WALDBERICHT 2017 - Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - Bayern.de
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Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten WALDBERICHT 2017 WALDBERICHT 2017 BAYERISCHE FORSTVERWALTUNG a a a a a a a a a a a a a a a a a a a a a a a a a a a a a a a a a a a W W W.FORST.BAYERN.DE a a a a a a a a a a a a a a a a a a a a a a a a a a a a a a a a a a a
VORWORT Witterungsextreme und Schädlinge stellten in den vergan- Der vorliegende Bericht genen Jahren die Wälder und ihre Besitzer vor hohe, ja teil- gibt einen Überblick über weise vor extreme Herausforderungen. Stürme, Trockenheit, die Entwicklungen in den Hitze und Waldbrände machen unseren Wäldern und Wald- vergangen drei Jahren. besitzern genauso zu schaffen wie Massenvermehrungen Die Kronenzustandserhe- heimischer Borkenkäfer. Invasive neue Schadorganismen bung zeichnet ein stabiles wie der Asiatische Laubholzbockkäfer oder das Eschentrieb- Bild unserer Waldbestän- sterben gefährden klimatolerantere Baumarten, die wir für de. Positiven Trends wie den Waldumbau dringend benötigen. Gleichzeitig zeigten beim Zustand von Buche die Starkregen, wie dringend intakte Wälder zum Schutz von und Tanne stehen Zunah- Leib und Leben, Hab und Gut benötigt werden. Hier gilt es men aggressiver Schäd- weiter zu forschen, wie wir die Wälder von heute erhalten linge und Wetterunbilden und jene von morgen mit bestmöglichen Erfolgsaussichten gegenüber. Die Ergebnis- begründen können. se belegen jedoch, dass unsere Wälder in einem Nach wissenschaftlichen Prognosen müssen wir uns auch guten Zustand sind und unsere Erhaltungs- und Umbau- zukünftig auf vergleichbare oder sogar noch kritischere Situ- maßnahmen Früchte tragen. Die Arbeit vieler Generationen ationen einstellen. Deshalb sehe ich es als vordringliche Auf- von Waldbesitzern und Forstleuten hat die Wälder Bayerns gabe, unsere für das Allgemeinwohl so wichtigen Wälder zu einem wertvollen Schatz gemacht. Es ist unsere an- noch schneller an die künftigen Bedingungen und Anforde- spruchsvolle Aufgabe, unsere bayerische Waldheimat auch rungen anzupassen. Dazu hat die Staatsregierung auf meine für die Zukunft zu sichern. Initiative hin die „Waldumbauoffensive 2030“ beschlossen, die unser erfolgreiches Waldumbauprogramm in den nächs- Ich wünsche mir, dass alle Verantwortlichen weiterhin mit ten 10 Jahren mit 200 Millionen Euro und 200 neuen Förster- Weitblick mit unseren Wäldern umgehen und die Bürgerin- stellen nochmals deutlich intensiviert. nen und Bürger in Bayern sich für den Wald und seine natur- nahe nachhaltige Nutzung einsetzen. Insgesamt steigen die vielfältigen gesellschaftlichen An- sprüche an den Wald, obwohl oder gerade weil die fort- München im Oktober 2017 schreitende Urbanisierung die Menschen mehr und mehr von Natur und Urproduktion entfernt. Teilweise wird die Nutzung des Waldes als Lieferant des nachwachsenden Roh- stoffs Holz kritisch gesehen, obwohl heimisches Holz beliebt ist und in Zukunft z. B. für den Wohnungsbau immer wichti- Helmut Brunner ger wird. Dafür rücken Freizeit- und Erholungswert des Wal- Bayerischer Staatsminister für Ernährung, des sowie Wünsche nach „mehr Wildnis im Wald“ stärker in Landwirtschaft und Forsten den Vordergrund. Von der Forstwirtschaft ist heute ein diffe- renziertes Handeln sowie aktiver Dialog mit den Bürgern ge- fragt. Die bayerischen Waldbesitzer vereinen die gesell- schaftlichen Anforderungen in ihrem integrativen Ansatz des „Schützen und Nutzen“ auf gleicher Fläche und berück- sichtigen ökonomische, ökologische und soziale Aspekte im Wald ausgewogen. Ich bin überzeugt, dass Bayern so den richtigen Weg geht, um unsere Wälder mit ihren vielfältigen Funktionen für nachfolgende Generationen zu erhalten.
6 a ZUSAMMENFASSUNG 8 a 1 WALD UND ÖFFENTLICHKEIT 9 a 1.1 Forstwirtschaft in stürmischen Zeiten: Ein (selektiver) Rückblick auf 100 Jahre Forstgeschichte in Bayern 12 a 1.2 Wald und Forstwirtschaft im Klimawandel 16 a 1.3 Waldumbauoffensive 2030 „Zukunftswald schaffen – Heimat sichern!“ 18 a 1.4 Bergwald und Schutzwaldsanierung 20 a 1.5 Aktionsjahr Waldnaturschutz 22 a 2 DER ZUSTAND DES WALDES 23 a 2.1 Informationstechnologie im Wald 25 a 2.2 Witterung 27 a 2.3 Stoffeinträge 29 a 2.4 Waldernährung und Boden 31 a 2.5 Schäden am Wald 34 a 3 WALD UND ÖKOLOGIE 35 a 3.1 Integrative Waldbewirtschaftung als Ausgleich zwischen den unterschiedlichen gesellschaftlichen Interessen 37 a 3.2 Natura 2000 auf der Fläche angekommen 40 a 3.3 Neue Naturwaldreservate für Bayern 42 a 3.4 Schutz der Raufußhühner
45 a 4 WIRTSCHAFTSFAKTOR WALD 46 a 4.1 Cluster Forst und Holz – Starke Branchen im ländlichen Raum 48 a 4.2 Wirtschaftliche Lage der Forstbetriebe 52 a 4.3 Holzwirtschaft und Energieerzeugung aus Holz 55 a 4.4 Holz – Rohstoff der Zukunft und Schlüssel einer biobasierten Wirtschaft 56 a 5 WALD UND GESELLSCHAFT 57 a 5.1 Unterstützung der Waldbesitzer 62 a 5.2 Waldfunktionsplanung und Ökosystemdienstleistungen 64 a 5.3 Jagd und Gesellschaft 66 a 5.4 Waldpädagogik 68 a 6 ANHANG: KRONENZUSTAND INHALT
ZUSAMMENFASSUNG Mit Beschluss vom 27.05.2009 (Drs. 16/1451) hat der Bayerische Landtag die Staatsregie- rung beauftragt, alle drei Jahre umfassend über den Zustand der Wälder und über wichti- ge Entwicklungen in der Forstwirtschaft zu berichten. Aufgrund der Präsentation der Ergebnisse der Bundeswaldinventur im Herbst 2014 war der Waldbericht 2014 auf das Jahr 2015 verschoben worden. Mit dem Bericht 2017 wird nun der reguläre dreijährige Turnus wieder hergestellt. DER ZUSTAND DES WALDES WALD – ÖKOLOGIE UND ÖKONOMIE Besonders großen Einfluss auf die Vitalität des Waldes hatte Die im Jahr 2012 durchgeführte dritte Bundeswaldinventur in den vergangenen drei Jahren der extrem heiße und tro- belegt nachdrücklich, dass der Bayerische Weg des „Schüt- ckene Sommer im Jahr 2015. Unter dessen Auswirkungen zen und Nutzens“ auf ganzer Fläche sich bewährt hat. In litt der Wald auch noch in den Folgejahren. Insbesondere Bayerns Wäldern hat der Anteil an Laubbäumen in den Jah- die Fichte zeigte deshalb bei der Inventur des Kronenzu- ren 2002 – 2012 um vier Prozentpunkte auf 36 Prozent zuge- stands im Folgesommer 2016 mit einem Anteil der Schad- nommen, in den jüngeren Waldbeständen liegt er sogar bei stufen 2–4 (deutliche Schäden) von 29,1 Prozent einen ho- 54 Prozent. Gleichzeitig werden Bayerns Wälder immer älter. hen Wert, der bei der Inventur im Jahr 2017, die vor den Stür- Das Durchschnittsalter der Wälder liegt mit 83 Jahren über men erfolgte, wieder auf 22,3 Prozent zurückging. dem bundesweiten Durchschnitt von 77 Jahren. Bewirt- Zunehmend hoch war in den vergangenen drei Jahren auch schaftung und Naturschutz im Wald können sich in vielfälti- die Gefährdung der Fichte durch Borkenkäfer. Ein Auslöser ger Weise ergänzen und bereichern. Gerade durch die Ver- dafür waren die Stürme der vergangenen Jahre. Auch im knüpfung beider Aspekte entsteht ein multifunktionaler Jahr 2018 ist daher mit einer deutlich angespannten Situa- Wald, der den vielfältigen Ansprüchen der Gesellschaft ge- tion zu rechnen. recht werden kann. Zu einem integrativen Waldnaturschutz Sorge bereiten eine Reihe neuer Krankheiten aus anderen gehören neben der Begründung und Pflege naturnaher Erdteilen. So hat das Eschentriebsterben, das von einem aus und stabiler Mischwälder vor allem auch die Erhaltung Asien stammenden Pilz ausgelöst wird, inzwischen fast das wichtiger Strukturelemente – wie zum Beispiel von ausrei- gesamte natürliche Verbreitungsgebiet der Esche durch- chend Totholz und Biotopbäumen im Wirtschaftswald. drungen. Als Folge der Krankheit stirbt inzwischen ein er- Auch hier weist die Bundeswaldinventur überdurchschnitt- heblicher Anteil der erkrankten Eschen ab. Sogar in jungen lich hohe Anteile des Totholzes von rund 22 Kubikmeter pro und mittelalten Beständen sind hohe Mortalitätsraten fest- Hektar für Bayern auf. zustellen. Tote Äste im Kronenbereich verursachen oftmals Die Bewirtschaftung von älteren Fichtenreinbeständen wird eine Gefährdung für die Arbeits- und Verkehrssicherheit. inzwischen nicht selten von Sturm, Hitzeperioden oder Bor- Unter besonderer Beobachtung standen in den vergange- kenkäferbefall diktiert. Die Fichte ist mit einem Anteil von nen Jahren weitere invasive Arten aus anderen Erdteilen, knapp 42 Prozent die häufigste Baumart in Bayern. Deswe- wie zum Beispiel der Asiatische Laubholzbock. Durch ein gen wird das bestehende bayerische Waldumbaupro- konsequentes Beseitigen der befallenen Bäume konnte der gramm deutlich intensiviert. Bis zum Jahr 2030 sollen in Schaden relativ gering gehalten werden. Da weitere invasi- einer von der Staatsregierung beschlossenen „Waldumbau- ve Arten beobachtet werden, ist zu erwarten, dass das Mo- offensive 2030“ im Privat- und Körperschaftswald 200 000 nitoring dieser Quarantäneschädlinge zusätzliche Arbeits- Hektar Nadelholzreinbestände in stabile und klimatoleran- kapazitäten binden wird. tere Wälder umgebaut werden. Diese herausragende Auf- Das Auftreten neuer Schädlinge, die Häufung von Stürmen gabe bedarf des großen Engagements der Waldbesitzerin- und außergewöhnlichen Witterungsereignissen wie unge- nen und Waldbesitzer und der Forstleute sowie klarer Pla- wöhnliche Hitze- und Trockenphasen werden von der Wis- nung und kompetenter, moderner Vor-Ort-Beratung. Schon senschaft inzwischen deutlich als Folgen des Klimawandels jetzt sind im Nachtragshaushalt für das Jahr 2018 zur Umset- betrachtet. zung der Waldumbau-Offensive 20 neue Stellen in der Forstverwaltung vorgesehen. Zusätzliche Mittel in Höhe von 100 Millionen Euro stehen für die Bewältigung der Schäden durch den Sturm Kolle (August 2017) für die Wald- besitzerinnen und Waldbesitzer bereit.
Bayerische Forstverwaltung a Waldbericht 2017 a Seite 6 – 7 WIRTSCHAFTSFAKTOR WALD WALD UND ÖFFENTLICHKEIT Holz aus bayerischen Wäldern ist ein wertvoller heimischer Staatsminister Brunner hat in seiner Regierungserklärung im Rohstoff. Wie die Ergebnisse der Clusterstudie 2015 zeigen, Juli 2014 ein Aktionsjahr „Waldnaturschutz“ für das Jahr 2015 hat sich der Cluster Forst und Holz mit einem Umsatz von ausgerufen. Eine Vielzahl von Aktionen begleiteten das Jahr über 37 Mrd. Euro und 196.000 Beschäftigten besonders im 2015 und machten auf die Bedeutung des Waldnaturschut- ländlichen Raum als wichtiger Arbeitgeber und Wirtschafts- zes, aber auch des Waldes selbst, aufmerksam. Eine Evaluie- faktor etabliert. Ausgehend von einer guten Rohstoffversor- rung des Aktionsjahres zeigte das große Interesse der Öf- gung, qualifizierten Beschäftigten und leistungsfähigen fentlichkeit an „ihrem“ Wald in Bayern. Es zeigte aber auch, Unternehmen sowie aufnahmefähigen Märkten bietet der dass ein gemeinsames Vorgehen aller am Thema Wald Be- bayerische Cluster Forst und Holz nachhaltiges Wachstums- teiligten sinnvoll und notwendig ist, um in der von Informa- potenzial. Als Zugpferd und Motor der wirtschaftlichen Ent- tionen überfluteten Medienlandschaft Gehör und damit wicklung hat sich in den vergangenen Jahren der Holzbau Akzeptanz zu finden. erwiesen. Mittlerweile wird jedes fünfte Wohngebäude in Über Jahre bewährt und weiter erfolgreich ist das waldpäd- Bayern als Holzbau geplant und realisiert. Durch die dauer- agogische Angebot in Bayerns Wäldern. Die Försterinnen hafte Bindung von CO2 trägt das Bauen mit Holz zum Klima- und Förster konnten in den vergangenen Jahren jährlich schutz bei. rund 180 000 Menschen, davon 118 000 Schülerinnen und Der Waldumbau wird zukünftig zu einem höheren Laub- Schüler, zu Veranstaltungen und Führungen im Wald begrü- holzangebot und damit zu anderen Rohstoffsortimenten ßen. Dabei ist auch Inklusion ein wichtiges Thema; unter für die Holzverarbeitung führen. Die Entwicklung neuer, in- dem Namen „SINNESWANDELN“ wurde z. B. im April 2016 novativer und markttauglicher Produkte aus Laubholz ist am Walderlebniszentrum Gramschatzer Wald bei Würzburg eine der wichtigsten und anspruchsvollsten Aufgaben von ein barrierefreier Walderlebnispfad eröffnet. Forschung und Entwicklung in den kommenden Jahren. Neue Wege der Zusammenarbeit entstehen auch im digita- Dabei bieten neue Anwendungsbereiche für Holz durch die len Bereich. Ein gefragtes Vorhaben ist die Bürgerplattform Entwicklung innovativer Produkte und Prozesse auch die „Wildtiere in Bayern“. Sie bietet den Beteiligten vor Ort nicht Chance, neuen Anforderungen einer biobasierten Wirt- nur Informationen, sondern auch ein Instrument, mit dem schaft gerecht zu werden. Die Kombination mit anderen eine transparente Kommunikation und eine offene Diskus- Materialien und die Zusammenarbeit mit anderen Indust- sion möglich sind. rien sind sicherlich Schlüsselfaktoren für den Cluster Forst Die Ansprüche an den Wald nehmen laufend zu. Daher sollen und Holz. der Dialog mit der Gesellschaft weiter intensiviert und das Ver- ständnis der Öffentlichkeit für den Wald, seinen Schutz und seine Bewirtschaftung gefördert werden.
M. Piepenburg 1 WALD UND Ö FFENTLICHKEIT aa Forstwirtschaft hat eine lange Geschichte – zu allen Zeiten gab es große Herausforderungen für Waldbesitzer und Forstleute und die Notwendig- keit, sich an neue Bedingungen anzupassen. Die Anpassung an den Klima- wandel mit all seinen Folgen stellt allerdings eine neue Dimension dar. aa Der Wald und der Rohstoff Holz leisten durch die Bindung von CO2 einen wertvollen Beitrag zum Schutz des Klimas. aa Ein intensiver und offener Dialog mit der Gesellschaft soll Begeisterung für den Wald und Verständnis für den Bayerischen Weg des „Schützen und Nutzens“ schaffen.
Bayerische Forstverwaltung a Waldbericht 2017 a Seite 8 – 9 1.1 FORSTWIRTSCHAFT IN STÜRMISCHEN ZEITEN: EIN (SELEKTIVER) RÜCKBLICK AUF 100 JAHRE FORST GESCHICHTE IN BAYERN Die Landesausstellung „Wald, Gebirg und Königstraum – My- nuar 1919 über die Windschäden: „Das Sturmwüten am ver- thos Bayern“ im Kloster Ettal wird sich im Jahr 2018 auch mit gangenen Sonntag hat in unserer Gegend verschiedentlich bayerischer Forstgeschichte befassen. schweren Schaden verursacht. Besonders schlimm herrschte Der Lehrstuhl für Wald- und Umweltpolitik der Technischen der Sturm in Murnau, Eschenlohe und Farchant. Viele Bäume Universität München hat im Zug der Vorbereitung dieser wurden entwurzelt, ganze Bretterstöße vom Sturm zerstreut, Landesausstellung im Auftrag des Bayerischen Staatsminis- Drahtleitungen gestört, Dächer abgedeckt, sogar Kamine teriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie sind eingestürzt. Der Schaden lässt sich noch nicht überse- des Klosters Ettal von 2015 bis 2017 ein Forschungsprojekt hen. – Die Bahnverbindung Murnau-Oberammergau ist zur Geschichte der Ettaler Klosterwälder bearbeitet. Im Fo- unterbrochen. – Auch in der Gegend von Tegernsee hat der kus der Untersuchung standen die Bedeutung der Wälder Sturm schlimm gehaust.“ für die Bevölkerung sowie das Kloster und dessen Rechts- Noch ergreifender beschreibt der Murnauer Benefiziat Hans- nachfolger. Zudem wurden die regionale Medienbericht- erstattung zum Themenfeld Wald und die dabei genutzten Erzählstrategien ausgewertet. Die in diesem Beitrag (Chris- tian Malzer und Dr. Klaus Pukall) vorkommenden Beispiele stammen daher v. a. aus dem Gebirge bzw. dem heutigen Landkreis Garmisch-Partenkirchen. Für die bayerischen Wälder begannen die stürmischen Zei- ten bereits 1908 mit dem sogenannten Antrag Toerring (be- nannt nach dem Antragsteller Graf Toerring-Jettenbach) im Bayerischen Landtag. Unterstützt von Professor Max Endres und getragen von Ideen der Bodenreinertragslehre nach einer bestmöglichen Verzinsung des Waldbodenwertes soll- aa Die Spiegelauer Waldbahn im Jahre 1926; als im Winter 1929/1930 Orkanstürme den Bayerischen Wald verwüsteten, transportierte die ten durch kurze Umtriebszeiten und im Idealfall durch Na- Waldbahn insgesamt 160 000 Fm Nutz-, Schicht- und Brennholz aus delholz-Reinbestände höhere Einnahmen für den Staat ge- den Wald. Foto: Fellmeth neriert werden. Voraussetzung für eine solche Intensivie- rung des Holzeinschlags war die Modernisierung der Holz- jakob Gebhart in seiner Staffelsee-Chronik die als Zeitzeuge ernte- und Transporttechnik, die damals noch von Holzern erlebten Ereignisse: „Sonntag, den 5. Januar, herrscht in den mit Handsägen, Pferden für die Holzrückung sowie Trift und Mittagsstunden ein schrecklicher Sturm. Hunderte von Flößerei bestimmt war. Dachziegeln fliegen, tausende vom Dach der Pfarrkirche, Mit dem Ausbau der Bahnlinien während des 19. Jahrhunderts Grabsteine stürzen, Häuser auf dem Eichholz werden schwer hatten sich auch diese traditionellen Transportbedingungen beschädigt, hunderte von Fenstern gehen in Scherben, Schritt für Schritt zu wandeln begonnen. In Bayern entstand fürchterlich ist das Sterben der Wälder; tausende von Bäu- vom letzten Viertel des 19. Jahrhunderts an eine Reihe von men werden abgedreht und entwurzelt; die Insel Wörth ver- Schmalspur-Waldbahnen. Im Jahr 1900 wurde beispielsweise liert allein 1 600 Bäume, die uralte Bonifatiuslinde wird die Eisenbahnstrecke von Bayerisch Eisenstein über Frauenau schwer beschädigt.“ Auch in anderen Teilen Bayerns wie zum und Spiegelau nach Grafenau fertiggestellt. Durch die Bahn Beispiel im Roggenburger Forst wurden 1920 bei einer Ka- war es nicht nur möglich, Lang- und Stammholz problemlos tastrophe 143 000 m³ Holz geworfen, die mit einem in den über weitere Strecken zu transportieren, sondern dies auch re- Wald gebauten Sägewerk aufgearbeitet wurden. Aufgrund lativ günstig zu bewerkstelligen. Bis 1908 waren über sie- der fehlenden Laubholzpflanzen wuchsen auf den Freiflä- ben Kilometer Gleise für den Holztransport und zwei Mulden- chen meist wieder reine Fichtenbestände auf, die in den Jah- kipper für den Bau der Bahndämme in Spiegelau verfügbar. ren 1990, 1992 und 1999 erneut geworfen wurden. Verheerend trafen die bayerischen Wälder an der Jahreswen- Diese Stürme begünstigten die weitere Mechanisierung der de 1918/19 Stürme, die über den Freistaat hinwegzogen. Das Forstwirtschaft. Im seit 1921 wieder der Bayerischen Staats- Weilheimer Tagblatt berichtete in seiner Ausgabe vom 8. Ja- forstverwaltung unterstehenden Revier Grafenaschau (bei
Murnau) führten die massiven Windwürfe am Aschauer Berg Den letzten Modernisierungsschub in der Holzerntetechnik dazu, dass die seit etwa 200 Jahren bestehende Holzrisse, förderten die Orkane Vivian und Wiebke im Frühjahr 1990. auf der bisher das geschlagene Holz als Brennholz zu Tal be- Harvester wurden zur Aufarbeitung der Schadensflächen fördert worden war, durch eine moderne Bremsbergbahn eingesetzt und verbreiteten sich dann flächendeckend über mit Dieselmotor ersetzt wurde. Die Risse war im 18. Jahrhun- Deutschland. dert zur Versorgung der Glashütte Grafenaschau errichtet Auch im Bereich der Holzbringung verbreiteten sich die worden, die von 1731 bis 1890 durch ihre Produktion die Neuerungen stürmisch nach dem Zweiten Weltkrieg, da nun Waldnutzung dominierte. Seit 1924 stand mit der Brems- die manuelle Wegeerstellung durch die Einführung der Pla- bergbahn eine rund zwei Kilometer lange, über ein 20- nierraupe abgelöst wurde. Dies erleichterte nicht nur die 30 Prozentiges Gefälle verlaufende sowie massive Gelände- Erdarbeiten, sondern hatte auch eine Senkung der Kosten im unebenheiten ausgleichende Transportmöglichkeit zur Ver- Wegebau zur Folge. Das Waldwegenetz wurde zudem fügung, die auch Stammholz zu Tal befördern konnte. Die lo- schwerlastfähig gemacht. Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg kalen Gebirgswaldungen standen daher fortan nicht mehr hatte die Firma Wyssen zudem ein Seilkransystem entwi- allein für die Brennholzernte, sondern auch für Bau- und ckelt, bei dem der Laufwagen auf dem Tragseil zum Be- und Stammholznutzung offen. Im konkreten Beispiel bewirkte Entladen des Holzes an beliebiger Stelle fixiert werden kann, also ein Katastrophenereignis nicht nur die Mechanisierung und der es zudem ermöglicht, die Stämme seitlich beizuzie- der Waldwirtschaft, sondern auch eine verbesserte Erschlie- hen. Solche halbstationäre Anlagen bestimmten bis in die ßung der Bestände durch neue Transportwege. 1960er Jahre die Forstwirtschaft im Gebirge. Heute sind sie Die hier greifbare Entwicklung ist ein gutes Beispiel für eine fast gänzlich durch mobile Anlagen mit Trägerfahrzeugen allgemeine Entwicklung in den bayerischen Wäldern. Die und kipp- und aufrichtbaren Masten und Seilwinden ersetzt, Bayerische Staatsforstverwaltung richtete seit den 1920er die Dank des verbesserten Wegenetzes auch nahezu alle Jahren mehrere Maschinenbetriebe ein, die über ganz Bay- Waldareale erreichen können. Die wesentliche Veränderung ern verteilt waren. Sie versorgten die benachbarten Forstäm- waren hier die Verdichtung und Verbesserung der Transport- ter mit ihren Dienstleistungen und technischen Geräten, bedingungen, die nach und nach ältere, eher punktuelle entwickelten aber auch innovative Arbeitsverfahren und tes- und temporäre Maßnahmen ersetzten. teten neu am Markt erschienene Geräte. Gestützt darauf ge- Neben der ökonomischen Funktion des Waldes bestimmen lang auch der Motorsäge seit den 1950er Jahren der Durch- in den letzten einhundertfünfzig Jahren immer mehr die bruch. Schon die Einführung der Handsägen hatte gegen- Wohlfahrtsfunktionen, die der Münchner Forstwissenschaft- über den Äxten zu effizienteren Holzarbeiten geführt. 1959 ler Viktor Dieterich in seiner Waldfunktionlehre 1953 syste- kam mit der Stihl Contra die erste in großer Stückzahl ver- matisierte. Die Schutzfunktion des Waldes erfuhr im bayeri- kaufte Einmann-Motorsäge auf den Markt. Seit den 1970er schen Forstgesetz von 1852 erstmals eine juristische Defini- Jahren sind Motorsägen aus der Forstwirtschaft nicht mehr tion. Im Gegensatz zu den ansonsten sehr liberalen Regelun- wegzudenken. gen im Forstgesetz 1852 waren in den Schutzwäldern die Rodung und der Kahlschlag verboten. Die gesetzliche Defi- nition von Wald und Schutzwald blieb in den letzten 100 Jahren weitgehend stabil. Die Bedeutung der Bannwälder als unantastbare Waldflächen ist eine besondere Leistung des modernen Waldgesetzes für Bayern von 1972. Anfang der 1980er Jahre löste die anfangs fachinterne De- batte über Rauchschäden, die Bodenversauerung bzw. das Tannen- und Fichtensterben innerhalb weniger Monate einen Sturm in Medien und Politik aus. Der eingängige forst- liche Fachterminus des „Sterbens“ war wie geschaffen für die gesellschaftliche Debatte, die ungeahnte Aufmerksamkeit auf die Wälder und ihre Bewirtschaftung sowie umweltpoli- tische Fragen lenkte und auch das politische Parteienspekt- rum einte, um rasche Maßnahmen (z. B. Entschwefelung der aa Die Bremsbergbahn brachte vom »Bahnhof« auf ca. 1050 üNN Großfeuerungsanlagen, Einführung Katalysatoren bei PKWs) das Holz mit einem Durchschnittlichen Gefälle von 30 Prozent ins zu realisieren. Tal. Dabei wurde durch die Schwerkraft der leere Waggon vom vol- len Waggon nach oben gezogen, also ohne Motor. Es wurde daher Innerhalb der Forstwirtschaft wurde die Forschung zu den nur gebremst. Quelle: Gemeindearchiv Schwaigen-Grafenaschau neuartigen Waldschäden intensiviert und ein Monitoringsys-
Bayerische Forstverwaltung a Waldbericht 2017 a Seite 10 – 11 tem entwickelt, das mit den Waldschadensberichten, Wald- zustandserhebungen bzw. Waldberichten auch heute noch zu Aufmerksamkeit in der medialen Berichterstattung führt. Forstpolitisch hohe Bedeutung haben die Schutzwälder im Gebirge – am 5. Juni 1984 verabschiedete der Bayerische Landtag den sog. Bergwaldbeschluss (Drs. 10/3978), der dem „Grundsatz Geltung“ verschaffen soll, „daß der Schutz des Bergwaldes grundsätzlich Vorrang vor allen anderen Nut- zungsansprüchen hat.“ Inzwischen konzentriert sich die wissenschaftliche und ge- sellschaftliche Diskussion auf den Klimawandel und die not- wendige Anpassung daran. So wurde von der Staatsregie- rung im Zuge der Klimaanpassungsstrategie 2009 der Um- bau der bayerischen Wälder in klimatolerante Mischwälder vermehrt gefördert. Fokus legt die Forstverwaltung auf sog. Brennpunktprojekte verteilt über Bayern und auf das Gebir- ge mit der „Bergwaldoffensive“. Nach dem Gewittersturm „Kolle“ im August 2017 verkündete der Ministerrat, diese Be- mühungen nun in ganz Bayern erheblich auszuweiten. Bis zum Jahr 2030 sollen in Bayern 200 000 Hektar in einer „Waldumbauoffensive 2030“ zu klimastabilen Mischwäldern umgebaut werden. aa Das Tannensterben war Ende der 1970er Jahre in aller Munde. Die Folge war ein neues umweltpolitisches Denken, das u. a. zu mo- dernen emissionsärmeren Kraftwerken führte. Foto: Archiv LWF
1.2 WALD UND FORSTWIRTSCHAFT IM KLIMAWANDEL Die Wälder und die rund 700 000 Waldbesitzer in Bayern sind Hauptbetroffene des Klima- wandels. Gleichzeitig erbringt der Wald beträchtliche Leistungen für den K limaschutz durch die Umwandlung von klimaschädlichem CO2 in Sauerstoff und Kohlenstoff. In Holz- produkten ist dieser Kohlenstoff auch langfristig der Atmosphäre entzogen. Der Forstsek- tor hat daher ein hohes Interesse an weltweit erfolgreichem Klimaschutz und an der Ver- wendung von Holzprodukten. WIE TRÄGT DER CLUSTER FORST UND HOLZ ZUM Parkett, Möbel usw.) ist gegenüber Vergleichsprodukten aus KLIMASCHUTZ BEI anderen Materialien fast immer mit deutlich geringerem Um den Beitrag zum Klimaschutz umfassend bewerten zu Energieaufwand und damit geringeren CO2-Emissionen ver- können, ist eine ganzheitliche Betrachtung der Forst- und bunden. Stünde das Holz nicht zur Verfügung, müsste es Holzwirtschaft nötig. Dazu müssen zwei Effekte berücksich- durch andere Materialien ersetzt („substituiert“) werden, wo- tigt werden: durch die Atmosphäre stärker mit Treibhausgasen belastet würde. 1. BINDUNG VON CO2 AUS DER ATMOSPHÄRE Über die Fotosynthese entziehen Bäume der Atmosphäre Das gilt analog auch für die Nutzung von Holz als Brenn- Kohlendioxid (CO2) und speichern den Kohlenstoff vor allem stoff: Dabei wird zwar der im Holz gespeicherte Kohlenstoff in der verholzten, lebenden Biomasse. Durch absterbende freigesetzt, aber in einem Kreislauf im nachhaltig bewirt- Blätter, Wurzeln, Äste oder ganze Bäume werden die weite- schafteten Wald von wachsenden Bäumen wieder gebun- ren Speicher des Waldes (Totholz, Streuauflage und Humus den. Durch Holzenergie werden zum Beispiel Erdöl oder des Mineralbodens) gespeist. In Holzprodukten (zum Bei- Erdgas ersetzt, deren Verbrennung heute zum anthropoge- spiel Bauholz, Möbel, Papier) bleibt der Kohlenstoff für ihre nen Treibhauseffekt führt. Über 30 Prozent des in Bayern jeweilige Lebensdauer gebunden. Solange diese Speicher eingeschlagenen Holzes wird direkt energetisch verwendet, per Saldo größer werden, wird der Atmosphäre das Treib- weitere 20 Prozent kommen aus Produktionsresten (vor al- hausgas CO2 entzogen. lem Sägespäne) bei der Herstellung von Holzprodukten hin- zu. Stünde dieses Holz nicht für die energetische Nutzung 2. VERMEIDUNG VON CO2 -EMISSIONEN zur Verfügung, müssten mehr fossile Brennstoffe verwendet Im Vergleich zu anderen Materialien wird der Rohstoff Holz werden und die Atmosphäre würde erheblich mit CO2 be- mit extrem geringem Energieaufwand und sehr geringen lastet. CO2-Emissionen bereitgestellt (vgl. Grafik). Auch die Weiter- In der Clusterstudie Forst und Holz 2015 wurden die vier re- verarbeitung von Holz zu Endprodukten (Wände, Fenster, levanten Bereiche des Klimaschutzes untersucht (Tabelle 1). CARBON FOOTPRINT DER ROHHOLZBEREITSTELLUNG Bestandesbegründung (0 bei Naturverjüngung Dargestellt sind die Werte für Fichten-Stammholz von bzw. 0,17 kg CO2-Äquiv. bei manueller Pflanzung) einem guten Standort. Die in einem Festmeter Fichten- Bestandespflege (0,12 kg CO2-Äquiv.) holz gespeicherte Kohlenstoff-Menge (großer Kreis) ist 1 Festmeter Wegepflege/Instandhaltung (1,69 kg CO2-Äquiv.) um ein Vielfaches größer als die Treibhausgas-Emissio- Fichte Stammholz Ernte Biomasse (1,39 kg CO2-Äquiv. bei Motorsäge nen (in kg CO2-Äquivalent je Festmeter), die durch Ma- ( 695 kg CO2) bzw. 3,0 kg CO2-Äquiv. bei Harvester) schineneinsatz (Motorsäge, Forstschlepper, usw.) in den Kohlenstoff-Ratio (fossil zu biogen): Vorliefern zur Forststraße (1,85 kg CO2-Äquiv. bei verschiedenen Prozessen freigesetzt werden (kleine Krei- 1,3 – 3,7 % Forwarder bzw. 2,42 kg CO2-Äquiv. beim Schlepper) se). Die dunklen Kreise zeigen Minimalwerte, die hell- Aufladen auf LKW (1,33 kg CO2-Äquiv.) blauen Kreise Maximalwerte. Insgesamt werden zwi- Transport zum Werk (2,58 kg CO2-Äquiv. schen 1,3 und 3,7 Prozent des in einem Festmeter enthal- bei 50 km einfacher Fahrt bzw. 25,82 CO2-Äquiv. tenen Kohlenstoffs bei der Bereitstellung emittiert (maß- bei 500 km einfacher Fahrt) stabsgerechte Darstellung; aus dem Projekt ExpRessBio). aa Abbildung 1: Carbon Footprint der Rohholzbereitstellung
Bayerische Forstverwaltung a Waldbericht 2017 a Seite 12 – 13 Im Jahr 2014 konnten 17,7 Millionen Tonnen CO2 durch den Zuwachs im Wald oder die Nutzung von Holz gespeichert UMRECHNUNG HOLZ – KOHLENSTOFF – CO2 bzw. vermieden werden. Ohne Wald und Holzwirtschaft würden die Emissionen Bayerns von etwa 80 Millionen Ton- Holz besteht zur Hälfte aus Kohlenstoff. Somit hat jede nen um rund 20 Prozent höher, bei circa 96 Millionen Ton- Tonne Holz 0,5 Tonnen Kohlenstoff gebunden. Wird nen CO2, liegen. eine Tonne Kohlenstoff durch Verbrennung freigesetzt, dann bilden sich daraus 3,67 Tonnen CO2. In einem Fest- Gespeicherte und substituierte Kohlenstoff-Emissionen meter Buchenholz ist umgerechnet rund eine Tonne in Millionen Tonnen CO2 Äquivalenten CO2 gebunden, in einem Festmeter Fichtenholz rund (positive Zahlen = Quelle, negative Zahlen=Senkenwirkung) 700 kg. Jahr Ände- Ände- Stoff Energe- Summe rung rung liche tische Wald- Holz- Substi- Substi- speicher pro- tution tution dukte- WAS TUN WIR? speicher Die Klimaschutzpolitik hat seit dem Pariser Abkommen 2015 2010 -1,7 -1,6 -6,4 -7,0 -16,7 auf vielen Ebenen Fahrt aufgenommen. Die damit verbun- 2012 -1,7 -1,8 -6,9 -7,6 -18,0 dene, veränderte Wertschätzung für die Forst- und Holzwirt- 2014 -1,7 -2,0 -6,7 -7,3 -17,7 schaft und ihre natürlichen Kohlenstoff-Speicher darf nicht aa Tabelle 1: Klimaschutzbeitrag des Clusters Forst und Holz in Bayern in den dazu führen, dass zum Beispiel bestimmte Emissionsberei- Jahren 2010, 2012 und 2014 im Vergleich. che ungerechtfertigt entlastet werden. Auf EU-Ebene spielt Die Klimaschutzleistung kann zum einen durch Ausweitung hier die vorgesehene Einbeziehung der Forstwirtschaft in der Waldfläche, aber auch durch eine verstärkte Kaskaden- die Klimagesetzgebung (sog. LULUCF-Verordnung) eine Rol- nutzung, d. h. eine mehrfache stoffliche Holzverwendung le. Auf Bundesebene wurden im Klimaschutzplan 2050 die mit abschließender energetischer Verwertung, erhöht wer- Bedeutung der nachhaltigen Waldbewirtschaftung und den. Wird Holz dabei in langlebigen Produkten wie Häusern einer intelligenten Holzverwendung verankert. Die ur- oder langlebigen Möbeln eingesetzt, wird der Effekt der Kas- sprünglich vorgesehenen und umfangreichen Stilllegungs- kadennutzung verlängert. Bei stofflicher Wiederverwen- vorstellungen konnten abgewendet werden. dung (zum Beispiel Altpapier als Dämmstoff) verlängert sich die Speicherdauer entsprechend. Die Zahlen machen deutlich, dass die Verwendung des Roh- stoffs Holz einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leistet. Wenn Wälder der natürlichen Entwicklung überlassen wer- den, fällt dieser Beitrag weg und es vergrößert sich der Wald- speicher, bis ein Gleichgewichtszustand von Auf- und Abbau an Biomasse erreicht ist. Der Klimaschutzeffekt von Stillle- gungen ist immer geringer als der nachhaltiger Waldbewirt- schaftung und intelligenter Verwendung des nachwachsen- den Rohstoffs Holz.
Klimakonzept der Bayerischen Forstverwaltung (z.B. Vertreter der bayerischen Forstwirtschaft, Erhalt von Waldfunktionen Minderung von Treibhausgasen (Anpassung) (Klimaschutz) Klimaschutzprogramm Bayern 2050 Bayer. Klimaanpassungsstrategie Allianzen und Kommunikation Projekte Bayerische Klimaallianz) Bergwald- offensive Klima- Klimaschutz Klimaschutz Waldinitiative forschung Waldumbau durch Wald und durch Holz- Ostbayern Wald – Forst Waldmoore verwendung Initiative Holz Zukunftswald Bayern Nachhaltige naturnahe Forstwirtschaft Risiken Chancen für Wälder, Forstbetriebe Klimawandel für und Bevölkerung Holz Emissionen von Treibhausgasen aa Abbildung 2: Klimakonzept der Bayerischen Forstverwaltung. BEGONNENE MASSNAHMEN: aa Allein im Privat- und Körperschaftswald sollen rund 260 000 Hektar akut gefährdete Fichten- und Fichten-Kie- fern-Wälder umgebaut werden, davon rund 200 000 Hekt- ar im Rahmen der Waldumbauoffensive 2030 bis zum Jahr 2030. Auf mehr als 55 000 Hektar ist das seit 2008 bis Ende 2016 mit Unterstützung durch staatliche Fördermittel be- reits gelungen. Die „Initiative Zukunftswald Bayern“ bündelt die Projektansätze. aa Die Bayerischen Staatsforsten (BaySF) haben in den Ge- schäftsjahren 2008 bis 2016 rund 60 000 Hektar in klimatole- rantere Mischwälder umgebaut. Bis 2035 sollen weitere rund 110 000 Hektar dazukommen. Besonderer Handlungsbedarf besteht im Alpenraum. Die partizipativ angelegte Bergwald- offensive (BWO) verläuft weiter sehr erfolgreich und wurde auf die ostbayerischen Mittelgebirge (WIO, Wald-Initiative Ostbayern) ausgeweitet. Die Forschungsvorhaben wurden konsequent auf hohen Nutzen für die Bewirtschaftung und raschen Transfer in die Praxis ausgerichtet. aa Das neu entwickelte und bundesweit bisher einmalige Bayerische Standortinformationssystem (BaSIS) gibt den Waldbesitzern eine Vorstellung vom Wald der Zukunft in ihrer Region. Die hoch auflösenden Daten bieten eine aa Die Renaturierung wertvoller Hochmoorkomplexe ist ein vor- wichtige Entscheidungshilfe zum Aufbau klimatoleranter dringliches Ziel der Bayerischen Forstverwaltung. Waldbestände. Foto: Stefan Müller-Kroehling, LWF
Bayerische Forstverwaltung a Waldbericht 2017 a Seite 14 – 15 aa Hochmoore im Staatswald werden durch die Bayeri- moore mit mittlerer bis hoher Priorität weitgehend schen Staatsforsten und die Forstverwaltung sukzessive renaturiert werden. renaturiert. Auf der Grundlage eines 2016 abgeschlosse- nen Forschungsprojekts sollen bis 2030 sämtliche Hoch wb2017-1.2_ANBAURISIKO AM ÖSTLICHEN VORDEREN BAYERISCHEN WALD ANBAURISIKO AM ÖSTLICHEN VORDEREN BAYERISCHEN WALD Fichte 2000 Buche 2000 Eiche 2000 Fichte 2100 Buche 2100 Eiche 2100 Anbaurisiko sehr geringes Risiko, als führende Baumart möglich geringes Risiko, als führende Baumart mit hohen Mischbaumanteilen möglich erhöhtes Risiko, als Mischbaumart in mäßigen Anteilen möglich hohes Risiko, als Mischbaumart in geringen Anteilen möglich sehr hohes Risiko, als Mischbaumart in sehr geringen Anteilen möglich aa Abbildung 3: Anbaurisiko am östlichen vorderen Bayerischen Wald (östlich von Deggendorf). (Auszug aus BaSIS) AUSBLICK IN DIE ZUKUNFT In den nächsten Jahren ist vor allem bei der Klimaschutzpoli- tenten erleiden. Ziel ist es Unterstützung für den weiteren tik auf EU- und nationaler Ebene sehr darauf zu achten, dass Umbau der Wälder in klimatolerante Zukunftswälder zu er- die Waldbesitzer und Förster keine Nachteile, zum Beispiel halten. Dazu zählen auch Initiativen zur verstärkten Holzver- durch neue Auflagen aus der Klimaschutz-Bürokratie (Nach- wendung im Bauwesen (Charta für Holz). haltigkeitskriterien, Kontrollregime) oder durch Klimaschutz- pflichten zur Entlastung der eigentlichen Treibhausgas-Emit-
1.3 WALDUMBAUOFFENSIVE 2030 „ZUKUNFTSWALD SCHAFFEN – HEIMAT SICHERN!“ Das Sturmtief „Kolle“ am 18. August 2017, das Trockenjahr 2015 und die nachfolgende Massenvermehrung der Borkenkäfer oder zahlreiche lokale Gewitterstürme und andere Wetterextreme der letzten Jahre zeigen in aller Deutlichkeit, dass der Klimawandel Wald und Forstwirtschaft und dabei die besonders anfälligen Nadelholzreinbestände nicht erst im Laufe der kommenden Jahrzehnte, sondern bereits heute massiv bedroht. Der Umbau dieser stark gefährdeten Bestände in klimatolerantere, stabile, naturnahe und damit vitale und leistungsfähige Mischbestände ist deshalb schon jetzt eine der wichtigsten gesell- schaftlichen Herausforderungen. Nach dem Grundsatz „Eigenverantwortung und Solidari- tät“ hat Bayern daher die neue Waldumbauoffensive 2030 gestartet, die Waldbesitzer beim Aufbau zukunftsfähiger Wälder durch finanzielle Förderung und forstfachliche Beratung verstärkt unterstützt. Der Wald ist vom Klimawandel in ganz besonderer Weise be- VERSTÄRKTE BERATUNG UND FORTBILDUNG troffen. Anders als in der Landwirtschaft können die Kultu- In den nächsten Jahren sollen nach und nach allen Waldbe- ren nicht jährlich an veränderte Bedingungen angepasst sitzern, die dies wünschen, kurze prägnante Waldumbauplä- werden. Waldbestände, die heute begründet werden, müs- ne für ihre konkreten Waldflächen zur Verfügung gestellt sen viele Jahrzehnte überdauern können. Waldumbau ist da- werden. In begrenzten Projektgebieten wurden mit diesen her eine weit vorausschauende Aufgabe und echte Zu- schriftlich festgehaltenen Beratungsergebnissen sehr gute kunftsvorsorge. Nach aktuellem Stand müssen in den kom- Erfahrungen gesammelt. Waldumbaupläne werden von den menden Jahrzehnten im Privat- und Körperschaftswald in Waldbesitzern sehr gut angenommen, da sie keine abstrak- Bayern rd. 260 000 Hektar Reinbestände in Mischbestände ten Klimawandelinformationen, sondern den konkreten umgebaut werden. Dabei handelt es sich vor allem um nicht Handlungsbedarf des einzelnen Waldbesitzers auf seinen klimatolerante Nadelholzbestände aus Fichte und Kiefer. Flächen beschreiben. Durch das klimawandelbedingt verstärkte Auftreten von Zur verstärkten Fortbildung der Waldbesitzer sollen über die Schädlingen sind zunehmend auch Laubbaumarten wie die bestehende Waldbauernschule in Kelheim hinaus im Rah- Esche (durch das sog. Eschentriebsterben) und die Eiche men sog. Regionaler Waldakademien Fortbildungstage und (durch Raupenfraß von verschiedenen Schmetterlingsarten) Kurse insbesondere zur Waldpflege, Waldverjüngung durch vom Klimawandel gravierend betroffen. Pflanzung, Borkenkäferbekämpfung und weiteren Themen Bayern hat auf diese Herausforderung früh reagiert und sich angeboten werden. Die deutliche Intensivierung der Fortbil- bereits im Jahr 2008 im Rahmen des Klimaprogramms 2020 dung ist auch deshalb notwendig, da vor allem die Wald- ein erstes Zwischenziel von 100 000 Hektar Umbaufläche bis erben oft nicht mehr ausreichende Kenntnisse von der Wald- zum Jahr 2020 gesetzt. Mit der Waldumbauoffensive 2030 bewirtschaftung haben. Die Waldbesitzer in Bayern sind im soll der bisherige jährliche Umbaufortschritt von durch- Durchschnitt über 60 Jahre alt. In den nächsten 20 – 40 Jah- schnittlich 6 000 Hektar auf 10 000 Hektar im Jahr steigen, ren steht eine massive Welle an Erbgängen bevor. Alleine bis um bis zum Jahr 2030 auf rund 200 000 Hektar den Waldum- 2030 werden voraussichtlich rund 40 Prozent der Waldflä- bau erreicht zu haben. Es gilt jetzt die durch die Schadereig- chen durch Erbgang den Besitzer wechseln. Diese Erben nisse der letzten Jahre zunehmende Bereitschaft der Wald- sind deutlich jünger und können mit neuen Medien, die besitzer offensiv zu nutzen. Die Waldbesitzer brauchen da- internetbasiert sind, besser angesprochen werden. Bereits bei die breite Unterstützung der gesamten Gesellschaft. Da- jetzt besteht mit dem Waldbesitzerportal (www.waldbesit- her ist es auch wichtig, dass durch flankierende Maßnahmen zerportal.bayern.de) eine Online-Informationsplattform. Die- die Bedeutung des Waldumbaus in der Mitte der Gesell- se wird u. a. durch zusätzliche kurze Informationsclips zu ak- schaft verankert wird. tuellen forstlichen Themen und Waldumbaumaßnahmen er- gänzt sowie insgesamt aktualisiert und ausgebaut. Eine In- tensivierung in den sozialen Medien ist angedacht. Auch weitere Zielgruppen wie Forstunternehmer, kommunale
Bayerische Forstverwaltung a Waldbericht 2017 a Seite 16 – 17 Entscheidungsträger und freiberufliche Forstsachverständi- langwierig. Sie muss deswegen bereits heute intensiviert ge können mit diesen Angeboten angesprochen werden. werden, um in einigen Jahrzehnten Ergebnisse und ggf. neue Optionen für den Aufbau unserer Wälder zu erhalten. PFLEGE UND SICHERUNG JUNGER MISCHBESTÄNDE Seit über 40 Jahren werden in Bayern zunehmend Mischbe- ENTWICKLUNG VON REGIONALEN stände aus mehreren Baumarten begründet. Besonders die GEFÄHRDUNGSANALYSEN nach den Jahrhundert-Orkanen Vivian und Wiebke 1990, Die Bayerische Forstverwaltung hat mit den Klimarisikokar- nach Lothar 1999 und Kyrill 2007 gepflanzten Bestände sind ten und dem Standortinformationssystem BaSIS Beratungs- nun in einem Alter, in dem die Anteile aller Mischbaumarten grundlagen für die Waldbesitzer geschaffen, die bis heute in konsequent gesichert werden müssen. Aufbauend auf eine Deutschland einmalig sind (s. Abbildung 3). Diese Grundla- flächendeckende Überprüfung und Analyse der Pflege- gen gilt es nun, durch weitergehende regionalisierte Gefähr- dringlichkeit muss, um die erreichten Erfolge zu sichern, eine dungsanalysen zu verfeinern. Pflegeinitiative gestartet werden. INFORMATIONSOFFENSIVE SONDERPROGRAMME BERGWALDOFFENSIVE, WALD Die Waldbesitzer brauchen dauerhaft Verständnis und Ak- INITIATIVE OSTBAYERN UND INITIATIVE ZUKUNFTSWALD zeptanz der Bevölkerung für den Waldumbau und die Be- Mit einem projektorientierten Ansatz in klar umgrenzten wirtschaftung ihres Waldes. Dies sicherzustellen bedingt Projektgebieten wurden in den letzten Jahren im Rahmen gute Informationen und einen steten Dialog mit der Gesell- der Bergwaldoffensive (BWO), der Waldinitiative Ostbayern schaft. Gelingen kann dies zum Beispiel durch ein Heranfüh- (WIO) und der Initiative Zukunftswald (IZW) sehr gute Erfah- ren von Kindern und Jugendlichen im Rahmen der Waldpäd- rungen gesammelt, wie die Waldbesitzer bestmöglich ange- agogik an das Thema Natur und Wald mit seinen vielfältigen sprochen und zum Waldumbau motiviert werden können. Facetten. Aber auch den Bürgerinnen und Bürger soll lau- Die beschränkte Mittelausstattung der Programme und der fend dieser gegenseitige Dialog angeboten werden, um die Einsatz von lediglich befristet einstellbarem Personal erlaubt gewaltige gesellschaftspolitische Aufgabe „Waldumbau“ im eine bayernweite Ausdehnung bisher nicht. Daher sollen gegenseitigen Einvernehmen angehen und bewältigen zu künftig Projekte der BWO, WIO oder IZW in allen Amtsgebie- können. Waldführungen mit dem Förster, Walderlebniszent- ten der ÄELF kontinuierlich mit fest angestelltem Personal ren und Waldattraktionen, bis hin zum Einsatz neuer sozialer durchgeführt werden. Medien sind notwendig um die Menschen mit Wald und Waldbewirtschaftung vertraut zu machen und einer noch WALDSCHUTZ weiter gehenderen Entfremdung in künftigen Jahrzehnten Mit dem Klimawandel und vor allem den steigenden Durch- entgegenzuwirken. Dazu bedarf es einer Intensivierung der schnittstemperaturen geht eine bereits deutlich erkennbare bisherigen Öffentlichkeitsarbeit, einer Verstärkung der Wald- Ausweitung von bekannten (z. B. Borkenkäfer oder Eichen- pädagogik sowie neuer, innovativer Ansätze. prozessionsspinner), aber auch von neuen Schadorganismen (insb. Pilzen, wie z. B. dem Eschentriebsterben oder auch Quarantäneschädlingen, wie dem Asiatischen Laubholz- bock) einher. Die wissenschaftliche Analyse neuer Schädlin- ge, das Monitoring bekannter Schadinsekten unter verän- derten Witterungsbedingungen sowie die Ausarbeitung von Bekämpfungsstrategien durch die Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft müssen ausgeweitet und intensi- viert werden. VERSTÄRKTE FORSCHUNG ZUR BAUMARTENEIGNUNG Die sich ändernden Umweltbedingungen und zunehmen- den Bedrohungen durch neue Schadorganismen machen eine verstärkte Forschung auch zu bisher weniger verwen- deten heimischen Baumarten und Herkünften sowie zu Baumarten aus anderen Regionen notwendig. Solche For- schung ist durch lange Untersuchungszeiträume, bis z. B. Versuchsanbauten von Bäumen Erkenntnisse liefern, sehr
1.4 BERGWALD UND SCHUTZWALDSANIERUNG Nur gesunde und stabile Schutzwälder können die bayerischen Alpentäler vor Muren, Steinschlag und Lawinen schützen. Schon im Jahr 1986 hatte der Bayerische Landtag ein- stimmig beschlossen, den Zustand der Schutzwälder zu erfassen, das Gefährdungspoten- zial zu ermitteln und erforderlichenfalls festgestellte Defizite zu beheben. Im Berichtszeit- raum jährte sich dieser Beschluss zur Sanierung der Schutzwälder zum 30. Mal. Aus diesem Anlass hat die Bayerische Forstverwaltung eine Broschüre über den Berg- und Schutzwald in den bayerischen Alpen und seinen Zustand und seine Funktionen herausgegeben (www.stmelf.bayern.de/wald/waldfunktionen/schutzwald/index.php). SCHUTZWALDSANIERUNG Voraussetzung, um Rutschungen und Muren zu vermeiden Über 13 Millionen junger Laub- und Nadelbäume wurden und Hochwasser abzumildern. seit 1986 gepflanzt und, wo nötig, durch Stützbauten vor Die aufwändige Sanierung muss deshalb unbedingt durch Gleitschnee geschützt. Inklusive der Verbauungen und aller eine vorbeugende Schutzwaldpflege ergänzt werden. Ziel anderen Arbeiten wurden für die Schutzwaldsanierung bis- ist, durch Förderung der Naturverjüngung, Ergänzungspflan- her insgesamt etwa 86 Millionen Euro investiert. Wo früher zungen, strukturverbessernde Maßnahmen oder Borkenkä- extrem teure Schutzbauwerke zur Sicherung steiler Hänge ferbekämpfung zu verhindern, dass neue Sanierungsflächen notwendig waren, kann auf den sanierten Flächen künftig entstehen. Eine entscheidende Voraussetzung für die Siche- der Bergwald diese Aufgabe wieder übernehmen. Ein Hektar rung der Schutzfunktionen der Bergwälder ist, dass die jun- Pflanzung kostet bis zu 30.000 Euro, ein Hektar Gleitschnee- gen Bäume möglichst rasch und unbehelligt wachsen kön- verbauung bis zu 500.000 Euro. Diese Zahlen zeigen, wie nen. Das erfordert, dass im Bergwald die Schalenwildbestän- wertvoll ein intakter Schutzwald ist. de auf ein waldverträgliches Niveau angepasst werden. Auf zwei Drittel der bearbeiteten Flächen wird derzeit das Sanierungsziel erreicht: mehrere Baumarten haben sich eta- bliert und können ohne größere Beeinträchtigungen, etwa durch Wildverbiss, wachsen. Für die Schutzwaldsanierung ist allerdings ein langer Atem notwendig. Wenn man bedenkt, dass es 20 bis 40 Jahre dau- ert, bis die kleinen Bäume im rauen Gebirgsklima manns- hoch gewachsen sind und die vielfältigen Schutzfunktionen langsam übernehmen können, wird klar, welch lange Zeit- räume eine erfolgreiche Schutzwaldsanierung im Bergwald benötigt. Rund 14 000 Hektar Schutzwald in den bayerischen Alpen können derzeit ihre Schutzfunktionen nicht oder nur teilwei- se erfüllen und müssen saniert werden. Vor allem durch Sturm und Borkenkäfer sind seit der ersten Planung rund 1 200 Hektar Sanierungsflächen hinzugekommen. Der Klimawandel steigert die Bedeutung intakter Schutzwäl- der. Im Alpenraum erwarten Experten weitaus spürbarere Auswirkungen der Klimaveränderungen als im übrigen Bay- ern. Vor allem die Erwärmung schreitet dort voraussichtlich schneller voran und wird vermutlich höher als im Mittel aus- fallen. Gleichzeitig stellen vorhergesagte häufigere Starknie- derschläge hohe Anforderungen an die Bergwälder. Die Sta- bilisierung der Wälder und die natürliche Regulierung des aa Temporäre Verbauungen in der Schutzwaldsanierung mit Holz- Wasserabflusses werden an Bedeutung gewinnen. Sie sind bauwerken. Foto: Paul Dimke, LWF
Bayerische Forstverwaltung a Waldbericht 2017 a Seite 18 – 19 BERGWALDOFFENSIVE (BWO) Ein Grundsatz der Bergwaldoffensive ist es, die Betroffenen Mit der Bergwaldoffensive wurde 2008 ein Programm zur zu Beteiligten zu machen. Waldbesitzer, Jäger, Naturschüt- Entwicklung zukunftsfähiger Berg- und Schutzwälder im zer, Almbauern, Tourismusverbände und Kommunen er- Privat- und Körperschaftswald geschaffen. Nach dem Motto arbeiten gemeinsam vor Ort angepasste Lösungsansätze, „Vorbeugen ist besser und billiger als heilen“ streben die insbesondere in den Bereichen Waldpflege, Wegebau, Jagd- Waldbesitzer mit Unterstützung der BWO standortgerechte, management, Biotoppflege und Trennung von Wald und strukturreiche Mischwälder aus Fichte, Tanne, Buche und Weide. Die Einbeziehung der Beteiligten bereits bei der Aus- Bergahorn an. Dies gelingt nur durch vorausschauende wahl der Projektgebiete und in Form von BWO-Beiräten hat P flege und rechtzeitige Waldverjüngung. So werden die sich als besonders hilfreich erwiesen. Schutzfunktion der Bergwälder nachhaltig gestärkt und teu- Im Rahmen der Bergwaldoffensive wurden in über 2.800 Ein- re Schutzwaldsanierungsmaßnahmen vermieden. zelmaßnahmen in den vergangenen acht Jahren 535.000 Handlungsbedarf besteht besonders in Fichtenreinbestän- junge Bäumchen gepflanzt und so zusammen mit natürlich den, die hohen Risiken durch Borkenkäfer, Stürme und verjüngten Baumarten auf rund 750 Hektar gefährdete Na- Schneebruch ausgesetzt sind. Historisch bedingt gibt es in delwälder in klimatolerante Mischwälder umgewandelt. Auf den bayerischen Alpen eine Vielzahl solcher Fichtenreinbe- weiteren 935 Hektar wurden durch Pflegemaßnahmen die stände. Diese müssen dringend umgebaut werden. Über Voraussetzungen für Naturverjüngung geschaffen. Zudem Waldumbaumaßnahmen hinaus fördert die BWO auch den wurden in den 47 Projektgebieten naturverträglich 160 Kilo- Erhalt gefährdeter Arten, wie zum Beispiel von Auerwild meter Waldwege angelegt, um die Voraussetzungen zu oder Fledermäusen, durch Konzepte zur Besucherlenkung schaffen, dass in den nächsten Jahren weitere Waldbestände oder Verbesserung ihrer Habitate. im Alpenraum gepflegt und auf den Klimawandel vorberei- tet werden können. 17 Millionen Euro hat der Freistaat bis- lang für die Bergwaldoffensive aus dem „Klimaprogramm Bayern 2050“ bereitgestellt, davon drei Millionen Euro im Be- richtszeitraum. aa Im Schutz von Dreibeinböcken und Schneerechen wächst eine neue Waldgeneration heran. Foto: Paul Dimke, LWF
1.5 AKTIONSJAHR WALDNATURSCHUTZ Staatsminister Helmut Brunner hat in seiner Regierungs- Mit dem Aktionsjahr entstanden vielfältige Kooperationen erklärung vom Juli 2014 für das Jahr 2015 ein Aktionsjahr vor Ort. Jede dritte Veranstaltung fand zusammen mit Wald- „Waldnaturschutz“ ausgerufen. „Ich meine wir müssen unse- besitzern statt, jede vierte Veranstaltung gemeinsam mit Ak- re Leistungen und Pläne zum Schutz der Wälder der Gesell- teuren aus anderen Verwaltungen und der Politik. Jede sieb- schaft noch transparenter vermitteln.“ So fanden im Jahr te Veranstaltung vor Ort lief als Kooperation mit einem Na- 2015 zahlreiche Aktionen statt, die besonders vom direkten turschutzverband (Roth, 2015). Dabei entstanden auch völlig Dialog mit den Menschen geprägt waren. Um das Aktions- neue Formen der Kooperation, wie zum Beispiel ein Waldca- jahr bekannt zu machen, wurden neue Wege der Werbung, fe 60+ oder eine Kunst/Ausstellung im Wald „Kultur in der zum Beispiel in den Bahnhöfen und der U-Bahn in München, Natur – DenkMal im Wald“. erprobt. Neben der Bayerischen Forstverwaltung und den Bayerischen Staatsforsten beteiligten sich über die Koopera- BEACHTUNG IN DEN MEDIEN tionsplattform „Forstwirtschaft schafft Leben“ weitere Part- aa Printmedien ner wie der Bayerische Waldbesitzerverband, der Bayerische Die Berichterstattung in den Zeitungen zum Waldnatur- Bauernverband, der Bayerische Grundbesitzerverband und schutzjahr erfolgte vorrangig auf regionaler Ebene. Eine die Forstwirtschaftlichen Zusammenschlüsse. Auswertung einer Stichprobe von knapp 200 Zeitungs- Das Aktionsjahr wurde mit verschiedenen Ansätzen evalu- artikeln ergab, dass sehr positiv berichtet wurde. iert, um für Folgeaktionen Erfahrungen gewinnen zu kön- aa Radio – Spots nen. Insgesamt zeigten sich sehr erfreuliche Ergebnisse bei Die in einem Münchner Regionalradio gesendeten Spots der Auswertung der Zahl der erreichten Menschen. Die Akti- erreichten rund 520 000 Nutzer mindestens einmal. Mit vitäten der Partnerorganisationen sind nicht ausgewertet geringem finanziellen Aufwand wurden zahlreiche Men- worden und in den nachfolgenden Zahlen daher nicht ent- schen angesprochen. halten. Würden diese mit beinhaltet sein, würde der Erfolg aa Youtube des Aktionsjahres noch deutlich größer aufscheinend. Die im Rahmen des Waldnaturschutzjahres geschaffenen Kurzfilme wurden nicht nur für Veranstaltungen genutzt, ERGEBNISSE sondern auch im Internet (Youtube) eingestellt. aa Die Bayerische Forstverwaltung – insbesondere mit aa Bahnhöfe und U-Bahnen ihren Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Mit Videospots für Infoscreens und Fahrgastfernsehen (AELF) – und die Bayerischen Staatsforsten (BaySF) er- wurde in den größeren Städten Bayerns sowie in der U- reichten mit über 1.000 Veranstaltungen rund 120.000 Bahn unter dem Slogan „Unser Wald – deine Heimat“ für Menschen (Roth, 2015). ein besseres Verständnis für die Waldbesitzer geworben. aa Auch die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forst- Die Zahl der Blickkontakte ist schwer anzuschätzen, aber wirtschaft (LWF) unterstützte das Aktionsjahr mit 58 Bei- aus den Mediadaten des beauftragten Unternehmens trägen – von Fachveröffentlichungen, Vorträgen, Tagun- ergaben sich Blickkontakte im Millionenbereich. gen und Führungen bis hin zu Ausstelllungen und Inter- netprojekten (Roth, 2015). RESÜMEE aa Laien- und Fachpublikum besuchten ein vielfältiges An- Mit dem Aktionsjahr wurden neue und dem Wald nicht nahe- gebot mit klassischen und innovativen Informations-, stehende Gruppen angesprochen. Ziel war es, den integrati- Dialog- und Erlebnisveranstaltungen. Dabei dominierten ven Ansatz, mit dem die bayerischen Waldbesitzer auf der Waldbegehungen (jede dritte Veranstaltung), Infoveran- gesamten Waldfläche nachhaltige Waldbewirtschaftung und staltungen (jede vierte) und waldpädagogische Ange- vielfältige Naturschutzleistungen vereinen, den bayerischen bote (jede fünfte). An einer Exkursion nahmen im Schnitt Weg des „Schützen und Nutzen“ konkret vor Ort darzustellen, 42 Besucher teil (Roth, 2015). verständlich zu machen und mit Leben zu erfüllen. Aus dem aa Auch andere Institutionen und Verbände führten Veran- Dialog mit vielen Menschen konnten neue Kontakte gewon- staltungen zu dem Thema durch, häufig war daran die nen und Netzwerke aus- oder neu aufgebaut werden. Forstverwaltung mitbeteiligt. Insgesamt hatten die Äm- ter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten bei fast 80 Prozent aller Kooperationen die Federführung.
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