Trends in der Thermoprozess-technik - von Herbert Pfeifer - Prozesswärme
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FACHBERICHTE Trends in der Thermoprozess- technik von Herbert Pfeifer Die Trends der Thermoprozesstechnik werden in die Themengruppen Technik, Umwelt und Gesellschaft gegliedert und ausgewählte Unterpunkte werden detaillierter diskutiert. Als Technik-Beispiel wird ein Quervergleich für die Werk- stoffe Stahl, Aluminium und kohlefaserverstärkte Kunststoffe für Automobil-Leichtbaukonstruktionen durchgeführt. Die Anforderungen daraus an die Ofentechnik einschließlich der Kühltechnik werden beleuchtet. Aus der Thematik „Energie- und Umwelttechnik“ werden die Beispiele Elektrifizierung eines Wiedererwärmungsofens für Knüppel sowie die ggf. zukünftigen, verschärften Anforderungen der TA-Luft an die NOx-Emissionen herausgegriffen. Die Aktivi- täten des Instituts für Industrieofenbau und Wärmetechnik (IOB) der RWTH Aachen in der Lehre zur Qualifizierung des wissenschaftlichen Nachwuchses schließen den Beitrag ab. Trends in thermoprocess technologies The trends in thermoprocess technologies are divided into technical, environmental and social aspects and spe- cific topics are discussed. As a technical example a cross-comparison of the materials steel, aluminum and carbon fiber reinforced plastic (CFRP) for automotive lightweight constructions is done, which results in the future require- ments for the industrial furnace technology, especially the cooling technologies. In the topic energy and environ- mental technologies, the electrification of a reheating furnace for billets and the future challenges concerning NOX emissions were presented. The article ends with the activities of the Department for Industrial Furnaces and Heat Engineering in teaching and qualification of young scientific researches in the fields of industrial furnace and thermoprocess technologies. D ie Verfahrens- und Anlagentechnik der Thermopro- chen ist gemeinsam, dass die thermische Behandlung der zesstechnik spannt einen weiten Bogen über die Materialien die exakte Einstellung von Prozessparametern unterschiedlichsten Materialien und Werkstoffe, die (Temperatur, Zeit, Prozessatmosphäre u. a.) erfordert, damit in ihrer Gesamtheit den technisch wirtschaftlich nutzbaren die Produkte optimale Eigenschaften aufweisen. Bereich von niedrigen bis insbesondere hohen Temperatu- Für den verallgemeinerten Begriff der Thermoprozess- ren abdecken. Bild 1 ordnet die wichtigsten Branchen der technik kann somit eine allgemeine Definition lauten: Roh- und Grundstoffindustrie hinsichtlich des Energieein- „Prozess- und Anlagentechnik zur thermochemischen satzes und der Prozesstemperaturen. Dabei liegen Maxima und thermophysikalischen Behandlung von Materialien im Temperaturbereich bis 400 °C und von 900–1.500 °C und Werkstoffen derart, dass die optimalen Produkteigen- vor. Im unteren Temperaturbereich liegen insbesondere schaften durch die gezielte Einstellung und Regelung der die Industriezweige Chemie, Textil und Zucker. Im Tempe- Guttemperatur und der Prozessatmosphäre wirtschaftlich raturbereich T ≥ 600 °C findet man die energieintensiven und ökologisch eingestellt werden.“ [2] Sparten NE-Metalle, Eisen und Stahl, Glas, Feinkeramik sowie Die aktuellen Themengebiete der “Thermoprozess-Bran- Steine und Erden. Nicht dargestellt sind Sonderverfahren, che” sind in Bild 2 skizziert und nach den Themen wie die Herstellung von Carbonfasern oder hochschmel- ■■ Technik, zender Refraktärmetalle, für die Temperaturen im Bereich ■■ Umwelt und von 2.000–3.000 °C erforderlich sind. Allen diesen Bran- ■■ Gesellschaft 5-2017 gaswärme international 77
FACHBERICHTE Bild 1: Energiebedarf und Prozesstemperaturen von Industrie sektoren, nach [1] Bild 2: Spannungsfeld der Thermoprozesstechnik untergliedert. Weitere Top-Themen der Branche sind u. a.: ■■ Wissenschaftlicher Nachwuchs und Zukunft der Insti- ■■ Energieeinsparung und CO2-Senkung durch die Verbes- tute für Industrieofentechnik bzw. angewandte Wär- serung der Energieeffizienz metechnik. ■■ Gefahr des Wegfalls von Marktsegmenten (Wandel), z. B. durch Elektromobilität ANFORDERUNG FÜR NEUE AUTOMOTIVE- ■■ Neue hochfeste Stahl- und Aluminium-Werkstoffe und WERKSTOFFE C-Fasern für die Anwendung im Leichtbau (Automo- Der Bereich Automotive nutzt zur Leichtbaukonstruktion bilindustrie) vermehrt metallische hochfeste Stahl- und Aluminium- ■■ Flexible, additive Fertigung Werkstoffe und hat den Einstieg in die Verwendung von ■■ Elektrifizierung der Industrie (C-freie Energieversorgung) Carbonfasern-Kunststoff-Verbunde gewagt (Bild 3). ■■ Verbrennung, Brenngasbeschaffenheit und Emissionen, Hier stehen insbesondere die Auswirkungen und Her- Biobrennstoffe ausforderungen an die Thermoprozesstechnik im Fokus. Diese Trends sind stark gekoppelt mit neuen Ofentechniken für höhere Temperaturen und sehr hohe Abkühl- raten (in Verbindung mit einer gleich- bleibend guten Planheit). Stahl – Hochfeste Stähle Das Portfolio der Stahlsorten für Flachstahl zeigt Bild 4. Während weiche Tiefzieh-Stahlsorten im Batch in Haubenöfen unter 100 % H2 geglüht werden [6], ist die Wärmebe- handlung hochfester austenitischer Mangan-Stähle charakterisiert durch die Bildung spröder interkristalliner Karbide durch langsames Abkühlen oder Aufheizen im Temperaturbereich Bild 3: Leichtbau und Werkstoffentwicklung – Neue hochfeste Stahl- und Aluminium- von 400–800 °C. Diese werden durch Werkstoffe sowie C-Faser-Verbundwerkstoffe [3–5] Lösungsgühen über 1.000 °C und nachfolgender schneller Abkühlung (Quenchen) vermieden. Die Kinetik 78 gaswärme international 5-2017
FACHBERICHTE der Karbidbildung folgt der typischen C-Kur- ve im isothermen Umwandlungsschaubild, wobei das höchste Wachstum (Karbid-Nase) im Bereich von 600–650 °C liegt [7]. Die Herstellung hochfester Flachstähle erfordert moderne Stranggießtechnik, leis- tungsfähige Tandemstraßen und kontinuier- liche Glühlinien mit Schnellkühlsystemen. Für vorhandene Glühanlagen bedeutet dies die Umrüstung vorhandener Anlagentechnik bei einem gleichzeitigen Trend hin zu dünneren und breiteren Bändern sowie hohen Anfor- derungen an die Bandplanheit. Daraus resul- tieren grundlegende Untersuchungen zum lokalen Wärmeübergang in Düsenfeldern und der Wechselwirkung von Kühlfluid und Band (Fluid-Struktur-Interaktion). Zu diesem Bild 4: Hochfeste Stähle, nach [8] Zweck sind am Institut für Industrieofenbau und Wärmetechnik der RWTH Aachen (IOB) diverse Versuchsstände zur Ermittlung des lokalen Wärmeübergangskoeffizienten für Düsenfelder (Bild 5a) und der Wechselwir- kung von Strömung und Band in Kühlzonen kontinuierlicher Bandanlagen (Bild 5c) kon- zipiert und aufgebaut worden. Mit diesen Anlagen können Komponenten im indust- riellen Maßstab erprobt und charakterisiert werden. Bild 5b zeigt beispielhaft die Vertei- lung des lokalen Wärmeübergangskoeffizi- enten für ein Runddüsenfeld und Bild 5d die mittels CFD simulierte Strömung des Kühl- fluids für ein Schlitzdüsensystem mit einer zugehörigen Bandform. Weitere Versuchsstände sind für Wasser- sprühkühlsysteme und die Kühlung mit Was- serstoff für hohe Drücke in der Erprobung. Mit diesen experimentellen Untersuchungs- methoden und den zur Verfügung stehen- den Simulationsmethoden (CFD, FEM) ist das IOB gut ausgerüstet, dieses Problemfeld für die nächste Generation kontinuierlicher Glühanlagen zu bearbeiten. Bild 5: Versuchsstände zur experimentellen Bestimmung des Wärmeübergangs von Düsenfeldern und zur Wechselwirkung von Düsenfeldströmung und Band Stahl – Presshärten Ein wichtiger Aspekt bei der Entwicklung neuer Werkstoffe und der zugehörigen Pro- zess- und Anlagentechnik ist der Wettbewerb unterein- teter Teile von 6 auf 28 % beim Übergang vom Golf VI ander. Da die Entwicklungsdauer innovativer Werkstoffe auf den Golf VII bei einer Verringerung der Masse von 268 bis zur Einsatzreife u. a. zehn Jahre und mehr betragen auf 245 kg auf. kann, besteht auch die Gefahr, dass sich andere Werkstoffe Für das Presshärten von Platinen von Karosseriebauteilen und/oder Prozesse für ähnliche Fragestellungen anbieten war die Entwicklung neuartiger Platinen-Erwärmungsöfen und Marktanteile erobern. Als Beispiel ist das Presshär- erforderlich. Diese Schutzgasöfen müssen als integraler ten zu nennen. Bild 6 weist einen Anstieg pressgehär- Bestandteil einer Presshärtelinie (Bild 7) exakt auf die 5-2017 gaswärme international 79
FACHBERICHTE Aluminium Die Ankündigung der Fa. Ford den Typ Ford F-150 in Aluminium-Leichtbauweise zu fertigen (Bild 8), führte u. a. zu einem weltweiten Investment-Boom in der Aluminiumbranche. Verwendet werden Aluminiumsorten Al 6xxx mit ca. 0,5–1 % Silizium und 0,4–1 % Magnesium (Bildung von Mg2Si). 6xxx Legierungen zeichnen sich durch gute Umformbarkeit, Schweißbarkeit, Ver- arbeitbarkeit und Korrosionsbeständigkeit aus. Der Mengenbedarf für das Modell Ford F-150 wird mit > 275 000 t/a angegeben [12]. Die Investitionssum- me zur Erweiterung und Verbesserung der Gieß-, Walz- und Wärmebehandlungsanlagen lag in den USA und Europa in den vergangenen Jahren in der Größenordnung von 3–5 Mrd €. Bild 6: Veränderungen der verwendeten Stahlsorten in der Automobil Die kontinuierlichen Durchlaufglühanlagen industrie [9] (CALP) beinhalten u. a. die folgenden Prozessschritte (Bild 9) ■■ Lösungsglühung ■■ Quenching und ■■ Alterung. Die hohen Anforderungen an die Kühleinheiten solcher kontinuierlicher Bandglühanlagen für Al 6xxx Legierungen sind ■■ Wasser-Quenche (regelbar): Abkühlraten To ≈ 25–100 K/s ■■ Temperaturbereich: T = 250–480 °C ■■ Banddicke: 0,5–5 mm ■■ Homogener Wärmeübergang über Bandbreite und -länge ■■ Planheit ■■ Flexibilität hinsichtlich Aluminiumsorte, Banddi- cke und Bandbreite. Auf den Gebieten der Schnellkühlung mit Gas, Wasser-Luft-Düsen sowie Wasser-Sprühdüsen besteht aktuell ein großer Forschungsbedarf, um Bild 7: Presshärten – Ofen als integrales Element einer Bauteilfertigung [10] insbesondere das vorhandene Wissen im Bereich der vorher genannten Werkstoffe und Prozesspa- rameter zu vertiefen und bisher wenig erforschte Sekundäreffekte zu berücksichtigen. Dazu gehört Taktrate der Presse abgestimmt sein. Dabei muss ein vor- auch die Beschreibung der Bandmechanik mittels nume- gegebenes Prozessfenster (Temperatur, Zeit) realisiert wer- rischer Simulationen. den und Probleme, wie die Wechselwirkung aluminierter Oberflächen und keramischer Rollen, gelöst werden. Zum Kohlefaser verstärkte Kunststoffe (CFK) Einsatz kommt dabei z. B. ein kaltgewalzter Vergütungs- In den Modellen i3 und i8 von BMW wird ein für die Indus- stahl 22MnB5, der sich durch niedrige Legierungsanteile trie gänzlich neuer Weg im Consumerbereich durch die auszeichnet. Vielfach steht auch nur ein limitiertes Platzan- Verwendung von CFK beschritten (Bild 3). Bisher ist das gebot für den Ofen in der Fertigungslinie zur Verfügung, Hauptanwendungsgebiet von CFK für Strukturbauteile im sodass u. a. platzsparende Mehrkammeröfen entwickelt Bereich der Luft- und Raumfahrt. Aus Sicht der Thermopro- werden mussten. In der letzten Dekade sind weltweit zesstechnik sind die folgenden zwei Prozessschritte für die ca. 350 Rollenherd-Ofenanlagen installiert worden. Herstellung von Kohlefasern von Bedeutung: 80 gaswärme international 5-2017
FACHBERICHTE Bild 8: Ford F 150 in Leichtbauweise [11] ■■ Stabilisierung und Oxidation der PAN-(Polyacrylnitril)- (vertical-down-flow, horizontal-cross-flow bzw. center-to- Precursoren im Niedertemperaturbereich (ca. 200– end-flow) verwendet. Das Prinzip hat auch gleichzeitig 300 °C) unter Luft und einer typischen Prozessdauer den Vorteil, dass bei Überhitzung der Fasern die auftreten- von ca. 90 min den Energien des dann exothermen Prozesses abgeführt ■■ Grafitisierung im Temperaturbereich von 1.000–1.500 °C werden können. Sowohl die Stabilisierungsöfen als auch unter N2/Ar-Atmosphäre und einer kurzen charakteris- die Grafitisierungsöfen werden elektrisch beheizt, sodass tischen Prozesszeit von 90 s. für Neubauprojekte Regionen mit günstiger Elektrizitäts- Die Stabilisierung und Oxidation der PAN-Fasern erfolgt Infrastruktur bevorzugt werden. in sogenannten Mass-Flow-Öfen (Bild 10). In diesen Fäl- Die weltweite jährliche Produktionskapazität für Koh- len werden hohe Gasvolumenströme zur Umströmung lefasern ist im Vergleich zu Stahl und Aluminium mit der Fasern mit unterschiedlichen Strömungsrichtungen ca. 110.000 t/a in 2014 [16] noch gering. Die hergestell- Bild 9: CALP-Linie für Aluminium (CALP: Continuous Annealing Line and Pre-Treatment) [13–14] 5-2017 gaswärme international 81
FACHBERICHTE ENERGIE- UND UMWELT- TECHNIK Energiewende – Elektrifizierung von Erwärmungsöfen Das Ziel, die CO2-Emissionen in Deutschland um 40 % im Zeitraum von 1990–2020 zu senken, wird wohl nach dem aktuellen Stand des Wis- sens verfehlt werden. Allein aus dieser Sichtweise erscheinen die CO2-Emis- sionsreduktionsziele von 80–95 % bis zum Jahr 2050 als sehr ambitioniert. In einer Studie des Umweltbundesamtes UBA aus dem Jahre 2013 zum Thema „Treibhausgasneutrales Deutschland Bild 10: Anlage zur Herstellung von Carbonfasern mit Oxidations- und Grafitisierungsöfen, im Jahr 2050” [17] wird ausgeführt: nach [15–16] „Beispielsweise gehen wir in der Stu- die davon aus, dass es in der Stahlin- dustrie keine Primärstahlerzeugung über die Hochofen-Oxygenstahl- ten Carbonfasern werden zu ca. 20 % in der Luftfahrt- Route mehr gibt. Dafür wird die Elektrostahlerzeugung industrie und zu 65 % in der Industrie eingesetzt. Für mittels Schrott und Schwammeisen (DRI) massiv ausgebaut. die Automobilindustrie werden sogenannte “large-tow Als Energieträger für die Direktreduktion dient dann aus- carbon fibers” (geringere Kosten, höhere Produktivität schließlich regenerativ erzeugtes Methangas und für die und mittlere mechanische Eigenschaften) bevorzugt Elektrolichtbogenöfen sowie die Walzwerksöfen kommt verwendet. ausschließlich regenerativer Strom zum Einsatz.“ Bild 11: Energieflussdiagramm eines Stoßofens [19] 82 gaswärme international 5-2017
FACHBERICHTE Bild 12: Zulässige oberflächenspezifische Leistungen für ferritische Heizleiterelemente [20] Leider werden solche Statements viel zu oft ohne den Schienensystem, betragen ca. 13 %. Für einen vollständig nötigen Sachverstand geäußert. Es soll im Folgenden abge- elektrisch beheizten Ofen kann deshalb von einem Nut- schätzt werden, wie hoch etwa der Strombedarf nur für die zungsgrad von ca. 85 % ausgegangen werden. Wiedererwärmungsöfen in den deutschen Walzwerken ist Nachfolgend soll die Fragestellung angegangen und ob überhaupt ausreichend Fläche für eine elektrische werden, ob solche Öfen als widerstandsbeheizte Typen Beheizung vorhanden ist. ausgeführt werden können und welcher Anteil regene- Die jährliche Erzeugung warmgewalzter Stähle betrug rativ erzeugten Stroms dafür erforderlich ist. Durch die ca. 43 Mio. t im Jahr 2000 und 40,4 Mio. t im Jahr 2015. Die Anwendungstemperatur von bis zu 1.300 °C und den guten Halbzeuge sind dann u. a. warmgewalztes Band (Flachpro- Eigenschaften unter oxidierenden Atmosphären bieten sich dukte) sowie Draht und Stabstahl (Langprodukte). Dafür ferritische Fe-Cr-Al Widerstandsheizelemente an. Bild 12 werden die Gießprodukte wie Brammen, Knüppel und zeigt die zulässigen flächenspezifischen Leistungen für Vorblöcke (Blooms) in Stoß- und Hubbalkenöfen sowie verschiedene Ausführungsarten dieser Widerstandsheiz- Drehherdöfen auf Warmwalztemperaturen im Bereich von elemente. Vergleichend sind auch die Werte für metalli- 1.060–1.260 °C [18] erwärmt. sche und keramische Strahlheizrohre eingetragen. Diese Bild 11 zeigt exemplarisch das Sankey-Diagramm des liegen in der gleichen Größenordnung wie die Werte für Energieflusses eines Stoßofens für ein Warmbandwalzwerk. die Heizleiterelemente. Der spezifische Energiebedarf beträgt ca. 1,25 GJ/t. Der Für den Beispielofen aus Tabelle 1 ergibt sich für eine energetische Nutzungsgrad von 65 % stellt den Stand der mittlere zulässige spezifische Leistung von 47,5 W/cm2 und Technik dar. Die Wand- und Kühlwasserverluste, z. B. für das der elektrischen Anschlussleistung von 60 MW ein Flächen- Tabelle 1: Kennzahlen eines gasbeheizten Stoßofens zu Erwärmung von Stahlknüppeln und die vergleichenden Daten eines elektrisch beheizten Ofens Bezeichnung Gasbeheizter Ofen Elektrisch beheizter Ofen Produktivität in t/h 180 180 Ofenabmessungen L x B 19,5 m x 14,8 m 19,5 m x 14,8 m Installierte Leistung 79 MW 60 MW Energiebedarf für Kalteinsatz 300 kWh/t 240 kWh/t Ziehtemperatur 1.130 °C 1.130 °C Leistung für Nennleistung 55 MW 42 MW Wirkungsgrad 65 % 85 % 5-2017 gaswärme international 83
FACHBERICHTE Bild 13: Auszug aus der TA-Luft von 1986 [21] Bild 14: Entwicklung der Studentenzahlen im Bereich der Fachgruppe MuW bedarf von Aerf = 1.250 m2. Für den Oberofen steht mit peratur von ca. 650 °C ist somit eine Massenkonzentration der Decke und den Seitenwänden lediglich eine Fläche von 1.300 mg/m3 (≈ 700 ppm) zulässig. von ca. 350 m2 zur Verfügung. Die Bodenfläche kommt Die Erhöhung der Luftvorwärmtemperaturen, ver- für die Installation von Heizleiterelementen nicht infrage, bunden mit der einhergehenden Steigerung des feue- da dieser durch herabfallenden Zunder bedeckt ist. Somit rungstechnischen Wirkungsgrads und des Gesamtwir- existiert ein klassisches Platzproblem zur Unterbringung kungsgrads, wurde in der Thermoprozesstechnik in der der erforderlichen Heizleiter. Andere Fragestellungen sind Vergangenheit durch die Entwicklung moderner Verfahren in diesem Zusammenhang die Lebensdauer der Heizele- zur rekuperativen und regenerativen Luftvorwärmung rea- mente bei höheren Sauerstoffgehalten in der Ofenatmo- lisiert. In der TA-Luft 2002 [22] wurde nur noch ein von der sphäre und das Vorhandensein von Gießhilfsmitteln vom Verbrennungslufttemperatur unabhängiger Maximalwert Stranggießprozess oder die Zunderbildung bei höheren festgelegt. Sauerstoffgehalten und das Entzunderungsverhalten der „Bei Wärmeöfen, z. B. Stoßöfen und Hubbalkenöfen, Brammen oder Knüppel. dürfen die Emissionen an Stickstoffmonoxid und Stick- stoffdioxid im Abgas die Massenkonzentration 0,50 g/m3, NOx-Emissionen angegeben als Stickstoffdioxid, nicht überschreiten.“ Die zulässigen NOx-Emissionen von Wärm- und Wärmebe- Diese Vorgabe konnte auch erfolgreich durch verbren- handlungsöfen sind in der TA-Luft geregelt. Die Emissions- nungstechnische Maßnahmen, wie die gestufte Verbren- werte beziehen sich auf einen Volumengehalt an Sauerstoff nung oder die flammlose Oxidation (FLOX), im Ofenbau im Abgas von 5 %. realisiert werden. In der TA-Luft von 1986 war formuliert [21]: „Die Emissi- Im aktuellen Referentenentwurf zur Anpassung der onen an Stickstoffmonoxid und Stickstoffdioxid dürfen im TA-Luft wird für die Industrieöfen keine Unterscheidung Abgas von Anlagen mit Vorwärmung der Verbrennungs- zu anderen Anlagen durchgeführt. Hier ist formuliert [23]: luft auf 200 °C oder mehr die sich aus dem Diagramm „5.4.1.2.2 Anlagen zur Erzeugung von Strom, Dampf, Warm- (Abb. 4) ergebende Massenkonzentration, angegeben als wasser, Prozesswärme oder erhitztem Abgas in Feuerungs- Stickstoffdioxid, nicht überschreiten; die Möglichkeiten, anlagen durch den Einsatz von gasförmigen Brennstoffen, die Emissionen durch feuerungstechnische und andere insbesondere Koksofengas, Grubengas, Stahlgas, Raffine- dem Stand der Technik entsprechende Maßnahmen zu riegas, Synthesegas, Erdölgas aus der Tertiärförderung von vermindern, sind auszuschöpfen.“ Erdöl, Klärgas, Biogas, naturbelassenem Erdgas, Flüssiggas, Für Anlagen mit Luftvorwärmtemperaturen bis 200 °C Gasen der öffentlichen Gasversorgung oder Wasserstoff mit waren somit 500 mg/m3 (≈ 250 ppm) zugelassen. Der einer Feuerungswärmeleistung von weniger als 50 MW. Anstieg der Kurve in Bild 13 berücksichtigte den Einfluss Die Emissionen an Stickstoffmonoxid und Stickstoff- höherer Flammentemperaturen als Folge der Luftvorwär- dioxid im Abgas dürfen folgende Massenkonzentrationen, mung. Für die darin eingezeichnete max. Luftvorwärmtem- angegeben als Stickstoffdioxid, nicht überschreiten: 84 gaswärme international 5-2017
FACHBERICHTE ■■ a) bei Einsatz von Gasen der öffentlichen Gasversorgung [4] http://docplayer.org/docs-images/40/16521259/images/ 0,10 g/m3 page_8.jpg ■■ b) bei Einsatz anderer als unter Buchstabe a genannter Gase 0,20 g/m3.“ [5] ht tp://w w w. azl.r w th -aachen.de/uploads/pics/BMW_ Gegenüber der TA-Luft 2002 würde dies eine Reduzierung i3-Karosse um den Faktor 5 auf ca. 55 ppm bedeuten. Kritisch zu sehen ist dabei die Eingruppierung von [6] Wendt, P.: Haubenöfen für Blechbunde. In: Pfeifer, H.; Nacke, Hochtemperaturöfen mit typischen Prozesstemperaturen B.; Beneke, F. (Hrsg.): Praxishandbuch Thermoprozesstechnik, (Produkttemperaturen) von 1.100–1.300 °C in die gleiche Bd. 2. 2. Auflage. Essen: Vulkan-Verlag, 2011, Kapitel 3, S. 302- Gruppe wie z. B. Anlagen zur Erzeugung von Strom, Dampf 317 oder Warmwasser, wobei diese Anlagen max. 570 °C (Pro- dukttemperatur) erreichen (Dampf). Außerdem wird keine [7] Kuyucak, S.; Zavadil, R.; Gertsman, V.: Heat-treatment proces- Luftvorwärmung zur Effizienzsteigerung eingesetzt. Hier sing of austenitic manganese steels. 66th World Foundry sind noch Erläuterungen hinsichtlich der prägnanten Unter- Congress, Istanbul, Turkey, 2004 schiede von Industrieöfen und Anlagen zur Dampf- oder Warmwassererzeugung erforderlich. [8] http://www.worldautosteel.org WISSENSCHAFTLICHER NACHWUCHS [9] http://docplayer.org/docs-images/40/16521259/images/ Für die anstehenden Aufgaben im Bereich der Thermopro- page_8.jpg zesstechnik ist auch ausreichend technisch/wissenschaftli- cher Nachwuchs erforderlich. Die Anzahl der Studierenden [10] http://www.autoform.com/blog/parameter-der-planung- mit dem Fokus auf dem Gebiet der Werkstoff- und Pro- und-auslegung-von-pressharteprozessen-repost-of-hotfor- zesstechnik, darunter fällt auch das Gebiet Thermopro- ming-german/ zesstechnik bzw. Ofenbau, konnte in den zurückliegenden Jahren an der RWTH Aachen nachhaltig gesteigert werden [11] http://www.sae.org/dlymagazineimages/13693_20727_ACT. (Bild 14). Erreicht wurde dieses Ziel durch die Erweiterung jpg des Lehrangebotes, u. a. für ausländische Studierende, und der Einführung neuer Studiengänge wie z. B. Wirtschafts- [12] Chappuis, L. B.: Material specifications & recycling for the ingenieurwesen Werkstoff- und Prozesstechnik. 2015 Ford F-150. Ford Motor Company Das IOB trägt im Bereich der Lehre durch die Grundla- genvorlesungen [13] SMS group GmbH: https://www.sms-group.com/plants/all- ■■ Transportphänomene 1 und 2 plants/heat-and-chemical-treatment-lines/ ■■ Angewandte Wärmetechnik ■■ Simulationstechnik [14] Constellium and UACJ: https://www.slideshare.net/Constel- sowie die Vertiefungsvorlesungen lium/implementation- of-aluminum-in-high-volume - ■■ Industrieofentechnik car-body-design-and-manufacturing ■■ Berechnung und Auslegung von Industrieöfen ■■ Finite Volumenmethode [15] Eisenmann SE: Anlagen zur Carbonfaser-Production, http:// und andere maßgeblich zur Ausbildung des Nachwuchses thermal-solutions/leichtbaumaterialien/ carbonfaser.html, bei. 17.12.2015 LITERATUR [16] Hashagen, J.: Beitrag zur energieeffizienten Herstellung von [1] Schäfer, H.: Entwicklung und Struktur des Energiebedarfes Carbonfasern. Dissertation, Fakultät für Georessourcen und für wärmetechnische Prozesse. gwi – gaswärme international Materialtechnik, RWTH Aachen University, 2017 33 (1984) Nr. 6/7, S. 245-247 [17] Bundesumweltamt (Hrsg.): Treibhausgasneutrales Deutsch- [2] Pfeifer, H.; Nacke, B.; Beneke, F. (Hrsg.): Praxishandbuch Ther- land im Jahr 2050. Umweltbundesamt, Dessau, Oktober 2013 moprozesstechnik, Bd. 1, Kapitel 1, S. 2. 2. Auflage.. Essen: Vulkan-Verlag, 2010 [18] Pfeifer, H.: Handbuch Industrielle Wärmetechnik – Grundla- gen, Berechnungen, Verfahren. 2. Auflage. Essen: Vulkan Ver- [3] http://docplayer.org/docs-images/40/16521259/images/ lag, 2013, Anhang A page_8.jpg 5-2017 gaswärme international 85
FACHBERICHTE [19] Werner, A.; Schaumlechner, K.; Ponweiser, K.; Sparlink, W.; [23] Entwurf zur Anpassung der Ersten Allgemeinen Verwal Haider, K.: Potenziale zur Steigerung der Energieeffizienz in tungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz vom einem integrierten Hüttenwerk. Stahl und Eisen 128 (2008) 09.09.2016 Nr. 8, S. 47-51 [20] Kanthal: Resistance heating alloys and systems for industrial furnaces. Sandvik Materials Technology, Sept. 2011 AUTOR [21] TA Luft – Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft. Erste Univ.-Prof. Dr.-Ing. Herbert Pfeifer Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissions- Institut für Industrieofenbau und Wärme- schutzgesetz, vom 27. Februar 1986 technik, RWTH Aachen University [22] TA Luft – Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft, Erste Aachen Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissions- Tel.: 0241 / 80-25935 schutzgesetz, vom 24. Juli 2002 pfeifer@iob.rwth-aachen.de Praxishandbuch Thermoprozesstechnik Band I: Grundlagen | Prozesse | Verfahren Praxishandbuch Thermoprozesstechnik Band I: Grundlagen | Prozesse | Verfahren Herausgeber: Herbert Pfeifer, Bernard Nacke, Franz Beneke 3. Auflage 2018 Seiten: ca. 620 ISBN Buch: 978-3-8027-3085-6 ISBN eBook: 978-3-8027-3086-3 Preis: € 130,- Erscheint im November 2017 86 www.prozesswaerme.net/shop gaswärme international 5-2017 Weitere Informationen: +49 201 82002-14 | bestellung@vulkan-verlag.de
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