Mao Zedong, Jack Ma, Xi Jinping oder Steve Jobs? Wie Chinas Staat und Gesellschaft um Helden ringen

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Mao Zedong, Jack Ma, Xi Jinping oder Steve Jobs? Wie Chinas Staat und Gesellschaft um Helden ringen
MERICS Webspezial (März 2015) von Simon Lang

Mao Zedong, Jack Ma, Xi Jinping oder Steve Jobs?
Wie Chinas Staat und Gesellschaft um Helden ringen
von Simon Lang, März 2015

China befindet sich im Umbruch: Lange Zeit legitimierte sich die Kommunistische Partei über den
wachsenden Wohlstand Chinas. Doch diese Legitimationsbasis bröckelt, seit Chinas
Wachstumsprognosen Jahr für Jahr bescheidener ausfallen. Die Phase des chinesischen
Wirtschaftswunders scheint beendet. Der Übergang zu einem neuen, nachhaltigeren
Wachstumsmodell wird schwierig und spannungsreich sein, das betont auch Chinas Führung immer
wieder.

Um die Herrschaft der Kommunistischen Partei Chinas weiterhin zu legitimieren, setzt Staats- und
Parteichef Xi Jinping seit seinem Amtsantritt 2013 verstärkt auf die Rückbesinnung auf
Parteiideologie und propagiert einen Kult um seine eigene Person. Hohe politische Beamte werden
im Zuge der Anti-Korruptionskampagne wie zu Zeiten Mao Zedongs zu öffentlicher Kritik und
Selbstkritik aufgerufen.

Auch dient die Anti-Korruptionskampagne dazu, Widerstände mächtiger innerparteilicher
Interessengruppen gegen Xi und sein Reformprogramm zu brechen. Um legitimitätsstiftende Werte
für die ganze Nation zu schaffen, greift die Parteiführung zunehmend auf Volkskampagnen und die
Inszenierung von Helden und Vorbildern zurück. Damit knüpft sie in Teilen an ihr maoistisches Erbe
an.

Machtmissbrauch und Veruntreuung öffentlicher Gelder haben der Reputation der KPCh stark
zugesetzt. Die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua schrieb dazu im Dezember 2013: „Die Partei
ist mit der Gefahr der Inkompetenz, Motivationsmangel und Korruption konfrontiert. Sie hatte auch
den Bezug zu den Menschen verloren.“ Diesem Vertrauensverlust in der Bevölkerung versucht Xi
Jinping nun mit aller Kraft entgegenzuwirken.

Xi setzt auf die Rückbesinnung auf „sozialistische Werte“. Der nationalistisch-kollektivistische
„China-Traum“ soll eine gesellschaftliche Basis für Chinas Rolle als Weltmacht unter Herrschaft der
KPCh schaffen. In diesem Zuge schottet sich China auch von westlichem Gedankengut ab:
Westliche Lehrbücher sollen an Universitäten verboten werden. „Kritische“ Dozenten sollen dazu
angehalten werden, ihren Studenten ein positiveres Bild von China zu vermitteln. Außerdem soll ein
neu eingeführter nationaler Märtyrer-Tag „den Zusammenhalt des chinesischen Volkes stärken,

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Mao Zedong, Jack Ma, Xi Jinping oder Steve Jobs? Wie Chinas Staat und Gesellschaft um Helden ringen
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Nationalismus fördern und sozialistische Moral propagieren“, so der Ständige Ausschuss des
Zentralkomitees der KPCh.

Nach der Niederschlagung der Protestbewegung 1989 hat sich die Mehrheit der urbanen
Mittelschicht dem von der KPCh diktierten Pakt des „politischen Schweigens gegen wirtschaftlichen
Wohlstand“ bereitwillig unterworfen. Die daraus resultierende rasante Kommerzialisierung aller
Lebensbereiche hat eine hedonistische und gleichzeitig zynische Mittelschicht geformt, die mitunter
vor Korruption und Bestechung für ihr persönliches Fortkommen nicht zurückschreckt.

Der selbstlose Soldat Lei Feng und der Große Vorsitzende Mao Zedong selbst waren die Ikonen
großer Teile der chinesischen Gesellschaft in den 1960er und 1970er Jahren. Doch die
Lebenswelten der heutigen urbanen Mittelschicht sind sehr viel heterogener und
vielschichtiger. Intellektuelle, Künstler und Privatunternehmer wehren sich gegen Xi Jinpings
Versuch, den gesellschaftlichen Einfluss der KPCh erneut auszubauen. Staatlich konforme, aber
gleichzeitig überzeugende Vorbilder zu schaffen, ist daher eine große Herausforderung für die
Kommunistische Partei:

 „Eine politische Maßnahme ist erfolgreich, wenn sie den Erwartungen des Volkes entspricht,
 und wird scheitern, wenn sie den Erwartungen des Volks widerspricht."

 „政之所兴在顺民心,政之所废在逆民心“ (Xi Jinping 2014)

Dieses Web Spezial liefert Antworten auf die Fragen: Welche Heldentypen und Vorbilder bemüht
Chinas Regierung? Welche Werte sollen sie vermitteln? Wie reagiert Chinas urbane Mittelschicht
auf die staatliche Heldenpropaganda? Welche Vorbilder und Helden existieren parallel oder in
Opposition zu offiziellen Darstellungen?

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MERICS-Umfrage

Die Umfrage führte Simon Lang in einer renommierten privaten Bildungseinrichtung in der
zentralchinesischen 30-Millionen-Metropole Chongqing (重庆) durch. Viele der befragten
Jugendlichen und jungen Erwachsenen planen, eine gewisse Zeit im Ausland zu verbringen
und haben ein gesteigertes Grundinteresse an internationalen Persönlichkeiten. Die
Befragten gehören zur chinesischen Mittelschicht.

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Ausgefüllter Fragebogen eines Schülers:

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Das Vorbild aller Vorbilder: Lei Feng

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Der Soldat Lei Feng (雷锋) symbolisiert den übermenschlichen Arbeiter, guten Samariter und das
ergebene Parteimitglied der maoistischen Ära. Laut offiziellen Berichten verschenkte er sein
weniges Geld an Bedürftige, sammelte Dung für Bauern, studierte fleißig Maos Schriften und
übernahm schon mit neun Jahren seinen ersten Posten in der Partei. Die Authentizität dieser
Berichte ist jedoch auch in China nach wie vor umstritten.

Trotzdem ist Lei Feng immer noch der offizielle Lieblingsheld. Zwar starb der Soldat bereits vor mehr
als einem halben Jahrhundert im jungen Alter von nur 22 Jahren. Trotzdem verweist eine
Bildersuche zum Begriff „Vorbild“ (榜样) auf der populärsten chinesischen Suchmaschine Baidu (百
度) auch noch heute fast ausschließlich auf Abbildungen dieser nahezu „mythischen“ Person. Und

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auch die staatliche Medienagentur Xinhua hat für Lei Feng eine Internetseite mit dem fast trotzigen
Untertitel „Lei Feng ist trotz der geschichtlichen Entwicklung immer noch aktuell“ ( 不会因历史发展而
过 时 ) eingerichtet. Die Erinnerung an den Parteihelden Lei Feng, so scheint es, soll in der
Bevölkerung um jeden Preis lebendig bleiben. Ideologische Kampagnen wie „An Lei Fengs Seite“ (雷
锋的身边) oder „Der Geist Lei Fengs“ (雷锋精神) beziehen sich immer noch direkt auf ihn.

Auch Staats- und Parteichef Xi Jinping bekräftigt die Vorbildlichkeit Lei Fengs. Nach seinem
Amtsantritt als Generalsekretär der KPCh zitierte Xi ihn in seiner Antrittsrede im November 2012 mit
den Worten „Das Leben ist begrenzt, aber die Möglichkeiten, dem Volk zu dienen, sind grenzenlos.“

„Nenn mich Lei Feng“

Dabei ist der Begriff Lei Feng auch unter chinesischen Netizens durchaus populär: Auf der
Mikroblog-Plattform Weibo fanden sich in der zweiten Jahreshälfte 2014 rund 168 Millionen Posts
mit dem Stichwort Lei Feng – elf Mal mehr als zu Staats- und ParteichefXi Jinping.

Trotzdem beziehen sich viele Beiträge hierbei jedoch nicht auf Lei Feng als historische
Persönlichkeit. Stattdessen benutzen Mikroblogger die Floskel „Nenn mich Lei Feng“ (请叫我雷锋)
für jede Art von Beitrag, bei der der Autor annimmt, der Internetgemeinde einen Gefallen getan zu
haben. Die Phrase bedeutet nichts weiter als „Nichts zu danken.“

Lei Feng ruft entgegen der Zielsetzung der Partei viel Zynismus im chinesischen Internet hervor. Er
wird als „falsch“ (假) bezeichnet und als Symbolfigur für unkritisches Denken und bedingungslose
Ergebenheit gegenüber der Führung gesehen. Eine Bloggerin schrieb auf Weibo: „Natürlich würde
ich einem Kind helfen, aber nicht weil die Regierung das von mir will.“

Lieber stark als selbstlos

In der MERICS-Umfrage erwähnten die Schüler den Lieblingshelden der KPCh kein einziges Mal –
weder als Helden noch als Vorbild. Der selbstlose Soldat ist offensichtlich zu weit von den
Lebenswelten der urbanen Jugend entfernt. Generell wurde „Selbstlosigkeit“ von den
Umfrageteilnehmern nicht als Eigenschaft eines Helden oder Vorbilds erwähnt.

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Xi Jinping - Der neue Mao oder ein lieber Onkel?

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Xi Jinping will in große Fußstapfen treten: Noch niemals hat die staatseigene Volkszeitung ( 人民日
报) über einen Politiker in den ersten 18 Monaten seiner Amtszeit so viel berichtet wie über Xi Jinping
– mit Ausnahme Mao Zedongs. Zu diesem Schluss kam eine Studie der Hongkong University im Juli
2014. Xi ist der erste chinesische Präsident nach Mao Zedong, der einen eigenen Personenkult
aufbaut.

Dabei wird Xis ikonographische Darstellung der des „großen Vorsitzenden“ Mao Zedong immer
ähnlicher: Bilder zeigen ihn in beinahe maoistischen Posen. Im November 2014 veröffentlichte ein
Shanghaier Universitätsverlag zudem ein Buch mit Zitaten von Xi. Die Publikation erinnert an eine
der Gegenwart angepasste „Mao-Bibel“, die zu Zeiten der Kulturrevolution beinahe jeder Chinese
besaß. Xi Jinping appelliert damit an das kulturelle Gedächtnis der Chinesen: Er beschwört einen
maoistischen Geist.

Neben seinem Image als „Chinas (neuer) imperialer Präsident“ inszeniert sich Xi Jinping aber auch
als der nahbarere und konfuzianisch sorgende „Staatsvater". Von staatlichen Medien wird er oft
einfach nur „Onkel Xi“ (习大大) genannt. Für ihn hat die Volkszeitung auf ihrer Webseite (人民网) eine
besondere Unterseite geschaffen, auf der die Bevölkerung ihrem „Onkel“ zusprechen kann. Die
Seite erinnert an Fanseiten von Popstars oder Sportlern. Unter dem Titel „Gib Gas, Onkel Xi“ ( 习大
大加油) können Besucher dem Staats- und Parteichef Glück wünschen und ihn mit Worten moralisch
unterstützen.

Zum chinesischen Neujahrsfest im Februar 2015 tauchten von einem Tag auf den anderen drei
Trickfilme eines zunächst unbekannten Filmstudios in chinesischen Videoportalen auf. Staatliche
Medien verbreiteten diese schnell weiter. Die Videos zeigen den heldenhaften Kampf „Onkel Xis“ für
sein Volk: Er vertreibt böse Tiger (老虎) - eine Metapher für korrupte politische Beamte. Er isst mit
den einfachen Bauern. Und er gibt den Menschen Gelder zurück, die zuvor veruntreut worden waren.
Doch das lockere Format der Videos steht nicht für inhaltliche Freiheiten. Im Gegenteil: Die
Zensurbehörde wacht streng über das mediale Bild Xis.

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Onkel Xi und sein Volk

Die Nachfrage der Bevölkerung nach einem lebensnahen Politiker „zum Anfassen“ scheint groß:
Plastikfiguren, Anhänger und überhaupt Bilder des Parteichefs erfreuen sich, ähnlich wie Mao-
Devotionalien, zunehmender Beliebtheit. Bücher von und über Xi Jinping verkaufen sich
millionenfach. Schlager wie „Onkel Xi liebt Mama Peng“ ( 习大大爱着彭妈妈 ) erreichen über 25
Millionen Klicks im Internet.

Bei den befragten Schülern steht Xi dennoch recht hoch im Kurs: Acht von ihnen nannten Xi als
Vorbild oder Held. Sie begründeten ihre Nennung mit seiner erfolgreichen Anti-
Korruptionskampagne, dem Charme des Präsidentenpaares und Xis Volksnähe.

Jack Ma – inszenierter Patriot und bewunderter Self-Made-Man

                                                            Foto via Flickr, World Economic Forum

 „Der wahre Held siegt über sich selbst.“
  „战胜你自己,这才是真正的英雄“                     Jack Ma

Lange waren Privatunternehmer in China als „Kapitalisten“ verpönt. Erst im Jahr 2001 hieß Jiang
Zemin sie als „fortschrittliche Produktionskräfte“ offiziell in der Kommunistischen Partei willkommen.
Damit legitimierte die Parteiführung nachträglich die seit Jahren laufenden privatwirtschaftlichen
Aktivitäten ihrer Mitglieder. Auch wenn die Regierung die Privatunternehmen gegenüber staatlichen
Unternehmern weiterhin benachteiligt (wie z.B. bei der Kreditvergabe) und versucht, sie politisch
ruhig zu stellen, sind Privatunternehmer doch auch gern genannte Aushängeschilder des
chinesischen Wirtschaftswunders.

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Der gefallene Patriot Li Ka-shing

Der Hongkonger Immobilienmogul Li Ka-Shing ( 李 嘉 诚 ) galt lange Zeit als einer der
„Musterunternehmer“ der KP-Führung. Die staatliche Presse nannte ihn den „Superman“ (超人). 17
Jahre lang war er der reichste Mann Hongkongs und zeigte sich dabei als ein loyaler Anhänger der
Regierung in Beijing. Noch 2013 zitierte ihn Xinhua mit den Worten „Nur wer die Wahrheit sagt und
etwas Praktisches tut, macht sich als Patriot verdient.“ ( 爱国是要说真话做实事有贡献). Li Ka-shing
verkörperte die aus Sicht Beijings perfekte Harmonie zwischen patriotischem Unternehmergeist,
produktiver Arbeit und autoritärer Kontrolle. Doch Lis Rolle als staatlicher Vorzeigekapitalist änderte
sich durch die Demonstrationen in Hongkong im Herbst 2014: Im September beorderte Xi Jinping
die einflussreichsten Unternehmer Hongkongs nach Beijing. Die Magnaten sollten sich öffentlich
gegen die Proteste in Hongkong aussprechen. Li folgte dieser Anweisung jedoch nicht und
enttäuschte die Machthaber in Beijing.

Zudem hatte Li in den letzten Jahren viele seiner Immobilien auf dem chinesischen Festland verkauft.
Als einer der prominentesten Investoren setzte er so negative Signale für den ohnehin fragilen
Immobilienmarkt der Volksrepublik ( 被指看淡内地房市 ). Die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua
warf Li Ka-shing daraufhin vor, leichtfertig agiert zu haben. Die Global Times schrieb, er habe sich
„unpatriotisch“ verhalten. Li Ka-Shing reagierte indem er große Teile seines Vermögens auf die
Kaiman Inseln verschob. Schnell bauten die staatlichen Medien einen Gegenspieler zum gefallenen
Superman auf: Jack Ma, den Gründer des E-Commerce-Giganten Alibaba.

Neuer Markt, neuer Unternehmertyp – warum Jack Ma für die chinesische Regierung
interessant ist

Kaum ein anderer chinesischer Unternehmer sorgte in China im vergangenen Jahr für so viele
Schlagzeilen wie Jack Ma. Beijing inszeniert den locker auftretenden Ma als Symbol für Chinas neue
Soft-Power und den „China-Traum“. Premier Li Keqiang bezeichnete Ma als eine treibende Kraft
hinter Chinas „neuer Ökonomie“.

Jack Ma ist ein Unternehmer, den China aus mehreren Gründen als Vorbild fördert. Er steht für die
Innovationsfähigkeit Chinas. Zugleich äußert sich Ma politisch loyal. So verteidigt Ma u.a. die
Haltung der chinesischen Regierung im Zuge der Niederschlagung der städtischen
Protestbewegung am Tiananmen 1989 aus. Laut Ma habe die Regierung damals getan, was
notwendig war. Außerdem passt Ma gut ins geopolitische Konzept der KPCh: Er bietet jungen
Taiwanesen Finanzierungsmöglichkeiten für Firmengründungen, um zwischen der „abtrünnigen
Provinz“ und der Volksrepublik „Brücken zu bauen“. In Bezug auf Hongkong agierte Ma ebenfalls im
Sinne der Partei: Er schuf ein Förderprogramm für junge Hongkonger Startup-Unternehmer in Höhe
von etwa 113,5 Millionen Euro.

Neben seinem beispielhaften, unternehmerischen Erfolg symbolisiert Ma auch soziale
Verantwortung: Er engagiert sich im Umweltschutz. Laut eigenen Angaben ist für Ma die „positive
Veränderung der Gesellschaft“ wesentlich wichtiger, als einfach Geld zu verdienen. Er passt gut in
das Bild, das die chinesische Regierung von einer Zivilgesellschaft zeichnen will. Diese
„positive“ Zivilgesellschaft, die sich beispielsweise um Umweltbelange oder sozial Benachteiligte
kümmert, ergänzt Regierungsprogramme, ohne dabei autonome Räume für Bürgerbeteiligung zu
schaffen. Wie viele erfolgreiche Unternehmer ist Jack Ma auf die Verbindungen zu politischen
Persönlichkeiten angewiesen. So fällt es ihm offensichtlich schwer, sich direkt von der politischen
Agenda Chinas zu distanzieren.

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 „In Hollywood-Filmen sind die Helden am Anfang böse und werden dann zu den Guten. In
 China sterben Helden am Ende immer – deswegen will niemand ein Held sein. Wir müssen
 dieses Bild ändern.“                                                      Jack Ma

„China-Traum“ vs. „American Dream“?

Jack Ma wurde von den Befragten am häufigsten als Vorbild genannt. Die Mehrheit begründet dies
jedoch nicht mit Mas Patriotismus oder den philanthropischen Ambitionen des E-Commerce-
Magnaten. Die Schüler sehen Jack Ma eher als Verkörperung des amerikanischen Traums. Elf Mal
ernennen Schüler Jack Ma - das macht ihn zur beliebtesten Person der jungen Befragten.

„Ma ist eine chinesische Internet-Legende. Er war ein Mittelschullehrer, der nichts von Technologie
verstand – trotzdem erschuf er das größte E-Business Chinas.”
Bewunderung findet auch Jack Mas Fähigkeit, ohne formale Ausbildung derartig erfolgreich zu sein.
Außerdem werden seine Entschlossenheit und Kreativität genannt. Vor allem streben die Schüler
jedoch nach seinem Reichtum:

„Er ist mein Vorbild, weil er der reichste Mann Chinas ist.“

Mas Beziehung zur chinesischen Führung oder der Gesellschaft spielte für die Interviewten keine
Rolle. Sie bewundern ausschließlich seinen individuellen Erfolg.

Sportler: Erfolg für den chinesischen Weltruhm?

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Auch in China sind Sportler zentrale Sympathieträger. Dass die Volksrepublik während einer
Fußball-Weltmeisterschaft kein kollektiv-emotionales „Sommermärchen“ heraufbeschwören kann,
ärgert Xi Jinping, der sich gern als Fußballfan inszeniert. Unter seiner Führung soll sich das
ändern: Bis 2017 sollen an rund 20.000 Schulen neue Fußballplätze und Trainingsmöglichkeiten
entstehen, um rund 100.000 Spitzenkicker hervorzubringen. Fußball soll Pflichtfach an chinesischen
Schulen und Teil der zentralen Aufnahmeprüfung für Universitäten werden.

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Bis die Maßnahmen erste Erfolge zeigen, kann Chinas Regierung bei der Suche nach sportlichen
Helden auf andere Sportarten zurückgreifen. Tennisprofi Li Na eignet sich dabei aus zwei Gründen:

 „Ich habe drei Wünsche: Dass China sich für die WM qualifiziert, dass China eine WM
 ausrichtet und dass China eine WM gewinnt.“                             Xi Jinping

Einerseits schlägt sie immer wieder ihre vor - allem US-amerikanischen - Konkurrentinnen.
Andererseits ist Li ungewöhnlich populär: 116 Millionen Chinesen verfolgten ihr Spiel bei den
„French Open“ im Sommer 2011. Der Spielerin folgen mehr als 23 Millionen Menschen auf Weibo.
Sie wird über 70 Millionen Mal in Beiträgen aus den letzten sechs Monaten erwähnt.

Li wehrte sich in den vergangenen Jahren vermehrt gegen die politische Instrumentalisierung ihrer
Person. 2011 lehnte sie ein Angebot ihrer Heimatprovinz Hubei (湖北) ab, stellvertretende Leiterin
des Landestennisverwaltungszentrums zu werden. 2012 verkündete sie in einer Pressekonferenz:
„Tennis verkörpert nicht die Nation“ (打球不代表国家). Staatliche Medien betitelten sie daraufhin als
„vorlaute Li“ (快言快语的李). Ihre Aussagen könnten durchaus als unpatriotisch interpretiert werden
(被解读为不爱国), so die Staatspresse. Umso erfolgreicher Li Na auf internationaler Ebene wurde,
desto klarer distanzierte sie sich von ihrer Rolle als offizielle Imageträgerin.

Als sie nach ihrem zweiten Grand Slam Sieg 2014 nach Hubei zurückkehrte, wartete der lokale
Parteichef mit einer Auszeichnung auf sie. Das offizielle Bild der Preisverleihung spricht Bände: Li
Na steht mit versteinertem Blick neben dem Funktionär und bringt damit ihre Ablehnung zum
Ausdruck. Sie möchte offenbar nicht als die Partei-Spielerin wahrgenommen werden und nicht für
propagandistische Zwecke instrumentalisiert werden. Von ihren Fans erhielt Li Na im chinesischen
Internet weitgehend Rückendeckung, teilweise sogar Beifall für ihre Distanz zur Partei. Anders als
bei Unternehmern stellten die befragten Schüler bei sportlichen Vorbildern einen deutlichen Bezug
zu deren internationaler Wirkung her:

„Li Na ist ein Vorbild für mich, da sie die erste Asiatin ist, die den Grand Slam zwei Mal gewonnen
hat.“

Der Weltruhm von Athleten wie Li Na ist für die chinesische Regierung wichtig, um diese als
patriotische Vorbilder zu inszenieren. Internationaler Erfolg verringert aber auch die Abhängigkeit
der Sportler von der chinesischen Regierung. Somit können sie, wie am Beispiel von Lin Na deutlich
wird, nur bedingt als Vorbilder im politischen Sinne instrumentalisiert werden.

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Helden des Alltags – Stehaufmännchen der staatlichen Propaganda

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Lebensnahe Vorbilder will die chinesische Regierung mit sogenannten „Graswurzelhelden“ (草根英
雄) schaffen. Diese „Volkshelden“ opfern sich für das Wohl der Allgemeinheit oder leisten einen
wichtigen Beitrag zur Bekämpfung sozialer Probleme. Trotz Behinderungen oder
Schicksalsschlägen bleiben sie optimistisch.

Einen guten Einblick in die staatlich propagierten „Helden des Alltags“ ermöglicht das jährliche
Medienereignis „Was bewegt China“ ( 感 动 中 国 ). Dieses Format wird von dem offiziellen
Fernsehsender CCTV (中国中央电视台) und der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua produziert.
Auf einer Seite von CCTV können Internetnutzer über eine bereits festgelegte Auswahl von
potentiellen „Graswurzelhelden“ abstimmen. Durch diese Veranstaltung soll „der erhabene Geist
von Modell-Helden gepriesen werden" (弘扬英雄模范的崇高精神...). Diese Personen sollen laut den
Veranstaltern den Patriotismus und die soziale Gerechtigkeit in der Bevölkerung fördern. Bei der
diesjährigen Abstimmung liegt zum Veröffentlichungszeitpunkt (3. März 2015) eine
Wohngemeinschaft (陇海大院) aus Zhengzhou auf dem ersten Platz. Die Gemeinschaft kümmert sich
um einen Rollstuhlfahrer, dessen gesamte Familie tragisch ums Leben gekommen ist.

Auffällig ist, dass keine dieser staatlich propagierten „Alltagshelden“ in der MERICS-Umfrage
genannt werden. Die Schüler nennen stattdessen bevorzugt ihre Eltern und Freunde als Helden und
Vorbilder, die ihr Leben prägen.

Mama ist meine einzige Heldin: Der Rückzug ins Private

12 der 56 Befragten nannten nicht etwa Personen des öffentlichen Lebens, sondern
Familienmitglieder und enge Freunde als Helden oder Vorbilder. Daher kann davon ausgegangen
werden, dass diese Schüler außerhalb ihrer privaten Netzwerke keine oder kaum eine Beziehung
zu staatlich propagierten Persönlichkeiten aufbauen.

Innerhalb dieser Personengruppe scheint die offizielle Helden-Propaganda gescheitert zu sein. Die
Aussage eines Befragten verdeutlicht dieses Phänomen:

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„Meine Eltern sind meine Vorbilder. Sie haben mir alles beigebracht und ich habe viel von ihnen
gelernt. Ich habe keine anderen Vorbilder oder Helden.“

Als Begründungen für familiäre Vorbilder nennen die Befragten verschiedenste Charakteristika.
Viele davon ähneln erstaunlicherweise den Eigenschaften Lei Fengs (siehe: historische Helden).
Die jungen Erwachsenen sprechen anerkennend über die Hilfsbereitschaft, die Selbstlosigkeit und
die positive Einstellung ihrer Mütter oder Großmütter. Die Aussage einer 23-Jährigen fasst die
Umfragetendenzen im Bereich Familie zusammen:

„Ich habe nie wirklich über meine Helden und Vorbilder nachgedacht. Ich denke, mein Idol ist meine
Großmutter. Sie wuchs in einer reichen Familie auf und war gebildet, musste aber in der
Kulturrevolution in einer Textilfabrik arbeiten, während sie ihre vier Kinder erzog. Sie beschwerte
sich nie über ihr Leben und sorgte dafür, dass ihre Kinder eine gute Ausbildung bekamen. Sie glaubt
daran, dass alle fair behandelt werden sollten. Auch nach der Scheidung meiner Eltern riet sie mir
immer, meinen Vater nicht zu hassen, sondern ihn trotz seiner Fehler zu lieben. Sie ist ein großes
Vorbild für mich, da sie viele gute Werte vertritt.“

Anti-Helden: Arm, hässlich und ohne Perspektive?
Als Reaktion auf das Bild der „großen, reichen und attraktiven“ (高富帅) Aufsteiger, haben Netizens
eine Subkultur des „Anti-Helden“ entwickelt. „Diaosi“ (屌丝) – eigentlich „Schamhaar“ – beschreibt
eine neue soziale Identität in China. Ein „Diaosi“ ist in der Regel ein Städter unter 30 Jahren mit
einem Durchschnittseinkommen von 3.000 CNY, dem sich kaum Aufstiegschancen bieten ( 自称屌
丝). Ein Auto oder eine Wohnung, typische Statussymbole in China, bleiben für ihn unerreichbar. Da
„Diaosi“ wenig Geld haben, verbringen sie ihre Freizeit häufig im Internet. Selbst die renommierte
Peking-Universität widmete im Oktober 2014 dieser sozialen Gruppe eine Studie (北大发布全国首份).
In einer Umfrage unter 21 Millionen Menschen zwischen 21 und 30 Jahren gaben über 62 Prozent
der Befragten an, sich als „Diaosi“ zu fühlen. Viele dieser Befragten seien sehr unzufrieden mit ihrer
Lebenssituation und litten teilweise an psychischen Problemen, so die Studie.

Das Wort „Diaosi“ findet sich in den letzten sechs Monaten rund 681 Millionen Mal in Beiträgen und
Kommentaren auf Weibo. Damit steht der Begriff „Diaosi“ für eine Gegenbewegung zum Mainstream
der Gesellschaft und für eine Art der politischen Kritik.1 Auch hat sich die Konnotation des Wortes
„Diaosi“ geändert: Waren es ursprünglich hauptsächlich Menschen, die sich als „urbane
Verlierer“ sahen, steht der Begriff heute für eine Gruppe junger und benachteiligter, aber stolzer
Städter. Dies zeigt auch eine Weibo-Analyse von Civil China. Diese Studie kam anhand
verschiedener Wortkombinationen zu dem Fazit, dass „Diaosi“ in der Internet-Gemeinde
hauptsächlich positiv gesehen werden.

Xis „China-Traum“ trifft auf Menschen ohne Träume

Ein Gegenmodel zu den „Verlierern“, den „Diaosi“, ist der von Xi Jinping propagierte „China-
Traum“ (中国梦). Laut Xi steht der „China-Traum“ neben der Verwirklichung nationaler Größe auch
für den Traum einer wohlhabenden, optimistischen Bevölkerung:

1Yang P., Tang L. und Wang X. (2014) Diaosi as infrapolitics: scatological tropes, identity-making and cultural intimacy
on China´s internet, Media, Culture & Society, pp. 1-18.
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„Das chinesische Volk steht mit ganzem Herzen hinter dem China-Traum, da dieser Traum
zuallererst ein gemeinsamer Traum von 1,3 Milliarden Menschen ist.“
(中国人民发自内心地拥护实现中国梦,因为中国梦首先是 13 亿中国人民的共同梦想。)

Die „Diaosi“ glauben nicht an diesen Traum und fühlen sich nicht als Teil dieser Gesellschaft.

Staatsblogger Zhou Xiaoping

 „Unserem Volk hat es nie an Helden gefehlt, nur haben die Menschen sie nicht
 wahrgenommen.“                                           Zhou Xiaoping

 (我们这个民族从来都不缺英雄,但老百姓却很少能看到他们.)

Künstler sollen die Kunst nicht dem Kommerz opfern, sondern sie in den Dienst der Bevölkerung
und des Sozialismus stellen, so Staats- und Parteichef Xi Jinping am 15. Oktober 2014 auf einem
„Forum für Kunst und Literatur“ in der Großen Halle des Volkes in Beijing. Zahlreiche renommierte
Künstler waren vertreten. Darunter auch der Literaturnobelpreisträger Mo Yan. Doch Xi wählte
durchaus ungewöhnliche Beispiele für „sozialistische Modellkünstler“: Den 33-jährigen Blogger Zhou
Xiaoping und einen weiteren Blogger namens Hua Qianfang ( 花千芳 ). Die „positive Energie“ –
offizieller KPCh-Euphemismus für „politisch korrekt“ – in den Beiträgen dieser beiden Blogger sei
lobenswert, so Xi. Er hoffe, dass beide noch mehr Artikel mit positiver Energie verfassen. (总书记希
望 他 “ 创 作 更 多 具 有 正 能 量 的 作 品 ). Zhous „positive Energie“ besteht vor allen Dingen in der
Beschwörung einer goldenen Zukunft Chinas unter Führung der KPCh und der Dämonisierung der
USA als heuchlerische Hegemonialmacht.

Chinas liberale Künstler und Blogger reagierten geschockt auf das Lob des nationalistischen
Bloggers von höchster Stelle. Sie begannen, Zhous Texte nach inhaltlichen Fehlern zu durchsuchen
und sich anschließend über diese lustig zu machen. Die Zensoren reagierten prompt und löschten
die kompromittierenden Beiträge. Schließlich wurden sogar ganze Nutzerprofile gelöscht, um Zhous
Gesicht – und letztlich auch das Xi Jinpings – zu wahren.

Die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua begann gleichzeitig, den in Bedrängnis geratenen Blogger
zu verteidigen. Innerhalb einer Woche veröffentlichte sie mehr als 20 Artikel auf ihrer Internetseite,
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MERICS Webspezial (März 2015) von Simon Lang

welche die konstruktiven Seiten des von Xi gelobten patriotischen Bloggers beleuchteten. Einer
dieser Artikel hieß zum Beispiel: „Internetzeitalter, bitte toleriere die Zhou Xiaopings“ ( 网络时代,请
给“ 周 小 平们 ” 一 些宽 容 ). Darin berichtete die staatliche Nachrichtenagentur erneut von seiner
positiven Energie, die er durch Aussagen wie „Patriotismus braucht keinen Grund“ (爱国不需要理由)
zum Ausdruck gebracht hätte.

In einem Artikel unter der Überschrift „Warum Zhou Xiaoping für Aufregung sorgt“ (周小平为什么会火)
bemerkt der Xinhua-Autor: Zhou wird von der Mehrheit nicht für seine positive Energie kritisiert. Er
sei nur wenig gebildet und schreibe in einem fragmentierten Stil, der im Internet üblich wäre. Das
sei überhaupt keine Sünde (这并不是什么罪过). Der Autor bemerkt am Ende seines Artikels, dass es
zu wenige „gute Stimmen“ (好声音) wie die von Zhou im Internet gebe. Diese Reaktionen zeigen die
Brisanz des Falls Zhou Xiaoping: Die kontroverse Diskussion über seine Texte, hat Xis Rückhalt
unter jungen Internetnutzern geschmälert und ihn angreifbar gemacht. Darauf deuten die schnelle
Reaktion der staatlichen Medien und die Zensur auf Weibo hin.

Circa 541 000 Fans folgen Zhou auf Weibo. Im vergangenen halben Jahr wurde er nur knapp drei
Millionen Mal in Posts auf Weibo erwähnt. Netizens nennen den Blogger somit wesentlich seltener
als alle anderen hier betrachteten Personen. Keiner der von MERICS befragten Schüler und
Studenten nannte ihn als Held oder Vorbild.

Staatliche Helden-Propaganda in einer fragmentierten Gesellschaft
Das Repertoire an staatlich erschaffenen Helden und Vorbildern ist vielschichtig. Dennoch scheitern
die Bemühungen weitgehend, diese bei jungen Städtern zu etablieren. Staatlich propagierte
Vorbilder sind bei der urbanen Mittelschicht nur dann erfolgreich, wenn sie nahbar erscheinen –
weshalb die „Onkel Xi“-Inszenierung durchaus auf fruchtbaren Boden fällt. Attraktiv sind auch
Figuren, die nationale Stärke und internationalen Ruhm verkörpern (siehe Xi Jinping und Li Na).

Die Lei Feng und anderen Helden zugeschriebenen Eigenschaften wie Selbstlosigkeit bewundern
junge Chinesen – allerdings eher im privaten und familiären Umfeld. Sie halten die staatlich
propagierten Helden und Vorbilder für wenig glaubwürdig. Mit dem Helden-Begriff konnten die
befragten Schüler und Studenten insgesamt nur wenig anfangen.

Die Teilnehmer der MERICS-Umfrage sind weitgehend materialistisch orientiert. Der als staatliches
Vorbild bemühte Jack Ma ist zwar auch für die urbane Mittelschicht eine bewundernswerte
Persönlichkeit, allerdings nicht für sein Engagement als Philanthrop und Patriot, sondern primär für
seinen individuellen Erfolg und seinen Reichtum. Generell spielen materieller Wohlstand und
Selbstverwirklichung bei der Wahl von Vorbildern eine große Rolle. Dies stellt in Anbetracht eines
nachlassenden Wirtschaftswachstums eine zunehmende Herausforderung für die chinesische
Regierung dar. Trotz ideologischer Kampagnen zur Eindämmung „westlicher Ideen“ und westlicher
Populärkultur sind insbesondere westliche Stars und Sportler unter jungen Chinesen beliebte
Vorbilder.

Es ist unwahrscheinlich, dass die Kommunistische Partei in naher Zukunft Vorbilder hervorbringt,
mit denen sie breite Teile der Bevölkerung ideologisch einbinden kann. Zu fragmentiert sind die
Lebenswelten der jungen Mittelschicht, zu zynisch blickt diese auf beschworene Helden, zu weit
entfernt von ihrem Alltag sind diese Begrifflichkeiten, zu selbstbezogen sind ihre Ziele.

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