Medinfo DAS GESUNDHEITSÖKONOMISCHE MAGAZIN - 2/2020 Steiermark - ÖGK
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Vorwort Inhalt Sehr geehrte Ärztinnen und Ärzte, liebe Vertragspartnerinnen Migräne – eine große Herausforderung und Vertragspartner! Diagnose und Therapieoptionen der Migräne sowie ein Überblick über die Medikamentenklasse der CGRP-Antikörper und CGRP-Rezeptor-Antikörper. Das Coronavirus ist mittlerweile seit mehre- Bei diesem Artikel besteht die Möglichkeit auf www.meindfp.at 2 DFP-Punkte zu erwerben. ren Monaten Teil unseres Alltags und hat vie- le alte Gewohnheiten auf den Kopf gestellt. Seite 3 Gemeinsam konnten wir beweisen, dass das österreichische Gesundheitswesen flexibel und schnell auf große Herausforderungen reagieren kann und sich die Versicherten Die Innovationen von gestern sind sicher sein können: Wir sind gut versorgt! Ohne Ihren großen Einsatz wäre dies nicht die Generika/Biosimilars von heute möglich gewesen. Wir möchten uns bei Ih- Eine Übersicht über jene 13 Wirkstoffe, die 2019 erstmalig als Generika oder nen herzlich für diesen großartigen Einsatz in Biosimilars in den EKO aufgenommen wurden. diesen herausfordernden Zeiten bedanken! Seite 8 Die Unsicherheit und die Ungewissheit waren groß und umso wichtiger war des- halb die gemeinsame Arbeit an Lösungen. Die Ermöglichung von telemedizinischer Erhöhte Mortalität bei PPI-Langzeittherapie Leistungserbringung und elektronischer Eine Kohortenanalyse zum Einfluss von PPI. Rezeptübermittlung seien hier stellvertre- tend für viele Maßnahmen genannt, die Seite 10 wir gemeinsam in kürzester Zeit einführen konnten. Es freut uns sehr, dass diese Maß- nahmen vielerorts so schnell aufgenommen wurden und so die Patientenversorgung si- Für Sie gelesen: chergestellt werden konnte. Die Rolle von verschreibungspflichtigen Medikamenten bei Frauen mit überaktivem Blasen-Syndrom. Auch nach dem Ende der Pandemie wollen wir die Chancen die sich aufgetan haben Schenkelhalsfrakturen und Sterblichkeit bei M. Crohn und Colitis ulcerosa nützen und dort wo dies sinnvoll ist, gesetzte Eine Versorgungsanalyse mit Abrechnungsdaten der österreichischen Maßnahmen mit in die Zukunft nehmen. Krankenversicherungsträger. Seite 11 Ein besonderes Anliegen ist es, dass wir aus diesen vergangenen Monaten gemeinsam lernen und in einen Dialog treten: Was ha- ben Sie aus diesen Wochen mitgenommen? Wir freuen uns sehr über Ihr Feedback! EKO2go Neue Version seit 1.7.2020 © GK/APA-Fotoservice/Rastegar Bleiben wir in Kontakt! Seite 12 Dr. Rainer Thomas Leiter Geschäftsbereich 2 Mag. Franz Kiesl Titelbild: AdobeStock/udra11 Leiter Fachbereich Sofern in diesem Magazin personenbezogene Bezeichnungen nur in weiblicher oder männlicher Form Versorgungsmanagement 1 angeführt sind, beziehen sie sich auf Frauen und Männer in gleicher Weise. med info 2
MIGRÄNE – eine große Herausforderung In Österreich leiden ca. 11% der erwachsenen Bevölkerung an episodischer Migräne. Die höchste Prävalenz findet sich bei Erwachsenen zwischen 20 und 50 Jahren, wobei Frauen dreimal häufiger betroffen sind als Männer (1). Der anfallsartige Kopfschmerz tritt individuell in monatlichen bis täglichen, unregelmäßig wiederkeh- renden Intervallen auf. Durch die unterschiedliche Krankheitsausprägung und die individuellen Auslöser ist eine wirksame Therapie bislang eine große Herausforderung für Patienten und die behandelnden Ärzte. starker Intensität, der durch körperliche Patienten mit Migräne leiden an einer Diagnostik: (Routine-)Aktivitäten verstärkt wird. Be- chronischen Form (5). Triggerfaktoren, gleitet wird der Schmerz von zumindest also auslösende oder begünstigen- Die Diagnose wird auf Basis einer aus- Übelkeit oder Erbrechen, Licht– oder de Umstände, sind z.B. zu wenig oder führlichen Anamnese und der klinisch- Lärmempfindlichkeit. Die Migräne-An- schlechter Schlaf, unregelmäßige bzw. neurologischen Untersuchung gestellt. fälle dauern mind. vier bis max. 72 Stun- fehlende Mahlzeiten oder bestimmte Eine routinemäßige Bildgebung ist nicht den. Genussmittel (z.B. Alkohol), Stress bzw. notwendig, sie wird aber zum Ausschluss Typisch für die Migräne mit Aura sind Stressabfall, Wetterveränderungen oder von Differenzialdiagnosen (z.B. Sub- vollständig reversible fokale neurologi- Bewegungsmangel. Bei Frauen können arachnoidalblutung, transiente ischämi- sche Symptome, die fünf bis 60 Minu- auch hormonelle Veränderungen (Mo- sche Attacke) bei manchen Patienten ten andauern. Gleichzeitig oder bis zu natszyklus) eine Rolle spielen (5). erforderlich (2). 60 Minuten nach Ende der Aura treten Prodromalsymptome hingegen sind als Ein Kopfschmerz-Tagebuch kann die die typischen Kopfschmerzen und Be- Vorboten einer Attacke zu sehen und Abgrenzung zu anderen häufigen Kopf- gleitsymptome auf. Es kommt in 90% zu treten Stunden bis zwei Tage davor in schmerzen unterstützen. Patienten soll visuellen Auren (Lichtblitze, Schleierse- sehr unterschiedlicher Form bei 60% ten Zeitpunkt, Art, Stärke, Dauer, Be- hen oder Flimmerskotome, die über das der Migräne-Patienten auf. Die Migräne gleiterscheinungen, mögliche Auslöser Gesichtsfeld wandern können), seltener kranken fühlen sich unruhig bis antriebs- der Kopfschmerzen und eventuelle Me- zusätzlich auch zu Sensibilitäts- oder los, sind müde, haben Konzentrations- dikation sowie deren Ansprechen genau Sprachstörungen. Es können auch mul- störungen, Heißhunger oder muskuläre dokumentieren. tiple Aurasymptome aufeinander folgen. Verspannungen (6). Unterschieden werden zahlreiche For- Zudem können sogenannte isolierte Au- Wichtige Differenzialdiagnosen sind men von Migräne, wobei die Migräne ren ohne nachfolgende Migränekopf- Kopfschmerz vom Spannungstyp und ohne Aura und jene mit Aura die häufigs- schmerzen auftreten (1). Kopfschmerz durch Übergebrauch von ten Formen darstellen. Von chronischer Migräne spricht man, Medikamenten. Sehr oft ist Migräne An der Migräne ohne Aura leiden ca. wenn über mindestens drei Monate an bzw. die damit verbundene Medika- 85% der Migräne-Patienten (3). Das 15 oder mehr Tagen pro Monat Kopf- menteneinnahme (Analgetika bzw. Mig- charakteristische Merkmal ist der auf schmerzen auftreten, welche an acht ränemittel) für den Kopfschmerz durch eine Kopfhälfte beschränkte, pochende oder mehr Tagen pro Monat migränear- Übergebrauch von Medikamenten ver- oder pulsierende Schmerz von mäßig bis tig sind (4). Weniger als zwei Prozent der antwortlich (7). › Kopfschmerz vom Spannungstyp Kopfschmerz durch übermäßigen Medikamentengebrauch ≥ 2 der folgenden Kriterien: l Kopfschmerz an ≥ 15 Tagen pro Monat l Schmerzqualität drückend-ziehend l Regelmäßige Einnahme über > 3 Mo- l Schmerzintensität leicht – mäßig nate an ≥ 15 Tagen/Monat: Nichtopio- l Lokalisation: beidseitig id-Analgetika (Monopräparate) l keine Verstärkung durch körperliche Aktivität oder an ≥ 10 Tagen/Monat: Misch Episodisch (frequent) Chronisch analgetika, Ergotamine, Triptane, l ≥ 10 Episoden an bis zu 14 Tagen l ≥ 15 Episoden/Monat über > 3 Monate Opioide oder eine Kombination dieser über > 3 Monate l Stunden bis Tage, oder anhaltend Wirkstoffe l 30 Minuten bis 7 Tage l kein Erbrechen oder mittel- l kein Erbrechen oder Übelkeit schwere Übelkeit l nur Photophobie oder nur Phonophobie l nur Photophobie oder nur Phonophobie oder nur leichte Übelkeit Tabelle 1: Wichtige Differenzialdiagnosen zu Migräne (4) 3 med info
Therapieoptionen schlusskrankheit (pAVK) nicht eingesetzt Medikamentöse Prophylaxe werden. Ergotamin ist in der Akutthera- In der Migränetherapie unterscheidet man pie der Migräne wirksam, allerdings ist die Die medikamentöse Prophylaxe bei Mi- grundsätzlich zwischen der Therapie der Wirksamkeit schlecht belegt und das Ne- gräne ist laut der deutschen Gesellschaft akuten Attacke und der Prophylaxe. Bei benwirkungsrisiko erhöht (nur als Reserve- für Neurologie (DGN) und der deutschen beiden stehen sowohl medikamentöse als präparat zu sehen). Antiemetika (Metoclo- Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft auch nicht-medikamentöse Maßnahmen pramid oder Domperidon) sollten nur zur (DMKG) indiziert, wenn ein besonderer zur Verfügung. In der Akuttherapie ist es gezielten Behandlung von starker Übelkeit Leidensdruck, eine Einschränkung der Le- Ziel die Attacke zu beenden bzw. soweit zu oder Erbrechen eingesetzt werden, also bensqualität und das Risiko eines Medika- begrenzen, dass binnen zwei Stunden wie- nicht generell mit NSAR oder Triptanen mentenübergebrauchs vorliegen. der die normalen Aktivitäten durchgeführt kombiniert werden (8). Ein Status migrae Merkmale hierfür sind beispielsweise drei werden können. Begleitend können nicht- nosus (Migräneattacke > 72 Stunden) und oder mehr belastende Migräneattacken medikamentöse Maßnahmen wie Reizab- prolongierte Attacken können eine pa- pro Monat, Attacken, die auf die Akutme- schirmung (stilles, dunkles Zimmer), Schla- renterale Gabe erforderlich machen. Hier dikation nicht ansprechen oder wenn die- fen (sofern möglich), kalte Umschläge auf können 6 mg Sumatriptan subkutan, 1 g se nicht toleriert wird. Die meisten Medi- Stirn bzw. Nacken und im Einzelfall Kaffee Acetylsalicylsäure, 1-2,5 g Metamizol oder kamente zur vorbeugenden Behandlung oder Tee Hilfe leisten (6). NSAR (z. B. Diclofenac) und additiv einma- von Migräne wurden für andere Erkran- lig ein Kortikosteroid verabreicht werden kungen entwickelt und eingesetzt. Jedoch Medikamentöse Akuttherapie und gegebenenfalls mit einem Antiemeti- hat sich ihr Einsatz auch in der Migräne- kum kombiniert werden (6). Prophylaxe etabliert und ist durch Studien Die Akuttherapie sollte möglichst früh in belegt (8). adäquater Dosierung erfolgen, dies erhöht Nicht-medikamentöse Bei der Auswahl sollten Begleiterkran- die Wirksamkeit. Acetylsalicylsäure (ASS) Prophylaxe kungen berücksichtigt werden und die und nicht steroidale Antirheumatika Erfolgserwartungen mit dem Patienten (NSAR) sind bei der Behandlung der Mig- Nicht-medikamentöse Maßnahmen kön- abgesprochen werden. Die oralen Medi- räne wirksam, am besten belegt ist die Wir- nen prinzipiell immer mit prophylaktischen kamente sollten langsam eingeschlichen kung von ASS und Ibuprofen. Leichtere Medikamenten kombiniert werden. Dazu werden um das Nebenwirkungsrisiko zu und mittelstarke Migräneattacken sollten gehören im Wesentlichen neben dem minimieren. Das Ansprechen kann einige zunächst mit diesen Substanzen behan- Vermeiden von Triggerfaktoren, kognitive Wochen dauern, somit kann eine Beurtei- delt werden, sie wirken aber auch teilweise Verhaltenstherapie oder Biofeedback und lung der Wirksamkeit möglicherweise erst bei Patienten mit schweren Attacken. Entspannungstraining, regelmäßiger Aus- nach ca. zwei Monaten erfolgen. Tritt nach Triptane sind die Substanzen mit der bes- dauersport sowie Akupunktur (8). zwei Monaten trotz Auftitrierung keine be- ten Wirksamkeit bei akuten Migräneatta- Therapieverfahren, die wegen fehlender friedigende Verbesserung ein, sollte die cken und sollten bei Nicht-Ansprechen Wirksamkeit nicht empfohlen werden, Prophylaxe umgestellt werden. Bei einer auf Analgetika eingesetzt werden. Suma- sind: wirksamen Migräneprophylaxe sollte nach triptan subkutan ist die wirksamste Thera- Alimentäre Diäten, Augen-Laser-Aku- 6 - 12 Monaten die Notwendigkeit der pie akuter Migräneattacken. Es kommt bei punktur, chiropraktische Therapie, Dauerprophylaxe überprüft werden, wobei 15–40 % der Patienten nach oraler Gabe Corrugator-Chirurgie, Kolonhydrothera- die Dosis bis zum Absetzen allmählich re- von Triptanen zu einer Recurrence, wo- pie, Entfernung von Amalgamfüllungen, duziert wird. Die Wirkung der Betablocker bei dann eine zweite Gabe der Substanz Frischzell-Therapie, Fußzonenreflex- Metoprolol und Propranolol, des Kalzium- wieder wirksam ist. Bei unzureichender massage, Gebisskorrektur, Hyperbare antagonisten Flunarizin und der Antikon- Wirkung eines Triptans kann dieses mit Sauerstofftherapie, Hysterektomie, Ma- vulsiva Topiramat und Valproinsäure (bei einem rasch wirksamen NSAR kombiniert gnetfeldbehandlung, Neuraltherapie, Frauen im gebärfähigen Alter wegen der werden. Triptane sollten bei kardiovas- Ozontherapie, Piercings, Psychoanalyse, Teratogenität kontraindiziert) sowie des kulären Krankheiten wie Angina pectoris, Psychophonie, Sanierung vermeintlicher trizyklischen Antidepressivums Amitripty- KHK, nach Myokardinfarkt, Schlaganfall Pilzinfektionen des Darmes oder Tonsillek- lin ist in der Migräneprophylaxe am besten (TIA) oder fortgeschrittener arterieller Ver- tomie (8). durch randomisierte Studien belegt (8). Wirkstoff (Initial-Zieldosis) Kontraindikation (KI) Betablocker: AV-Block, Bradykardie, Herzinsuffizienz, Sick-Sinus-Syndrom, Asthma bronchiale Propranolol (40-240 mg), Metoprolol (50-200 mg) Relative KI: Diabetes mellitus, orthostatische Dysregulation, Depression Flunarizin (5-10 mg) fokale Dystonie, Schwangerschaft, Stillzeit, Depression Relative KI: M. Parkinson in der Familie Valproinsäure (500-1000 mg) Leberfunktionsstörungen, Schwangerschaft, gebärfähige Frauen, Alkoholmissbrauch Topiramat (25-100 mg) Niereninsuffizienz, Nierensteine, Engwinkelglaukom Relative KI: Depression, Angststörung, geringes Körpergewicht, Anorexie Amitriptylin (50-75 mg) Herzinsuffizienz, Glaukom, Prostatahypertrophie, -adenom Onabotulinumtoxin A (155-195 U i.m.) Myasthenia gravis nur bei chronische Migräne, durch erfahrenen Relative KI: Antikoagulation Neurologen Tabelle 2: Medikamente mit guter Evidenzlage (8) med info 4
Wirkstoffe, die ebenfalls zur Prophylaxe eingesetzt werden können, aber für die Neues Wirkprinzip die Evidenz geringer ist, sind Opipramol (50–150 mg), ASS (300 mg), Magnesium Seit Ende 2018 sind zur subkutanen An- (2x300 mg) und Magnesium-Vitamin B2+ wendung drei Wirkstoffe einer neuen Coenzym Q10-Kombinationen. Weiters Medikamentenklasse zugelassen, die werden auch ACE-Hemmer (Captopril, das Spektrum an Möglichkeiten in der Enalapril, Lisinopril), Sartane (Candesar- Migräneprophylaxe erweitern. tan, Telmisartan) und Antikonvulsiva (La- Der Botenstoff Calcitonin Gene-Related motrigin – nur bei Aurasymtomatik, Leveti- Peptide (CGRP) wird mit der Entstehung ractam) off label angewendet. Es gilt auch von Migräneattacken in Verbindung ge- hier die Kontraindikationen zu beachten. bracht. Die monoklonalen Antikörper © pixabay.com/RobinHiggins Das Therapieziel ist die Reduktion der Erenumab (Aimovig®), Galcanezumab Migräneanfälle, Schwere und Dauer. (Emgality®) und Fremanezumab (Ajo- Von einer wirksamen Prophylaxe spricht vy®) hemmen die Wirkung von CGRP. Sie man, wenn die Häufigkeit der Anfälle um richten sich entweder gegen den Rezep- mindestens 50 % zurückgeht. Zur Fest- tor (Erenumab) oder gegen CGRP selbst stellung der Wirksamkeit ist das Führen (Fremanezumab und Galcanezumab). eines Kopfschmerz-Tagesbuchs (neben CGRP reguliert die nozizeptive Signal- Vordrucken der DMKG sind auch viele übertragung und wirkt als Vasodilatator. Apps für Smartphones verfügbar) unum- Der CGRP-Spiegel steigt während eines gänglich. Migräneanfalls an und normalisiert sich Studienlage Diese 50%ige Reduktion wird in den Stu- beim Abklingen der Kopfschmerzen wie- dien als Vergleichsbasis unterschiedlicher der (9). Die Zulassungsstudien variieren im primä- Medikamente herangezogen. Über die Alle drei zugelassenen und verfügba- ren Endpunkt bei der Behandlungsdauer Responderraten (der Anteil an Patienten, ren Antikörper müssen subkutan alle (12 Wochen bis zu sechs Monate), der die diese 50% Reduktion schaffen), wird vier Wochen bzw. monatlich verabreicht Ausgangssituation (z.B. Migränetage vor die Wirksamkeit beurteilt. Generell ist werden, für Fremanezumab ist auch ein Studienstart) und bei den Ein- bzw. Aus- aber zu sagen, dass die Responderraten dreimonatiges Intervall zugelassen. schlusskriterien. Ein direkter Vergleich quer durch alle Therapien eher ernüch- In Österreich befinden sich diese Präpa- der monoklonalen Antikörper bzgl. ihrer ternd sind. Sie liegen bei den etablierten rate mit Indikationstext (siehe Kasten) in Wirksamkeit ist somit nicht möglich. Das- Medikamenten bei 35-50% (10). der grünen Box des Erstattungskodex. selbe gilt auch für die bisher verfügbaren Weiterführende Informationen zu be- Sie können auf Kosten der Sozialversi- Medikamente zur Migräneprophylaxe. sonderen Situationen und Komorbidität cherung verordnet werden, wenn die Teilweise wurden Patienten mit Vorthera- sowie zu interventionellen und neuromo- Indikationsstellung, Erstverordnung und pien ausgeschlossen bzw. in unterschied- dulierenden Verfahren finden sich in der regelmäßige Kontrollen des Anspre- lichen Subgruppenanalysen untersucht. Leitlinie: Therapie der Migräneattacke chens durch einen Facharzt für Neurolo- Bei allen Zulassungsstudien wurde ein und Prophylaxe der Migräne 2018 der gie erfolgen und die Kriterien des Indika- 3-armiges Model gewählt. Alle Patienten DGN und DMKG. tionstextes eingehalten werden. waren Erwachsene unter 65 bzw. 70 Jahren (Fremanezumab). Der überwiegende Teil der Teilnehmer waren Frauen. Patienten mit kardiovaskulären Ereignissen bzw. Ri- siken waren weitgehend ausgeschlossen. Indikationstext Episodische Migräne: (mind. 4 Migränetage/Monat) Als Migräneprophylaxeversuch bei Er- vor Beginn der Prophylaxe) fortzuführen. wachsenen, wenn zuvor zumindest drei Das Nichtansprechen auf die vorheri- Aus den Zulassungsstudien geht eine medikamentöse Migräneprophylaxe- gen Migräneprophylaxeversuche ist mit Number Needed To Treat (NNT) zwi- versuche von ausreichender Dauer zu einem Kopfschmerztagebuch zu doku- schen 4,3-6,1 hervor. Das heißt, dass ca. keinem klinisch relevanten Ansprechen mentieren, ebenso wie die drei Monate 4-6 Patienten mit einem Antikörper be- geführt haben oder wegen therapiebe- vor Beginn und die ersten drei Monate handelt werden müssen, damit es bei grenzender Nebenwirkungen abgebro- der Migräneprophylaxe sowie die drei einem Patienten zu einer mind. 50%igen chen wurden oder wegen Kontraindika- Monate vor jeder weiteren Kontrolle. Reduktion der Migränetage kommt. tionen nicht verwendet werden können. Indikationsstellung, Erstverordnung Die Migräneprophylaxe ist nach drei und regelmäßige Kontrollen des An- Die neuen Antikörper zeigten in den Zu- Monaten und im weiteren Verlauf re- sprechens und der Indikationsstellung lassungsstudien (bei episodischer Migrä- gelmäßig zu kontrollieren und nur bei durch einen Facharzt/eine Fachärztin ne) nach 3–6 Monaten Responderraten ausreichendem Ansprechen (Reduk für Neurologie oder Neurologie und zwischen 30% und 62%, wobei die Place- tion der Migränetage um zumindest Psychiatrie oder Psychiatrie und Neu- bo-Responderrate in diesen Studien zwi- 50 % im Vergleich zu den drei Monaten rologie. schen 17 und 38% lag. Bei den etablierten Medikamenten liegt sie bei 35-50% (10). med info 6
Migränetage/Monat bei Rückgang Migränetage Rückgang Migräneta- Differenz der Migräne- Studienbeginn mit Medikament ge mit Placebo tage/Monat zu Placebo (STUDIENNAME) Erenumab (Aimovig®) ca. 8 (STRIVE) 3,2-3,7 1,8 1,4-1,9 (ARISE) 2,9 1,8 1,1 Galcanezumab (Emgality®) ca. 9 (EVOLVE1) 4,2-4,3 2,3 1,9-2 (EVOLVE2) 4,6-4,7 2,8 1,8-1,9 Fremanezumab (Ajovy®) ca. 9(HALO-EM) 3,4-3,7 2,2 1,2-1,5 Tabelle 3: Abnahme monatlicher Migränetage bei episodischer Migräne (10) Migränetage/Monat bei Rückgang Migränetage Rückgang Migräneta- Differenz der Migräne- Studienbeginn mit Medikament ge mit Placebo tage/Monat zu Placebo (STUDIENNAME) Erenumab (Aimovig®) ca. 18 (Phase 2 Studie) 6,6 4,2 2,4 Galcanezumab (Emgality®) ca. 19 (REGAIN) 4,6-4,8 2,7 1,9-2,1 Fremanezumab (Ajovy®) ca. 16 (HALO-CM) 4,3-4,6 2,5 1,8-2,1 Tabelle 4: Abnahme monatlicher Migränetage bei chronischer Migräne (10) Nebenwirkungen und Hinweise Wundheilungsstörungen oder bei Trans- zu einer weitgehenden Attackenfreiheit. plantationsempfängern eingesetzt wer- Vielmehr ist es Ziel die Attacken zu re- Bislang sind nur wenige behandlungs- den. Für Kinder und Jugendliche liegt duzieren, und zwar um mind. 50%. Oft bedürftige Nebenwirkungen aufgetre- keine Zulassung vor (11). ist es notwendig, dass ein Facharzt für ten. Die Intensität der Nebenwirkungen Neurologie konsequent mehrere Thera- wurde als mild eingestuft, wobei es auch Fazit pien versuchen muss, um ein adequates hier besonders zu beachten gilt, dass Pa- Ansprechen sicherzustellen. Ein wichti- tienten mit Vorerkrankungen weitgehend Migräne schränkt die Lebensqualität ges Instrument dabei ist das Schmerzta- ausgeschlossen wurden. Es kam u.a. bei meist erheblich ein und führt auch zu gebuch. Etablierte Migräneprophylaktika Erenumab (Aimovig®) zu Infekten der ökonomischen Belastungen, da sich viele sind unter Beachtung der Komorbiditä- oberen Atemwege, Nasopharyngitis, Patienten im erwerbstätigen Alter befin- ten und Kontraindikationen bei vielen Pa- Muskelspasmen, Juckreiz oder Obsti- den. Durch die heterogenen Verlaufsfor- tienten zwar gut wirksam, aber durch un- pation, bei Galcanezumab (Emgality®) men und schwere Abgrenzung zu ande- erwünschte Arzneimittelwirkungen nur zu Obstipation und Schwindel und bei ren Kopfschmerzarten wird die Diagnose begrenzt einsetzbar. Fremanezumab (Ajovy®) zu Blasenent- und Behandlung oft erschwert. Deshalb Die neuen CGRP- bzw. CGRP-Rezeptor– zündungen. Die langfristigen Risiken sind ist das genaue Führen eines Schmerzta- Antikörper verringern die Anzahl der Mig- wie bei den meisten neuen Medikamen- gebuches unerlässlich. Triggerfaktoren ränetage im Mittel um wenige Tage pro ten nicht vollständig erfasst. Von Vorteil sollten vermieden werden und Prodro- Monat. Es ist bisher unklar, ob sie besser ist die frühe Beurteilbarkeit des Thera- malsymptome sollten wahrgenommen wirken als bisherige Migränemedikamen- pieerfolges durch normalerweise frühes werden um das Verhalten anzupassen. te zur Prophylaxe, da keine direkten Ver- Einsetzen der Wirkung ohne notwendige Zur Akutbehandlung stehen im Wesent- gleichsdaten vorliegen. Sie sind als wei- Auftitrierung (10). lichen NSAR, Triptane und Antiemetika tere therapeutische Optionen zu sehen. Die Antikörper sollen nicht bei Schwan- zur Verfügung. Wobei der optimale Zeit- Zudem sind Risiken und Langzeiteffekte geren bzw. Stillenden eingesetzt werden. punkt der Einnahme und das individuel- nicht endgültig bewertet. Bei gebärfähigen Frauen ist eine sichere le Ansprechen auf die Wirkstoffe wichtig Aus ökonomischer Sicht sind sie beim Kontrazeption zu betreiben. Sie sollten sind, um eine wirksame Therapie zu er- derzeit bekannten Nutzen und den ho- auch nicht bei Patienten mit koronarer möglichen. Zu beachten gilt es die Ne- hen Preisen im Vergleich zu etablierten Herzerkrankung, ischämischem Insult, benwirkungsprofile und das Risiko des Prophylaktika um ein vielfaches teurer Subarachnoidalblutung oder periphe- Übergebrauches. Der Erfolg der medi- und nur in gut begründeten Fällen ein- rer arterieller Verschlusskrankheit, ent- kamentösen Prophylaxe ist ernüchternd, zusetzen. Die Kriterien für den Einsatz auf zündlichen Darmerkrankungen, COPD, weder etablierte noch neue Wirkstoffe Kosten der Sozialversicherung finden sich pulmonaler Hypertension, M. Raynaud, führen bei der Mehrheit der Patienten im Indikationstext wieder. Lecture Board: Univ. Prof. Dr. Reinhold Schmidt,Universitätsklinik für Neurologie; LKH-Univ. Klinikum Graz OA. Dr. Gerhard Traxler,Klinik für Neurologie 2; Kepler Universitätsklinikum Linz Literatur: 1 ÖSG; Patienteninformation, URL: https://www.oesg.at/patienteninformationen/migraene/; Abruf am 04.06.2020; 2 DNG; S1-Leitlinie: Diagnostik und apparative Zusatzuntersuchungen bei Kopfschmerzen; 3 www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org; Abruf am 04.06.2020; 4 IHS; The International Classifi- cation of Headache Disorders, 3rd Edition, Cephalalgia 2018, 38 (1): 1-211; 5 IQWiG; URL: https://www.gesundheitsinformation.de/migraene.2228.de.html; Abruf am 03.06.2020; 6 Ch.Wöber; Migräne, J Neurol Neurochir Psychiatrie 2020; 21 (1): 6-12; 7 Uwe Reuter; GBD 2016: still no improvement in the burden of migraine, The lancet Neurology 2018, 17 (11): 929-930; 8 DGN und DMKG; S1-Leitlinie: Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne 2018; 9 Arzneiverordnung in der Praxis; Monoklonale Antikörper zur Prophylaxe von Migräne, URL: https://www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/AVP/vorab/20191217-Migraeneprophylaxe. pdf ; Abruf am 04.06.2020; 10 DGN und DMKG; Prophylaxe der Migräne mit monoklonalen Antikörpern gegen CGRP oder den CGRP-Rezeptor; Dezember 2019; Ergänzung zu S1 Leitlinie: Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne; 11 Fachinformationen, Stand Mai 2020 7 med info
Die Innovationen von gestern sind die Generika/Biosimilars von heute 2019 wurden dreizehn Wirkstoffe erstmalig als Generikum oder Biosimilar in den EKO aufgenommen. Die entsprechenden Originärpräparate waren zuvor 9 bis 19 Jahre im Handel. Die jetzt mögliche und notwendige Substitution dieser Präparate durch Generika oder Biosimilars hat folgende Konsequenzen: l einfacherer Zugang für die Verordner nur durch Innovationen gehalten wer- (z.B. durch Aufnahme in den Grünen den. Investitionen in Forschung und Bereich des EKO statt Gelben Bereich) Entwicklung sind daher lohnender als INNOVATION Marketing zur Marktverteidigung nach l Botschaft an die forschende Phar- Patentablauf. maindustrie: Bedingt durch das sin- GENERIKUM/ kende Preisniveau und die generische l Kostenreduktion für diese Wirkstoffe BIOSIMILAR Konkurrenz können Firmenumsätze für die Sozialversicherungsträger DIE 2019 ERSTMALIG GENERISCH/BIOSIMILAR VERFÜGBAREN WIRKSTOFFE BZW. WIRKSTOFFKOMBINATIONEN: Wirkstoff Aufnahme des Handelsname des 1. Originär- Aufnahme des Anmerkung zu Umsatzjahre ersten Generi- Generikums/ präparat Originär- Kassenumsätzen vor Verfüg- kums/Biosimilars Biosimilars präparates in vor der Aufnahme barkeit des 1. in den EKO den EKO bzw. in den EKO Generikums/ in das HMV* Biosimilars Buprenorphin und März Bupensan Duo Suboxone 01.02.2008 11 Naloxon Pegfilgrastim März Pelgraz Neulasta 01.01.2005 Umsätze seit 2003 16 Adalimumab März Amgevita, Imraldi Humira 01.01.2005 Umsätze seit 2003 16 Ritonavir Juli Ritonavir Accord Norvir 01.01.2005 Umsätze seit 2000 19 Darunavir Juli Darunavir Krka, Darunavir Prezista 01.09.2007 12 Mylan, Darunavir Ratio- pharm, Darunavir Sandoz Everolimus Juli Everolimus HCS (nicht Afinitor 01.08.2013 Umsätze seit 2009 11 bzw. mehr verfügbar) bzw. September Everolimus Ratiopharm Brivudin August Brivudin Aristo Mevir 01.01.2003 15 Amlodipin und Oktober Amlodipin/ Exforge 01.11.2007 12 Valsartan Valsartan 1A Pharma, Amlodipin/ Valsartan Krka, Amlodipin/ Valsartan Sandoz Febuxostat Oktober Feburo, Febuxostat Adenuric 01.07.2011 8 Ratiopharm, Febuxostat Sandoz Aprepitant November Aprepitant Ratiopharm, Emend 01.07.2004 15 Aprepitant Sandoz Atomoxetin November Atofab, Atomoxetin Stada Strattera 01.09.2007 12 Gefitinib November Gefitinib Accord Iressa 01.01.2010 9 Solifenacin Dezember Belmacina, Solifenacin Vesicare 01.02.2007 13 1A Pharma, Solifenacin Accord, Solifenacin Genericon, Solifenacin HCS, Solifenacin Stada, Solifenacinsuccinat Mylan, Vesisol *HMV Heilmittelverzeichnis, der Vorläufer des EKO med info 8
Foto: Pixabay/RAEng_Publications Bei den Generika von Exforge und Ex- Lenalidomid (Revlimid) und Posaco- te ausgegeben als 2018 (Basis maschi- forge HCT (seit April 2020 erstmals ge- nazol (Noxafil) sind Wirkstoffe, deren nelle Heilmittelabrechnung, BIG, Basis nerisch im EKO verfügbar) ist auf Grund Patentlaufzeit abgelaufen ist oder dem- KVP ohne USt. und ohne Berücksich- des hohen Preisvorteils und der hohen nächst enden wird und die dann hoffent- tigung von Preismodellen). Diese Kos- Verordnungsfrequenz das Ressour- lich auch im Erstattungskodex generisch tensteigerungen entfallen vor allem auf cenoptimierungspotenzial und damit die verfügbar sein werden. patentgeschützte Arzneimittel. Es wird Möglichkeit der Innovationsförderung auf die Entwicklung folgender Präparate besonders hoch; ebenso bei Verwen- Die Innovationen von heute hingewiesen, die als innovativ bewertet dung von Biosimilars und kostengünsti- sind die Generika von morgen werden und mit einem zusätzlichen Pa- ge TNF-α-Blockern statt hochpreisigen tientennutzen zu bisherigen Therapien TNF-α-Blockern. Ambrisentan (Volibris), Im Jahr 2019 wurde von den SV-Trägern verbunden sind (1,2,3,4,5). Dasatinib (Sprycel), Erlotinib (Tarceva), um 98 Mio. Euro mehr für Medikamen- Substanzgruppe Präparate (Substanz) Patienten Aufwand in Mill. Euro 2018 2019 2018 2019 CDK4/6 Hemmer Ibrance (Palbociclib), 1.598 1.928 37,4 42,6 Kisqali (Ribociclib), Verzenios (Abemaciclib) 2. Generation der Antian- Zytiga (Abirateron), 2.248 2.592 49,5 60,7 drogene Xtandi (Enzalutamid) Interleukin-Rezeptor- Stelara (Ustekinumab), 5.540 7.330 55,9 75,3 Inhibitoren Cosentyx (Secukinumab), Taltz (Ixekizumab), Tremfya (Guselkumab) Immunsuppressiva beim Revlimid (Lenalidomid), 1.772 1.944 79,1 92,3 Multiplen Myelom Imnovid (Pomalidomid) Literatur: 1 Preusser M et al: CDK4/6 inhibitors in the treatment of patients with breast cancer: summary of a multidisciplinary round-table discussion. ESMO Open. 2018 Aug 20;3(5); 2 Body A et al: Medical management of metastatic prostate cancer. Aust Prescr. 2018 Oct;41(5):154-159; 3 Mottet N et al: EEESGoP, EUA-ESTRO-ESUR-SIOG guidelines on prostate cancer. Available online at: https://uroweborg/guideline/prostate-cancer/2018; 4 Armstrong AW et al: Com- parison of Biologics and Oral Treatments for Plaque Psoriasis. A Meta-analysis. JAMA Dermatol. 2020;156(3):258-269; 5 Mikhael J et al: Treatment of Multiple Myeloma: ASCO and CCO Joint Clinical Practice Guideline J Clin Oncol 37:1228-1263 9 med info
Erhöhte Mortalität bei PPI-Langzeittherapie Dr. Hakan Cetin, PhD hakan.cetin@meduniwien.ac.at Universitätsklinik für Neurologie, Medizinische Universität Wien Protonenpumpenhemmer (PPI) gehören zu den am häufigsten verordneten Medikamentenklassen mit einer geschätzten Prävalenz von ca. 30 % in der Bevölkerung über 70 Jahre (1). N eben einer Reihe an ungünsti- Die aktuelle Arbeit basiert auf Abrech- gebrauch wurden die kumulativen defi- gen Nebenwirkungen (2) wurde nungsdaten der österreichischen Sozial- nierten Tagesdosen (DDD) aus den Sozi- in zwei Kohortenstudien über versicherungsträger. Die Diagnose einer alversicherungsdaten ermittelt. ein erhöhtes Demenzrisiko berichtet (3, Demenz wurde durch die Verschreibung 4), wobei dies in prospektiven epidemio- von Antidementiva im Studienzeitraum Die Verschreibung von über 100 DDD im logischen Analysen nicht bestätigt wer- vom 1.1.2005 bis 30.6.2016 definiert, wo- Jahr vor dem Indexdatum war dabei so- den konnte (5, 6). In zwei Beobachtungs- bei insgesamt 28.428 Demenz-Patienten wohl bei den Patienten mit einer Demen- studien konnte gezeigt werden, dass der und 56.856 nach Geschlecht, Alter und zerkrankung als auch bei den Kontrollen Gebrauch von PPI mit einer erhöhten Wohnbezirk gematchte Kontrollen ein- mit einer erhöhten Mortalität assoziiert. Mortalität assoziiert ist (7, 8). geschlossen wurden. Mittels multivariater Dabei war die Mortalitätssteigerung Cox-Regressionsanalyse wurde dann be- durch PPI bei den Patienten mit einer Das Ziel der hier vorgestellten Kohorten- rechnet, ob der Gebrauch von PPI 1 Jahr Demenzerkrankung signifikant niedriger analyse (9) war es, den Einfluss der PPI vor Therapiebeginn mit Antidementiva als bei den Kontrollen (p < 0,0001). Die auf das Überleben von Patienten mit De- (bzw. bei den Kontrollen 1 Jahr vor dem Mortalitätssteigerung bestand in beiden menzerkrankungen zu untersuchen und Einschluss in die Studie, d.h. 1 Jahr vor Gruppen v.a. im initialen Beobachtungs- den Effekt mit dem einer Kontrollgruppe dem Indexdatum) einen Einfluss auf die zeitraum, um sich nach ca. 2 Jahren auf ohne Demenz zu vergleichen. Mortalität hatte. Für den Medikamenten- ein konstantes Niveau einzupendeln. Patienten mit Demenz Kontrollgruppe Gesamt Verstorbene adjustierte HR (95% CI) pro 100 DDDs Gesamt Verstorbene adjustierte HR (95% CI) pro 100 DDDs 10.591 5.634 1,07 (1,03–1,12) 18.892 6.436 1,47 (1,31–1,64) Da in der Literatur von einem medikamentösen Übergebrauch von PPI ausgegangen wird (10, 11), könnten die Verbesserung von standardisierten Richtlinien bzw. strengere Maßnahmen der Pharmakovigilanz zu einer Mortalitätssenkung beitragen. Referenzen: 1 Halfdanarson OO, Pottegard A, Bjornsson ES, Lund SH, Ogmundsdottir MH, Steingrimsson E, et al. Proton-pump inhibitors among adults: a nationwide drug-utilization study. Therap Adv Gastroenterol. 2018;11:1756284818777943.; 2 Schoenfeld AJ, Grady D. Adverse Effects Associated With Proton Pump Inhibitors. JAMA Intern Med. 2016;176(2):172-4; 3 Gomm W, von Holt K, Thome F, Broich K, Maier W, Fink A, et al. Association of Proton Pump Inhibitors With Risk of Dementia: A Pharmacoepidemio- logical Claims Data Analysis. JAMA Neurol. 2016;73(4):410-6; 4 Haenisch B, von Holt K, Wiese B, Prokein J, Lange C, Ernst A, et al. Risk of dementia in elderly patients with the use of proton pump inhibitors. Eur Arch Psychiatry Clin Neurosci. 2015;265(5):419-28.; 5 Gray SL, Walker RL, Dublin S, Yu O, Aiello Bowles EJ, Anderson ML, et al. Proton Pump Inhibitor Use and Dementia Risk: Prospective Population-Based Study. J Am Geriatr Soc. 2018;66(2):247-53; 6 Taipale H, Tolppanen AM, Tiihonen M, Tanskanen A, Tiihonen J, Hartikainen S. No Association Between Proton Pump Inhibitor Use and Risk of Alzheimer‘s Disease. Am J Gastroenterol. 2017;112(12):1802-8; 7 Xie Y, Bowe B, Li T, Xian H, Yan Y, Al-Aly Z. Risk of death among users of Proton Pump Inhibitors: a longitudinal observational cohort study of United States veterans. BMJ Open. 2017;7(6):e015735; 8 Xie Y, Bowe B, Yan Y, Xian H, Li T, Al-Aly Z. Estimates of all cause mortality and cause specific mortality associated with proton pump inhibitors among US veterans: cohort study. BMJ. 2019;365:l1580; 9 Cetin H, Wurm R, Reichardt B, Tomschik M, Silvaieh S, Parvizi T, König T, Erber A, Schernhammer E, Stamm T, Stögmann E. Increased risk of death associated with the use of proton-pump inhibitors in patients with dementia and controls - a pharmacoepidemiological claims data analysis. Eur J Neurol. 2020 Apr 13; 10 Forgacs I, Loganayagam A. Overprescribing proton pump inhibitors. BMJ. 2008;336(7634):2-3; 11 Heidelbaugh JJ, Kim AH, Chang R, Walker PC. Overutilization of proton-pump inhibitors: what the clinician needs to know. Therap Adv Gastroenterol. 2012;5(4):219-32. med info 10
FÜR SIE GELESEN: Die Rolle von verschreibungspflichtigen Medikamenten bei Frauen mit überaktivem Blasen-Syndrom Umek W, Gleiss A, Bodner-Adler B, Reichardt B, Rinner C, Heinze G: The role of prescription drugs in female overactive bladder syndrome - A population-wide cohort study. Pharmacoepidemiol Drug Saf. 2020 Feb;29(2):189-198 https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/pds.4920 T hema dieser Versorgungsana- ven Blase gelten, in der Realversor- te), führen. Untersucht wurden dabei lyse mit Abrechnungsdaten gung bei Frauen zu einer häufigeren die Medikamentenverordnungen von der österreichischen Kran- Folgeverordnung von anticholinerg 4.185.098 Frauen von Jänner 2009 kenversicherungsträger war, ob be- wirkenden Medikamenten, die beim bis Dezember 2012, die vor diesem stimmte Triggermedikamente, die hyperaktiven Blasen-Syndrom ein- Zeitraum keine Markermedikamente als vermutete Auslöser der überakti- gesetzt werden (Markermedikamen- erhalten hatten. DIE ERGEBNISSE DER STUDIE SIND: l die Anzahl an Patientinnen, die ein Medikament für Pollakisurie l bestimmte verschreibungspflichtige Medikamente sind ein be- und Harninkontinenz erhielten, hat sich im Analysenzeitraum von deutender Risikofaktor in weiterer Folge ein Anticholinergikum 27.377 auf 33.499 erhöht – mehr Frauen erhielten Solifenacin oder einzunehmen Trospium, die Zahl der Patienten mit Tolterodin blieb konstant und l folgende therapeutische Untergruppen der ATC-Ebene 2 erhöhen Oxybutynin wurde seltener rezeptiert das Risiko einer anticholinergen Folgemedikation am stärksten: l nahezu alle ATC-Klassen, die als mögliche Trigger der überaktiven • Antipruriginosa, inkl. Antihistaminika, Anästhetika usw. (D04) Blase untersucht wurden, erhöhen die Inzidenz für die Verord- • Sexualhormone und Modulatoren des Genitalsystems (G03) nung eines Anticholinergikums, das höchste Risiko besteht für • Antimykotica zur systemischen Anwendung (J02) Präparate aus • Immunstimulatien (L03) • der Substanzklasse G (Urogenitalsystem und Sexualhormone) • Anästhetika (N01) • der Substanzklasse J (Antiinfektiva zur systemischen Anwendung) • Andere Mittel für das Nervensystem (N07) Schenkelhalsfrakturen und Sterblichkeit bei M. Crohn und Colitis ulcerosa Bartko J, Reichardt B, Kocijan R, Klaushofer K, Zwerina J, Behanova M: Inflammatory Bowel Disease: A Nationwide Study of Hip Fracture and Mortality Risk after Hip Fracture. J Crohns Colitis. 2020 Mar 14. pii: jjaa052. doi: 10.1093/ecco-jcc/jjaa052 D ie Fragestellung dieser Ver- bensjahr mit einer chronisch entzündli- In einem Datensatz der Jahre 2012 bis sorgungsanalyse mit Abrech- chen Darmerkrankung (CED) ein höhe- 2016 mit inkludierten 56.821 Patienten nungsdaten der österreichi- res Risiko für eine Schenkelhalsfraktur mit Schenkelhalsfraktur hatten 531 Pati- schen Krankenversicherungsträger war, haben und ob die Gesamtsterblichkeit enten auch die Diagnose Morbus Crohn ob Patienten ab dem fünfzigsten Le- in dieser Patientengruppe erhöht ist. oder Colitis ulcerosa (25% Männer). DIE ERGEBNISSE DER STUDIE SIND: l Im Vergleich zu einer nach Alter, Geschlecht sowie Osteoporose- l Die Gesamtsterblichkeit nach Schenkelhalsfraktur ist bei Patien- und Glukokortikoid-Therapie standardisierten Vergleichsgruppe, tinnen mit Morbus Crohn erhöht. haben Patienten mit einer CED ein erhöhtes Risiko für eine Schen- kelhalsfraktur, wobei Patienten mit M. Crohn ein höheres Risiko als Auf Grund des erhöhten Risikos für Schenkelhalsfrakturen sollte dieser Patienten mit einer Colitis ulcerosa aufweisen. Problematik eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. 11 med info
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