"May You live in Interesting Times" - DIG-Bodensee.com

 
WEITER LESEN
"May You live in Interesting Times" - DIG-Bodensee.com
        K U LT U R         MEINE WELT 2|2019 43

„May You live in Interesting Times“
Gandhi auf der Kunstbiennale in Venedig

„Mögest Du in interessanten Zeiten leben“, lautet das Thema der dies-                                    Für die Verantwortlichen und Künstler des
jährigen Kunstbiennale in Venedig. Sie ist die älteste (seit 1895) und                                   Pavillons gehören Gandhis Ideen nicht der
renommierteste internationale Kunstschau der Welt, die alle zwei Jahre                                   Vergangenheit an, sondern sie schwingen
                                                                                                         auch im heutigen Indien noch immer mit,
stattfindet. Die Kunstbiennale stellt in diesem Jahr die soziale Rolle von
                                                                                                         so sein Aufruf zum passiven Widerstand,
Kunst und den offenen Diskurs in den Mittelpunkt. Cornelia Mallebrein                                    zum friedlichen Protest, einem genügsamen
hat die Ausstellungen besucht.                                                                           Leben und der Aufforderung zu ökologischem
                                                                                                         Handeln und Bewusstsein. Nicht die Person

D
         er gebürtige New Yorker Ralph           phie, Skulptur- und Roboterkunst. Überra-               Gandhi steht im Mittelpunkt, sondern seine
         Rugoff, Direktor der Londoner           schend hoch war die Zahl von Künstlerinnen,             Ideen sollen in künstlerisch abstrakter Form
         Hayward Gallery und Kurator der         sie übertrafen die ihrer männlichen Kollegen.           umgesetzt und thematisiert werden und uns
Hauptausstellung, hat diesen vermeintlich        Im Folgenden sollen die indischen Beiträge              so zum Nachdenken über unsere eigene kom-
chinesischen Fluch gewählt, der als „interes-    vorgestellt werden                                      plexe Welt anregen. Kunst als Wahrheit und
sante Zeiten“ eine Periode der Unsicherheiten,                                                           transformatives Experiment. Das Gesamt-
der Krisen und des Aufruhrs meint. „In ei-       Indischer Pavillon „Our Time for a                      konzept des Pavillons ermahnt zum einen zur
nem Moment, in dem die digitale Verbreitung      Future Caring“                                          Achtsamkeit und ist gleichzeitig ein Aufruf
von ‚Fake News‘ und ‚alternativen Fakten‘        Die Präsentation steht im Zeichen von 150               für eine gemeinsame Zukunft der Fürsorge.
den politischen Diskurs und das Vertrauen,       Jahre Mahatma Gandhi. Sie soll uns an eine
auf dem er basiert aushöhlen, ist es wichtig,    Zukunft der Fürsorge erinnern, die alle As-             Gleich beim Eingang fällt der Blick auf eine
eine Pause einzulegen, um unsere Referenz-       pekte des Lebens umfasst. Für die Kuratorin             lange Reihe von neun Vitrinen gefüllt mit
rahmen zu überdenken“, sagt Ralph Rugoff         Roobina Karode ist der indische Pavillon mit            handkolorierten Fotos, verschiedenen Pro-
in seinem Pressestatement. Daher liegt ein       seinen teils aus einfachen gebrannten Ziegeln           tesen, Krücken und persönlichen Gegen-
Fokus der Biennale auf der heutigen „post-       errichteten Wänden ein Ort der Ruhe, hier               ständen, der Beitrag von Atul Dodiya von
truth era“. Wie gehen Kunstschaffende mit        legt man eine Pause ein, ähnlich einem Sa-              2002. Im Jahr 1959 in Mumbai geboren, lebt
diesen alternativen Fakten um, wie erschaf-      rai. Ein Hauch von dörflichem Indien durch-             und arbeitet er dort. Bislang hat er über 200
fen sie Räume für komplexes Denken und           zieht die Ausstellungsräume, Inspirationen              Arbeiten mit Mahatma Gandhi als Thema
einen vielschichtigen Diskurs? Insgesamt 79      an Gandhis Wirkungsfeld. Insgesamt acht                 erschaffen, da er aus dem selben Geburtsort
internationale Künstlerinnen und Künstler        Künstler(innen), viele aus Maharashtra/Gu-              Porbandar in Gujarat stammt. Seine Vitrinen
wurden eingeladen, ihre Sicht auf die „inte-     jarat, waren eingeladen, ihren Beitrag zum              nennt er „Broken Branches“, sie enthalten
ressanten Zeiten“ vorzustellen.                  Wirken von Mahatma Gandhi aufzuzeigen.                  die „memento mori“ seiner eigenen Fami-
Die Biennale wird in zwei separaten Aus-
stellungsbereichen ausgetragen, so den 28
Länderpavillons in den Gardini Pubblici,
die auf Befehl Napoleons als öffentliche
Parkanlagen angelegt wurden, und in den
Arsenali, den mittelalterlichen Hafenanlagen
Venedigs. Das 320.000 m² große Gelände ist
als Ausstellungsfläche einbezogen, denn die
Docks, Salz- und Pulveranlagen bilden mit
ihrem Industrieflair eindrucksvolle Räume.
Insgesamt 90 Länder sind vertreten, einige
haben für ihre Künstler Palazzi, Kirchen oder
historische Gebäude angemietet. Daneben
gibt es noch zahlreiche Nebenschauplätze
mit Ausstellungen privater Initiativen und
21 „Collateral Events“.
Wie auch bei den letzten Biennalen ist das
Spektrum breit: Videoinstallationen, Fotogra-    „Of Bodies, Armour and Cages“, von Shakuntala Kulkarni                       Foto: Cornelia Mallebrein
"May You live in Interesting Times" - DIG-Bodensee.com
44   MEINE WELT 2|2019         K U LT U R

                                                                                                  „Fragments“ von Rummana Hussain, 1999 in
                                                                                                  Mumbai verstorben, Foto: Cornelia Mallebrein

                                                                                                  unten: „Haripur Congress Panels“ der
                                                                                                  1966 verstorbenen Malerin Nandalal Bose,
                                                                                                  Auftragsarbeit für Mahatma Gandhi,
                                                                                                  Foto: Cornelia Mallebrein

                                                                                                  Der international bekannte Künstler M.F.
                                                                                                  Husain (1915 geb. und 2011 in London ge-
                                                                                                  storben) ist mit seinem preisgekrönten Ölbild
                                                                                                  Zamin/Zameen (Land) von 1955 vertreten. Er
                                                                                                  gehörte zu den ersten modernen Künstlern
                                                                                                  eines unabhängigen Indien. Als Mitglied
                                                                                                  der Progressive Artist Group in Bombay in
                                                                                                  den 1940er Jahren, hatte er 1947, im Jahr
                                                                                                  der Unabhängigkeit, seine erste Ausstellung.
                                                                                                  Das Werk ist als langes Wandbild konzipiert,
                                                                                                  eingeteilt in verschiedene Sektionen mit ei-
                                                                                                  ner Aneinanderreihung und Überlappung
lie. Es sind exakte Kopien der Vitrinen im       Künstler ein tragbares Rohrkleid für eine Frau   typischer indischer Themen, so dem Ochsen,
Kirti Mandir, einem Haus das in Erinne-          gefertigt. Für Kulkarni leben die Frauen in      Pferd, Rad, Trommler, einer Hand und vie-
rung an Mohandas Karamchand Gandhi               ständiger Bedrohung und großem Risiko, sie       len Menschen, dargestellt durch Köpfe. Für
und Kasturba Gandhi in Porbandar einge-          sind in der Öffentlichkeit, aber auch im häus-   Hussain war die Unabhängigkeit Grund zur
richtet wurde. Die Installation von Dodiya       lichen Bereich Gefahren ausgesetzt. Darum        Freude, sie brachte aber auch großes Chaos
mit ihren Prothesen erinnert an die Dualität     hat sie eine weibliche Rüstung geschaffen,       und Leid. Er selbst reiste intensiv durch In-
einerseits von Verlust, Verstümmelung und        um den Frauen im alltäglichen Leben Schutz       dien, oft barfuss, wie einst Gandhi, als ein
Zerstückelung, sie sind aber auch Zeichen        zu geben. Gleichzeitig erinnert ihr „Schutz-     „Nomade mit Wurzeln“.
für Erneuerung und Wiederherstellung. Er         schild“ aber auch an die Bedrohung durch         Die ebenfalls verstorbene Künstlerin Nan-
sieht in ihnen auch ein Mahnmal, das an          Unterdrückung, wenn mit dem Schutz ein           dalal Bose (geb. 1882, gest. 1966, Kolkata)
die gewaltsamen Ausschreitungen zwischen         Verlust an Freiheit verbunden ist. Gekleidet     ist mit ihren Haripur Congress Panels, 1937-
Muslimen und Hindus 2002 erinnern soll,          in ihre Rüstung aus Rohr läuft sie durch die     38, vertreten. Gezeigt werden 16 ausgewählte
die das Land gespalten und bis heute trau-       Straßen von Mumbai oder posiert auf Ge-          Gemälde in Temperafarben auf Papier. Sie
matisiert haben. Sie fanden in der Heimat        bäuden. Gleich einem Wachmann steht sie          stellen Dorfbewohner bei ihrer täglichen Ar-
von Mahatma Gandhi statt, dem friedliches        für Gerechtigkeit und Würde der Frauen.          beit dar. Mahatma Gandhi hatte den großen
Einvernehmen innerhalb der Religionen so         Ihre „Rüstung“ ist eine Metapher für den         Komplex an Bildern bei Nandalal Bose in
wichtig war.                                     Schutz des physischen Körpers, aber auch         Auftrag gegeben. Sie dekorierten einst die
Gegenüber, gleichsam als Gegenpol zu den         Widerstand gegenüber gefährlichen kultu-         zahlreichen temporären Gebäude, die 1938
verschlossenen Vitrinen mit ihren Erinne-        rellen und historischen Einflüssen.              für den Haripur Congress errichtet wurden.
rungen, präsentiert die Künstlerin Shakunta-
la Kulkarni ihre Arbeit „Of Bodies, Armour
and Cages“ von 2010-2012. Sie wurde 1950
in Dharwad, Karnataka, geboren und lebt
und arbeitet in Mumbai. Mit ihrer Arbeit
möchte sie auf die traditionelle Handwerk-
stradition hinweisen, deren sinnbildliche
Manifestation das Spinnrad von Mahatma
Gandhi ist. Ihre Installationen und Fotos sind
Zeichen der Würde und Achtung gegenüber
der Leistung indischer Handwerker. Über
ein Jahr hat sie in ihrem Studio in Mumbai
mit einem Handwerker für Schilfrohr und
einem Weber aus Assam an dem Projekt ge-
arbeitet, dabei gingen modernes städtisches
Denken mit ländlicher Handwerkskunst eine
spannende Synthese ein. Noch nie hatten die
"May You live in Interesting Times" - DIG-Bodensee.com
        K U LT U R         MEINE WELT 2|2019 45

                „Untitled“ von Ashim Purkayastha,
                         Foto: Cornelia Mallebrein

    unten: „Naavu (we together)“, Installation von
             G.V.Iranna, Foto: Cornelia Mallebrein

Mit ihrer klaren Aussage sollten sie zum ei-
nen den dörflichen Besuchern gefallen, aber
auch bei ihnen das politische Bewusstsein
und den Diskurs für ein unabhängiges Indien
erwecken. Sie stehen für Emanzipation und
Freiheit der indischen Nation. Für die Ku-
ratoren sind die Bilder von Bose der Nabel,
von dem aus sich die gesamte Ausstellung
entfaltet, sie stehen für die Aufforderung,
sich um die Zukunft zu kümmern.
Der Performance-Künstler Jitish Kallat, 1972
in Mumbai geboren, arbeitet und lebt dort.           in den Materialien Terrakotta, Ziegeln, Holz,        Menschen seiner Umgebung dar. Während er
Seine Installation „Covering Letter“ von 2012        Spiegel und Ton. Der einfache in zwei Teile          sie zeichnet, bittet er sie, einen bestimmten
ist die Projektion eines Schwarz-Weiß-Videos         zerbrochene Topf wird zu einem politisch             Gesichtsausdruck beizubehalten, daher der
mit einem Brief auf eine Nebelwand in einem          provokativen Symbol. Zerbrochene Töpfe               oft grimassenhafte Ausdruck. Die Portraits
dunklen Raum. Der Besucher schreitet über            stehen für den alltäglichen Gebrauch in der          fordern uns auf, Fragen zu stellen und nach-
den ständig verändernden Schriftzug hinweg.          Dorfökonomie. In den 1990er Jahren hörte             zudenken. Einen direkten Bezug zu Mahatma
Es handelt sich um den Brief von Mahatma             sie auf zu malen und konzentrierte sich auf          Gandhi haben die minutiös in Rahmen ein-
Gandhi an Adolf Hitler, geschrieben 1939,            die Performancekunst. Ihre Materialien sind          geordneten Briefmarken auf einem Podest,
kurz vor Beginn des 2. Weltkriegs. Er ist ein        alltägliche Objekte aus recyclebaren Natur-          ein Set zeigt Mahatma Gandhi verfremdet
Aufruf zu Frieden und universaler Freund-            materialien. In ihnen sieht sie ein regenera-        mit Bart und Stirnzeichen.
schaft. Gandhi spricht Adolf Hitler mit „Dear        tives Potential und die Hoffnung auf eine            Beim Gang durch die Ausstellungsräume
Friend…“ an. Für Jitish Kallat fordert der           nachhaltige Zukunft. In den zerbrochenen             fällt der Blick auf eine beeindruckende An-
Brief zur Selbstreflektion auf, es ist ein offenes   Teilen spiegelt sich auch die geteilte Politik       sammlung von hölzernen Sandalen (paduka),
Schreiben aus der Vergangenheit, das seine           des Landes und der Religionen wider, vor             die an einer langen Wand befestigt sind. Die
Mitteilung in unsere turbulente Zeit weiter-         allem nach der Teilung Indiens im Zuge der           Installation stammt von GR Iranna, 1970
trägt und nichts an Bedeutung verloren hat.          Unabhängigkeit.                                      in Sindgi, Karnataka geboren. Er lebt und
Die verstorbene Künstlerin Rummana Hus-              Der Künstler Ashim Purkayastha (geb. 1967)           arbeitet in Delhi. Sein Werk trägt den Ti-
sain (geb. 1952, gest. 1999 in Mumbai) ist mit       stammt aus Assam und arbeitet in Delhi. In           tel „Naavu (we together)“. Für ihn sind die
ihrer Arbeit „Fragments“ von 1993 vertreten.         seiner Arbeit „Untitled“ von 2019, Acryl auf         traditionellen Paduka aus Holz ein Sinnbild
Es ist eine Installation aus fünf Skulpturen         Leinwand, stellt er verschiedene Portraits von       für Spiritualität und Rückbesinnung. Wäh-
"May You live in Interesting Times" - DIG-Bodensee.com
46   MEINE WELT 2|2019          K U LT U R

Fotoserie „Mahatma Gandhi“                                                                                                  Foto: Cornelia Mallebrein

rend Gandhis berühmte Brille, sein Spinnrad        der Dorfbewohner im heutigen Indien. Im           Welt, so auch in Hindi, arabisch, russisch etc.
oder Wanderstab zu einem wichtigen Symbol          Jahr 2015 begann sie das spannende Projekt        Darunter werden auf Ständern die jeweiligen
seiner Persönlichkeit wurden, hat man den          „Acts of Appearance“ in Zusammenarbeit            Texte gedruckt gezeigt. Ihre Installation in
Sandalen kaum Aufmerksamkeit geschenkt.            mit Adivasi-Papierherstellern aus einem der       den Giardini „Untitled“ zeigt ein Metalltor
Sie stehen jedoch für das Postulat der Gewalt-     ärmsten Distrikte im südlichen Zentralindi-       das ausschlägt und in die beschädigte Wand
losigkeit und der Ablehnung von Leder toter        en. Diese Handwerker sind wahre Künstler.         drückt.
Tiere. In ihnen drückt sich der Massenprotest      Alljährlich stellen sie für ihr Bahoda-Fest       Sehr beeindruckend sind die Fotoaufnah-
mittels des gemeinsamen Marschs Tausender          verschiedenste Masken von Hindugottheiten         men von Soham Gupta (geb. 1988), er lebt
aus, sie stehen für den friedlichen Kampf.         und bestimmten Charakteren her. Gill hat sie      und arbeitet in Kolkata. In der Präsentati-
Die große Anzahl an Padukas verströmt              beauftragt ein Set von Masken zu erstellen,       on „Untitled“ aus der Serie Angst werden
auf den Besucher eine große Energie, sie           die Menschen im wirklichen Leben zeigen,          20 Fotografien präsentiert. Sie zeigen ver-
sind Zeugen gemeinsamer Anstrengungen              so Gesichter mit einer Brille, weißen Haa-        armte Menschen in Kolkata, die am Rande
auf dem Weg des Lebens, dennoch hat jede           ren, einer dicken Nase, gesunde und kranke.       der Gesellschaft in den Außenbezirken der
Paduka ihre eigene Individualität, was sich        Etwa 45 Masken wurden erstellt. In ihnen          Mega-Stadt leben. Es ist dunkle Nacht, sie
durch zusätzliche Beigaben wie Glöckchen,          drückt sich das ganze Spektrum des Lebens         irren umher, sind heimatlos, abhängig von
Briefe, Wollknäuel und andere persönliche          aus, Trauer, Angst, Liebe, sie zeigen aber auch   Drogen und Prostitution, sexuell und häus-
Gegenstände ausdrückt.                             Tiere. Ihre 30 Akteure trugen die Masken          lich missbraucht und von der Gesellschaft
Einen direkten Bezug zu Mahatma Gandhi             im Alltag, so in der Schule, bei der Arbeit,      verlassen. Zu all den Menschen hatte er im
haben die Fotografien von Kanu Gandhi              auf dem Weg, ja sogar im Krankenhaus. Es          Vorfeld ein enges Verhältnis aufgebaut, er
(geb. 1917 in Wardha, Maharashtra, gest.           war ein großes Happening für alle. In ihrer       nimmt Teil an ihrem täglichen schweren
1986 in Nagda, Madhya Pradesh). Er war             Fotoserie „Becoming“ ab 2003 , stehen nicht       Leben. Für diese Menschen wird die Nacht
der Großneffe von Mahatma Gandhi, ein              mehr Menschen im Mittelpunkt, sondern die         zur Hölle. Der Blick auf das Leben seiner
Amateurfotograf, der als sein persönlicher         Architektur des heutigen Indiens, Bauruinen,      Protagonisten und ihr alltäglicher Kampf
Begleiter mit ihm lebte. Seine seltenen, sehr      abgerissene Gebäude, prachtvolle Luxusbau-        sind für Soham Gupta zugleich auch Kritik
persönlichen Aufnahmen wurden alle ohne            ten, der tägliche Müll in der Nähe steriler       an der Gesellschaft, die sich zu wenig um die
Blitzlicht erstellt. Sie geben Einblicke in sein   Hochhaussiedlungen. Es ist ein erschrecken-       Schwachen und Verletzlichen kümmert. Seine
privates Leben, aber auch in seine Rolle in der    der Blick auf die Vergänglichkeit des Lebens      Dokumentation spiegelt die Realität eines von
Öffentlichkeit. Die Fotografien umspannen          und die Achtlosigkeit im Umgang damit.            Hunderttausenden gelebten Traumas in der
einen Zeitraum von 1938 – 1948.                    Die Künstlerin Shilpa Gupta (geb. 1976),          Metropole Kolkata wider. In den Giardini
                                                   lebt und arbeitet in Mumbai. Sie hat sich         zeigt er, ebenfalls aus der Serie „Angst“ (2013-
Weitere indische Künstler im Arsenal               der Performancekunst gewidmet. Eines ihrer        2017) eindrucksvolle Menschenportraits in
und in den Giardini                                Themen ist die Frage, wie heute Informati-        schwarz-weiß.
Von der Fotografin Gauri Gill werden zwei          onen sichtbar oder unsichtbar in unserem          Für Ralph Rugoff soll die 58. Biennale die
Serien ihrer Arbeiten im Arsenal gezeigt. Die      alltäglichen Leben übermittelt werden. Sie        soziale Funktion von Kunst hervorheben, in-
erste Serie zeigt Arbeiten aus ihrem Werk          hat im Arsenal eine große Klanginstallation       dem sie sowohl Vergnügen wie auch kritisches
„Acts of Appearance“, ab 2015. Gerahmter           „For, In Your Tongue, I cannot fit“ (2017-2018)   Denken evoziert. Die Ausstellung wird bis
Archivpigmentdruck vom Filmscan. Zu-               aufgebaut. Im halbdunklen Raum hängen von         zum 24. November gezeigt. j
fällig hat sie damit begonnen, Menschen            der Wand 100 Mikrophone, aus denen die
zu dokumentieren, die am Rande der in-             Verse von Dichter schallen, die wegen ihrer
dischen Gesellschaft leben. Ihre Arbeiten          politischen Stimme ins Gefängnis kamen.           Im Internet: https://www.labiennale.org/en
zeigen die schwierigen Lebensbedingungen           Die Rezitationen sind in vielen Sprachen der      http://www.mallebrein.com/
"May You live in Interesting Times" - DIG-Bodensee.com "May You live in Interesting Times" - DIG-Bodensee.com
Sie können auch lesen