Meret Oppenheim KUNSTMUSEUM SOLOTHURN - DOKUMENTATION FÜR LEHRPERSONEN ALLER STUFEN

Die Seite wird erstellt Heidi Martens
 
WEITER LESEN
Meret Oppenheim KUNSTMUSEUM SOLOTHURN - DOKUMENTATION FÜR LEHRPERSONEN ALLER STUFEN
KUNSTMUSEUM SOLOTHURN

Meret Oppenheim

DOKUMENTATION FÜR
LEHRPERSONEN ALLER STUFEN

                   1
Meret Oppenheim KUNSTMUSEUM SOLOTHURN - DOKUMENTATION FÜR LEHRPERSONEN ALLER STUFEN
Impressum

Kunstmuseum Solothurn 2021
Ein Kulturengagement des Lotteriefonds des Kantons Solothurn
Text und Idee: Regula Straumann
An der Museumskasse für CHF 10.– erhältlich

                                       2
Meret Oppenheim KUNSTMUSEUM SOLOTHURN - DOKUMENTATION FÜR LEHRPERSONEN ALLER STUFEN
Inhalt

Vorwort                                                   4

Kapitel 1:    Organisation eines Museumsbesuches          5

Kapitel 2:    Einführung                                  9

Kapitel 3:    Methodisch-didaktische Arbeitsvorschläge   14

3.1    - Meret Oppenheim, Das Schulheft, 1930            15

       - Frühe Arbeiten aus den Jahren 1930–1934

3.2    Darstellung der Frau/Selbstbildnisse              21

3.3    Bilder von Raupen, Schmetterlingen und Vögeln     33

3.4    Abstraktionen                                     43

3.5.   Stilvielfalt, Leitmotive und Reihen               52

3.6    Meret Oppenheim und die Surrealisten              65

Literaturverzeichnis                                     79

                                             3
Meret Oppenheim KUNSTMUSEUM SOLOTHURN - DOKUMENTATION FÜR LEHRPERSONEN ALLER STUFEN
Vorwort

„Zeichnungen können schon durch das Mittel spontaner wirken und zeigen oft
Absichten des Künstlers auf direktere Art.“ (Meret Oppenheim)

In Meret Oppenheims Werk ist die Zeichnung das entscheidende Ausdrucksmittel.
Für die Künstlerin war die Zeichnung den Gattungen Malerei und Skulptur
ebenbürtig. 1974 hatte sie ihre erste Einzelausstellung in der Schweiz im
Kunstmuseum Solothurn. Umso schöner ist es, dass unser Haus nun rund 100 ihrer
wunderbaren Arbeiten auf Papier präsentieren darf, von denen sich 18 Original-
Arbeiten aus allen Schaffensphasen im Besitz des Kunstmuseums Solothurn
befinden. So kann von den frühen Bleistiftzeichnungen und Aquarellen der
Jugendzeit bis zu den letzten grossartigen Gouachen auf dunklem Papier das breite
Spektrum ihres Könnens gezeigt werden.

Die kleinen Blätter erfordern einen konzentrierten Blick, um ihre Bedeutung
ermessen zu können. Man spürt in ihnen die Experimentierfreude und die
dialogische Offenheit der Künstlerin. Ihre oft karge Bildsprache wirkt unmittelbar auf
die BetrachterInnen ein. Vergebens sucht man Entwürfe von dreidimensionalen
Objekten mit genauen Angaben zu Dimension und Proportionen, die man im
traditionellen Sinne “Bildhauerzeichnungen“ nennen könnte. Eher scheinen sich in
den Skizzen der Künstlerin ihre Ideen zu verdichten.

Veränderungsprozesse der Natur, elementare Kräfte und Polaritäten, auch der
Geschlechter, sowie das zeitliche und kosmische Eingebundensein sind zentrale
Themen in ihrem Schaffen. Das Abbilden von Gegenständen, wie beispielsweise bei
der dreiteiligen Interior-Serie Bergün aus dem Jahre 1939, kommt v. a. in den
früheren Jahren vor. Insgesamt überwiegt ein abstrahierender linearer Zeichenstil,
der die Dinge mit wenigen knappen Konturen ganzheitlich erfasst. Die Linie wird zur
Ausdrucksträgerin einer Stimmung, die von heiterer Gelassenheit bis zur
melancholischen Selbstbesinnung reicht. Das Dargestellte ist selten erzählerisch und
sein Thema ist nicht eindeutig festlegbar. Meret Oppenheims bildhafte Sprache ist
poetisch, lässt sich jedoch nur schwer erschliessen.

Oppenheims fantasievolles Schaffen spricht Kinder und Jugendliche an und lädt ein,
sich mit der Klasse auf ihre Arbeiten auf Papier einzulassen. Ihre breite Stilpalette
bietet vielfältige Anregungen für gestalterisches Tun. Tauchen Sie mit Ihren
SchülerInnen in das abwechslungsreiche Werk der Künstlerin ein, das in seiner
Vielseitigkeit ebenso überrascht wie in seiner Qualität und seinem formalen
Raffinement.

Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Vorbereiten, Ihrer Klasse einen gelungenen
Museumsbesuch und Ihnen allen viel Vergnügen bei der Vertiefung des Themas in
der Schule. Meret Oppenheim wusste, dass man wie der Rumänische Pianist Dinu
Lipatti sagte, “unendlich wach sein muss, um seine Träume aufzuzeichnen“.

Regula Straumann

                                           4
Meret Oppenheim KUNSTMUSEUM SOLOTHURN - DOKUMENTATION FÜR LEHRPERSONEN ALLER STUFEN
Kapitel 1

Organisation eines Museumsbesuches

                      5
Meret Oppenheim KUNSTMUSEUM SOLOTHURN - DOKUMENTATION FÜR LEHRPERSONEN ALLER STUFEN
Allgemeine Informationen

Adresse:           Kunstmuseum Solothurn
                   Werkhofstrasse 30
                   4500 Solothurn
                   www.kunstmuseum-so.ch
                   E-Mail: kunstmuseum@solothurn.ch

Anmeldung:         Klasse unbedingt anmelden. Es ist schwierig, im Museum
                   zu arbeiten, wenn weitere Klassen da sind.
                   Tel: 032 624 40 00
                   Fax: 032 622 50 01

Öffnungszeiten
Museum:            Dienstag–Freitag             11–17 Uhr
                   Samstag/Sonntag              10–17 Uhr

Zusätzlich für
Schulklassen:      Montag                    08–12, 14–17 Uhr
                   Dienstag–Freitag          08–11 Uhr
                   (Anmeldung der Klasse obligatorisch. Es wird eine
                   Aufsichtsperson aufgeboten, die CHF 42. – pro Stunde
                   kostet.)

Eintritt:          für Schulklassen kostenlos

Vorhandene
Materialien:       Sitzkissen
                   Klappstühle
                   Unterlagen (A3)

                   Alle weiteren Materialien und Hilfsmittel muss die
                   Lehrkraft selbst ins Museum mitbringen.

                                  6
Meret Oppenheim KUNSTMUSEUM SOLOTHURN - DOKUMENTATION FÜR LEHRPERSONEN ALLER STUFEN
Angebote für Lehrpersonen

Neben dem vorliegenden Heft bietet das Kunstmuseum Solothurn weitere
methodisch-didaktische Arbeitsgrundlagen an:

Zu einzelnen Künstlern
Cuno Amiet
Frank Buchser
Otto Frölicher
Max Gubler
Ferdinand Hodler
Albert Trachsel

Zur Kunstpädagogik im Allgemeinen
Methoden der Kunstpädagogik
SchülerInnen im Museum/Arbeitsmethodik

Zu künstlerischen Grundfragen
Thema Farbe
Kunst und Material (mit Museumskoffer)
Thema Form
Raum und Perspektive
Licht und Schatten
Thema Bewegung
Kubismus

Zu Kunstgattungen
Porträtmalerei
Stilllebenmalerei
Landschaftsmalerei
Bildhauerkunst

Zur Sammlung des Museums
Meisterwerke des Kunstmuseums Solothurn
Highlights der zeitgenössischen Schweizer Kunst
Efeukranz und Lilienzauber: Jugendstil und Symbolismus
in der Schweizer Malerei (mit Museumskoffer)

Zu fächerübergreifenden Themen
Kunst und Natur (mit Museumskoffer)
Kunst und Bewegung (Theater spielen im Museum)
Kunst und Schreiben (kreative Schreibanlässe im Museum)
Kunst und Musik (Wechselwirkungen zwischen Bildender Kunst und Musik)

Der Preis der einzelnen Hefte beträgt je nach Umfang CHF 10.– bis CHF 15.–.
Die Hefte sind an der Museumskasse erhältlich oder können telefonisch bestellt und
per Rechnung bezahlt werden.

Lehrkräfte können sich zudem telefonisch oder in einem persönlichen Gespräch
beraten lassen. Auskunft: Kunstmuseum Solothurn, Tel: 032 624 40 00.

                                         7
Meret Oppenheim KUNSTMUSEUM SOLOTHURN - DOKUMENTATION FÜR LEHRPERSONEN ALLER STUFEN
Arbeiten mit Klassen im Kunstmuseum

Oberste Priorität hat die Sicherheit der Kunstwerke. Die Lehrperson entscheidet, ob
die Disziplin und das Verantwortungsbewusstsein ihrer Klasse einen Besuch im
Museum zulassen. Die Lehrkraft soll aufgrund ihrer Erfahrung mit ihrer Klasse
beurteilen, ob das Durchführen einer Übung eine Gefahr für Kunstwerke bedeutet
oder ob sich dadurch andere Besucher im Museum gestört fühlen. Im Kunstmuseum
Solothurn darf mit vielseitigem Material gearbeitet werden, wobei die Lehrperson
dafür verantwortlich ist, dass die Räumlichkeiten unbeschadet bleiben. Bitte keine die
Kunstwerke gefährdenden Gegenstände (Spitziges, Nasses, Esswaren) mitnehmen.

Allgemein gilt:

      •   keine Kunstwerke berühren
      •   nichts werfen
      •   nicht herumrennen
      •   sich nicht balgen
      •   nicht schreien
      •   nichts essen (Kaugummis!)

Empfehlungen:

      •   Es ist von Vorteil, bereits im Schulzimmer die Verhaltensregeln im Museum
          zu erklären. Eine Wiederholung im Museum bietet sich an.
      •   Klasse nie unbeaufsichtigt lassen. Es ist sinnvoll, eine Begleitperson ins
          Museum mitzunehmen, die für die Disziplin mitverantwortlich ist.
      •   Sollten die Kinder immer wieder vergessen, dass Bilder nicht angefasst
          werden dürfen, kann man im Abstand von ca. einem Meter vor dem Bild
          ein Stück Malerklebband auf dem Boden befestigen. Niemand darf diese
          Linie überschreiten.
      •   Szenische Spielformen im Innern eines Sitzkreises stattfinden lassen. Dies
          vermindert die Gefahr für Kunstwerke.
      •   Praktische Arbeiten auf einer Unterlage oder einer Plastikabdeckung
          ausführen.
      •   Bitte überprüfen Sie vor jedem Besuch, ob die gewünschten Bilder hängen.
          Bilder im Depot werden Ihnen bei frühzeitiger Vorbestellung hochgeholt.

                                          8
Meret Oppenheim KUNSTMUSEUM SOLOTHURN - DOKUMENTATION FÜR LEHRPERSONEN ALLER STUFEN
Kapitel 2

Einführung

             9
Meret Oppenheim KUNSTMUSEUM SOLOTHURN - DOKUMENTATION FÜR LEHRPERSONEN ALLER STUFEN
Grundsätzliches zu den vorgeschlagenen Ideen

Für einen Museumsbesuch sollten mindestens eineinhalb Stunden einberechnet
werden. Die Lehrkraft entscheidet, welche Vorschläge aus den Abläufen zum Einsatz
kommen. Selbstverständlich sollen nur Methoden ausgewählt werden, die für die
Klasse geeignet sind und der Lehrperson entsprechen.

Die Dauer der Übungen hängt stark von der Grösse und der Zusammensetzung der
Gruppe ab. Bei den Vorschlägen für die Unterstufe ist auch der Kindergarten
einbezogen. Die unter Varianten vorgeschlagenen Aufgabestellungen bieten weitere
Anregungen. Die Spielformen der Kunstpädagogik sind nicht Selbstzweck, sondern
helfen, das Kunstwerk ganzheitlich zu erleben. Eine Spielform sollte immer mit
Worten ein- und ausgeleitet werden. Das Spiel ist Mittel zur Erkenntnis, ist der Motor
des nachfolgenden Prozesses in der Auseinandersetzung mit dem Kunstwerk.

Die methodisch-didaktischen Abläufe zu den einzelnen Kunstwerken sind immer
nach dem gleichen Prinzip aufgebaut:
   • Zuerst erfolgt ein spielerischer Einstieg, verbunden mit einem Rundgang durch
      die Sammlung.
   • Dann folgt die Auseinandersetzung mit einem einzelnen Kunstwerk, das
      mithilfe vielseitiger Anregungen ganzheitlich erlebt werden soll. Die
      Werkbetrachtung wird mit einem Gespräch eingeleitet bzw. abgerundet.
   • Weiterführende Aufgaben sollen die gemachten Beobachtungen und
      Erfahrungen vertiefen. Gestalterische Arbeiten eignen sich auch zur
      Umsetzung im Schulzimmer, da in der Sammlung z. B. nicht mit Wasserfarben
      gemalt werden darf.
   • Wichtig ist auch ein gemeinsamer Abschluss, um den Museumsbesuch
      nochmals Revue passieren zu lassen: Was ist den SchülerInnen bei den
      entstandenen Arbeiten alles aufgefallen? Welche Erkenntnisse haben sie
      durch die Werkbetrachtung gewonnen? Wie hat den SchülerInnen der Besuch
      im Kunstmuseum Solothurn gefallen?

Die Arbeitsabläufe sollen und können nach Belieben variiert und erweitert werden.
Für alle Vorschläge in diesem Arbeitsheft gilt, dass es die Lehrperson auch anders
machen kann. Hauptsache, der Besuch wird spannend und anregend. Eine Vor- und
Nachbereitung des Besuches bietet sich an. Die Einführung ins Thema und die
weitere Verarbeitung können zusätzliche Lern- und Erlebnismöglichkeiten bieten.

                                          10
Meret Oppenheim

Biografie und Werk

Meret Oppenheim wird 1913 als erstes Kind eines Deutschen und einer Schweizerin
in Berlin geboren. Nach dem 1. Weltkrieg ziehen die Eltern mit ihren drei Kindern
nach Steinen im Wiesental (Deutschland), wo der Vater eine Arztpraxis betreibt. Die
Grosseltern mütterlicherseits besitzen ein Haus in Carona (Tessin), wo Meret als
Jugendliche viel Zeit verbringt und KünstlerInnen wie Hugo Ball, Emmy Hennings
und Hermann Hesse kennenlernt. Ihre Grossmutter Lisa Wenger war Malerin, Autorin
und Frauenrechtlerin. Sie wird für Meret Oppenheim zu einem wichtigen Vorbild.
Über ihren Vater, der Seminare von Carl Gustav Jung in Zürich besucht, lernt Meret
Jungs Theorien kennen. Sie beginnt ihre Träume aufzuschreiben, was sie bis an ihr
Lebensende fortführt. Diese sind eine wichtige Inspirationsquelle für ihr Schaffen.

In Lörrach besucht Meret die Oberrealschule und lernt in Basel verschiedene
KünstlerInnen kennen. Darunter ist auch die Malerin und Tänzerin Irène Zurkinden,
die eine enge Freundin wird. Eineinhalb Jahre vor der Matura verlässt Meret die
Schule und beschliesst, Malerin zu werden. Mit Irène Zurkinden reist sie 1932 im Zug
nach Paris. Sie besucht Ausstellungen und lernt Alberto Giacometti, Hans Arp und
später Pablo Picasso und Dora Maar kennen. Meret Oppenheim macht zahlreiche
Zeichnungen, gestaltet Objekte und schreibt ihre ersten Gedichte. Ab und zu besucht
sie die Académie de la Grande Chaumière, arbeitet aber lieber allein bei sich und in
den Kaffeehäusern. In ihrem Drang nach Freiheit sucht sie die grösstmögliche
Unabhängigkeit. 1933 entstehen zahlreiche Werke, die von ihrem zielbewussten
Vorgehen, ihrer schöpferischen Verspieltheit, ihrer sinnlichen Direktheit und ihrem
Desinteresse an einem einheitlichen Stil geprägt sind.

Von 1933–1937 nimmt Meret Oppenheim regelmässig am Salon des
Surindépendants der SurrealistInnen teil und verkehrt in deren Stammlokal Café del
la Place Blanche. Man Rays bekannte Fotografien mit ihr an der Druckpresse
entstehen, aufgenommen im Atelier von Louis Marcoussis. 1934 lernt sie Max Ernst
kennen, mit dem sie eine kurze leidenschaftliche Liebesbeziehung eingeht. Ab dem
Herbst 1935 ist sie häufig mit Marcel Duchamps zusammen. Durch seine Emigration
in die USA im Jahr 1942 wird diese Verbindung unterbrochen. In ihrer Pariser Zeit
leidet sie immer wieder an Depressionen, die sie später als ein gebrochenes
Selbstwertgefühl beschreibt.

Als der Vater aufgrund seines jüdischen Namens Schwierigkeiten bekommt, gibt er
seine Praxis in Steinen auf, und die finanzielle Unterstützung der Eltern bleibt aus.
Meret versucht ab 1935 mit Schmuck- und Modeentwürfen Geld zu verdienen, doch
selbst den progressivsten Couturiers sind ihre Vorschläge zu extravagant. Für Elsa
Schiaparelli entwirft sie ein Armband aus einem geschnittenen, geschliffenen und mit
Pelz beklebten Metallreif, für das sie umgerechnet zwölf Schweizerfranken bekommt.
Nachbestellungen bleiben jedoch leider aus. Als Pablo Picasso das Armband sieht,
gibt er ihr den entscheidenden Impuls für die Pelztasse. Sie kauft bei Uniprix eine
grosse Tasse mit Teller und Löffel und überzieht alles mit dem Fell einer
chinesischen Gazelle. Zur Ikone wird dieses Objekt, weil es Elemente
zusammenbringt, die eigentlich nicht zusammenpassen. Diese Kombination
ermöglicht vielfältige Assoziationen und provoziert bei den BetrachterInnen einen
Schauer. 1936 entsteht also das Objekt Le déjeuner en fourrure, die bekannte

                                         11
Pelztasse, die von Alfred Barr Junior für das Museum of Modern Art in New York
erworben wird. Es ist das meistzitierte Werk der Surrealisten und wird für Meret
Oppenheim zu einer Last, da sie ihr Leben lang immer wieder an ihr gemessen wird.
Im selben Jahr hat sie ihre erste Einzelausstellung in einer Galerie in Basel, für die
Max Ernst die Einladungskarte gestaltet und einen Text beisteuert.

1937 kehrt Meret Oppenheim nach Basel zurück, wo sie zwei Jahre lang die
Kunstgewerbeschule besucht. Es ist der Beginn einer 18 Jahre langen Krise,
während der sie zwar viel arbeitet, aber auch viel zerstört. Dennoch bleiben aus
dieser Zeit wichtige Werke erhalten, z. B. das Gemälde Peperoni auf dem Wasser
(1938), das sich in der Sammlung des Kunstmuseums Solothurn befindet. Ihre
Familie ist auf finanzielle Unterstützung angewiesen und lebt im Haus der
Grossmutter in Corona. Meret pflegt Kontakt zur Basler Gruppe 33 und zur
Schweizer Künstlervereinigung Allianz. Sie hat nur noch mit wenigen KünstlerInnen
aus ihrer Pariser Zeit Kontakt, einer davon ist Alberto Giacometti. 1939 nimmt sie
nochmals an einer Ausstellung in Paris teil und kehrt danach elf Jahre nicht mehr in
die französische Hauptstadt zurück. Sie lebt und arbeitet im Haus ihrer Grossmutter
im Klingental bei Basel. Erst 1950 trifft sie wieder FreundInnen in Paris, die sie vor
dem 2. Weltkrieg verlassen musste.

1945 lernt Meret Oppenheim den Kaufmann Wolfgang La Roche kennen, den sie
vier Jahre später heiratet. Arnold Rüdlinger, der damalige Direktor der Kunsthalle
Bern, öffnet ihr den Zugang zum Berner Künstlerkreis. 1954 geht Meret Oppenheims
Schaffenskrise zu Ende. Sie bezieht ein Atelier in Bern, und es entstehen Gouachen,
Ölbilder und bildhafte Tuschezeichnungen. 1956 entwirft Meret Oppenheim Kostüme
und Masken für Daniel Spoerris Inszenierung von Pablo Picassos Wie man Wünsche
am Schwanz packt an einem Theater in Bern. 1959 organisiert die Künstlerin in Bern
ein Frühlingsfest, dessen Mahlzeit auf dem Körper einer nackten Frau inszeniert
wird. Am Essen nehmen drei Paare teil. Zu einem der Paare gehört auch die Frau
auf dem Tische. André Breton drängt sie zu einer Wiederholung anlässlich einer
Surrealistenausstellung in Paris, die ihre letzte Ausstellung mit der Gruppe der
Surrealisten wird. Trotzdem wird sie weiterhin mit dem Etikett “Surrealistin“ versehen.

In den sechziger Jahren entstehen vermehrt Himmelsbilder mit flächigen Gestirnen
und stilisierten Wolken. Diese Werke zeugen vom Eingebundensein in räumliche,
zeitliche und mystische Dimensionen. Oppenheims Aufmerksamkeit zielt auf das
Unbewusste. Sie ist überzeugt, dass Ratio und Logik wichtig, aber letztlich nur
bescheidene Mittel sind, um der Unendlichkeit der Natur beizukommen. Auch die
jüngeren Werke zielen auf das Aufbrechen, Erweitern und Neubesetzen von
Sprache. Der Humor ist für Oppenheim eine ins Schaffen integrierte Waffe gegen
das Eingeengtsein durch den eigenen hohen Anspruch. Meret Oppenheim setzt sich
auch für den Feminismus ein.

Nach ihrer Retrospektive in Stockholm 1967 erfährt Meret Oppenheim eine
Wiederentdeckung. 1974 findet ihre erste Einzelausstellung in der Schweiz im
Kunstmuseum Solothurn statt. Diese ist als Wanderausstellung konzipiert und wird
anschliessend in Winterthur und Duisburg gezeigt. Ein Jahr später erhält sie den
Kunstpreis der Stadt Basel und 1982 den Grossen Preis der Stadt Berlin. Es folgt
eine Einladung an die documenta 7 nach Kassel und Bice Curigers Werkmonografie
über die Künstlerin. 1983 wird auf dem Waisenhausplatz in Bern ein Brunnen nach
Meret Oppenheims Plänen aufgestellt, der bis heute zu kontroversen Debatten führt.

                                          12
1985 stirbt Meret Oppenheim an einem Herzinfarkt in Basel, am Tag der Vernissage
ihres Buches Caroline mit Gedichten und Graphiken. Sie wird im Familiengrab in
Carona bestattet.

                                       13
Kapitel 3

Methodisch-didaktische Arbeitsvorschläge

                       14
Meret Oppenheim, Das Schulheft, 1930, Tinte, Collage,
20.5 x 33.6 cm

„Meret Oppenheim las als Schülerin Johann Wolfgang von Goethe, die Romantiker,
Gottfried Keller, Rainer Maria Rilke und Hermann Hesse. Bildtitel wie Die Erlkönigin,
Rotkäppchen und der Wolf oder Das Leiden der Genoveva beziehen sich auf
Märchen, Gedichte und Erzählungen aus ihrer Kindheit und Jugend. Und sie war an
bildender Kunst interessiert. So erinnerte sie sich später, dass sie als Kind
Reproduktionen des Isenheimer Altars von Matthias Grünewald beeindruckt hatten.
Ausserdem interessierte sie sich für den deutschen Expressionismus, Pablo
Picassos époques bleue et rose, Amadeo Modigliani, Henri Matisse und die Neue
Sachlichkeit. 1929 fand in der Kunsthalle Basel eine Ausstellung des Bauhauses
statt, in der 38 Werke von Paul Klee gezeigt wurden. Die Titel seiner Bilder weckten
ihr Verständnis für abstrakte Kunst. Der Schule überdrüssig – entstand dann, was sie
später als ihr erstes “surrealistisches“ Werk bezeichnet hat: eine Schulheftseite mit
der Gleichung “x = Hase“ (siehe Abbildung Seite).

Sie war sich bewusst, dass sie mit einem roten Hasen ein Signal senden würde, das
ihr Vater unmöglich übersehen konnte. Hasen spielten im Leben der Familien
Wenger und Oppenheim eine bedeutende Rolle. Die Grossmutter Lisa Wenger schuf
im selben Jahr wie Joggeli söll ga Birli schüttle! mit Das weisse Osterhäschen ein
weiteres selbst illustriertes Kinderbuch, und über ihre Mutter Eva heisst es in den von
Hans Christoph Tavel zusammengetragenen “Spuren eine Biographie“: „ [...] ihr
ganzes Leben hielt sie viele Hühner und Kaninchen. Später gewann sie mit ihrer
Zucht von “Champagne-Silber“ sogar Goldmedaillen.“

Bereits einige Jahre zuvor scheint dem Vater aufgefallen zu sein, dass seiner
Tochter nicht nach Lernen zumute war, schrieb er doch am 1. Juni 1924 in einem
Brief an Hermann Hesse: „Nur meine Tochter Meret schwimmt in Seligkeit, und treibt
die Rösselrite um frei fahren zu dürfen, sie tut das schon 3 oder 4 Stunden lang.
Wenn doch die Schule auch solche Freifahrten erfinden wollte, dann brauchten sich
die Lehrer nicht über das Fehlen ihrer Conzentrationsfähgkeit zu beklagen. Warum
wird in der Schule übrigens nur Concentration verlangt, statt auch die Excentricität zu
pflegen?! Diese Frage sollte auf einem der nächsten Schulcongresse beim Thema
’Schule und Harmonie’ behandelt werden.“ Anderthalb Jahre vor der Matura verliess
Meret Oppenheim die Schule und beschloss, Malerin zu werden.“1

1 Simon Baur: Meret Oppenheim Geheimnisse. Eine Reise durch Leben und Werk,
Verlag Scheidegger & Spiess AG, Zürich 2021, S. 24/25.

                                          15
Meret Oppenheim, Das Schulheft, 1930, Tinte, Collage, 20.5 x 33.5 cm

                                       16
Meret Oppenheim, Das Schulheft, 1930, Tinte, Collage,
20.5 x 33.6 cm

Frühe Arbeiten aus den Jahren 1930–1934

Themen:

Jugendjahre
Ausbildung
Erste Jahre in Paris
Eigenständigkeit
Kreativität
Surrealismus
Zeichenstil
Bild-Text-Kombinationen
Urzeit Venus
Linienzeichnungen

Zielgruppe:

Mittel- und Oberstufe

Ablauf:

1) Einstieg ins Thema

Mittel- und Oberstufe: Jugendzeit und Schulabbruch
Den Text von S.15 vorlesen oder frei zusammenfassen. Mit den SchülerInnen über
den Stellenwert der verschiedenen Schulfächer und Beurteilungskriterien sprechen.
Welches sind für die SchülerInnen wichtige Fähigkeiten, die einen auf das Leben
nach der Schulzeit vorbereiten? Wie denken sie darüber, dass Meret mit 19 Jahren
die Schule abgebrochen hat, um Malerin zu werden, und mit ihrer Freundin nach
Paris gereist ist, wo sie mehrere Jahre alleine lebte?

Variante Mittel- und Oberstufe: x = Hase
Die Abbildung von S.16 aus dem Schulheft vergrössert ausdrucken und gemeinsam
betrachten. Meret Oppenheim bezeichnete später diese Gleichung als ihr erstes
surrealistisches Werk. Gemeinsam besprechen, was Surrealismus bedeuten und
was an dieser Gleichung und vor allem an der Probe auf der rechten Seite
surrealistisch sein könnte. Woran erinnert der linke Gegenstand bei der Probe auf
der rechten Seite? Meret zeigte diese Gleichung ihrem Vater, um ihm ihren Unmut
über das Gelernte vorzutragen. Mathematik war nicht ihre Stärke. Die Schule war ihr
verleidet: Eineinhalb Jahre vor dem Abitur brach sie die Schule ab, mit dem Wunsch
Malerin zu werden. Auf der rechten Seite des Schulheftes steht der Hase nun auf
dem Kopf in einer Gleichung mit einem Gegenstand, der an ein zusammengerafftes
Tüchlein erinnert, für den sich aber keine klare Bezeichnung finden lässt. Eine Probe
also, die genauso im Dunkeln bleibt wie die Unbekannte x.
Ein wenig erinnert der Gegenstand auch an eine abstrakte Karotte mit Grünzeug.
Möglich wäre auch, dass es sich bei dem unbekannten Gegenstand der “Probe“ um

                                         17
den Schirm ihrer Mutter handelt, heisst es doch in einer von Merets letzten
Traumnotizen vom 4. Mai 1985: „Ich halte eine zylinderförmige hölzerne Hülse in der
Hand. Darin ist der zusammengeschobene Schirm (“Knirps“) meiner Mutter (im Stil
der 30er Jahre). Oben in der Hülse steckt ein Stöpsel, der im obersten Teil ein fein
geschnittenes Gewinde hat. Ich bewundere diese handwerkliche Arbeit.“ Auch von
der Bedeutung der Hasen in der Familie Oppenheim-Wenger erzählen.

Variante Mittel- und Oberstufe: Arbeiten aus den frühen Jahren in Paris (1930–1934)
Zweiergruppen bilden. Im ersten Saal unten rechts eine Arbeit aus Merets frühen
Schaffensjahren auswählen. Notizen machen, was einem alles auffällt (Was? Wo?
Wie?). Wie ist der Zeichenstil (klassisch oder modern)? Was interessiert die Gruppe
an dieser Arbeit? Danach werden die Beobachtungen einander vorgestellt.

Variante Mittel- und Oberstufe: Urzeitvenus
Den Grundriss für Urzeit-Venus von 1933 betrachten: Ist das ein Grundriss der
Plastik oder gleichzeitig ein Grund- und Aufriss? Oder handelt es sich eher um einen
Plan? Was für ein Objekt könnte das werden? Was stellt ihr euch unter einer Urzeit-
Venus vor? Welche Bedeutung hat die Venus (Venus: Römische Göttin der Liebe,
des erotischen Verlangens und der Schönheit)? Die Zeichnung mit dem Foto der
Plastik Urzeit-Venus von 1933/1962 vergleichen: Aus welchem Material besteht
dieses Objekt? Welche Assoziationen kommen euch in den Sinn? Warum ist die
Figur so rudimentär dargestellt? Was könnte sie mit Fruchtbarkeitsgöttinnen zu tun
haben? Warum passt das Material gut zu dieser Plastik?

Meret Oppenheim, Urzeit-Venus, 1933/1962, Bemalte Terracotta, glasiertes Stroh,
64 x 26.5 x 20 cm

                                         18
Variante Mittel- und Oberstufe: Linienzeichnungen von Tieren
Die Zeichnung Vogel von 1933 betrachten ohne das Schildchen anzuschauen
(Lehrperson kann sich mit dem Rücken vor das Schildchen stellen): Wie ist diese
Zeichnung gemacht (Technik)? Woran erinnert die Umrisslinie? Was könnte die
Zeichnung darstellen? Welches sind die typischen Merkmale für eure Vermutung?
Wie können Tiere auf das Wesentlichste reduziert werden? Auch Pablo Picasso hat
solche Linienzeichnungen gemacht. Meret lernte Picasso in Paris kennen und war
mit seiner Frau Dora Maar und ihm befreundet. Unten siehst du einige Beispiele
dieses Künstlers von Tieren, die nur mit einer Linie gemalt worden sind. Was ist bei
Meret Oppenheim anders?

2) Bildbetrachtung/Gegenüberstellung von folgenden Bild-Text Zeichnungen:

Meret Oppenheim, Alaska Du Schöne, 1933

Meret Oppenheim, Pourquoi j’aime mes chaussures, 1934

Meret Oppenheim, Ich bin die Gerechtigkeit mit dem Backsteinröckchen, 1934

Meret Oppenheim, Alaska hmhmhm ..., 1933

Seit dem Schulheft erprobte Meret Oppenheim das Verfahren, Text und Bild
miteinander zu kombinieren. In der Zeichnung Warum ich meine Schuhe liebe von
1934 lässt sich höchstens eines der drei Bildelemente mit einem Schuh assoziieren.
Meret Oppenheim hat mit ihrer Kunst eine eigene Grammatik erschaffen, in der
“Lyrisches Erzählen“ von Bildpartikeln und Satzfragmenten ausgeht oder aber von
diesen irritiert wird. Josef Helfenstein hat in dieser Verbindung nicht
zusammengehöriger Elemente einen Grundzug von Meret Oppenheims Kunst
erkannt: „Die Alogik der Bildsprache setzt dem Verständnis des Betrachters eine
Grenze. Einzelelemente können isoliert werden und sind als solche bestimmbar,
doch das Kunstwerk als Gesamtes entzieht sich einem rationalen Verständnis. Oft
bewirkt gerade die alogische, provozierende Kombination die starke poetische
Assoziationskraft, die von dieser Arbeit ausgeht.“ Es geht bei Meret Oppenheim also
um die Annäherung verschiedener Wirklichkeiten. Dies wurde bereits im Schulheft
deutlich, in dem schulische Leistungen (Mathematik) mit Eindrücken aus der Natur
(Hase) oder Erinnerungen aus der Kindheit (Schirm bzw. Knirps der Mutter)
kombiniert werden.

Folgende Fragen könnten gestellt werden:

   •   Was fällt euch bei diesen Zeichnungen alles auf?
   •   Womit sind sie gezeichnet?
   •   Woran erinnern die einzelnen Bildelemente?
   •   Was bedeuten die Satzfragmente?
   •   Was haben Bild und Text miteinander zu tun?
   •   Weshalb lösen sie beim Betrachten Irritation aus?
   •   Warum lösen die Zeichnungen starke Assoziationen aus?
   •   Was bewirkt diese Kombination von verschiedenen Wirklichkeiten?
   •   Man redet bei Meret Oppenheims Kunst auch von “Lyrischem Erzählen“ oder
       einer eigenen Grammatik. Was könnte man darunter verstehen?

                                         19
3) Weiterführende Aufgaben

Mittel- und Oberstufe: Stellenwert der Schule
Welche Fächer, Fähigkeiten und Werte werden in der Schule vermittelt? Welche
davon sind für das Leben wichtig? Was fehlt für das Bestehen der Einzelnen in der
aktuellen Gesellschaft? Ausgehend von einer gemeinsamen Diskussion zu diesen
und weiteren Fragen einen utopischen bzw. visionären Schulentwurf planen und
gestalterisch umsetzen.

Mittel- und Oberstufe: x = Hase
Ausgehend vom Schulheft von Meret Oppenheim eine mathematische, physikalische
oder chemische Formel wählen und zu einer surrealistischen Gleichung samt Probe
umsetzten. Die gewählten Bildzeichen sollen mit dem persönlichen Erleben der
SchülerInnen zu tun haben. Die Klasse soll der Frage nachgehen, was Mathematik,
Physik oder Chemie aktuell mit ihrem Leben zu tun hat.

Variante Mittel- und Oberstufe: Arbeiten aus den frühen Jahren in Paris (1930–1934)
Ausgehend von den Bild-Text Zeichnungen von Meret Oppenheim mit Tusche
eigene Bild-Text Kombinationen gestalten. Die SchülerInnen sollen von ihren
persönlichen Erfahrungen ausgehen: Erinnerungen aus der Kindheit, aktuelle
Erlebnisse, Träume, Wünsche, Visionen u. a.

Variante Mittel- und Oberstufe: Urzeitvenus
Sich mit dem Thema Venus und Fruchtbarkeitsgöttinnen auseinandersetzten. Dazu
selbst eine Plastik gestalten.

Variante Mittel- und Oberstufe: Linienzeichnungen von Tieren
Ausgehend von Tierbildern selbst Linienzeichnungen von Tieren herstellen. Das
bedeutet, dass die Körperform, bzw. die Umrisslinie mit einem Schwung gezeichnet
werden soll. Der Stift darf also nicht vom Blatt abgehoben werden. Als Vorübung
kann man auch, wie Pablo Picasso u. a. es gemacht haben, mit einer Taschenlampe
in einem abgedunkelten Raum Tierformen “mit Licht zeichnen“ und danach mit
breitem Pinsel auf ein grosses Papier an der Wand oder auf einer Staffelei malen.
Dabei kann den folgenden Fragen nachgegangen werden: Welches sind die
markanten Merkmale des jeweiligen Tieres? Wie kann man die Formen so
vereinfachen, abstrahieren, dass das Tier doch noch zu erkennen ist?

                                        20
Darstellung der Frau/Selbstbildnisse/Geschlechterrollen

Ausgehend vom Solothurner Werkbestand umkreist die aktuelle Ausstellung auch die
Motive Frau und Selbstbildnisse. Mit der Frage der Selbstreflexion ist eine Werkreihe
mit den Motiven Gesicht und Spiegel verbunden. Nur selten kommt im Schaffen von
Meret Oppenheim ihr eigenes Abbild vor. Meret Oppenheim ist skeptisch gegenüber
der Abbildbarkeit der menschlichen Individualität im Porträt. In den beiden Bildern
Meine Mutter auf dem Totenbett von 1959, eines davon im Profil, wagt sie eine
zeichnerisch-realistische Annäherung. Gemäss Meret Oppenheim zeigt sich im Tod
das Gesicht, in dem sich die Wahrheit des Individuums zeigt.

Die Erkundung des eigenen Gesichts findet bei Meret Oppenheim ausschliesslich
beim Zeichnen statt. Meist schafft die Künstlerin Spiegelbilder ohne Selbst, Porträts
ohne Gesicht und spielt mit verschlüsselten Selbstdarstellungen, um sich von den
üblichen Erwartungen zu befreien. Der neue Bildtypus von “geistigen Selbstporträts“,
den die Künstlerin für sich entdeckt, verbindet innere und äussere Wirklichkeiten.
Dabei dienen ihr Träume als Hilfestellung. Katrin Steffen schreibt im
Ausstellungskatalog: „Meret Oppenheims Sinn für Hintergründe, Geheimnisvolles
und für die Natur knüpft an ein zentrales Ziel der Romantik an: durch Verbindung von
Vernunft und Fantasie zum ganzen Menschen zu gelangen und damit die Spaltung
zwischen Natur, Mensch und Kultur zu überwinden, die mit der Entwicklung der
Naturwissenschaften in Europa einhergeht.“ Die Künstlerin ist überzeugt, dass jedes
Selbst in grössere räumliche, zeitliche und mythische Dimensionen eingebunden ist.
Das selbst gestaltete Cover des Solothurner Katalogs von 1974, auf dem Meret
Oppenheims Namenszug hell aus einem grau schraffierten Wolkengebilde leuchtet,
ist diesbezüglich interessant anzuschauen.

Auch in der Zeit der avantgardistischen Surrealisten bleibt das traditionelle
Rollenverständnis, die Frau in ihrer weiblichen Rolle als Gefährtin des Mannes und
Gebärerin zu sehen, bestehen. Meret Oppenheim und andere Künstlerinnen wie
Leonor Fini oder Leonora Carrington, die in den surrealistischen Kreisen verkehren,
reagieren darauf mit individuellen Gegenentwürfen. 1936 gelingt Meret Oppenheim
mit ihrer Pelztasse Déjeuner en fourrure ein originelles Kunstwerk, das es mit den
Readymades von Marcel Duchamp aufnehmen kann, bei denen der Künstler mehr
auswählt als erfindet: damals ein gefährliches Unterfangen für eine Künstlerin, da es
gemäss Isabelle Graw als Beweis für die “nicht schöpferische Natur der Frau“
gelesen werden kann.

Im Zuge der feministischen Bewegung der 1970er Jahre findet erneut eine
Auseinandersetzung mit den Geschlechterrollen statt, die eine Hinterfragung
traditioneller Rollenmuster voraussetzt. In diesem Kontext wird Meret Oppenheim zur
Identifikationsfigur und Projektionsfläche. Jedoch wehrt sie sich wie schon damals
bei den Surrealisten gegen diesen einseitigen Zugriff auf ihre Person und lehnt die
Teilnahme an ausschliesslich Künstlerinnen gewidmeten Ausstellungen ab. Die
Beteiligung hätte für sie eine neuerliche Herabsetzung bedeutet. Meret Oppenheim
sagt dazu: „Kunst hat keine Geschlechtermerkmale. Es gibt nur ein Einmaleins [...]
Grosse Kunst ist immer männlich-weiblich.“ Für einen Wandel des Verhältnisses
zwischen Mann und Frau braucht es für Meret Oppenheim folgende Aspekte: die
internalisierte Geringschätzung der eigenen Weiblichkeit zu überwinden sowie das
Geistig-Männliche in sich zu akzeptieren und gleichzeitig den überlieferten
Rollenmustern eine Absage zu erteilen. Ihr Ziel war ein auf Geschlechtergleichheit

                                         21
hin ausgelegter Ansatz des Feminismus. In der Person ihrer Grossmutter Lisa
Wenger, der bekannten Schriftstellerin und Kinderbuchillustratorin, die sich
zeitlebens für die Rechte der Frauen engagiert, findet Meret Oppenheim Inspiration.

Im Portrait mit Tätowierung von 1980 bearbeitet die Künstlerin ein zwei Jahre zuvor
entstandenes Foto ihrer selbst mithilfe von Spray und Schablone zu einer Art
“Schamanin“, die spannungsvoll zwischen Abbild und Mythos pendelt. Gemäss Heike
Eipeldauer ist das Portrait mit Tätowierung ein ironischer Kommentar zur
Legendenbildung und zum Kult um ihre Person in der Kunstkritik. Katrin Steffen
schreibt dazu: „Ihr Fotoporträt nutzt die Künstlerin als Zeichenträger, um die Rolle als
(Anschauungs-)Objekt zu verhandeln. Bild und Abbild, Gesicht und Maske, Zeigen
und Verbergen, Fremdprojektion und Selbstbehauptung sind darin untrennbar
verknüpft.“

                                          22
Darstellung der Frau/Selbstbildnisse/Geschlechterrollen

Themen:

Darstellung der Frau
Selbstbildnisse
Gesicht und Spiegel
Verschlüsselte Selbstdarstellungen
Mutter auf Totenbett
Namenszug im Wolkengebilde
Hinterfragung von Rollenmustern
Gegenentwürfe zu Geschlechterrollen
Feminismus 1970er Jahre
Oppenheims Ansatz der Geschlechtergleichheit
Künstlerin als Projektionsfläche
Abbild und Mythos

Zielgruppe:

Alle Stufen

Ablauf:

1) Einstieg ins Thema

Alle Stufen: Darstellungen von Frauen
Zweiergruppen bilden. Durch die Ausstellung gehen und jede Gruppe wählt ein Bild
aus, auf dem eine Frau abgebildet ist. Diskutieren oder Notizen machen, was einem
alles auffällt (Was? Wo? Wie?). Wie ist der Zeichenstil (klassisch oder modern)? Was
interessierte die Künstlerin wohl an dieser Arbeit? Was interessiert die Gruppe an
dieser Darstellung? Danach werden die Beobachtungen einander vorgestellt.

Variante alle Stufen: Selbstporträts
Die Selbstporträts (siehe Arbeitsblatt Selbstporträts von Meret Oppenheim)
miteinander vergleichen: Mit welcher Technik sind sie gemacht? Welche
Unterschiede gibt es zwischen ihnen? Wie wirkt Meret Oppenheim auf den
verschiedenen Bildern? Welche Stimmung könnte sie auf den jeweiligen
Selbstporträts haben? Welche Zeichnung spricht euch an? Weshalb? Die
Selbstporträts auf dem Arbeitsblatt mit der Zeichnung Zukunfts-Selbstporträt als
Greisin von 1938 in der Ausstellung vergleichen. Was hat sich in der Zwischenzeit
verändert? Was könnte der Zeichenstil über die Befindlichkeit von Meret Oppenheim
nach ihrer Rückkehr aus Paris aussagen? Warum kann die Zeichnung Meine rechte
Hand mit Verbandsstoff umwickelt von 1932, die in der Ausstellung hängt, auch als
eine Art Selbstporträt angesehen werden? Welche Gefühle drückt diese Zeichnung
aus? Die Zeichnung Meine Mutter auf dem Totenbett von 1959 ist viel genauer
gemacht als ihre Selbstporträts. Warum könnte sich Meret Oppenheim für diese
Arbeit mehr Zeit genommen haben? Wo hat sie mit dem Bleistift am längsten
verweilt? Weshalb?

                                        23
Mittel- und Oberstufe: Vermutungen zu einem Porträt anstellen
Arbeitsblatt Vermutungen zu einem Porträt anstellen kopieren. Unterlagen, Papier
und Bleistifte verteilen. SchülerInnen wählen eine Zeichnung aus, auf der eine
Person abgebildet ist, und beantworten die Fragen auf dem Arbeitsblatt dazu.
Anschliessend versuchen sie einen kurzen Steckbrief zu dieser Person zu verfassen
(Gesucht wird ...). Mit der Klasse herausfinden, welche Steckbriefe zu welchen
Porträts passen.

2) Bildbetrachtung/Gegenüberstellung von folgenden Zeichnungen:

a)
Meret Oppenheim, Frau mit rotem Haar, 1957

Meret Oppenheim, Kopf einer Frau mit roten Haaren, roten Lippen, violetter
Hand, 1957

Meret Oppenheim, Meine Mutter auf dem Totenbett (Profil), 1959

Meret Oppenheim, Meine Mutter auf dem Totenbett, 1959

Meret Oppenheim, Gesicht (mit Hals) Roma, 1985

Meret Oppenheim, Gesicht, Roma 1985

b)
Meret Oppenheim Zukunfts-Selbstporträt als Greisin, 1938

Meret Oppenheim, Gesicht mit Handspiegel, 1960

Meret Oppenheim, Spiegel auf rotem Tuch, 1978

Meret Oppenheim, Portrait mit Tätowierung, 1980

c)
Meret Oppenheim, Dialog, 1958

Meret Oppenheim, Zwei sich küssend, 1960

Folgende Fragen könnten zu den Bildern von 2a) gestellt werden:

   • Was fällt euch bei diesen Arbeiten alles auf?
   • Womit sind sie gezeichnet/gemalt?
   • Was fällt euch in Bezug auf die Grösse der Bilder auf?
   • Wie werden die Frauen dargestellt?
   • Welche Adjektive würden zu ihnen passen?
   • Welche Frauen passen zum traditionellen Rollenverständnis, in dem die Frau
     ihre Aufgabe als Mutter wahrnimmt?
   • Hat sich dieses Rollenverständnis geändert? Falls ja, inwiefern?

                                       24
• Wo wirken die Frauen sinnlich/verführerisch/selbstbewusst?
   • Welche Arbeiten könnten auch einen Mann abbilden? Warum bzw. warum
     nicht?
   • Weshalb hat Meret Oppenheim einige Porträts schnell umgesetzt und sich bei
     anderen viel Zeit genommen?

Folgende Fragen könnten zu den Bildern von 2b) gestellt werden:

   •   Was ist das gemeinsame Thema bei diesen vier Arbeiten?
   •   Welches sind die Unterschiede zwischen ihnen?
   •   Warum zeichnet man wohl Bilder von sich selbst?
   •   Was hebt diese vier Arbeiten von “typischen“ Selbstbildnissen ab?
   •   Was ist die Bedeutung von Tattoos in archaischen Kulturen (Neben einer
       rituellen Funktion hat die uralte Technik des Tätowierens auch einen sozialen
       Zweck, indem sie über den familiäre Herkunft und den gesellschaftlichen
       Status der tätowierten Person Auskunft gibt.)?
   •   Welchen Stellenwert haben Tattoos heute (Identitätsbildung oder modisches
       Accessoire)?
   •   Weshalb stellt die Künstlerin wohl keine klassischen Selbstporträts von sich
       her?
   •   Welches der vier Bilder gefällt euch am besten? Weshalb?
   •   Wie würdet ihr ein Selbstbildnis von euch machen? Aus dem Gedächtnis,
       mithilfe von einer Fotografie oder eines Spiegels?

Folgende Fragen könnten zu den Bildern von 2c) gestellt werden:

   •   Was ist auf diesem Bild dargestellt?
   •   Handelt es sich um Mann und Frau? Warum?
   •   Ist das für die Aussage der Zeichnung wichtig? Weshalb?
   •   Was könnte die Arbeit Dialog mit den Sprichwörtern “Mit dem Kopf durch die
       Wand gehen“ oder “Ein Brett vor dem Kopf haben“ zu tun haben?
   •   Passt der Titel zur Illustration? Weshalb?
   •   Was könnten die bogenförmige Öffnung und das Gebäude bedeuten, welche
       die beiden Figuren wie ein Zelt oder eine Höhle umgeben?
   •   Weshalb ist es in der Schule, bei der Arbeit und zu Hause wichtig, immer
       wieder den Dialog bzw. das Gespräch zu suchen?
   •   Wer küsst sich da?
   •   Mann und Frau?
   •   Spielt es eine Rolle, um welche Geschlechter es sich handelt (Aussage
       begründen)?
   •   Gesichter oder Körper?
   •   Was erkennt man im Hintergrund?
   •   Wie hat Meret Oppenheim diese intime Momentaufnahme umgesetzt (mit
       feinen Hell-Dunkel- und Grauabstufungen)?

                                         25
3) Weiterführende Aufgaben

Alle Stufen: Selbstporträts
Aus einem A3- oder A2-Zeichenpapier ein Quadrat zuschneiden. Dieses mithilfe von
Bleistift und Lineal in neun gleich grosse Felder unterteilen. In jedes Feld kommt eine
andere Art von Selbstporträt: z. B. Selbstporträt mit Spiegel, Selbstporträt mit
geschlossenen Augen (die eine Hand zeichnet, während die andere Hand das
eigene Gesicht abtastet), Selbstporträt nicht mit der Zeichenhand, Selbstporträt als
Linienzeichnung (der Bleistift darf nicht vom Blatt abgehoben werden), Selbstporträt
mit Grimasse, Selbstporträt als ältere Person, Selbstporträt mit einem passenden
Gegenstand, Selbstporträt mit den Buchstaben des Vor- und Nachnamens,
Selbstporträt als Sternzeichen, Selbstporträt als Fabelwesen, Selbstporträt als Foto,
das mit Tattoos, Piercings etc. versehen wird, Selbstporträt mit Hand- oder
Fingerabdruck u. a.

Variante alle Stufen: Selbstporträt mit Wasserfarbe auf einen Spiegel malen
Im Grosshandel günstige, möglichst grosse Spiegel für die ganze Klasse kaufen.
Alternativ können die Schülerinnen auch einen Handspiegel von zu Hause
mitbringen. So können alle ihr Spiegelbild mit Wasserfarbe direkt auf die
Spiegeloberfläche malen. Eine Ausstellung mit diesen Spiegelbilder-Selbstporträts
machen.

Variante alle Stufen: Meret Oppenheim, Spiegel auf rotem Tuch, 1978
Farblaserkopien der Arbeit Spiegel auf rotem Tuch von 1978 machen und verteilen
(siehe aktueller Ausstellungskatalog Kunstmuseum Solothurn, S. 162). Die
SchülerInnen sollen die runde rote Spiegelglasfläche in der Mitte ausschneiden und
darin etwas Neues gestalten. Es kann auch eine dreidimensionale Arbeit werden.
Alternativ klebt man auf die Rückseite der Farblaserkopie ein weisses Papier, das
man nach erneutem Umdrehen bemalen kann. Dabei sollen die SchülerInnen der
Frage nachgehen, welche Aspekte/Facetten der Künstlerin Meret Oppenheim sich im
„roten“ Spiegel zeigen könnten? Das muss nicht unbedingt ein Porträt der Künstlerin
sein, sondern das Gemalte kann auch ihre Leitmotive oder Formensprache spiegeln.

Variante alle Stufen: Ein Foto von sich selbst weiterbearbeiten
Die SchülerInnen sollen eine Fotografie von sich selbst mitbringen, von der die
Lehrperson eine vergrösserte Schwarz-Weiss-Kopie herstellt. Diese wird dann frei
weiterbearbeitet. Es kann z. B. folgenden Fragestellungen nachgegangen werden:
Wie wirke ich auf dieser Fotografie? Was für eine Stimmung drücke ich aus? Was für
einen Typ/Charakter stelle ich dar? Wie sehen mich die andern? Was für eine Rolle
(wie z. B. bei Oppenheim eine Schamanin) würde zu mir passen? Wie kann ich die
Fotovorlage verändern, dass dieser Charakter zum Ausdruck kommt?

Variante alle Stufen: Mythische Figuren wie z. B. die Schamanin
Als was für eine Figur aus Märchen, Fantasy, Sciencefiction, u. a. Genres sehen sich
die SchülerInnen. Meret Oppenheim hat sich z. B. einmal als Schamanin dargestellt.
Welcher Charakter/Typ würde zu ihnen passen? Sich als diese Figur verkleiden,
inszenieren und ablichten lassen.

                                          26
Variante alle Stufen: Eingebundensein in die Natur
Sich selbst in einer passenden Umgebung zeichnen/malen. Dies bedeutet nicht nur
eine Nahaufnahme umzusetzen, sondern das Brustbild oder das Ganzkörper-
Selbstbildnis in eine passende Umgebung zu betten.

Mittel- und Oberstufe: Namenszug gestalten
Gemeinsam den Plakatentwurf von 1974 in der Vitrine im linken grossen Saal
anschauen. Dort leuchtet Meret Oppenheims Namenszug hell aus einem grau
schraffierten Wolkengebilde. Flüchtig wie die Wolken ist der Name der Künstlerin nur
eine vorübergehende Erscheinung. Die Namenswolke zeugt vom Eingebundensein
des Menschen in die ständigen Veränderungsprozesse der Natur. Wie hat Meret
Oppenheim ihren Namenszug für ihre Einzelausstellung im Kunstmuseum Solothurn
dargestellt? Woran erinnert der Hintergrund? Die eckigen Buchstabenformen
kontrastieren mit dem weichen, sich auflösenden Zeichenstrich des Hintergrunds.
Warum hat Meret Oppenheim das so umgesetzt? Wie hat sie sich als Künstlerin zur
damaligen Zeit wohl gesehen? Sie erlebte damals den zweiten Höhepunkt ihrer
Karriere. Was für eine Stimmung habt ihr aktuell? Wie könntet ihr diese Stimmung in
Form eures Namenszuges oder eurer Initialen zum Ausdruck bringen? Die
SchülerInnen sollen verschiedene Möglichkeiten ausprobieren.

Variante Mittel- und Oberstufe: Gegenentwürfe zum traditionellen Rollenverständnis
Ausgehend von Meret Oppenheims berühmter Pelztasse eigene Gegenentwürfe zum
traditionellen Rollenbild von Frauen bzw. Männern kreieren und gestalten. Man
könnte z. B. vorgängig mit der Klasse durch die Sammlung des Kunstmuseums
gehen und schauen, wie Männer und Frauen über die Jahrhunderte dargestellt
wurden. Ausgehend von diesen Beobachtungen könnten die SchülerInnen Entwürfe
für die heutige Zeit machen.

Variante Mittel- und Oberstufe: Mit Gegensatzpaaren zu Meret Oppenheim arbeiten
Ausgehend von der Arbeit Idee für Maske von 1959, die ein zweigeteiltes Gesicht
zeigt, sollen die SchülerInnen selbst ein Bild oder ein Objekt gestalten, das zu einem
der folgenden Gegensatzpaare passt: Bild – Abbild, Subjekt – Objekt, Gesicht –
Maske, zeigen – verbergen, Selbstbehauptung – Fremdprojektion. Stillstand –
Verwandlung u. a.

Variante Mittel- und Oberstufe: Gedichtzeile, -strophe oder ganzes Gedicht
gestalterisch umsetzen
Arbeitsblätter Gedichte von Meret Oppenheim 1 und 2 kopieren und verteilen. Die
SchülerInnen sollen beim Lesen der Gedichte spontan Worte, Satzfragmente oder
Zeilen anstreichen, die sie ansprechen. Danach entscheiden sie sich für eine
Textstelle, zu der sie eine eigene gestalterische Arbeit machen.

Variante Mittel- und Oberstufe: Selbstwahrnehmung/Fremdwahrnehmung
Arbeitsblätter Fragen zur eigenen Person beantworten und Vermutungen zu einer
anderen Person machen kopieren und verteilen. Zweiergruppen bilden. Alle
beantworten die Fragen für sich und so, wie sie denken, dass es für ihren
Gruppenpartner bzw. ihre -partnerin passend ist. Danach Austausch in der
Zweiergruppe. Im Plenum diskutieren, was man bei diesem Experiment für
Erfahrungen gemacht hat. Wie sah wohl Meret Oppenheim ihre Rolle als junge
Künstlerin in Paris? Und wie 1974 als etablierte Künstlerin? Welche Bilder hatte die
Öffentlichkeit von ihr als junge bzw. als reife Frau?

                                          27
Variante Mittel- und Oberstufe: Selbstbildnis als GreisIn
Im Zukunfts-Selbstporträt als Greisin von 1938 stellt sich die damals 25-jährige
Künstlerin vorschnell gealtert und mit eingefallenem Gesicht dar. Es ist fast wie ein
Sinnbild für eine schöpferisch als “tot“ empfundene Zeit. Die kleine Zeichnung
dokumentiert die Wahrnehmung der eigenen Weiblichkeit zu einem Zeitpunkt, an
dem sie nach fulminanten Anfangsjahren im Kreis der Surrealisten in Paris in die
Schweiz zurückkehrt und beginnt, sich als Frau und als Künstlerin infrage zu stellen.
Es kommt Meret Oppenheim damals so vor “als würde die jahrtausendealte
Diskriminierung der Frau auf meinen Schultern lasten, als ein in mir steckendes
Gefühl der Minderwertigkeit“. Wie sehen die SchülerInnen die Rolle der Frau bzw.
des Mannes in der heutigen Zeit? Wie werden die Geschlechterrollen in 60 Jahren
aussehen? Zurück zum Matriarchat, immer noch im Patriachat oder auf gleicher
Augenhöhe? Wird sich das Verhältnis zwischen den Geschlechtern weg vom
Dualismus Mann-Frau zu einem Pluralismus unterschiedlichster Gender-Formen
entwickeln? Ausgehend von dieser Diskussion sollen die SchülerInnen sich so
zeichnen, wie sie in 60 Jahren aussehen könnten.

Variante Mittel- und Oberstufe: Geschlechtergleichheit/Androgynität
Interessant ist auch die Zeichnung Selbstbildnis von 1937 (siehe Arbeitsblatt
Selbstporträts von Meret Oppenheim), auf der sich Meret Oppenheim mit einem
betont androgynen Gesichtsausdruck darstellt. Der Mythos des Androgynen hat im
Surrealismus Hochkonjunktur. Die Surrealisten wollten gesellschaftlichen
Konventionen eine Absage erteilen. Diese Tabuverletzung stand aber v. a.
männlichen Künstlern zu. Marcel Duchamp legte sich beispielsweise mit Rose Sélavy
ein weibliches Alter Ego zu und liess sich als herbe Schönheit vom Fotografen Man
Ray ablichten. Meret Oppenheim jedoch löste mit den Aktfotografien, die Man Ray
von ihr an einer Druckpresse aufnahm, in Basel einen Skandal aus. Von der
Öffentlichkeit wurde Meret Oppenheim auf das weibliche Stereotyp der androgynen
Kindfrau festgelegt. Wie stellt sich Oppenheim auf diesem Bild dar? Als Mann oder
Frau? Wie ist der Zeichenstrich? Entspricht das Bild dem gängigen Schönheitsideal?
Falls nein, warum nicht? Was versteht man unter dem Begriff androgyn? Warum
könnten androgyne Wesen in der Zeit des Surrealismus in Mode gewesen sein?
Ausgehend von dieser Diskussion könnten die SchülerInnen ein Selbstporträt in
Textform verfassen, in dem ihre aktuelle Rolle als Junge, Mädchen oder queere
Person zum Tragen kommt.

Variante Mittel- und Oberstufe: Gestalterische Arbeit zu Titeln, Redewendungen oder
Sprichwörtern
Ausgehend von den Titeln Dialog und Zwei sich küssend sollen die SchülerInnen
selbst eine Arbeit gestalten. Versuchen, nicht einfach 1:1 etwas abzubilden, sondern
die Bildsprache zu abstrahieren bzw. zu vereinfachen. Sie können zeichnen, malen,
dreidimensional arbeiten oder einen Text schreiben. Ausgehend von Sprichwörtern
und Redewendungen zum Thema Beziehungen eine passende Illustration kreieren.

                                         28
Arbeitsblatt Selbstporträts von Meret Oppenheim

Im Uhrzeigersinn von oben links: Selbstbildnis (Grimasse), 1932 /
Selbstporträt, 1933 /Selbstporträt, 1943 /Selbstbildnis, 1937

                                         29
Arbeitsblatt Vermutungen zu einem Porträt anstellen

Versucht die folgenden Fragen zu beantworten und schreibt eure Gedanken
auf.

1)    Wer ist die abgebildete Person (Beruf etc.)? __________________________

___________________________________________________________________

2)    Wie alt ist sie? __________________________________________________

3)    Wo befindet sie sich? _____________________________________________

___________________________________________________________________

4)    Was tut sie in diesem Moment? _____________________________________

___________________________________________________________________

5)    Was wird sie in einer halben Stunde tun? _____________________________

___________________________________________________________________

6)    Welchen Ausdruck haben ihre Augen? _______________________________

___________________________________________________________________

7)    In welcher Stimmung ist sie abgebildet? ______________________________

___________________________________________________________________

8)    Was denkt sie gerade? ___________________________________________

___________________________________________________________________

9)    Was macht sie gern? _____________________________________________

___________________________________________________________________

10)   Was hasst sie? _________________________________________________

___________________________________________________________________

11)   Wie lebt sie? ___________________________________________________

                                      30
Arbeitsblatt Vermutungen zu einer anderen Person machen

1) Welchen Gegenstand würde diese Person als Erstes in einen leeren Raum

stellen? _____________________________________________________________

2) Wofür würde sie nie Geld ausgeben?____________________________________

3) Was für Musik gefällt ihr?_____________________________________________

4) Welches ist ihre liebste Freizeitbeschäftigung?____________________________

___________________________________________________________________

5) Was macht diese Person überhaupt nicht gern?___________________________

___________________________________________________________________

6) Was würde sie am liebsten an einer Tombola gewinnen? ____________________

___________________________________________________________________

7) Welches ist ihre Lieblingsfarbe?________________________________________

8) Stell dir vor diese Person wäre ein Tier. Welches würde am besten zu ihrer Art und

ihrem Charakter passen?_______________________________________________

9) Welche Idole (Vorbilder) hat sie?_______________________________________

___________________________________________________________________

10) Was ist ihr grösster Wunsch?_________________________________________

___________________________________________________________________

11) Wovor fürchtet sich diese Person?____________________________________

___________________________________________________________________

12) Welches der vier Elemente (Erde, Wasser, Luft, Feuer) passt zu ihr?__________

13) Wofür ist sie dankbar?______________________________________________

___________________________________________________________________

14) Wie lebt diese Person in 20 Jahren?___________________________________

___________________________________________________________________

___________________________________________________________________

                                         31
Arbeitsblatt Fragen zur eigenen Person beantworten

1) Welchen Gegenstand würdest du als Erstes in einen leeren Raum

stellen? _____________________________________________________________

2) Wofür würdest du nie Geld ausgeben?___________________________________

3) Was für Musik gefällt dir?_____________________________________________

4) Welches ist deine liebste Freizeitbeschäftigung?___________________________

___________________________________________________________________

5) Was machst du überhaupt nicht gern?___________________________________

___________________________________________________________________

6) Was würdest du am liebsten an einer Tombola gewinnen? ___________________

___________________________________________________________________

7) Welches ist deine Lieblingsfarbe?_______________________________________

8) Stell dir vor du wärst ein Tier. Welches würde am besten zu deiner Art und

deinem Charakter passen?______________________________________________

9) Welche Idole (Vorbilder) hast du?_______________________________________

___________________________________________________________________

10) Was ist dein grösster Wunsch?________________________________________

___________________________________________________________________

11) Wovor fürchtest du dich?____________________________________________

___________________________________________________________________

12) Welches der vier Elemente (Erde, Wasser, Luft, Feuer) passt zu dir?__________

13) Wofür bist du dankbar?______________________________________________

___________________________________________________________________

14) Wie lebst du wohl in 20 Jahren?_______________________________________

___________________________________________________________________

___________________________________________________________________

                                         32
Sie können auch lesen