MASARYK-UNIVERSITÄT - Mehrsprachiges Wörterbuch von Drogenslang - PÄDAGOGISCHE FAKULTÄT

 
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MASARYK-UNIVERSITÄT

                PÄDAGOGISCHE FAKULTÄT

            Lehrstuhl für deutsche Sprache und Literatur

       Mehrsprachiges Wörterbuch von
                       Drogenslang

                          Diplomarbeit

                               Brünn 2020

Verfasser: Bc. Richard Dzuna
Betreuer: doc. Mgr. Tomas Käna, Ph.D.
Prohlašuji, že jsem diplomovou práci vypracoval samostatně, s využitím pouze citovaných
pramenů, dalších informací a zdrojů v souladu s Disciplinárním   řádem pro studenty
Pedagogické fakulty Masarykovy univerzity a se zákonem č. 121/2000 Sb., o právu
autorském, o právech souvisejících s právem autorským a o změně některých zákonů
(autorský zákon), ve znění pozdějších předpisů.

Břeclav, 23. 3. 2020

                                                          Bc. Richard Džuna
Danksagung:

An dieser Stelle möchte ich mich bei Kollegen aus der Drogenbekämfungseinheit der
Tschechischen   Zollverwaltung   bedanken, die mich zum Verfassen dieser Arbeit
inspirierten und die die Relevanz der Angaben über die Suchtmittel überprüften.

Ein besonderer Dank gilt meinem Betreuer Herrn doc. Mgr. Tomáš Káňa, Ph.D., der für
mich immer ansprechbar war und der diese Arbeit betreut hat. Ohne dessen Hilfe und
wertvolle Tipps und Ideen wäre diese Arbeit nie zustande gekommen.
Inhalt
1         Einleitung                                                                        6

2     Theoretische Grundlage                                                               10

    2.1       Drogen als gesellschaftliches Problem                                        10

      2.1.1       Drogen bei Jugendlichen                                                  11

      2.1.2       Drogen in pädagogischer Realität                                         12

    2.2       Drogen und Sprache                                                           13

      2.2.1       Geschichte der Soziolektuntersuchungen                                   13

      2.2.2       Soziolektterminologie in den untersuchten Sprachen                       19

      2.2.3       Die Begriffe für Soziolekte in nationalen Korpora (kurze Untersuchung)   27

      2.2.4       Kryptische Funktion der Sprache der Drogenszene                          31

      2.2.5       Auswirkungen auf die benutzte Terminologie                               33

      2.2.6       Slang                                                                    38

      2.2.7       Motivation                                                               41

          2.2.8   Methoden des Sammeins von Sprachmaterial                                 42

    2.3       Lexikographie                                                                43

          2.3.1   Typologie der Wörterbücher                                               44

          2.3.2   Äquivalenz                                                               45

          2.3.3   Anordnung der gedrückten mehrsprachigen Wörterbücher                     47

3         Wörterbuch des Drogenslangs                                                      51

    3.1       Methodologische Voraussetzungen                                              51

    3.2       Wörterbucherstellungsprozess                                                 52

          3.2.1    Sammeln von Sprachmaterial - Primärquellen                              52

          3.2.2   Aufteilung nach der semantischen Bedeutung                               53

          3.2.3    Sammeln von Sprachmaterial - Sekundärquellen                            55
3.2.4        Aufteilung nach der Motivation                      57

      3.2.5        Anordnung nach der Äquivalenz                       61

      3.2.6        Auswahl einer geeigneten Wörterbuchstruktur         62

    3.3      Problematik der Begriffsbedeutung                         65

      3.3.1        Übertragungen                                       66

      3.3.2        Entlehnungen                                        68

      3.3.3        Kürzungen                                           69

      3.3.4        Ableitungen                                         70

      3.3.5        Komposition                                         70

      3.3.6        Phraseologismen                                     71

    3.4       Sprachliche Varianten als Abbildung der lokalen Szenen   71

4         Benutzeranweisungen zur Arbeit mit dem Wörterbuch            74

5     Zusammenfassung                                                  75

6         Resume                                                       77

7         Literaturverzeichnis                                         79

8         Anhang                                                       84
1 Einleitung

        "It's very important that parents brush up on ... slang, because just like with text
        messaging, kids use all these abbreviations and parents don't know what they mean.
        But the more they understand what these things mean, the more they will be able to
        monitor kids' behavior. " r

                    Gregory Pollock, Psychotherapeut, spezialisiert auf Süchte (Mann 2007)

Die Problematik des Drogenkonsums in der heutigen Gesellschaft kann aus mehreren
Blickwinkeln betrachtet werden. Die wahrscheinlich häufigste Art und Weise, wie auf dieses
Thema in der Gesellschaft geachtet wird, betrifft kriminelle Phänomene, die eng mit dem
Drogenkonsum verbunden sind. Weiter wird der Drogenkonsum sehr oft aus der Sicht seiner
medizinischen und gesundheitlichen Folgen für die Konsumenten betrachtet. Am Feld der
Pädagogik wird die Problematik der Drogenabhängigkeit desto mehr wahrgenommen, je mehr
das Drogenangebot unter Jugendlichen wächst. Es gibt sogar Fälle von Grundschulschülern,
die Betäubungsmittel und psychotrope Substanzen einnehmen.

Aus der sprachwissenschaftlichen Sicht ist am Gebiet der Drogenproblematik das Element des
Drogenslangs sehr interessant. Obwohl sich der Drogenkonsum auf eine relativ begrenzte Zahl
von Substanzen, Personen und gegebenenfalls Verfahren bezieht, ist trotzdem das Lexikon, das
von dem in diesem Umfeld befindlichen Menschen benutzt wird, bunt und abwechslungsreich.
Man könnte meinen, mit Drogen sei ein kriminelles Umfeld verbunden, das vor allem von
groben und rückständigen Kriminellen mit geringer Ausdrucksweise getragen wird. Aber man
wäre weit weg von der Wahrheit. Wie die Erfahrungen der unzähligen Institutionen und
Behörden, die sich mit der Bekämpfung des Drogenhandels beschäftigen, zeigen, verwenden

1
    Es ist sehr wichtig, dass Eltern mit ... Slang vertraut sind, denn genau wie beim Versenden von
     Textnachrichten verwenden Kinder all diese Abkürzungen und die Eltern wissen nicht, was sie
     meinen. Aber je besser sie verstehen, was diese Dinge bedeuten, desto besser können sie das
     Verhalten von Kindern überwachen. (Übersetzung vom Autor)

                                                 6
Drogenhändler fortgeschrittene Techniken und Methoden, um ihre illegalen Aktivitäten zu
betreiben und zu tarnen. Zu diesen Methoden gehört auch die Verwendung einer speziellen,
für eine normale, uneingeweihte Person unverständlichen Lexik.

Ich beschäftigte mich mit dem Drogenslang schon in meiner Bachelorarbeit, in der ich den
deutschen, englischen und tschechischen Drogenslang aus Sicht der Entstehungsarten von
neuen lexikalischen Einheiten analysierte und verglich, und aus der ein deutsch-tschechischer
Wörterbuch entstanden ist. Der Grund für diese Tat war meine Feststellung, dass solches
Wörterbuch nicht zur Verfügung steht. Schon im Laufe dieser Arbeit ist mir die Idee eingefallen,
ein mehrsprachiges Wörterbuch zu verfassen. Da mich diese Idee nicht verlassen hat, habe ich
mich auch nach Abschluss meiner Bachelorarbeit der Sammlung von Begriffen aus dem
Drogenbereich, insbesondere aus dem deutschen, gewidmet. Bei dieser Tätigkeit kam ich auch
zum russisch-deutschen Wortschatz des Drogenslangs. Und weil einer der wichtigsten Akteure
auf dem Gebiet des Handels mit Sucht- und Betäubungsmitteln in der Tschechischen Republik
die russischen Kriminalgruppen sind, habe ich beschlossen, die russische Sprache in das
geplante mehrsprachige Wörterbuch aufzunehmen.

Es ist mir bewusst, dass die überprüften und zuverlässigen Informationen über die russische
Drogenszene nicht so leicht zugänglich sind wie in anderen Ländern, sei es der Grund dafür
die sprachliche oder auch die politische Barriere. Trotzdem bin ich überzeugt, dass die Struktur
des mehrsprachigen Wörterbuchs erlaubt, den bisher gesammelten lexikalischen Material in
der Zukunft einfach zu ergänzen und erweitern, und dass die Eingliederung der russischen
Sprache in das Wörterbuch ein guter Schritt und eine gute Grundlage für mögliche weitere
Nachfolger ist.

Die persönliche Motivation, die mich zum Thema dieser Arbeit führte, liegt insbesondere in
meiner langjährigen Arbeit bei der Zollverwaltung der Tschechischen Republik, bei der ich mit
verschiedenen Formen der Kommunikation von Angehörigen krimineller Gruppen, die sich mit
dem Drogenhandel befassen, in Berührung gekommen bin. Da sich die Zollverwaltung der
Tschechischen Republik im Bereich der Straftätigkeit im Zusammenhang mit der Behandlung
von Sucht- und Betäubungsmitteln bei ihrer Beförderung über die Staatsgrenzen hinweg mit
ihnen befasst, ist die Kenntnis der Kommunikation in Fremdsprachen fast immer notwendig.
Insbesondere, wenn die Kommunikation unter Verwendung von Slangbegriffen erfolgt, wobei
die wahre Bedeutung der Mitteilung verhüllt bleibt, spielt die Kenntnis dieser Begriffe eine

                                               7
Schlüsselrolle, um die Bedeutung der Mitteilung richtig zu erkennen und die erforderlichen
Maßnahmen zur Aufdeckung einer Drogenlieferung oder direkten strafrechtlichen Verfolgung
der Täter zu ergreifen. Denn oft werden gerade solche Begriffe verwendet, die im Kontext der
gesamten Mitteilung ganz behutsam und unauffällig wirken.

An   dieser   Stelle   möchte   ich   betonen, dass   Drogensprache     auch   mit krimineller
Umgangssprache verbunden ist. Obwohl der Gebrauch oder Besitz von Drogen für den
Eigengebrauch nicht unbedingt eine Straftat ist, ist die Kenntnis der gebräuchlichen
Redewendungen aus der Sprache der Drogenszene auch für die Strafverfolgungsbehörden von
Bedeutung. Im Rahmen von Ermittlungen zu Drogendelikten werden auch Texte von Personen
verarbeitet, die keine Täter solcher Handlungen sind. Das richtige Verständnis der Texte, in
denen Drogenjargon vorkommt, sei es aufgenommene Telefongespräche, abgefangene
Mitteilungen oder protokolierte Aussagen, ist ein wichtiges Mittel, um tatsächliche Täter zu
identifizieren oder sogar zu verurteilen.

Ziel dieser Arbeit ist, aus den Begriffen des Drogenslangs ein elektronisches mehrsprachiges
Thesauruswörterbuch zu erstellen. Indem das Vokabular als Anhang zu dieser Arbeit primär in
elektronischer Form existieren wird, bietet sich die Möglichkeit, Fulltextsuche der Begriffe und
deren Äquivalente in beliebiger der verwendeten Sprachen zu benutzen. Die Fulltextsuche
ermöglicht mit Hilfe einer nach der Bedeutung der Begriffe gestaltenden strukturierten
Hierarchie die Äquivalente auch in Relation 1:n zu suchen. Das bedeutet, dass jedem Begriff in
der Quellensprache eine variable Anzahl von Bedeutungsäquivalenten in der Zielsprache
entspricht.

Der theoretische Teil der Arbeit befasst sich zunächst aus verschiedenen Perspektiven mit
Drogenslangs. Der erste Teil befasst sich mit der Beziehung zwischen der Drogenproblematik
und der Pädagogik. Der nächste Teil befasst sich mit Slang aus sprachwissenschaftlicher Sicht.
Insbesondere wird die Stellung der Umgangssprache im Sprachsystem, die Möglichkeiten ihrer
Definition und ihre Definition aus anderen nahen Einheiten der Sprache erörtert. Im Folgenden
finden Sie eine kurze Übersicht über die Slang-Forschung in den Sprachen des Wörterbuchs,
das erstellt wird. Anschließend wird ein kurzer Überblick über die Slang-Forschung in den
Sprachen des erstellten Wörterbuchs gegeben. Der letzte Unterabschnitt konzentriert sich auf
das Gebiet der Lexikographie und befasst sich mit den theoretischen Voraussetzungen für die

                                               8
Erstellung eines mehrsprachigen Wörterbuchs, hauptsächlich der Frage der Äquivalenz von

Ausdrücken.

Im praktischen Teil wird zunächst die Methode zur Erstellung eines Wörterbuchs vorgestellt. Es
handelt sich um eine kurze Beschreibung der einzelnen Schritte und ihrer Reihenfolge. Das
nächste Kapitel befasst sich ausführlich mit der konkreten Umsetzung dieser Schritte. Am Ende
wird eine kurze Beschreibung der verschiedenen Sprachversionen gegeben, deren Vergleich
und einige Hypothesen darüber, wie der Drogenslang in verschiedenen Sprachgebieten die
Realität lokaler Drogenszenen widerspiegelt.

Der Anhang enthält ein vollständiges viersprachiges Wörterbuch des Drogenslangs mit mehr
als dreitausend lexikalischen Einheiten.

                                               9
2 Theoretische Grundlage

2.1 Drogen als gesellschaftliches Problem

Das Wort „Droge" stammt von dem arabischen „durana" in der Bedeutung Heilmittel.
Allgemein wird dieser umgangssprachliche Ausdruck in zwei Bedeutungen verwendet:

   1. getrocknete oder auf andere Weise konservierte Pflanzen, Tiere, deren Teile oder
         Produkte deren Stoffwechsels, die als Arzneimittel oder zu ähnlichen Zwecken
         verwendet werden.

   2. Substanzen, die das Bewusstsein und Wahrnehmung beeinflussen, in der Regel süchtig
         machen, einige schädlich und meist illegal oder staatlich eingeschränkt (vgl.
         Mahdalíčková 2014:10-11)

Die offizielle Bezeichnung für Drogen im Sinne von illegalen Stoffen lautet in der tschechischen
Gesetzgebung „omamné a psychotropní látky" (§ 283 zákona č. 40/2009 Sb. trestní zákoník)
oder „návykové látky" (zákon č. 167/1998 Sb. o návykových látkách). Eine ähnliche
terminologische Ambivalenz ist in der deutschen Sprache zu beobachten, wo die deutsche
(BtMG) und schweizerische (BetmG) Gesetzgebung mit der Bezeichnung "Betäubungsmittel"
arbeitet, während in Österreich sich die Bezeichnung "Suchtmittel" (SMG) etablierte.

Das Einnehmen und Behandlung von illegalen Drogen werden eindeutig als ein sehr ernstes
Problem angesehen, das die Gesundheit, die Sicherheit, die soziale Lage und den Wohlstand
der gesamten Gesellschaft und insbesondere der Jugendlichen gefährdet. Illegale Drogen
hängen auch mit dem Problem des kriminellen Verhaltens eng zusammen. Es gibt zwei Arten
davon:

   1. erstens das organisierte Verbrechen, das aus Profitgründen begangen wird und

   2. zweitens die sogenannte Beschaffungskriminalität, d.h. Eigentumsdelikte, Prostitution
         oder Gewalttaten. Insbesondere der zweite Typ betrifft jugendliche Benutzer.

Vor allem aus diesem Gründen sind Erzeugung, Verarbeitung, Umwandlung, der Erwerb und
Besitz von illegalen Drogen allgemein kriminell straffbar.

                                               10
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass es neben illegalen Drogen wie Kokain,
Marihuana und dergleichen auch legale, d.h. gesellschaftlich verträgliche Drogen wie Alkohol,
Nikotin usw. gibt. Diese legalen Drogen haben im Bereich der Kriminalität keine so
schwerwiegenden Folgen, die wirtschaftlichen Folgen ihres Missbrauchs sind jedoch mit den
von illegalen Drogen vergleichbar.

2.1.1 Drogen bei Jugendlichen

Die Ergebnisse der im Rahmen der Europäischen Schulstudie zu Alkohol und anderen Drogen
(ESPAD) durchgeführten Forschungen zeigen, dass die Probleme im Zusammenhang mit der
Verwendung von Drogen nicht nur die erwachsene Bevölkerung betreffen. Laut dieser Studie
durchgeführt im Jahr 2015 unter den 16-Jährigen:

   •    hatte 32% eine Erfahrung mit Cannabiskonsum, fast 24% haben im letzten Jahr
       Cannabis konsumiert; das Durchschnittsalter der ersten Cannabis-Erfahrung betrug
        14,5 Jahre

   •    hatte circa 4% Erfahrung mit LSD und Halluzinogene (und mehr als 3% mit

       halluzinogenen Pilzen), ungefähr 3% mit Ecstasy, 1,4% mit Pervitin, 1,4% mit Kokain

   •    hatte weniger als 1% andere illegale Suchtmittel ausprobiert (Gabrhelik et al. 2019)

Es ist relativ einfach zu beantworten, warum gerade die Jugendlichen zu den am stärksten
gefährdeten    Gruppen    gehören.    Physiologische   Veränderungen     im Körper,     soziale
Veränderungen wie der Übergang in die höhere Schulstufe oder die Aufnahme der ersten
Beziehungen, diese und ähnliche Faktoren haben zur Folge, dass die Adoleszenz eine
problematische Zeit darstellt. Drogen bedeuten leichtes Entkommen den Problemen.

In der Tschechischen Republik befasst sich im Bereich der Bildung mit Maßnahmen gegen den
Konsum illegaler Suchtmittel das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (MSMT) im
Einklang mit der Strategie zur Prävention von Risikoverhalten bei Kindern und Jugendlichen im
Rahmen des MSMT, der Nationalen Strategie für Drogenpolitik und der Strategie zur
Kriminalprävention.   Von MSMT durchgeführte Präventionsprogramme fallen unter die
sogenannte Primärprävention. Im Gegensatz zur Sekundär- und Tertiärprävention, bei der mit
Personen im Stadium        der Abhängigkeit     gearbeitet wird,    besteht der Zweck der

                                              11
Primärprävention darin, Sucht in Bezug im Sinne der Notwendigkeit, die Droge regelmäßig für

seine psychischen Wirkungen zu verwenden, vorzubeugen (Mahdalíčková 2014:32,78).

Zur Primärprävention gehört auch die Fähigkeit, das Problem schnell zu erkennen und nicht
nur fachmäßige Unterstützung zu leisten, sondern auch durch pädagogisches Personal zu
unterstützen. Je früher das Problem des Substanzkonsums erkannt wird, desto besser können
Minderjährige und Eltern unterstützt werden, aber auch Gleichaltrige geschützt werden, die
andernfalls mit einem Klassenkameraden/innen in Kontakt kommen könnten. Zu einem der
Faktoren, mit denen der Drogenkonsum beim Kind oder in seiner Umgebung rechtzeitig
erkannt werden kann, gehört die Elternbeobachtung zu Hause oder pädagogische
Beobachtung in der Schule - die Überwachung der Aktivitäten von Kindern (vgl. Gabrhelik et
al. 2019).

Zu      diesen Aktivitäten     gehört    auch    die     Kommunikation   mit   Freunden/innen oder
Klassenkameraden/innen. Da die Sprache der Drogenkonsumenten jedoch spezifische Begriffe
verwendet, ist die Kenntnis der Begriffe in diesem Bereich entscheidend für die Identifizierung
und Entschlüsselung von Mitteilungen, die drogenbezogene Informationen enthalten.

2.1.2     Drogen in p ä d a g o g i s c h e r Realität

Die Probleme mit illegalen Drogen meiden auch Schulkinder aus Grundschulen nicht. In Orlová
fanden im Jahr 2016 in Zusammenarbeit mit den Schulleitern der örtlichen Grundschulen
anonyme Tests von Neuntklässlern mit Speichel statt. Die Ergebnisse zeigten, dass die Tests auf
Gehalt von Amphetamin, Methamphetamin, THC und Ecstasy bei fast 25 Prozent der
Schulkinder positiv waren. Die Tests identifizierten Medikamente, die bis zu einer Woche vor
der Durchführung konsumiert wurden. (Wojnar 2016).

Die Tatsache, dass Schulkinder in ihrem Drogenkonsum einfallsreich sind, zeigt sich auch an
dem Fall, den Kriminalisten 2019 an einer Grundschule in Přerov untersucht haben. Diesmal
ging es nicht einmal um illegale Substanzen, sondern um das legale Medikament Ritalin, das
Kindern mit ADHS verschrieben wird, auf die es eine beruhigende Wirkung hat. Der Wirkstoff
Methylphenidat wirkt jedoch auf Personen, die nicht in an ADHD leiden, wie Methamphetamin.
Dieses Medikament haben sogar Schüler der fünften Klasse missbraucht. Dieser Fall ist auch
dadurch bemerkenswert, dass Schüler aus Familien mit gutem familiären Hintergrund
einbezogen wurden, denen ihr Taschengeld ermöglichte, hundert Kronen pro eine Tablette zu

                                                       12
zahlen. Das Motiv für den Konsum war, abgesehen von der langen Weile und dem Einfluss der

Clique, der Wunsch, etwas Neues zu erleben (Janouš/Hromková 2019).

Laut Votavové (2007:378) kommen Kinder am häufigsten mit Drogen erstmals auf dem Weg
zur Schule, von der Schule oder direkt in der Schule in Kontakt, wobei der erste Mittelsmann
ein Mitschüler ist. Außerdem sei die Schule ein Ort, der Ansprüche auf Verhalten, Leistung,
Benotung und weiteres stellt. Bei Individuen mit problematischer Erziehungslage, aber nicht
nur bei ihnen, kann die Droge eine leichte Flucht aus dieser Situation sein.

2.2 Drogen und Sprache

Die Verbindung zwischen der Problematik des Drogenkonsums und der Sprachwissenschaft ist
nicht auf den ersten Blick offensichtlich. Allerdings verläuft auch bei Aktivitäten im
Zusammenhang mit der Herstellung, dem Verkauf und dem Konsum von Drogen eine
Kommunikation in menschlicher Sprache. Und wenn die Linguistik die menschliche Sprache
untersucht, ist auch die Kommunikation im Zusammenhang mit den oben erwähnten
Aktivitäten unbestreitbar Gegenstand der Linguistik.

Unter dem Gesichtspunkt der genaueren Einbeziehung in das System der Linguistik kann
festgestellt werden, dass es sich um eine Sprache einer Gruppe von Personen handelt, die einen
nicht einheitlichen sozialen Status haben und sich außerhalb der üblichen sozialen und
rechtlichen Normen verhalten. Die Sprache dieser Gruppe dient auch als Zeichen der
Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (vgl. Uher 1989:394). Im Zusammenhang mit diesen
Merkmalen kann die Rede von der Drogenszene als Gruppensorte bezeichnet werden, und
zwar in einer spezialisierten sprachwissenschaftlichen Terminologie, die als Soziolekt bezeichnet
wird (vgl. Löffler 2005:113-114)

2.2.1 Geschichte der Soziolektuntersuchungen

Obwohl Soziolinguistik eine relativ neue Teildisziplin de Sprachwissenschaft ist, Soziolekte oder
auch das, was auch als Slang im breiteren Sinne bezeichnet wird, sind kein Phänomen der
Neuzeit. Als etwas Anderes, Unbekanntes hat immer das Interesse der "Uneingeweihten"
geweckt und war daher längst Gegenstand des Interesses und der Erforschung in allen vier
verarbeiteten Sprachen, aber natürlich nicht nur in ihnen. Aufgrund unterschiedlicher

                                               13
geopolitischer Bedingungen und Entwicklungen variieren die Schwerpunkte und Verfahren in

den verschiedenen Sprachgebieten einigermaßen.

2.2.1.1 Tschechisches Sprachgebiet

Die wahrscheinlich älteste Quelle des tschechischen Slangs im breiteren Sinn sind die
sogenannten „Schwarzen (Harz-) Bücher" aus dem 16. Jahrhundert, in denen die Aussagen der
damaligen Verbrecher festgehalten wurden. Auf diese Bücher stützte sich in seinen Werken
Oberpfalcer (1935).

Im Jahr 1821 wurde postum das Romani Lehrbuch von A. J. Puchmajer „Romani Čib, das ist:
Grammatik und Wörterbuch der Zigeuner Sprache, nebst einigen Fabeln in derselben. Dazu
als Anhang die Hantýrka oder die Čechische Diebessprache", der scheinbar unbegreiflich das
Wörterbuch der Diebessprache enthält. Es enthält 420 Ausdrücke, deren Bedeutung auf
Deutsch angegeben ist. Puchmajer wollte jedoch die weit verbreitete Ansicht widerlegen, dass
Romani und Diebessprache identisch sind (Oberpfalcer 1935:4). Viele dieser Ausdrücke sind bis
heute in Umgangssprache erhalten geblieben und einige sind sogar in die Standardsprache
durchgedrungen (vgl. Suk 1993:33; Hugo 2009:19).

Abhandlung über für Brünn charakteristische Sprachvarietät, genannt hantec, wurde von
Otakar Nováček (1929) veröffentlicht. Das Buch enthält ein Wörterbuch mit ungefähr 850
lexikalischen Einheiten. Außer dem Wörterbuch enthält das Buch Informationen zu Hantee-
Benutzern, deren Leben und Gewohnheiten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg konzentrierte sich die Slangforschung auf ein anderes Gebiet als
zuvor. Gleichzeitig führte die Abkehr von der Sprache der asozialen Gruppen zu einem
verstärkten Interesse am professionellen Sprechen, insbesondere in den Bereichen, die von
dem herrschenden Establishment begünstigt wurden. Zu dieser Zeit wurde die Arbeit von Lumír
Klimeš veröffentlicht, die sich mit der Sprache der Bergleute, Eisenbahner, Bäcker und
Postangestellten befasst (Jančak 2004). Ähnlichen Bereichen, aber auch der Sprache von
Interessengruppen wie Athleten, Jägern, Trampen, widmete sich zum Beispiel auch Hubáček
(1988:21-25, 29-30).

Mit der Sprache einer anderen Gruppe, die ein spezifisches Wörterbuch benutzte, beschäftigte
sich in den 1970er bis 1990er Jahren Josef Suk (1993). Als politischer Gefangener konnte er die
Sprache, die in Gefängnissen verwendet wird, aus der unmittelbaren Nähe untersuchen. Sein

                                              14
Buch enthält auch den Slang der Chartisten, den Slang der Berufskraftfahrer, den Slang des

Heizkraftwerkpersonals und den Militärslang.

Soziolekte sind in den letzten Jahrzehnten ein interessantes Thema im tschechischen Raum
gewesen. Dies zeigt die Tatsache, dass seit 1978 in Pilsen acht Konferenzen zum Thema Slang
und Argot mit internationaler Beteiligung stattgefunden haben.

Im Bereich der Sprache der Drogenszene wurde eine der ersten dokumentierten umfassenden
Recherchen von Uher (1989:393) in Brünn durchgeführt. Die Analyse seiner Sammlung von 230
lexikalischen Einheiten präsentierte er auf der IV. Konferenz über Slang und Argot in Pilsen. Auf
derselben Konferenz hielt auch Kamis (1989) einen Vortrag zur Sprache der Drogenszene.
Neben der Analyse von Begriffen, die direkt von Drogenkonsumenten verwendet werden,
befasste er sich in seinem Beitrag auch mit der externen, fachlichen Terminologie. Allerdings
ist nicht klar, aus welchen Quellen er die von ihm zitierten Begriffe des Drogenslangs erhalten
hat.

Die wohl neueste Forschung von Rausovä und Radkovä (2015) unterscheidet sich grundlegend
von den verschiedenen heutzutage oft vorkommenden Internet-Listen von Drogenslang-
Ausdrücken vom unklaren Ursprung. Die Autorinnen erhielten Daten für ihren Korpus mit Hilfe
von Fragebögen direkt von Drogenkonsumenten.

Bemerkenswert ist auch das englisch-tschechische Wörterbuch für Drogensprache von Launer
(2001), das auch ein kurzes Glossar der tschechischen Slangbegriffe enthält.

2.2.1.2 Deutsches Sprachgebiet

Einer der ersten Verweise auf das Vorhandensein einer Sprachvarietät, die aus heutiger Sicht
als Soziolekt betrachtet wird, stammt aus dem Jahr 1663 und wurde im Werk von J.G. Schottels
„Ausführlicher Arbeit zur Teutschen Haubtsprache" erwähnt und es wurde als Rotwelsch
genannt (in Löffler 2005:126). Davie (2019:58-59) gibt sogar an, dass die erste Erwähnung von
Rotwelsch bereits in den Stadtaufzeichnungen des Jahres erschienen ist. Es sollte die Sprache
einer großen Gruppe von Räubern und anderen Kriminellen sein, die in den Regionen Bayern,
Sachsen und Hannover tätig waren und außer ihrer Sprache auch ihren König hatten. Das
Rotwelsch hatte zwar keine eigene Grammatik, jedoch verfügte er über einem breiten
Wortregister. Manche Begriffe aus dem Rotwelsch sind allmählich in die Alltagssprache

                                               15
umgegangen, wo sie bis zu heutigen Tagen in manchmal verschobener Bedeutung existieren

(vgl. Veith 2002:76-77).

Eine weitere soziolektische Varietät, die auf dem deutschsprachigen Gebiet noch vor der
eigentlichen Entwicklung der Soziolinguistik registriert und untersucht wurde, ist Jenisch. In der
Zigäunersprache    bedeutete das ursprünglich „wissend". Sie wird auch „Sprache der
Fahrenden" genannt und wurde von den Nichtsesshaften und Landstreicher verwendet (vgl.
Löffler 2005:125; Veith 2002:78).

Als eine soziolektale Sprachvarietät, die im deutschsprachigen Gebiet benutzt wurde, wird auch
das Jidische betrachtet. Den Kern dieser Sprache bildet oberdeutsche Grammatik und
Wortschatz, zu dem hebräische Wörter und einige Flexionsregel zugefügt wurden. Es zeichnet
sich auch durch den von den slawischen Sprachen beeinflusstem Satzbau und der Aussprache.
Aufgrund der Vertreibung der Juden in der nationalsozialistischen Periode ist diese Sprache
aus dem deutschsprachigen Raum praktisch verschwunden (vgl. Universität Trier 2019; Löffler
2005:126).

Ein sprachliches Element mit langer Erforschungstradition im deutschsprachigen Raum ist die
Jugendsprache. Die ersten Wörterbücher, die den Wortschatz der Studenten dokumentieren,
sind fast zweihundert Jahre alt. Sie stammen aus der Zeit vor dem Etablieren der Soziolinguistik
und wurden nicht systematisch genug geschaffen, um die Ausdrucksweise der damaligen
Jugend außerhalb der akademischen Kreise zu erfassen. Nach der Teilung Deutschlands kam
auch zu Differenzierung der Erforschung der Jugendsprache. Die Ergebnisse in beiden
neuentstandenen Ländern haben jedoch einige enge Parallelen gezeigt. In Verbindung mit der
Jugendsprache kann zurzeit auch Bezeichnungen Kiezdeutsch auftreten, was die Benennung
für Sprache der Jugendlichen mit verschiedenem ethnischem Hintergrund ist (vgl. Neuland
2008:26,32; Davie 2019:45)

Einen interessanten Fall von Geheimsprache entdeckte die Untersuchung von Decknamen der
ehemaligen Agenten der ostdeutschen Staatssicherheit, auch Stasi bekannt, die nach dem Fall
der Berliner Mauer durchgeführt wurde (Löffler 2005:125)

2.2.1.3 Russisches Sprachgebiet

Wie in anderen Teilen der Welt haben sich auch russische Linguisten mit Soziolekten

beschäftigt. Die zwischen Anfang des Jahrhunderts und Mitte der zwanziger Jahre

                                               16
veröffentlichten Studien zu russischen Soziolekten waren in ihrer Herangehensweise
hauptsächlich pragmatisch. Es wurden Wortlisten für die polizeiliche, pädagogische und
juristische Literatur über das Problem der Nachlässigkeit von Jugendlichen erstellt, in den auch
sprachliche Fragen berücksichtigt wurden. Armianov (2016:5) erwähnt als Beispiel die
Untersuchungen von Trahtenberg (1908), Handzinskij (1926) und Potapov (1927), die sich mit
den Soziolekten von Händlern und Kriminellen beschäftigten. Dessen Sprachen hatten auch
ihre eigenen Benennungen: ocpeHCKUü     /73WK;   ocpeHU,Koü xapeoH;   (penn; önamHan   pev. In den
1930er Jahren sind noch weitere Studien der Fachsprachen, des kriminellen Argots und der
Sprache in der Stadt durchgeführt worden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es einen spürbaren Verlust des Interesses an Soziolekten
Man kann zwar nicht behaupten, dass in der Sowjetunion gar keine Studien über Soziolekte
durchgeführt wurden, aber die Forschungen auf diesem Feld sind aus vielerlei Gründen eher
sporadisch. Während der Existenz der Sowjetunion und ihrer Gesellschaftsordnung hatte die
dortige Linguistik insbesondere einen präskriptiven Charakter. Dies hat sich vor allem in der
Lexikologie und Lexikografie erwiesen, indem Wörter aus der Schicht außerhalb der
Standardsprache aus den Wörterbüchern ausgelassen wurden. Dieses Prinzip, das ein Produkt
der sowjetischen Sprachpolitik ist, wird in den Anfang der 50er Jahre veröffentlichten
Wörterbüchern deutlich. Die sprachliche Politik in der Sowjetunion unterlegte der offiziellen
Politiklinie des Landes und hatte die Aufgabe, die Sprache strukturieren und konservieren.
Doch trotz des unbestreitbaren Erfolgs dieser Bemühungen war ihr Einfluss auf die
Umgangssprache bei weitem nicht so ausgeprägt (vgl. Timroth 1986:1-3).

Viele Forscher haben versucht, die Entwicklung der kriminellen Sprache nach dem Zerfall der
Sowjetunion    zu   verfolgen,   und   haben     zu   diesem    Thema     geschrieben.   Mit der
Weiterentwicklung moderner Online-Kommunikationstechnologien hat sich auch das Interesse
der Soziolinguisten auf diesen Bereich verlegt (vgl. Davie 2019:49).

Was sprachwissenschaftliche Studien zur Sprache der Drogenkonsumenten in Russland betrifft,
handelt es sich hauptsächlich um Untersuchungen                nach dem Zusammenbruch der
Sowjetunion. Walter und Mokienko (2003:5) erwähnten die Arbeit im Vorwort zu ihren russisch­
deutschen Wörterbuch des Drogenslans das Werk des M. a. Gračov XapzoH u                mamyupoeKU

HapKOMQHoe:   KpamKuü c/ioeapb-cnpaeo^HUK        aus dem Jahr 1996.

                                                 17
Timroth (1986:100) erwähnt auch kurz den Slang der Drogenkonsumenten, wobei er allerding
nur seine Kürze, Prägnanz und emotionalen Inhalt betonnt, die er im Vergleich zu anderen
Soziolekten als beispiellos betrachtet.

2.2.1.4 Englisches Sprachgebiet

Das Problem beim Versuch, einen kurzen Überblick über die Slang-Forschung im
englischsprachigen Raum zu erstatten, ist die Abgrenzung des englischsprachigen Raums.
Obwohl Coleman (2014:11) behauptet, die Untersuchungen des Slangs im englischsprachigen
Raum gehen grundsätzlich von der Existenz der zwei grundlegenden Sprachvarianten aus: des
britischen und amerikanischen Englischen, der Titel der Arbeit, die diese Aussage enthält, heißt
„Global English Slang". Englische Wörter durchdringen viele andere Sprachen und, zusammen
mit denen, genauso Slang-Begriffe. Der Prozess der Übernahme von Slang-Ausdrücken
funktioniert jedoch auch in die entgegengesetzte Richtung. England als ehemalige
Kolonialmacht importierte billige Arbeitskräfte aus verschiedenen Teilen der Welt, deren
Ausdrucksformen in Englisch eingedrungen waren. Deshalb kann man heutzutage zum Beispiel
über Existenz von Black Speech oder MLE (Multlcultural London English) sprechen (vgl. Coleman
2014:62).

Eine der ersten Bemerkungen über eine Art von Soziolekt stammt aus dem Jahr 1566, als
Thomas Harman's „Caveat for Common Cursetours" erschien, die eine Liste von Fachvokabeln
enthält, die von Schurken und Vagabunden verwendet wurden. Es war eines der frühesten in
einer Reihe von Broschüren, die Kriminelle aufdecken und die Öffentlichkeit vor der Bedrohung
durch Bettler und Gauner warnen wollten. Eine ähnliche Terminologie wurde in das Elisha Coles
„English Dictionary" aus dem Jahr 1630 aufgenommen, obwohl das Hauptaugenmerk auf dem
Standard-Englisch lag. Green (2010) ist der Überzeugung, dass genau wie die Kriminellen des
16. Jahrhunderts ihre eigene, nicht standardisierte Sprache verwendeten, parallel ein nicht-
krimineller Slang existierte, das hauptsächlich von den unteren Sozialschichten verwendet
wurde. Nach seiner Meinung musste der Slang (und nicht Cant als geheime Sprache des
kriminellen Untergrunds) noch früher existieren, als dann im Jahr 1785 das erschien, was man
als erstes "ziviles" Slang-Wörterbuch bezeichnen könnte, „Classical Dictionary of the Vulgär
Tongue" von Francis Grose veröffentlicht wurde. Greens Überzeugung stimmt mit Fasolas
(2011) Ansicht überein, dass der Gebrauch des englischen Slangs auf begrenzte Gruppen und

                                              18
Gebiete beschränkt war, und seine Verbreitung durch die damals geltenden Bildungsnormen

aktiv behindert wurde.

Noch dazwischen erschien im Jahr 1698 eines der umfangreichsten historischen Werke über
Sprache der Zigeuner, Diebe, Räuber und dergleichen. „New Dictionary oft the Terms, Ancient
and Modern of the Canting Crew" war die erste Veröffentlichung dieser Art im Format
moderner Wörterbücher. Die Absicht des Autors war es, ihren Lesern zu helfen, ihr Geld und
ihr Leben vor kriminellen Elementen zu schützen (Thorne 2014:73)

Das Werk zur Dokumentation von Slang in den Straßen von New York wurde 1942 unter dem
Titel „Story in Harlem Slang" von Zora Neal Hurston veröffentlicht. Der Veröffentlichung ist eine
Liste der Slang-Begriffe beigefügt (Coleman 2014:25). In den 50er Jahren beschäftigte sich
William Labov mit der Aussprache von Lauten in Bezug auf den sozialen Status der Bewohner
von drei Stadtteilen New Yorks (Veith 2002:120)

Derzeit gilt als einer der führenden Lexikographen für zeitgenössischen und historischen
anglophonischen Slang in Großbritannien und weltweit Jonathon Green (2010), der Autor des
dreibändigen „Green's Dictionary of Slang". Diese Arbeit, die auch in der Online-Version des
elektronischen Wörterbuchs verfügbar ist, ist insofern bemerkenswert, indem jeder Begriff eine
Quelle und eine Datierung hat. Es ist daher auch aus diachroner Sicht eine wichtige
Informationsquelle.

2.2.2 Soziolektterminologie in den untersuchten Sprachen

Obwohl der Begriff Slang im Allgemeinen relativ häufig für die Bezeichnung einer bestimmten
nicht standardisierten Sprachschicht verwendet wird, wird unter dieser Bezeichnung nicht
immer dasselbe gemeint. Die Definition von Slang ist aus zwei Hauptgründen eine
herausfordernde Aufgabe.

Erstens ist Slang ein zeitlich begrenztes, kurzlebiges Phänomen. Mit anderen Worten, die
Slangausdrücke existieren oft nur begrenzte Zeit. Sie werden nicht immer von Generation zu
Generation verwendet, da sich der Slang immer entsprechend der Entwicklung der Situation
verändert, oder sie werden in die Standardsprache aufgenommen (vgl. Hugo 2009:27, Fasola
2011:3)

                                               19
Zweitens wird der Begriff Slang im engerem als auch im breiteren Sinn verwendet. Oft werden
als Synonyme für Slang im engeren Sinn die Begriffe Jargon, Argot, aber auch andere
verwendet. Andererseits wird Slang im breiteren Sinn als Oberbegriff für Slang im engeren Sinn,
Jargon, Argot, aber auch andere nationale Bezeichnungen für einen Soziolekt wie das
Tschechische hantýrka oder russische önamHan pev

Im Kontext dieser Arbeit ist die Situation umso komplizierter, denn, wie nachstehend dargelegt
wird, die Bedeutungsunterschiede zwischen den oben genannten Begriffen sind sogar in den
einzelnen vier untersuchten Sprachen nicht gleich.

Im Zusammenhang mit der häufigen Benutzung des Wortes Slang als gemeinsame
Bezeichnung für alle nicht standardmäßigen Sprachtypen benutzt fragen sich Dumas und
Lighter (in Coleman 2014:2) sogar, ob Slang ein Wort ist, das Sprachwissenschaftler verwenden
sollten.

2.2.2.1 Tschechisches Sprachgebiet

Schon Trost (1935) weist in seinem Artikel „Slang und Argot" an die Verteileng der Soziolekte
nach Jespersens Trichotomie hin: Slang, Argot und die Standessprache (Berufssprache). Diese
Verteilung hat sich auch bei moderneren Linguisten durchgesetzt (vgl. Čechová 1997:19)
Obwohl Hugo (2009:11-14) die Soziolekte in 4 Gruppen einteilt (Berufssprache, Argot, Slang
und Jargon), gibt er beim Jargon an, dass dieser Begriff in der tschechischen Linguistik im
Zusammenhang an die deutsche Tradition nur sehr selten und meistens als Synonym für Slang
benutzt wird, manchmal mit einer negativ bewertenden Bedeutung (vgl. auch Křístek 1974).
Die obengenannte Trichotomie ist in sprachwissenschaftlichen Beriech als eine Systematik
akzeptiert, wobei aber der Begriff Slang manchmal im breiteren Sinn als Oberbegriff für Argot,
Slang im engeren Sinn und Berufssprache benutzt wird (Hugo 2009:14). Im modernen
tschechischen Sprachumfeld wird anstelle der traditionellen Bezeichnung Slang im weiteren
Sinne der Begriff Soziolekt zunehmend als Hyperonym für die Begriffe Slang, Argot, Jargon,
Fachsprache verwendet   (vgl. Hubáček/Krčmová 2017)

In direkter Verbindung mit der Sprache der Drogenszene in der Fachliteratur verwendete Uher
(1989:393-394) den Begriff Argot, um die Sprache der Drogenkonsumenten zu kategorisieren,
obwohl er selbst erwähnt, dass dieser Begriff nicht in der Fachliteratur verwendet wird, um

                                              20
diese Art von Sprache zu bezeichnen. Seine Verwendung dieses Begriffs basiert auf den vier

Charakteristiken der Drogenkonsumentensprache, durch die Argot definiert sei:

   a) es wird von einer bestimmten Gesellschaftsschicht für Handlungen außerhalb der

       üblichen sozialen Normen verwendet,
   b) es ist gekennzeichnet durch absichtliche oder unbeabsichtigte permanente oder
       vorübergehende Geheimhaltung und Kommunikationsgrenzen, überwiegend im
       Bereich der aktiven Nutzer,

   c) es wird verwendet, um die Zugehörigkeit der Sozialschicht auszudrücken
   d) es hat einen Tabu-Merkmal

In Bezug auf den Aspekt der Geheimhaltung erklärt er jedoch, dass es sich nicht um ein

einziges, dominantes, ständiges und allgemeines Merkmal handeln muss.

Im Unterschied zum Uher benutzt Hugo (2009:38) einfache Bezeichnung „Drogový slang -
Drogenslang". Ein ähnlicherterminologischer Ansatz wurde von Launer (2001) appliziert, indem
er in Verbindung mit seinem Wörterbuch der Drogen begriffen das Adjektiv „slangový - slang-
" verwendete.

Rausová und Radkova (2015) nahmen zu der Problematik der terminologischen Bezeichnung
eine neutrale Haltung ein und verwendeten den Titel „Mluva uživatelů a výrobců drog -
Sprache der Drogenkonsumenten und -erzeugern" für ihre umfangreiche Studie.

Die Verwendung eines Sonderbegriffs Toxikolekt für die Sprache der Drogensüchtigen wurde
auf der VII. Konferenz über Slang und Argot von Kamiš vorgeschlagen. Dieser Vorschlag wurde
jedoch nicht in die Praxis umgesetzt (Rausová/Radková 2015:9).

2.2.2.2 Deutsches Sprachgebiet

Auch in der deutschen linguistischen Tradition herrscht in Bezug auf die Terminologie der
Soziolekte keine Einheitlichkeit. Die greift so tief, dass es sogar Meinungen gibt, dass das Wort
Slang in der deutschen Sprache nicht vorkommt (Haler/Zezula 1994:8; Galperin in Timroth
1986:81). Neben den Begriffen Jargon und Argot sollte das Wort Umgangssprache benutzt
werden.

                                               21
Im Widerspruch zur der schon erwähnten Behauptung von Haler und Zezula (1994:8) wird die
Existenz des Wortes Slang im Deutschen zum z.B. durch die Aufführung im Duden, deutsches
Universallexikon bestätigt.

Die Definitionen der Begriffe Slang und Umgangssprache im Lexikon der Sprachwissenschaft
(Bußmann 2002:604) weisen zwar einige Ähnlichkeiten aber auch Unterschiede auf.

Der Slang wird da so definiert:

„Lössig gebrauchte Umgangssprache mit ausgeprägten sozialen und regionalen Varianten (dem
französischen   Argot entsprechend), die durch neuartige Verwendung des vorhandenen
Vokabulars, sowie neue Wortbildungen gekennzeichnet ist. Slang entspricht der älteren
Bezeichnung Cant, dass sich ursprünglich auf Geheimsprachen bzw. Sondersprachen bezog."

In demselben Werk wird der Begriff Umgangssprache gleichzeitig folgend beschrieben:

„Vorwiegend     in der deutschen Germanistik gebrauchter Terminus für den großen und
heterogenen Gebrauch von Sprachvarietäten         zwischen Standardsprache einerseits und
kleinräumig gebundenen dialektenten andererseits. Umgangssprache wird meist als eine Art
„Ausgleichsvarietät" zwischen Standardsprache und Dialekt verstanden, die zwar deutliche
regionale Färbung, jedoch keine extremen Dialektismen aufwiest. Das traditionelle Verständnis
von Umgangssprache ist insofern problematisch, als sich keine linguistisch abgrenzbare eigene
Varietät zwischen Dialekt- und Standardsprache, die zur Ausbildung der eines großen
sprachlichen     Variationsraum   zwischen   „Grundmundart"    und   der normorientierten
Standardsprache führen. Innerhalb dieses Bereichs sind keine strikten Kookkurrenz-Regeln
zwischen einzelnen Realisierungsformen formulierbar, die den Ansatz einer eigenen
systematischen Varietät rechtfertigen." (Bußmann 2002:718)

In Bezug auf die Lexik von sozialen Gruppen unterschiedet Schippan (1992:237) relativ klar
Zwischen den Fachwortschätzen und den Gruppenwortschatze der Freizeitgruppen oder auch
Gruppenjargon. Im Zusammenhang mit den Gruppenjargons betrachtet sie Slang als eine
niedrigere Form von Gruppenjargonismen, vor allem im Beriech des Sportes. Sie betrachtet
Slang als eine „gruppenspezifisch saloppe Ausdrucksweise, die vor allem durch ihren expressiven
Wortschatz und ihre gewollt burschikose, legere bis ins Derbe reichende Wortwahl
gekennzeichnet ist."

                                             22
Nach der Meinung von Timroth (1986:71) hat der Begriff Jargon im Deutschen zwei
Bedeutungen: 1) Umgangssprache innerhalb bestimmter sozialer Gruppen oder Fach- und
Berufsgruppen, 2) nachlässige Rede, Slang.

Für die direkte Bezeichnung der Sondersprache der Drogenszene verwendeten Walter und
Mokienko (2003) die Bezeichnung Drogenstang. Dagegen Löffler (2005:125) verwendet in
diesem Zusammenhang den Termin Jargon. Veith (2002:71) hält sich an terminologisch
neutralen Benennung Sonderwortschatz der Drogen-Szene.

Timroth (1986:99) verwendet im Zusammenhang mit der Sprache der Drogenkonsumenten
den Termin Jargon. Es ist jedoch zu beachten, dass dieser Text in englischer Sprache verfasst ist
und dass er sich mit russischen Soziolekten befasst.

2.2.2.3 Englisches Sprachgebiet

Die Terminologie in englischsprachigen Ländern basiert auf einer klaren Unterscheidung
zwischen drei Grundbegriffen - Slang, Jargon und Argot. In der Regel ist jeder von den an eine
bestimmte Art von Soziolekt gebunden, und es besteht fast keine Verwechslung zwischen
ihnen. Obwohl manche Autoren den Begriff Slang bevorzugen, wenn sie über gesellschaftliche
Themen wie Schüler, Studenten, Soldaten, Sportler, Fahrer usw. diskutieren, im Allgemeinen
deckt der Begriff Slang im englischsprachigen Raum nur einen bestimmten Bereich sozialer
Dialekte ab, in dem die Rolle der expressiven sprachlichen Kreativität und der informellen
Vereinigung von Menschen vorherrschende Merkmale sind. Aus der Sicht der stilistischen
Schichten der Sprache werden auf derselben Ebene noch Begriffe Argot und Jargon benutzt,
Wobei Argot ein mehr oder weniger geheimes Lexikon bedeutet, das von einer bestimmten
Klasse oder Gruppe verwendet wird und Jargon das technische oder Fachvokabular eines
bestimmten Berufs oder einer bestimmten Gruppe. Zusätzlich wir neben diesen drei Begriffen
m noch die Bezeichnungen Cant, abgeleitet von lateinischem cantare-singen (Coleman
2014:73), als geheime Sprache des kriminellen Untergrunds benutzt. Diese Beschreibung
kollidiert jedoch mit der Bedeutung des Begriffs Argot (vgl. Armianov 2016:2-3).

                                               23
SLANG                            ARGOT
                        (Ausdruckskraft, weite              (Kryptizismusund
                       Verbreitung und Umfang)           niedriger sozialer Status)

                                 CANT                             JARGON
                        (Expresivität und enges          (Spezifität und begrenzte
                               Ausmaß)                            Nutzung)

Diagram 1. Scala der Soziolekte in englischsprachigem Raum (Armianov 2016:4, Übersetzung durch den Autor)

Der Termin Slang wird in The New Oxford Dictionary Of English definiert als „a type of language

that consist of word and phrases that are regarded as very informal, are more common in speech

than writing, and are typicaly restricted to a particular context of group of people".

(Pearsall/Hanks 1998:1748)

Es darf auch nicht vergessen werden, dass es in der englischen und amerikanischen

Sprachwissenschaft mehrere traditionelle Begriffe gibt, die eine sehr breite Bedeutung haben

und sich manchmal in ihrer Verwendung mit Slang oder Jargon überschneiden, wie zum

Beispiel tongue, talk, speech, die eine Art seltsame, spezifische, unverständliche Sprache einer

bestimmten sozialen oder regionalen Gruppe beschreiben (Armianov 2016:4).

2.2.2.4 Russisches Sprachgebiet

Die Terminologie auf dem Gebiet der Soziolekte, die auf russischem Territorium und später in

der Sowjetunion verwendet wird, basiert eher auf lokalen Bezeichnungen als auf dem

standardmäßig benutzten Trio von Slang, Jargon und Argot, obwohl diese nicht vollständig

ignoriert wurden, wie die Titel von Werken einiger Autoren, z.B. S.A. Koporskij, „BopoecKoü

xapzoH e cpede uiKO/ibHUKoe (77o Mamepua/iaM oöcnedoeaHUH npocnaecmx                     UAKOJY)",   Moskva

1927, oder B.A. Larin, „Zapadnoevropejskije elementy russkogo vorovskogo argo". Der Begriff

Argo wird im Russischen häufig in Bezug auf die geheime Sprache von Kriminellen und

Händlern mit hinterhältiger oder ruchloser Absicht verwendet. Heutzutage wird oft als

Synonym für Argot das Wort (penn benutzt, obwohl es schon im Jahr 1927 in Potapovs „Cnoeap

xapzoHa npecmynHUKoe. Enamnan Mybi3Ka" erschien (vgl. Armianov 2016:5, Timroth 1986:71-

72)

                                                    24
Bestimmte russische Soziolekte hatten auch ihre eigenen lokalen Namen. Die Sprache der
russischen Diebe hieß önamHan           Mybi3Ka,    die Rede der Haustürhändler, Bettlern und
Straßenmusikern wurde als ocßeHCKoe         napevue      oder ocpeHCKUü   n3biK   genannt. Die Namen
dieser Soziolekte unterschieden sich auch lokal. Im Gebiet von Wladiwostok und Rjasan wurde
die Bezeichnung KaHmioxHbiü        H3biK   verwendet, im Gebiet von Moskau und St. Petersburg
wurde öaÜKoebiü     n3biK   verwendet. Die Bezeichnung MOLueHHUvecKuü             unu pa3ÖoÜHbiü     n3biK

wurde verwendet, um die Sprache der Räuber in der Wolga-Region zu benennen (vgl. Timroth
1986:8).

Die sowjetischen Lexikographen führten noch eine spezielle Kategorie von Soziolekt als
prostorecle   ein. Seine Ausdrücke und Formen zeichnen sich durch eine gewisse Einfachheit,
mangelnde Bildung und - im Vergleich zu literarischen Normen - unterschiedliche Grade der
Inkorrektheit aus. Dennoch auch in diesem Fall verursachte eine terminologische Uneinigkeit
Schwierigkeiten bei der Unterscheidung, ob ein bestimmtes Wort als npocmopevue                       oder
Umgangssprache      klassifiziert werden sollte. Es sind Fälle dokumentiert worden, dass
bestimmtes Wort in verschiedenen              Wörterbüchern        einmal als     neutral, einmal als
umgangssprachlich und zweimal als npocmopevue             bezeichnet wurde (vgl. Timroth 1986:72-73,
Davie 2019:49).

Die Verwendung des Begriffs Slang in Russland ist eher sporadisch und oft auf den Kontext der
Anglistik beschränkt. Es gab in der Sowjetunion Versuche, seine Bedeutung nur auf die
Jugendsprache zu reduzieren, was sich beispielsweise in den Wortverbindungen                MO/iodexHbiü

cneHZ   oder MO/iodexHbiü     xapeoH   widerspiegelt. In der Realität stießen diese Bemühungen
natürlich auf die festgelegte Altersgrenze, die jedoch nicht dem tatsächlichen Alter der
Benutzer entsprach. Vereinzelt gab es sogar Meinungen, dass der Begriff Slang nicht in die
sowjetische linguistische Terminologie gehört. Die Bemühungen, um den Begriff Slang zu
vermeiden, gingen so weit, dass als Ersatz die Phrase xap20HU3upoeaHHafi               neKCUKa   geprägt
wurde (Timroth 1986:81)

Im Anschluss an den Artikel von Skvortsov baute Armianov eine Skala, auf der Argot und / oder
Jargon auf der niedrigsten Ebene und Slang auf einer höheren Ebene stehen. Darüber steht die
Umgangssprache,       die zwar von         diesem     Linguisten    als   integraler   Bestandteil    der
Standardsprache betrachtet wird, sich aber auf deren niedrigsten Niveaus befindet.

                                                    25
Standardsprache

                                    Umgang ssprache

                                           Sla 9
                                               n

                                   Argot und Jargon

Diagram 2. Scala der Soziolekte nach Skvortsov (Armianov 2016:6, Übersetzung durch den Autor)

Einige russische Linguisten sind der Auffassung, dass Argot im Unterschied zum Slang
Merkmale einer geheimen Sprache aufweist, wozu Timroth (1986:69) mit seiner These
argumentiert, dass sie zu solchen intellektuellen Anstrengungen weder bereit noch fähig sind.

In Verbindung mit sowjetischen Soziolekten erwähnt Timroth (1986:86-87) in seinem Werk über
tabuisierte Variationen der russischen Sprache auch Mam. Diese Bezeichnung stammt aus
vulgären Phraseologismen, die das Wort Mamb im Sinne „Mutter" enthalten, z.B. E6 meoio
Mamb. Mat bedeutet die Gesamtheit aller bildlichen Verwendungen der Verbes eöamb (ficken),
nu3da (die Vagina) und xyü (der Penis), und dass auch in nichtsexuelen Bedeutungen
(oöbeöamb - tauschen, betrügen, yxodumb e nu3dy- weg gehen, verschwinden u.a.)

Zusammenfassung des Abschnittes

Wie bereits erwähnt, ist die Identifizierung von Soziolekten in den Landessprachen nicht
einheitlich und diese Uneinheitlichkeit nimmt queer durch mehrere Sprachen immer mehr zu.
Um diese Unterschiede zu verdeutlichen, enthält die folgende Tabelle drei grundlegende
Begriffe: Umgangssprache, Jargon Argot und andere traditionelle nationale Bezeichnungen.

                                                    26
Argot                    Jargon                  Slang               andere

 cz                Geheimsprache,           Fachsprache             Gruppensprache, hantýrka, hantec
                   Kriminellensprache                               Fachsprache,

                                                                    Soziolekt

 DE                Rotwelsch                Fachsprache,            Saloppe Sprache Jugendsprache

                                            Gruppensprache

 RU                Geheimsprache            Gruppensprache,         Jugendsprache       MaT

                                            Fachsprache,
                                            Kriminellensprache

 EN                Geheimsprache,           Fachsprache             Soziolekt,
                   Kriminellensprache,                              Gruppensprache

                   Cant
Tabelle 1.   Die Bedeutungen für Soziolekttermine in verarbeiteten Sprachen.

2.2.3 Die Begriffe f ü r Soziolekte in nationalen Korpora (kurze Untersuchung)

Mit der Absicht die Häufigkeit des Auftretens einzelner Begriffe zur Bezeichnung von
Soziolekten zu vergleichen, wurde eine kurze Recherche in landessprachlichen Korpora
durchgeführt. Zusätzlich zu den allgemeinen Begriffen wurde auch die Häufigkeit von Begriffen
untersucht, die hypothetisch anwendbar sind, um den Soziolekt von Drogenkonsumenten zu
bezeichnen. Alle Abfragen wurden am 28.1.2020 durchgeführt.

Tschechisch

Für die tschechische Sprache wurden die Untersuchungen in Araneum Bohemicum Maximum,
einem Subkorpus des Tschechischen Nationalkorpus (Český národní korpus), durchgeführt. Die
Ergebnisse sind in der folgenden Tabelle:

                           Araneum Bohemicum
                           Maximum

Žargon                                           1467

Argot                                              585

 Slang                                           2466
Tabelle 2.   Ergebnisse der ersten Suche nach Soziolektbezeichnungen im Tschechischen Nationalkorpus

                                                      27
Nachfolgend wurden Wortverbindungen in Form von "drogový + spezifischer Begriff für
Soziolekt"     gesucht,     um     die    Beziehung        der    Soziolekttermine    zur   Sprache der
Drogenkonsumenten zu spezifizieren:

                           Araneum Bohemicum
                           Maximum

 drogový žargon                                     0

 drogový argot                                      0

 drogový slang                                       1
Tabelle 3.   Ergebnisse der ergänzenden Suche nach Soziolektbezeichnungen im Tschechischen Nationalkorpus

Deutsch

Für die deutsche Sprache wurden die Untersuchungen im Kernkorpus des Digitalen
Wörterbuchs der deutschen Sprache (DWDS) und Korpus W-öffentlich des Deutschen
Referenzkorpus (DeReKo) durchgeführt. Die Ergebnisse sind in der folgenden Tabelle sichtbar:

                   DWDS Referenz- und                           DEREKO W-öffentlich - alle
                   Zeitungskorpora (aggregiert,                 öffentlichen Korpora des
                   frei) 1900-2018                              Archivs W

Jargon                                                2890                                  13995

 Szenesprache                                              31                                 142

 Argot                                                     89                                 323

 Slang                                                   707                                 5713

 Fachsprache                                             915                                9273
Tabelle 4.   Ergebnisse der ersten Suche nach Soziolektbezeichnungen in deutschen Korpora

Der Versuch, eine einfache Abfrage nach allen Komposita mit den Grundwörtern Jargon, Argot,
Slang und Sprache abzuführen scheiterte an der Tatsache, dass Slang in der Bedeutung
Soziolekt als Grundwort eines Kompositums identische Buchstabenreihe bildet wie -slang als
Verbindung von Fugenelement „s" mit dem Wort „lang".

Angesichts der Spezifität der deutschen Sprache wurden die Begriffe für Soziolekte in direktem
Bezug zu der Sprache der Drogenszene in Form von Komposita mit den Determinanten
„Drogen-" gesucht, nicht wie in den anderen Sprachen in Form einer Phrase.

                                                      28
DWDS Referenz- und                            DEREKO W-öffentlich - alle
                     Zeitungskorpora (aggregiert,                  öffentlichen Korpora des
                     frei) 1900-2018                               Archivs W

 Drogenjargon                                                  0                                  22

 Drogenslang                                                   0                                  7

 Drogensprache                                                 0                                  10

 Drogenargot                                                   0                                  0
Tabelle 5.   Ergebnisse der ergänzenden Suche nach Soziolektbezeichnungen in deutschen Korpora

Englisch

Die Abfragen für die englische Sprache erfolgten über die Schnittstelle unter www.english-
corpora.org im Britischem Nationalkorpus (British National Corpus) und im Korpus GloWbE
(Corpus of Global Web-based English). Die Ergebnisse sind in der folgenden Tabelle dargelegt:

                      BNC                GloWbE

 slang                             203              5173

Jargon                            498               5867

 argot                              20                126

 cant                               81            28666
Tabelle 6.   Ergebnisse der ersten Suche nach Soziolektbezeichnungen in englischen Korpora

Frequenzdaten für „cant" können nicht als valid angesehen werden. Obwohl die Abfrage eine
Bedingung beinhaltete, nur nach Substativen zu suchen, gab es viele Konkordanzen mit
„cant" im Sinne der Kontraktion von „cannot". Die ursprünglichen Werte ohne diese
abgrenzende Bedingung waren sogar 108 und 54546 Treffer.

Die Ergebnisse der Suche nach Phrasen, die sich auf die Sprache der Drogenszene beziehen,
sind in der folgenden Tabelle aufgeführt:

                      BNC                GloWbE

 drug slang                          0                  4

 drug Jargon                         0                  0

 drug argot                          0                  0

 drug speech                         0                     1
Tabelle 7.   Ergebnisse der ergänzenden Suche nach Soziolektbezeichnungen in englischen Korpora

                                                      29
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