Kulturelles Erbe mit Zukunft - Forschungsvorhaben im Akademienprogramm Akademie der Wissenschaften zu Göttingen - Akademie der Wissenschaften ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Akademie der Wissenschaften zu Göttingen Theaterstraße 7 37073 Göttingen Kulturelles Erbe mit Zukunft www.adw-goe.de Forschungsvorhaben im Akademienprogramm Akademie der Wissenschaften zu Göttingen Akademie der Wissenschaften zu Göttingen Kulturelles Erbe mit Zukunft – Forschungsvorhaben im Akademienprogramm
Kulturelles Erbe mit Zukunft Forschungsvorhaben im Akademienprogramm Dritte, aktualisierte Auflage Akademie der Wissenschaften zu Göttingen
Inhalt Vorwort....................................................................................................................4 Deutsche Inschriften des Mittelalters und der frühen Neuzeit..........................6 Digitale Gesamtedition und Übersetzung des koptisch-sahidischen Alten Testamentes.......................................................8 Edition und Bearbeitung byzantinischer Rechtsquellen...................................10 Erschließung der Akten des Kaiserlichen Reichshofrats...................................12 Frühneuhochdeutsches Wörterbuch...................................................................14 Gelehrte Journale und Zeitungen als Netzwerke des Wissens im Zeitalter der Aufklärung.................................................................................16 Germania Sacra....................................................................................................18 Goethe-Wörterbuch..............................................................................................20 Johann Friedrich Blumenbach – Online.............................................................22 Karl-Jaspers-Gesamtausgabe (KJG).....................................................................24 Katalogisierung der Orientalischen Handschriften in Deutschland................26 Leibniz-Edition......................................................................................................28 Mittelhochdeutsches Wörterbuch........................................................................30 Ortsnamen zwischen Rhein und Elbe – Onomastik im europäischen Raum....................................................................32 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch das des Nachdruckes, der Wiedergabe, Papsturkunden des frühen und hohen Mittelalters...........................................34 der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen und der Übersetzung des vollständigen Werkes oder von Teilen davon, sind vorbehalten. Patristik: Dionysius Areopagita-Edition..............................................................36 Prize Papers: Erschließung, Digitalisierung, Präsentation (1652-1815)...........38 Akademie der Wissenschaften zu Göttingen Qumran-Lexikon...................................................................................................40 Theaterstraße 7 37073 Göttingen Tel. 0551 39-5362 Fax 0551 39-5365 Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800).......................................................42 adw@gwdg.de www.adw-goe.de Runische Schriftlichkeit in den germanischen Sprachen.................................44 SAPERE.................................................................................................................46 Redaktion: Adrienne Lochte, Göttingen Wörterbuch des Altuigurischen...........................................................................48 Gestaltung, Bildbearbeitung, Layout: Sauer Marketing, Göttingen Herstellung: Goltze Druck GmbH & Co. KG, Göttingen Bildbeschreibungen und -nachweise..................................................................50 3. Auflage Printed in Germany, 8.2018 2 3
Vorwort 150 wissenschaftliche und technische Mitarbeiter1, unterstützt von zahl- reichen Hilfskräften, in 34 Arbeitsstellen, die über das ganze Land und darüber hinaus verteilt sind. Einige Vorhaben laufen schon sehr lange; es Die Akademie der Wissenschaften zu Göttingen "hat die Aufgabe, in eige- handelt sich um Jahrhundertvorhaben, die zum Zwecke der Vollendung in ner Arbeit und im Zusammenwirken mit den gelehrten Körperschaften das Akademienprogramm aufgenommen worden sind. Dazu zählen zum des In- und Auslandes der Wissenschaft zu dienen" (§ 1 der Satzung). Beispiel die 1896 begonnene Sammlung von Papsturkunden und das Pro- Dieser Aufgabe kommt die Akademie nach, seit sie 1751 von Georg II., jekt Germania Sacra, das 1917 ins Leben gerufen wurde. Dass das hohe König von Großbritannien und Kurfürst von Hannover, gegründet wurde. Alter von Projekten nicht gegen die intensive Nutzung digitaler Techniken Ihre wissenschaftlichen Aktivitäten sind vielfältig, doch im Zentrum ihrer spricht, versteht sich von selbst. geistes- und gesellschaftswissenschaftlichen Forschung stehen die Lang- zeitprojekte des Akademienprogramms. Seit Erscheinen der zweiten Auflage dieser Broschüre im Jahr 2008 wur- den die folgenden Projekte abgeschlossen: Deutsches Wörterbuch von Dieses vom Bund und den Ländern finanziell getragene Programm wurde Jacob und Wilhelm Grimm, Die Inschriften des ptolemäerzeitlichen Tem- 1979 ins Leben gerufen und dient "der Erschließung, Sicherung und Ver- pels von Edfu, Edition der naturwissenschaftlichen Schriften Lichtenbergs, gegenwärtigung unseres kulturellen Erbes". Seine Einführung war darin Enzyklopädie des Märchens, Hof und Residenz im spätmittelalterlichen begründet, dass es in der deutschen Wissenschaftslandschaft jenseits der Deutschen Reich (1200-1600), Sanskrit-Wörterbuch der buddhistischen Akademien der Wissenschaften nahezu keine Möglichkeit gibt, grundle- Texte aus den Turfan-Funden, Schleiermacher-Edition, Septuaginta. gende wissenschaftliche Projekte wie die Edition der Werke wichtiger Auto- Unter den neu hinzugekommen finden sich Editionen, Wörterbücher und ren, das Verfassen großer Wörterbücher ein Projekt zur Erforschung spätmittelalterlicher und frühneuzeitlicher des Deutschen und anderer Sprachen Residenzstädte. In ihrer Gesamtheit verdeutlichen die Göttinger Projekte oder die Bereitstellung und Erschlie- den Reichtum an Themen und Methoden, die sich in der Forschung der ßung zentraler Texte und Dokumente Akademie zeigen. der abendländischen Kultur- und In allen Fällen werden die Ergebnisse der Forschungsarbeit der wissen- Gesellschaftsgeschichte in einem dem schaftlichen und interessierten Öffentlichkeit durch Publikationen, Tagun- Gegenstand angemessenen Umfang gen, Vorträge und im Internet zur Verfügung gestellt, wie die Akademie durchzuführen und der internationalen überhaupt daran interessiert ist, ihre Arbeit in den gesellschaftlichen Forschung zur Verfügung zu stellen. Raum zu vermitteln. Mit seinen heute über 140 Vorhaben ist das Programm das größte deutsche Forschungsprogramm in den Geisteswissenschaften. Die einzel- nen Projekte durchlaufen ein mehrstufiges strenges Ausleseverfahren und sind Gegenstand regelmäßiger Evaluationen. Koordiniert wird das Pro- gramm von der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften, ver- antwortlich für die einzelnen Vorhaben sind die betreuenden Akademien. Einige Projekte sind so umfangreich, dass sie nur in der Zusammenarbeit Prof. Dr. Andreas Gardt mehrerer Akademien betrieben werden können. Präsident der Akademie der In der Broschüre, die jetzt in dritter, aktualisierter Auflage erscheint, wer- Wissenschaften zu Göttingen den die zur Zeit von der Göttinger Akademie betreuten 22 Forschungs- 1 In der vorliegenden Broschüre wird bei personenbezogenen Substantiven und Pronomen projekte des Akademienprogramms vorgestellt. An ihnen arbeiten über häufig die männliche Sprachform verwendet. Als geschlechtsneutrale Verwendung soll sie der besseren Lesbarkeit dienen. 4 Vorwort Vorwort 5
Deutsche Inschriften des Mittelalters und der frühen Neuzeit Inschriften auf Glocken, Grabdenkmälern und Hausbalken, auf Textilien, Abendmahlskelchen und Taufsteinen bergen unzählige Geschichten, die dem Laien allerdings oft verborgen bleiben. Meist steht man vor diesen Texten und kann sie nicht einmal entziffern. Die Sprache ist fremd, und was die Menschen vor Hunderten von Jahren bewegt hat, ihre Gedanken nicht nur Für die historische Forschung stellen Inschriften eine wichtige Ergänzung Pergament und Papier, sondern einem dauerhaften Material der Überlieferungen durch Urkunden und Chroniken dar. anzuvertrauen, erschließt sich erst nach intensiven Recher- chen. Viele dieser Rätsel konnten die Mitarbeiterinnen und In weit höherem Maße als andere Schriftzeugnisse sind sie über Jahrhunderte Mitarbeiter des Forschungsprojekts "Deutsche Inschriften öffentlich sichtbar und wurden von ihren Auftraggebern bewusst eingesetzt, des Mittelalters und der frühen Neuzeit" schon lösen, ande- um sich selbst oder die eigene Familie darzustellen. In Duderstadt beispiels- ren sind sie tagtäglich auf der Spur. weise haben die Bürger während der konfessionellen Auseinandersetzungen im Gefolge der Reformation in ihren Hausinschriften zum Ausdruck gebracht, In zwei Arbeitsstellen der Akademie der Wissenschaften zu welcher Konfession sie angehören. Ein Hildesheimer Bürgermeister hat all Göttingen (in Göttingen und in Greifswald) werden die deut- seine für die Stadt geleisteten Wohltaten in einen Silberbecher gravieren las- schen und die lateinischen Inschriften in Niedersachsen und sen. Eine Besonderheit des Greifswalder Bestandes sind die Insignien aus in Mecklenburg-Vorpommern aus der Zeit von ca. 800 bis der Gründungszeit der Universität sowie die vielen spätmittelalterlichen und 1650 erfasst, selbst solche, die nur noch in Abschriften und frühneuzeitlichen Grabplatten, die einzigartige Hinweise auf die familiären Drucken oder auf alten Fotos überliefert sind. Die oft schwer Zusammenhänge der städtischen Oberschicht geben. In der Hansestadt Stral- lesbaren Inschriften werden sorgfältig wiedergegeben, über- sund birgt vor allem die Pfarrkirche St. Nikolai zahlreiche Altarretabel, Kelche, setzt und so kommentiert, dass sie in ihrem historischen eine astronomische Uhr und die Chorschranken aus der wirtschaftlichen Blü- Kontext lebendig werden. Folgende Bestände sind in der tezeit der Stadt im 15. Jahrhundert. Reihe "Die Deutschen Inschriften" bereits publiziert worden: die Städte Göttingen, Osnabrück, Hameln, Hannover, Ein- Die Inschriften liefern auch wichtige Hinweise für die Sprachentwicklung beck, Braunschweig (2 Bde.), Goslar, Hildesheim, Helmstedt, der jeweiligen Region. Greifswald, Lüneburg (2 Bde.) und Stralsund sowie die Land- In Norddeutschland belegen sie, wie das Hochdeutsche das Niederdeutsche kreise Göttingen, Holzminden, Northeim, Schaumburg und ablöst oder wie sich die deutsche Sprache gegenüber der lateinischen emanzi- Osterode. Die Inschriften der Lüneburger Klöster wurden in piert hat. Vielfach erfährt man auch nur über die Inschriften etwas von Men- einem Sonderband zusammengefasst. Die Editionen sind schen, die in anderer schriftlicher Überlieferung nicht auftauchen. eine wichtige Quelle für Wissenschaftler aller historischen Disziplinen, aber auch eine interessante Lektüre für den an Gemeinsam mit den Inschriften-Forschungsstellen der Aka- Geschichte interessierten Laien. Darüber hinaus beraten die demien in Düsseldorf, Heidelberg, Leipzig, Mainz, München Ansprechpartner Wissenschaftler der Inschriftenkommission Restauratoren und Wien ist die Göttinger Akademie der Wissenschaften seit 1970 Trägerin des Unternehmens "Die Deutschen Inschrif- Dr. Christine Wulf (Göttingen) bei der Wiederherstellung beeinträchtigter Inschriften und Dr. Christine Magin (Greifswald) bieten Hilfen bei der Datierung von Inschriften und beschrif- ten". Aus der Arbeit aller Forschungsstellen sind bis jetzt teten Objekten an. mehr als 100 Bände hervorgegangen. Mit Ausnahme der http://adw-goe.de/forschung/ zuletzt erschienenen sind zahlreiche Bände auch auf der forschungsprojekte-akademien Internetplattform "Deutsche Inschriften Online" (http:// programm/deutsche-inschriften/ www.inschriften.net) verfügbar. 6 Deutsche Inschriften des Mittelalters und der frühen Neuzeit Deutsche Inschriften des Mittelalters und der frühen Neuzeit 7
Digitale Gesamtedition und sich konterkarierenden Initiativen begleitet. Die allerwenigsten Handschriften kommen daher aus gut dokumentierten, wissenschaftlichen Ausgrabungen. Übersetzung des koptisch-sahidischen Noch dazu verkauften Händler, um möglichst viel Profit zu machen, sie in kleinen Portionen, nicht selten in Einzelblättern oder -fragmenten. So befindet Alten Testamentes sich die Masse der erhaltenen koptischen Bibelhandschriften heute nicht mehr in Ägypten, sondern ist auf mehr als 100 Museen und Sammlungen vor allem in Europa und Nordamerika verteilt. Alle Versuche der Wissenschaft in den Die koptische Übersetzung des Alten Testamentes ist eine der ältesten und letzten 100 Jahren, die ursprünglichen Kodizes wieder virtuell und in einer umfangreichsten Versionen der griechischen Übersetzung der hebräischen Publikation zusammenzuführen, scheiterten am Umfang der Aufgabe. Bibel, der sogenannten Septuaginta (LXX). Das Akademievorhaben nimmt sich seit 2015 nun mit Unterstützung der Trotz ihrer sprach-, literatur- und religionsgeschichtlichen Methoden und Werkzeuge der digitalen Geisteswissenschaften dieser Her- Bedeutung scheiterten alle Versuche zur Rekonstruktion ausforderung an. Die einzelnen Handschriftenblätter und Fragmente werden und Edition des koptischen Alten Testamentes bisher an der in einer Online-Datenbank, dem Virtual Manuscript Room (VMR), gesam- extremen Zerstreuung seiner handschriftlichen Zeugnisse melt und katalogisiert. Vertreter eines Handschriftenblattes ist ein digitales auf mehr als 100 Sammlungen weltweit. Surrogat, möglichst ein hochauflösendes Foto, anhand dessen der Bibeltext transkribiert und analysiert wird. Dazu konnte das Vorhaben zahlreiche von Da die Septuaginta ab dem 3. Jh. v.Chr. in Ägypten entstand, Vorgängerprojekten gesammelte Fotos und Archivmaterialien in Göttingen erscheint es fast folgerichtig, dass das seit dem 1. Jh. n.Chr. zusammenführen und verschiedene Initiativen zur Rekonstruktion der christli- zunehmend christianisierte Nilland mit seiner uralten Lite- chen Literatur des koptischen Ägyptens in Kooperationen einbinden. Dennoch ratur- und Wissenstradition eine der ersten Übersetzungen ist es unabdingbar, dass die Spezialisten des Vorhabens einen erheblichen Teil der Bibel in eine Sprache des Christlichen Orients hervorge- der Sammlungen selbst besuchen müssen, um die oft noch unkatalogisierten bracht hat. Handschriftenbestände zu erschließen. So wächst der Bestand der bekannten Die ältesten erhaltenen Handschriften aus dem ausgehenden koptischen Bibelhandschriften jährlich weiter an. 3. Jh., aber vor allem aus dem 4. Jh. n.Chr., zeigen uns, dass Die Handschriften werden virtuell wieder zu Kodizes rekonstruiert, die man am die Übersetzung, sogar in verschiedene Dialekte des Kopti- Bildschirm durchblättern kann. schen, bereits zu dieser Zeit begonnen worden war. Allein die Übersetzung in den sahidischen Dialekt, die klassische Auf der Basis des transkribierten Textes wird zunächst eine diplomatische Edi- Literatursprache des christlichen Ägyptens, die gewiss auf tion erstellt. Die Auswertung der gesamten handschriftlichen Überlieferung die Initiative des in Ägypten besonders erfolgreichen frühen und der Vergleich mit dem griechischen Septuaginta-Text fließt schließlich in Mönchtums zurückgeht, ist vermutlich vollständig gewesen. eine kritische Edition der einzelnen Bücher des Alten Testamentes ein. Auf- Die sahidische Übersetzung wurde zur Kirchenbibel des gan- grund des Textes der Edition wird eine Handausgabe des koptisch-sahidischen zen Landes und sollte es bis zum 12. Jh. bleiben, sowie zur Alten Testamentes erstellt, die in verschiedene moderne Sprachen (Deutsch, Quelle und Inspiration der gesamten christlichen Literatur in Englisch, Arabisch) übersetzt wird. Der Wissenschaft wird so der Text der kop- koptischer Sprache. Als umfangreichstes Sprachmonument tisch-sahidischen Bibel wiedergewonnen und den koptischen Christen, einer der letzten Phase der ägyptisch-koptischen Sprache ist sie gegenwärtig immer stärker bedrohten orientalischen Religionsgemeinschaft, zudem eine unschätzbare Quelle sowohl für die ägyptologi- ihre traditionelle Bibel für das Alte Testament wiedergegeben. sche als auch die allgemeine Sprachwissenschaft. Als born-digital Projekt stellt das Vorhaben der internationa- Die koptische Bibelübersetzung zog schon seit dem 17. Jh. das len Fachwelt überdies eine virtuelle Forschungsumgebung Ansprechpartner Interesse europäischer Gelehrter auf sich, und wenigstens seit zur Verfügung, mit der Wissenschaftler weltweit ihre For- schungsergebnisse zur koptischen Bibel wie auch zur kop- Prof. Dr. Heike Behlmer dieser Zeit, verstärkt aber im 18., 19. und 20. Jh. wurden zahl- tischen Literatur allgemein austauschen können. Fernziel Dr. Frank Feder reiche koptische Handschriften nach Europa und Amerika gebracht. Die Vermittler waren zunächst katholische Missionare, dann zuneh- des Vorhabens über den Förderzeitraum des Akademienpro- http://coptot.manuscriptroom.com mend Reisende und Gelehrte, oft im Auftrag entstehender Sammlungen und gramms hinaus ist, in Kooperation mit zahlreichen Partner- Museen, die die Handschriften zumeist bei ägyptischen Händlern erwarben. projekten, die virtuelle Rekonstruktion der gesamten Literatur Dieser Transfer folgte jedoch keiner systematischen oder wissenschaftlichen in koptischer Sprache. Initiative, sondern war unsystematisch und von allen möglichen Zufällen und 8 Digitale Gesamtedition und Übersetzung des koptisch-sahidischen Alten Testamentes Digitale Gesamtedition und Übersetzung des koptisch-sahidischen Alten Testamentes 9
Edition und Bearbeitung byzantinischer Rechtsquellen Die Spuren der Rechtskultur des vergangenen Byzantinischen Reiches zu erforschen und zu sichern, ist Aufgabe der Arbeitsstelle "Edition und Bearbeitung byzantinischer Rechtsquellen" der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Mit der Eroberung Konstantinopels, des alten Byzanz, endete im Jahr 1453 die Geschichte des von der "Wende" Konstantins zum Christentum ins Leben gerufenen Zweiten Rom. Es hatte den Untergang des Ersten Rom, das später durch die Krönung Karls des Großen für den lateinischen Westen der Idee nach erneuert wurde, um fast genau tausend Jahr überdauert. Damit war der Neugründung Konstantins, beschränkt auf den griechischsprachigen Osten des römischen Reichs, eine Kontinuität gegeben, deren Bedeutung für den Westen, aber insbesondere auch für das heutige Griechenland, den griechisch- orthodoxen Osten Europas und die benachbarte islamische Welt nicht leicht überschätzt werden kann. Das gilt auch für das damalige Recht. Die unter dem Namen Corpus Iuris bekannte Kodifikation des römischen Rechts durch den oströmischen Kaiser Justinian (527-565) trug im Westen erst um 1100 Früchte, als die Wiederent- deckung ihres Herzstücks, der Digesten, das Rechtsstudium in Bologna beginnen ließ und zur Wiederaufnahme (Rezep- tion) des römischen Rechts in West- und bis zum 16. Jahrhundert, die gelegentlich immer noch ergänzt werden, zuletzt in Mitteleuropa führte. Dagegen beherrschte das lateinischsprachige Gesetz- 1977 durch einen spektakulären Fund in einem Verschlag des Katharinen- gebungswerk Justinians den Rechtsunterricht an den Rechtsschulen Konstan- Klosters auf dem Sinai. Ein Repertorium soll den oft heterogenen Inhalt sämt- tinopels und Beryts (Beirut), der auf griechisch erteilt wurde, von Anfang an licher Handschriften erschließen. Ein erster Teil, bereits 1995 erschienen, und brachte alsbald eine eigene, reichhaltige Übersetzungs- und Erläuterungs- erfasst 327 Handschriften des weltlichen Rechts, ein zweiter und dritter Teil literatur hervor. Sie ging zu einem großen Teil in die in der zweiten Hälfte des (erschienen 2010 und 2017) erschließt weiter 200 Handschriften kirchenrecht- 9. Jahrhunderts veranstaltete griechischsprachige Rekodifikation des Corpus lichen (kanonistischen) Inhalts. Die gegenwärtigen Arbeiten konzentrieren Iuris ein, die in den 60 Bänden der Basiliken weitgehend erhalten ist, mitsamt sich auf die Edition des Kanoneskommentars des Aristenos, einer Fülle älterer und jüngerer, jeweils aus dem Unterricht hervorgegangener die kurz vor dem Abschluss steht und den Übergang zur Erklärungen (Scholien). Zahlreiche Abhandlungen und eigenständige Rechts- Erforschung des kanonischen Rechts markiert, sowie auf Ansprechpartner sammlungen wie z.B der Nomos Georgikos und der Nomos Nautikos sind die Edition (nebst deutscher Übersetzung) der sog. Eisagoge, Prof. Dr. Okko Behrends Früchte dieser weithin ausstrahlenden Rechtskultur. dem um 900 promulgierten Rechtsbuch. Begleitet werden ab Herbst 2018 vorauss. Ehrgeiziges Ziel der Frankfurter Arbeitsstelle, die aus einem 1974 gegründeten diese Aufgaben durch themenbezogene Untersuchungen auf Prof. Dr. Claudia Rapp DFG-Projekt hervorgegangen ist und seit 1990 unter der Obhut der der Basis der neu erschlossenen Texte. http://www.adw-goe.de Göttinger Akademie steht, ist eine möglichst vollständige Bestandssicherung Die Arbeitsstelle verfügt mit den "Forschungen zur byzanti- und Erschließung dieser Rechtsquellen. nischen Rechtsgeschichte" für ihre Zwecke der Edition und Die Arbeitsgrundlage liefert eine nahezu lückenlose Sammlung von Mikrofil- Bearbeitung der Quellen über eine eigene, höchst produktive men der gegenwärtig bekannten ca. 760 Handschriften aus der Zeit vom 10. Publikationsreihe. 26 Bände sind bisher erschienen. 10 Edition und Bearbeitung byzantinischer Rechtsquellen Edition und Bearbeitung byzantinischer Rechtsquellen 11
Erschließung der Akten des Kaiserlichen Reichshofrats Was wüssten die Menschen in drei- bis vierhundert Jahren über das Rechtsleben in Deutschland, wenn ihnen nur das Grundgesetz, nicht aber die Urteile des Bundesverfassungsgerichts bekannt wären? Ungefähr so ging es bis vor kurzem den Wissenschaftlern, die sich mit der Geschichte und Rechtsgeschichte des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation befasst haben. Von den beiden höchsten Gerichten, dem Reichskam- mergericht und dem Reichshofrat, war nur die Rechtsprechungspraxis des ersteren durch Erschließung seiner ca. 70.000 Prozessakten bekannt. Weit- gehend unbekannt war der nahezu ebenso umfangreiche im Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv befindliche Aktenbestand des Reichshofrats. Erst 1999 begannen Wissenschaftler, zunächst mit finanzieller Unterstützung durch die begünstigte und die nach politischer Selbstständigkeit strebenden Territorial- Deutsche Volkswagenstiftung, die Judizi- herren behinderte. Dadurch verlor er an Reputation. alakten des Reichshofrats zu erschließen. Stattdessen rückte das Reichskammergericht als nationales Integrationssym- Diese Arbeit wird seit 2007 durch das For- bol des Alten Reiches zunehmend in den Mittelpunkt des wissenschaftlichen schungsprojekt der Göttinger Akademie Interesses. Inzwischen besteht in der Fachwelt jedoch Einigkeit darüber, dass der Wissenschaften "Erschließung der die Bedeutung und Leistung des Reichshofrats nicht geringer einzuschätzen Akten des Kaiserlichen Reichshofrats" ist als die des konkurrierenden Reichskammergerichts. fortgesetzt. Auf diese Weise wird die iso- lierte Betrachtung von nur einem der bei- Die Aktenerschließung fördert jeden Tag noch nie von der Wissenschaft den teils miteinander konkurrierenden, gesichtete Quellen ans Tageslicht. teils kooperierenden Reichsgerichte lang- Das Aktenmaterial ist handschriftlich überwiegend in deutscher, teils auch in sam wieder gerade gerückt. Ob durch die lateinischer Sprache verfasst. Einige Verfahren sind nur fragmentarisch erhal- Auswertung der nach und nach erschlos- ten. Die Mitarbeiter der Arbeitsstelle in Wien studieren jede einzelne Akte, senen Akten eines Tages die Geschichte die nicht selten aus bis zu 200 oder mehr Seiten besteht. Sie extrahieren den und Rechtsgeschichte des Alten Reiches wesentlichen Akteninhalt nach den für den Reichshofrat leicht modifizierten neu geschrieben werden muss, bleibt sog. "Frankfurter Grundsätzen für die Verzeichnung von Reichskammer- abzuwarten; aber daran, dass eine Fülle gerichtsakten". Die Verzeichnungen geben Auskunft über den Verlauf eines neuer Einsichten über die Epoche gewon- Prozesses, über die beteiligten Parteien und Anwälte, den Streitgegenstand, nen werden dürfte, zweifeln die Experten die Beweismittel, Rechnungen, Rechtsgutachten und schließlich über den nicht. Umfang einer Akte. Häufig stoßen die Forscher auch auf Bis heute wähnen sich die Höchstgerichte bisher unbekannte Bilddokumente, auf Grundrisse von Kir- Deutschlands nicht in der Tradition chen und Klöstern, auf Landkarten, Rechnungen und Siegel, Ansprechpartner des Reichshofrats, sondern in der die allesamt tiefe Einblicke in das praktische Verfassungs-, Prof. Dr. Wolfgang Sellert des Reichskammergerichts. Rechts- und Wirtschaftsleben des Alten Reiches gewähren, Prof. Dr. Eva Schumann das sich auf ein heute 16 europäische Länder umfassendes Lange Zeit wurde der Reichshofrat Gebiet erstreckte. Das Forschungsprojekt soll im Jahre 2024 http://reichshofratsakten.de/ bekämpft, weil er als Instrument des Kai- abgeschlossen sein. Bis dahin ist geplant, rund 30 Prozent sers angeblich die katholischen Parteien des Bestandes der Judizialakten zu erschließen. 12 Erschließung der Akten des Kaiserlichen Reichshofrates Erschließung der Akten des Kaiserlichen Reichshofrates 13
Frühneuhochdeutsches Wörterbuch soziale Gegenstände, Ordnungssysteme und Anerkennungsrelationen; diese sind wie frnhd. ‚Recht‘, ‚Minne‘, ‚Gnade‘ oder Die Lexikographen sind Interpreten, Übersetzer und Vermittler, ‚Glaube‘, ‚Herr‘, ‚Knecht‘ oder ‚Hexe‘ also philologisch und kulturhistorisch hochsensible Wanderer nicht klar umrissen, sie gewinnen ihre zwischen den historischen Welten. Konturen und ihre semantischen Offen- heiten bis hin zu ihrer Existenz erst in der Das "Frühneuhochdeutsche Wörterbuch" (FWB) hat den hochdeutschen (im sprachlichen Interaktion mit anderen; Gegensatz zum niederdeutschen) Wortschatz des späten Mittelalters und der ihre soziale Realität kann dabei existenti- beginnenden Neuzeit als Gegenstand (ca. 1350 bis ca. 1650). Es beruht auf ell relevanter sein als diejenige von Kopf einem Korpus von rund 400.000 Seiten Text, das in ausgewogener Verteilung oder Hals. Man gibt mit dem Gebrauch lexikalischer Ausdrücke gleichzeitig alle Textsorten der Epoche, alle ihre Schreib- bzw. Druckerlandschaften und Handlungsempfehlungen. Der Gebrauch der vorverurteilenden Bezeichnung alle ihre noch fassbaren sozialen Schichtungen repräsentiert. Die Anzahl der hexe kann in einer bestimmten Zeit handlungspragmatisch einen Anfangs- damit im Spiel befindlichen lexikalischen Zeichen beläuft sich auf knapp verdacht in Gang setzen, der im schlimmsten Fall zur Verbrennung der als 100.000 Einheiten. Mit dieser Korpusgrundlage und mit seinen inzwischen 10 ‚Hexe‘ ertexteten Person führt. Schließlich kennzeichnet man sich und andere Bänden (rund 70 % des geplanten Gesamtumfanges) gilt das FWB als Grund- (mittels der sog. Symptomfunktion) durch die Weise seines Sprechens und lagenwerk zur Erschließung des Erbes der kulturgeschichtlich durch Territo- Schreibens sowohl als Individuum wie als gruppenzugehörig. Wenn etwa eine rialisierung, Frühkapitalismus, Humanismus, Renaissance, Reformation u. a. Person eine andere als Gnadheinz beschimpft, so kennzeichnet sie damit nicht hoch differenzierten direkten geschichtlichen Vorstufe der Neuzeit. nur die andere Person als Protestanten, sondern offenbart sich selbst als Alt- Der bearbeitete Wortschatz beläuft sich gläubigen. auf annähernd 100.000 Einheiten. Jede Dies alles muss der Lexikograph des Frühneu- dieser Einheiten ist systematisch mehr- hochdeutschen aus der Textwelt der Vergangenheit deutig, sodass man auf mehrere Hun- erarbeiten und der Gegenwart vermitteln. Dazu derttausend semantisch identifizierte dient ihm ein ausgefeiltes, lexikographiegeschicht- lexikalische Zugriffe auf eine sprachlich lich neuartiges und im FWB realisiertes Infor- verfasste Wirklichkeit kommt. Das FWB mationsprogramm. Dieses Programm betrifft die ist damit verständnisnotwendiges Tages- Zeichengestalt des Wortes, seine Bedeutung als werkzeug aller historischer Disziplinen Ganzheit wie in ihren Untergliederungen und (z.B. der Rechts-, Theologie-, Philosophie-, textlichen Feinheiten, ferner die onomasiologische Literatur- sowie der Medizingeschichte). Vernetzung und die Wortsyntax, schließlich die Diese historische Wirklichkeit ist vom zeitliche, die sprachgeographische und -soziologi- Lexikographen differenzsemantisch so sche Gebrauchsdimension der jeweiligen semanti- zu erfassen, dass auch dem heutigen Wörterbuchbenutzer die Lebenswelt ver- schen Einheit. Als diesbezügliches Beispiel sei hier gangener Sprachepochen als sprachlich / textlich konstituiert vermittelt wird. nur darauf hingewiesen, dass die hochkomplexe Der Ausdruck Lebenswelt ist, wie z. B. am Bedeutungsspektrum von arbeit Semantik des frnhd. Wortes got (üblicherweise erkennbar wird, maximal umfassend gemeint. Arbeit reicht semantisch von ‚Gott‘) in einigen norddeutschen, thüringischen den Geburtsschmerzen bis zum Todeskampf, von Alltagssorgen wie Broter- und schwäbischen Texten auch werb und Krieg über die kulturschaffende Kreativität bis hin zu den religiö- ‚Teufel‘ bedeuten kann. Man erkennt: Jede Gemeinschaft bildet vorhandene Welten nicht Ansprechpartner sen Sinnstiftungsfragen vergangener Epochen, in letzten Verästelungen bis hin zur Gärung alkoholischer Getränke. Lexikographen haben aktiven Anteil nur ab, sie ertextet sie nach je zeittypischen Interessen auch Prof. Dr. Oskar Reichmann an der modernen Traditionsbildung und der damit verbundenen Identitäts- jeweils neu und gibt sie an Folgegenerationen zu deren Neu- Prof. Dr. Anja Lobenstein-Reichmann und Sinnstiftung. So hat das Frühneuhochdeutsche Wörterbuch immer fol- konstitution weiter. Der Lexikograph ist der Wissenschaft- ler, der diesen Prozess als ewige Arbeit des gestaltenden http://www.fwb-online.de gende Funktionen des Wortschatzes im Blick. Man nimmt mit lexikalischen Einheiten Bezug auf vorsprachlich klar umrissene Gegebenheiten des Typs Sprechens und Schreibens dokumentiert, ihre Produkte als ‚Kopf‘, ‚Hals‘, ‚Hand‘ oder ‚Fuß‘. Das wäre die Bezeichnungsfunktion. Man Sinnangebot bekannt und rezeptionszeitlich zur weiteren gestaltet / konstituiert durch die Weise des Sprechens und Schreibens neue Gestaltung verfügbar macht. 14 Frühneuhochdeutsches Wörterbuch Frühneuhochdeutsches Wörterbuch 15
Gelehrte Journale und Zeitungen und wird in seiner Forschungsdatenbank letztlich die Erschließungsarbeit aus fünf Jahrzehnten vereinen. als Netzwerke des Wissens Das Langzeitvorhaben unter der Trägerschaft der Akademie der Wissenschaf- ten zu Göttingen erfolgt in Kooperation mit der Niedersächsischen Staats- und im Zeitalter der Aufklärung Universitätsbibliothek Göttingen, der Universitätsbibliothek Leipzig und der Bayerischen Staatsbibliothek München. Diese koordinieren die Digitalisierung der zu bearbeitenden Zeitschriften, wodurch ein direkter Zugriff auf das Digi- "Was ist Aufklärung?" Nicht zufällig wurde die vielleicht berühmteste Frage talisat der jeweiligen Rezensionen oder Buchanzeigen aus der Datenbank her- des Jahrhunderts 1784 in einer Monatsschrift ausgeschrieben und daraufhin aus ermöglicht wird. von Immanuel Kant beantwortet, denn Zeitungen und Zeitschriften waren längst "die Vorratskammern des menschlichen Verstandes" geworden. Mit ihrem Hauptanliegen, der Gewinnung und Verbreitung "Gelehrte Zeitungen blos als Recen- gelehrten und populären Wissens, fungierten sie als ein sionen betrachtet, haben einen 'Schlüsselmedium' für den Wissenschaftsbetrieb des 18. sehr eingeschränkten Gesichtskreiß. Jahrhunderts. Nein, sie müssen mehr leisten; man Sie etablierten eine neue Form gelehrter Netzwerke und soll aus ihnen das Steigen und Fal- machten das öffentlich, was Gelehrte zuvor jahrhundertelang len, die Fortschritte der Kenntnisse, nur untereinander ausgetauscht hatten. Sie gaben Nachricht Einsichten und Studien eines Lan- von Entdeckungen, Experimenten und wurden zu zentralen des und Volkes beurteilen können." Foren der Diskussion, die zur Entwicklung einer kritischen (Christian Gottlob Heyne, Heraus- Öffentlichkeit und den bürgerlichen Emanzipationsbestre- Die Forschungsdatenbank liefert Antworten auf "klassische" Forschungsfra- geber der "Göttingischen Anzei- bungen der Zeit beitrugen. gen, etwa zur Rezeptionsgeschichte einzelner Werke und Autoren, zu Nach- gen von gelehrten Sachen", 1784) richten aus der Gelehrten Welt und des Buchhandels, zu historischen und Wie heute gab es auch damals Leitmedien. So zum Beispiel die naturwissenschaftlichen Ereignissen oder auch zu einzelnen Diskursen der 1715 gegründeten Leipziger "Neuen Zeitungen von Gelehr- Zeit – Fragen etwa zur deutschen Rezeption Voltaires, zur Entstehung von ten Sachen", die seit 1739 bestehenden "Göttingischen Zeitungen/Anzeigen Klopstocks "Messias", zur Berufung Albrecht von Hallers nach Göttingen, zu von gelehrten Sachen" (die bis heute von der Akademie der Wissenschaften zu Raubdrucken, Preisangaben und Papierqualitäten, zu einzelnen Schauplätzen Göttingen herausgegeben werden und inzwischen das älteste noch bestehende des Siebenjährigen Krieges, zum Erdbeben von Lissabon oder dem Leib-Seele- Rezensionsorgan in deutscher Sprache sind) und die ab 1765 in Berlin, Stettin Problem. und später Hamburg herausgebrachte "Allgemeine deutsche Bibliothek". Darüber hinaus lädt eine Forschungsdatenbank dazu ein, neue Fragen über- Wer sich der Geschichte der gelehrten Institutionen Europas annähern will, haupt erst zu generieren: Welche Gebiete traten wann als neue Wissen- wer personenbezogene Forschung betreibt, oder wen die Rezeptionsgeschichte schaftsfächer auf? In welcher Weise werden die 'großen' Streitfälle der Zeit einzelner Werke im 18. Jahrhundert interessiert, kommt an dem gelehrten Blät- dokumentiert und welche Rolle spielen hierbei die jeweils veröffentlichenden terwald der Aufklärung kaum vorbei. Zeitschriften? Welche Zeitschriften nahmen auf einander Bezug und in wel- Seit dem Jahr 2011 werden im Rahmen des Projektes die bedeutendsten cher Weise? Was wurde wann ins Deutsche übersetzt? Welche Zeitschriften deutschsprachigen Vertreter der fächerübergreifenden Zeitschriften biblio- widmen sich insbesondere der Katholischen Aufklärung? graphisch und inhaltlich erschlossen sowie in digitalisierter Form verfügbar Wie ändern sich die Themenschwerpunkte einzelner Zeit- gemacht. So wird in den drei Arbeitsstellen (Göttingen, Leipzig und München) schriften in einem bestimmten Zeitraum? Ansprechpartner bis zum Jahr 2025 ein Quellenfundus aus insgesamt 323 Zeitschriften entste- Mit Hilfe von Facetten, statistischen Auswertungen, Visua- Prof. Dr. Thomas Kaufmann hen. lisierungen, interaktiven Histogrammen etc. werden dem Dr. Christian Fieseler Das Vorhaben knüpft mit seinem Anliegen, die Entstehung und Strukturen der Nutzer komfortable Recherchemöglichkeiten an die Hand http://www.gelehrte-journale.de 'aufgeklärten Wissensgesellschaft' sichtbar zu machen, an Vorgängerprojekte gegeben, die im Zeitalter der Digital Humanities eine Viel- wie den "Index deutschsprachiger Zeitschriften" und den "Systematischen zahl interessanter Antworten auf eine über 200 Jahre alte Index zu deutschsprachigen Rezensionszeitschriften des 18. Jahrhunderts" an Frage bieten: "Was ist Aufklärung?". 16 Gelehrte Journale und Zeitungen als Netzwerke des Wissens im Zeitalter der Aufklärung Gelehrte Journale und Zeitungen als Netzwerke des Wissens im Zeitalter der Aufklärung 17
Germania Sacra 1917 begannen Wissenschaftler, das verfügbare Quellenmaterial zur Geschichte der Bistümer, Klöster und Stifte des Reiches aufzubereiten. Paul Fridolin Kehr (1860-1944) begründete in jenem Jahr am Kaiser-Wilhelm-Institut für deutsche Als sich Johannes Schadland nach seiner Wahl zum Bischof von Geschichte in Berlin das Projekt Germania Sacra. Er beabsichtigte damit, die Hildesheim 1363 nach der Bibliothek seiner Amtsvorgänger erkundigte, Großprojekte der Kirchengeschichte (Germania Pontificia, Repertorium Ger- zeigten ihm seine Berater Waffen, Schilde und Panzer. manicum), die er am Preußischen Historischen Institut in Rom und am Vati- kanischen Archiv etabliert hatte, mit der Landesgeschichte zu verbinden. Von Der Bischof, der eine Sammlung theologischer und juristischer Schriften 1956 bis 2007 war das Göttinger Max-Planck-Institut für Geschichte für das erwartet hatte, erhielt auf seine verwunderte Frage zur Antwort, dass dies Unternehmen verantwortlich. 2008 hat die Akademie der Wissenschaften zu die Bücher seiner Amtsvorgänger gewesen seien. Die Anekdote zeigt, dass Göttingen das Langzeitprojekt übernommen. Bischöfe im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit nicht nur Geistliche waren, sondern auch weltliche Landesherren, die ihre Interessen gegebenenfalls mit Waffen verteidigten. Bischöfe und Domkapitulare, Mönche und Nonnen des Mittelalters und der Frühen Neuzeit sind die Protagonisten der Kirchengeschichte des Alten Reiches. Die Geschichte dieser Personen und ihrer Institutionen aus unver- öffentlichtem Archivmaterial zu heben und darzustellen, ist die Aufgabe des wissenschaftlichen Monumentalwerkes Germania Sacra. Es erschließt die Quellen der Kirche des Alten Reiches, die einst das Rückgrat der geistlichen wie der weltlich-politischen Ordnung bildete. Es schafft die Grundlage für künftige Forschungen zur Verfassungs- und Kirchengeschichte, zur Reichs- und Landesgeschichte, zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, zur Bildungs- geschichte, zur Historischen Geographie, zur Verwaltungsgeschichte und zur Siedlungsgeschichte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts. In der Dritten Folge der Germania Sacra sind seit 2008 14 Bände erschienen. Das Handbuch ist zum unerlässlichen Nachschlagewerk für alle geworden, die über die Vormoderne forschen. Die Germania Sacra an der Akademie der Wissen- schaften zu Göttingen konzentriert sich inhaltlich auf die Diözesen und Domstifte des Alten Reiches. Die Hand- bücher werden hauptsächlich von rund 50 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verfasst, von Experten aus Ansprechpartner staatlichen und kirchlichen Archiven und Universitäten. Die Prof. Dr. Hedwig Röckelein Autorinnen und Autoren werden von der Arbeitsstelle der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen inhaltlich und http://www.germania-sacra.de redaktionell unterstützt. Die Bände sind online abrufbar und durch Datenbanken zum geistlichen Personal und zu Klös- tern und Stiften im Alten Reich erschlossen. 18 Germania Sacra Germania Sacra 19
Goethe-Wörterbuch Johann Wolfgang von Goethe behauptete, er habe bei all seinen Versuchen und Bestrebungen nur ein einziges Talent der Meisterschaft nahe gebracht: "deutsch zu schreiben". Das "Goethe-Wörterbuch" ist wohl die größte Bestätigung für diese Meister- schaft. Seit 1946 werden in dem gleichnamigen Forschungsprojekt, das die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, die Heidelberger Akademie der Wissenschaften und die Akademie der Wissenschaften zu Göttingen gemeinsam betreuen, alle von ihm Wie jeder Autorwortschatz hat auch derjenige Goethes verwendeten Wörter erfasst und beschrie- eine unverwechselbare eigene Physiognomie. ben. Es ist ein echtes Grundlagenwerk Auffällig sind zunächst eine große Anzahl von autorenspezifischen Ad-hoc- aus alphabetisch geordneten Artikeln, Wortbildungen: So machen nur einmal oder selten belegte Wörter rund zwei deren Hauptbestandteile die sorgfäl- Drittel der Artikel aus. Dabei findet sich viel Sprachspielerisches, auch Hoch- tige Bedeutungsauffächerung und die poetisches – Bildungen wie Brandschandemalgeburt oder Fettbauch-Krumm- reiche Belegdokumentation darstel- bein-Schelm. Viele Wörter stammen aus der Menge der diversen Fach- und len. Das Goethe-Wörterbuch kann Sachgebiete, für die sich Goethe neben der darüber hinaus auch als Referenz- Literatur interessierte: von Anatomie und werk für die Sprachepoche Goethes Botanik über Geologie, Malerei und überhaupt angesehen werden. Münzkunde sowie Ökonomie und Indem es die Begriffe und Ideen, Theater bis Zoologie. die Gefühlswelt und die historisch- So erfährt der Leser beispiels- gesellschaftlichen Umstände weise im Artikel Chirurg erschließt, eröffnet es Zugänge zugleich auch etwas über die zur Kulturgeschichte um 1800. Entwicklung der Medizinge- Das Wörterbuch dient damit litera- schichte zur Goethezeit, wäh- turwissenschaftlichen, sprachwis- rend Wörter wie Drahtseil oder senschaftlichen und allgemein Kehrrad aus von Goethe mitver- kulturwissenschaftlichen Interes- antworteten amtlichen Berich- sen. Zugleich ist das Nachschla- ten über die Arbeit der Weimarer gewerk eine Fundgrube für jeden Bergwerkskommission stammen Goethe-Freund. Goethes schriftliche und sich auf entsprechende Gerät- (und mündliche) Hinterlassenschaft schaften im Bergbau beziehen. Ebenso liegt so gut wie vollständig in hoher vielgestaltig wie die Sachbereiche sind auch wissenschaftlicher Qualität ediert die von Goethe behandelten vor. Im Vergleich zu bisher bilan- Textsorten, die alle zur ungeheuren Sprachfülle beitragen: neben den eigentlich literarischen Textsorten (und Goethe Ansprechpartner zierten Wortschätzen anderer Auto- ren ist Goethes Wortschatz mit über 90.000 Wörtern außergewöhnlich groß; schrieb in fast allen zeitgenössischen literarischen Genres!) Prof. Dr. Jochen A. Bär für Luthers deutsche Schriften sind 23.000 Wörter gezählt worden, für Storm auch Essays, Rezensionen, Reden, Erlasse, Aktennotizen, Dr. Christiane Schlaps (ohne die Briefe) 22.400, für Ibsen 27.000, für Shakespeare 29.000, für Milton terminologische Nomenklaturen usw. Insgesamt illustriert gwb.adw-goe.de 12.500, für Puschkin 21.200 und für Cervantes 12.400. Dabei stammen rund 40 das Goethe-Wörterbuch als umfassendes Kompendium zum Prozent der drei Millionen für das Archiv des Goethe-Wörterbuches exzerpier- Goetheschen Kosmos eine ansonsten im Deutschen uner- ten Wortbelege aus seinem literarischen Werk, der andere Teil aus den Briefen, reicht gebliebene Sprachkompetenz. Tagebüchern, naturwissenschaftlichen und amtlichen Schriften. 20 Goethe-Wörterbuch Goethe-Wörterbuch 21
Johann Friedrich Blumenbach – Online Eine Besonderheit der Edition stellt die Verlinkung von Blumenbachs Texten mit den von ihm gesammelten naturhistorischen Objekten dar. Denn Blumenbachs Forschung basiert wesentlich auf der genauen Untersu- In einer Fußnote zur vierten Auflage seines "Handbuchs der Naturgeschichte" chung der Objekte, nicht mehr wie bis dahin nur auf den Schriften anderer merkt Johann Friedrich Blumenbach (1752–1840) an, dass die Entstehung Naturforscher. Konsequenterweise sammelte Blumenbach deshalb mit gro- der Arten, ja überhaupt des Lebens, auf natürliche Gesetzmäßigkeiten ßem Aufwand Objekte von allen Kontinenten. Blumenbachs Werk ist daher zurückgeführt werden kann. auch eine Quelle für die Geschichte der Entdeckungen und des Kolonialismus. Blumenbach war nicht der erste, der sol- So erhielt er beispielsweise eines der ersten Exemplare des in Australien ent- che Gedanken formuliert hat. Aber er war deckten Schnabeltiers. Er beschrieb es und gab ihm seine wissenschaftliche einer der einflussreichsten Naturforscher Bezeichnung. Im Rahmen der Forschungsarbeiten werden Blumenbachs in der Zeit zwischen Linné und Darwin. Sammlungen digitalisiert sowie fachwissenschaftlich und wissenschaftshisto- Von ihm haben Goethe und die Brüder risch erschlossen und mit seinen Schriften verknüpft. Erst durch die Verknüp- Humboldt gelernt, wie die Natur zu erfor- fung von Texten und Objekten wird deutlich, welche Objekte Blumenbach zu schen ist, von ihm haben die Gegner der welchem Zeitpunkt kannte, wann er sie wissenschaftlich bearbeitete, was er für Sklaverei die Argumente übernommen, auffällig hielt und was er vernachlässigt hat. dass die Menschen in der Vielfalt ihrer Erscheinungen eine Familie bilden, alle miteinander verwandt, alle auch physisch gleich seien. Blumenbach hat das Denken über die Natur für ein ganzes Jahrhundert geprägt. Blumenbachs Schriften und seine natur- kundliche Sammlung sind ein einmaliges Zeugnis für das Denken über die Natur vor Darwin und zugleich ein Zeugnis der europäischen Dimension der damaligen Während Blumenbachs Forschungsergebnisse inzwischen zum Allgemein- Gelehrtenrepublik im kolonialen Zeitalter. wissen gehören, wird sein Name in öffentlichen Debatten um sogenannte Menschenrassen immer wieder genannt. Tatsächlich hat sich Blumenbach Bisher standen diese Quellen den Wissen- seit seiner Doktorarbeit mit der Variationsbreite innerhalb der Spezies Mensch schaftlern nicht ohne gehörigen Recher- beschäftigt. Dabei kam er zu dem Ergebnis, dass es zwischen den menschli- cheaufwand zur Verfügung. Anfang 2010 chen Varietäten unendlich viele Übergänge gibt. Die Unterschiede im Phäno- haben die Mitarbeiter des Forschungsvor- typ des Menschen erklärt Blumenbach durch den Einfluss der Umwelt (Klima, habens "Johann Friedrich Blumenbach Ernährung etc.). Die Vielfalt des Phänotyps lässt keine Rückschlüsse auf phy- – Online" der Göttinger Akademie damit siologische oder morphologische und anatomische Unterschiede zwischen begonnen, so ziemlich alles Wissens- den Menschen zu. Blumenbachs Schriften wurden daher von den Abolitionis- werte über Blumenbach zusammenzutra- ten, den Gegnern der Sklaverei, vielfach zitiert. Alexander von gen und für das Internet aufzubereiten. Humboldt trat in die Fußstapfen seines Lehrers Blumenbach, So entsteht eine Neuausgabe von Blu- zog allerdings offen gegen die Ungleichbehandlung von Men- Ansprechpartner menbachs Originaltexten, inklusive der Folgeauflagen, in die Blumenbach schen zu Felde, während Blumenbach stets ein Mann der das jeweils neueste Wissen eingearbeitet hat, nebst der zahlreichen Überset- leisen Töne war. Inzwischen ist das Projekt auch zur Anlauf- Prof. Dr. Gerhard Lauer zungen in viele der europäischen Sprachen. Darüber hinaus dokumentiert die stelle internationaler Forscher geworden, die sich mit dem Prof. Dr. Wolfram Horstmann Ausgabe Blumenbachs Korrespondenz und erschließt die zeitgenössische wie Thema Rassismus beschäftigen. http://www.blumenbach-online.de die spätere Rezeption seiner Arbeit. 22 Johann Friedrich Blumenbach – Online Johann Friedrich Blumenbach – Online 23
Karl-Jaspers-Gesamtausgabe (KJG) Von der Psychiatrie über die Philosophie zur Politik. Der in Oldenburg geborene Philosoph, Psychiater und politische Schriftstel- ler Karl Jaspers (1883-1969) hat gemessen an seiner breiten internationalen Rezeption in der akademischen Philosophie Deutschlands erstaunlich wenig Resonanz gefunden. Zwar war in der Nachkriegszeit bis zu seinem Tod das Inte- resse an Jaspers’ politischen und zeitkritischen Schriften öffentlich wirksam, doch das philosophische Forschungsinteresse blieb weltweit auf einige wenige Wissenschaftler beschränkt. Erst durch internationale Kongresse, beginnend 1983 anlässlich seines 100. Geburtstages in Basel, Heidelberg, Oldenburg und beim Weltkongress in Montreal, und den seit 2000 zweijährlich stattfindenden internationalen Karl Jaspers-Symposien im elsässischen Schloss Klingenthal der Johann-Wolfgang-von-Goethe-Stiftung Basel, hat sich diese Situation in der Zwischenzeit deutlich gewandelt, und eine junge Forschergeneration hat Während Heidelberg und Basel die beiden Wirkungsstätten seines Schaffens ihr Interesse für Jaspers neu entdeckt. waren, konnte sich Jaspers’ Geburtsstadt Oldenburg anlässlich der umfangrei- chen Feierlichkeiten zum 125sten Geburtstag von Jaspers einen Namen machen, Ausschlaggebend ist hierfür nicht nur die steigende Aktualität der Schriften als im Rahmen des "Jaspers-Jahres 2008" etwa 100 Jaspersforscher*innen aus von Jaspers, der unlängst in einer Rezension der KJG zum "Philosophen der aller Welt für Vorträge und Workshops zu Gast waren. Dieses Engagement Stunde" ausgerufen wurde, sondern auch die enorme Spannweite seines Den- mündete ein Jahr später in den Erwerb von Jaspers’ Privatbibliothek aus dem kens, die Texte zur Psychiatrie, Psychologie, Existenzphilosophie, Metaphysik, Besitz seines letzten persönlichen Assistenten Hans Saner sowie in die eigens Geschichtsphilosophie, Philosophiegeschichte und Politik umfasst und sich der Aufstellung der Bibliothek gewidmete Einrichtung eines Oldenburger Karl neben den Druckschriften auch in dem überaus umfangreichen Nachlassma- Jaspers-Hauses. terial und zahlreichen Briefwechseln zeigt. Mit der Privatbibliothek von Karl Jaspers verfügt dieses Haus über eine reich- Um dieses breite Spektrum abzubilden, seinen Zusammenhang offen zu haltige Recherchequelle für die Klärung werkgeschichtlicher Forschungsfragen. legen und angemessen würdigen zu können, wurde auf Anregung und unter Mitarbeit der Karl Jaspers-Stiftung Basel ein Antrag für eine kommentierte Da Jaspers, wie Hans Saner berichtete, "mit dem Bleistift gelesen" hat, kön- Gesamtedition der Werke sowie des Nachlasses und der Briefwechsel in Aus- nen über die Sichtung und Systematisierung der angestrichenen Textstellen wahl erarbeitet, der im November 2011 mit einer Laufzeit von 18 Jahren bewil- und unter zusätzlicher Berücksichtigung des im Deutschen Literaturarchiv ligt wurde. Marbach aufbewahrten Nachlasses und Briefwechsels neue Erkenntnisse über Leben und Werk von Karl Jaspers und dessen Denkweg gewonnen werden. Als Die auf 50 Bände angelegte kommentierte Gesamtausgabe verfolgt das Ziel, erstes Teilprojekt wurde in Oldenburg der Band "Schriften zur Universitäts- eine verbindliche, nach einheitlichen Kriterien aufgebaute Edition des Wer- idee" erstellt und kommentiert, der die drei Fassungen der Idee der Universität kes von Karl Jaspers zu erarbeiten, die alle relevanten Texte in ihrem Kontext aus den Jahren 1923, 1946 und 1961 sowie dreizehn Vorträge, erschließt, einleitend erklärt, ausführlich kommentiert und dadurch als syste- Aufsätze und Interviews umfasst. Der Band wurde Anfang matisch vernetztes Ganzes verfügbar macht. des Jahres 2016 publiziert. Derzeit wird in Oldenburg das Ansprechpartner Diese Gesamtausgabe (KJG) wird die von Jaspers selbst veröffentlichten Schrif- 1919 erschienene Frühwerk "Psychologie der Weltanschau- Prof. Dr. Reinhard Schulz ten sowie eine prägnante, thematisch breit angelegte Auswahl der noch nicht ungen" bearbeitet, das werkgeschichtlich den Übergang von Dr. Oliver Immel oder nur teilweise edierten Nachlasstexte und der Korrespondenz enthalten. der verstehenden Psychologie zur Existenzphilosophie mar- https://adw-goe.de/forschung/ kiert. Seit April 2012 betreut die Heidelberger Akademie der Wissenschaften das forschungsprojekte-akademien Projekt an den Standorten Heidelberg und Oldenburg, seit Januar 2015 in programm/jaspers-edition/ Kooperation mit der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. 24 Karl-Jaspers-Gesamtausgabe (KJG) Karl-Jaspers-Gesamtausgabe (KJG) 25
Katalogisierung der Orientalischen Über zehntausend Texte sind noch unka- talogisiert, unter anderem auch deshalb, Handschriften in Deutschland weil es für bestimmte verhältnismäßig große Sprachgruppen (zum Beispiel osmanische Texte) keine hauptamtlichen Bearbeiter gibt. Um der immensen Zahl In deutschen Bibliotheken, Museen, Akademien und Archiven lagern der nichterfassten Handschriften zumin- Handschriften, die viel über Geschichte und Gegenwart des Orients dest halbwegs gerecht zu werden, gehen verraten können. die Wissenschaftler seit 2016 dazu über, Doch wie können Forscher diese finden? Bis heute ist ein Großteil der Manu- durchschnittlich wirkende Handschriften skripte nicht einmal in einem Verzeichnis erfasst, oft weiß selbst die Biblio- eher knapp in Datenbanken zu erfassen thek nicht, welche Schätze sie möglicherweise beherbergt. Die Zahl der in und nur noch kodikologisch oder inhalt- Deutschland auf diese Weise begrabenen Handschriften allein in arabischer, lich herausragende Stücke in gedruckten persischer und türkischer Sprache geht in die Tausende. Wissenschaftler haben Bänden zu bearbeiten. Bis zum Abschluss also nach wie vor nur begrenzt die Möglichkeit, sich einen Überblick über das des Projektes im Jahre 2022 werden so vorhandene Quellenmaterial zu verschaffen. Für die Orientalistik bergen diese wenigstens für die meisten großen Sprach- unbekannten Schriften einen Unsicherheitsfaktor, der Forschungsergebnisse gruppen die handschriftlichen Schätze in von einem Tag auf den anderen hinfällig werden lassen kann. Allerdings sind Deutschland katalogisiert sein. Experten seit einem halben Jahrhundert dabei, die Bestände schrittweise der Diese geistes- und kulturgeschichtlichen wissenschaftlichen Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Primärquellen sind vor allem für Historiker Im Jahr 1957 beschloss die Deutsche For- und Religionswissenschaftler, aber auch schungsgemeinschaft (DFG), die noch für Forscher aus anderen Fächern wie nicht erfassten orientalischen Handschrif- zum Beispiel Geschichte der Geographie, ten zu ermitteln und zu katalogisieren; das Technik, Medizin und Naturwissenschaf- Unternehmen bekam den Namen "Katalo- ten von Interesse. gisierung der Orientalischen Handschrif- Darüber hinaus dient die so ans Licht ten in Deutschland". Bis 1989 wurde das gebrachte Vergangenheit auch als Grund- Projekt durch die DFG finanziert, danach lage für Antworten auf Gegenwartsfra- wurde es in das Akademienprogramm gen. Für das Verständnis des Rechts in überführt, die Verantwortung hat seitdem den modernen islamischen Staaten zum die Akademie der Wissenschaften zu Beispiel – Stichworte: Eherecht, "Heiliger Göttingen. Inzwischen hat das Unter- Krieg", Abfall vom Glauben – ist die Islamwissenschaft auf nehmen durch die Ausführlichkeit und die Kenntnis des klassischen islamischen Rechts angewiesen. Qualität der Beschreibungen und die Abgesehen von solchen aktuellen Bezügen ist die Arbeit mit kontinuierliche Arbeit über Fächergren- den alten Manuskripten lebendiger, als man zunächst meinen zen hinweg weltweit Maßstäbe für die möchte. Im Unterschied zu gedruckten Editionen weisen die Katalogisierung gesetzt. Handschriften oft Manipulationen am Text, Abweichungen, Ansprechpartner Bis heute sind von den Mitarbeitern der Zusätze und Leser- sowie Besitzvermerke auf und machen Arbeitsstellen in Göttingen, Berlin, Bonn, den kulturellen und sozialen Hintergrund des Mediums Prof. Dr. Tilman Seidensticker Hamburg, Jena, Köln und Marburg 168 Handschrift sichtbar. http://adw-goe.de/forschung/ Katalogbände von Handschriften in 33 forschungsprojekte-akademien Sprachgruppen (und 52 Supplement- programm/kohd/ Bänden, die ergänzende Studien meist zu einzelnen Handschriften enthalten) erstellt worden. 26 Katalogisierung der Orientalischen Handschriften in Deutschland Katalogisierung der Orientalischen Handschriften in Deutschland 27
Sie können auch lesen