MEHR NUTZEN AUS STAUDAMM-GROÛPROJEKTEN? - BPB

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Jærg Baur

       Mehr Nutzen aus Staudamm-Groûprojekten?
                        Zum Bericht der World Commission on Dams

                                                            ¹Rettet den Narmadaª, den alternativen Nobel-
                           I.                               preis und gelangte dadurch zu internationaler
                                                            Bekanntheit. Kurz danach begann auch die Welt-
Ûber 1 300 Kilometer stræmt der Narmada-Fluss               bank an den Staudammprojekten zu zweifeln; 1993
quer durch den indischen Subkontinent. Sein Ufer            verzichtete Indiens Regierung auf einen 170-Mil-
ist die Heimat, sein Wasser die Lebensgrundlage             lionen-US-Dollar-Kredit der Weltbank. Und
von Millionen Menschen in vier verschiedenen                schlieûlich erreichte der Konflikt auch Deutsch-
Bundesstaaten. Und seit 15 Jahren ist der Nar-              land. Im April 1999 zogen die Energiekonzerne
mada auch Schauplatz erbitterter Auseinanderset-            Bayernwerk und VEW ihre geplante Beteiligung
zungen um den Bau gewaltiger Staudåmme. Neun-               am Maheshwar-Damm zurçck, und im August
mal hat die Bewegung ¹Rettet den Narmadaª                   2000 fçhlte sich Siemens nach weiteren Protesten
(NBA1) in den vergangenen zwei Jahren den Bau-              und der kritischen Einschåtzung eines vom Minis-
platz des jçngsten Narmada-Dammprojekts in                  terium fçr Entwicklung und wirtschaftliche
Maheshwar besetzt, die Zufahrtstraûen çber                  Zusammenarbeit (BMZ) in Auftrag gegebenen
Monate hinweg blockiert und vor dem Sitz der                Gutachtens veranlasst, seinen Antrag auf eine
Regierung in Bhopal wochenlange Sitz- und Hun-              Hermes-Bçrgschaft fçr die Maheshwar-Turbinen
gerstreiks durchgefçhrt. Ganze Dærfer haben ver-            zu stornieren.
kçndet, dass sie lieber ertrinken wçrden, als sich
von den Dammbauern aus ihrer Heimat vertrei-
ben zu lassen. 35 000 Einwohner mçssen nach
Angaben der NBA fçr das Maheshwar-Projekt                                           II.
umgesiedelt werden. Obwohl die Bauarbeiten
schon vor Jahren begonnen wurden, ist bis heute             So wie am Narmada wird seit einigen Jahren um
fçr einen Groûteil der Betroffenen noch kein                fast jedes groûe Staudammprojekt gestritten.
Land zur Umsiedlung gefunden. Doch nachdem in               Denn Staudåmme werden einerseits in vielen Lån-
diesem Jahr die Septemberregenfålle im Bundes-              dern Lateinamerikas, Afrikas und Asiens zur
staat Madhya Pradesh ausgeblieben sind, hat die             Stromerzeugung und Bewåsserung dringend benæ-
NBA es mit einer neuen Gruppe von Staudamm-                 tigt, andererseits fçhrt ihr Bau zu riesigen Stau-
befçrwortern zu tun. 50 000 Soja-Bauern, die                seen, denen Tausende, im Fall des chinesischen
weder Regen noch genug Strom zum Wasserpum-                 Drei-Schluchten-Staudamms sogar weit çber eine
pen haben, droht die Vernichtung der gesamten               Million Menschen weichen mçssen. Oft verlieren
Ernte.                                                      sie durch die Umsiedlung weg von den fruchtbaren
                                                            Flusstålern ihre gesamte Lebensgrundlage in
Der Konflikt um die Staudåmme im Narmada ist                Ackerbau oder Fischerei. Manchmal entstehen
keineswegs eine rein lokale Angelegenheit. Mehr-            durch die Wasserregulierung Brutståtten fçr
mals mussten sich die hæchsten indischen Gerichte           Krankheitserreger, die zu einer sprunghaften Ver-
mit den Projekten befassen, und auch auûerhalb              breitung von Erkrankungen wie zum Beispiel
des Subkontinents haben die Dammbauten fçr                  Malaria oder Bilharziose fçhren. Bei Erdbeben
reichlich Konfliktstoff gesorgt. So zog die japani-         werden Staudåmme zur Gefahr, und die ækologi-
sche Regierung bereits 1990 nach den ersten gro-            schen Folgen eines groûen Staudamms sind kaum
ûen Widerstandsaktionen gegen einen Dammbau                 absehbar. Ein aufgestauter Fluss veråndert sich
im Narmada ihre Kredite zurçck. Im Jahr darauf              vællig, unter anderem, weil an die Stelle eines peri-
erhielt Medha Patkar, Fçhrerin der Bewegung                 odischen Wechsels zwischen Hochwasser und Was-
                                                            serarmut ein fast gleichmåûiger Abfluss tritt. Flora
Der Autor bedankt sich bei Herrn Alejandro Garcia fçr die
wertvolle Zuarbeit.
                                                            und Fauna kænnen sich nicht immer anpassen,
1 Narmada Bachao Anolan. Informationen zum Wider-
                                                            einigen Arten werden die Lebensgrundlagen ent-
stand gegen das Staudammprojekt unter: http://              zogen, andere breiten sich aus. Und fçr Fische
www.narmada.org/maheshwar.html.                             stellt ein Staudamm ein unçberwindbares Hinder-

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nis dar. Die Verteilung des aufgestauten Wassers      mçssen? Nachdem in den neunziger Jahren auf-
kann erheblichen sozialen Sprengstoff bergen. Ein     grund der aufflammenden Proteste Geberorgani-
Staudamm kann zu Konflikten zwischen Regio-           sationen wie die Weltbank mit der Finanzierung
nen und Nationen beitragen, wenn den Unterlie-        von Staudåmmen immer zurçckhaltender wurden,
gern ein Teil des Wassers entzogen wird, um das       riefen Gegner und Befçrworter von Dåmmen im
Reservoir aufzufçllen oder um weiter flussauf-        Jahr 1998 die WCD ins Leben. An der Grçndung
wårts landwirtschaftliche Bewåsserung betreiben       beteiligt waren Weltbank und IUCN (The World
zu kænnen.                                            Conservation Union). Die WCD erhielt das Man-
                                                      dat, die Entscheidung çber das Fçr und Wider sol-
Doch nicht nur die Probleme, sondern auch die         cher Groûprojekte auf eine rationale Grundlage
Vorteile eines groûen Staudamms kænnen enorm          zu stellen. Damit sie nicht zwischen den Fronten
sein. Eine gçnstige und verlåssliche Versorgung       aktueller Konflikte um Dammbauten zerrieben
mit Trinkwasser und Strom ist fçr Millionen von       wçrde, sollte sie sich aus diesen mæglichst heraus-
Menschen in den Groûstådten der Entwicklungs-         halten und stattdessen verbindliche Empfehlungen
lånder, die oft unterhalb der Armutsgrenze leben      fçr kçnftige Planungen erarbeiten. Die Lebens-
mçssen, ein Segen. Wenn Wasserkraftwerke alte         dauer der WCD war von vornherein auf zweiein-
Kohlekraftwerke ersetzen, dient dies nicht nur        halb Jahre befristet.
dem Klimaschutz, sondern trågt vor allem wesent-
lich zur Verbesserung der Luftqualitåt in den Ståd-
ten bei. Die Landwirtschaft profitiert von Bewås-     Die Vorgehensweise der WCD war ein Novum in
serungsmæglichkeiten selbst in Dçrreperioden und      der Geschichte internationaler Organisationen.
kann so eine gleichmåûigere Versorgung mit            Statt Hunderter von Delegierten saûen sich bei
Lebensmitteln sicherstellen. Und schlieûlich          der WCD nur ein Dutzend Vertreter von Regie-
erwirtschaften Staudåmme Staatseinnahmen, die         rungen, Industrie, Nichtregierungsorganisationen
zum Aufbau sozialer Infrastruktur genutzt werden      und Verbånden gegençber. Vorsitzender der WCD
kænnen.                                               war Kader Asmal, Wasserminister in der Regie-
                                                      rung von Nelson Mandela. Der 12-kæpfigen Kom-
Die erwarteten Vorteile sind so verlockend, dass      mission gehærten so gegensåtzliche Persænlichkei-
heute weltweit ungefåhr die Hålfte aller Flçsse       ten an wie der Schwede Gæran Lindahl, Chef von
durch mindestens einen groûen Damm gestaut            ABB, bis vor kurzem einer der fçhrenden Liefe-
wird. 45 000 Groûstaudåmme mit mehr als 15            ranten fçr Wasserkraftkomponenten, und die indi-
Metern Hæhe sind in Betrieb, weitere 1 700 befin-     sche Aktivistin des Kampfes gegen die Narmada-
den sich derzeit in Bau. Nach Schåtzung der           Dåmme, Medha Patkar. Der Apparat war unge-
World Commission on Dams (WCD) sind zwi-              wæhnlich klein, dafçr war das Arbeitspensum
schen 40 und 80 Millionen Menschen durch den          umso græûer.
Bau dieser Staudåmme vertrieben oder umgesie-
delt worden, die meisten ohne angemessene Ent-
                                                      In Afrika, Asien und Lateinamerika wurden
schådigung. Nicht nur ækologisch und sozial sind
                                                      Anhærungen durchgefçhrt, die Auswirkungen von
Staudåmme oft Megaprojekte. Auch ækonomisch
                                                      acht Groûdåmmen wurden umfassend untersucht,
sind sie mit Investitionskosten von mehreren hun-
                                                      Lånderstudien zu Indien und China und eine
dert Millionen Mark in vielen Låndern die mit
                                                      statistische Auswertung von 125 Groûdåmmen in
Abstand græûten Infrastrukturmaûnahmen. Welt-
                                                      allen Kontinenten lieferten zusåtzliches Hinter-
weit werden rund 20 Prozent des Stroms aus Was-
                                                      grundmaterial. Jeder Schritt der Kommission
serkraft gewonnen; 24 Staaten, darunter Brasilien,
                                                      wurde im Internet dokumentiert, Interessenvertre-
Kongo, Sambia und Norwegen, decken çber 90
                                                      ter konnten jederzeit Meinungen und Material
Prozent ihres Strombedarfs aus Wasserkraft. Zwi-
                                                      beisteuern, eine Mæglichkeit, von der 947mal
schen 12 und 16 Prozent der weltweiten Nah-
                                                      Gebrauch gemacht wurde. Trotzdem war die
rungsmittelproduktion beruhen auf der Bewåsse-
                                                      WCD wegen ihres kleinen Apparates und befriste-
rung aus Stauseen.
                                                      ten Auftrags ein vergleichsweise billiges Unterfan-
                                                      gen. Die Gesamtkosten in Hæhe von 10 Millionen
                                                      US-Dollar teilten sich 53 staatliche, private und
                                                      zivilgesellschaftliche Institutionen. Die Bundesre-
                         III.                         gierung steuerte zwei Millionen Mark bei, Siemens
                                                      100 000 DM. Mit diesen finanziellen Beitrågen
                                                      war die Erwartung verbunden, dass kçnftig erheb-
Ist es mæglich, diese teilweise lebenswichtigen       lich hæhere Kosten, die auf allen Seiten durch den
Vorteile von Dåmmen weiter zu erschlieûen, ohne       jahrelangen Kampf um Groûdammprojekte ent-
die gravierenden Probleme in Kauf nehmen zu           stehen, vermieden werden kænnen.

Aus Politik und Zeitgeschichte   B 48 ± 49 / 2001                                                     24
thoden zu besseren Ergebnissen gefçhrt als ein
                        IV.                            neuer Staudamm.
                                                       Alle am gravierendsten erwiesen sich in der
Tatsåchlich schafften es die 12 Kommissionsmit-        WCD-Analyse jedoch die Mångel bei der Ent-
glieder, in der vorgegebenen Zeit einen einstimmi-     scheidungsfindung, Planung sowie der Beteiligung
gen, çber 300 Seiten starken Abschlussbericht2         der Bevælkerung. So wurden die negativen Folgen
vorzulegen. Als sie am 16. November 2000 in Lon-       eines Staudamms fçr die in den Flusstålern leben-
don ihre Unterschriften darunter gesetzt hatten,       den Menschen noch in den neunziger Jahren oft
war es an Nelson Mandela, ihnen fçr die Arbeit zu      çberhaupt nicht berçcksichtigt. Und je græûer das
danken und den Blick nach vorn zu richten. ¹Es ist     Ausmaû der Vertreibung, desto weniger wahr-
eine Sache, die Fehler in einem existierenden          scheinlich war es, dass die Lebensgrundlagen
System zu findenª, sagte er, ¹aber es ist etwas væl-   selbst der unmittelbar betroffenen Gemeinschaf-
lig anderes und viel schwerer, es durch eine bes-      ten wiederhergestellt werden konnten. Bei Stau-
sere Herangehensweise zu ersetzen.ª Beides,            dammprojekten werde die betroffene Bevælke-
sowohl die grçndliche Analyse als auch die Emp-        rung ¹nicht als Partner mit eigenen Rechten bei
fehlungen fçr kçnftige Staudammprojekte, ist           der Planung wahrgenommenª, heiût es im WCD-
Bestandteil des WCD-Berichtes. Es steht damit          Bericht, ¹geschweige denn in die Lage versetzt,
ein Katalog von Empfehlungen zur Verfçgung,            sich an diesen Prozessen zu beteiligenª. Schon aus
deren Einhaltung dazu fçhren soll, dass nur noch       diesem Grund sei es kein Wunder, dass Stau-
sinnvolle Staudammprojekte ausgewåhlt werden           damm-Planungen immer wieder zu schweren Kon-
und dass bei ihrer Durchfçhrung negative Neben-        flikten fçhrten.
wirkungen sozialer, ækologischer und ækonomi-
scher Art auf ein ertrågliches Maû reduziert wer-
den. Das Besondere daran ist, dass diese
Empfehlungen gemeinsam von Staudamm-Befçr-                                      V.
wortern wie -Gegnern erarbeitet wurden.
                                                       Und so stehen denn auch Empfehlungen fçr ein
Bei der Analyse bestehender Groûdåmme musste           angemessenes Entscheidungsverfahren vor dem
die WCD feststellen, dass viele von ihnen die selbst   Bau neuer Staudåmme im Mittelpunkt der Emp-
gesetzten Ziele der Stromerzeugung und Bewåsse-        fehlungen des WCD-Berichts. Gerechtigkeit, Effi-
rung nicht erreicht hatten. Ursache dafçr waren        zienz, partizipative Entscheidungsfindung, Nach-
nicht nur falsche Berechnungen, unerwartete tech-      haltigkeit und Rechenschaftspflicht sind die fçnf
nische Schwierigkeiten oder auch Verzægerungen         Werte, die die WCD als Basis jedes Entschei-
durch massive Proteste. Bei einer durchschnitt-        dungsfindungsprozesses vorschlågt. ¹Die Opfer
lichen Kostençberschreitung der untersuchten           von Staudammprojekten haben einen legitimen
Dåmme von 56 Prozent drångte sich darçber hin-         Platz am Verhandlungstischª, heiût es im WCD-
aus der Verdacht auf, dass knappe Kalkulationen        Bericht, der Empfehlungen zu einer Art Media-
bewusst eingesetzt wurden, um die Akzeptanz der        tionsverfahren gibt. Schon vor einer Grundsatzent-
Projekte zu erhæhen. Doch nicht nur das Kosten-        scheidung fçr den Bau eines Staudamms sollen
Nutzen-Verhåltnis war håufig unbefriedigend. Bei       alle denkbaren Alternativen sorgfåltig geprçft
den meisten Dammprojekten traten negative æko-         werden. Dazu gehære insbesondere auch eine Ver-
logische Folgen in unerwartet hohem Ausmaû auf.        besserung bereits bestehender Staudåmme, die in
So wirken sich manche in den Tropen gelegene           vielen Fållen sinnvoller sei als ein Neubau.
Groûdåmme zum Beispiel negativ auf das Klima
aus, oder sie fçhren ± wie am sçdafrikanischen         Ist die Grundsatzentscheidung fçr einen neuen
Oranje ± zu einer Schådlingsepidemie, die immense      Staudamm gefallen und æffentlich akzeptiert, sol-
Schåden in der Viehwirtschaft verursacht. Es zeigte    len zunåchst alle denkbaren Auswirkungen ± æko-
sich auch, dass mægliche Alternativen zu den Groû-     logische und ækonomische ebenso wie soziale ±
damm-Projekten in den Bereichen Energie, Wasser        geprçft werden. Parallel dazu mçssen Konsulta-
und Nahrungsmittelproduktion nicht ausreichend         tions- und Konfliktregelungsverfahren festgelegt
geprçft worden waren. In manchen Fållen håtte          werden. Der Erhalt des Flusses als Existenzgrund-
eine Kombination aus innovativen Stromerzeu-           lage fçr die Bevælkerung soll bei der Konkretisie-
gungstechnologien, Einsparmaûnahmen oder Ver-          rung des Projektes sichergestellt sein. Die Vermei-
besserungen der landwirtschaftlichen Anbaume-          dung negativer Folgen soll grundsåtzlich Vorrang
                                                       vor einer Kompensation haben. Fçr Schåden mçs-
2 Vgl. Dams and Development: A New Framework for       sen Ausgleichsmaûnahmen festgelegt werden, und
Decision Making (http://www.dams.org).                 der Nutzen des Staudamms soll gerecht verteilt

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werden. Die vom Staudammbau direkt betroffe-          essenvertretung der Staudammbauer çbernommen
nen Menschen sollen jedoch zu den bevorzugten         hat. Sie erhoffen sich von der Anwendung der
Nutznieûern gehæren. Lizenzen und Konzessionen        WCD-Kriterien eine Verringerung der Planungs-
fçr den Betrieb des Staudamms sollen nur noch         unsicherheiten, die immer håufiger mit den Kon-
zeitlich befristet vergeben werden. Und schlieûlich   flikten um Staudammbauten verbunden sind.
soll die Einhaltung all dieser Vorgaben von unab-     Andererseits kritisierten sie, dass die von der
hångiger Seite kontrolliert werden. Fçr all dies      WCD untersuchten Staudåmme çber 30 Jahre alt
macht die WCD detaillierte Verfahrensvorschlåge.      sind, neuere Projekte jedoch viele der damals noch
                                                      unbekannten negativen Folgen von vornherein
Trotz aller Kritik låuft der WCD-Bericht keines-      vermeiden wçrden. ¹Die WCD-Empfehlungen
wegs auf eine allgemeine Aussage zu neuen Stau-       basieren zumeist auf den Erfahrungen entwickel-
dammprojekten hinaus. ¹Manche werden uns jetzt        ter Lånder, die die Zeit und das Geld haben, um
vorwerfen, dass der Bericht den Bau von Staudåm-      alle mæglichen Alternativen zu Staudåmmen aus-
men erschwertª, sagte der Kommissions-Vorsit-         zulotenª, erklårte ICOLD-Pråsident C.V.J. Varma.
zende Kader Asmal bei der Unterzeichnung,             Trotzdem sollte jedes Land die WCD-Empfehlun-
¹aber wir çberbringen nur die Botschaft. Der Neu-     gen und die Richtlinien von ICOLD berçcksichti-
bau von Staudåmmen nimmt bereits seit çber            gen, gleichzeitig aber auch ¹die jeweils herrschen-
einem Jahrzehnt ab.ª Doch auch gegen Kritik der       den Bedingungen, Traditionen, Gesetze und
anderen Seite nimmt Asmal die Kommission in           Bedçrfnisseª in Betracht ziehen. Sonst drohe ein
Schutz: ¹Andere werden den Bericht vielleicht         vollståndiger Stopp neuer Staudammprojekte mit
benutzen, um pauschal alle Staudammprojekte           entsprechend negativen Folgen fçr die Bevælke-
abzulehnen und ein Moratorium zu fordern. Aber        rung. Diese Sorge wurde auch in einigen Entwick-
auch das wåre falsch. Wir beståtigen unmissver-       lungslåndern formuliert, die zu den wichtigsten
ståndlich, dass Staudåmme eine wichtige Option        Dammbaulåndern gehæren. Vor allem China,
bleiben, um auf wachsenden Entwicklungsbedarf         Indien und die Tçrkei åuûerten sich skeptisch zum
zu reagieren.ª Die Ergebnisse der WCD sollten         WCD-Bericht. ¹Wåhrend einige fçhrende Staaten
weder in die eine noch in die andere Richtung fçr     ihre Wasserressourcen bereits vollståndig aus-
ideologische Zwecke missbraucht werden. Ihr Ziel      schæpfen, kænnten die vorurteilsbeladenen Ergeb-
sei vielmehr eine Versachlichung der Entschei-        nisse der WCD die Nutzung von Wasserressourcen
dungsfindung.                                         in Entwicklungslåndern verhindernª, hieû es aus
                                                      dem zuståndigen tçrkischen Ministerium. Deut-
Eine Entideologisierung und Versachlichung der        liche Zustimmung war dagegen aus Regionen zu
Entscheidung çber Groûdåmme ± diese Hoffnung          hæren, in denen keine neuen Staudammprojekte
war auch aus den meisten Stellungnahmen heraus-       geplant sind, wie Europa, Nordamerika, Japan,
zuhæren, die nach der Veræffentlichung des WCD-       Brasilien und Zimbabwe.
Berichtes abgegeben wurden. ¹Dieser Bericht
wird uns dabei helfen, unsere zukçnftigen Ent-        Die an der WCD beteiligten Anti-Staudamm-
scheidungen in die richtige Richtung zu lenkenª,      Aktivistengruppen4 sahen sich durch den Ab-
sagte zum Beispiel James Wolfensohn, Pråsident        schlussbericht in ihrer Kritik weitgehend beståtigt
der Weltbank, die einen groûen Teil des Kapitals      und nahmen ihn zum Anlass, ein Moratorium
fçr Staudammbauten in Entwicklungslåndern             aller laufenden Staudamm-Planungen zu fordern.
bereitstellt. Allerdings schrånkte er sogleich ein:   Schlieûlich habe der Bericht die enormen ækologi-
¹Die kritische Frage bleibt, ob unsere Nehmerlån-     schen und sozialen Folgekosten von Groûdåmmen
der und Staudamm-Investoren die Empfehlungen          aufgezeigt und zahlreiche Belege dafçr geliefert,
der WCD akzeptieren.ª Obwohl die Weltbank zu          dass viele dieser Projekte auch ækonomisch
den Initiatoren der WCD gehærte, will sie deren       gescheitert seien. Als erste Konsequenz fordern
Ergebnisse nicht als Richtlinien fçr die Kreditver-   die Aktivistengruppen deshalb die verbindliche
gabe çbernehmen, sondern bezeichnet sie lediglich     Ûbernahme der WCD-Empfehlungen in interna-
als ¹valuable referenceª, also als hilfreichen        tionale und nationale Prçfverfahren vor der Bewil-
Bezugspunkt bei der Entscheidungsfindung.3            ligung von Krediten fçr Staudammprojekte.
                                                      Deutschland solle sie zum Beispiel im Verfahren
Øhnlich auch die Reaktion der International Com-      fçr die Vergabe von Hermesbçrgschaften5 veran-
mission on Large Dams (ICOLD), dem weltweiten         kern.
Zusammenschluss von Ingenieuren, Baufirmen,
                                                      4 Vgl. WEED (http://www.weedbonn.org/wcd/index.htm),
Regierungen und Wissenschaftlern, der die Inter-      Erklårung von Bern (http://www.evg.ch) und International
                                                      Rivers Network (http://www.irn.org).
3 Die erste Stellungnahme der Weltbank zum WCD-Be-    5 Ausfuhrgewåhrleistung der Bundesrepublik Deutschland
richt: http://www.dams.org/events/forum_3.htm.        (http://www.hermes-kredit.com/aga/herubund/index5.html).

Aus Politik und Zeitgeschichte   B 48 ± 49 / 2001                                                          26
keit des Mediationsprozessesª drången. Die Rolle
                        VI.                             der GTZ sieht Eisenblåtter dabei vor allem in der
                                                        Unterstçtzung von Bedarfs- und Optionsprçfun-
                                                        gen und bei der Sicherung ausreichender Partizi-
Das BMZ sieht sich in seiner kritischen Haltung,        pation der von Dammbauten betroffenen Bevælke-
die es bereits in der Vergangenheit gegençber gro-      rung. ¹Die GTZ bewegt sich mehr und mehr in
ûen Staudammprojekten eingenommen hatte,                Richtung Politikberatung und bietet somit eine
beståtigt. Keinesfalls dçrfe dies jedoch als grund-     gute Ergånzung zu technischer und finanzieller
såtzliche Ablehnung aller Staudamm-Projekte             Zusammenarbeit.ª
gewertet werden. ¹Dåmme bleiben auch in der
Zukunft eine Option fçr viele Lånderª, sagte die
Ministerin fçr Entwicklung und Wirtschaftliche
Zusammenarbeit, Heidemarie Wieczorek-Zeul,
nach der Vorstellung des WCD-Abschlussberichts,
                                                                                  VII.
¹sie kænnen aber dank der Arbeit der Kommission
jetzt sorgfåltiger geplant werden, mægliche nega-       Da deutsche Industrieunternehmen und Organi-
tive Auswirkungen kænnen frçhzeitig erkannt und         sationen der Entwicklungszusammenarbeit eine
angegangen werden ± und manchmal werden Stau-           wichtige Rolle bei vielen groûen Staudammprojek-
dammprojekte schon im Ansatz çberflçssig, weil          ten spielen, hat es sich das BMZ zur Aufgabe
bessere Alternativen schon im frçhen Planungssta-       gemacht, die Umsetzung der WCD-Empfehlungen
dium entdeckt und umgesetzt werden kænnen.ª             durch eigene Maûnahmen zu begleiten. Als ersten
Der Bericht liefere deshalb einen ¹wichtigen Bei-       Schritt hat es im Januar 2001 rund 140 Vertreter
trag zur Versachlichung der Diskussion çber Stau-       und Vertreterinnen deutscher Unternehmen,
damm-Groûprojekteª. Gleichzeitig wandte Wiec-           Ingenieurbçros, Bundesministerien, Medien, Ent-
zorek-Zeul sich sowohl gegen Euphorie als auch          wicklungszusammenarbeits- und Umweltorgani-
gegen eine pauschale Ablehnung von Staudåm-             sationen zu einem Dialogforum6 in Berlin zu-
men. ¹Es wird immer auf die Einzelfallprçfung           sammengebracht. In ihrem Abschlussstatement
ankommen, ob die zu erwartenden Vorteile es             kçndigte Heidemarie Wieczorek-Zeul an, dass das
wert sind, die negativen Folgen in Kauf zu neh-         BMZ seine eigenen Richtlinien fçr Staudammvor-
menª, sagte sie. Skeptisch bleibt das BMZ gegen-        haben çberprçfen und sich fçr eine Ûbernahme
çber der WCD-Forderung, auch bereits abge-              der Kommissions-Empfehlungen in der Weltbank
schlossene     Staudammprojekte      anhand     der     und den anderen internationalen Finanzierungsin-
aufgestellten Kriterien zu çberprçfen und Mångel        stituten einsetzen werde. Nur so kænne ausge-
nachtråglich zu korrigieren. Dies werfe gravie-         schlossen werden, dass deutsche Unternehmen
rende Probleme von der Finanzierung bis hin zu          Wettbewerbsnachteilen ausgesetzt werden, wenn
Haftungsfragen auf und sei deshalb ¹schwer              sie sich freiwillig den strengen Kriterien unterwer-
umsetzbarª.                                             fen. Auûerdem werde das BMZ den Dialog mit
                                                        der Wirtschaft und den Umweltorganisationen
Grundsåtzliche Zustimmung åuûerte auch Bernd            fortsetzen, um die Umsetzung der WCD-Empfeh-
Eisenblåtter, Geschåftsfçhrer der Gesellschaft fçr      lungen politisch zu unterstçtzen. Im Juli 2001
Technische Zusammenarbeit (GTZ), zum Bericht            wurde der Dialog auf einem Plattform-Gespråch
und zu den Empfehlungen der WCD. ¹Ich hoffe,            in der Berliner Niederlassung der Kreditanstalt fçr
dass dieses Beispiel Schule machtª, erklårte Eisen-     Wiederaufbau weitergefçhrt. Weitere Plattformge-
blåtter, ¹ich mæchte damit nicht sagen, dass çberall    språche sind geplant.
und immer ein Konsens mæglich ist. Aber ich
meine doch, dass man ziemlich weit kommen               Auch auf internationaler Ebene wird weiter an der
kann, wenn man die ideologischen Prågungen und          Umsetzung der WCD-Empfehlungen gearbeitet.
Vorurteile çber Bord wirft und versucht, die            Zwar hat die Kommission selbst sich wie geplant
Gegenseite wirklich zu verstehen.ª Allerdings           aufgelæst, doch unter der Schirmherrschaft des
bezweifelt Eisenblåtter, dass eine vollståndige         United Nations Environment Programme (UNEP)
Anwendung der WCD-Empfehlungen in jedem                 soll in den nåchsten zwei Jahren eine Dams and
Fall realistisch sei. ¹Ein kritischer Aspekt ist hier   Development Unit (DDU)7 als ¹Katalysator bei
sicherlich die Frage der Zeitdauer und Verlåsslich-     der Durchsetzung der WCD-Empfehlungen auf
keit des von der WCD vorgeschlagenen Konsulta-          regionaler und nationaler Ebeneª aktiv werden,
tionsprozesses und die Vielzahl und Legitimation
                                                        6 Der Tagungsbericht ist unter der folgenden Adresse zu fin-
der zu beteiligenden Akteureª, sagte er. Insbeson-      den: http://www.gtz.de/themen/energie ® Dialogforum zum
dere Staudamm-Investoren und -Betreiber wçrden          Bericht der WCD.
auch weiterhin auf ¹Schnelligkeit und Verbindlich-      7 (http://www.dams.org/press/default.php?article=368).

27                                                              Aus Politik und Zeitgeschichte      B 48 ± 49 / 2001
wie es in dem u. a. von der Weltbank, dem Weltna-    aus dem Stromverkauf erhofft sich Laos von dem
turschutzverband IUCN, dem International Rivers      Staudammprojekt auch die Schaffung neuer Ein-
Network und dem BMZ unterzeichneten Grçn-            kommensmæglichkeiten durch Fischerei auf dem
dungsaufruf heiût. Staudammplanungen, die kçnf-      Stausee.
tig von Mediationsverfahren nach dem Vorschlag
                                                     Die betroffenen Gemeinden am Mekong waren in
der WCD begleitet werden, sollen hier die nætige
                                                     die Planung des Gesamtvorhabens und der ver-
politische und fachliche Unterstçtzung bekommen
                                                     schiedenen Projektphasen von Anfang an einbezo-
kænnen. Fçr diesen Zweck soll die DDU weltweit
                                                     gen, çber 240 Workshops wurden vor Ort durchge-
gelungene Beispiele fçr die Umsetzung der WCD-
                                                     fçhrt. Als Ziel der erforderlichen Umsiedlungen
Kriterien sammeln, darstellen und verbreiten.
                                                     wurde eine Verbesserung der Lebensverhåltnisse
Dazu gehært auch die Organisation von Dialogver-
                                                     vereinbart und ein entsprechender Umsiedlungs-
anstaltungen zwischen den verschiedenen Interes-
                                                     plan gemeinsam mit den Betroffenen ausgearbei-
sengruppen. Die DDU kann dabei auf die im Kap-
                                                     tet. Darin wurde festgelegt, dass der endgçltige
stådter WCD-Sekretariat gesammelten Kontakte,
                                                     Beschluss çber die Umsiedlung erst nach Zustim-
Kenntnisse und Erfahrungen zurçckgreifen. Øhn-
                                                     mung der Gemeinden und der Weltbank fallen
lich wie die WCD soll auch ihre Nachfolgeorga-
                                                     darf. Die Anwohner sollen sich den Ort ihrer kçnf-
nisation eine starke æffentliche Beteiligung çber
                                                     tigen Siedlungen selber auswåhlen und ihre neuen
Diskussionsforen und Internet-Kommunikation
                                                     Håuser selbst planen kænnen. Auûerdem wurde
organisieren.
                                                     die Versorgung der neuen Siedlungen mit Wasser
Neben der DDU wird vor allem die Weltbank eine       und Strom, Schulen, Kliniken und ganzjåhrig
wichtige Rolle bei der weiteren Umsetzung des        befahrbaren Straûen vereinbart. Umweltschåden
WCD-Berichts auf internationaler Ebene spielen.      sollen durch einen Zuschuss von einer Million
In einer jçngst veræffentlichten Stellungnahme8      Dollar im Jahr an einen benachbarten Naturpark
kçndigt sie eine intensive interne und nach auûen    ausgeglichen werden.
gerichtete Beschåftigung mit den WCD-Kriterien
                                                     Von den 1,1 Milliarden US-Dollar Gesamtkosten
an. Ohne diese Kriterien direkt zu çbernehmen,
                                                     des Staudammprojekts sollen 34 Millionen, also
will die Weltbank Nehmerlånder doch dabei unter-
                                                     gute drei Prozent, fçr die Umsiedlung der betrof-
stçtzen, Alternativen der Wasser- und Stromver-
                                                     fenen laotischen Bevælkerung ausgegeben werden.
sorgung intensiv zu untersuchen. Fållt die Ent-
                                                     Dies entspricht ungefåhr dem Anteil, der auch im
scheidung dann trotzdem fçr den Bau eines neuen
                                                     deutschen Braunkohletagebau fçr Umsiedlungs-
Groûdamms, will die Weltbank mit einem Akti-
                                                     maûnahmen ausgegeben wird. Mit Aufwendungen
onsplan fçr eine Verbesserung des Verhåltnisses
                                                     in der Græûenordnung von fçnf Prozent der
von Kosten und Nutzen sorgen. Grundsåtzlich
                                                     Gesamtkosten sind hierzulande bisher weitgehend
bleibt die Weltbank allerdings bei ihrer Ûberzeu-
                                                     einvernehmliche Entschådigungslæsungen mæglich
gung, dass ¹Staudåmme eine wichtige Option sind,
                                                     gewesen. Aber auch zum Nam-Theum-2-Projekt
um auf wachsende Entwicklungsbedçrfnisse zu
                                                     gibt es kritische Stimmen. Zu Recht hat zum Bei-
reagierenª, so ihr Pråsident Wolfensohn.
                                                     spiel das International Rivers Network an den Pla-
                                                     nungen fçr den Staudamm Nam Theum 2 kriti-
                                                     siert, dass der groûe Wissensunterschied zwischen
                                                     Experten und lokaler Bevælkerung keine gleich-
                         VIII.                       berechtigten Entscheidungsprozesse ermæglicht.
                                                     Auûerdem seien die Auswirkungen des Stau-
Wie eine Staudammplanung unter Berçcksichti-         damms flussabwårts græûer als erwartet. Dort
gung eines groûen Teils der WCD-Empfehlungen         werde es weitere 40 000 Betroffene geben, die bis-
aussehen kænnte, ist derzeit im Sçden von Laos zu    her in die Entscheidungsprozesse noch gar nicht
beobachten. Zwischen Vietnam und Thailand soll       eingebunden worden sind.
dort an einem Nebenfluss des Mekong von einem
europåisch-laotischen Jointventure der Staudamm
Nam Theum 2 entstehen.9 90 Prozent der dort
geplanten Stromerzeugung sollen nach Thailand                              IX.
exportiert werden, um Devisen zu erwirtschaften.
Es wird ein Stausee von 450 Quadratkilometern
Græûe entstehen, fçr den fast 5 000 Menschen         Der WCD-Bericht ist das Ergebnis eines einmali-
umgesiedelt werden mçssen. Neben den Erlæsen         gen Experiments internationaler politischer Mei-
                                                     nungsbildung. Er hat eine Bilanz bisheriger Stau-
8   (http://www.worldbank.org/).                     dammprojekte geliefert und Vorgaben fçr den
9   (http://www.namtheun2.com/indexie.htm).          Weg zu besseren Staudåmmen gemacht. Im

Aus Politik und Zeitgeschichte    B 48 ± 49 / 2001                                                  28
Gegensatz zu anderen internationalen Vereinba-         maverånderung. Andererseits gibt es sehr unter-
rungen ± wie zum Beispiel beim Klimaschutz ±           schiedliche Aussagen darçber, unter welchen
besitzt der WCD-Bericht jedoch keinerlei rechtli-      Bedingungen Stauseen durch Faulprozesse im
che Verbindlichkeit. Deshalb beginnt ein wichtiger     Reservoir und in dem vællig verånderten Unter-
Teil der Arbeiten erst jetzt, nach Veræffentlichung    lauf des gestauten Flusses einen betråchtlichen
des Abschlussberichts. Keine Institution wird die      Ausstoû an Klimagasen mit sich bringen. Einfache
WCD-Regeln sofort umsetzen kænnen. Fçr die             und standardisierte Evaluierungs-Verfahren gibt
Erfçllung vieler Forderungen fehlen heute auch         es bisher nicht.
noch praktikable Vorgehensweisen, einige Emp-
fehlungen, wie das Vetorecht der Beteiligten in        Manche Bausteine eines praxistauglichen Verfah-
jeder Stufe der Projektentwicklung, werden sich in     rens zur Sicherstellung ¹guterª Staudåmme mçs-
der Praxis als nicht machbar erweisen.                 sen nun auf ihre Anwendbarkeit in Entwicklungs-
                                                       låndern hin untersucht werden. Ist ein deutsches
Eine wichtige offene Frage ist, wie denn eine welt-    Planfeststellungsverfahren wirklich die richtige
weit anerkannte Bewertung von Alternativen fçr         Vorgehensweise fçr ein Staudammprojekt im
Staudammprojekte aussehen kænnte. Wer muss an          Amazonasgebiet? Welche Elemente daraus kænn-
der Durchfçhrung beteiligt werden, wer ist da-         ten den Bedingungen in Entwicklungslåndern
fçr verantwortlich, wie kann so etwas finanziert       angepasst werden? Kænnen bestehende Normen
werden? Und wie kann man Auswirkungen in               fçr Qualitåtssicherung und Umweltschutz çbertra-
vællig unterschiedlichen Kategorien vergleichbar       gen werden? Welche der unzåhligen Umwelt- und
machen? Denn schlieûlich ist es nicht einfach, die     Sozial-Richtlinien nationaler und internationaler
Gesundheitsschåden, die durch Luftverschmut-           Organisationen sollten verbindlich vorgeschrieben
zung bei Kohlekraftwerken entstehen, gegen die         werden? Wie kann ein transparenter Nachweis
Umsiedlung von Menschen abzuwågen, die Ver-            gefçhrt werden? Und wie kann verhindert werden,
nichtung von archåologischen Ståtten gegen die         dass die Regeln nicht umgangen werden, wie es ja
Produktion von Nahrungsmitteln oder auch das           selbst bei rechtlich verbindlichen Vorschriften in
Aussterben einer Tierart gegen die Bereitstellung      der Praxis immer wieder vorkommt?
von Trinkwasser.
                                                       Diese Fragen mçssen jetzt mæglichst gemeinsam
Eine weitere Schlçsselfrage liegt in der Entwick-
                                                       von all denjenigen geklårt werden, die nach wie
lung partizipativer Entscheidungsprozesse. Sie sol-
                                                       vor der Ansicht sind, dass auch in Zukunft Stau-
len die Rechte der Menschen sichern, die wirklich
                                                       dåmme in vielen Fållen die beste Option sind.
von einem Staudammbau betroffenen sind, aber
                                                       Nur wenn die unerwçnschten Nebenwirkungen
verhindern, dass Trittbrettfahrer angelockt wer-
                                                       so weit wie mæglich reduziert werden kænnen,
den. Wie kann die Entscheidungsfåhigkeit der
                                                       werden sich Staudåmme auch in Zukunft noch
Betroffenen hergestellt werden, wenn viele Stau-
                                                       durchsetzen lassen. Viele Akteure haben sich zu
damm-Folgen selbst unter Experten strittig sind?
                                                       dieser Einschåtzung bekannt. Auch das GTZ-
Wie sieht eine faire Kompensation fçr Menschen
                                                       Projekt zur Umsetzung der WCD-Empfehlungen
aus, denen ihre Lebensgrundlagen durch einen
                                                       hat sich zum Ziel gesetzt, im Auftrag des BMZ
Staudamm entzogen werden? Wie kann sicherge-
                                                       in den kommenden zwei Jahren seinen Teil dazu
stellt werden, dass vereinbarte Kompensations-
                                                       beizutragen. Auf der Jahresversammlung von
maûnahmen çber Jahrzehnte hinweg wirklich
                                                       ICOLD im September 2001 in Dresden wurde
geleistet werden und tatsåchlich den Betroffenen
                                                       ¹Benefits and Concerns about Damsª als Thema
zugute kommen? Wie kann ein faires Planungsver-
                                                       vorgegeben. Kader Asmal richtete sich an die
fahren aussehen, das sowohl die Rechte und
                                                       WCD-Kritiker mit den Worten ¹You can walk
Bedçrfnisse der Betroffenen berçcksichtigt als
                                                       away from the WCD Report, if you so choose,
auch das Bedçrfnis der Bauherren nach Planungs-
                                                       but you can't walk away from, or turn your
sicherheit? Schlieûlich ist auch die kostengçnstige
                                                       backs on, the controversial situation which gave
Bereitstellung von Trinkwasser und Strom in Bal-
                                                       rise to the WCD in the first place, and which the
lungsgebieten ein entwicklungspolitisches Anlie-
                                                       WCD report can, if used, help resolve. . . . One
gen.
                                                       only needs to see it not as another crisis but as a
Auch çber globale Folgen groûer Staudåmme wird         sudden opportunity.ª Der Weg zu besseren Dåm-
weiterhin kontrovers diskutiert. Einerseits sind sie   men ist grçndlich markiert worden, jetzt muss er
wichtige Hoffnungstråger im Kampf gegen die Kli-       gebaut werden.

29                                                            Aus Politik und Zeitgeschichte   B 48 ± 49 / 2001
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