen Ländern oftmals Luxusgüter dar. Für internationale Marketing-Entscheidungen ist zu beachten, dass gehobene Gebrauchsgüter eher in entwickelten Ländern nachgefragt werden, während in weni- ger entwickelten Ländern breite Bevölkerungsschichten vor allem eine Deckung der Grundbedürfnisse anstreben. Eine Ausnahme bilden Luxusgüter der oberen Klasse (z. B. Automobile der Luxusklasse, teurer Schmuck), welche gerade in den ärmsten Ländern von der dortigen Oberschicht verstärkt nachgefragt werden. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch die Ausstattung privater Haushalte
A. Rahmenbedingungen des internationalen Marketing 41 Länder PKW1 Telefon PC Japan 451 4004 4072 Frankreich 485 565 6593 Großbritannien 513 544 8123 Italien 608 340 3703 Portugal 412 387 1724 USA 459 5184 7993 Deutschland 501 624 6533 Polen 383 2714 1683 Slowenien 501 505 4294 Ägypten 28 156 494 Mexiko 167 191 1383 Malaysia 250 159 2343 Indien 11 32 324 Angabe je 1000 Einwohner 12007, 22003, 32006, 42007 Abb. 2.19 Ausstattung privater Haushalte mit langlebigen Gebrauchsgütern in ausgewählten Ländern (2008). (Quelle: Statistisches Bundesamt 2009, S. 698, 715) mit bestimmten Gütern des gehobenen Bedarfs; dies kann Hinweise auf Nachfrage- potenziale bzgl. anderer Güter liefern. Abbildung 2.19 zeigt die Haushaltsausstat- tung mit einzelnen langlebigen Gebrauchsgütern in ausgewählten Ländern. Einstellungen und Präferenzen Einstellungen und Präferenzen werden sehr stark von der Kultur geprägt; typische Beispiele sind Einstellungen zu Sauberkeit, Erotik, Humor, materiellen Werten etc., aber auch zu konkreten Produkten wie beispiels- weise Kosmetika, alkoholischen Getränken oder Tabakwaren. Beschaffenheit und Größe der Marktsegmente Beschaffenheit und Größe der Marktsegmente können mit Hilfe einer Marktsegmentierung festgestellt werden; diese kann auf der Grundlage soziodemografischer Merkmale, Life-Style-Typo- logien oder der Nutzenerwartungen der Konsumenten (Benefit-Segmentierung) erfolgen. Eine zentrale Aufgabe des internationalen Marketing besteht dabei in der Identifikation länderübergreifender Segmente mit ähnlicher Bedürfnisstruktur, wel- che mit einem weitgehend standardisierten Marketing-Instrumenteeinsatz bearbei- tet werden können (vgl. hierzu Abschn. B.III.1. im 3. Teil). Preisbereitschaft der Konsumenten Die Preisbereitschaft der Konsumenten hängt i. W. von deren ökonomischer Situation ab (Haushaltseinkommen, Kaufkraft
42 Teil 2 Informationsgrundlagen des internationalen Marketing-Management usw.). Auf Grund der länderspezifisch sehr unterschiedlichen Kaufkraft ist in vielen Fällen eine internationale Preisdifferenzierung durchzuführen, um die unterschied- liche Zahlungsbereitschaft der Konsumenten in den einzelnen Ländern angemessen berücksichtigen zu können (vgl. auch Abschn. C.II.2. im 4. Teil). Zu beachten ist, dass die Kaufkraft alleine kein vollständiger Indikator für die Zahlungsbereitschaft ist, da diese auch stark von kulturellen und sozialen Rahmenbedingungen abhängt. Produktlebenszyklus Die Stellung der Produkte im Lebenszyklus der einzelnen Ländermärkte ist für internationale Marketing-Entscheidungen von erheblicher Bedeutung, da sich im Laufe des Lebenszyklus eine Vielzahl von Faktoren wie Umsatz, Gewinn sowie Anzahl und Verhalten von Wettbewerbern und Abnehmern ändert; als Konsequenz resultiert auch die Notwendigkeit eines phasenspezifischen Einsatzes des Marketing-Instrumentariums. Ein und dasselbe Produkt kann sich in Abhängigkeit verschiedener Faktoren wie Einführungszeitpunkt, internationa- ler Wettbewerb, Entwicklungsstand der einzelnen Nationen, Marktdynamik zum selben Zeitpunkt in verschiedenen Phasen des Produktlebenszyklus befinden (vgl. Hinterhuber/Mazler/Pechlaner 2002, S. 342 ff.). Aus diesem Grunde muss das Unternehmen die Lebenszyklen in den einzelnen Ländern miteinander vergleichen, um eine adäquate Ressourcenallokation vornehmen zu können. b. Handel Eine entscheidende Rolle spielt der Handel im Konsumgüterbereich, da die inter- nationale Distribution von Konsumgütern i. d. R. auf die Akzeptanz seitens des lokalen Handels angewiesen ist. So behindern blockierte Absatzkanäle im erheb- lichen Maße die Durchdringung ausländischer Märkte. Die Bedeutung des Handels als Rahmenbedingung des internationalen Marketing wird deutlich, wenn die Kon- zentrationsrate insbesondere im Lebensmittelhandel betrachtet wird (vgl. Lausen- meyer 2002a, o. S. und 2002b, o. S.). Während die fünf größten Handelsunterneh- men im Jahre 1991 einen Marktanteil in Europa von 15,8 % hatten, konnte in 2000 bereits ein Marktanteil von 25,6 % erwirtschaftet werden. Für 2005 zeigte sich, dass der Marktanteil der fünf größten Handelsunternehmen in Europa auf 40 % angewachsen ist. Bezogen auf einzelne Länder können sich noch weitaus größere Konzentrationsraten ergeben. So beträgt der Marktanteil der Top 5 im Lebensmit- teleinzelhandel in Schweden 84,6 % (vgl. Abb. 2.20). Die zunehmende Konzentration und die damit verbundene Nachfragemacht des Handels hat zu einer Verstärkung der Akquisitionsbemühungen seitens der Herstel- ler geführt, was u. a. organisatorische Aktivitäten wie z. B. die Einführung eines Key-Account-Management mit sich brachte. Gerade bei großen Handelsketten bzw. Einkaufskooperationen lässt sich auch ein zunehmender Trend zur Internationali- sierung feststellen, welcher sich nicht nur in der Gründung von Auslandsniederlas- sungen niederschlägt, sondern auch in Akquisitionen und Kooperationen. Die Struktur des Handels in den einzelnen bearbeiteten Ländermärkten hat eine erhebliche Bedeutung für distributionspolitische Entscheidungen, da bei einer indirekten Vertriebsstrategie auf bereits vorhandene Distributionskanäle in den
A. Rahmenbedingungen des internationalen Marketing 43 Schweden 84,6 Finnland 83,2 Belgien 76,3 Luxemburg 74,9 Dänemark 72,9 Norwegen 72,5 Frankreich 70,4 Österreich 68,5 Irland 61,3 Spanien 61,1 Slowakei 59,8 Deutschland 59,7 Schweiz 58,2 Portugal 58,2 Ungarn 53,8 Niederlande 53,4 Großbritannien 48,3 Tschechien 48,1 Griechenland 47,7 Marktanteil der Italien 33,3 Top 5 am jeweiligen Food- Ukraine 25,5 Umsatz 2008 in % Rumänien 21,6 Polen 20,7 Russland 18,5 Abb. 2.20 Konzentration im europäischen Lebensmitteleinzelhandel. (Quelle: Metro AG 2009, S. 50) einzelnen Ländern zurückgegriffen werden muss (vgl. i. E. Kap. E. im Teil 4); auch die Marketing-Aktivitäten gegenüber dem Handel sind den spezifischen Strukturen in den einzelnen Ländern anzupassen. Darüber hinaus sind auch unterschiedliche Gepflogenheiten des Handels in den einzelnen Ländern zu beachten; beispielswei- se erwarten japanische Händler volles Rückgaberecht – auch mängelfreier Waren – an den Hersteller wie auch umfangreiche Finanzierungshilfen. IV. Unternehmensspezifische Faktoren Während die globalen Rahmenbedingungen wie auch die Faktoren der Branche und des Wettbewerbs das Umfeld beschreiben, in denen das Unternehmen auf den
44 Teil 2 Informationsgrundlagen des internationalen Marketing-Management einzelnen Auslandsmärkten agiert und damit Chancen und Risiken der Auslands- marktbearbeitung zum Ausdruck bringen, dient die Analyse unternehmensspezifi- scher Faktoren der Evaluierung der eigenen Stärken und Schwächen in Bezug auf das Auslandsengagement (vgl. Sander 1998, S. 59 ff.). Im Einzelnen handelt es sich um folgende Faktoren: • Unternehmensziele, • Finanzkraft, • Produktmerkmale, • Personal und • Produktionskapazität. Da unternehmensspezifische Faktoren naturgemäß von Unternehmen zu Unterneh- men nach Art und relativer Bedeutung variieren, soll im Folgenden nur ein Über- blick über die wichtigsten unternehmensinternen Rahmenbedingungen gegeben werden. 1. Unternehmensziele und Unternehmenskultur Der Handlungsspielraum internationaler Marketing-Entscheidungen wird von den verfolgten Zielen bestimmt. Solche Ziele umfassen sowohl die globalen Unterneh- mensziele als auch die Marktziele bzgl. der verschiedenen Ländermärkte (vgl. aus- führlich Abschn. A.III. im 1. Teil sowie Kap. A. im 3. Teil). Eng verbunden mit den Unternehmenszielen ist die Unternehmenskultur. Die Unternehmenskultur umfasst Grundsätze, welche in einem Unternehmen vorherr- schen und sich auf das Unternehmen selbst, seine Beziehungen zur natürlichen, technischen und sozialen Umwelt wie auch die Beziehungen zwischen Individuen und Gruppen im Unternehmen beziehen (vgl. Hünerberg 1994, S. 73). Unternehmenskultur und Unternehmensziele beeinflussen zum einen die grund- sätzliche Haltung zu Auslandsaktivitäten, die Risikobereitschaft wie auch die gene- relle Einstellung zu bestimmten Ländern bzw. Ländergruppen (vgl. Meissner 1995, S. 68 f.); zum anderen determinieren sie die grundsätzliche strategische Ausrich- tung eines Unternehmens, d. h. ob eine ethnozentrische, polyzentrische oder geo- zentrische Orientierung vorherrscht und – damit eng verbunden – ob eine eher stan- dardisierte oder eher differenzierte Marketing-Strategie realisiert wird (vgl. auch Kap. B. im 1. Teil sowie Abschn. D.III. im 3. Teil). 2. Finanzkraft Die Aufnahme von Auslandsaktivitäten erfordert häufig hohe Anfangsinvestitionen, vor allem bei Markteintrittsstrategien mit Kapitalbeteiligung wie der Gründung von Tochtergesellschaften oder Joint Ventures (zu den einzelnen Markteintrittsstra- tegien vgl. Kap. C. im 3. Teil); dem finanziellen Spielraum eines Unternehmens
A. Rahmenbedingungen des internationalen Marketing 45 kommt daher eine hohe Bedeutung zu. Die Finanzkraft eines Unternehmens wird u. a. bestimmt durch: • die Eigenkapitalausstattung, • die Höhe des finanziellen Überschusses, • Möglichkeiten der Eigen- und Fremdfinanzierung, • den Waren-, Forderungs- und Verbindlichkeitsbestand sowie • den Beziehungen zu Banken. Ein ausreichender finanzieller Spielraum ist aber auch für laufende internationale Geschäftsaktivitäten erforderlich, da zum einen Auslandsprojekte häufig vom Auf- tragnehmer – zumindest teilweise – vorfinanziert werden müssen, zum anderen im Auslandsgeschäft auch ein erhöhtes Zahlungsrisiko besteht, d. h. das Risiko des Forderungsausfalls auf Grund der Zahlungsunfähigkeit oder -unwilligkeit eines ausländischen Schuldners (zu den Risiken im internationalen Marketing vgl. auch Abschn. B.II.1.d. in Teil 3). 3. Produktmerkmale Die Merkmale der angebotenen Produkte haben einen starken Einfluss auf den ge- samten internationalen Marketing-Mix, da sich preis-, kommunikations- und dis- tributionspolitische Aktivitäten an den Eigenschaften des Produkts zu orientieren haben. So ist eine erste wesentliche Determinante die Produktqualität; in diesem Zusammenhang ist insbesondere zu überprüfen, ob die akquisitorische Wirkung einer hohen Produktqualität auch auf weniger zahlungskräftigen Auslandsmarkt- segmenten vergleichsweise hohe Preise erzielen lässt oder aber für solche Märkte eine qualitativ minderwertigere, aber preisgünstige Produktvariante angeboten wer- den sollte. Im Hinblick auf die strategische Ausrichtung ist auch die Standardisierbarkeit der Produkte zu überprüfen; die Standardisierbarkeit hängt zum einen von der Be- dürfnisstruktur in den einzelnen Auslandsmärkten ab, zum anderen auch von den dort vorherrschenden technischen und rechtlichen Normen. Schließlich spielen auch die angebotenen Nebenleistungen eine Rolle, insbesondere in solchen Län- dern, in denen bestimmte Nebenleistungen üblich sind und einen integrativen Be- standteil des Angebots darstellen. Eine Profilierung gegenüber dem Wettbewerb ist in diesem Falle nur dann möglich, wenn Serviceleistungen über das übliche Niveau hinaus angeboten werden. 4. Personal Qualifikation und Auslandserfahrung des Personals sind für international tätige Unternehmen wichtige Rahmenbedingungen, aber auch zentrale Erfolgsfaktoren. Das Internationalisierungs-Know-how eines Unternehmens umfasst folgende Ele- mente (vgl. Hünerberg 1994, S. 75 f.):
Sie können auch lesen