Künstliche Intelligenz in ERP-Systemen - Chancen, Trends und Risiken

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Künstliche Intelligenz in ERP-Systemen - Chancen, Trends und Risiken
Künstliche Intelligenz
                     in ERP-Systemen
                     Chancen, Trends und Risiken

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Künstliche Intelligenz in ERP-Systemen - Chancen, Trends und Risiken
Künstliche Intelligenz in ERP-Systemen - Chancen, Trends und Risiken
Künstliche Intelligenz in ERP-Systemen
Chancen, Trends und Risiken
Über Einsatz und Perspektiven intelligenter Funktionen
in ERP-Systemen

Autorinnen und Autoren
Dr. Kilian Nickel | Fraunhofer IAIS
Dr. Felix Hasenbeck | Fraunhofer IAIS
Ulrike Daniels | KI.NRW
Dr. Michael Andrä | Fraunhofer IAIS
Dr. Barbara Gold | Fraunhofer IAIS
Hanna Kolkmann | Fraunhofer IAIS

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Künstliche Intelligenz in ERP-Systemen - Chancen, Trends und Risiken
Künstliche Intelligenz in ERP-Systemen - Chancen, Trends und Risiken
Inhalt
1 Executive Summary..................................................................................................................7

2 Einleitung................................................................................................................................8
  2.1 Bedeutung von ERP-Systemen..........................................................................................8
  2.2 Künstliche Intelligenz im ERP-Kontext...............................................................................8
  2.3 Motivation der Studie und Leitfragen...............................................................................9

3 Aufbau und Vorgehensweise der Studie.................................................................................10

4 KI in ERP-Systemen: Analyse..................................................................................................10
  4.1 Aktuelle Use Cases.........................................................................................................10
  4.2 Verbreitung von KI in ERP-Systemen...............................................................................13
  4.3 Grenzen von KI in ERP-Systemen....................................................................................14
		      4.3.1 Voraussetzungen für den KI-Einsatz in ERP-Systemen...........................................14
		      4.3.2 Hindernisse für den KI-Einsatz in ERP-Systemen....................................................15
		      4.3.3 Gegenmaßnahmen..............................................................................................15
  4.4 Chancen, Trends und Risiken..........................................................................................16

5 Erhebung...............................................................................................................................18
  5.1 Durchführung der Befragung.........................................................................................18
  5.2 Rücklaufquote...............................................................................................................18
  5.3 Profil der Stichprobe......................................................................................................18
  5.4 Auswertung...................................................................................................................19
		     5.4.1 Genutzte ERP-Systeme.........................................................................................19
		     5.4.2 Einsatz von intelligenten Funktionen....................................................................20
		     5.4.3 Chancen und Risiken...........................................................................................20
		     5.4.4 Unternehmenswünsche für KI in ERP-Systemen....................................................22

6 Diskussion.............................................................................................................................24

7 Fazit und Handlungsempfehlung...........................................................................................26

8 Literatur.................................................................................................................................28
Künstliche Intelligenz in ERP-Systemen - Chancen, Trends und Risiken
Künstliche Intelligenz in ERP-Systemen - Chancen, Trends und Risiken
1 Executive Summary
Künstliche Intelligenz (KI) bezeichnet intelligente     desto eher kann eine passende KI vom Hersteller
Algorithmen, die menschliche Denkmuster nach-           vortrainiert und mit dem ERP-System ausgeliefert
empfinden und lernfähig sind. Sie werden in zu-         werden. Je spezieller der Use Case, desto mehr Auf-
nehmendem Maße von ERP-Anbietern in die                 wand fällt für Training und Datenaufbereitung im
Funktionen ihrer Systeme integriert bzw. als            Unternehmen an, wozu technische Expertise be-
kompatible Module bereitgestellt. Diese Studie          nötigt wird. Ein wichtiger Faktor ist die Verfügbarkeit,
untersucht, in welcher Weise Unternehmen von            Qualität und Quantität der benötigten Daten – eine
Künstlicher Intelligenz innerhalb von ERP-Systemen      KI arbeitet nur so gut, wie die Daten, mit denen sie
profitieren können.                                     trainiert worden ist.

KI kann die Arbeit mit ERP-Systemen auf ver-            Diese Studie beinhaltet eine Erhebung über
schiedene Weise unterstützen, z. B. durch kontext-      74 Unternehmen, die zum Großteil der Industrie
abhängige Visualisierung von Daten und Kennzahlen,      und dem Handel angehören – Branchen, die auch in
Sprachsteuerung, Chatbots, Prognosen und pro-           der Wirtschaft Nordrhein-Westfalens stark vertreten
aktive Optimierungsvorschläge für Unternehmens-         sind. Die Erhebung ergibt, dass die Automatisierung
prozesse (Lagerbewegungen, Produktionsplanung,          von Routineabläufen und die damit einhergehende
Marketingkampagnen, Kundenansprachen etc.).             Arbeitsentlastung als größte Chance von KI-
Durch ihre Lernfähigkeit verbessern sich die            Funktionen in ERP-Systemen gesehen wird. Weitere
Algorithmen kontinuierlich selbst. Studien sehen im     Chancen bestehen in der verbesserten Datenquali-
KI-Einsatz in Unternehmen ein großes wirtschaft-        tät und der Vermeidung von Fehlern sowie der
liches Potenzial und teilweise sogar einen wett-        Effizienz- und Performance-Steigerung. Als größte
bewerbsentscheidenden Vorteil. In der Politik ist       Risiken werden falsches Vertrauen in die Technik
die KI-Förderung in den letzten Jahren Bestandteil      und Kontrollverlust genannt. Bezüglich der An-
nationaler und länderspezifischer Digitalstrategien     forderungen, die Unternehmen an ihre ERP-Systeme
geworden. Das Land Nordrhein-­Westfalen, welches        stellen, steht an oberster Stelle die Sprachsteuerung,
bundesweit die höchste Anzahl an Unternehmen            gefolgt von voraussagenden ­Analysefunktionen,
beheimatet, will seine Spitzenposition als eine der     u. a. zur Vermeidung von Maschinenwartungen.
stärksten KI-Regionen Europas unterstreichen.1          Letztlich bestimmt das Zusammenspiel zwischen
                                                        Mensch und Technik den Erfolg einer KI-Nutzung.
Obwohl das Angebot an KI-Funktionen durch die           In dieser Hinsicht ist eine frühzeitige Einbindung
ERP-Anbieter zunimmt, ist deren Verbreitung in          der Anwender*innen sowie ausreichende Zeit für
deutschen Unternehmen eher gering, denn nur etwa        Schulungen und Einarbeitung entscheidend.
die Hälfte setzt sie ein. Für einen erfolgreichen und
rentablen KI-Einsatz müssen die richtigen Voraus-       Diese Studie soll Anlass dazu geben, den Austausch
setzungen gegeben sein. An erster Stelle steht ein      zwischen Beratungseinrichtungen und Unternehmen
konkreter Use Case, der durch geschäftliche Bedarfe     zu vertiefen, um die individuellen Potenziale von KI in
motiviert ist. Je eher der Use Case eine allgemeine     ERP-Systemen zu identifizieren und umzusetzen.
Funktion mit überschaubarem Kontext betrifft,

1   Landesportal NRW, 2019, Pressemitteilung.

                                                                  Künstliche Intelligenz in ERP-Systemen      7
2 Einleitung

2.1     Bedeutung von ERP-Systemen                        Allgemein werden die Begriffe starke und schwache
                                                          KI unterschieden. Schwache KI wird für begrenzte
                                                          Problemstellungen entwickelt. Sie optimiert sich
Enterprise-Resource-Planning- (ERP-) Systeme              selbst im Rahmen der Methoden, die ihr mitgegeben
unterstützen unternehmensweite Geschäfts-                 wurden. Der konkrete Lösungsweg muss dabei
prozesse und die Planung der zugrundeliegenden            nicht vorgegeben werden. Alle heute existierenden
Ressourcen (Personal, Zeit, Maschinen, Lager etc.).       Systeme fallen unter diese Kategorie.
Sie erfassen und verknüpfen unternehmensweite
Daten und e­ rlauben eine gezielte Auswertung und         Typische Anwendungsfelder schwacher KI sind
Steuerung. ERP-Systeme sind damit zu Recht die            Mustererkennung (in Bildern, Texten, Z­ eitreihen,
Herzstücke einer modernen Unternehmens-IT.                Sensordaten etc.), der Umgang mit natürlicher
                                                          Sprache (z. B. Sprachsteuerung, Übersetzungen,
Da ERP-Systeme grundsätzlich die Automatisierung          Assistenten) und das Erstellen von Prognosen (z. B.
von Geschäftsprozessen vorantreiben, enthalten            Preisbewegungen, Produktionszeiten, Maschinen­
sie seit jeher intelligente Funktionen, z. B. zur         ausfälle). In den letzten Jahren ­bekam die
Optimierung des Ressourceneinsatzes. Ab wann              ­KI-Forschung enormen Antrieb durch den Einsatz von
kann man also von »Künstlicher Intelligenz« (KI) in        Schlüsseltechnologien im Bereich des maschinellen
ERP-Systemen sprechen?                                     Lernens, insbesondere des Deep Learning2 ­und der
                                                          stetig steigenden Rechenkapazität.

2.2     Künstliche Intelligenz im                         In dieser Studie geht es speziell um KI-Funktionen,
        ERP-Kontext                                       die integrierter Bestandteil eines ERP-Systems sind
                                                          oder an bestehende Systeme kompatibel angedockt
                                                          werden können.
Allgemein versteht man unter KI ein Teilgebiet der
Informatik, das darauf abzielt, bestimmte intelli­         Der dadurch erzielte Effekt ist einerseits, dass
gente Entscheidungsmuster des Menschen durch               ­Aufgaben in einem Unternehmen, die mittels
Algorithmen zu imitieren.                                   ERP-System erledigt werden, genauer, schneller,
                                                            günstiger, effektiver oder mit weniger manueller
Wir sprechen von KI, wenn zwei Kriterien er-                Tätigkeit erledigt werden können. Die Veränder­
füllt sind: (1) Die KI ist in der Lage, Aussagen            ungen gehen aber tiefer:3 Laut IDC werden neue
zu ­bisher unbekannten Datensätzen zu treffen,            Generationen von ERP-Systemen (»i-ERP«) zu
daraus zu lernen und sich selbst zu verbessern;           ­proaktiven Assistenten, mit denen zunehmend in
­(2) die KI besitzt die Fähigkeit mit probabilistischen    natürlicher Sprache bzw. dialogorientiert ­gearbeitet
 Informationen umzugehen und daraus resultierende          wird. Sie bieten neben einer Breite an Automati­
 Ergebnisse nach dem Grad ihrer Gewissheit zu              sierung auch die Möglichkeit, Prozesse selber neu zu
 beurteilen.                                               definieren. Außerdem eröffnen sie individualisierte
                                                           und kontextabhängige Einblicke in ihre Daten.

                                                          2   Fraunhofer-Gesellschaft, Maschinelles Lernen, 2018.
                                                          3   IDC, 2016, Whitepaper i-ERP.

8     Künstliche Intelligenz in ERP-Systemen
Je intelligenter und umfassender eine KI agiert,         KI-Investitionen im internationalen Vergleich den
desto näher kommt sie der Vorstellung einer starken      ­Anschluss verlieren.9
KI: diese wäre in der Lage, neue logische Zusammen-
hänge zu erkennen und ihren Methodensatz aus             Derartige Schätzungen stehen den weltweiten
eigenem Antrieb zu erweitern. Eine solche Super-         rezessiven Auswirkungen der COVID-19-Pandemie
intelligenz würde rasch die intellektuellen Fähig-       gegenüber.10 Allerdings schmälern diese nicht die
keiten jedes Menschen übertreffen.4 Die Forschung        Bedeutung von KI – tatsächlich wirkt die Pandemie
ist mehrheitlich der Ansicht, dass die E­ ntwicklung     flächendeckend eher als Beschleuniger der
einer starken KI möglich ist.                            Digitalisierung.11

Auch bei schwacher KI mit begrenztem Anwen­              Angesichts ihres Potenzials schreitet die KI-Durch-
dungs­feld sind die Aspekte der Kontrolle, Ver-          setzung im ERP-Kontext allerdings nur langsam
antwortung, Nachvollziehbarkeit, Risiko und Ethik        voran.12 Die Prognose ist jedoch eindeutig: Künstliche
von hoher Relevanz. Werden z. B. Entscheidungen          Intelligenz wird zukünftig stark in unternehmerischen
auf Grundlage von Prognosen oder Optimierungs-           Kernprozessen verankert sein und die ERP-Landschaft
vorschlägen einer KI getroffen, sind die möglichen       deutlich verändern.12 In einigen Jahren könnten auto-
Nebeneffekte (z. B. finanzielle, unternehmerische,       nome ERP-Systeme, die komplexe Unternehmens-
personelle etc.) zu berücksichtigen, für welche die      prozesse managen, bereits Standard sein.
schwache KI nicht ausgelegt ist.
                                                         Diese Studie ist dadurch motiviert, zu beleuchten,
                                                         wie Unternehmen besser von KI in ERP-Systemen
2.3       Motivation der Studie und                      profitieren können. Dazu werden folgende Leit-
          Leitfragen                                     fragen untersucht:

                                                         • Wie wird Künstliche Intelligenz aktuell in ERP-
Die Bedeutung von KI ist durch ihr großes wirt­            Systemen genutzt? Welche Entwicklungen sind
schaftliches Potenzial gekennzeichnet. So schätzt          zukünftig zu erwarten?
die Bundes­regierung auf Grundlage unabhängiger
Studien,5,6 dass durch den Einsatz von KI eine zu­       • Welche Faktoren verhindern den Einsatz von KI in
sätzliche Bruttowertschöpfung im produ­zierenden           ERP-Systemen? Wie können bestehende Hinder-
Gewerbe in Deutschland in Höhe von ­31,8 Mrd. €            nisse überwunden werden?
innerhalb des Zeitraums von 2019 bis 2023 e­ rzielt
wird. Dies entspricht etwa einem Drittel des ge­samten   • Welche Chancen, Risiken und Wünsche
prognostizierten Wachstums.7 Unter der ­Annahme            ­verbinden Unternehmen mit dem Einsatz
eines flächendeckenden ­KI-Einsatzes wird für die           von KI in ERP-Systemen?
gesamte deutsche Wirtschaft eine Steigerung des
Bruttoinlandsproduktes um 480 Mrd. € von 2019            Es wird zudem untersucht, inwieweit die Ergebnisse
bis 2025 geschätzt.8 Gleichzeitig wird das Risiko ge-    der Studie auf die in Nordrhein-Westfalen stark ver-
äußert, Deutschland könne aufgrund niedriger             tretenden Branchen übertragbar sind.

4     Bostrom, N., 2014.
5     Chen, N. et al., 2016.                             9    Bitkom, 2020, Digitalstrategie 2025.
6     Purdy, M. et al., 2017.                            10   OECD, 2020.
7     Seifert, I. et al., 2018.                          11   Tagesspiegel Online, 2020.
8     Arthur D. Little, eco e. V., 2019.                 12   Bitkom, 2019, Positionspapier KI und ERP.

                                                                    Künstliche Intelligenz in ERP-Systemen    9
3 Aufbau und Vorgehensweise der Studie
Die Studie analysiert auf Grundlage einer Literatur-               Die Studie umfasst außerdem eine ergänzende
recherche die Ist-Situation hinsichtlich des Einsatzes             empirische Datenerhebung mittels einer Umfrage,
von KI in ERP-Systemen (Kap. 4). Dabei werden                      an der sich 74 deutsche Unternehmen beteiligten
aktuell verfügbare Use Cases vorgestellt (Kap. 4.1)                (Kap. 5). Die erhobenen Informationen werden mit
und die Verbreitung von KI-Funktionen untersucht                   den Erkenntnissen der Literaturrecherche verglichen
(Kap. 4.2). Es werden die Voraussetzungen und                      und diskutiert (Kap. 6). Davon ausgehend werden
Hindernisse für KI-Nutzung aufgezeigt (Kap. 4.3)                   Handlungsempfehlungen für Unternehmen und
und entsprechende Gegenmaßnahmen diskutiert.                       ­Beratungsinstanzen formuliert (Kap. 7).
Schließlich werden Chancen, Trends und Risiken
­erörtert (Kap. 4.4).

4 KI in ERP-Systemen: Analyse
4.1      Aktuelle Use Cases

Allgemein lässt sich eine KI-Anwendung in die                      sehr unterschiedlich ausgeprägt sein kann, ergibt sich
Komponenten Wahrnehmen, Verstehen, Handeln                         ein breites Spektrum möglicher Use Cases. Das macht
und Lernen unterteilen (Abb. 1). Da jede Komponente                KI zum Allzweckwerkzeug.

   1. Wahrnehmen                                2. Verstehen                                 3. Handeln

   ERP-Datenbanken                              Deep Learning                                Anwendung steuern
   Audio (Sprache)                              Machine learning                             Prozesse auslösen
   Video (Foto, Film)                           Statistik/Analyse                            Information darstellen
   Log-Dateien                                  Regelsätze                                   Sprache wiedergeben
   Sensordaten                                  Entscheidungsbäume                           Grafiken zeichnen
   ...                                          ...                                          ...

                                                                       4. Lernen/Trainieren

                                                                       Nutzerfeedback
                                                                       Überwachtes Lernen
                                                                       ...

Abb. 1: Komponenten einer KI (modifizierte Version nach Bitkom, 2017, Positionspapier KI, S. 32).

10      Künstliche Intelligenz in ERP-Systemen
Was eine KI alles tun kann, lässt sich anhand        unstrukturiert
                                                     sprunghaft                                 Augmentation
eines vierteiligen Schemas13 einordnen: Auf der      viele Daten
einen Achse steht die Arbeitskomplexität der zu
                                                                          Effektivität          Innovation
erledigenden Aufgaben, auf der anderen Achse
die Komplexität der Datengrundlage (Abb. 2).
Danach können vier Aufgabenfelder unter-
schieden werden:

Effizienz: Routineaufgaben, die zuverlässig auf                             Effizienz            Expertise
einer überschaubaren Datengrundlage ausgeführt       strukturiert
werden und sich für die Automatisierung eignen.      stabil           Automatisierung
                                                     wenige Daten

Effektivität: Routineaufgaben, die durch um-
                                                                       vorhersehbar                unvorhersehbar
fangreiche Informationen, Abhängigkeiten oder                          regelbasiert                urteilsbasiert
                                                                       Routine                     ad hoc
­Koordination erschwert und durch KI besser
 ­bewältigt werden können.                           Abb. 2: Komplexitätsschema nach Bataller, Harris, 2016.

Expertise: Aufgaben, die in der Regel menschliches
Urteilsvermögen, Erfahrung und Expertise benötigen   Je weiter ein Use Case in der oberen rechten Ecke
und durch KI-Informationen unterstützt werden.       von Abb. 2 angesiedelt ist, desto eher kann er als
                                                     Augmentation, d. h. Unterstützung oder Erweiterung
Innovation: Aufgaben im Bereich des kreativen        der menschlichen Fähigkeiten angesehen werden.
Schaffens bzw. der Ideenbildung, die durch KI-
generierte Optimierungen oder Alternativen unter-
stützt werden.

13   Bataller, Harris, 2016.

                                                               Künstliche Intelligenz in ERP-Systemen          11
Use Case                                     Use Case
     Digitaler Assistent                          Kunden-Self-Service
     Funktion: Analog zu Siri, Alexa etc. er-     Funktion: Self-Service in Form von Chat-
     laubt der SAP CoPilot die Anwendungs­        oder Voicebots zur Problemlösung bzw. Be-
     steuerung in natürlicher Sprache und         arbeitung von Kundenanfragen unter Be-
     liefert kontextsensitive Informationen und   rücksichtigung von ERP-Daten. Enthält
     Aktionsvorschläge.                           Emotions- und Absichtserkennung.
     Anbieter:                                    Anbieter:
     SAP (SAP S/4HANA Cloud)                      Empolis Information Management GmbH
                                                  (Empolis Service Express)
     Kategorie: Effektivität
                                                  Kategorie: Effektivität

     Use Case                                     Use Case
     Sofort-Übersetzung                           Predictive Satisfaction
     Funktion: Die Anwendungsoberfläche von       Funktion: Ein Projektleiter wird vor mög-
     FOSS ERP und angezeigte Textelemente         lichen Problemen gewarnt, ­bevor sich der
     werden automatisch übersetzt.                Kunde selbst meldet. ­Datengrundlage sind
                                                  u. a. Projektstatusberichte, Arbeitsstunden,
     Anbieter:
                                                  Beschwerdeanzahl, Zahlungsverhalten von
     Ordat GmbH
                                                  Kunden.
     Kategorie: Effizienz
                                                  Anbieter:
                                                  GUS Deutschland GmbH (GUS OS)
                                                  Kategorie: Expertise

     Use Case                                     Use Case
     Predictive Maintenance                       Produktionsplanung
     Funktion: Vorzeitige Ermittlung von          Funktion: Situationsabhängige Anpassung
     Wartungsterminen auf Grundlage von           von Artikeldurchlaufzeiten, die der Real-
     Maschinen- und Qualitätsdaten.               situation entspricht und zukünftiges System-
                                                  verhalten berücksichtigt.
     Anbieter:
     PSI FLS Fuzzy Logik & Neuro Systeme GmbH     Anbieter:
                                                  Trovarit AG
     Kategorie: Effizienz
                                                  Kategorie: Effizienz

Abb. 3: Exemplarische Use Cases.14,15

14   Bitkom, 2019, Positionspapier KI und ERP.
15   SAP, 2019.

12      Künstliche Intelligenz in ERP-Systemen
4.2       Verbreitung von KI in                         ist deren Einsatz die zentrale Herausforderung der
          ERP-Systemen                                  nächsten drei Jahre.

                                                        Zum speziellen Thema Verbreitung von KI als Bestand-
In einer 2019 veröffentlichten PwC-Studie gaben
                                         16
                                                        teil von ERP-Systemen gibt es wenige Aussagen in der
von über 500 Entscheidern in deutschen Unter-           Literatur. Gängige ERP-Marktstudien stellen KI häufig
nehmen lediglich vier Prozent an, bereits Künstliche    als Trend fest, gehen jedoch nicht ins Detail.19,20,21
Intelligenz in ihren Unternehmen einzusetzen. Zwei
Prozent waren aktuell dabei, entsprechende Techno-      Das Angebot auf Seiten der ERP-Anbieter wird
logien zu implementieren. In naher Zukunft geplant      ­derzeit als überschaubar und die Zahl der An-
hatten dies immerhin 17 %. Ganze 48 % hielten das        wendungsfälle auf Kundenseite als klein ein-
Thema KI für nicht relevant.                             gestuft.22 Ein Blick auf die Onlinepräsenzen der
                                                        ERP-Anbieter zeigt, dass diese zunehmend auf
Im produzierenden Gewerbe geben 25 % der Groß-          intelligente (­KI-) Anwendungen setzen, die aus der
unternehmen an, KI-Technologien einzusetzen.17 Bei      Cloud bezogen werden können. Große Anbieter
kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) sind es         (»Tier I provider«, SAP, Oracle, Microsoft)21 haben
lediglich 15 %.                                         hier einen Vorteil.

Vor allem für die Datenanalyse innerhalb von Ent­       SAP bietet mit Leonardo23 eine Art App Store für
scheidungsprozessen können sich 70 % der Be-            KI-Anwendungen, die bis dato 57 verfügbare An-
fragten den Einsatz von automatisierten intelligenten   wendungen listet. In den nächsten Jahren sollen
Funktionen vorstellen. Für die Prozessautomati­sie­     weitere Funktionen folgen, die zu einer Auto-
rung bestehender Geschäftsprozesse sehen 63 %           matisierung von 50 % aller manuellen Aufgaben
der Befragten Potenzial. Dabei geht es Unternehmen      im ERP-System bis 2022 führen soll.24 Ein konkretes
vor allem darum, Mitarbeitende zu unterstützen und      Ziel dabei ist die Sprachsteuerung des kompletten
zu entlasten (71 %).16                                  Systems über einen digitalen Assistenten.

Adesso kommt im KI-Report 201918 zu dem Schluss,        Kleinere Anbieter gehen z. B. strategische
dass fast allen befragten Entscheidern das Potenzial    ­Kooperationen mit KI-Unternehmen ein (abas mit
von KI-Anwendungen bewusst ist. Für jeden zweiten        AI4BD, proAlpha mit Empolis Service Express).

                                                        19   Trovarit, 2018
16    PwC, 2019.                                        20   SoftSelect, 2019
17    Seifert, I. et al., 2018.                         21   Panorama Consulting, 2020.
18    Adesso, 2019.                                     22   Bitkom, 2019, Positionspapier KI und ERP.
19    Trovarit, 2018.                                   23   https://innovation-guide.sap.com/.
20    SoftSelect, 2019.                                 24   SAP, 2019.
18    Adesso, 2019

                                                                Künstliche Intelligenz in ERP-Systemen    13
53%
                                                  44%
                                                                             33% 32%

                    15%
              10%                                                                                           9%
                                                                                                      4%

         Das aktuelle ERP ist         Das aktuelle ERP ist            Das ERP wird aktiv        Intelligente Technik
         unflexibel und soll          unflexibel und soll durch       durch intelligente        ist Kernbestandteil
         beibehalten werden           intelligente Technik            Technik erweitert         des aktuellen ERP
                                      erweitert werden

                                                      2019            2020

Abb. 4: Aussagen zur Intelligenz des eigenen ERP-Systems (Accenture 2019, 2020).

Neben den einschlägigen Veröffentlichungen des                   4.3.1 Voraussetzungen für den
Branchenverbandes Bitkom nähern sich vor allem                         KI-Einsatz in ERP-Systemen
die ERP-Trendstudien von Accenture25,26 dem Thema,
welche die Sichtweisen von CIOs im Vereinigten                   Eine KI arbeitet nur so gut, wie die Daten, mit denen
Königreich auf das eigene ERP-System hinsichtlich                sie trainiert worden ist. Dies kann der ERP-An-
KI ­analysieren (Abb. 4). Zuletzt bezeichneten 59 %              bieter nur im begrenzten Umfang leisten.27 Handelt
der Befragten ihr System als unflexibel. Ein geringer            es sich z. B. um Sprach- bzw. Texterkennung oder
Anteil bezeichnet das eigene System als »im Kern                 automatische Übersetzungen, so kann die KI zwar
intelligent«; hier ist eine Steigerung im Vergleich              direkt verwendet werden, aber nicht direkt mit dem
zum Vorjahr zu beobachten.                                       speziellen Vokabular der Domäne umgehen und
                                                                 Kontexte korrekt erschließen. Dazu muss sie weiter-
                                                                 hin angelernt werden. Je nach Einsatzgebiet muss
4.3      Grenzen von KI in                                       ein Mensch das nötige Feedback an die KI geben
         ERP-Systemen                                            (Reinforcement Learning).28 Auch eignen sich nicht
                                                                 sämtliche vorhandene Daten als Trainingsdaten für
                                                                 die KI. Sie müssen aufbereitet und als Trainingsdaten
Angesichts der hohen Bedeutung von KI als Wett-                  qualifiziert werden. Dies benötigt ebenfalls fach-
bewerbsfaktor stellt sich die Frage, warum KI                    kundige Mitarbeitende im Unternehmen.
nicht flächendeckend in ERP-Systemen eingesetzt
und beworben wird. Es soll im Folgenden unter-                   Entscheidend sind neben der Qualität der Daten
sucht werden, welche Faktoren den KI-Einsatz be-                 auch deren Quantität. Im ERP-Kontext sind dies
schleunigen und welche ihn behindern.                            z. B. die Anzahl der Unternehmensprozesse, Auf-
                                                                 träge, Transaktionen etc. Ist die Datenmenge
                                                                 zu klein für das KI-Training, spricht man von der
                                                                 Small-Data-Problematik.

25    Accenture, 2019.                                           27    Bitkom, 2019, Positionspapier KI und ERP.
26    Accenture, 2020.                                           28    Tröger, K., 2020.

14      Künstliche Intelligenz in ERP-Systemen
Schlussendlich muss eine KI-Anwendung auch über-          • Fehlende Wirtschaftlichkeit: Der Aufwand für die
haupt technisch kompatibel mit dem ERP-System               Einführung und den Betrieb ist zu groß im Ver-
und dessen Datenstrukturen sein. In dem Fall,               gleich zum betriebswirtschaftlichen Nutzen. Dies
dass die KI bereits als Bestandteil eines ERP-Pakets        kann auch damit zusammenhängen, dass die
­ausgeliefert wird, ist das Kompatibilitätsproblem          ­betrachteten Use Cases nicht die richtigen sind.
 durch den Hersteller (zumindest für die ERP-internen
 Daten) bereits gelöst. Besitzt ein Unternehmen he­       Hinzu kommen ethische und juristische Aspekte:
 terogene Datenlandschaften oder ein älteres, eher
 unflexibles ERP-System (z. B. als Zweitsystem), so ist   • Vertrauen in die Technik:30 Schlussfolgerungen
 der Einsatz von KI eingeschränkt oder mit hohem            einer KI sind in der Regel nicht nachvollziehbar.
 Aufwand verbunden. Eine Studie des Think Tanks             Ohne Vertrauen in die Aussagen einer KI könnten
 2bAHEAD spitzt die Aussage zu: »Legacy-Systeme             menschliche Entscheider diese ablehnen.
 sind mit Abstand die größte Herausforderung für
 Unternehmen bis 2030.«29                                 • Datenschutz: Die Umsetzung datenschutzrecht-
                                                            licher Anforderungen (z. B. Recht auf Löschung)
Sind die genannten Voraussetzungen gegeben,                 an die KI ist abhängig vom Anwendungsfall und
kann KI »out-of-the-box« zumindest für Standard-            stellt Design-Herausforderungen an die Anbieter.31
aufgaben (z. B. Texterkennung, Sprachsteuerung)             Neben der technischen Umsetzung bedarf es auch
­eingesetzt werden. Abseits des Standards ist häufig        einer organisatorischen Umsetzung im Unter-
 eine gezielte Anpassung und ein Training der               nehmen (z. B. zur Auskunftspflicht).
 Modelle erforderlich.27
                                                          • Haftungsfragen: Der rechtliche Haftungsrahmen
4.3.2 Hindernisse für den KI-Einsatz                        für wirtschaftliche Schäden durch Fehlent-
      in ERP-Systemen                                       scheidung der KI ist bislang nicht geklärt.
                                                            Es fehlt an belastbaren Präzedenzfällen.
Aus den genannten Voraussetzungen lassen sich
folgende Hindernisse für den KI-Einsatz ableiten:         4.3.3 Gegenmaßnahmen

• Small-Data-Problematik: Die Datenmengen sind            Was kann getan werden, um diese Hindernisse ab-
  zu gering für das Training von KI.                      zuschwächen oder zu überwinden?

• Fachkräftemangel: Experten mit spezifischem             Die Small-Data-Problematik wird durch neue Erkennt-
  Domänen- und Branchenwissen bei gleichzeitiger          nisse der KI-Forschung angegangen.32 Andererseits
  informationstechnischer Expertise fehlen.               kann ein Mangel an Daten auch durch das künstliche
                                                          Erzeugen von Trainingsdaten behoben werden.33
• Technische Hindernisse: Inkompatible Daten-
  strukturen, fehlende Schnittstellen oder                Fehlende Fachkräfte, die sowohl IT- als auch
  ­un­geeignete ERP-Systeme erhöhen den                   Branchen­expertise besitzen, können Unternehmen
   ­Aufwand für den KI-Einsatz. Für den Fall, dass        aus dem eigenen Personal entwickeln. Hierzu
    der KI-Einsatz nur durch einen ERP-Wechsel            können spezialisierte Workshops oder Fortbildungen
    zu bewerkstelligen ist, werden die damit zu-          nützlich sein.34,35
    sammenhängenden Hindernisse geerbt.

                                                          30 PwC, 2019.
                                                          31 Schürmann Rosenthal Dreyer, Datenschutzkonforme KI.
                                                          32 Maheswari, J. P., 2018.
                                                          33 Dashwood, J., Intel-Web-Artikel.
                                                          34	z. B. Data Natives (https://dataconomy.com/
                                                              events-overview/).
29   2bAHEAD, 2020.                                       35 Fraunhofer-Gesellschaft, Maschinelles Lernen, 2018.

                                                                  Künstliche Intelligenz in ERP-Systemen       15
Vertrauen in KI ist für Unternehmen entscheidend.30         Qualitätssicherung durch menschliche Prüfer und
Es wird u. a. gestärkt durch Verständnis der An-            Entscheider geboten.41
wendung, Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse und
Kontrolle durch menschliche Entscheider.
                                                            4.4      Chancen, Trends und Risiken
Die Untersuchung, wie vertrauenswürdige KI ­gezielt
entwickelt werden kann, führte zur Aufstellung des
Bonner Katalogs.36 Die dort genannten Handlungs-            Welche Chancen werden in der KI in ERP-Systemen
felder stellen den Menschen in den Mittelpunkt und          gesehen und welche Trends zeichnen sich ab?
befürworten, Anwender*innen von Anfang an in die
­KI-Einführung einzubeziehen.                               Die folgenden KI-Anwendungsfälle innerhalb von
                                                            ERP-Systemen wurden als die wahrscheinlichsten
 Das Thema Vertrauen und KI ist auch in der Politik         ermittelt:42
 angekommen. Die Europäische Kommission ver-
 abschiedete im Juni 2019 die (unverbindlichen)             • Datenanalyse für Entscheidungsprozesse (70 %)
 Ethik-Richtlinien für den Umgang mit KI.37 Es muss         • Automatisierung bestehender
geprüft und kommuniziert werden, ob KI-Anbieter               Geschäftsprozesse (63 %)
diese auch befolgen, z. B. durch Zertifikate.38 An          • Chatbots (47 %)
dieser Stelle könnte gerade der Europäische Daten-          • Sprachverarbeitung (42 %)
schutz dem Vertrauen und der Akzeptanz von
­KI-Lösungen Vorschub leisten.                              Prognosen gehen davon aus, dass KI-Funktionen
                                                            in ERP-Systemen zwar langsamer als gedacht
Auf Unternehmensseite sollte eine geeignete                 kommen, jedoch als Schlüsseltechnologie in den
KI-Compliance und KI-Governance eingeführt                  Unternehmen wettbewerbsentscheidend wirken
werden,39 um Fragen von KI-Management, Daten-               werden.39 Dabei gilt: Je größer das Unternehmen,
schutz und Haftung zu begegnen. Während das                 desto komplexer die Prozesse und höher die Daten-
deutsche Haftungsrechtssystem theoretisch lücken-           menge – und damit desto aussichtsreicher der ver-
los ist,40 so erscheint es in der Praxis doch lückenhaft    stärkte Einsatz von KI in ERP-Systemen.
und bedarf weiterer Klärung. Es ist zu erwarten, dass
mit zunehmenden Präzedenzfällen sich auch hier              Diese Entwicklung hat Auswirkungen auf die An-
Wege und Rechtsrahmen etablieren werden, z. B.              forderungen, die an ein ERP-System gestellt werden.
über spezielle Versicherungen für Hersteller und Be-        Klassische ERP-Systeme sind monolithisch und gelten
treiber von KI.                                             als schwerfällig, d. h. sie sind wenig offen für ­externe
                                                            Erweiterungen und abhängig vom ­gewählten Ent-
Wie hoch das Risiko von Fehlentscheidungen ist,             wicklungspfad des Herstellers.43 Moderne ERP-
hängt wiederum stark vom betrachteten KI-An-                Systeme werden als dezentrale, cloudbasierte Platt-
wendungsfall ab. Je näher die KI im Bereich Ent-            form-Systeme konzipiert.
scheidungsunterstützung agiert, desto eher ist

36   Fraunhofer IAIS, 2019, Whitepaper KI-Zertifizierung.
37   Europäische Kommission, HEG-KI, 2019.
38   Fraunhofer IAIS, MWIDE, 2019.                          41    Bitkom, 2017, Entscheidungsunterstützung mit KI.
39   Bitkom, 2019, Positionspapier KI und ERP.              42    PwC, 2019.
40   Schürmann Rosenthal Dreyer, KI-Haftung, 2019.          43    Bitkom, 2019, Digitale Plattformen und ERP.

16     Künstliche Intelligenz in ERP-Systemen
Das Online-Magazin Scope nennt u. a. folgende                • Bei Partnerschaften auf innovative Cloud-Experten
­Erwartungen an ERP-Systeme und bezieht sich dabei             setzen anstatt auf klassische Dienstleister
 auf die Projektpraxis mit Epicor-Systemen:44
                                                             • Nahtlose User Experience bzw. Customer
• ERP-Plattform-Konzepte für mehr Ent-                         Experience und Personalisierung über alle
  wicklungsoptionen: Cloudbasierte Plattformen                 Kanäle hinweg
  erlauben es Anwender*innen, unterschiedliche
  Funktionsbausteine miteinander zu kombinieren –            • Daten als Asset: ERP-Daten zugänglich machen
  ähnlich wie in App-Stores für Smartphones.                   und zusammenführen

• Flexible, schrittweise Einführung von KI-                  Der letzte Punkt ist konkret durch flexible Schnitt-
  Funktionen: Intelligentes ERP beruht auf der               stellen der einzelnen Datenmodule zu realisieren,
  Fähigkeit des Systems, auf eine Vielzahl neuer             die von anderen (KI-)Anwendungen abgefragt
  Funktionen zugreifen zu können. Eine ­schrittweise         werden können. Die Anschlussstudie von 202046
  Einführung und Erweiterung der Funktions-                  stellt eine Verstärkung bzw. Fortschreitung dieser
  palette sichert Wirtschaftlichkeit und vereinfacht         Trends fest.
  Akzeptanz. Dies ist durch skalierbare Webservices
  zu erreichen.                                              Dem Thema User Experience bzw. Usability kommt
                                                             eine hohe Bedeutung zu, da dieses gleichzeitig ein
• Domain-Expertise für schnelleren Einsatz                   entscheidendes Kriterium bei der Auswahl eines
  intelligenter Systeme: KI-Anwendungen müssen               ­ERP-Systems aus Sicht der Anwender*innen ist.47
  individuell für den Kunden erweitert werden, ins-           Hier besteht eine Chance für ERP-Anbieter, durch
  besondere müssen diese die Semantik der ERP-                Fokussierung auf KI zur Steigerung der Usability ihr
  Daten beigebracht bekommen. Dies e­ rfordert                System gleich doppelt attraktiver zu machen.
  Domain-Expertise des ERP-Anbieters für bestimmte
  Branchenanforderungen oder Funktionsbereiche.              Neben den Vorzügen und Chancen von KI sind
                                                             auch die möglichen Risiken zu betrachten. KI in
•      Schnellere Systemimplementierung:                     ERP-Systemen hat organisatorische Auswirkungen,
     ERP-Systeme müssen innerhalb weniger Monate             was sich in neu zu etablierenden Prozessen und
     ­einsatzbereit sein und zugleich alle Möglichkeiten     ­Aufgabenfeldern auswirkt.48
      in Richtung KI offenhalten. Auch in dieser Hin­sicht
      bietet der Bezug aus der Cloud Vorteile.               Studien belegen zudem,48 dass erste KI-Projekte in
                                                             Unternehmen zu groß und zu komplex ausgerichtet
Accenture formulierte 2019 fünf Trends                       wurden. Dies führe zu einer Unterschätzung
für intelligente ERP-Systeme basierend auf                   des Aufwands, der sich häufig in der Datenauf-
Umfrageergebnissen:45                                        bereitung niederschlug. Eine gründliche Planung
                                                             ist dabei genauso nötig wie geeignetes Change
• Cloud ist als Schlüssel zur Modernisierung zu              Management und der Aufbau von Expertise im
  betrachten                                                 eigenen Team.49

• Der ERP-Kern soll intelligent und erweiterbar sein;
  KI ist nicht als reines Add-On zu betrachten

                                                             46   Accenture, 2020.
                                                             47   Trovarit, 2018.
44    Löhmann, D., Scope Online, 2020.                       48   Bitkom, 2019, Positionspapier KI und ERP.
45    Accenture, 2019.                                       49   Ross, J., 2018.

                                                                     Künstliche Intelligenz in ERP-Systemen     17
5 Erhebung
Im Rahmen dieser Studie wurde eine Datenerhebung              5.2     Rücklaufquote
mittels Umfrage durchgeführt, die die Unternehmens-
sicht auf das Thema KI in ERP-Systemen beleuchtet.
                                                              Insgesamt nutzten 64 Teilnehmer das Online-Formular,
                                                              weitere 10 füllten den Fragebogen von Hand aus. Die
5.1      Durchführung der Befragung                           Umfrage lieferte damit 74 Datenpunkte. Dies ent-
                                                              spricht einer Rücklaufquote von max. 1,9 %.

Die Aufforderung zur Teilnahme an der Umfrage
wurde zusammen mit einem Fragebogen postalisch                5.3     Profil der Stichprobe
an 3875 Unternehmen verschickt, wobei leitende
IT-Positionen bzw. CIOs adressiert wurden. Die Um-
frage wurde auch als Web-Formular über ver-                   Die teilnehmenden Unternehmen vertreten zum
schiedene Kanäle verbreitet. Die Auswertung der               Großteil die Branchen Maschinenbau und Auto-
Umfrage erfolgte anonym und wurde ebenfalls zur               mobilindustrie (22 %) und den Handel (18 %).
Erstellung einer Schwesterstudie mit dem Schwer-              Rund 29 % sind weiteren Industriezweigen (Metall-,
punkt »ERP-Einführung« verwendet.50                           Elektro-, Lebensmittel-, Chemische Industrie) zuzu-
                                                              ordnen (Abb. 5).51

              Maschinenbau, Automobilindustrie                                                            22%
                                             Handel                                             18%
                      Metall und Elektroindustrie                      8%
                               Lebensmittelindustrie                   8%
           Sonstiges verarb. Gewerbe (Industrie)                       8%
       Energie-/ Wasserversorgung, Entsorgung                       7%
                                Chemische Industrie             5%
                   Gesundheits- und Sozialwesen                 5%
                                       Baugewerbe               5%
                       Sonstige Dienstleistungen             4%
                   Finanzen und Versicherungen           3%
              Land- und Forstwirtschaft, Fischerei       3%
             Verkehr, Lagerei, Kfz-Instandhaltung        3%
                Information und Kommunikation          1%

Abb. 5: Branchenverteilung der teilnehmenden Unternehmen. Die Summe der Anteile kann aufgrund von Rundungen von 100 %
abweichen.

                                                              51	Branchenbezeichnung angelehnt an statistische EG-
50    Fraunhofer IAIS, 2020.                                      Systematik (NACE Rev. 2, 2006).

18      Künstliche Intelligenz in ERP-Systemen
Jahresumsatz in Mio.               5.4       Auswertung
 Anzahl
 Beschäftigte     10 - 100          100 - 750        > 750

   50 - 100             -                2             -       5.4.1 Genutzte ERP-Systeme

  100 - 500            9                 9             2       Insgesamt wurden 43 eingesetzte ERP-Systeme
                                                               ­genannt, die sich 29 verschiedenen Herstellern
    > 500              2                 35           15        ­zuordnen lassen (Abb. 7). Den größten Anteil dabei
                                                                 hat SAP (49 %), gefolgt von Microsoft (10 %).
                                                                 Die Gruppe der Sonstigen (22 %) summiert jene
Abb. 6: Anzahl der Unternehmen je nach Beschäftigtenzahl und     Hersteller, die nur einmal genannt wurden.
Jahresumsatz

                                                               Von den SAP-Kunden nutzen mindestens 10 %
Die Größe der Unternehmen, gemessen an Be-                     S/4HANA, 18 % ECC 6.0/5.0, 12 % R/3 und 6 %
schäftigtenzahl und Jahresumsatz, ist in Abb. 6                Business One (53 % machten keine Angabe). Von
­dargestellt. Die Stichprobe enthält zum Groß-                 den Microsoft-Kunden nutzen 80 % Dynamics NAV
 teil Unternehmen mit über 500 Beschäftigten                   und 20 % Dynamics AX. 72 % der Unternehmen
 und Umsätzen zwischen 100 und 750 Mio. € pro                  haben ein ERP-System im Einsatz, 18 % haben zwei.
 Jahr (47 %), weitere 20 % mit Umsätzen über                   In Einzelfällen wurde sogar eine deutlich höhere An-
 750 Mio. €. Weit mehr als ein Drittel (43 %) der              zahl von betriebenen ERP-Systemen genannt. Die
 Unternehmen sind international aufgestellt. Da-               Altersverteilung der ERP-Systeme zeigt Abbildung 8.
 gegen besitzen 17 % nur einen Standort. 46 % ­der
 teilnehmenden Unternehmen besitzen einen oder                 Von den genannten Systemen sind 47 % vor
 mehrere Standorte in NRW.                                     16 Jahren oder früher eingeführt worden. ­Vereinzelt
                                                               sind Legacy-Systeme oder Eigenentwicklungen
                                                               vorzufinden.

                       2%    2%
                              2%
                                         Eigenentwicklungen
                  4%
                                   4%
                                         ABAS
      22%
                                         ASC
                               6%                                                                           26%
                                         Oracle
                                                                        21%
                                   10%   proAlpha                              17%                18%
                                                                                        14%
                                                               Anteil

                                         Infor
                                         Microsoft
                                         SAP                                                                           3%
            49%
                                         Sonstige
                                                                        0-5    6-10     11-15 16-20 21-25            26-30
                                                                                Alter des ERP-Systems in Jahren
Abb. 7: Anteile der ERP-Anbieter innerhalb der Stichprobe.     Abb. 8: Altersverteilung von ERP-Systemen (in Jahren nach ihrer
                                                               Einführung).

                                                                          Künstliche Intelligenz in ERP-Systemen          19
5.4.2 Einsatz von intelligenten                        44 % (bei 21 Jahren aufwärts beträgt er 52 %). Es
      Funktionen                                       kann keine signifikante Korrelation zwischen dem
                                                       Betriebs­alter der Systeme und dem Einsatzgrad von
Auf die Frage, ob das eigene ERP-System intelligente   KI festgestellt werden.
Funktionen anbietet, antworteten 31% mit
»Ja« und 19 % mit »teilweise«, wobei folgende          5.4.3 Chancen und Risiken
­Anwendungsfälle genannt wurden:
                                                       Zur Frage nach den größten Chancen von intel­
• Automatisches Ausfüllen von Masken (z. B. über       ligenten Funktionen im ERP äußerten sich 65 von
  Scan-Texterkennung)                                  74 Teilnehmern. Die Angaben sind in konsolidierter
• Nachbestellung von Material (Vorschläge)             Form in Abb. 9 dargestellt. An oberster Stelle steht
• Advanced Planning and Scheduling in                  die Automatisierung von Routineaufgaben und
  der Fertigung                                        die damit einhergehende Arbeitsentlastung, ge-
• Automatische Rechnungsverarbeitung                   folgt von v­ erbesserter Datenqualität (sowohl bei
• Automatische Auftrags- und Versandanlage             der Erfassung als auch in der Aufbereitung) und
• Tourenplanung mit Kartensystemen                     Fehlervermeidung. Kosteneinsparung wird eher als
• intelligente Datenvisualisierung                     sekundäre Chance wahrgenommen.
• Adressprüfungen
• Optimierte Vorhersagen                               Die am häufigsten genannten Risiken (Abb. 10)
• Optimierte Materialflüsse                            sind ein falsches Vertrauen in die Technik und
• Optimierte Auftragsabwicklung                        ein Kontrollverlust, einhergehend mit den un-
• Automatische Betriebskostenabrechnung                bekannten Datenflüssen innerhalb der Black Box
                                                       KI. Auch die gesteigerte Komplexität und der Ver-
45 % gaben an, dass keinerlei intelligente             lust von Know-How bei den Mitarbeitenden wird
Funktionen im ERP-System genutzt werden;               als Risiko ­wahrgenommen. Fachkräftemangel und
5 % machten keine Angabe.                              Kosten spielen dagegen eher eine untergeordnete
                                                       Rolle. Die Themen Datenschutz und Haftung werden
Betrachtet man nur jene Unternehmen, deren             nicht als Risiko genannt. Dies deutet darauf hin, dass
Systeme eine Betriebsdauer von 16 Jahren aufwärts      ­zumindest in Führungspositionen wenige Bedenken
vorweisen, so sinkt der Anteil der KI-Nutzung auf       diesbezüglich vorliegen.

20    Künstliche Intelligenz in ERP-Systemen
Repetitive Aufgaben automatisieren / Arbeitsentlastung                                                           30%
              Verbesserte Datenqualität / Fehlervermeidung                                              23%
                                       Performancesteigerung                           12%
                                           Effizienzsteigerung                    9%
            Verbesserung Forecasting / Produktionsplanung               4%
        Gesteigerte Kunden- / Mitarbeitendenzufriedenheit               4%
                                      Gesteigerte Transparenz           4%
       Visualisierung von Kennzahlen / Trendentwicklungen               4%
                                           Kosteneinsparung             3%
                          Vereinfachung komplexer Prozesse              3%
                             Einhaltung von Prozessabläufen             3%
                                              Prozessstabilität        2%
                                              Datensicherheit      1%

Abb. 9: Chancen von KI in ERP-Systemen

                Falsches Vertrauen in die Technik                                                               23%
       Kontrollverlust / unbekannte Datenflüsse                                                  16%
                           Gesteigerte Komplexität                                             15%
                            Verlust von Know-How                                         13%
                        Abhängigkeit vom System                         6%
              Überforderung der Mitarbeitenden                         5%
             Mehrarbeit durch fehlerhafte Daten                        5%
                             Fehlendes Monitoring                  3%
                           Fehlende Userakzeptanz                  3%
                              Verlust der Übersicht                3%
                                Fehlende Fachkräfte               2%
            Überschätzung der KI-Möglichkeiten                    2%
                                             Kosten               2%
                     Unzureichende Risikoanalyse            1%

Abb. 10: Risiken von KI in ERP-Systemen.

                                                                            Künstliche Intelligenz in ERP-Systemen    21
5.4.4 Unternehmenswünsche für KI in                            Wunsch (Abb. 11). Weitere Wünsche sind Predictive-
      ERP-Systemen                                             Analytics-Funktionen sowie die Anomalieerkennung
                                                               zur Reduzierung von Wartungen (Predictive
Auf die Frage, welche intelligenten Funktionen aus             Maintenance). Die erhöhte Mobilität per App-
dem beruflichen oder privaten Umfeld auch für das              Anbindung an das ERP-System wird ebenfalls
ERP-System wünschenswert sind, ist die Eingabe                 häufig genannt, steht aber nicht direkt mit KI in
per Spracherkennung der mit Abstand häufigste                  Zusammenhang.

                                                   Spracheingabe                                          21%
                                              Predictive Analytics                              10%
                        Erhöhte Mobilität mittels App-Anbindung                            8%
     Anomalieerkennung zur Reduktion notwendiger Wartungen                                 8%
                                      Automatisierte Übersetzung                      6%
  Einfache Visualisierung von Kennzahlen / Prozessen / Geodaten                       6%
                                                          Chatbots                    6%
     Autom. Dokumentenverarbeitung / Optische Texterkennung                           6%
                                                Assistenzfunktion                5%
                   Übergreifende Suchfunktion, kontextabhängig                   5%
                      Manuelle, papiergestützte Prozesse ablösen            3%
                              Bilderkennung / Gesichtserkennung             3%
                                     Robotic Process Automation             3%
                             Zuordnung Werkstück zu Maschinen          2%
        Abschalten nicht genutzter Funktion zur Kostenersparnis        2%
                                    Vereinfachtes Zahlungssystem       2%
                                             Plausibilitätsprüfung     2%
                                              Intuitive Bedienung      2%
                           Verkehrsvorhersage für Tourenplanung        2%

Abb. 11: Gewünschte intelligente Funktionen für ERP-Systeme.

22      Künstliche Intelligenz in ERP-Systemen
Künstliche Intelligenz in ERP-Systemen   23
6 Diskussion
Durch die Erhebung konnte das Meinungsbild                Es ist hilfreich, das breite Einsatzspektrum von KI zu
deutscher Unternehmen als Stichprobe zur Er-              untergliedern, um Orientierung zu schaffen, z. B.
gänzung der Literaturrecherche eingeholt werden.          durch das in Kap. 4.1 dargestellte Schema. Ebenso
Große Unternehmen bestimmter Branchen sind                sollten dabei konkrete Use Cases benannt werden
dabei überproportional vertreten. Diese Branchen          bzw. diese zu Gruppen zugeordnet werden, z. B.
sind der Handel und das verarbeitende und                 Usability, Assistenzsysteme, Predictive Analytics, Pre­
produzierende Gewerbe und dabei insbesondere der          dictive Maintenance, Dokumentenverarbeitung etc.
Maschinenbau und die Automobilindustrie.
                                                          Die in der Erhebung am häufigsten genannte
Die Wirtschaft Nordrhein-Westfalens ist eben-             Chance von intelligenten Funktionen ist die Auto-
falls stark industriell geprägt: 26,1 % aller Unter-      matisierung von Routineaufgaben und die damit
nehmen mit über 50 Beschäftigten sind Industrie-          einhergehende Arbeitsentlastung. Dies ­entspricht
betriebe, insbesondere im Bereich Maschinenbau            auch dem Versprechen der RPA (Robotic Process
und Herstellung von Metallerzeugnissen.52 Weitere         Automation), welche als Vorstufe zum KI-Ein-
15,5 % sind im Handel tätig. Insofern sind die            satz in Unternehmen betrachtet wird.54 Weitere
Aussagen der Erhebung für die Branchenland-               Chancen sind verbesserte Datenqualität, Fehlerver-
schaft Nordrhein-Westfalens relevant.                     meidung, Performance- und Effizienzsteigerung.
                                                          Diese Auswahl ist wenig überraschend. Das Thema
Bei Betrachtung der ERP-Systeme innerhalb der             gesteigerter Zufriedenheit der Mitarbeitenden
­Erhebung spiegelt sich einerseits die Marktführer-       steht eher im Hintergrund, wobei gerade hier viel
 schaft von SAP wieder, andererseits auch eine Diver­     Potenzial durch integrierte Sprachsteuerung, digitale
 sität an Herstellern und Systemen. Auffällig ist, dass   Assistenten oder dynamische Interfaces steckt.
 ein großer Teil der genannten Systeme (48 %) seit
 16 Jahren oder länger in Betrieb ist. Angesichts der     Als Risiken von KI werden insbesondere ein falsches
 ­genannten Herausforderung durch Legacy-Systeme53        Vertrauen in die Technik genannt sowie ein mög-
  stellt sich die Frage, welche Systeme durch Updates     licher Kontrollverlust durch unbekannte Daten-
  weiterhin zukunftsfähig gehalten werden können.         flüsse. Hier wird davon ausgegangen, dass die Aus-
                                                          sagen einer KI nicht hinterfragt werden, obwohl
Hinsichtlich der Verbreitung von KI in Unternehmen        diese möglicher­weise auf inkorrekten Daten beruhen
lautet eine der Aussagen in Kap. 4.2, dass etwa die       oder Nebeneffekte nicht berücksichtigen. Es zeigt
Hälfte (48 %) der Befragten gar keine KI einsetzen        die Wichtigkeit von Transparenz und Nachvollzieh-
oder dies planen.                                         barkeit innerhalb der KI an, sowie die Notwendig-
                                                          keit von ­Einbeziehung und Schulungen auf An-
In der Erhebung, die sich auf KI-Funktionen im            wenderseite. Anstelle des falschen Vertrauens sollte
ERP-Kontext beschränkt, findet sich eine ­ähnliche        ein angemessenes ­Vertrauen rücken, bei dem die
Teilung: mindestens 45 % nutzen keinerlei intel­          Grenzen der Software bewusst sind – ähnlich wie
ligente Funktionen in ihrem ERP-System. Dies legt         auch Autofahrer einschätzen können, in welchen
nahe, dass hier Handlungsbedarf besteht.                  (seltenen) Fällen ein Navigationssystem inkorrekte
                                                          Ansagen macht. Wird eine neue KI-Funktion ein-
                                                          geführt, kann diese zu Beginn einem höheren Grad
                                                          an Kontrolle bzw. Hinterfragung ausgesetzt werden,

52   Landesdatenbank NRW, 2018.
53   2bAHEAD, 2020.                                       54   Bitkom, 2020, ERP und Robotic Process Automation.

24     Künstliche Intelligenz in ERP-Systemen
der anschließend reduziert wird. Auch Hersteller        Bei den Wünschen von Unternehmen bezüglich
sollten Antworten darauf haben, mit welchen Kenn-      KI-Funktionen im ERP-System steht Spracheingabe
zahlen Kontrolle und Monitoring der KI durch-          an oberster Stelle, gefolgt von Predictive Analytics,
geführt werden kann.                                   Predictive Maintenance, automatisierten Über-
                                                       setzungen, Datenvisualisierung, Chatbots und
Eine gesteigerte Komplexität wird ebenfalls als        ­Texterkennung. Viele dieser Funktionen können
relevantes Risiko wahrgenommen. In der Regel           von modernen ERP-Systemen erfüllt bzw. mit diesen
sollen KI-Funktionen die Arbeit einfacher oder         kompatibel betrieben werden. Dies deutet darauf hin,
­hochwertiger machen, nicht komplizierter. Das         dass entsprechende Angebote entweder nicht wahr-
 Ziel der Komplexitätsreduktion sollte grundsätzlich   genommen werden können oder nicht geeignet sind.
 bei der KI-Einführung verfolgt und den Beteiligten
 kommuniziert werden.

                                                              Künstliche Intelligenz in ERP-Systemen    25
7 Fazit und Handlungsempfehlung
Der Einsatz von KI in Unternehmen bietet große         Automatisierung und Augmentation an. Es sollte
Optimierungschancen und wird weitgehend                auch danach unterschieden werden, welche Use
als wettbewerbsentscheidend angesehen. ERP-­           Cases eher allgemein sind, bzw. Standardfunktionen
Anbieter setzen zunehmend auf integrierte              entsprechen, und welche eher unternehmensspezi-
­KI-Funktionen in ihren Produkten. Dies geht ein-      fisch sind. Handelt es sich um sehr spezielle An-
 her mit dem Trend zu modularisierten, plattform-      wendungen, ist die Lösung eher bei Experten-
 basierten Cloud-Systemen. Angesichts dieser Ent-      systemen von Drittanbietern zu finden. ERP-Anbieter
 wicklungen ist der Zugang zu KI für Unternehmen       bieten möglicherweise integrierte Standard-
 heutzutage einfacher als je zuvor.                    funktionen an, die mit vergleichsweise geringem
                                                       Aufwand eingeführt werden können und bereits von
Trotzdem scheint die Verbreitung von KI in ERP-        mehreren Referenzkunden getestet wurden, z. B. im
Systemen in Deutschland vergleichsweise lang-          Bereich Usability.
sam voranzuschreiten. Das Angebot der ERP-An-
bieter wird als überschaubar bezeichnet, die Anzahl    Eigenen Standpunkt prüfen: Je nach Unter-
der Use Cases auf Kundenseite als klein. Als größtes   nehmen kann es verschiedene Gründe geben,
Risiko von KI-Funktionen wird falsches Vertrauen in    warum KI wenig oder gar nicht eingesetzt wird. Dies
die Technik und Kontrollverlust genannt.               können die genannten Punkte in Kap. 4.3 sein, aber
                                                       auch andere Gründe, wie z. B. das Fehlen geeigneter
Fragt man Unternehmen nach den Chancen von             Use Cases oder eine Priorisierung anderer Themen.
KI, so wird insbesondere die Automatisierung von       Angesichts des Potenzials von KI im ERP-Kontext
Routinetätigkeiten und die Arbeitsentlastung ge-       sollte der eigene Standpunkt in der Digitalisierungs-
sehen. Beispiele hierfür können die automatische       strategie dargestellt werden.
Rechnungserkennung und –zuordnung, E-Kanban
in der Logistik oder optimierte Produktionsplanung     Intelligentes ERP bei Neuauswahl: Falls bereits
sein. Selbst wenn diese Funktionen noch nicht in       ein Auswahlprozess für ein neues ERP-System be-
ERP-Systemen integriert sind, so können sie bereits    schlossen wurde, so kann die Gelegenheit genutzt
von Expertensystemen bereitgestellt werden.            werden, um die Intelligenz des ERP-Systems als Be-
                                                       wertungskriterium zu berücksichtigen. Merkmale
Um die Lücke zwischen Bedenken und Chancen             dafür sind u. a. eine stark individualisierbare Ober-
zu schließen, können folgende Handlungs-               fläche, Interaktion mittels natürlicher Sprache, Echt-
empfehlungen für die KI- und ERP-Planung von           zeit-Zugriff auf umfangreiche Daten sowie das Vor-
Unternehmen abgeleitet werden:                         handensein von Schnittstellen zu externen Diensten,
                                                       z. B. Machine-Learning-Plattformen von Microsoft,
Es sollte über konkrete Use Cases für den KI-Ein-      Amazon, Google. In erster Linie sollten allerdings
satz gesprochen werden, die durch die Bedarfe des      die vom Unternehmen priorisierten Use Cases
Unternehmens motiviert sind. Die technische Um-        stehen und wie das potenzielle neue System diese
setzung sollte sich danach ausrichten. Angesichts      adressieren kann. Je mehr diese in der Praxis be-
der sehr diversen Bedarfe und der Vielzahl mög-        trachtet werden können, z. B. bei Referenzkunden,
licher Use Cases bietet sich zur Orientierung eine     die über Effizienz und Stabilität berichten können,
Einordnung innerhalb des Spektrums zwischen            desto gezielter kann die Wahl getroffen werden.

26    Künstliche Intelligenz in ERP-Systemen
Das Zusammenspiel von Mensch und KI ist ein             betrachteten Systeme als Bewertungskriterium auf-
entscheidender Faktor. Einerseits muss der KI ver-      nehmen und messbar machen.
traut werden, damit sie den gewünschten Effekt
erzielen kann, andererseits ist falsches Vertrauen      Es werden Konzepte zur Bewältigung der
riskant. Gezielte Einbindung der Anwender*innen         organisatorischen Veränderungen benötigt, die
und Schulungen sollten nicht zu kurz kommen,            mit dem Einsatz von KI in Unternehmen ein-
ebenso die Zeit für die Einarbeitung. Letzteres kann    her gehen. Dazu gehören neue Rollen, Aufgaben,
mit verstärkter Kontrolle und Monitoring der KI         Prozesse und Personalkompetenzen mit dazu-
­einhergehen. Hierbei sollten Kennzahlen definiert      gehörigen Fortbildungsmöglichkeiten. Beispielsweise
 werden, die zum einen die Rentabilität messbar         müssen Trainingsdaten qualifiziert werden und KI-
 machen und zum anderen die Performance und das         Compliance-Anforderungen umgesetzt werden.
 Fehlerverhalten (z. B. Fehlerquote) aufzeigen. Diese
 können den Nutzern zur besseren Einschätzung           KI-Funktionen werden in bestimmten Bereichen der
 ­verhelfen und mehr Akzeptanz erzeugen.                ERP-Nutzung immer mehr zum Standard gehören.
                                                        In unternehmensspezifischeren Use Cases werden
Es lassen sich auch Handlungsempfehlungen für be-       sie dagegen mit höherem Aufwand verbunden sein.
ratende Instanzen ableiten:                             Sie bieten jedoch die Chance, die Alleinstellungs-
                                                        merkmale eines Unternehmens gezielt zu stärken
Es muss Aufklärungsarbeit darüber geleistet             und weiterzuentwickeln. Diese Studie soll Anlass
werden, wie KI die Arbeit mit einem ERP-System ver-     dazu geben, den Austausch zwischen Beratungs­
ändert, welchen Nutzen Unternehmen daraus ziehen        einrichtungen und Unternehmen zu vertiefen, um
können und welche Angebote es gibt. Anbieter            die individuellen Potenziale von KI in ERP-Systemen
von ERP-Marktstudien sollten die KI-Fähigkeiten der     zu identifizieren und umzusetzen.

                                                               Künstliche Intelligenz in ERP-Systemen   27
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