LEBENS KULTUR DAS MAGAZIN - Stadtgemeinde Feldbach
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Österreichische Post AG RM 18A041471 K 8330 Feldbach Wappen der Stadt Feldbach Farbdefinition CMYK: GRAU: 0/0/0/30, DUNKEL GRAU: 0/0/0/80, SCHWARZ: 15/15/15/100 Dieses Wappen darf nur nach Absprache mit der Stadt Feldbach verwendet werden. Tel.: 03152 / 2202 WEISS NOVEMBER 2018 Ausgabe 25 LEBENSKULTUR DAS MAGAZIN
LEBENSKULTUR Inhalt THE BEATLES – DIE BRAVEN REVOLUZZER............................ von Franz Jurecek.......................................................... Seite 4 NICHT NUR EIN WEG ... ........................................................... von Beatrix Kögler............................................................... Seite 5 HAPPINESS IS A WARM GUN......................................................... von Ulrike Gärtner............................................................. Seite 7 WHILE MY GUITAR GENTLY WEEPS......................................... von Florian Trummer............................................................ Seite 8 DER RING.................................................................................. von Ingrid Reindl-Kals....................................................... Seite 9 ROCKY RACCOON................................................................... von Michael Mehsner....................................................... Seite 10 WEISS............................................................................................ von Roswitha Dautermann............................................. Seite 11 DAS WEISSE ALBUM! WELCHES WEISSE ALBUM?................. von Michael Gradischnig.................................................... Seite 12 ZERRISSENHEIT................................................................................ von Elke Flitsch................................................................ Seite 14 I‘M SO TIRED ... ........................................................................... von Werner Kölldorfer.......................................................... Seite 16 WINTERDIENST IN DER NEUEN STADT FELDBACH................ von Werner Lafer................................................................. Seite 18 SAVOY TRUFFLE.......................................................................... von Dominik Fitz.................................................................. Seite 20 IMPRESSUM: Herausgegeben von der NEUEN Stadt Feldbach, www.feldbach.gv.at, Fotos: Autoren, Fotolia.com, Pixabay.com, Vulkanland/Bergmann, Layout: www.conterfei.at, Druck: www.scharmer.at Zeichnungen: Monja Zaunschirm Samstag, 26. Jänner 2019 Mittwoch, 30. Jänner 2019 50 JAHRE „DACHKONZERT“ 30/1/69, APPLE BUILDING, SAVILE ROW 3 mit dem Cradle Trio THE BEATLES – EIN PORTRAIT Innenstadt, Feldbach, 11 Uhr Texte: Elisabeth Pichler & Michael Mehsner Musik: Cradle Trio Gewölbekeller im Gerberhaus, Fehring, 19.30 Uhr 2 LEBENSKULTUR, DAS MAGAZIN - STADT FELDBACH
Liebe Leserinnen und Leser! Bei genauerem Hinsehen haben Sie zepte unseres Parade-Zuckerbäckers Do- Wer die Beatles außerdem noch in Klang es ohnehin erkannt: Das Magazin im minik Fitz; George zum Trotz die Zahn- und Gesang erleben möchte, dem seien November 2018 kommt praktisch „ganz pflege nicht vergessen. zwei Veranstaltungen ans Herz gelegt: in weiß“ daher. Nachempfunden weniger Am Samstag, 26. Jänner 2019, wird es dem beliebten Schlager als dem legendär- Wie Sie merken, steht (fast) hinter um 11 Uhr in der Innenstadt von Feld- en „Weißen Album“, das die wohl größte jedem Text ein Lied aus dem letztlich bach das legendäre „Dachkonzert“ live Musikgruppe aller Zeiten, die Beatles, doch legendären „Weißen Album“. Sofern zu hören geben. Spielen wird das Cradle vor mittlerweile 50 Jahren veröffentlicht Sie diese aus dem Inhaltsverzeichnis Trio, die genaue Örtlichkeit bleibt hat. Der an sich musikalische Bezugs- und dem Editoral noch nicht erkannt selbstverständlich geheim. Gehen Sie punkt für die Auswahl des Mottos dieser haben: Nähere Hinweise finden Sie beim einfach in die Stadt, Sie werden es hö- Ausgabe gab für die Autorinnen und Au- weiteren Lesen. Die fantastischen Illus- ren! Zum selben Anlass gibt es am dar- toren Anlass zu einem Streifzug durch so trationen zu diesem Heft stammen von auffolgenden Mittwoch, 30. Jänner manches Thema. den BORG-Schülerinnen Sarah Leitgeb, 2019, um 19.30 Uhr im Gewölbekeller Valerie Prem, Tanja Friedl, Monja Zaun- des Gerberhauses Fehring ein Portrait Franz Jurecek beleuchtet das revolu- schirm, Elisabeth Kieslinger und Nika der Beatles in Texten, Szenen und Musik. tionäre Potenzial der Beatles und der Quinz, unterstützt hat sie dabei Prof. Lesen werde ich dort gemeinsam mit Eli- 60er-Jahre samt Generationenkonflikt, Mag. Hannes Fladerer: Großer Dank, ihr sabeth Pichler, für die Musik wird wieder Beatrix Kögler das damals populäre Ent- habt das ganz toll gemacht. Apropos das Cradle Trio zuständig sein. Schauen decken östlicher Religionen. Ulrike Gärt- BORG Feldbach. Sie gerne vorbei. ner (INNOVA) widmet sich der bis heu- Widmen möchte ich diese Ausgabe Bis dorthin, quasi zur Vorbereitung, viel te andauernden Veränderung der „Rolle jemandem, der uns vor bald 2 Jahren un- Freude mit der November-Ausgabe des der Frau“ in der Gesellschaft. Für den erwartet und viel zu früh verlassen hat. Magazins der Zeitung der Stadt Feldbach. Musiker und großen George Harrison- Jemandem, der der Musik in aller ihrer Verehrer Florian Trummer (Cradle Trio) Vielfalt so intensiv verbunden gewesen Ihr steht selbstverständlich die Musik ganz ist, der mit ihr und für sie gelebt hat, Michael Mehsner im Vordergrund. Die Bedeutung von und der es verstand, so viel von dieser Ringen (siehe unter anderem „Ringo“ wunderbaren Beziehung an andere weiter- PS: Zu gerne hätte ich auch einen länge- Starr oder den netten Desmond aus zugeben. Helmut Lenardt. Eines Tages, ren Beitrag zu diesem Magazin beigesteu- „Ob-La-Di, Ob-La-Da“) steht für die als ihn das Schicksal für einige Zeit ert. Einzig: Sie sehen, wir sind übervoll, Goldschmiedin Ingrid Reindl-Kals au- wieder losgelassen hatte, besuchte er und auf den tollen Waschbären von Nika ßer Zweifel. Wieso die Beatles bei der mich im Büro, und erklärte, dass es ihm Quinz wollte ich keineswegs verzichten! Cover-Gestaltung so sehr auf die Farbe wieder besser gehe, und er sprach mich Ausgesucht hätte ich mir wohl „Revoluti- Weiß setzten, bietet Anlass zu vielen In- darauf an, dass wir ja vielleicht bald on Nr. 9“, angelegt ungefähr in der schrä- terpretationen – mehr über das Wesen etwas Gemeinsames machen könnten. gen, über die Realität längst erhabenen und die Bedeutung dieser Farbe (?) Er an der Gitarre und ich mit ein paar Stimmung, die Ostrowski und Votava im „weiß“ Roswitha Dautermann. Das Texten. Die Ehre lag ganz auf meiner Film „Hotel Rock’n’Roll“ rübergebracht „weiß“ auch immer mit dem Winter zu Seite, einzig, es kam leider nicht mehr haben, als (endlich) jemand in Zimmer verbinden ist, erfährt man aus den Bei- dazu. Ein Programm hätte ich schon bei- Nr. 9 einchecken wollte. Ein anderes Mal. trägen des (Weihnachts-)Musik-Experten sammengehabt, es wären wohl ein paar Michael Gradischnig (Dr. Jekyll & The Geschichten zu den Beatles gewesen, den Hyde Company) und von „Ober-Schnee- Allergrößten, dem Anlass angemessen. räumer“ Werner Lafer. Mit Zerrissenheit Ein wenig von dieser Idee sei hiermit wird Integrations-Mitarbeiterin Elke umgesetzt, freilich auf andere Weise, Flitsch nur zu oft konfrontiert, und und ohne Helmut. Doch irgendwie, denke Werner Kölldorfer denkt bei Reisemüdig- ich, ist er mit dabei. Möge diese Inspira- keit auch schon einmal an die Beatles. tion des Helmut Lenardt noch lange und Und zum Abschluss gibt es einige Re- bei vielen anderen bestehen bleiben. 3
LEBENSKULTUR VON FRANZ JURECEK The Beatles – die braven Revoluzzer Vater: Schalt das ab! Ono während der Aufnahmen ständig im Man muss dazu sagen, die Beatles waren Sohn: Was soll ich abschalten? Studio und trieb die Trennung der Beat- nie die zornigen jungen Männer, wie etwa Vater: Schalt diese furchtbare Musik ab! les voran. Wie wir heute wissen, gelang die Stones oder Jimi Hendrix oder später Sohn: Nein! dieses Vorhaben knapp 18 Monate später. Neil Young. In jungen Jahren waren sie Vater: Warum nicht? Doch dieses „weiße Album“ sollte al- eher fröhlich („Yeah yeah yeah“), später Sohn: Das sind die Beatles! les enthalten, was es damals in der etwas melancholisch („Yesterday“) und Vater: Ja eben, abschalten! modernen Musikwelt so gab, Rock’n’Roll, dann hatten sie die Lösung aller Probleme Sohn: Die Beatles kann man nicht ab- Blues, Country, Folk, Reggae und natür- („Love is all you need“). Sie wären nie schalten. lich Balladen, sowie – dank Yoko Ono – in Woodstock aufgetreten und doch wa- eine avantgardistische Toncollage (was ren sie dort vertreten. Ein gewisser Joe Solche und ähnliche Dialoge hörte immer man darunter versteht). Cocker interpretierte „With A Little Help man in den sechziger Jahren in so From My Friends“ auf eine völlig neue manchem österreichischen Haushalt. Der Mit „Revolution 1“ war auch ein echtes Pro- und unnachahmliche Weise. Und nur ein Sender Ö3 war gerade ein Jahr alt, und der testlied zu hören, das John Lennon anläss- guter Song hält so etwas aus. Gassenhauer „Ob-La-Di, Ob-La-Da“ wurde lich der Studentenunruhen im Jahr 1968 Dass die Beatles mit ihren Texten eher täglich mehrmals gespielt und störte das verfasste, des Weiteren schrieben sie ein besonnen umgingen, sieht man am er- schnulzenverwöhnte Gehör der älteren Lied über den Rassismus gegenüber den wähnten Lied „Revolution“. „Well you Generation erheblich. Oben angeführter Schwarzen in der amerikanischen Bevölker- know, we all want to change the world“, Dialog wurde übrigens nicht im Original- ung. Bestätigten Gerüchten zufolge hätten heißt es da, um gleich wieder zur Mäßig- ton wiedergegeben, da einige Ausdrücke die Beatles drei Jahre vorher mit einem ung aufzurufen: “But when you talk nicht für die Allgemeinheit bestimmt gewissen Bob Dylan Marihuana geraucht, about destruction, don’t you know, you waren (Anm. d. Autors). Dabei waren die offenbar ist da etwas hängen geblieben. can count me out”. Es sollte doch gewalt- Beatles die Braven, zwar auch Revoluzzer, los funktionieren, meinte John Lennon. doch nicht so richtig, die Rolling Stones Diese Linie setzte er später in seiner oder The Who, das waren die Bösen. Deep Solokarriere fort, etwa mit „Give Peace Purple scharrte in den Startlöchern, doch A Chance“ oder „Imagine“, doch gera- davon bekam die Nachkriegsgenera- de John Lennon sollte ein Opfer der tion nichts mit, The Beatles reichten Gewalt werden. als Feindbild vollkommen. Andere waren mit ihren Texten Vor 50 Jahren erschien das Album schon etwas direkter, „I can’t „The Beatles“, es war das einzige get no satisfaction“ teilten Doppelalbum der Beatles. Diese die Stones völlig ungeniert Doppel-LP erschien ungefähr ein mit, und in „Sympathy For The Jahr nach „Sgt. Pepper‘s Lonely Devil“ stellten sie die Moral Hearts Club Band“. Während die- des Leibhaftigen über die der ses ein opulentes Cover aufwies, Menschheit. Der junge Dylan war das Album „The Beatles“ in kündigte zynisch an: „With god schlichtem Weiß gehalten, als wollte on our side, we start the next war.“ man sagen, hier zählt nur der Inhalt. Die Beatles waren mit ihren Texten „Hey Jude“ schrieb Paul McCartney für einfach zurückhaltender, sie legten mehr den Sohn von John Lennon nach der Wert auf ihre Melodien und auf das Arran- Trennung seiner Eltern. Dafür hockte Yoko Zeichnung: Nika Quinz gement. John Lennon wurde unter ande- 4 LEBENSKULTUR, DAS MAGAZIN - STADT FELDBACH
rem mit Franz Schubert verglichen, auch Vielleicht waren sie einfach die ersten, Der Sohn des Dialoges am Anfang die- dieser interessierte sich eher für Forellen die einen neuen Musikstil entwickelten, ses Textes hatte recht, die Beatles kann und Lindenbäume als für die brennenden oder vielleicht waren sie doch zu be- man nicht abschalten, sie sind längst Probleme seiner Zeit. kannt, vielleicht alles zusammen und von Klassiker. Und doch waren gerade die Beatles das allem etwas. Ganz sicher waren die Haa- Feindbild der Elterngeneration der damali- re für damalige Verhältnisse zu lang, „Du gen Zeit. Der vergleichsweise harmlose Sa- schaust aus wia a Bittl“ ist bis heute ein ger „Wir sind so bekannt wie Jesus“ löste geflügeltes Wort. Fest steht, das Quartett damals so etwas wie einen analogen Shit- aus Liverpool hat unvergessliche Melodien storm aus. Vielleicht wird das gesprochene hinterlassen und hat(te) großen Ein- Wort doch eher gehört als das gesungene. fluss auf unzählige Bands und Solisten. VON BEATRIX KÖGLER Nicht nur ein Weg … Von der Abbey Road zum Marlborough Place Die 1960er Jahre waren eine Zeit des kehrte 1966 meine Tante Dr. Irmgard Umbruchs. Die Jugend begehrte gegen Schlögl (geb. 1921 in Leitersdorf bei das vorhandene Establishment auf, und Feldbach) für mehrere Monate zurück und die bereits seit Beginn des 20. Jahr- gründete eine Zen-Gruppe in London. Sie hunderts in den Westen einströmenden trainierte seit 1960 im wohl berühmtes- östlichen Religionen wie Hinduismus und ten Rinzai Zen-Kloster Japans, dem Dai- Buddhismus erweckten durch die Praxis toku-ji in Kyoto, in das sie auch 1967 der Meditation immer mehr Interesse. wieder ging, um für weitere 5 Jahre un- 1967 begannen auch Musiker und Schau- ter ihrem Lehrer Sojun Kannun Roshi zu spieler unter anderem den indischen Guru praktizieren. Durch Heinrich Harrer mit Maharishi Mahesh Yogi zu entdecken. Die dem Buddhismus in Kontakt gekommen, Beatles, vor allem Ringo Starr und George und geprägt von den schicksalhaften Harrison, waren besonders beeindruckt Jahren des 2. Weltkrieges und den damit und begannen, sich mit Meditation zu verbundenen, persönlichen Tragödien in Das Kloster „Zen Centre Shobo-an“ beschäftigen, was aber nach einer Ausein- ihrer steirischen Heimat, hoffte sie, für andersetzung mit dem Guru zum bekann- sich wieder Zufriedenheit und Harmo- ten Beatles-Song „Sexy Sadie“ führte. nie zu finden. 1972 kehrte sie als Zen- Meisterin nach England zurück, wo sie Unweit der vor allem durch die Beatles 1984 zur Nonne mit dem Namen Ven. berühmten Abbey Road befindet sich die Myokyo-ni geweiht wurde und bis zu ih- Straße Marlborough Place, in der sich auf rem Tod 2007 Zen lehrte. Ihre Schüler Nr. 58 seit 1984 das Kloster „Zen Centre kamen aus ganz Europa, ihr bekanntes- Beatrix Kögler leitet Shobo-an“ befindet. In dieses Haus, das ter war der britische Bildhauer Sir Anish die Zen-Gruppe Feldbach. Mr. Christmas Humphreys, dem Gründer Kapoor. Posthum erhielt sie als Zen- www.altstadtladen.at der Buddhist Society London, gehörte, Meisterin den Namen Daiyu Myokyo Zenji. 5
LEBENSKULTUR Was jedoch bedeutet Zen? Das Wort selbst Doch nun zu Shugyo, der Übung im All- Hass, Ablehnung im Inneren nimmt die- ist eine Verballhornung des Sanskrit-Wor- tag: Diese lehrt uns, im Laufe der Zeit un- sen die Kraft und lässt sie wieder zu dem tes Dhyana – Meditation, das in China zu seren emotionalen Haushalt besser ken- werden, was sie waren: unsere Lebens- „Chan“ und in Japan zu „Zen“ wurde. Als nenzulernen. Wie oft machen wir etwas energie. So lernen wir, auf dem Weg im- Schule des Buddhismus trägt es auch alle nur „halbherzig“ oder sind „mit dem Kopf mer öfter mit dem Herzen zu handeln und Erkenntnisse Buddhas in sich. Zum Unter- ganz wo anders“. Da ist dieses Gefühl, das aus diesem heraus die Situation zu leben. schied zu unseren westlichen Religionen Leben nicht mehr richtig zu spüren oder Verlangt die Situation ein Ja, dann ist es sieht sich der Buddhismus als Weg, den von Stress und Hektik gefangen zu sein. ein Ja, verlangt sie ein Nein, dann ist es man nur für sich selbst gehen kann, und Wir wollen immer mehr und werden dabei ein Nein. So entsteht ein Eins-Sein mit von dem Buddha sagte: „Ich habe einen immer ärmer. Beherrscht von Dualismen dem Tun. alten Weg in eine alte Stadt wieder ent- pendeln wir zwischen dem, was wir möch- deckt, den Weg zum eigenen Herzen.“ ten und der Vermeidung dessen, was wir So erzählt uns eine Zen-Geschichte von Um dieses Herz geht es im Zen-Training. nicht wollen, sind getrieben von einer einem alten Zen-Meister, den seine Schü- Als wir geboren wurden, lebten wir noch Liebe, die besitzen möchte oder von Hass ler fragten, was denn Zen sei. Er antwor- eine Zeit aus diesem Herzen heraus. gegen das, was uns Angst macht. Wir tete: „Wenn ich hungrig bin, esse ich und Doch mit der Zeit haben wir es verloren. glauben durch das dritte Feuer der Ver- wenn ich müde bin, schlafe ich. Wenn Sein Platz wurde von einem für sich im- blendung, dass wir nur glücklich wären, ich gehe, gehe ich.“ Darauf meinten die mer mehr Energie beanspruchenden Ego wenn alles nur so wäre, wie wir es ger- Schüler: „Aber Meister, das machen wir übernommen. Doch dieses „ICH-Gefühl“ ne hätten. Damit geben wir aber nur den ja auch!“ Doch der Meister wehrte ab unterliegt der ungezähmten Macht der beiden Feuern von Gier und Hass freie und stellte fest: „Wenn ihr esst, geht ihr drei Feuer: der Gier, des Hasses und der Fahrt. Buddha lehrte den Mittelweg, den bereits, wenn ihr geht, dann schläft ihr Verblendung. Das Zen-Training zielt nun Weg frei vom dualistischen Denken. Dies schon und wenn ihr müde seid, überlegt darauf ab, diese emotional durch die Feu- bedeutet nicht, dass es hell und dunkel, ihr, was ihr noch tun könntet.“ er aufgeheizte Energie zu transformieren Freude, Trauer etc. nicht mehr gibt, son- und zu wahrem Menschsein zu entwickeln. dern dass wir lernen, das Leben so an- 1991 besuchten mein Mann und ich Tan- Dies geschieht einerseits in der Meditati- zunehmen, wie es gerade ist; das heißt: te Irmgard, die Schwester meiner Mut- on, was nicht nur „Sitzen in Meditation“ Moment für Moment mit dem ganzen ter, das erste Mal im Kloster Shobo-an bedeutet, sondern auch, und das wird im Herzen zu bejahen und daraus zu leben; in London. Seit 1972 herrschte zwischen Westen oft übersehen, im Shugyo – der in Achtung und Dankbarkeit vor dem Da- uns beiden ein reger Briefkontakt. Als Übung im Alltag. Haben wir von Medita- sein. Im Westen nannten wir dies einst: Hochzeitsgeschenk lud sie uns ein, sie tion inzwischen eine vage Vorstellung, ist „Herr, Dein Wille geschehe!“ im Kloster zu besuchen und bei ihr den Shugyo unbekannt. Doch gerade diese innere Haltung verlangt Urlaub zu verbringen. Es folgten viele ein stetes Üben, warum man im Zen von Besuche, und Zen wurde auch für mich Wenden wir uns erst kurz Zazen, der Training spricht und auch den Körper als ein Weg. Sie wurde mir eine große Leh- Sitz-Meditation zu. Beim Sitzen im Kissen Hilfsmittel nutzt. Ein Verbeugen vor den rerin und erteilte mir 2006 die Erlaubnis, müssen beide Knie den Boden berühren, aufwallenden Emotionen von Angst, Gier, Zen zu unterrichten. der Oberkörper ist aufrecht, die Augen halb geöffnet – es ist eine Art „Narren- kastl schaun“. Auch ein Sitzen im Sessel ist möglich, jedoch ohne den Rücken anzulehnen. Meditationsgegenstand ist der Atem, und in dieses Atmen legt man jeweils eine Zahl, bei eins beginnend. So zählt man jeden Atemzug und kehrt beim zehnten wieder zu eins zurück. Auf- kommende Gedanken versucht man ziehen zu lassen und beginnt danach wieder bei eins. Es ist ein achtsames Fließenlassen im Rhythmus der natürlichen Zwerchfell- atmung. Man beginnt mit 5-10 Minuten täglich und steigert dies mit der Zeit auf Dr. Irmgard Schlögl („Tante Irmgard“) Beatrix Kögler mit Dr. Irmgard Schlögl beim 30 Minuten bis 1 Stunde. berühmten Zebrastreifen auf der Abbey Road 6 LEBENSKULTUR, DAS MAGAZIN - STADT FELDBACH
VON ULRIKE GÄRTNER Happiness Is A Warm Gun „Happiness Is A Warm Gun“ ist ein bestehender Lebensrealitäten für Frauen Song auf dem Weißen Album der Beat- und Mädchen wider. les aus dem Jahr 1968, wo sich Gefühle Ein selbstbestimmtes und existenz- der Macht und Sicherheit mit sexuellen sicherndes Leben zu führen, stellt Frauen Assoziationen wiederfinden. Er spiegelt und Mädchen vor große Herausforderun- eine Zeit wieder, in der gegen den Viet- gen, spätestens wenn Beruf und Familie namkrieg und die vorherrschenden tradi- unter einen Hut zu bringen sind und die tionellen Strukturen, die Verteilung von daraus resultierenden Folgen erkennbar Macht und Autorität demonstriert wurde. werden. Lebensrealitäten wie: Lohnun- Es war auch die Zeit, in der patriarcha- terschiede von 20 % (Gender Pay Gap), le Strukturen aufgebrochen wurden und typische, meist niedrig entlohnte Frauen- sich Geschlechterrollen zusammen mit berufe, wachsende Teilzeitquote (52,5 % Erziehungsnormen radikal veränderten. SO 2015), steigende Arbeitsflexibilität, Änderungen, wovon die Gesellschaft noch Mangel an bedarfsgerechten Kinderbe- heute profitiert. treuungsangeboten, pflegebedürftige An- Obwohl Frauen federführend an dieser ge- gehörige, eine Scheidungsrate von 50 %, sellschaftspolitischen Revolution beteiligt steigende Lebens- und Erhaltungskosten, waren, standen sie im wahrsten Sinne des Gewalt im familiären Nahraum, … führen Wortes meist im „Dunstkreis“ (Zigaretten- durch das Zusammenwirken oft zu Über- qualm) der männlichen Mitstreiter. „Es forderung, gesundheitlicher Beeinträchti- passte nicht ins vorherrschende Weltbild, gung und Armut, die unserer Ansicht nach dass auch Frauen den Ton angeben und in den nächsten Jahren noch zunehmen Rebellinnen sein können“ (Christina von wird. Eine weitere Folge ist die Abwan- Hodenberg – Historikerin). Sie wurden derung junger, gut ausgebildeter Frauen eher als „schmückendes Beiwerk“ auf den in Ballungszentren, wo sie in der Regel Zeichnung: Valerie Prem Fotos betrachtet. Die gesellschaftliche größere berufliche Chancen vorfinden, Ohnmacht von Frauen und ihre Reduzie- und zusätzlich eine bessere Vereinbarkeit rung auf den Reproduktionsbereich (Fort- von Beruf und Familie. Mit der Abwande- pflanzung und Familie) waren offenkundig. rung von Frauen geht auch die nächste Generation verloren, erkennbar an der Offener Sexismus und hämische Frauenver- demografischen Entwicklung, die zu einer achtung sind heute mehr denn je gängige signifikanten „Alterung“ ländlicher Re- Verhaltensmuster in der westlichen Welt, gionen führt. die durch die sozialen Medien noch ver- stärkt werden. 50 Jahre danach stellt sich Um diesem Trend entgegen zu wirken, erneut die Frage einer emanzipatorischen, findet bei INNOVA der vom Land Steier- feministischen Politik, wobei die heutigen mark geförderte Lehrgang „Frauen – Teil- Problemfelder vielfältiger geworden sind. habe ZUKUNFT“ statt. Ziel dieses Lehr- Das zeigt sich auch an den umfangrei- gangs ist es, die Gestaltungskraft und chen Themenschwerpunkten des kürzlich Umsetzungsstärke, also „Empowerment“ stattgefundenen Frauenvolksbegehrens von jungen Frauen gezielt zu fördern und (https://frauenvolksbegehren.at). auf diese Weise sowohl die individuellen Ulrike Gärtner ist Chancen am Arbeitsmarkt als auch die Geschäftsführerin von In den INNOVA Frauen- und Mädchenbe- gesellschaftspolitische Beteiligung von INNOVA Austria in Feldbach. ratungsstellen Feldbach, Mureck und Weiz Frauen in der Südoststeiermark zu erhö- www.innova.or.at spiegeln sich täglich die Folgewirkungen hen. 7
LEBENSKULTUR VON FLORIAN TRUMMER While My Guitar Gently Weeps Zeichnung: Nika Quinz Nach angeblichen 28 Takes im Studio te, weil er auf der Platte nicht nament- war George Harrison mit seinem Song lich genannt wurde. Bis heute bleibt der „While My Guitar Gently Weeps“ noch Song durch seinen schwingenden Sound, immer nicht wirklich zufrieden. Nach der durch diverse Studioeffekte erzeugt jedem Take musste etwas verändert, er- wurde, bei Beatles- und Clapton-Fans in gänzt oder neu aufgenommen werden. Erinnerung. Anfangs spielte George die Lead-Gitarre und übernahm die Gesangspassagen, Beatles-Songs zu covern ist gewiss für John spielte Rhythmusgitarre, Paul Pia- jeden Musiker eine Herausforderung. Als no und Ringo natürlich Schlagzeug. Als die Idee aufkam, den Song „While My Lösungsvorschlag für das Dilemma lud Guitar Gently Weeps“ auch ins Set un- George seinen guten Freund Eric Clapton serer Band „Cradle Trio“ aufzunehmen, ins Studio ein und übergab ihm die Auf- stellte sich für mich von Anfang an die gabe, die Soli für den Song einzuspielen. Frage, ob es wohl klüger sein würde, Clapton lehnte das Angebot jedoch vor- den Song stilistisch zu verändern und erst ab. „Nobody ever plays on the Beat- neu zu gestalten. Doch kurz darauf war les records“, waren Claptons Worte. mir klar, dass es wohl am besten wäre, George‘s Antwort war allerdings: „So den Song so originalgetreu wie möglich what? It’s my song.“ Schlussendlich wil- zu spielen, da es ja sowieso unmöglich ligte Clapton ein, unter der Bedingung, ist, genau so wie die Beatles zu klingen. dass der typische Beatles-Charakter trotz Allein das Tempo schraubten wir etwas seines Solos erhalten bleiben sollte. herunter. Nach mehreren Live-Auftritten Den meisten Hörerinnen und Hörern war muss ich sagen, dass ich nach wie vor nicht bekannt, dass Eric Clapton mitwirk- sehr zufrieden mit dem Resultat bin. 8 LEBENSKULTUR, DAS MAGAZIN - STADT FELDBACH
VON INGRID REINDL-KALS Der Ring Ein Ring – verbindet . Ein Ring – ehrt . Ein Ring – schmückt Die ältesten bekannten Ringe sind meiner Liebe Pfand“. Heute gravieren wir stücke mit Familienwappen geht. Es ist 21.000 Jahre alt und wurden bereits den Namen des Partners und das Hoch- die persönlichste Art, das Wappen nach damals als Schmuck getragen. Ein Ring zeitsdatum in unsere Ringe, und werden außen zu zeigen. Dabei soll das Wap- hatte schon immer eine breite Facette an diese am Ringfinger der rechten Hand pen vom Träger wegschauen, damit es Bedeutungen. Er war Zeichen des religiö- getragen. Jedoch wollen die Partner seit für das Gegenüber erkennbar ist. Bereits sen Standes, Adelsnachweis, Zeichen des jeher dasselbe damit zum Ausdruck brin- während der Regentschaft von Tutanch- beruflichen Standes und vieles mehr. Die gen – Treue und Verbundenheit. Eheringe amun entstanden die ersten Siegel- ersten bekannten Ringe waren aus Kno- können die gemeinsame Geschichte der ringe. Dekoriert wurde die Frontplatte des chen, Holz oder Stein gefertigt. Später Partner zeigen oder das, was sie im Le- Ringes mit dem Namen des Ringträgers. verwendete man Eisen oder Bronze. Heute ben verbindet. Immer wieder entstehen Diese Schrift wurde eingraviert. In dieser werden hierzu edlere Materialien wie interessante Schmuckstücke durch zwei- Zeit wurden auch komplizierte Ringe her- Gelb-, Weiß-, Rotgold oder Platin ver- geteilte Ringe, die erst vereint ihre Sym- gestellt. Sie wurden mit kleinen Figuren wendet. bolkraft entfalten. der Götter und symbolisch bedeutsamen Tieren verziert. Dabei kam oft die Lotus- Ein spezielles Augenmerk sollte auf den Ringe habe noch sehr viele andere Fa- blüte vor. Auch heute wird der Siegel- sogenannten Trau- oder Ehering gerich- cetten. Es gibt Ringe, die an einen lie- ring noch gerne getragen und teilweise tet werden. Ein Ring, der keinen Anfang ben Menschen erinnern, oder einfach noch als Stempelsiegel verwendet. Das und kein Ende aufweist, gilt als Sinnbild die Wertschätzung für einen anderen Familienwappen oder das Monogramm der Unendlichkeit und Beständigkeit. Be- Menschen widerspiegeln. Dabei wird oft- wird in einen Lagenstein oder auf eine reits im Altertum trugen z.B. die Ägypter mals das Material eines vererbten oder Goldplatte eingraviert. oder Römer einen Trauring am Finger. Sie geschenkten Schmuckstückes verwendet, trugen den Ring am Ringfinger der lin- um dem „Neuen“ noch mehr Bedeutung Alle Ringe haben eines als Ziel: Sie ken Hand. Der Grund hierfür war die Vor- zu verleihen. Ringe, die Menschen für ihre sollen ihre Träger schmücken. stellung, dass eine Ader, die sog. Vena Verdienste auszeichnen und ehren, sind amoris (lat. für „Liebesader“), direkt Zeichen der Wertschätzung für Geleiste- Mir wurde die Liebe zum Schmuck be- von diesem Finger zum Herzen führt. In tes. Siegelringe zeigen die Herkunft oder reits in die Wiege gelegt. Aufgewachsen vielen römischen Ringen stand die In- die Zusammengehörigkeit. Sie sind der zwischen Uhren, Waffen und schönem schrift „Pignus amoris habes“ – „Du hast absolute Klassiker, wenn es um Schmuck- Schmuck, habe ich mich für das Edle ent- 9
LEBENSKULTUR schieden. Bereits seit früher Kindheit war brachte. Als junges Mädchen in einer Ich habe mir mit meiner kleinen Gold- für mich klar – ich werde Goldschmiedin. Goldschmied-Werkstätte voller Männer schmiedewerkstätte das Ziel gesetzt, so Was als Kindheitswunsch begann, war je- musste ich viel einstecken, hatte aber viel Individualität wie möglich in meine doch nicht so leicht zu erreichen. Eine auch die Möglichkeit, sehr viel zu lernen. Schmuckstücke zu bringen. Speziell der Lehrstelle zu finden, war die größte Hür- Als gelernte Goldschmiedin versuchte Ring bietet, durch Kreativität und Hand- de in diesem Plan. So kam es, dass ich ich, mir immer weiteres handwerkliches werkskunst, unvorstellbar viele Möglich- mit Beendigung der Schulzeit eine Lehre Können und Wissen anzueignen. Dieser keiten. Es ist wunderschön, gemeinsam als Uhrmacherin im elterlichen Betrieb Weg führte mich nach Graz. 1993 kehr- mit dem Auftraggeber eine Geschichte in begann. Doch der Wunschberuf Gold- te ich als Goldschmiedin in das Geschäft das Schmuckstück einzuarbeiten. schmied war damit nicht verschwunden. meiner Eltern nach Feldbach zurück. Da Es dauerte zwei Jahre, bis dieser Traum der berufliche Alltag meine Kreativität in Erfüllung gehen sollte. Meine Lehrstel- und Schaffenskraft als Goldschmiedin le befand sich jedoch im weit entfern- immer weiter zurück drängte, war 2013 Ingrid Reindl-Kals ist ten Ennstal. So zog ich bereits in jungen mein Entschluss klar. Ich konzentriere Goldschmiedin in Wetzelsdorf. Jahren von Feldbach weg und folgte mei- mich wieder auf meinen Kindheitstraum www.reindl-exclusiv.at nem Lebensplan, der mich nach Liezen – Goldschmiedin. VON MICHAEL MEHSNER Rocky Raccoon Während des Aufenthaltes bei einem indischen Guru im Frühjahr 1968 einen Song mit Wild-West-Szenario zu schreiben, lässt vermuten, dass Paul wohl nicht ganz bei der Sache gewesen ist. Vielleicht ist er dort ja einem Waschbären („Raccoon“) begegnet. In unseren Gefilden gilt das eher als unwahrscheinlich. Dann schon eher einem der raren, geschützten Biber, wie dieser spektakuläre Bau an einem heimischen Bach zeigt. Zeichnung: Nika Quinz 10 LEBENSKULTUR, DAS MAGAZIN - STADT FELDBACH
VON ROSWITHA DAUTERMANN Weiß Die ultimative Farbe, die keine Farbe ist!? Die weiße Leinwand, der frisch gefal- Schon Isaac Newton (1642-1727) sprach trachtet, weiß aussehen. Wird Weiß im lene Schnee, das unbeschriebene Blatt, nie von weißem Licht, sondern im Gegen- Druckverfahren benötigt, dann ergeben The White Cube, das weiße Kopftuch, teil davon, dass ein Lichtstrahl farblos ist. sich das Weiß oder die Aufhellungen von das Hochzeitskleid, die weiße Fahne, Ihm fiel auf, dass graue Flächen im Farben durch das weiße Papier. Weiß das unbefleckte Laken, die weiße Taube, Sonnenlicht heller und weißer erscheinen wird also nicht gedruckt, sondern die der weiße Mantel, die weiße Weste, das und weiße Flächen im Schatten grauer. Farbpigmente Gelb, Cyan, Magenta und Weißbuch, das Weiße Album … die Reihe Schwarz werden nicht (beziehungsweise ließe sich noch lange weiterführen. All „Weiß ist also keine Farbe! Es ist die vermindert) auf eine weiße Fläche ge- diese Begriffe haben eines gemeinsam: Summe aller Farben!“ Demgemäß finden druckt. Beim Färben von Stoffen werden Sie haben eine symbolische Bedeutung, wir auf Bildschirmen, die durch Lichtwel- diese nicht gefärbt, sondern ursprünglich deren gemeinsamer Nenner die Farbe len Bilder erzeugen, die Grundfarben Rot, wurden die Naturfasern gebleicht. Auch WEISS ist. Grün, Blau, die durch Kombination alle heute befinden sich in Weißwaschmitteln anderen Farben bilden und bei totaler noch Bleichmittel, um ein WEISSER als Aber was ist weißer als WEISS? Was ist ul- Überlagerung WEISS entstehen lassen. WEISS der Wäsche zu erreichen! traweiß? Heißt doch ultra „jenseits“ oder „über hinaus“! Was ist über das WEISS hi- „Die Wände weiß streichen.“ Das wird So ist das weiße Blatt Papier, die weiße naus? Es ist das Licht, genauer definiert doch mit Farbe gemacht! „WEISS ist eine Leinwand, die weiße Wand, die weiße das Sonnenlicht. Es ist das Sonnenlicht Farbe!“ Haben wir doch schon als Schüler Weste, das weiße Kleid, das weiße La- in seiner absoluten Stärke, also zur Ta- auch mit Deckweiß gemalt! Möchte man ken, das, was noch unberührt ist, das geszeit der vollsten Sonneneinstrahlung. das WEISS in Materie bannen, so sind wir Unbefleckte, das Neutrale, das, wo noch Wie weiß dieses Licht ist, sehen wir auch auf Stoffe angewiesen, die weiß sind. alles möglich ist, wo Erfolg oder Schei- am nächtlichen Mond, der dieses Licht Das heißt, dass das weiße Licht, das auf tern noch offen liegen. Schon ein kleiner „nur“ reflektierend ins All wirft. Spricht die Oberfläche dieses Stoffes trifft, alle Punkt, ein kleiner Fleck, eine kleine Spur, man vom Sonnenlicht, so können wir Lichtstrahlen reflektiert. In der Malfar- stören diese reine Erscheinungsform. nicht von einer Farbe sprechen, denn es be sind das kleine Pigmente aus Titan, besteht aus elektromagnetischen Wellen Zink, Kreide, Kaolin, Magnesium …, die Aber, warum hat WEISS eine so starke des für Menschen sichtbaren Farbspek- das Licht entsprechend reflektieren. Auch symbolische Bedeutung? Es ist genau trums und auch aus für den für Menschen Schneekristalle haben diese Streuwirkung diese Unversehrtheit, diese in sich voll- unsichtbarem, z.B. ultraviolettem Licht. des Lichtes, wodurch sie, in Summe be- kommene und fertige Farbe, die gleich- 11
LEBENSKULTUR zeitig alles in sich birgt und andererseits Das schwarze Quadrat ist nicht nur die wartung sind, sie betrachten und sie in noch alles möglich macht. Weiß steht zu Summe aller malerischen Farben sondern Gedanken mit sich tragen. Ein WHITE allen Farben im Kontrast und vereinigt sie auch die Summe aller Bildmotive. CUBE aller Möglichkeiten, das Scheitern gleichzeitig. inbegriffen. Es ist in der Wirklichkeit die Beinahe in allen Kulturen wird deshalb Wo ist nun das weiße Quadrat? Es ist unbefleckte weiße Leinwand des Malers, Weiß eine besondere Bedeutung zuer- die imaginäre Fläche, vor der alle Maler und alle Maler teilen eines gemeinsam: kannt. Weiß ist die göttliche Farbe, kann sitzen, stehen, denken, in freudiger Er- die Angst vor der weißen Leinwand. je nach Kultur männlich oder weiblich konnotiert sein, und ist z.B. in der ägyp- tischen Mythologie Isis das weibliche We- sen. Die weiße Taube ist z.B. bei Chris- ten dem Heiligen Geist und dem Frieden zugeordnet, aber auch die Reinheit der Gottesmutter Maria wird mit Weiß sym- bolisiert. Tod und Geburt werden je nach Kultur mit Weiß oder Schwarz dargestellt. Für Künstler sind Weiß wie sein Gegen- spieler Schwarz die zwei Pole, zwischen denen sich jedwede bildliche Darstellung abspielt. Auf die Spitze trieb dies der so- wjetische Maler Kasimir Sewerinowitsch Malewitsch mit seinem Bild „Das schwar- Roswitha Dautermann ist ze Quadrat auf weißem Grund“ (1915). Lehrbeauftragte an der Dieses Bild war ein Meilenstein in der Ortweinschule Graz Auffassung der Malerei, bündelte es doch und freischaffende Künstlerin. alle Farben in einem einzigen Feld, ohne www.keramikkunst.at Anspruch auf ein konkretes Bildmotiv. VON MICHAEL GRADISCHNIG Das Weiße Album! Welches Weiße Album? Als ich das erste Mal vom „Weißen fielen, war mir klar, dass ich richtig lie- Sangeskünstler zu hören. Die schwar- Album“ hörte, kam mir sofort die legen- gen muss. Denn bis zu dieser Schallplat- zen Scheiben der Wiener Sängerknaben däre Schallplatte von Bing Crosby „White te, die durch einen glücklichen Erwerb gaben sich abwechselnd mit bekann- Christmas“ in den Sinn. Was weiß man bei der Grazer Herbstmesse den Weg in ten Opernstars oder Kinderchören bei schon als Kind aus der Provinz in den frü- den elterlichen Haushalt fand, gab es in „O Tannenbaum“, „Stille Nacht“ & Co den hen 80ern? Und als dann noch Attribute der Vorweihnachtszeit nur die Klassiker Tonarm des Plattenspielers sprichwörtlich wie „Meilenstein in der Musikgeschichte“ der heimischen und deutschsprachigen in die Hand. Und dann kam „White Christ- 12 LEBENSKULTUR, DAS MAGAZIN - STADT FELDBACH
mas“! Und die Weihnachtsmusik war nicht die Beatles hier von ihren unterschied- zurück bringt. Die Beatles haben in ih- mehr wieder zu erkennen. Songs auf Eng- lichsten Seiten präsentierten und das ge- rer gemeinsamen Zeit kein konventio- lisch, wo wir die Texte zwar nicht wirklich macht haben, was sie für richtig hielten. nelles Weihnachtsalbum veröffentlicht, verstanden, aber das war egal. Eine ganz Sie düsten durch alle Stile des Pops der wie man es damals und heute von Bands andere Musik, die Schwung in die „Kekse- Zeit, mit Stopps bei Country, Blues, Hea- oder Interpreten gewohnt war und ist. backzeit“ brachte, zog ein. vy Metal, zerbrechlichen Akustikstücken, Sie produzierten zwar von 1963 bis 1969 Hollywoodschmalz bis zu Geräuschkolla- jeweils „Weihnachtsbotschaften“, die als Ähnlich dürfte es den Fans der Beatles er- Schallfolie an die Mitglieder der offizi- gangen sein, als sie vor 50 Jahren das da- ellen Fanklubs in Großbritannien und in mals neue Doppelalbum der nicht mehr so den USA versandt wurden. Darauf befan- ganz brav frisierten „Pilzköpfe“ hörten. den sich musikalische Beiträge und ge- Da war ich aber nicht dabei. Altersbe- sprochene Wünsche von den „Fab Four“. dingt erlebte ich bei den Beatles das glei- Aber ein Weihnachts-Album im Verkaufs- che Schicksal wie mit Elvis: Erst als einer laden? Fehlanzeige. Erst 2017 starteten starb (Elvis 1977 und John Lennon 1980), die Vermarkter des musikalischen Erbes kam ich bewusst mit deren Musik in Be- und notorischen Schnüffler nach ver- rührung. Mitte der 80er Jahre machte ich kaufsträchtigem Tonmaterial der Künst- Bekanntschaft mit den „klassischen“ Beat- ler den Versuchsballon, das limitierte les in Form der ersten Schallplatte als „Beatles Christmas Album“ mit 7 bunten Ostergeschenk, als das Cover von „Please Vinyl-Platten in aufwendiger Aufmachung please me“ (1963) hinter einem blühen- auf den Markt zu bringen. Viel mehr den Strauch im Garten hervorlugte. Ange- Weihnachtliches „made by Beatles“ gibt sichts meiner sehr bescheidenen Schall- es nicht. Es wären jedoch nicht die bei- platten-Sammlung wurde der Neuzugang den kongenialen Songschreiber Lennon rauf und runter gespielt, bis die Qualität und McCartney, wenn sie nicht auch für zu wünschen übrig ließ. Es folgte später den letzten Teil des Jahres unvergessliche noch ein Sampler mit den „größten Hits“, Musik geschrieben und gesungen hätten. aber das war‘s dann für lange Zeit. Beat- Nicht mehr im Vierer-Pack, aber als Solo- les kennt man nun doch, oder? künstler. John Lennon setzte mit „Happy Erst im CD-Zeitalter wurde mein Tonträ- gen. Da war alles dabei. Sie spielten mit Christmas (War Is Over)“ einen musikali- ger-Anteil der unfassbar erfolgreichen Bri- inhaltlichen Zweideutigkeiten, erfüllten schen Marker, und auch Paul McCartney ten um weitere Werke vergrößert. Und da keine musikalischen Konventionen und reihte sich mit „Wonderful Christmas kam auch das „Weiße Album“, nach dem lieferten auch kein aalglattes Konsum- Time“ in die Reihe der erfolgreichsten „Darf-in-der-Sammlung-nicht-fehlen“- produkt. Weihnachts-Schellen-Schüttel-Lieder. Motto, ins Regal. Ungehört gekauft, denn Eine heute ähnlich erfolgreiche Band man kannte ja die Beatles, und „Back in könnte sich das im aktuellen Musikge- Schon jetzt eine ruhige Vor-Vorweih- the USSR“ oder „Ob-La-Di, Ob-La-Da“ wa- schäft nicht mehr erlauben, denn da ist nachts-Vorbereitungszeit, denn lange ren wirkliche Klassiker. keine Zeit für musikalische Experimente wird der Start des alljährlichen Ein- und Aufnahmen, die mehr nach Party kaufs-Wettrennens nicht mehr auf sich Als das Abspielgerät zuhause seinen im Probenkeller als professioneller Ein- warten lassen. Merry Beatlemas! Dienst antrat, war der erste Song noch spielqualität klingen. Heute regiert der problemlos, aber was kam denn dann so Anspruch auf Perfektionismus bei der nach und nach in den Gehörgang? „Oh, Aufnahme, der Tonqualität, im Styling was ist da los?“, war einer der ersten Ge- und in der Vermarktung in der perfekten danken, und die musikalische Jugenderin- Zielgruppe. Da braucht es auch ein ausge- nerung an die Band mit den kreischenden klügeltes Cover und nicht nur ein schlich- Mädls und dem unvergleichlichen Chor & tes, unschuldiges „Weiß – wie Schnee“. Gitarrensound hatte hier einen schweren Tiefschlag erlitten. Manche Stücke haben Der uns wieder zu dem höchst erfolg- sich für mich heute auch noch nicht er- reichen Bing Crosby mit seinem weißen schlossen, aber wofür das Album auf je- Album, das bis heute auch in über 50 den Fall steht, ist der Umstand, dass sich Millionen Exemplaren verkauft wurde, 13
LEBENSKULTUR VON ELKE FLITSCH Zerrissenheit … und dann war dieser Songtext von Ihre großen dunklen Augen blicken mich der Öffentlichkeit gibt mir dieses kleine den Beatles, „Back in USSR“, geschrie- mit wahrhaft fühlbarer Traurigkeit an. Stückchen Stoff das Gefühl von Schutz ben 1968, in Anlehnung an „California Sie senkt ihren Kopf und richtet bedäch- und Sicherheit. Sag, wie kann ich es mei- Girls“ von den Beach Boys und den pa- tig ihre Kopfbedeckung „zurecht“. Keine ner und eurer Kultur recht machen?“ triotischen Song „Back in USA“ von Chuck einzige Strähne ihrer Haare ist auch nur Berry, der inhaltlich die Freude zum Aus- annähernd zu erkennen. Sie streicht sich Unbewusst berühre ich meine Halskette, druck bringt, wieder in der Heimat ange- sanft über das Kopftuch, als wäre es das die ich seit meinem 8. Lebensjahr Tag für kommen zu sein. Die Sehnsucht nach dem Haupt eines kleinen Kindes. Tag trage. Sogleich beschleicht mich das Wunsch und die Wirklichkeit. Dieser Lied- „Ich bin traurig“, entgegnet sie mir. ungute Gefühl, das in mir erwacht, wenn text erinnert mich an meine liebe Freun- „Weißt du, wie schwer es ist, allem ge- ich dieses Kettchen auch nur für wenige din Alaa, eine anmutige, junge, zierliche recht zu werden? Ich habe Angst, und da Zeit abnehme. Sicherlich kein guter Ver- Frau, die aus Syrien stammt. Gemeinsam ist diese erdrückende Zerrissenheit in mir gleich, für mich emotional gesehen ein mit ihrem Mann und den zwei kleinen – wie kann ich es schaffen, allem gerecht Ausnahmezustand, ohne diesen Nofrete- Töchtern wagte sie die Flucht nach Eu- zu werden?“ te-Anhänger, scheint‘s, bin ich nackt und ropa, in der Hoffnung auf ein Leben in „Was meinst du damit?“, entgegne ich ihr. schutzlos. Frieden und Freiheit. Eines unserer vielen „Weißt du, meine Liebe, ich bin dankbar „He, mache dir doch keine Gedanken, ich Treffen bestimmte das Wort Zerrissenheit, und glücklich, dass meine Familie und sehe sowieso nur dich, als Mensch und zwischen zwei Kulturen stehen und die ich eine neue Heimat gefunden haben, gute Freundin, außer das Kopftuch ist unendliche Sehnsucht nach den eigenen uns dieses Land aufgenommen hat. Ich in Farbe und Muster so grauenvoll, dass Wurzeln. sehe es als meine Pflicht, mich zu inte- ich es ansprechen muss. Selbst da musst grieren und so gut es geht, diesem Land du der Wahrheit ins Auge blicken und der und den Menschen etwas zurückzugeben, freundschaftlichen Kritik stand halten, einen Beitrag zu leisten. Ja, meine Fa- stimmt´s.“ milie hat einen positiven Asylbescheid Ich zwinkere ihr zu. erhalten, es drängt, dass wir ein guter „Wie sehne ich mich nach meiner Fami- und anerkannter Teil dieser Gesellschaft lie, meiner Stadt Damaskus und all dem werden. Aber …“, sie schaut mich ver- bunten Treiben, der großen Vielfalt. Es zweifelt an, „ich kann nicht nach vor und ist so anders hier“, erklärt sie. „Die Men- auch nicht zurück, glaube mir, ich habe schen sind höflich, hilfsbereit, aber dis- es versucht – mein Kopftuch für einige tanziert, nahezu misstrauisch. Nein, du, Zeit bewusst abgelegt. So sehr sich die gute Freundin, natürlich nicht – du bist anderen freuten und mich mit Begeiste- so offen und frei in deiner Begegnung rung und Zuspruch überschütteten, umso mit allen Menschen. Das tut gut, ich heftiger war manchmal die Reaktion danke dir dafür. Und du sprichst unsere innerhalb der Familie, der Freunde und Sprache, obwohl du sie nicht kennst, du Bekannten. Seit ich ein junges Mädchen bist was Besonderes. Weißt du, meine bin, ist diese Kopfbedeckung ein Teil gute Freundin, bei uns zu Hause ist im- meines Lebens, meiner Persönlichkeit, mer etwas los, man ist nie alleine, ein Zeichnung: Elisabeth Kieslinger meines Glaubens und meiner Kultur. In ständiges Kommen und Gehen von Ver- 14 LEBENSKULTUR, DAS MAGAZIN - STADT FELDBACH
wandten und Freunden. Manchmal sehr weithin sichtbar aufgezeigt, so einfach ist Alaa wirft ein, wie wunderschön es wäre, in anstrengend, aber im Grunde genommen die Botschaft. Keiner wird ausgegrenzt, unserer Stadt solche Bänke zu haben, die ist es genau das, was mir hier fehlt, was alle werden eingebunden und jeder ent- zur Kommunikation einladen. Da könnte ich brauche. Mit vertrauten Menschen den scheidet individuell für sich selbst, wann man seine Sprache trainieren und soziale Alltag verbringen und sich austauschen, es für ihn passt und wie lange. Informa- Kontakte knüpfen, ist sie begeistert. Ein- erzählen, diskutieren, lachen, aber auch tionen werden ausgetauscht, Neuigkeiten fach nur reden – völlig ungezwungen und streiten. Und nicht zu vergessen die Stille eingebracht, Probleme und Befindlichkei- weltoffen, mitten im Treiben der Stadt, als Kommunikation, diese mit anderen zu ten aufgezeigt. Somit fördert, gestaltet ein buntes Aufeinanderzugehen. Unge- genießen, weil es der richtige Moment ist. und erhält es die sozialen Beziehungen zwungene gute Gespräche, simple Em- Genau dort lade ich meine Batterien auf der Bewohner und Besucher. Was im Vor- pathie und unverhofft, dann und wann, und bekomme wieder Kraft und Energie. dergrund steht, ist der Mensch, ein vorur- vielleicht mit einem herzhaften Lachen All meine Sinne zehren von der Familie teilfreies offenes Miteinander aller Gene- bestückt, vermögen diese gelegentlich und dem Vertrauten.“ rationen und das bewusste Hier und Jetzt, den oft doch so einfachen oder tristen wo Lebensfreude und Kraft geschöpft wird. Alltag ein wenig zu erhellen. Plötzlich fällt mir dieser Bericht im Ein Zukunftsmodell aus grauer Vorzeit, „Du hast recht“, versichere ich ihr, „ein schweizerischen Fernsehen ein, ich er- wo Sprache erhalten und Kommunika- wenig reden und ein bisserl zuhören tut zähle meiner Freundin davon, sie hört mir tion für die Gesundheit förderlich gesehen uns allen gut. Ohne Vorbehalte, einfach interessiert zu. Von dem kleinen Berg- wird. auf Menschen zugehen und Begegnung dorf, wo jedes einzelne noch so kleine Ich muss unweigerlich schmunzeln, meine schaffen, mehr nicht. Die Alten haben viel Haus eine Bank vor dem Gebäude stehen Gedanken reisen in die Vergangenheit, ge- zu erzählen, die Jungen könnten sich in hat. Als Zeichen der Begegnung für Jung nau so ein Bankerl hat es auch in meinem Geduld üben.“ und Alt, ob krank, gesund, reich oder arm. Dorf gegeben. Gerne entsinne ich mich an „Was hältst du von Bänken in einer be- Das war selbstverständlich schon immer diesen Ort meiner Kinder- und Jugendzeit stimmten Farbe, die darauf hinweisen?!“, so, eine gesunde Tradition, erklären die zurück, was haben wir da gelauscht, ge- fragt Alaa. Bewohner. Heute würde man es wohl un- lacht und sicherlich fürs Leben gelernt, Wir müssen laut lachen. ter den Begriff der Erhaltung einer sozi- nicht nur von den Alten. Vielerorts sind „Das mit den bunten Bänken find ich eine al-kommunikativen Kompetenz engagier- bei uns in der Region diese Bänke oder gute Idee, gibt es die schon irgendwo?“ ter Mitbürger stellen. Sitzen die Menschen Sitzgelegenheiten leider hinter das Haus „Wahrscheinlich schon“, entgegne ich ihr. auf der Bank, so wird eindeutig die Bereit- verlegt worden, abgeschieden – reine Pri- schaft zum Reden, zum Tratschen, für alle vatsache. 15
LEBENSKULTUR ‚ VON WERNER KÖLLDORFER I m So Tired ... „ „ Oder: 50 Jahre „The Beatles / „The White Album ,1968 „I’m so tired, I haven’t slept a wink …“ jetzt, gefühlt eine ganze Nacht später, und schon gar nicht zu „Let it be“, ihrer Warum mir diese Zeile, diese Melodie gera- immer noch in der Warteschlange, keine „Abschiedsplatte“, dazu ist das Lied zu de jetzt einfallen und mich wie eine End- Information, keine Abfertigung, nichts … simpel, zu einfach gestrickt – na, dann losschleife nicht mehr loslassen? bleibt nur noch das „Weiße Album“, das Tbilissi/Tiflis, Flughafen, Sommer 2018, „I’m so tired, I haven’t slept a wink …“ ohne Titel, das aus 1968 … 50 Jahre sind’s nach zwei Wochen Erlebnisreise durch Ar- Was ist das eigentlich für ein Ohrwurm, her, ein ganzes Album mit nicht erkenn- menien und Georgien: Seit Stunden, seit der mir nicht aus dem Sinn geht, der mich barem Zusammenhang, einer Stärke, die Mitternacht warten wir auf unser Flugzeug, wohl den heutigen Tag begleiten wird, die Beatles früher so besonders machte. unseren Flug zurück in die Heimat – der wenn ich daran denke, was ich über das 1968, da waren die Stones, Bob Dylan, die Schalter ist offen, aber nichts geschieht. Funktionieren von solchen „Tagesmelo- Byrds, die Beach Boys, die Kinks in ihrer Ein letzter, anstrengender Tag in Georgien, dien“ weiß? Das ist ein Song der Beatles Entwicklung eigentlich schon an den Beat- im Norden an der Grenze zu Russland, zu aus einer späten Zeit ihrer Karriere, ich les vorbei, aber sie waren immer noch DIE Tschetschenien, ein langer, intensiver, glaube, es könnte, müsste … Von „Serge- Größten in ihrer Branche. Abschied in/von Tiflis, kein Schlaf (wozu ant Pepper“ ist es nicht, es muss später auch, wir fliegen um 3 Uhr früh) – und sein, für „Abbey Road“ passt’s auch nicht, Die Sonne geht bereits auf, wir sollten schon längst in Warschau sein, aber wenn’s in dem Tempo am Schalter weitergeht, kommen wir vor Mittag nicht einmal aus der Abfertigungshalle raus. Ob der Flieger überhaupt schon in Warschau gestartet ist? Beim Herflug hatten wir auch schon dort vier Stunden Verspätung, und das summiert sich dann … „I’m so tired, I ha- ven’t slept a wink, I’m so tired, my mind is on the blink, I wonder should I get up and fix myself a drink, no no no.“ Die Schlan- ge besser nicht verlassen, die reicht ja bis zum Halleneingang zurück – und noch ein- mal von vorn mit dem Anstellen anfangen? Nein, lieber durstig bleiben. Es muss sich ja einmal was bewegen … „I’m so tired, I haven’t slept a wink/…/ You know I can’t sleep, I can’t stop my brain …“ Die Größten in ihrer Branche, sie machten Pop erst mit all seinen Möglich- keiten salonfähig, weniger den aggressiven Rock oder die sexuell eindringliche Blues- tradition: Was waren das für regelrechte Kämpfe in meiner Schulklasse: hier die Be- atles-Fraktion, dort die Stones-Adepten. Ich war immer auf der Beatles-Seite, mit wie viel Herzblut wurden unsere Diskussio- 16 LEBENSKULTUR, DAS MAGAZIN - STADT FELDBACH
nen um die „größte und beste Band“ aus- erkennbare Klammer; die Farbe „weiß“ als pass me by“ zum Beispiel), durchaus guten getragen … Aber das „Weiße“? Im Prinzip Zeichen für das Unbeschriebene, nicht Be- Rock- und Blues-Titeln ganz deutlich nur nichts Großartiges, ein Sammelsurium von nennbare, weil man sich nicht einmal mehr ein Lied ein, das in seiner Spielweise weit guten und weniger guten, ja sogar fast läp- auf einen Titel, ein erkennbares Konzept, in die frühen Beatles-Jahre zurückreicht pischen Songs, mit nur wenigen absoluten Programm einigen konnte … und mir – auch wenn mir alle möglichen Highlights wie George Harrisons „While my Anlässe des Jahres 1968 dafür einfallen guitar gently weeps“. Das „I‘m so tired“ ge- „I’m so tired, I don’t know what to do, I’m – deshalb so gut gefällt: das liebliche „I hört definitiv nicht zu den unvergesslichen so tired, my mind is set on you.“ (Oh ja, an will“. Aber im Ohr ist mir hier und heute Melodien, auch wenn sie mich jetzt seit dich, meine Lebensfrau, an dich denke ich immer nur „I’m so tired“ – wie passend! Stunden so gnadenlos verfolgt. Die Beatles: auch – so viele Erinnerungen!) I wonder eine großartige Band? Ja, vielleicht immer should I call you but I know what you’d do .“ „I‘m so tired, I’m feeling so upset/Al- noch die größte aller Zeiten, aber weniger (Oh ja, auch daran, wie sehr mir in letzter though I’m so tired, I’ll have another ci- wegen ihrer Einzelteile, bei ihnen machte Zeit jemand fehlt, den ich gern neben, bei garette.“ (Na, die brauch ich nicht, ich die Summe der Einzelteile das Besondere mir hätte! Und wie erfolglos meine Gedan- komm auch so zurecht!) Es ist schon 7 Uhr aus: Drei schrieben Texte, vier sangen und ken immer wieder um eine für mich Uner- früh, wir sitzen im Flugzeug und … war- spielten ihre selbst komponierte Musik; reichbare kreisen!) Ach, dieses blöde Lied. ten. Der Anschlussflug ist jetzt schon in keiner war im Grunde formal oder auch Dass mir das auch heute einfallen musste! Warschau gestartet, hoffentlich kommen nur instrumental einzigartig, aber alle Dabei: Besser hätte es für die Situation gar wir wenigstens heute noch an unser Ziel. zusammen und alles zusammen war groß-, nicht passen können! Wenn’s so chaotisch weitergeht, dann ist war einzigartig. Das Paar John Lennon/ auch das nicht mehr sicher. Und dabei bin Paul McCartney brachte die Musik erst zum Und das übrige „Weiße“? Da gab’s doch ich wirklich schon nichts mehr als müde, Glänzen. Und das „Weiße“? Da spielten so herrliche Anspielungen wie „Revolution übernächtig, die Augen brennen, aber sie eben nicht mehr zusammen, da waren 1“, eine „Hommage“ an den Mai-Aufstand schlafen funktioniert auch nicht mehr, das bereits so viele Störfaktoren wirksam, vor 1968 in Paris, und das irritierende „Revo- kann heute ja noch heiter werden … allem Lennon und McCartney konnten nicht lution 9“, diese elektronische Chaos-Kom- mehr miteinander, da war zu viel passiert position, „Zufallsmusik“ mit freien Klang- „And curse Sir Walter Raleigh/He was such im privaten Bereich und im Management, assoziationen und einer enervierenden a stupid get.“ (He, was bedeuten eigent- sodass im Studio (erstmals in ihrem eige- Sound-Collage. (Hat da nicht der kalifor- lich diese Schlusszeilen? Wurscht, ein ty- nen „Apple“-Studio) vier Individuen meist nische Sekten-Guru Charles Manson einen pischer Lennon-Schlenker zum absurden allein an eigenen, individuellen Songs „he- Aufruf herausgehört, ein Blutbad anzu- Drüberstreuen!) rumwerkelten“, die sie dann nach quälend richten? Ich glaube, mich erinnern zu kön- Endlich geht’s los – und irgendwann wer- langen Experimentierzeiten mit Hilfe der nen.) Ich war ja gerade an der russischen de ich auch heimkommen; müde bin ich, anderen Bandmitglieder aufnahmen, aber Grenze: Auf dem Album ist doch auch ein unendlich, und die Beatles? Auch 1968 im- als eine zusammengehörige Gruppe fühl- Lied mit dem Titel „Back in the U.S.S.R.“ mer noch gut. Bin froh, dass ich auch das ten sie sich nicht mehr. Wie sagte John – hat aber nichts mit dem heutigen Putin- 1968er-Album hab. Und: War nicht die blö- Lennon einmal über dieses Album? „Dieses Russland, auch nicht mit dem Russland deste Aktion aus meinem Unterbewusst- Album war eigentlich ich mit Begleitband, nach 1989 zu tun; wie denn auch? Das Har- sein, die mir die Melodie „I’m so tired“ ins Paul mit Begleitband, George mit Begleit- rison-Highlight (effektiv!) „While my guitar Ohr geblasen hat … band … wir lösten uns damals eigentlich …“ mit all dem, was er in Indien zu seinem schon auf.“ Dass die Band nicht mehr die Gitarrespiel noch dazugelernt hatte, habe war, die im Jahr zuvor noch „Sergeant Pep- ich schon erwähnt, mir fällt neben harm- per“ schuf, das ist auf dem „Weißen“ auch losen Belanglosigkeiten („Obladi-Oblada“, zu spüren … „Weiß“ – ohne Titel, ohne „Honey Pie“, „Piggies“ oder gar erst „Don’t 17
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