Luca Caioli Cyril Collot - Verlag Die Werkstatt
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Im Text des Buches werden häufig nur die Maskulinformen der Substantive verwendet – damit sind in der Regel beide Geschlechter gemeint. Aus dem Französischen von Annika Klapper Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Auch als E-Book erhältlich: ISBN 978-3-7307-0526-1 © Luca Caioli, Cyril Collot 2020 Copyright der deutschen Ausgabe: © 2020 Verlag Die Werkstatt GmbH Siekerwall 21, D-33602 Bielefeld www.werkstatt-verlag.de Alle Rechte vorbehalten. Satz und Gestaltung: DIE WERKSTATT Medienproduktion GmbH Druck und Bindung: CPI, Leck ISBN 978-3-7307-0513-1
INHALT BORN IN THE U.S.A. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 DAS TRADITIONSBEWUSSTE AMERIKA . . . . . . . . . . 13 EINE GROSSE FAMILIE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 TOMBOY . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 ELK GROVE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 I’M GAY . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 PILOTS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 BEI DEN GROSSEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 DAS SCHWARZE LOCH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 CHICAGO, MON AMOUR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 ZWISCHENSTOPP IN SYDNEY . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 GETEILTES GOLD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
INTERNATIONALE BOTSCHAFTERIN . . . . . . . . . . 71 LACHEN UND WEINEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 ZURÜCK AN DIE WESTKÜSTE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 EIN RING FÜR DIE WELTMEISTERIN . . . . . . . . . . . . . . . 83 BADASS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 RESPEKT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 RIO DE JANEIRO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 EIN KLEINER GRUSS AN KAEPERNICK . . . . . . . . . . 105 WARUM ICH NIEDERKNIE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 WIEDERGEBURT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 WELTFRAUENTAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 RAPINOE VS TRUMP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 GEGENANGRIFFE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 ZUSAMMEN IST MAN WENIGER ALLEIN . . . . . . . . . 136 SCHON WIEDER WELTMEISTERIN . . . . . . . . . . . . . . . 140 STARKE WORTE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145
IKONE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 RÜCKKEHR NACH TACOMA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 GALAABEND IN DER MAILÄNDER SCALA . . . . . . 154 NULL PUNKTE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 BALLON D’OR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 MEGANSTAR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 ERFOLGE UND AUSZEICHNUNGEN . . . . . . . . . . 178 ABKÜRZUNGEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 DANKSAGUNG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 DIE AUTOREN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182
BORN IN THE U.S.A. Born down in a dead man’s town The first kick I took was when I hit the ground End up like a dog that’s been beat too much ‚Til you spend half your life just covering up Born in the U.S.A I was born in the U.S.A I was born in the U.S.A Born in the U.S.A Born in the U.S.A., Bruce Springsteen, 1984 2. Juli 2011. 18 Uhr. Rhein-Neckar-Arena, Sinsheim. USA gegen Kolumbien, viertes Spiel der Frauenweltmeisterschaft. Zur Halbzeit steht es 1:0 für die Amerikanerinnen. In der 12. Minute hat Heather O’Reilly einen Patzer von Liana Salazar ausgenutzt und die Frauen in Weiß in Führung gebracht. Nach dem Vollspannschuss in den Winkel stellt sich die gesamte US-Mannschaft in einer Reihe vor der Tribüne auf und salutiert. Adressaten des militärischen Grußes sind 350 Soldaten und Offiziere aus der Kaserne „Coleman Bar- racks“ und deren Angehörige, die aus dem 50 Kilometer entfernten 9
Mannheim angereist sind, um ihre Landsfrauen anzufeuern. Eine Geste der Dankbarkeit. Zu Beginn der zweiten Halbzeit wird Megan Rapinoe, Trikot- nummer 15, für Amy Rodriguez eingewechselt. Vier Minuten spä- ter bekommt die US-Amerikanerin einen Einwurf in der Hälfte der Kolumbianerinnen zugesprochen und schleudert den Ball weit ins Feld zu Lauren Cheney. Die Mittelfeldspielerin aus Indianapolis steht mit dem Rücken zum Tor und schüttelt mit einem schnellen Antritt ihre kolumbianische Bewacherin Kelis Peduzine ab. Cheney orientiert sich kurz, und als wäre der Spielzug einstudiert, bedient sie, ohne aufzuschauen, mit einem klugen Pass Rapinoe, die im Sprinttempo in den Strafraum durchgelaufen ist. Die platinblonde Spielerin lässt zwei Gegnerinnen aussteigen und setzt mit rechts zum Schuss an. Sandra Sepúlveda, Kolumbiens Nummer 1, steht zu weit vor dem Tor, um den harten Schuss halten zu können, der unter der Latte einschlägt. Mit ausgebreiteten Armen strebt „Pinoe“ – so nennen sie ihre Freunde – der Eckfahne entgegen, neben ihr Che- ney und O’Reilly. Sie schnappt sich ein dort stehendes Außenmik- rofon, klopft ein paar Mal dagegen, um zu sehen, ob es funktioniert, und singt dann aus voller Kehle: „Born in the U.S.A“. Lori Lindsey begleitet ihre Mannschaftskollegin auf der Luftgitarre. Schon immer hat Megan ihre Tore gefeiert. Das tat sie bereits, als sie noch nicht in ausverkauften Stadien spielte und sich vor lau- fenden Kameras in Szene setzte. Damals, als ihr noch keine Mas- sen zusahen, sondern nur ihre Eltern, die am Spielfeldrand standen. Das Zelebrieren von Toren ist Ausdruck ihrer Liebe zum Fußball, ihrer Leidenschaft im Spiel und des Spaßes, den sie daran hat. Es ist Teil ihres fröhlichen Wesens – halb Rampensau, halb Clown – und gehört irgendwie dazu; so dauert das Tor länger an und Megan tritt in Verbindung mit den Zuschauern, sie unterhält sie und lässt sie am Spiel teilhaben. Eine schöne Art, einen Höhepunkt des Spiels zu würdigen und ihm gleichzeitig den ernsten, gar heiligen Cha- rakter zu nehmen. Die junge Frau mit der 15 auf dem Rücken hat im Lauf ihrer Karriere eine Vielzahl Siegergesten erfunden. Einige davon, wie der angedeutete, abgeschossene Pfeil oder die Bock- 10
sprünge über ihre Mitspielerinnen, sind bei den Fans inzwischen Kult. Doch dieses Mal ist Megan Rapinoe noch weiter gegangen. Mit ihrer Interpretation des Springsteen-Songs präsentiert sie sich der Welt. Spontane Improvisation oder lang gereifter Plan? Natür- lich war dieser Schachzug im Vorhinein und mit großer Sorgfalt vorbereitet. Die Idee stammte von Lori Lindsey, eine von Megans Freundin- nen, die sie 2006 in Los Angeles während eines Trainingslagers der Nationalmannschaft kennenlernte. Damals machten sich die beiden über die mit Plüsch bezogenen Mikrofone an der Seitenlinie lus- tig, die wie Hunde oder irgendwelche fantastischen Wesen ausse- hen, jene seltsamen Teile, die man eigentlich immer zuerst umnietet, ehe man eine Ecke schießt. Schon damals meinten die zwei Frauen, es wäre doch lustig, eines Tages etwas in diese Außenmikros, die eigentlich zum Einfangen der Stimmung im Stadion bestimmt sind, hineinzurufen oder -zusingen. Und das taten sie. Das Timing hätte nicht besser sein können: Es ist zwei Tage vor dem 4. Juli, an dem Amerika seinen Unabhängigkeitstag feiert, den 235. Geburtstag der Vereinigten Staaten. Es ist Megans erste Weltmeisterschaft und ihr erstes (und auch letztes) Tor in diesem Turnier. Ein Tor, das allerdings weniger schwer wiegt, als Megans be- rühmte Hereingabe in der 122. Minute des WM-Viertelfinals gegen Brasilien in Dresden: Die Südamerikanerinnen führen 2:1 dank Marta, dem Star aus Rio de Janeiro. Cristiane, die Nummer 11 in Gelb, hält den Ball, weit weg vom eigenen Tor. Der Schiedsrich- ter kann jeden Augenblick abpfeifen und dem Abenteuer der US- Mannschaft so ein Ende bereiten, doch da gelingt es Ali Krieger, der gegnerischen Stürmerin den Ball abzunehmen. Krieger spielt zu Carli Lloyd, die Richtung Anstoßkreis läuft und nach links zu Megan Rapinoe passt. Die in der 55. Minute für Cheney eingewech- selte Kalifornierin führt den Ball am Fuß, hebt den Kopf und schaut in die Hälfte der Brasilianerinnen. Sie sieht nur Gelb und das grüne Trikot der Torhüterin. Von dort aus, wo sie sich befindet, kann sie Abby Wambach unmöglich sehen. Aber Megan weiß, dass die Stür- merin mit der Nummer 20 irgendwo dort wartet und auf den Ball 11
lauert. Also liefert Megan ihr mit links eine Vorlage aus über dreißig Meter Entfernung. Der Ball fliegt in die Richtung der Gegnerinnen, aber Wambach ist schneller. Sie hat das Missverständnis zwischen der brasilianischen Torhüterin und einer Verteidigerin antizipiert und erzielt per Kopf das 2:2! Eines der spektakulärsten und be- rühmtesten Tore in der Geschichte des amerikanischen Frauenfuß- balls, wodurch auch der Pass, der als Vorlage zu diesem Traumtor dient, entscheidend und unvergessen ist. Ein zentraler, magischer Moment, der das Schicksal, die Mentalität und die Geschichte der amerikanischen Nationalmannschaft für immer verändert. Im Elf- meterschießen besiegen die Amerikanerinnen die Brasilianerinnen mit 5:3. Im Halbfinale fegen sie Frankreich mit 3:1 vom Platz (mit zwei Torvorlagen von Megan) und stehen somit zum dritten Mal im Finale einer WM. Doch gegen Japan, das nur vier Monate zuvor von einem Tsunami heimgesucht und verwüstet worden ist, erlebt die amerikanische Frauennationalmannschaft eine bittere Enttäu- schung: Die USA verlieren das Finale im Elfmeterschießen und rei- sen traurig aus Deutschland ab. Trotzdem wird die Nationalmannschaft der Frauen bei ihrer Rückkehr begeistert empfangen. Millionen Fans haben die Erfolge der amerikanischen Fußballerinnen genau verfolgt. Jenes unver- gessliche Tor und die Vorlage aus dreißig Metern Entfernung der platinblonden Mittelfeldspielerin, die ohne Scheu Born in the U.S.A. ins Mikro schmetterte, sind ihnen noch heute präsent. 12
DAS TRADITIONSBEWUSSTE AMERIKA Achtung: Redding ist nicht gleich Kalifornien. Darauf hat Megan Ra- pinoe immer schon bestanden. Im Übrigen sagt sie von sich selbst nicht, dass sie aus Kalifornien kommt, sondern dass sie in Redding aufgewachsen ist, im Bundesstaat Kalifornien. Dieser feine Unter- schied ist wichtig, denn ihr Geburtsort hat nichts mit dem Postkar- ten-Kalifornien zu tun, das wir aus Film und Fernsehen kennen: In der Gegend von Redding gibt es keine Strände, keine Surfer, keine Palmen wie in Los Angeles, auch keine Straßenbahnen wie in San Francisco. Redding ist der Teil Kaliforniens, den der „Golden State“ anscheinend vergessen hat. Die Sonne scheint dort aber genauso viel. Hinter Yuma in Arizona belegt Redding Platz zwei der sonnen- reichsten Orte der USA. Doch hier findet man nicht die typische Landschaft der Westküste, sondern Berge, Flüsse, Seen, Wasserfälle, Grotten, Eichen- und Tannenwälder. Außerdem die Sundial Bridge, die Radfahrer und Fußgänger über den Sacramento River führt, das Gegenstück zur berühmten Golden Gate Bridge in San Francisco. Dieses Bauwerk des spanischen Architekten Santiago Calatrava wurde 2004 eröffnet und sollte den Tourismus in Redding ankur- beln. Hier ist nämlich nichts zu sehen von jenen Besuchermassen, die tagtäglich in Hollywoods Universal Studios strömen. Redding liegt im Shasta County, 250 Kilometer nördlich von Sacramento, 370 Kilometer nördlich von San Francisco, und auf halber Strecke der 900 Kilometer langen Interstate 5, die Los Angeles im Süden und Seattle im Norden miteinander verbindet. Dennoch ist Redding „das Kleinod Nordkaliforniens“, wenn man dem lokalen Tourismusbüro Glauben schenkt. Eine friedliche Stadt, landesweit für ihre „fesselnde Landschaft, die dynamische Wirtschaft, die freundlichen Einwohner, die Lebensqualität und die Sicherheit“ bekannt. Die Stadt wirbt damit, dass man hier sechzig Prozent günstiger als in San Francisco lebt. Kurz gesagt: Redding ist der perfekte Ort für Jugendliche und Rentner. Natürlich übertreibt die Stadt mit ihren Lobeshymnen ein wenig, aber vollkommen abwegig sind die Angaben nicht: Red- 13
RAPINOE VS TRUMP „I am not going to the f…ing White House.“ Megan Rapinoe Am 11. März 2019 reist David Hirshey, Journalist für die ameri- kanische Fußball-Hochglanzzeitschrift Eight by Eight (Untertitel: „Das Magazin, das dieses schöne Spiel verdient“), nach Paris, wo das neue Trikot der amerikanischen Frauennationalmannschaft präsentiert wird. Eine Gelegenheit, die Stars des US-Teams im Vor- feld der Weltmeisterschaft, die vom 7. Juni bis 7. Juli in Frankreich stattfinden wird, kennenzulernen. Von dieser Reise kehrt Hirshey, mit einer Reihe von Interviews und einer Zeitbombe zurück nach Amerika. Am 11. Juni 2019, als die Amerikanerinnen gegen Thailand ins Turnier einsteigen, veröffentlicht Eight by Eight auf seiner Webseite das drei Monate zuvor geführte Interview, in dem „Rapinoe, the visionary“ – so die Überschrift – die Vertreter der Staatsmacht in ihrem Land scharf angreift: „Man wird uns nie ins Weiße Haus ein- laden“, sagt sie. „Trump möchte es vermeiden, eine Mannschaft ein- zuladen, die Nein sagen könnte. Oder, wie er es bei den Warriors (das Basketball-Meistertam der Golden State Warriors, Anm. d. A.) 129
gemacht hat, die ihm absagten: Er tut so, als wären sie überhaupt nicht eingeladen worden.“ Etwas später verschärft sich Megans Ton: „Ich kenne nicht das Wahlverhalten aller Teammitglieder, aber ich hoffe, dass niemand für ihn gestimmt hat.“ Dieser Artikel ist jedoch nichts im Vergleich zu dem, was noch kommt. Zwei Wochen später, am Tag nach der Qualifikation der USA für das WM-Viertelfinale, veröffentlicht die Zeitschrift, die- ses Mal über die sozialen Netzwerke, ein Video des besagten Inter- views, das während der Präsentation der neuen Trikots aufgezeich- net wurde. Darin verzichtet Megan auf ihr sonst so freundliches Lächeln. Sie ist aufgebracht, angespannt und blickt mit ernstem Gesicht in die Kamera. Die Kalifornierin im weißen Trikot kommt gerade vom Fototermin, der in erster Linie Bildmaterial für Sponsoren und Verband liefern sollte. Während sie die Fußballschuhe aus- zieht, antwortet sie mit gesenktem Kopf ihrem Gegenüber. Der Journalist fragt Rapinoe, ob sie, sollten die USA das Finale gewin- nen, ins Weiße Haus gehen würde oder nicht. Voller Überzeugung erklärt Megan, ohne zu zögern und vollkommen emotionslos: „I am not going to the fucking White House. No, I am not going to the White House. We are not going to be invited. I doubt it.“ (Ich werde nicht in das verfickte Weiße Haus gehen. Nein, ich werde nicht ins Weiße Haus gehen. Wir werden nicht eingeladen werden. Ich bezweifele das.) Das halbminütige Video geht sofort viral. Am 25. Juni 2019 er- klärt Megan Präsident Donald Trump offen den Krieg … 130
GEGENANGRIFFE Auf diesen Affront der Nationalspielerin muss der Präsident reagie- ren. Megan hatte sich schließlich schon mehrere Provokationen er- laubt: Nach der Unterstützung Kaepernicks, der Weigerung, die amerikanische Nationalhymne zu ehren, indem sie niederkniete, und nachdem sie den zukünftigen US-Präidenten als „dumm, aber unterhaltsam“ 1 bezeichnet hatte, hielt sich die Mittelfeldspiele- rin auch im Gespräch mit der Webseite Yahoo Sport im Frühjahr 2019 nicht zurück. In einem Artikel des Autors Henry Bushnell erklärte Rapinoe, sie befinde sich „im permanenten Kampf gegen die Trump-Regierung“, und bezeichnete den obersten Vertreter der amerikanischen Exekutive in aller Deutlichkeit als „keinen guten Menschen“, als „sexistisch“, „frauenfeindlich“, „engstirnig“ und „rassistisch“. Donald Trump hatte auf diese kurzen, schnellen Attacken nicht sofort reagiert, sondern sie hingenommen und auf den richtigen Moment für den Gegenangriff gewartet. Dieser war mit dem von Eight by Eight während der Weltmeisterschaft veröffentlichten Video gekommen. Der Präsident erhielt die einzigartige Gelegen- heit, die respektlose Fußballerin vor der ganzen Welt zurechtzu- weisen und ganz nebenbei auch all seinen Kritikern aus der Welt des Sports in den USA eine Antwort zukommen zu lassen. Denn Megan war bei Weitem nicht die Einzige, die sich vom Weißen Haus abgewandt hatte. Seit der Milliardär aus New York im Jahr 2016 an die Macht gekommen war, breitete sich der Widerstand gegen Trump in der Sportwelt immer weiter aus. Der Protest be- schränkte sich nicht nur auf Colin Kaepernicks Unterstützung durch NFL- und NBA-Stars. Er griff über auf weitere Sportarten: So weigerte sich der Eiskunstläufer und LGBT-Aktivist Adam Rippon, nachdem er bei den Winterspielen 2018 in Südkorea die Bronzemedaille geholt hatte, Trump zu treffen. Das Baseballteam der Boston Red Sox fuhr im Mai 2019 mit einer Rumpfmannschaft nach Washington. Der in Puerto Rico geborene Red-Sox-Trainer Alex Cora und mehrere Spieler blieben zu Hause, um gegen die von 131
Trump verschärften Maßnahmen gegen illegale Einwanderung zu protestieren, die insbesondere die hispanische Community trafen. Dies war auch einer der Gründe, weshalb Megans enge Freun- din Alex Morgan, ebenfalls ein Star des amerikanischen Frauen- fußballteams, verheiratet mit einem Fußballprofi mexikanischer Herkunft, deutliche Worte fand, bevor sie nach Frankreich flog: „Ich stimme vielen Entscheidungen der aktuellen Regierung nicht zu“, erklärte die dreißigjährige Stürmerin in der Maiausgabe des Time Magazine, auf die Frage, warum sie eine mögliche Einladung ins Weiße Haus ablehnen würde. Am 26. Juni, 24 Stunden, nachdem das Eight by Eight-Video ver- öffentlicht worden war, kamen drei Tweets aus dem Weißen Haus. Donald Trump brauchte allerdings zwei Anläufe. Denn der ameri- kanische Präsident hatte etwas zu schnell gekontert. Wieder einmal hatte er die falsche Person „getaggt“ 2, und seine ersten Nachrichten waren auf dem Laptop einer Studentin aus Virginia, Fan der Spie- lerin, aber auch der K-Pop-Gruppe Red Velvet, gelandet. Die In- haberin des Twitter-Accounts @meganrapino, die ihr Konto später mit Sinn für Humor in not megan rapinoe umbenannte, ließ es sich nicht nehmen, Trump in spöttischem Ton zu antworten: „Sie [Rapinoe, Anm. d. A.] hat das [sie würde nicht ins Weiße Haus gehen, Anm. d. A.] zu Recht gesagt, also hör auf zu jammern. Und im Übrigen ist das hier nicht mal ihr Account!“ „@realDonaldTrump: Wenn du aber auf Red Velvet abfährst, dann bist du hier richtig.“ Trump hielt sich daraufhin bedeckt: Diskret löschte er seine drei Posts und korrigierte die Adressatin, sodass er wenige Stunden spä- ter die richtige Megan, seine Kontrahentin, taggte: „Die Frauenfußball-Spielerin Megan Rapinoe hat gerade gesagt, dass sie nicht ins verfickte Weiße Haus kommen will, falls wir gewin- nen. Mit Ausnahme der NBA, die Verhandlungen mit den Besitzern der Mannschaften verweigert hat, kommen Eigentümer (bitte weist sie darauf hin, dass ich gerade die Criminal Justice Reform durch- gebracht habe, dass sich die Arbeitslosigkeit der Schwarzen und der Armutsindex auf historischem Tiefststand befinden), Verbandver- 132
treter und Teams gerne ins Weiße Haus. Ich bin ein großer Fan des amerikanischen Teams und des Frauenfußballs, aber Megan sollte erst einmal GEWINNEN, bevor sie REDET! Macht einfach euren Job! Wir haben Megan und das Team noch nicht eingeladen, aber hiermit lade ich das TEAM jetzt ein, egal, ob sie gewinnen oder verlieren. Megan sollte niemals unser Land, das Weiße Haus oder unsere Flagge respektlos behandeln, besonders, da so viel für sie und ihr Team getan wurde. Seid stolz auf die Flagge, die ihr tragt. Die USA schlagen sich GROSSARTIG!“ Megan schweigt angesichts dieser drei Tweets umfassenden Tirade. Zwei Tage vor dem WM-Viertelfinale gegen Frankreich bleibt keine Zeit für Polemik 3. Sie sieht einfach zu, wie Donald Trumps Umfeld und seine Unterstützer sich in den sozialen Netz- werken austoben. 48 Stunden lang wird die Nummer 15 von allen Seiten mit Schmähungen bombardiert: Die Kabinettsmitglieder des Präsidenten wie auch einer seiner engsten Mitarbeiter, David Wohl, gehen mit ihr hart ins Gericht: „Sie meint, sie sei hip, nur weil sie Trump gegenüber respektlos ist. Es stimmt einen einfach traurig, dass dieses Team die unsportlichste, arroganteste und widerlichste Gruppe von Sportlern ist, die ich je gesehen habe. Wirklich beschämend!“ Andere, wie die Schauspielerin Kristy Swanson, die 1991 in der Komödie Hot Shot mitspielte, belehren die Fußballerin: „Er hat recht, Megan, du solltest da wirklich drü- ber nachdenken. Als Beispiel: Ich selbst habe nicht für Präsident Bill Clinton gestimmt und war mit vielem, was er tat, nicht einver- standen, aber als ich ins Weiße Haus eingeladen wurde, empfand ich das als Ehre und bin voller Stolz hingegangen.“ Und dann gibt es da noch die Kommentare von hunderten Amerikanern, die im Minutentakt auf die Tweets des Präsidenten reagieren: „Sie ver- dient es nicht, in der Mannschaft zu sein oder ins Weiße Haus zu gehen. Sie ist kein gutes Beispiel für den amerikanischen Sport. Ihre Eltern schämen sich bestimmt für sie“, schreibt Jack Force, ein Rentner aus dem kleinen Ort Annville in Pennsylvania. Claire Reiss, ebenfalls Unterstützerin der Republikaner, setzt noch einen drauf: „Ohne unser Land könnte Megan gar nicht an diesem Tur- 133
nier teilnehmen! (…) Und es gibt nichts Schlimmeres als Un- dankbarkeit!“ Mitten in dieser bedrückenden Atmosphäre müssen sich die Amerikanerinnen darauf einstellen, die Französinnen auf dem Rasen des Pariser Parc des Princes am 28. Juni 2019 zu schlagen. Die Titelverteidigerinnen dürfen sich in diesem Viertelfinale gegen eine der besten Mannschaften dieser WM-Endrunde keinen schwa- chen Tag erlauben – noch dazu ist Frankreich das einzige Team, gegen das sie in der Vorbereitung auf das Turnier verloren haben 4. Megan denkt nur an eines: ihre persönliche Revanche. Bereits in der 5. Spielminute schnappt sie sich das Leder, um einen Freistoß von der Strafraumgrenze aus zu treten. Ihr trockener Schuss mit rechts geht Richtung Tor. Der Ball findet seinen Weg durch einen Wald von Beinen hindurch und überrascht Sarah Bouhaddi, die französische Torhüterin, der die vielen Spielerinnen im Strafraum die Sicht versperren. Es steht 1:0. Anschließend läuft die Nummer 15 bis zur Eckfahne, bejubelt ihr Tor vor der Tribüne in der Pose einer griechischen Statue: mit emporgereckten Armen, geschwell- ter Brust und stolzem Blick! „Das war der vollkommene Ausdruck meiner selbst“, erklärt die Fußballerin später gegenüber dem Maga- zin Sports Illustrated, „so eine Art F… You, aber mit einem breiten Lächeln und dem Ausdruck unbändiger Freude.“ Diese eindrucksvolle Geste, ein Tor zu feiern, die Megan zum ersten Mal im April 2019 gegen Australien zeigte, wird „The Pose“, ein neuer Akt des Widerstandes und des Protests gegen die Trump- Regierung. Einige gehen sogar so weit, eine Parallele zu einer Szene im Kultfilm Gladiator des Regisseurs Ridley Scott aus dem Jahr 2000 zu ziehen. Im actiongeladenen Historienstreifen des Regis- seurs Ridley Scott aus dem Jahr 2000 provoziert der Held, gespielt von Russell Crowe, am Ende eines epischen Kampfes den Kaiser, verkörpert von Joachim Phoenix: „Habt Ihr noch nicht genug? Habt Ihr Euch nicht ausreichend vergnügt?“, schleudert der Sklave Maximus Decimus dem ehrgeizigen, bösen Kaiser Commodus ent- gegen, nachdem er dessen beste Gladiatoren allesamt bezwungen hat. 134
Am 28. Juni 2019 in Paris hat Megan Rapinoe noch nicht genug! Als linke Flügelspielerin erzielt sie nach der Pause noch einen Tref- fer. In der 65. Minute schließt sie eine schöne Kombination von Alex Morgan und Tobin Health erfolgreich ab. Die Kalifornierin taucht plötzlich am hinteren Pfosten auf in Erwartung einer Flanke. Sie hat alle Zeit der Welt: Sie kann sich den Ball zurechtlegen, zur Torhüterin schauen und mit einem unhaltbaren, platzierten Schuss das 2:0 erzielen. Diesmal entlädt sich die Spannung in einem wü- tenden Schrei. Wieder ein packendes Bild, und diese neue Geste nach einem Tor erobert, wie die erste, sofort die sozialen Netzwerke. Hunderte User machen sich einen Spaß daraus, Megans Posen zu benutzen, um Donald Trump lächerlich und sich über ihn lustig zu machen. Megan kommentiert das nicht weiter. Nach dem 2:1- Sieg im Viertelfinale spricht „Pinoe“ lieber über das Geschehen auf dem Spielfeld und möchte sich bei den Franzosen zurückmelden: „Heute Abend war wun-der-bar!“, erklärt sie in der Sprache Zida- nes. Und etwas später schickt sie eine erneute Spitze in Richtung Trump. Im Gespräch mit einem Journalisten, der sie zum Thema Gay Pride befragt, sagt sie: „Man kann kein großes Turnier ohne Homosexuelle in der Mannschaft gewinnen.“ 1 Im Oktober 2015 bezeichnet Megan Rapinoe auf der Webseite The Players Tri- bune Donald Trump als „Jerk but entertaining“. 2 Donald Trump machte diesen Fehler bereits vorher, insbesondere 2017, als er den Twitter-Account seiner Tochter Ivanka mit dem einer Engländerin aus Brigh- ton verwechselte. 3 Megan Rapinoe äußert sich zu ihrer Haltung bei der Pressekonferenz am Vortag der Partie USA – Frankreich: „Ich stehe zu dem, was ich gesagt habe, und wie- derhole meine Absicht, im Falle eines Sieges im Finale nicht ins Weiße Haus zu gehen. (…) Ich möchte keine Regierung treffen, die nicht so denkt wie wir und nicht für dieselben Ziele wie wir kämpft.“ 4 Am 19. Januar 2019 unterliegen die USA Frankreich in einem Freundschaftsspiel in Den Haag mit 1:3. Die Amerikanerinnen setzen die Vorbereitungsphase für die WM im Anschluss daran mit sieben Siegen und zwei Unentschieden fort. 135
ZUSAMMEN IST MAN WENIGER ALLEIN Megans Leistung im Spiel gegen die Bleues hat ihre Popularität gesteigert. Ihr Aufbegehren gegen die amerikanische Regierung sorgte ferner dafür, dass sich sowohl die internationalen Medien als auch die breite Öffentlichkeit intensiver mit der Kalifornierin befassen. Darüber hinaus rief ihre heftige Auseinandersetzung mit Do- nald Trump nicht nur die Fans des Milliardärs auf den Plan, son- dern inspirierte auch viele Unterstützer und Unterstützerinnen der Fußballerin dazu, sich deutlicher in der Öffentlichkeit zu äußern und zu positionieren: Angefangen bei ihren Teamkolleginnen, die Megan nach ihren beiden Toren gegen Frankreich sofort demonst- rativ umringten – bis hin zu Nationaltrainerin Jill Ellis und einigen Spielerinnen, die in Interviews klar Partei für Megan nahmen. So wartete etwa die Außenverteidigerin von Orlando Pride, Ali Krie- ger, nicht erst bis zur Qualifikation für das WM-Halbfinale, um Donald Trump zu attackieren: „Ich stehe hinter Megan Rapinoe, und zwar so lange wie nötig. Ich stelle mich gegen diese Regierung und ihren Kampf gegen die LGBT-Community, gegen die Immi- granten und gegen all die Menschen, die am verletzlichsten sind.“ Auf der anderen Seite des Atlantiks, in New York, ergreift Ale- xandria Ocasio-Cortez, aufsteigende Politikerin der Demokraten, das Wort. „Es ist zwar nicht das Weiße Haus, aber wir würden uns freuen, Megan Rapinoe und alle [Nationalspielerinnen, Anm. d. A.], sofern sie denn möchten, im Repräsentantenhaus zu begrüßen“, bot die junge, progressive Abgeordnete an. Sofort nahm die Co-Ka- pitänin der Nationalmannschaft diese Einladung an. Megan kann sich zudem auf ihre Familie verlassen. Denise, ihre Mutter, und Rachael, ihre Zwillingsschwester, sind nach Frank- reich gereist. Sie werden bis zum Ende des Turniers nicht von ihrer Seite weichen. Jim, ihr Vater, musste nach der Gruppenphase in die USA zurückkehren, um sich um Granda Jack zu kümmern. Dafür schickt er seiner Tochter jeden Tag eine Nachricht, die ihr Mut machen soll: „Auch wenn ich nicht all ihre Auffassungen teile [er 136
stimmte 2016 für Donald Trump, Anm. d. A.], war ich noch nie so stolz auf Megan, auf die Frau, die Sportlerin und die Anführerin, die sie geworden ist“, berichtet er mit Tränen in den Augen einem Journalisten der englischen DailyMail, der ihn in Redding besucht hat. Megans Bruder Brian verfolgt die großen Erfolge seiner klei- nen Schwester aus der Ferne. Zwar ist ihm gestattet, das letzte Jahr seiner laufenden Gefängnisstrafe auf freiem Fuß zu verbringen, aber Brian darf die USA nicht verlassen. Und dann ist da noch die wertvolle Unterstützung von Sue Bird. Sie und Megan teilen dieselben Werte, obgleich ihre Persönlich- keiten grundverschieden sind wie Feuer und Eis: Während „Megan Googles“ – der Spitzname, den Sue Bird ihrer Freundin gegeben hat – sich kopfüber in Sachen stürzt und ihrem Instinkt folgt, ist die amerikanisch-israelische Basketballspielerin das absolute Gegen- teil. Sie überdenkt ihre Entscheidungen gründlich und wägt ab, bevor sie handelt. Die große, langhaarige Brünette ist zurückhal- tend. Das heißt allerdings nicht, dass sie keine starke Persönlichkeit ist. Donald Trump bekam das eindeutig zu spüren. Als der Präsident öffentlich ihre Freundin angriff, beschloss Sue Bird, ihre Reserviertheit dieses Mal abzulegen: „Wir erlebten eine neue Sue: befreit durch ihr Coming-out und selbstsicherer durch die Beziehung mit Megan“, erklärt Mechelle Voepel vom TV-Sen- der ESPN, Expertin für die WNBA und den amerikanischen Frau- ensport. „Sie scheute die polemische Auseinandersetzung nicht länger und hatte nun den Mut, mit lauter Stimme das zu sagen, was ihr auf dem Herzen lag.“ Sue Bird verfasste einen langen offenen Brief mit der wenig zu- rückhaltenden Überschrift „Der Präsident hasst meine Freundin also zutiefst“, wobei sie den richtigen Moment für die Veröffentli- chung abpasste. Die dreifache WNBA-Meisterin wartete nämlich, bis die Spielerinnen von Jill Ellis das Viertelfinale gegen Frankreich gewonnen hatten, und äußerte das, was sie bewegte, erst vier Tage danach auf The Players Tribune. „Ich habe es dem Chefredakteur dieser Seite ja gesagt: Damit ich noch mal etwas schreibe, müsste schon der Präsident der Vereinig- 137
ten Staaten auf Twitter Hasskommentare en masse gegen meine Freundin posten, während sie die Werte von Fußball, Frauensport, Equal Pay, Gay Pride und wahrer Liebe verkörpert. Das alles, und dann ist sie noch imstande, zwei wunderschöne Tore gegen Frank- reich zu erzielen und die amerikanische Nationalmannschaft somit ins Halbfinale zu führen … Ich wollte eigentlich nicht mehr schrei- ben. Aber ich halte mein Wort. Also los … (…) Ich werde erst einmal auf die wahrscheinlich wichtigste eurer Fragen antworten: Wie ist das, wenn sich der Präsident der Vereinigten Staaten gegenüber deiner Freundin wie ein unreifer Teenie verhält? Hmmm, na ja … das ist in der Tat seltsam. Und ich muss zugeben, ich bin deswegen leicht ausgeflippt. Doch ihr müsst wissen, ich teile dieselben politischen Überzeugungen wie Megan. Nach dem Titelgewinn mit Seattle in der WNBA in der letzten Sai- son stand überhaupt nicht zur Diskussion, dass wir in das (f*cking) Weiße Haus gehen! (…) Und zu Megan nur so viel: Mannomann … Der kann niemand etwas anhaben … Diese Frau wird ihr Ding durchziehen, in ihrer Wahnsinnsgeschwindigkeit, in ihrem irren Tempo, und sie wird sich bei niemandem entschuldigen. Als letzte Woche die ganze Trump-Geschichte losging und Megan völlig ruhig und cool blieb, da muss ich sagen, auch wenn es komisch klingt, das war wahr- scheinlich die in meinen Augen einzig normale Sache an dem Gan- zen. Das war kein glücklicher Zufall. Und auch nichts Neues. Für mich zeigt das einfach, dass Megan sich selbst sehr gut kennt. Sie hat immer Selbstvertrauen gehabt … Doch das heißt nicht, sie habe keine Gefühle. Sie ist dennoch sehr sensibel wie andere auch – viel- leicht sogar zu sensibel! Sie hat nur gerade erst herausgefunden, wie sie diese Sensibilität für sich nutzen kann. Und ebendiese Sensibilität bringt sie dazu, sich für andere ein- zusetzen. Sich niederzuknien. Die Megan, die ihr während dieser Weltmeisterschaft erleben werdet, ist eine noch stärkere Frau, als die, die sich in der Vergangenheit niedergekniet hat. All die Dro- hungen, all die Kritik, all die Beleidigungen trugen dazu bei, dass sie jetzt all die Arschlöcher dieser Welt nicht an sich heranlässt … 138
Ich denke, indem sie versucht, anderen zu helfen, hat Megan ihre Persönlichkeit gestärkt. (…) Ach ja, ich sollte ja einen Tipp abgeben! (…) Im ersten Halb- finale glaube ich schon, dass diese Amerikanerinnen England mit 2:0 schlagen werden. Ich hab das Gefühl, da passiert gerade was, und der Sturm ist brandgefährlich … Also tippe ich auf die USA. (…) Im anderen Halbfinale … nun, da werde ich meine Quellen nicht nennen, aber ich habe die Info, dass die Niederlande stark unterschätzt werden. (…) Somit sage ich, auf geht’s, Niederlande, Sieg mit 2:1.“ 139
Die außergewöhnliche Geschichte von Megan Rapinoe. Weltfußballerin. Olympiasiegerin. Zweifache Weltmeisterin. Wie keine andere verbindet die Amerikanerin hohe Fußballkunst mit glasklaren politischen Stellungnahmen gegen Rassismus, Diskriminierung und Donald Trump. Rapinoe ist die Ikone eines Aufbruchs: eine lesbische weiße Frau, deren Ziele weit über die Blase Profifußball hinausragen. ISBN 978-3-7307-0513-1 VERLAG DIE WERKSTATT
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