Medikamentenübergebrauch und Medikamentenübergebrauchskopfschmerz - Sonja Tesar Leitung Ambulanz für Kopf- und Gesichtsschmerzen am Klinikum ...

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Medikamentenübergebrauch und Medikamentenübergebrauchskopfschmerz - Sonja Tesar Leitung Ambulanz für Kopf- und Gesichtsschmerzen am Klinikum ...
Medikamentenübergebrauch und
Medikamentenübergebrauchskopfschmerz
                               Sonja Tesar
Leitung Ambulanz für Kopf- und Gesichtsschmerzen am Klinikum Klagenfurt
                 Medizinische Direktorin LKH Wolfsberg
                               23.09.2021
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Disclosures

     •   Abbvie
     •   Boehringer Ingelheim
     •   Eli Lilly
     •   Menarini
     •   Novartis
     •   Pfizer
     •   STADA
     •   TEVA ratiopharm
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Medikamentenübergerbrauchs - Kopfschmerz =
        Medication overuse Headache =
                    MOH
 = chronischer sekundärer Kopfschmerz ausgelöst durch die Einnahme
     akuter unspezifischer wie (migräne-)spezifischer Schmerzmittel
• an (mehr) als 15 Tagen / Monat für mehr als 3 Monate
• Entsteht ausschließlich aus primären Kopfschmerzen
   • häufig bei chronischer Migräne
• nach SPKS und Migräne häufigster Kopfschmerz!

Nur der Schmerzmittelübergebrauch alleine verursacht keinen MOH,
mehrere Faktoren spielen hier zusammen!
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MOH = SEKUNDÄRER Kopfschmerz

Thien Pu Do et al, Orange and red flags for secondary headaches in clinical practice – SNOOP 10 list; Neurology 2019;92:134-144
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Medikamentenübergerbrauchs - Kopfschmerz =
          Medication overuse Headache =
                      MOH
1930
erste Beschreibung: prolongierte Migräne assoziiert mit Ergotamin-Abusus
1952
• 52 Patienten, chronisch täglicher Kopfschmerz nach täglichem Ergotamin-Abusus
• erstes Entzugs-Programm 1963
1982
• Mathew, eigene Entität :„Transformierte Migräne“ (episodisch in chronisch/täglich)
1988
• Erste Beschreibung in den internat Kriterien, ICHD (Internat. Criteria of Headache Disorders)
2004
• MOH in ICHD-2: KS müssen nach 2-monatigem Entzug der Substanz verschwinden (retrospektiv)
2006 bis jetzt (ICHD-3)
• „Entzugs-Konzept“ nicht mehr Bedingung
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MOH
Prävalenz
• 1 - 2%, in Kopfschmerz-Ambulanzen 30-50%
• Altersgipfel zw 30-50 a
• > 60 Millionen Menschen weltweit betroffen
• unter den Top 20 der am meisten beeinträchtigenden Erkrankungen
Risikofaktoren
• weibliches Geschlecht (3:1)
• niedriger sozioökonomischer Status
• Stress
• Übergewicht
• körperliche Inaktivität
• Rauchen

Diener et al, Pathophysiology, prevention and treatment of medication-overuse headache. Lancet Neurol 2019; 18: 891-902
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MOH
• niedriger Preis der Akut-Medikation begünstigt Entstehung
• Psychiatrische Komorbiditäten: Angststörung, Depression
• Triptan Übergebrauch verursacht meist Migräne-ähnlichen
  Kopfschmerz bei MOH
• Intervall zwischen erster Einnahme des Medikamentes und Auftreten
  von MOH
      • Triptane                     1,7 a
      • Ergotamine                   2,7 a
      • NSARs                        4,8 a

Katsarava et al, Clinical feature of Withdrawal headache follwoing overuse of acute headache drugs. Neurology 2001; 57:1694-1698
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MOH
Ad Migräne
• Migränepatienten beschreiben häufig Phänomene wie
• Allodynie
• Photodynie
• Phonodynie
= abnormale (schmerzhafte) Antwort auf normale Reize
       Diesem Phänomenen zugrunde liegt ein Prozess, der einer
                     Sensibilisierung entspricht

Diener et al, Pathophysiology, prevention and treatment of medication-overuse headache. Lancet Neurol 2019; 18: 891-902
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MOH
                                                   Pathophysiologie

    Zustände einer Sensibilisierung fördern die Anfälligkeit auf typische
         Trigger/Stimuli assoziiert mit Kopfschmerzen bzw Migräne

Diener et al, Pathophysiology, prevention and treatment of medication-overuse headache. Lancet Neurol 2019; 18: 891-902
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MOH
                                                   Pathophysiologie
Biomarker?
• Nagetiere wurden 7 Tage Triptane verabreicht
   • messbare Veränderungen in duralen Afferenzen
      • Anstieg von CGRP und neuronaler NO-Synthase in diesen
        Afferenzen
      • Allodynie, erhöhte c-FOS Expression, erhöhtes CGRP im Blut
        (durch Stress oder durch NO)

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MOH
                                                   Pathophysiologie
Elektrophysiologische Untersuchungen
Übererregbarkeit mit erhöhtem Potential als Antwort auf Stimulation
sowie eine fehlende Gewöhnung auf den Reiz (Habituation)
       • Reize: somatosensible Potentiale, Kältetest,…
Patienten mit
• NSARs     höhere Amplitude am N.medianus
• Triptanen niedrigere Amplitude als Pat mit NSAR Übergerbrauch

Hinweis auf Veränderungen zentraler serotonerger Übertragung durch
Triptane?
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MOH
                                                   Pathophysiologie
Triptan Entzug
• völlige Reversibilität der veränderten Potentiale

Conclusio
 Zentrale Sensibilisierung des trigeminalen und nozizeptiven Systems
 mit Übererregbarkeit ist eine reversibles Phänomen bei Patienten mit
                                  MOH

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MOH
                                                   Pathophysiologie
Strukturell/ Funktionell
Funktionelle MRT-Studien zeigten bei Sumatriptan exponierten Ratten
Veränderungen in bestimmten Hirnarealen wie
• Basalganglien
• autonomen Arealen
• „default mode Network“ = für Ruhezustände

• Vorbehandlung mit Fremanezumab konnte diese Veränderungen
  blockieren
       CGRP dürfte in die zentrale Sensibilisierung stark involviert sein

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Sensibilisierung
    Dynoprhin und Kappa opioid Rezeptor-Erhöhung
    Schmerzantwort auf Stimuli
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Zusammenfassung Pathophysiologie
Medikamentenübergerbrauch

 erhöht die Empfindlichkeit für Prozesse, die die Migräne triggern durch
    Sensibilisierung und Veränderung schmerzhemmender Bahnen
                                                                   Schmerz

Diener et al, Pathophysiology, prevention and treatment of medication-overuse headache. Lancet Neurol 2019; 18: 891-902
MOH
                            Therapie
Verschiedenste Studiendesigns
1. Kompletter abrupter Entzug
2. Restriktive Einnahme
3. Parallel Einleitung einer Prophylaxe zum Entzug
4. Zuerst Entzug, dann Prophylaxe
5. Kein Entzug, nur Prophylaxe
Therapie der PNP?
Grundursache behandeln!
Therapie   3 Therapie-Arme
           • abrupter Entzug
           • Entzug plus Prophylaxe
           • Prophylaxe alleine
Prophylaxe
noch
zeitgemäß?
Warum ist die bestehende Prophylaxe nicht ausreichend?

                                                                                         Adhärenz
                                                                         nach 6 Mo ca 20%
                                                                         nach 12 Mo < 10%

Hepp Z et al, Persistence and switching patterns of oral migraine prophylactic medications among patients with chronic migraine: A retrospective claims
analysis. Cephalalgia 2017, Vol.37(5) 470-485
Pathophysiologie MOH
Studien an Nagetieren
Exposition mit Migräne-Medikation führte zu
• Veränderungen in duralen Afferenzen
   • Vermehrte Expression von NO
UND
       • Vermehrte Expression von CGRP

Diener HC et al, Pathophysiology, prevention and treatment of medication overuse headache; The Lancet Neur, Vol 18, Sept 2019
Pathophysiologie MOH
Studien an Nagetieren
Exposition mit Migräne-Medikation führte zu
• Veränderungen in duralen Afferenzen
   • Vermehrte Expression von NO
UND
       • Vermehrte Expression von CGRP

Diener HC et al, Pathophysiology, prevention and treatment of medication overuse headache; The Lancet Neur, Vol 18, Sept 2019
Calcitonin Gene Related Peptide
      • Peptid aus 37 Aminosäuren
         • α-CGRP: wird vom Calcitonin-Gen codiert, kommt vor
           allem im ZNS vor
         • β-CGRP: eigenes Gen, unterscheidet sich durch 3
           Aminosäuren, kommt v.a. im enterischen Nervensystem
           vor
                            CGRP: während Migräne- und
                            Clusterkopfschmerzattacken von
                            trigeminalen sensiblen Afferenzen
                            und vom spinalen Trigeminuskern
                            ausgeschüttet

                            MaassenVanDenBrink, Trends in Pharmacological
                            Sciences 2016
Monoklonale CGRP-Antikörper
                                                     Fremanezumab
                                                     Galcanezumab   Erenumab
                                                     Eptinezumab

 Pellesi et al, Clin Pharmacology in Drug Development 2017
Conclusio
• Strukturelle und funktionelle Veränderungen sind vergleichbar mit
  Abhängigkeitsmechanismen und süchtig machenden Komponenten
   • FDG-PET Studien: hypometabole Veränderungen können sich zurückbilden
• Entzug?
   • Entgiftungssymptome können bis zu 4 Wochen andauern
   • Rückfallquote bis 43%
• Prophylaxe?
   • Spezifischer Ansatz mit monoklonalen CGRP-Antikörpern
   • Eintritt der Wirkung innerhalb der ersten Tage, hohe Adhärenz
• Immer multimodal: Verhaltenstherapie mit einbauen
   • Dilemma: Kopfschmerzspezialisten empfehlen so rasch wie möglich Akut-Medikation
     einzunehmen – plötzlich ist dieses Medikament nun schuld für MOH
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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