Managementplan UNESCO-Weltkulturerbe Stiftsbezirk St. Gallen 2017- 2020 2017- 2020
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Zusammenfassung Im vorliegenden Managementplan legen die Hauptträger des Stiftsbezirks St. Gallen – der Katholische Konfessionsteil des Kantons St. Gallen, der Kanton St. Gallen und die Stadt St. Gallen – dar, wie sie gemeinsam den aussergewöhnlichen universellen Wert des UNESCO-Weltkulturerbes schützen und pflegen. Sie konkretisieren damit den in der Exekutivvereinbarung vom 15. Januar 2015 zum Ausdruck gebrachten Willen, dieser Verpflichtung gemeinsam und partnerschaft- lich nachzukommen. Der Managementplan enthält eine Beschreibung des Weltkulturerbes und seiner Werte, eine Zusammenfassung der Schutzinstrumente und eine Darstellung des Verwaltungssystems. Mit der Formu- lierung von Zielen und Massnahmen für die Jahre 2017 bis 2020 ist der Managementplan auch Grundlage für die Planung und Durch- führung von gemeinsamen und nicht gemein- samen Aufgaben und Massnahmen.
Vorwort Das Ensemble des Stiftsbezirks St.Gallen ist eine einzigartige Schatzkammer der europäischen Überlieferung und gleichzeitig ein herausragendes Denkmal barocker Baukunst. Die Stiftskirche, heute Kathedrale, die Stiftsbibliothek und das Stiftsarchiv, die alle Zeugen der Abtei St. Gallen sind, bilden zusammen mit der Neuen Pfalz, den weiteren Gebäuden und dem Klosterhof sowie den Kulturgütern des ehemaligen Klosterbezirks ein kulturgeschichtliches und archi- tektonisches Ganzes, das seinesgleichen sucht. Die frühe Aufnahme in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes im Jahr 1983 hat diese Tatsache unterstrichen. Der Stiftsbezirk ist ein Lebens- und Arbeitsraum mit vielfältigen Nutzungen, die dem klösterlichen Erbe verpflichtet sind, ein Ort der Spiritualität, der Kultur, der Überlieferung, der Bildung, der Wissenschaft, des demokratischen Lebens, der Verwaltung und der Rechtsprechung. Er ist eine Sehenswürdigkeit ersten Ranges, von grosser Bedeutung für die Identität der Bevölkerung und wichtigster touristi- scher Anziehungspunkt der Region. Seit der Aufhebung der Fürstabtei St. Gallen 1805 wird das Erbe des Klosters vom Katholischen Konfessionsteil des Kantons St. Gallen, vom Kanton St. Gallen, von der Stadt St. Gallen und von den weiteren Eigentümern sorgfältig und mit grossem Aufwand gepflegt. Wie auch andere früh ins Verzeichnis der UNESCO auf- genommene Welterbestätten verfügte der Stiftsbezirk jedoch bisher nicht über einen ausformulierten Managementplan, wie er seit dem Jahr 2005 in den Richt- linien für die Durchführung des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt gefordert wird. Dies wird mit dem vorliegenden Doku- ment nachgeholt. Der Managementplan für das UNESCO-Weltkulturerbe Stiftsbezirk St. Gallen gibt eine Übersicht über den Bestand an Bauten und Kulturgütern und beschreibt die für das Weltkulturerbe wesentlichen Institutionen. Er zeigt zu- dem die bestehenden rechtlichen Schutzinstrumente sowie die Verantwortlich- keiten und die gemeinsamen Verwaltungsinstrumente der Eigentümer und weiteren Beteiligten auf. An einem vielgestaltigen und lebendigen Ort wie diesem gibt es immer Handlungsbedarf. Dieser wurde bei der Erarbeitung des Managementplans in einem offenen Prozess erhoben und es wurden Ziele und Massnahmen für die nächsten Jahre formuliert. Mit einem davon abgeleiteten Massnahmenpaket für die Jahre 2017 bis 2020, welches den Managementplan ergänzt, wird sicherge- stellt, dass das Weltkulturerbe Stiftsbezirk den nötigen Schutz erhält und sich optimal und nachhaltig entwickeln kann. Der Managementplan wurde von den drei Hauptträgern des Weltkultur- erbes gemeinsam beschlossen und soll als Koordinations- und Führungsinstrument in Zukunft alle vier Jahre aktualisiert werden. Er ist ein wichtiges Instrument, um den aussergewöhnlichen universellen Wert, den das Weltkulturerbe hat, langfristig zu erhalten, zu pflegen und zu vermitteln. Wir danken allen Beteiligten für die gemeinsam erbrachte Arbeit und übergeben den Managementplan für unser Weltkulturerbe mit Freude und Stolz allen, die dafür Verantwortung tragen, und der breiten Öffentlichkeit. Martin Gehrer Martin Klöti Thomas Scheitlin Administrationsrats- Regierungsrat, Vorsteher Stadtpräsident präsident des Katholischen des Departementes von St. Gallen Konfessionsteils des Innern des Kantons St. Gallen des Kantons St. Gallen
Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 11 1.1 Ausgangslage 12 1.2 Begriffe 12 1.3 Ziele des Managementplans 13 1.4 Zusammenfassung des Verwaltungssystems 13 1.5 Zur Erarbeitung des Managementplans 14 2 Beschreibung des Weltkulturerbes Stiftsbezirk St. Gallen 17 2.1 Das «Statement of Universal Value» 18 2.2 Baudenkmäler 20 2.2.1 Baudenkmäler des Weltkulturerbes 20 2.2.2 Pufferzonen 21 2.3 Archäologische Denkmäler 22 2.3.1 Perimeter des Weltkulturerbes 23 2.3.2 Pufferzone 23 2.4 Bewegliche Kulturgüter des Weltkulturerbes 24 2.4.1 Stiftsbibliothek 24 2.4.2 Stiftsarchiv 25 2.4.3 Weitere bewegliche Kulturgüter aus der Klosterzeit 26 2.5 Die Nutzung des Stiftsbezirks 27 3 Rechtliche Schutzinstrumente 29 3.1 Völkerrecht 30 3.2 Bundesrecht 32 3.3 Kantonales Recht 35 3.4 Staatskirchenrecht und Kirchenrecht 38 3.5 Kommunales Recht 39 3.6 Soft Law 41 4 Verwaltungssystem 43 4.1 Hauptträger 44 4.1.1 Katholischer Konfessionsteil des Kantons St. Gallen 44 4.1.2 Kanton St. Gallen 45 4.1.3 Stadt St. Gallen 46 4.2 Weitere wichtige Akteure 47 4.2.1 Bistum St. Gallen 47 4.2.2 Dompfarrei St. Gallen 47 4.2.3 Katholische Kirchgemeinde St. Gallen 47 4.2.4 St. Gallen-Bodensee Tourismus 47 4.2.5 Bund 49 4.2.6 Weitere Akteure 49 4.3 Exekutivvereinbarung 49 4.4 Verein Weltkulturerbe Stiftsbezirk St. Gallen 50 4.4.1 Zweck und Aufgaben 50 4.4.2 Mitglieder und Organe 51 4.4.3 Geschäftsstelle 51 4.4.4 Finanzierung 51
5 Ziele und Massnahmen 53 5.1 Rechtliche Schutzmassnahmen 54 5.2 Erschliessung und Erforschung 56 5.3 Erhaltung und Schutz 57 5.4 Kommunikation, Vermittlung und Tourismus 59 5.5 Organisation und Koordination 60 6 Umsetzung und Aktualisierung des Managementplans 63 6.1 Umsetzung des Managementplans 64 6.2 Aktualisierung des Managementplans 65 7 Anhang 67 7.1 Abkürzungen 68 7.2 Grundlagen und Quellen 68 7.3 ICOMOS Empfehlung für Aufnahme in die Welterbeliste (1983) 69 7.4 Statement of Outstanding Universal Value (2013) 69 7.5 Vereinbarung über den Schutz und die Pflege des Weltkulturerbes 71 7.6 Statuten des Vereins «Weltkulturerbe Stiftsbezirk St. Gallen» 73
1 Einleitung Der Managementplan des Stiftsbezirks erläu- tert auf transparente Weise, wie der ausserge- wöhnliche universelle Wert des Weltkultur- erbes geschützt wird. Er ist zudem Grundlage für die gemeinsame Planung der Hauptträger des Stiftsbezirks für die Jahre 2017 bis 2020. Der Managementplan ist in einem breit abge- stützten und offenen Prozess erarbeitet worden. 11
1 Einleitung 1.1 Ausgangslage 1.2 Begriffe Der Stiftsbezirk St. Gallen wurde 1983 in die Liste der Aufgaben- und Massnahmenplanung UNESCO-Welterbestätten aufgenommen. Der Titel Welt- Planung für die Jahre 2017 bis 2020, die aus dem Kapitel kulturerbe ist nicht nur eine Auszeichnung, sondern «5 Ziele und Massnahmen» (Seite 53 ff.) abgeleitet ist. Enthält auch eine grosse Verantwortung. Im «Übereinkommen Ziele, Einzelmassnahmen, Projektbeteiligte (insbesondere zum Schutz des Kultur- und Naturgutes der Welt» federführende Stellen), Projektlaufzeit und Kostenschätzung. (UNESCO-Konvention 1972) verpflichten sich die Ver- Die Aufgaben- und Massnahmenplanung ist Teil des Um- tragsparteien, auf die Etablierung, Weiterentwicklung setzungsprozesses des Managementplans, vgl. Kapitel «6 Um- und Einhaltung angemessener, wirksamer und lang- setzung und Aktualisierung des Managementplans» fristiger Massnahmen für den Schutz und die Erhaltung (Seite 63 ff.). des aussergewöhnlichen universellen Werts des Welt- kulturerbes sowie seiner Unversehrtheit und Echtheit Exekutivvereinbarung hinzuwirken. «Vereinbarung über den Schutz und die Pflege des Weltkultur- Die Exekutiven des Kantons St. Gallen, des Katholi- erbes Stiftsbezirk St. Gallen», unterzeichnet am 15. Januar schen Konfessionsteils des Kantons St. Gallen und der 2015 von der Regierung des Kantons St. Gallen, vom Admini- Stadt St. Gallen haben am 15. Januar 2015 eine «Vereinba- strationsrat des Katholischen Konfessionsteils des Kantons rung über den Schutz und die Pflege des Weltkultur- St. Gallen und vom Stadtrat der Stadt St. Gallen, vgl. Abschnitt erbes Stiftsbezirk St. Gallen» (Exekutivvereinbarung) ab- «4.3 Exekutivvereinbarung» (Seite 49 f.) und für den Wort- geschlossen. Die Vereinbarung bezweckt namentlich laut Abschnitt «7.5 Vereinbarung über den Schutz und die die Sicherstellung der Zusammenarbeit zwischen den Ver- Pflege des Weltkulturerbes» (Seite 71ff.). tragsparteien zum Schutz und zur Pflege des UNESCO- Weltkulturerbes Stiftsbezirk St. Gallen nach den Vorgaben Hauptträger des internationalen und nationalen Rechts. Katholischer Konfessionsteil des Kantons St. Gallen, Kanton Für die Erreichung der gemeinsamen Ziele wird u. a. St. Gallen und Stadt St. Gallen, vgl. Abschnitt «4.1 Haupt- ein Managementplan erarbeitet. Ein solcher wird auch träger» (Seite 44 ff.). von der UNESCO als zentrales Instrument für den Schutz und die Pflege des Welterbes angesehen und ist heute Managementplan für alle Welterbestätten verpflichtend. Auf der Basis eines Vorliegendes Dokument mit Beschreibung des Weltkultur- Vorprojekts wurde der Verein Weltkulturerbe Stiftsbezirk erbes, Zusammenstellung der rechtlichen Schutzinstru- St. Gallen mit der Ausarbeitung des Managementplans mente, des Verwaltungssystems sowie der Ziele und Mass- beauftragt. Mit dem vorliegenden Dokument liegt nun eine nahmen. erste Version des Managementplans des UNESCO-Welt- kulturerbes Stiftsbezirk St. Gallen vor. Mitgliederversammlung Der Managementplan bildet die Grundlage für eine Mitgliederversammlung des Vereins Weltkulturerbe Stifts- gemeinsame vierjährige Aufgaben- und Massnahmen- bezirk St. Gallen. planung für die Verbesserung des Schutzes und für die Pflege des Weltkulturerbes Stiftsbezirk St. Gallen, in der festge- Schutz und Pflege legt wird, wer welche Aufgaben und Massnahmen umsetzt. Zusammenfassende Formel für den wirksamen Schutz, die Nach vier Jahren werden der Managementplan und auf Erhaltung, Erschliessung, Erforschung, Vermittlung, dessen Grundlage die Aufgaben- und Massnahmenplanung Information und angemessene Nutzung des Stiftsbezirks. überprüft und aktualisiert. Verein Verein Weltkulturerbe Stiftsbezirk St. Gallen, vgl. Abschnitt «4.4 Verein Weltkulturerbe Stiftsbezirk St. Gallen» (Seite 50 f.) und für die Statuten Abschnitt 7.6 (Seite 73 ff.). Verwaltungssystem Jedes Welterbe muss über ein Verwaltungssystem verfügen, das den wirksamen Schutz und die Pflege des Gutes sicher- stellt. Für St. Gallen vgl. Kapitel «4 Verwaltungssystem» (Seite 43 ff.) und Abschnitt «1.4 Zusammenfassung des Verwal- tungssystems» (Seite 13 f.). 12
1 Einleitung 1.3 Ziele des Managementplans 1.4 Zusammenfassung des Ein Managementplan ist ein integriertes Planungs- und Verwaltungssystems Handlungskonzept zur Festlegung der Ziele und Mass- Das Weltkulturerbe Stiftsbezirk St. Gallen stellt für den nahmen, mit denen der Schutz und die Pflege, die Nutzung Schutz und die Pflege eine besondere Herausforderung dar, und Entwicklung von Welterbestätten verwirklicht da es erstens verschiedene Träger und Akteure in verschie- werden kann. denen Rollen (Eigentümer, Regulatoren, Nutzer etc.) sowie Ringbeck, 2008. S. 6 einen heterogenen Kreis von weiteren Anspruchsgruppen gibt und zweitens aus Baudenkmälern, archäologischen Wie in der Ausgangslage beschrieben, stellt die Exekutivver- Denkmälern sowie beweglichen Kulturgütern (Bestände von einbarung die Grundlage zur gemeinsamen Planung und Stiftsbibliothek und Stiftsarchiv, weitere bewegliche Kultur- Umsetzung der zum Schutz und zur Pflege des Weltkultur- güter) besteht. erbes gehörenden Aufgaben und Massnahmen dar. Auf Zentral für den Schutz und die Pflege sind die Zu- dieser Grundlage, welche die partnerschaftliche Zusammen- ständigkeiten, Rechte und Pflichten der betroffenen Körper- arbeit der Vertragsparteien sicherstellt, werden in diesem schaften, insbesondere des Kantons St. Gallen, des Katholi- Managementplan die zur Zielerreichung notwendigen schen Konfessionsteils des Kantons St. Gallen und der Stadt Verfahren, Instrumente, Zuständigkeiten, Ziele, Aufgaben St. Gallen. Mit der Erarbeitung des Managementplans und und Massnahmen konkretisiert. Der Managementplan der gemeinsamen Aufgaben- und Massnahmenplanung wurde festigt dabei die in der Exekutivvereinbarung festgehaltenen der Verein Weltkulturerbe Stiftsbezirk St. Gallen beauftragt. Werte, Prinzipien und Mechanismen, wie Der Verein stellt ausserdem das Monitoring und die Bericht- – die Selbstbindung der Parteien, erstattung über die Umsetzung der Massnahmen sicher. – die partnerschaftliche Zusammenarbeit, Um den Schutz und die Pflege des Weltkulturerbes – die Nutzung bestehender Strukturen und Gremien und transparent und nachvollziehbar zu machen, kommt – die Wahrung der bestehenden Zuständigkeiten der Koordination der Hauptpartner sowie der Kommunika- und Rechte der betroffenen Körperschaften und tion gegenüber den Anspruchsgruppen eine besondere ihrer Organe. Bedeutung zu. Der Managementplan ist hierfür ein zen- trales Instrument. Die übergeordneten Ziele des Managementplans ergeben Der vorliegende Managementplan ist umsetzungs- sich aus den Richtlinien und Standards des internatio- orientiert. Er schlägt gemeinsame und nicht gemeinsame nalen und nationalen Rechts sowie aus den Vorschriften Massnahmen für die Jahre 2017 bis 2020 vor, aus denen sich der UNESCO und andern Institutionen (z. B. ICOMOS). eine gemeinsame Aufgabenplanung ergibt, die die Exeku- Der Managementplan soll tiven zusammen mit dem Managementplan verabschieden. – einen Beitrag für das gemeinsame geteilte und um- Für die Umsetzung jeder Massnahme ist jeweils eine fassende Verständnis des Weltkulturerbes Stifts- Stelle federführend und verantwortlich. Die federführenden bezirks St. Gallen leisten, Stellen erstatten periodisch Bericht an den Vorstand des – den Schutz und die Pflege des Weltkulturerbes Vereins; dieser erstattet der Mitgliederversammlung Bericht, transparent und nachvollziehbar machen, in der die drei Exekutiven vertreten sind. Die Berichter- – erläutern, wie der aussergewöhnliche universelle stattung betrifft Projektstand und Finanzierung, so dass die Wert des Weltkulturerbes Stiftsbezirk St. Gallen Umsetzung des Managementplans transparent bleibt. erhalten wird, Die notwendigen Ressourcen werden normalerweise – die verschiedenen Perspektiven und Zielkonflikte über die federführenden Stellen und die Projektbeteiligten berücksichtigen und integrieren, budgetiert und verwaltet. In Ausnahmefällen kann die Finan- – umsetzungsorientiert sein, d.h., er soll neben den zierung über den Verein abgewickelt werden. Grundsätzen, Zielen und Strukturen auch kon- Der Managementplan und die Aufgaben- und Mass- krete Massnahmen zur Pflege des Weltkulturerbes nahmenplanung sind nach vier Jahren durch den Verein formulieren, und zuhanden der Hauptträger zu aktualisieren. – die Prozesse und Verantwortlichkeiten ausreichend formulieren, so dass er als Grundlage für die eigent- liche Umsetzung der Inhalte dienen kann. Der Managementplan konkretisiert für einen Horizont von vier Jahren die Handlungen der Hauptträger. Der Manage- mentplan ist deshalb ein dynamisches Planungsinstrument aller Stiftsbezirkspartner, welches vom Verein Weltkultur- erbe Stiftsbezirk St. Gallen im Auftrag der Exekutiven von Kanton, Katholischem Konfessionsteil und Stadt gepflegt und aktualisiert wird. 13
1 Einleitung Massnahmen-Schwerpunkte 1.5 Zur Erarbeitung des 2017–2020 Managementplans Handlungsbereich: Rechtliche Schutzmassnahmen Die Notwendigkeit eines Managementplans wurde im Zu- – Verbesserung des rechtlichen Schutzes für die sammenhang mit dem zurückgestellten Projekt «Ver- Bauten, archäologischen Fundstellen und bewegli- stärkter Schutz für das Weltkulturerbe Stiftsbezirk St. Gallen chen Kulturgüter (2012–2014)» festgestellt. Im Rahmen dieses Projekts wurde ein Vorprojekt ausgearbeitet, so dass die konkreten Arbeiten Handlungsbereich: Erschliessung und Erforschung zum Managementplan Anfang 2015 starten konnten. – Überprüfung und Beseitigung von Lücken bei Es ist wichtig, dass der Managementplan kein toter Inventarisierung, Erschliessung und Dokumentation Buchstabe bleibt, sondern konkret umgesetzt und perio- des Weltkulturerbes disch aktualisiert wird. Dafür ist die Akzeptanz bei den Betei- – Verbesserung der Planung und Zusammenarbeit im ligten entscheidend. Deshalb wurde die Erarbeitung als Bereich der Erforschung offener und gemeinsamer Prozess gestaltet. In verschiedenen Arbeitsgruppen wurden unter Beteiligung aller betroffenen Handlungsbereich: Erhaltung und Schutz Träger, Institutionen und Fachleute die wesentlichen Inhalte – Regelmässige Zustandsbeurteilungen (Monitoring) des Managementplans diskutiert und entwickelt. – Überprüfung und wo nötig Erstellung von Ebenfalls bereits 2014 wurde der Perimeter bzw. die Sicherstellungsdokumentationen und Zweitformen Beschreibung des Weltkulturerbes als Grundlage für die – Vorbereitung auf Notfälle und Katastrophen Exekutivvereinbarung vom 15. Januar 2015 von einer Arbeits- gruppe ausgearbeitet. Handlungsbereich: Kommunikation, Vermittlung Die Arbeitsgruppe «Rechtliche Schutzinstrumente» und Tourismus begann im Januar 2015 mit ihrer Arbeit. Sie beauftragte – Inhaltlicher und räumlicher Ausbau der Vermitt- zwei externe Experten mit einem Gutachten zur rechtlichen lungsangebote (Gewölbekeller der Stiftsbiblio- Situation. Das Gutachten wurde von der Arbeitsgruppe thek, ehemaliges Lapidarium, Ausstellungsraum) diskutiert. Die wichtigsten vorgeschlagenen Massnahmen – Verbesserung der Signalisation wurden in das Kapitel «5 Ziele und Massnahmen» (Seite 53 ff.) bzw. in die Aufgaben- und Massnahmenplanung überführt. Handlungsbereich: Organisation und Koordination Die Ziele und Massnahmen der anderen Handlungs- – Verbesserung der Kommunikation und Information bereiche wurden 2015 ebenfalls in einer Arbeitsgruppe formuliert. Ausgehend von einer Umfrage, die weitere An- spruchsgruppen miteinbezog, wurde zunächst der Ist- Zustand festgehalten. Anschliessend wurden Massnahmen für die Verbesserung des Schutzes und die Pflege des Welt- kulturerbes vorgeschlagen. Für die Aufgaben- und Massnah- menplanung wurden unter Einbezug der Vereinsgremien die Massnahmen priorisiert, die Projektbeteiligten bestimmt und eine Kostenschätzung vorgenommen. 14
1 Einleitung Im September 2015 erarbeitete der Vorstand des Bei der Erarbeitung des Managementplans haben folgende Vereins als Arbeitsgruppe Organisation den Ist-Zustand Personen in den Arbeitsgruppen aktiv mitgewirkt: sowie die Ziele und Strukturen des Verwaltungssystems. – Barbara Affolter, Co-Leiterin Fachstelle Kultur, Die Statuten des Vereins wurden zusammen mit der Ge- Stadt St. Gallen nehmigung des Managementplans der neuen Aufgaben- – Frank Bumann, Direktor St. Gallen-Bodensee stellung angepasst. Tourismus Von Mitte Dezember 2015 bis Mitte März 2016 – Dr. Cornel Dora, Stiftsbibliothekar, St. Gallen, wurde bei den Hauptträgern und ihren betroffenen Dienst- Projektleitung stellen sowie den wichtigsten weiteren Akteuren (Bund, – Florian Eicher (†), ehemaliger stellvertretender Bistum St. Gallen, St. Gallen-Bodensee Tourismus, Katholische Leiter Amt für Kultur, Kanton St. Gallen Kirchgemeinde St. Gallen) ein Mitberichts- und Konsulta- – Dr. Walter Engeler, externer Experte, Bütschwil tionsverfahren durchgeführt. Nach dessen Abschluss über- – Dr. Peter Erhart, Stiftsarchivar, St. Gallen arbeitete der Verein die Planungen in Abstimmung mit – Dr. Moritz Flury-Rova, stellvertretender Leiter den betroffenen Stellen. Mitte August 2016 wurde der über- Denkmalpflege, Kanton St. Gallen arbeitete Managementplan von der Mitgliederversammlung – Thomas Franck, Verwaltungsdirektor der Katholi- des Vereins Weltkulturerbe Stiftsbezirk beraten und ein- schen Administration, St. Gallen stimmig zuhanden der Exekutiven der Hauptträger verab- – Silvio Frigg, Stiftsbibliothek, St. Gallen schiedet. Mit Beschlüssen vom 22./27. September 2016 – Matthias Fuchs, Stabschef Direktion Bau- und stimmten die Regierung des Kantons St. Gallen, der Admi- Planung, Stadt St. Gallen nistrationsrat des Katholischen Konfessionsteils des – Andrea Hofmann, stellvertretende Leiterin Portfolio- Kantons St. Gallen und der Stadtrat St. Gallen dem Manage- management, Hochbauamt, Kanton St. Gallen mentplan zu und verabschiedeten diesen. – Alfred Kömme, ehem. Direktionssekretär Bau und Planung, Stadt St. Gallen – Dr. Andreas Kränzle, externe Projektleitung, Zürich – Dr. Jakob Kuratli Hüeblin, stellvertretender Stifts- archivar, St. Gallen – Niklaus Ledergerber, Leiter Denkmalpflege, Stadt St. Gallen – Dr. Claudius Luterbacher, Kanzler, Bischöfliche Kanzlei, Bistum St. Gallen – Katrin Meier, Leiterin Amt für Kultur, Kanton St. Gallen – Dr. Andrea Raschèr, Externer Experte, Zürich – Dr. Christopher Rühle, Leiter Recht Amt für Kultur, Kanton St. Gallen, Projektleitung – Dr. Martin Schindler, Leiter Archäologie, Kanton St. Gallen – Andreas Schwarz, stellvertretender Leiter Amt für Kultur, Kanton St. Gallen – Dr. Stephan Staub, Rechtskonsulent, Stadt St. Gallen 15
2 Beschreibung des Weltkulturerbes Stiftsbezirk St. Gallen Das Weltkulturerbe Stiftsbezirk St. Gallen ist vielschichtig. Neben den Baudenkmälern sind insbesondere die archäologischen Denk- mäler sowie die Bestände der Stiftsbiblio- thek und des Stiftsarchivs zentral für den aus- sergewöhnlichen universellen Wert. 17
2 Beschreibung des Weltkulturerbes Stiftsbezirk St. Gallen Welterbe-Richtlinien, Nr. 77 2.1 Das «Statement of Universal Angemeldete Güter sollten daher Value» – ii) für einen Zeitraum oder in einem Kulturgebiet der Erde einen bedeutenden Schnittpunkt menschlicher Werte in Das «Statement of Universal Value» (vgl. Abschnitt 7.4, Seite Bezug auf die Entwicklung der Architektur oder Technik, 69 f.), das 1983 bei der UNESCO hinterlegt und 2013 für der Grossplastik, des Städtebaus oder der Landschafts- die UNESCO reformuliert wurde, hält Folgendes in Bezug gestaltung aufzeigen; auf den Stiftsbezirk und seine Kulturgüter fest: – iv) ein hervorragendes Beispiel eines Typus von Gebäuden, – Beim Stiftsbezirk handelt es sich um ein eindrucks- architektonischen oder technologischen Ensembles oder volles Architekturensemble; die einzelnen Gebäude Landschaften darstellen, die einen oder mehrere bedeutsame sind um den Klosterhof gruppiert (Kathedrale mit Abschnitte der Geschichte der Menschheit versinnbildlichen; den beiden Türmen, altes Kloster mit Stiftsbibliothek, Neue Pfalz als Sitz der Kantonsregierung und im Statement of Universal Value Norden Gebäude aus dem 19. Jahrhundert Zeughaus, – Critère (ii): L’abbaye de Gozbert (816–837) a exercé une grande Kinder- oder Schutzengelkapelle und ehemalige influence sur les développements de l’architecture monastique katholische Schule). au lendemain du Concile d’Aix-la-Chapelle, ce dont témoigne – Der Stiftsbezirk ist ein grossartiges Beispiel für ein aussi le célèbre plan de St-Gall du IXe siècle, dessin d’architec- karolingisches Benediktinerkloster, das von der Grün- ture annoté de 341 inscriptions sur parchemin, qui peut être dung im 8. Jahrhundert bis zur Säkularisation 1805 lu comme le plan idéal d’une abbaye bénédictine. eines der grossen europäischen Kulturzentren war. – Critère (iv): Saint-Gall peut être considéré comme un exemple – Im Stiftsbezirk sind viele Zeitschichten architekto- typique d’un grand monastère bénédictin, foyer d’art et de nisch zu fassen: Vom Frühmittelalter bis zum Histo- connaissance, avec sa riche bibliothèque et son scriptorium. rismus. Trotz der verschiedenen Architekturstile Les aménagements successifs de l’espace conventuel attestent, ergibt sich doch ein geschlossener Gesamteindruck. dans leur variété, d’une fonction religieuse et culturelle Der Stiftsbezirk wird im Norden und Westen von constante. einer grösstenteils intakten Altstadt sowie der Stadt- Ausgehend vom Perimeter, der 1983 bei der UNESCO ein- kirche St. Laurenzen umgeben. gereicht wurde, und dem Statement of Universal Value (2013) – Die Stiftsbibliothek ist eine der schönsten Barock- wird die Beschreibung im Folgenden weiter konkretisiert bibliotheken und die Kathedrale eine der letzten und es wird ein Perimeter für die von der UNESCO geforderte monumentalen Klosterkirchen des Barock. Pufferzone vorgeschlagen. – Im Stiftsbezirk werden darüber hinaus unschätzbar wertvolle und aussergewöhnlich bedeutende Kultur- güter aufbewahrt: die irischen Manuskripte des 7. und 8. Jahrhunderts, die illuminierten Manuskripte des 9. bis 11. Jahrhunderts in der Stiftsbibliothek, die frühmittelalterlichen Urkunden im Stiftsarchiv und der St. Galler Klosterplan, der einzige Architek- turplan des Frühmittelalters. Die Begründung des aussergewöhnlichen Werts des Stifts- bezirks St. Gallen stützt sich auf die Kriterien ii und iv der Welterbe-Richtlinien: 18
2 Beschreibung des Weltkulturerbes Stiftsbezirk St. Gallen Abb. 2.1: Überblick Stiftsbezirk 20 19 21 18 16 17 15 14 23 22 12 13 24 1 11 10 5 9 8 2 4 3 6 7 1 Kathedrale (auch Dom / 18 Karlstor früher Klosterkirche) 19 Remise 2 Schulhof (früher 20 Gartenhaus Konventgarten) 21 Schiedmauer / Wohnhäuser 3–5 Konventgebäude Zeughausgasse 2 bis 14 3 Bibliotheksflügel 22 Schutzengelkapelle 4 Schulflügel 23 Schmalzhaus 5 Dekanatsflügel 24 Katholisches 6 Bibliothekshof Primarschulhaus 7 Türmlihaus 8 Professenhaus 9 Turnhalle 10 Bischofshof 11 Bankgebäude 12 Klosterhof 13–16 Regierungsgebäude 13 Hofflügel 14 Runder Turm 15 Neue Pfalz 16 Zeughausflügel 17 Äusserer Klosterhof 19
2 Beschreibung des Weltkulturerbes Stiftsbezirk St. Gallen Kurzbeschrieb der Baudenkmäler im Stiftsbezirk 2.2 Baudenkmäler – Kathedrale, erbaut 1755–1767, spätbarocke Kloster- kirche mit markanter Doppelturmfassade und original 2.2.1 Baudenkmäler des erhaltener Ausstattung von namhaften Künstlern Weltkulturerbes vornehmlich aus dem Bodenseeraum; Ostkrypta im Grundbestand ins 9. und Westkrypta ins 10. Jahr- hundert zurückreichend, nach Auflösung des Klosters Beschreibung 1805 zur Kathedrale des 1823/47 gegründeten Bis- Der Klosterbezirk, der von 1570 bis zu Beginn des 19. Jahr- tums geworden. hunderts durch die Schiedmauer klar von der Stadt getrennt – Klostergebäude, im 17. und 18. Jahrhundert weitge- war, lässt sich auch heute noch unschwer im Stadtbild ab- hend neu aufgebaut; darin u. a. Saal und Manuskripten- lesen. Der UNESCO-Perimeter entspricht weitgehend dem Kammer der Stiftsbibliothek mit reicher Rokoko- ehemaligen Verlauf von Schied- und Stadtmauer. Zusätzlich Ausstattung (1758–1780). einbezogen sind die Häuser Zeughausgasse 2–14, die sich – Hofflügel, 1666/67 in der heutigen Form neu erbaut, direkt an die Schiedmauer anlehnen und mit dieser verbun- beherbergte ursprünglich die Gemächer des Abts den sind, sowie der ehemalige Grabenbereich zwischen mit der Hofkapelle, heute die bischöfliche Residenz; Stadtmauer und Moosbruggstrasse; ausgeklammert ist die Gallus-Kapelle im Erdgeschoss mit barockem Gemälde- neuerbaute Notrufzentrale der Kantonspolizei an der Moos- zyklus über das Leben von Gallus, errichtet am Ort, bruggstrasse. Die Freiräume prägen die Bauten des Stifts- wo nach der Legende Gallus über den Dornenbusch bezirks mit, im Speziellen der Klosterhof mit seiner Gross- stolperte. zügigkeit und dem teilweise auf barocker Anordnung – Neue Pfalz, 1767–1769 erbaut, ursprünglich Residenz basierenden Wegnetz. des Fürstabts, heute Sitz der Kantonsregierung und des Parlaments; anstelle des Thronsaals im 3. Oberge- schoss heute Kantonsratsaal mit Historismus-Aus- stattung von 1881. – Zeughausflügel, Teil der einst geplanten Klosteranlage, erst nach Auflösung 1838–1841 als kantonales Zeug- haus erstellt. 1979 innen umgestaltet und mit niedri- gem Nordanbau ergänzt, heute sind hier Stifts- und Staatsarchiv sowie Kantonsgericht beheimatet. – Schutzengelkapelle, 1846 fertiggestellt, innen mehr- fach verändert, daneben ehemaliges katholisches Primarschulhaus von 1840. – Runder Turm von 1518, Teil der ehemaligen mittelalter- lichen Stadtbefestigung; Karlstor nach Rorschacher Vertrag von 1566 in den Jahren 1569/70 als Abtstor erstellt mit bedeutendem Renaissance-Relief; daneben verschiedene Verwaltungsbauten am Nordrand des Stiftsbezirks. – Rest der Schiedmauer von 1566 zwischen Stift und Stadt, daran stadtseitig zweigeschossige Gebäudezeile mit ursprünglich gewerblicher Nutzung. Begründung Die 1200 Jahre klösterliche Tradition repräsentierende Kloster- Abb. 2.2: Baudenkmäler anlage ist in ihrer baulichen Gesamtheit Teil des Weltkultur- UNESCO-Perimeter erbes. Neben der Kathedrale und den Klosterbauten gehören Umgebungsschutz dazu ebenso die ergänzenden Bauten, die auf der Nordseite Pufferzone Altstadt mit Erweiterung des Klosterhofs das barocke Konzept erst nach der Klosterauf- (Bereich ohne Schraffur: Altstadt hebung vollendet haben. Grau schraffiert: Erweiterung) 20
2 Beschreibung des Weltkulturerbes Stiftsbezirk St. Gallen 2.2.2 Pufferzonen Unmittelbare Umgebung Zum Zwecke eines wirksamen Schutzes des angemeldeten Beschreibung Gutes wird eine Pufferzone als ein Gebiet definiert, das das Zum Umgebungsschutz zählen grundsätzlich die Fassaden angemeldete Gut umgibt und dessen Nutzung und Ent- der Bauten, die bei der Umgehung des Welterbe-Perimeters wicklung durch ergänzende gesetzliche oder gewohnheits- direkt sichtbar sind. Die Begrenzungslinie verläuft dement- rechtliche Regeln eingeschränkt sind, die einen zusätzli- sprechend in der Regel durch die Firstachse dieser Bauten. chen Schutz für das Gut bilden. Die Pufferzone sollte das un- Wegen der guten Einsicht sind zusätzlich einbezogen die mittelbare Umfeld des angemeldeten Gutes, wesentliche Häuser Auf dem Damm 4–14. Die Kirche St. Laurenzen und Sichtachsen und andere Gebiete oder Merkmale umfassen, der untere Teil der Mülenenschlucht haben einen direkten die eine wichtige praktische Rolle spielen, um das Gut inhaltlichen Zusammenhang mit dem Welterbe, weshalb der und seinen Schutz zu unterstützen. Umgebungsschutz-Perimeter diese beiden Elemente ein- schliesst. Welterbe-Richtlinien, S. 104 Begründung Buffer zones are clearly delineated area(s) outside a World Die Silhouette der umgebenden Altstadtgassen sowie die Heritage property and adjacent to its boundaries which Mülenenschlucht und die Moosbruggstrasse mit ihren Bau- contribute to the protection, management, integrity, authen- ten bilden zusammen mit den umliegenden Freiräumen ticity and sustainability of the outstanding universal value den Hintergrund des Weltkulturerbes und bestimmen des- of the property. Although any World Heritage buffer zones sen Wahrnehmung wesentlich mit. are not regarded as part of the inscribed World Heritage pro- perty, their boundaries and relevant management approaches should be evaluated, approved and formally recorded at the Pufferzone Altstadt mit time they are proposed by a State Party. Where buffer zones are defined, they should be seen as an integral component of Erweiterung the State Party’s commitment to the protection and manage- Beschreibung ment of the World Heritage property. The functions of the Altstadt St. Gallen gemäss der aktuellen Bauordnung ergänzt buffer zone should reflect the different types and levels of pro- um die Mülenenschlucht: Die Altstadt umfasst den inner- tection needed to protect the outstanding universal value halb der alten Stadtgräben gelegenen Stadtkern, das heisst of the World Heritage property. das Gebiet zwischen Unterem Graben, Oberem Graben, World Heritage Papers no 25: World Heritage and Buffer Wallstrasse, Moosbruggstrasse, Burggraben und Torstrasse. Zones, April 2009, S. 181 Die Mülenenschlucht und die Häuserzeile südöstlich der Moosbruggstrasse gehören als Teil der unmittelbaren Umge- bung ebenfalls in diesen Perimeter. Begründung Die heutige Altstadt entspricht im Wesentlichen der über Jahrhunderte aufs engste mit dem Kloster verbundenen Stadt St. Gallen. Die Altstadt ist mit ihrer historischen Bau- substanz und ihrem Erscheinungsbild das Pendant zum Kloster. 21
2 Beschreibung des Weltkulturerbes Stiftsbezirk St. Gallen Sichtachsen und Sichtbereich 2.3 Archäologische Denkmäler Beschreibung Für nach den Kriterien i bis vi angemeldete Güter sollten die Die wichtigsten direkten Sichtachsen auf die Doppelturm- Grenzen so festgelegt werden, dass sie alle Gebiete und Merk- fassade sind die Mülenenschlucht, die Marktgasse und die male umfassen, die den aussergewöhnlichen universellen Wert Speicherstrasse. Aus Westen bildet der Einschnitt der Eisen- des Gutes unmittelbar physisch zum Ausdruck bringen, so- bahn eine theoretische, aktuell aber verbaute Sichtachse, wie die Gebiete, die im Hinblick auf künftige Forschungsmög- die nur innerhalb der Davidstrasse zum Tragen kommt. lichkeiten ein Potenzial bieten, zu einem solchen Verständnis Der Sichtbereich umfängt die Kernstadt im Talgrund beizutragen und dieses zu erhöhen. ohne den Hangfuss des Rosenbergs. Es ist der Bereich, aus Welterbe-Richtlinien, S. 100 dem die Türme der Kathedrale als Orientierungspunkt wahrnehmbar sind. Begründung Die Doppelturmfassade des Klosters ragt noch heute über das Häusermeer der Stadt empor. Sie markiert den Kern- und Ausgangspunkt der Stadtentwicklung und ist seit ihrer Erstellung 1765 das Erkennungsmerkmal des Klosters und der Stadt. Abb. 2.3: Sichtbereich und wesentliche Sichtachsen des Abb. 2.4: Archäologische Denkmäler UNESCO-Weltkulturerbes Stiftsbezirk St. Gallen. UNESCO-Perimeter UNESCO-Perimeter sehr bedeutende archäologische Fundstellen in der Umgebungsschutz Pufferzone mit Bezug zum Welterbe Pufferzone Pufferzone Sichtachsen (Bereich ohne Schraffur: Altstadt Sichtbereich Grau schraffiert: Erweiterung) Zentrale Kriterien für die Ernennung als UNESCO-Weltkultur- erbe bilden der karolingische Klosterplan und die lange Ent- wicklung des Klosters, seiner Bauten und seiner kulturellen Ausstrahlung bis auf den heutigen Tag. Bei beiden Kriterien spielt die Archäologie eine wichtige Rolle. Die jahrhunderte- lange Forschung und Diskussion um den Klosterplan wird durch die Archäologie bereichert und ergänzt. Zudem erlau- ben archäologische Funde gute Rückschlüsse auf die Ge- schichte von Kloster und Siedlung. Besonders in St. Gallen ist, dass den archäologischen Quellen zahlreiche schriftliche Quellen gegenüberstehen. Ein solches Zusammenspiel ist für das Früh- und Hochmittelalter sehr selten und zeichnet St. Gallen international aus. 22
2 Beschreibung des Weltkulturerbes Stiftsbezirk St. Gallen 2.3.1 Perimeter des 2.3.2 Pufferzone Weltkulturerbes Beschreibung Die archäologische Pufferzone umfasst die gesamte St. Galler Beschreibung Altstadt und die Mülenenschlucht, ausgenommen das Der Perimeter der archäologischen Denkmäler des Welt- Gebiet des Perimeters. Das Gebiet erstreckt sich vom Unteren kulturerbes Stiftsbezirk St. Gallen entspricht räumlich dem Graben bis zur Mühlenenschlucht / Moosbruggstrasse und UNESCO-Perimeter. Darin liegen: vom Oberen Graben bis zum Burggraben. Die Gräben gehören – Der Kern der von Gallus im frühen 7. Jahrhundert ge- dazu. Wie archäologische Untersuchungen in der Stadt gründeten Eremitensiedlung (mit Kapelle, Gebäuden, St. Gallen (insb. im Zusammenhang mit der Neugestaltung Nutzflächen, Friedhof etc.), also der eigentliche der südlichen Altstadt 2008–2013) gezeigt haben, befinden Ursprung St. Gallens. sich bedeutende archäologische Spuren innerhalb der Puffer- – Das Zentrum des von Otmar in der ersten Hälfte des zone, die noch sehr gut und grossflächig erhalten sind. 8. Jahrhunderts gegründeten Benediktinerklosters Verschiedene dieser Fundstellen haben einen engen Bezug St. Gallen mit Klosterkirche, Konventbauten, Friedhof, zum Stiftsbezirk: Wirtschaftsgebäuden und Nutzflächen. – Gallusplatz: Karolingischer Rundturm. Grosse, meist – Das Zentrum des Klosters, das bis in die Neuzeit kon- ungestörte Fläche mit früh- und hochmittelalterli- tinuierlich umgestaltet und umgebaut wurde. chen Schichten. Als besondere Ausgrabungen/Arbeiten in diesem Bereich – Teile der Gallusstrasse beim Stadthaus: Friedhof um sind zu nennen: Kapelle St. Johann (Stadthaus). Grosse, meist un- – Ausgrabungen 1963–1967 in und um die Klosterkirche gestörte Fläche mit früh- und hochmittelalterlichen (Kathedrale, Schulhof / Pausenhof, Sondierungen Schichten. im Westen, Norden und Osten). – Kirche St. Laurenzen und Umgebung: Erste Kirche der – Ausgrabungen 1998 im Äusseren / Kleinen Klosterhof späteren Stadt St. Gallen. Friedhof ab 9. Jahrhundert. (Einbau Calatrava-Keller). Mittelalterliche Trennmauer zwischen Kloster und – Georadarmessungen 2002 / 2004 im Perimeter mit Stadt. Grosse, meist ungestörte Fläche mit früh- und nachfolgenden Bauüberwachungen. hochmittelalterlichen Schichten. – Ausgrabung 2009 im Klosterhof (Sarkophag). – Zeughausgasse: Früh- bis hochmittelalterlicher Fried- – Ausgrabung 2010 / 2011 am Westende des Perimeters hof des Klosters. Früher Umfassungsgraben. Schied- (Ersatz Stützmauer). mauer. Früh- und hochmittelalterliche Schichten. – St. Mangen und Umgebung: Um 900 von Abtbischof Begründung Salomon gegründet, wohl in älterer Hofsiedlung. Der von der UNESCO 1983 definierte Umfang des Stiftsbe- Wiborada. Friedhof seit Hochmittelalter. zirks bezeichnet den innersten Bereich des ehemaligen Gleichzeitig sind Teile der Altstadt noch wenig erforscht und Klosters und orientiert sich an der in der Neuzeit definierten daher jederzeit bedeutende Entdeckungen von bisher un- Ausdehnung des Klosterstaats innerhalb der Stadt St. Gallen. bekannten Fundstellen mit Bezug zum Welterbe möglich. Dieser ist archäologisch von höchster Bedeutung. Bedeu- tende Flächen sind noch nicht untersucht und bilden so ein wichtiges archäologisches Archiv für kommende Gene- rationen. Eine ungestörte Erhaltung dieser Flächen ist sehr wichtig. 23
2 Beschreibung des Weltkulturerbes Stiftsbezirk St. Gallen Begründung Innerhalb der St. Galler Altstadt lassen sich Zonen unter- 2.4 Bewegliche Kulturgüter des schiedlicher zeitlicher Besiedlung ausmachen. In der Weltkulturerbes südlichen Altstadt reichen die Spuren bis ins 7. Jahrhundert zurück, die früheste Nutzungszone aus dieser Zeit ging Bei den beweglichen Kulturgütern des Weltkulturerbes Stifts- über den heutigen Stiftsbezirk hinaus. Dies gilt auch für die bezirk St. Gallen stehen die Sammlungen von Stiftsbiblio- Ausdehnung von Kloster und Siedlung zur Blütezeit des thek und Stiftsarchiv St. Gallen im Zentrum. Sie geben in aus- Klosters (8.–11. Jahrhundert). Die Pufferzone Altstadt umgibt sergewöhnlicher Qualität und Vollständigkeit Auskunft das Welterbe und stellt sicher, dass Entdeckungen mit über das Wesen und Wirken der Abtei während ihres Beste- engem Bezug zu diesem erhalten bleiben. Dadurch hilft sie, hens vom Frühmittelalter bis 1805. Beide Institutionen einen angemessenen Schutz des Weltkulturerbes sicher- besitzen eine weit über 1000-jährige, bis zum heutigen Tag zustellen. Die Gebiete mit herausragender Bedeutung für währende Kontinuität. Das in der Stiftsbibliothek und im das Weltkulturerbe sollen in einer Liste geführt werden. Stiftsarchiv befindliche Kulturgut ist integraler Bestandteil Für sie sollte derselbe Schutz gelten wie für das UNESCO- des Weltkulturerbes. Das dokumentarische Erbe der Abtei Weltkulturerbe. Da Teile der Altstadt noch wenig erforscht St. Gallen aus Stiftsbibliothek und Stiftsarchiv soll in das sind, kann diese Liste bei Entdeckung einer bedeutenden Weltdokumentenerbe- Verzeichnis der UNESCO «Memory of archäologischen Fundstelle mit Bezug zum Stiftsbezirk er- the World» eingetragen werden. gänzt werden (offene Liste). Die Aufnahme erfolgt nach festgelegten Kriterien auf der Grundlage einer Begutach- tung durch externe Experten. 2.4.1 Stiftsbibliothek Allgemeine Charakterisierung Archäologische Funde und Dokumentationen Die Stiftsbibliothek St. Gallen ist die älteste Bibliothek der Die Funde und dazugehörigen Dokumentationen werden Schweiz und eine der bedeutendsten und ältesten noch heute aus praktischen, konservatorischen und wissen- bestehenden Klosterbibliotheken der Welt. Ihr Handschriften- schaftlichen Gründen oder zu Vermittlungszwecken an und Buchbestand führt die Entwicklung der europäischen verschiedenen Standorten aufbewahrt: Kultur vor Augen und dokumentiert die kulturelle Leistung – Gewölbekeller der Stiftsbibliothek, ehemaliges Lapi- des Klosters St. Gallen vom 8. Jahrhundert bis zu seiner Auf- darium (Sammlung karolingischer, ottonischer, hebung im Jahr 1805 und darüber hinaus. Eine Reihe grund- spät- und nachgotischer Architekturplastik im Keller legender Werke der europäischen Kultur- und Geistesge- des Bibliothekflügels). schichte, beispielsweise die Benediktsregel, werden hier in – Funde (Keramik, Glas, Metall, Knochen, Stein, Leder bester, einige auch in einziger Überlieferung aufbewahrt. etc.) und Proben (Erdproben, Mörtelproben) der Herzstück der Sammlung ist das weitgehend autochthone archäologischen Untersuchungen seit 1911, insbeson- Korpus karolingisch-ottonischer Handschriften aus dem dere der Ausgrabungen 1963–1967 in und um die 8. bis 11. Jahrhundert, zu der auch der St. Galler Klosterplan Kathedrale und der neuen Ausgrabungen seit 1998 und künstlerisch bedeutende Handschriften wie der Folchart- (Äusserer / Kleiner Klosterhof) bzw. seit 2008 Psalter, der Goldene Psalter oder das Evangelium Longum (Neugestaltung südliche Altstadt). sowie eine herausragende Sammlung irischer Handschriften – Dokumentationen der archäologischen Untersu- gehören. In der letzten Blütezeit der Abtei vom 15. bis 18. Jahr- chungen (Tagebücher, Pläne, Fotos, Dias, Korres- hundert wurde die Bibliothek weiter ausgebaut und nach pondenz, Berichte) seit 1911, insbesondere der Aus- der Klosteraufhebung vom Katholischen Konfessionsteil des grabungen 1963–1967 in und um die Kathedrale Kantons St. Gallen fortgeführt. Sie zählt heute rund 170 000 und die neuen Ausgrabungen seit 1998 (Äusserer / Bände von der Spätantike bis zur Gegenwart, darunter auch Kleiner Klosterhof) bzw. seit 2008 (Neugestaltung die berühmte Nibelungenhandschrift B, seit 2009 Teil des südliche Altstadt). Weltdokumentenerbes der UNESCO, sowie eine der grössten – Digitale Kopie eines Grossteils der Dokumentation Inkunabelsammlungen der Schweiz. Die Stiftsbibliothek der Ausgrabungen 1963–1967 (Leiter: B.Frei und widerspiegelt das geistige Leben in einem monastischen Zen- W. Stöckli; Oberleitung HR. Sennhauser). trum über die Jahrhunderte. Ihr Barocksaal gilt als einer der weltweit schönsten Bibliotheksräume. Sie zieht als touris- tische Attraktion jährlich über 120 000 Besucherinnen und Besucher an. 24
2 Beschreibung des Weltkulturerbes Stiftsbezirk St. Gallen Die Stiftsbibliothek ist eine lebendige wissenschaftli- che Spezialbibliothek. Ihre Sammelgebiete umfassen die 2.4.2 Stiftsarchiv Bereiche Mediävistik, Buchwissenschaft, Kirchen- und Kloster- Allgemeine Charakterisierung geschichte sowie Theologie. Sie sammelt, erschliesst und Das Stiftsarchiv St. Gallen hütet den grössten klösterlichen vermittelt in den genannten Bereichen gedruckte Literatur Urkundenbestand der Merowinger- und Karolingerzeit und und andere Medien mit Bezug zum Stiftsbezirk, insbeson- ist eines der ältesten Archive der Welt. Es steht heute im ge- dere zur Stiftsbibliothek und zum Stiftsarchiv, zum Kloster, meinsamen Miteigentum von Kanton St. Gallen und Katholi- zum Katholischen Konfessionsteil und zum Bistum St. Gallen. schem Konfessionsteil des Kantons St. Gallen. Es umfasst die Zusammen mit der Universität Freiburg CH lancierte sie Weltliches und Kirchliches betreffenden Rechtsdokumente 2005 e-codices und ist damit international führend in der sowie Verwaltungsakten der Abtei St. Gallen von ihrer Grün- hochwertigen Digitalisierung von Handschriften. dung bis zur Aufhebung im Jahr 1805. Im Ganzen besitzt es rund 20 000 Originalurkunden, über 2 500 handgeschrie- Wichtige Bestände bene Archivbände und ungezählte Aktenstücke, dazu Karten – Etwas mehr als 2 100 Handschriften von der Spät- und Pläne sowie eine Siegelstempelsammlung. 767 Privat- antike bis in die Gegenwart, darunter rund 400 aus urkunden sowie 70 karolingische und ottonische Herrscher- dem Frühmittelalter bis zum Ende des 11. Jahrhun- diplome stammen aus der Zeit vor dem Jahr 1000. Anhand derts. Sie bilden den wertvollen Kern der Stiftsbiblio- von Vermerken auf der Rückseite der Urkunden kann archi- thek. Die Sammlung insgesamt verkörpert in her- varische Tätigkeit in St. Gallen seit über 1 300 Jahren nach- ausragender Weise die bibliothekarische Sammel- gewiesen werden. Bis zur Französischen Revolution birgt das tätigkeit und Kontinuität einer Klosterbibliothek bis Stiftsarchiv für grosse Gebiete des heutigen Kantons St. Gallen in die Gegenwart. sowie einige angrenzende Regionen den bedeutendsten – 35 aus dem Kloster St. Gallen stammende Handschrif- Teil an historischen Quellen und Zeugnissen. Die im Stifts- ten, die sich seit 1712 in Zürich befanden und im archiv gehüteten Baupläne, Skizzen und Projektstudien Rahmen der Beilegung des Kulturgüterstreits zwischen dokumentieren im Zusammenspiel mit den zahlreich über- St. Gallen und Zürich (Vereinbarung vom 27. April lieferten Ausgaben- und Tagebüchern der Äbte der Barock- 2006) als Dauerleihgabe der Zentralbibliothek Zürich zeit den Bau und die Ausstattung der St. Galler Klosteranlagen. in die Stiftsbibliothek St. Gallen zurückkamen. – Rund 900 Inkunabeln, welche die Anfänge des Buch- drucks vor Augen führen, ebenso 5 Blockbücher und eine Reihe von Einblattdrucken des 15. Jahrhunderts. – 850 St. Galler Klosterdrucke, die von 1633 bis 1805 in der klostereigenen Druckerei gedruckt und vom Kloster verlegt wurden. Sie spiegeln das geistige Leben in der Abtei während der Barockzeit. – 3 500 Bände aus dem 16. Jahrhundert, 5 100 Bände aus dem 17. Jahrhundert und 11 000 Bände aus dem 18. Jahrhundert bilden den für eine Klosterbiblio- thek exemplarischen Druckbestand bis zur Säkulari- sierung. – Grafiken, Pläne, Karten, verschiedene zum Teil gross- formatige Gemälde, Wappenscheiben etc. vervollstän- digen die Sammlung der Bibliothek. – Die Kuriositätensammlung, zu der auch die «ostindi- sche Sammlung» von Georg Franz Müller, eine Münz- sammlung, das Kirchenmodell von Gabriel Loser für den Neubau der Klosterkirche 1755–1766, die 2008 unter viel Aufwand geschaffene Replik des berühmten St. Galler Globus im Schweizerischen Nationalmuse- um in Zürich und weitere Objekte bis zur ägyptischen Mumie und ihren Särgen gehören. Sie ist ein Beispiel für die Erweiterung der Bibliotheken in der Barock- zeit um verschiedene Raritäten und ist bibliotheksge- schichtlich von grossem Interesse. 25
2 Beschreibung des Weltkulturerbes Stiftsbezirk St. Gallen Wichtige Bestände – 850 frühmittelalterliche Urkunden: Für die quellen- 2.4.3 Weitere bewegliche Kultur- arme Zeit des ersten nachchristlichen Jahrtausends güter aus der Klosterzeit («Dark Ages») sind die Urkunden des Klosters St. Gallen von herausragender Bedeutung, nicht nur für das Im Stiftsbezirk befinden sich weitere bewegliche Kultur- Gebiet des heutigen Kantons St. Gallen, sondern auch güter, die Bestandteil des Weltkulturerbes sind, z. B.: für beide Appenzell, Thurgau, Schaffhausen, Zürich, – Möbel aus der Klosterzeit, insbesondere die spät- Aargau, beide Basel, Bern, für das Elsass, für Süd- barocken Prunkmöbel aus der Klosterwerkstatt. deutschland (Baden-Württemberg und Bayern), für – Bischöfliche Kunstsammlung, soweit sie einen Bezug Vorarlberg und für das Fürstentum Liechtenstein. zum Kloster hat. – Spätantike und frühmittelalterliche Handschriften – Gemälde (z. B. Elogienbilder auf St. Galler Äbte im und Fragmente (Vetus Latina Fragmente, 2 frühmittel- Gang der Stiftsbibliothek, Elogienbilder auf die Abtei- alterliche Verbrüderungsbücher, das weltweit ein- en der Schweizerischen Benediktinerkongregation zige überlieferte karolingische Professbuch, die wich- im Dekanatsflügel). tigste Überlieferung der Annales Alamannici). – Architekturmodelle. – 20 000 Urkunden des Hochmittelalters bis zur Kloster- – Kirchenschatz, u. a. wenige Einzelstücke aus dem aufhebung dokumentieren die Kontinuität der Mittelalter, Silberstatuen von Gallus und Otmar aus St.Galler Herrschaft, ermöglichen die Erforschung dem 17. Jahrhundert, Kelche aus der Klosterzeit, der Rechtsgeschichte des Klosters und zeugen von barocke Ostensorien, 2 silberne Reliquienaltärchen der sorgfältigen, kontinuierlichen Sammlung und aus dem 17. Jahrhundert. Pflege der klösterlichen Rechtstitel durch die Stifts- – Paramente aus der Barockzeit. archivare. – Gallusglocke (Handglocke aus dem 7. / 8. Jahrhundert, – 80 Laufmeter Akten aus dem 15. bis 19. Jahrhundert die älteste Glocke der Schweiz). dokumentieren die innere und äussere Verwaltung Die Liste ist nicht abschliessend. Bei den Gemälden ist jeweils sowie das weitgespannte politische, geistliche und abzuklären, ob sie nicht als Teil der Raumausstattung bereits wissenschaftliche Netzwerk der Fürstabtei. im Gebäude-Perimeter enthalten sind. Eine abschliessende, – 2 800 grösstenteils handschriftliche Bände im Buch- definitive Liste kann erst nach einer wissenschaftlichen Inven- archiv dokumentieren in Form von umfangreichen tarisierung bzw. einer wissenschaftlichen Revision der vor- Rechtssammlungen und Kopialbüchern, Klosterchro- handenen Inventare erstellt werden. niken und -geschichten sowie Rechnungs- und Ver- waltungsbüchern die (Rechts-)Geschichte, aber auch die innere und äussere Verwaltung, die geistliche und weltliche Herrschaft sowie die Baugeschichte der Fürstabtei St. Gallen. – Das Karten- und Planarchiv mit 150 Dokumenten des 16. bis 19. Jahrhunderts dokumentiert die Herr- schaft(-ssicherung) in den sankt-gallischen Terri- torien sowie die Planungs- und Baugeschichte des Stiftsbezirks. – Der Nachlass des letzten St. Galler Fürstabts Pankraz Vorster (3 Laufmeter) dokumentiert den Untergang und den erfolglosen Kampf um die Wiedererrichtung der Abtei St. Gallen. 26
2 Beschreibung des Weltkulturerbes Stiftsbezirk St. Gallen 2.5 Die Nutzung des Stiftsbezirks Der Stiftsbezirk St. Gallen ist ein lebendiger Raum mit vielfäl- tigen Nutzungen, welche die ursprüngliche Funktion des Orts als klösterlicher Lebensraum der Mönche, Kulturzentrum und Regierungs- und Verwaltungsbezirk mit neuem Leben füllen. Er ist ein Ort der Geschichte, der Kultur, des Glaubens, des Gebets und der Liturgie, ein Ort der historischen Konti- nuität und des politischen, kulturellen und kirchlichen Wan- dels. Als Bischofssitz ist er ein wichtiger Ort für das Bistum, insbesondere für dessen Leitung und Verwaltung, und noch immer ein religiöses Zentrum mit einem reichen Angebot an Gottesdiensten, als Regierungs- und Verwaltungssitz des Kantons und des Katholischen Konfessionsteils, als Versamm- lungsort des kantonalen Parlaments (Kantonsrat) und der Parlamente der Landeskirchen (Katholisches Kollegium und Synode) und als Sitz des Kantonsgerichts repräsentiert er die demokratische Ordnung und Gewaltenteilung im Kanton St. Gallen. Die Stiftsbibliothek und das Stiftsarchiv verwal- ten historisch-kulturelle Schätze von überregionaler Bedeu- tung und stehen im Dienst von Wissenschaft und Forschung. Die Katholische Kantonssekundarschule («flade») führt mit der Knabenabteilung innerhalb des Stiftsbezirks die Traditi- on der Klosterschule fort. In der Charta für den Stiftsbezirk vom 5. Mai 2008 haben sich Kanton, Bistum, Katholischer Konfessionsteil und Stadt St. Gallen dem Ziel verpflichtet, das historische Erbe auch in Zukunft mit kirchlichem, kulturellem, wissenschaft- lichem, politischem, gesellschaftlichem und touristischem Leben zu erfüllen. Die vielfältige Nutzung, so hielten sie fest, präge die besondere Ausstrahlung des Stiftsbezirks. 27
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