Trends in der Thermoprozess-technik - von Herbert Pfeifer - Prozesswärme

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Trends in der Thermoprozess-technik - von Herbert Pfeifer - Prozesswärme
FACHBERICHTE

Trends in der Thermoprozess-
technik
von Herbert Pfeifer

Die Trends der Thermoprozesstechnik werden in die Themengruppen Technik, Umwelt und Gesellschaft gegliedert
und ausgewählte Unterpunkte werden detaillierter diskutiert. Als Technik-Beispiel wird ein Quervergleich für die Werk-
stoffe Stahl, Aluminium und kohlefaserverstärkte Kunststoffe für Automobil-Leichtbaukonstruktionen durchgeführt.
Die Anforderungen daraus an die Ofentechnik einschließlich der Kühltechnik werden beleuchtet. Aus der Thematik
„Energie- und Umwelttechnik“ werden die Beispiele Elektrifizierung eines Wiedererwärmungsofens für Knüppel sowie
die ggf. zukünftigen, verschärften Anforderungen der TA-Luft an die NOx-Emissionen herausgegriffen. Die Aktivi-
täten des Instituts für Industrieofenbau und Wärmetechnik (IOB) der RWTH Aachen in der Lehre zur Qualifizierung
des wissenschaftlichen Nachwuchses schließen den Beitrag ab.

Trends in thermoprocess technologies
The trends in thermoprocess technologies are divided into technical, environmental and social aspects and spe-
cific topics are discussed. As a technical example a cross-comparison of the materials steel, aluminum and carbon
fiber reinforced plastic (CFRP) for automotive lightweight constructions is done, which results in the future require-
ments for the industrial furnace technology, especially the cooling technologies. In the topic energy and environ-
mental technologies, the electrification of a reheating furnace for billets and the future challenges concerning
NOX emissions were presented. The article ends with the activities of the Department for Industrial Furnaces and
Heat Engineering in teaching and qualification of young scientific researches in the fields of industrial furnace and
thermoprocess technologies.

D
          ie Verfahrens- und Anlagentechnik der Thermopro-      chen ist gemeinsam, dass die thermische Behandlung der
          zesstechnik spannt einen weiten Bogen über die        Materialien die exakte Einstellung von Prozessparametern
          unterschiedlichsten Materialien und Werkstoffe, die   (Temperatur, Zeit, Prozessatmosphäre u. a.) erfordert, damit
in ihrer Gesamtheit den technisch wirtschaftlich nutzbaren      die Produkte optimale Eigenschaften aufweisen.
Bereich von niedrigen bis insbesondere hohen Temperatu-            Für den verallgemeinerten Begriff der Thermoprozess-
ren abdecken. Bild 1 ordnet die wichtigsten Branchen der        technik kann somit eine allgemeine Definition lauten:
Roh- und Grundstoffindustrie hinsichtlich des Energieein-          „Prozess- und Anlagentechnik zur thermochemischen
satzes und der Prozesstemperaturen. Dabei liegen Maxima         und thermophysikalischen Behandlung von Materialien
im Temperaturbereich bis 400 °C und von 900–1.500 °C            und Werkstoffen derart, dass die optimalen Produkteigen-
vor. Im unteren Temperaturbereich liegen insbesondere           schaften durch die gezielte Einstellung und Regelung der
die Industriezweige Chemie, Textil und Zucker. Im Tempe-        Guttemperatur und der Prozessatmosphäre wirtschaftlich
raturbereich T ≥ 600 °C findet man die energieintensiven        und ökologisch eingestellt werden.“ [2]
Sparten NE-Metalle, Eisen und Stahl, Glas, Feinkeramik sowie    Die aktuellen Themengebiete der “Thermoprozess-Bran-
Steine und Erden. Nicht dargestellt sind Sonderverfahren,       che” sind in Bild 2 skizziert und nach den Themen
wie die Herstellung von Carbonfasern oder hochschmel-           ■■ Technik,
zender Refraktärmetalle, für die Temperaturen im Bereich        ■■ Umwelt und
von 2.000–3.000 °C erforderlich sind. Allen diesen Bran-        ■■ Gesellschaft

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Bild 1: Energiebedarf und Prozesstemperaturen von Industrie­
        sektoren, nach [1]                                                  Bild 2: Spannungsfeld der Thermoprozesstechnik

                untergliedert. Weitere Top-Themen der Branche sind u. a.:       ■■   Wissenschaftlicher Nachwuchs und Zukunft der Insti-
                ■■ Energieeinsparung und CO2-Senkung durch die Verbes-               tute für Industrieofentechnik bzw. angewandte Wär-
                   serung der Energieeffizienz                                       metechnik.
                ■■ Gefahr des Wegfalls von Marktsegmenten (Wandel),
                   z. B. durch Elektromobilität                                 ANFORDERUNG FÜR NEUE AUTOMOTIVE-
                ■■ Neue hochfeste Stahl- und Aluminium-Werkstoffe und           WERKSTOFFE
                   C-Fasern für die Anwendung im Leichtbau (Automo-             Der Bereich Automotive nutzt zur Leichtbaukonstruktion
                   bilindustrie)                                                vermehrt metallische hochfeste Stahl- und Aluminium-
                ■■ Flexible, additive Fertigung                                 Werkstoffe und hat den Einstieg in die Verwendung von
                ■■ Elektrifizierung der Industrie (C-freie Energieversorgung)   Carbonfasern-Kunststoff-Verbunde gewagt (Bild 3).
                ■■ Verbrennung, Brenngasbeschaffenheit und Emissionen,             Hier stehen insbesondere die Auswirkungen und Her-
                   Biobrennstoffe                                               ausforderungen an die Thermoprozesstechnik im Fokus.
                                                                                                    Diese Trends sind stark gekoppelt
                                                                                                    mit neuen Ofentechniken für höhere
                                                                                                    Temperaturen und sehr hohe Abkühl-
                                                                                                    raten (in Verbindung mit einer gleich-
                                                                                                    bleibend guten Planheit).

                                                                                                     Stahl – Hochfeste Stähle
                                                                                                     Das Portfolio der Stahlsorten für
                                                                                                     Flachstahl zeigt Bild 4. Während
                                                                                                     weiche Tiefzieh-Stahlsorten im
                                                                                                     Batch in Haubenöfen unter 100 % H2
                                                                                                     geglüht werden [6], ist die Wärmebe-
                                                                                                     handlung hochfester austenitischer
                                                                                                     Mangan-Stähle charakterisiert durch
                                                                                                     die Bildung spröder interkristalliner
                                                                                                     Karbide durch langsames Abkühlen
                                                                                                     oder Aufheizen im Temperaturbereich
Bild 3: Leichtbau und Werkstoffentwicklung – Neue hochfeste Stahl- und Aluminium-                   von 400–800 °C. Diese werden durch
        Werkstoffe sowie C-Faser-Verbundwerkstoffe [3–5]                                             Lösungsgühen über 1.000 °C und
                                                                                                     nachfolgender schneller Abkühlung
                                                                                                     (Quenchen) vermieden. Die Kinetik

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der Karbidbildung folgt der typischen C-Kur-
ve im isothermen Umwandlungsschaubild,
wobei das höchste Wachstum (Karbid-Nase)
im Bereich von 600–650 °C liegt [7].
    Die Herstellung hochfester Flachstähle
erfordert moderne Stranggießtechnik, leis-
tungsfähige Tandemstraßen und kontinuier-
liche Glühlinien mit Schnellkühlsystemen. Für
vorhandene Glühanlagen bedeutet dies die
Umrüstung vorhandener Anlagentechnik bei
einem gleichzeitigen Trend hin zu dünneren
und breiteren Bändern sowie hohen Anfor-
derungen an die Bandplanheit. Daraus resul-
tieren grundlegende Untersuchungen zum
lokalen Wärmeübergang in Düsenfeldern
und der Wechselwirkung von Kühlfluid und
Band (Fluid-Struktur-Interaktion). Zu diesem        Bild 4: Hochfeste Stähle, nach [8]
Zweck sind am Institut für Industrieofenbau
und Wärmetechnik der RWTH Aachen (IOB)
diverse Versuchsstände zur Ermittlung des
lokalen Wärmeübergangskoeffizienten für
Düsenfelder (Bild 5a) und der Wechselwir-
kung von Strömung und Band in Kühlzonen
kontinuierlicher Bandanlagen (Bild 5c) kon-
zipiert und aufgebaut worden. Mit diesen
Anlagen können Komponenten im indust-
riellen Maßstab erprobt und charakterisiert
werden. Bild 5b zeigt beispielhaft die Vertei-
lung des lokalen Wärmeübergangskoeffizi-
enten für ein Runddüsenfeld und Bild 5d die
mittels CFD simulierte Strömung des Kühl-
fluids für ein Schlitzdüsensystem mit einer
zugehörigen Bandform.
    Weitere Versuchsstände sind für Wasser-
sprühkühlsysteme und die Kühlung mit Was-
serstoff für hohe Drücke in der Erprobung.
Mit diesen experimentellen Untersuchungs-
methoden und den zur Verfügung stehen-
den Simulationsmethoden (CFD, FEM) ist
das IOB gut ausgerüstet, dieses Problemfeld
für die nächste Generation kontinuierlicher
Glühanlagen zu bearbeiten.                          Bild 5: Versuchsstände zur experimentellen Bestimmung des Wärmeübergangs von
                                                            Düsenfeldern und zur Wechselwirkung von Düsenfeldströmung und Band
Stahl – Presshärten
Ein wichtiger Aspekt bei der Entwicklung
neuer Werkstoffe und der zugehörigen Pro-
zess- und Anlagentechnik ist der Wettbewerb unterein-        teter Teile von 6 auf 28 % beim Übergang vom Golf VI
ander. Da die Entwicklungsdauer innovativer Werkstoffe       auf den Golf VII bei einer Verringerung der Masse von 268
bis zur Einsatzreife u. a. zehn Jahre und mehr betragen      auf 245 kg auf.
kann, besteht auch die Gefahr, dass sich andere Werkstoffe      Für das Presshärten von Platinen von Karosseriebauteilen
und/oder Prozesse für ähnliche Fragestellungen anbieten      war die Entwicklung neuartiger Platinen-Erwärmungsöfen
und Marktanteile erobern. Als Beispiel ist das Presshär-     erforderlich. Diese Schutzgasöfen müssen als integraler
ten zu nennen. Bild 6 weist einen Anstieg pressgehär-        Bestandteil einer Presshärtelinie (Bild 7) exakt auf die

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                                                                                        Die Ankündigung der Fa. Ford den Typ Ford F-150
                                                                                        in Aluminium-Leichtbauweise zu fertigen (Bild 8),
                                                                                        führte u. a. zu einem weltweiten Investment-Boom
                                                                                        in der Aluminiumbranche.
                                                                                            Verwendet werden Aluminiumsorten Al 6xxx
                                                                                        mit ca. 0,5–1 % Silizium und 0,4–1 % Magnesium
                                                                                        (Bildung von Mg2Si). 6xxx Legierungen zeichnen
                                                                                        sich durch gute Umformbarkeit, Schweißbarkeit, Ver-
                                                                                        arbeitbarkeit und Korrosionsbeständigkeit aus. Der
                                                                                        Mengenbedarf für das Modell Ford F-150 wird mit
                                                                                        > 275 000 t/a angegeben [12]. Die Investitionssum-
                                                                                        me zur Erweiterung und Ver­besserung der Gieß-,
                                                                                        Walz- und Wärme­behandlungs­anlagen lag in den
                                                                                        USA und Europa in den vergangenen Jahren in der
                                                                                        Größenordnung von 3–5 Mrd €.
Bild 6: Veränderungen der verwendeten Stahlsorten in der Automobil­                        Die kontinuierlichen Durchlaufglühanlagen
         industrie [9]                                                                  (CALP) beinhalten u. a. die folgenden Prozessschritte
                                                                                        (Bild 9)
                                                                                        ■■ Lösungsglühung
                                                                                        ■■ Quenching und
                                                                                        ■■ Alterung.
                                                                                        Die hohen Anforderungen an die Kühleinheiten
                                                                                        solcher kontinuierlicher Bandglühanlagen für Al
                                                                                        6xxx Legierungen sind
                                                                                        ■■ Wasser-Quenche (regelbar): Abkühlraten To ≈
                                                                                            25–100 K/s
                                                                                        ■■ Temperaturbereich: T = 250–480 °C
                                                                                        ■■ Banddicke: 0,5–5 mm
                                                                                        ■■ Homogener Wärmeübergang über Bandbreite
                                                                                            und -länge
                                                                                        ■■ Planheit
                                                                                        ■■ Flexibilität hinsichtlich Aluminiumsorte, Banddi-
                                                                                            cke und Bandbreite.

                                                                                         Auf den Gebieten der Schnellkühlung mit Gas,
                                                                                         Wasser-Luft-Düsen sowie Wasser-Sprühdüsen
                                                                                         besteht aktuell ein großer Forschungsbedarf, um
Bild 7: Presshärten – Ofen als integrales Element einer Bauteilfertigung [10]           insbesondere das vorhandene Wissen im Bereich
                                                                                         der vorher genannten Werkstoffe und Prozesspa-
                                                                                         rameter zu vertiefen und bisher wenig erforschte
                                                                                         Sekundäreffekte zu berücksichtigen. Dazu gehört
                 Taktrate der Presse abgestimmt sein. Dabei muss ein vor-        auch die Beschreibung der Bandmechanik mittels nume-
                 gegebenes Prozessfenster (Temperatur, Zeit) realisiert wer-     rischer Simulationen.
                 den und Probleme, wie die Wechselwirkung aluminierter
                 Oberflächen und keramischer Rollen, gelöst werden. Zum          Kohlefaser verstärkte Kunststoffe (CFK)
                 Einsatz kommt dabei z. B. ein kaltgewalzter Vergütungs-         In den Modellen i3 und i8 von BMW wird ein für die Indus-
                 stahl 22MnB5, der sich durch niedrige Legierungsanteile         trie gänzlich neuer Weg im Consumerbereich durch die
                 auszeichnet. Vielfach steht auch nur ein limitiertes Platzan-   Verwendung von CFK beschritten (Bild 3). Bisher ist das
                 gebot für den Ofen in der Fertigungslinie zur Verfügung,        Hauptanwendungsgebiet von CFK für Strukturbauteile im
                 sodass u. a. platzsparende Mehrkammeröfen entwickelt            Bereich der Luft- und Raumfahrt. Aus Sicht der Thermopro-
                 werden mussten. In der letzten Dekade sind weltweit             zesstechnik sind die folgenden zwei Prozessschritte für die
                 ca. 350 Rollenherd-Ofenanlagen installiert worden.              Herstellung von Kohlefasern von Bedeutung:

80                                                                                                               gaswärme international   5-2017
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         Bild 8: Ford F 150 in Leichtbauweise [11]

■■  Stabilisierung und Oxidation der PAN-(Polyacrylnitril)-   (vertical-down-flow, horizontal-cross-flow bzw. center-to-
    Precursoren im Niedertemperaturbereich (ca. 200–          end-flow) verwendet. Das Prinzip hat auch gleichzeitig
    300 °C) unter Luft und einer typischen Prozessdauer       den Vorteil, dass bei Überhitzung der Fasern die auftreten-
    von ca. 90 min                                            den Energien des dann exothermen Prozesses abgeführt
■■ Grafitisierung im Temperaturbereich von 1.000–1.500 °C     werden können. Sowohl die Stabilisierungsöfen als auch
    unter N2/Ar-Atmosphäre und einer kurzen charakteris-      die Grafitisierungsöfen werden elektrisch beheizt, sodass
    tischen Prozesszeit von 90 s.                             für Neubauprojekte Regionen mit günstiger Elektrizitäts-
Die Stabilisierung und Oxidation der PAN-Fasern erfolgt       Infrastruktur bevorzugt werden.
in sogenannten Mass-Flow-Öfen (Bild 10). In diesen Fäl-           Die weltweite jährliche Produktionskapazität für Koh-
len werden hohe Gasvolumenströme zur Umströmung               lefasern ist im Vergleich zu Stahl und Aluminium mit
der Fasern mit unterschiedlichen Strömungsrichtungen          ca. 110.000 t/a in 2014 [16] noch gering. Die hergestell-

         Bild 9: CALP-Linie für Aluminium (CALP: Continuous Annealing Line and Pre-Treatment) [13–14]

5-2017   gaswärme international                                                                                                81
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                                                                                                    ENERGIE- UND UMWELT-
                                                                                                    TECHNIK

                                                                                                   Energiewende – Elektrifizierung
                                                                                                   von Erwärmungsöfen
                                                                                                   Das Ziel, die CO2-Emissionen in
                                                                                                   Deutschland um 40 % im Zeitraum
                                                                                                   von 1990–2020 zu senken, wird wohl
                                                                                                   nach dem aktuellen Stand des Wis-
                                                                                                   sens verfehlt werden. Allein aus dieser
                                                                                                   Sichtweise erscheinen die CO2-Emis-
                                                                                                   sionsreduktionsziele von 80–95 % bis
                                                                                                   zum Jahr 2050 als sehr ambitioniert. In
                                                                                                   einer Studie des Umweltbundesamtes
                                                                                                   UBA aus dem Jahre 2013 zum Thema
                                                                                                   „Treibhausgasneutrales Deutschland
Bild 10: Anlage zur Herstellung von Carbonfasern mit Oxidations- und Grafitisierungsöfen,         im Jahr 2050” [17] wird ausgeführt:
         nach [15–16]                                                                              „Beispielsweise gehen wir in der Stu-
                                                                                                   die davon aus, dass es in der Stahlin-
                                                                                                   dustrie keine Primärstahlerzeugung
                                                                                                   über die Hochofen-Oxygenstahl-
                  ten Carbonfasern werden zu ca. 20 % in der Luftfahrt- Route mehr gibt. Dafür wird die Elektrostahlerzeugung
                  industrie und zu 65 % in der Industrie eingesetzt. Für mittels Schrott und Schwammeisen (DRI) massiv ausgebaut.
                  die Automobilindustrie werden sogenannte “large-tow Als Energieträger für die Direktreduktion dient dann aus-
                  carbon fibers” (geringere Kosten, höhere Produktivität schließlich regenerativ erzeugtes Methangas und für die
                  und mittlere mechanische Eigenschaften) bevorzugt Elektrolichtbogenöfen sowie die Walzwerksöfen kommt
                  verwendet.                                                   ausschließlich regenerativer Strom zum Einsatz.“

Bild 11: Energieflussdiagramm eines Stoßofens [19]

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         Bild 12: Zulässige oberflächenspezifische Leistungen für ferritische Heizleiterelemente [20]

   Leider werden solche Statements viel zu oft ohne den         Schienensystem, betragen ca. 13 %. Für einen vollständig
nötigen Sachverstand geäußert. Es soll im Folgenden abge-       elektrisch beheizten Ofen kann deshalb von einem Nut-
schätzt werden, wie hoch etwa der Strombedarf nur für die       zungsgrad von ca. 85 % ausgegangen werden.
Wiedererwärmungsöfen in den deutschen Walzwerken ist               Nachfolgend soll die Fragestellung angegangen
und ob überhaupt ausreichend Fläche für eine elektrische        werden, ob solche Öfen als widerstandsbeheizte Typen
Beheizung vorhanden ist.                                        ausgeführt werden können und welcher Anteil regene-
   Die jährliche Erzeugung warmgewalzter Stähle betrug          rativ erzeugten Stroms dafür erforderlich ist. Durch die
ca. 43 Mio. t im Jahr 2000 und 40,4 Mio. t im Jahr 2015. Die    Anwendungstemperatur von bis zu 1.300 °C und den guten
Halbzeuge sind dann u. a. warmgewalztes Band (Flachpro-         Eigenschaften unter oxidierenden Atmosphären bieten sich
dukte) sowie Draht und Stabstahl (Langprodukte). Dafür          ferritische Fe-Cr-Al Widerstandsheizelemente an. Bild 12
werden die Gießprodukte wie Brammen, Knüppel und                zeigt die zulässigen flächenspezifischen Leistungen für
Vorblöcke (Blooms) in Stoß- und Hubbalkenöfen sowie             verschiedene Ausführungsarten dieser Widerstandsheiz-
Drehherdöfen auf Warmwalztemperaturen im Bereich von            elemente. Vergleichend sind auch die Werte für metalli-
1.060–1.260 °C [18] erwärmt.                                    sche und keramische Strahlheizrohre eingetragen. Diese
   Bild 11 zeigt exemplarisch das Sankey-Diagramm des           liegen in der gleichen Größenordnung wie die Werte für
Energieflusses eines Stoßofens für ein Warmbandwalzwerk.        die Heizleiterelemente.
Der spezifische Energiebedarf beträgt ca. 1,25 GJ/t. Der           Für den Beispielofen aus Tabelle 1 ergibt sich für eine
energetische Nutzungsgrad von 65 % stellt den Stand der         mittlere zulässige spezifische Leistung von 47,5 W/cm2 und
Technik dar. Die Wand- und Kühlwasserverluste, z. B. für das    der elektrischen Anschlussleistung von 60 MW ein Flächen-

Tabelle 1: Kennzahlen eines gasbeheizten Stoßofens zu Erwärmung von Stahlknüppeln und die vergleichenden
            Daten eines elektrisch beheizten Ofens
  Bezeichnung                               Gasbeheizter Ofen                       Elektrisch beheizter Ofen
  Produktivität in t/h                      180                                     180
  Ofenabmessungen L x B                     19,5 m x 14,8 m                         19,5 m x 14,8 m
  Installierte Leistung                     79 MW                                   60 MW
  Energiebedarf für Kalteinsatz             300 kWh/t                               240 kWh/t
  Ziehtemperatur                            1.130 °C                                1.130 °C
  Leistung für Nennleistung                 55 MW                                   42 MW
  Wirkungsgrad                              65 %                                    85 %

5-2017   gaswärme international                                                                                                 83
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Bild 13: Auszug aus der TA-Luft von 1986 [21]       Bild 14: Entwicklung der Studentenzahlen im Bereich der Fach­gruppe MuW

                bedarf von Aerf = 1.250 m2. Für den Oberofen steht mit         peratur von ca. 650 °C ist somit eine Massenkonzentration
                der Decke und den Seitenwänden lediglich eine Fläche           von 1.300 mg/m3 (≈ 700 ppm) zulässig.
                von ca. 350 m2 zur Verfügung. Die Bodenfläche kommt                Die Erhöhung der Luftvorwärmtemperaturen, ver-
                für die Installation von Heizleiterelementen nicht infrage,    bunden mit der einhergehenden Steigerung des feue-
                da dieser durch herabfallenden Zunder bedeckt ist. Somit       rungstechnischen Wirkungsgrads und des Gesamtwir-
                existiert ein klassisches Platzproblem zur Unterbringung       kungsgrads, wurde in der Thermoprozesstechnik in der
                der erforderlichen Heizleiter. Andere Fragestellungen sind     Vergangenheit durch die Entwicklung moderner Verfahren
                in diesem Zusammenhang die Lebensdauer der Heizele-            zur rekuperativen und regenerativen Luftvorwärmung rea-
                mente bei höheren Sauerstoffgehalten in der Ofenatmo-          lisiert. In der TA-Luft 2002 [22] wurde nur noch ein von der
                sphäre und das Vorhandensein von Gießhilfsmitteln vom          Verbrennungslufttemperatur unabhängiger Maximalwert
                Stranggießprozess oder die Zunderbildung bei höheren           festgelegt.
                Sauerstoffgehalten und das Entzunderungsverhalten der              „Bei Wärmeöfen, z. B. Stoßöfen und Hubbalkenöfen,
                Brammen oder Knüppel.                                          dürfen die Emissionen an Stickstoffmonoxid und Stick-
                                                                               stoffdioxid im Abgas die Massenkonzentration 0,50 g/m3,
                NOx-Emissionen                                                 angegeben als Stickstoffdioxid, nicht überschreiten.“
                Die zulässigen NOx-Emissionen von Wärm- und Wärmebe-               Diese Vorgabe konnte auch erfolgreich durch verbren-
                handlungsöfen sind in der TA-Luft geregelt. Die Emissions-     nungstechnische Maßnahmen, wie die gestufte Verbren-
                werte beziehen sich auf einen Volumengehalt an Sauerstoff      nung oder die flammlose Oxidation (FLOX), im Ofenbau
                im Abgas von 5 %.                                              realisiert werden.
                   In der TA-Luft von 1986 war formuliert [21]: „Die Emissi-       Im aktuellen Referentenentwurf zur Anpassung der
                onen an Stickstoffmonoxid und Stickstoffdioxid dürfen im       TA-Luft wird für die Industrieöfen keine Unterscheidung
                Abgas von Anlagen mit Vorwärmung der Verbrennungs-             zu anderen Anlagen durchgeführt. Hier ist formuliert [23]:
                luft auf 200 °C oder mehr die sich aus dem Diagramm            „5.4.1.2.2 Anlagen zur Erzeugung von Strom, Dampf, Warm-
                (Abb. 4) ergebende Massenkonzentration, angegeben als          wasser, Prozesswärme oder erhitztem Abgas in Feuerungs-
                Stickstoffdioxid, nicht überschreiten; die Möglichkeiten,      anlagen durch den Einsatz von gasförmigen Brennstoffen,
                die Emissionen durch feuerungstechnische und andere            insbesondere Koksofengas, Grubengas, Stahlgas, Raffine-
                dem Stand der Technik entsprechende Maßnahmen zu               riegas, Synthesegas, Erdölgas aus der Tertiärförderung von
                vermindern, sind auszuschöpfen.“                               Erdöl, Klärgas, Biogas, naturbelassenem Erdgas, Flüssiggas,
                   Für Anlagen mit Luftvorwärmtemperaturen bis 200 °C          Gasen der öffentlichen Gasversorgung oder Wasserstoff mit
                waren somit 500 mg/m3 (≈ 250 ppm) zugelassen. Der              einer Feuerungswärmeleistung von weniger als 50 MW.
                Anstieg der Kurve in Bild 13 berücksichtigte den Einfluss          Die Emissionen an Stickstoffmonoxid und Stickstoff-
                höherer Flammentemperaturen als Folge der Luftvorwär-          dioxid im Abgas dürfen folgende Massenkonzentrationen,
                mung. Für die darin eingezeichnete max. Luftvorwärmtem-        angegeben als Stickstoffdioxid, nicht überschreiten:

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Trends in der Thermoprozess-technik - von Herbert Pfeifer - Prozesswärme
FACHBERICHTE

■■  a) bei Einsatz von Gasen der öffentlichen Gasversorgung            [4] http://docplayer.org/docs-images/40/16521259/images/
    0,10 g/m3                                                              page_8.jpg
■■ b) bei Einsatz anderer als unter Buchstabe a genannter
    Gase 0,20 g/m3.“                                                   [5] ht tp://w w w. azl.r w th -aachen.de/uploads/pics/BMW_
Gegenüber der TA-Luft 2002 würde dies eine Reduzierung                     i3-Karosse
um den Faktor 5 auf ca. 55 ppm bedeuten.
   Kritisch zu sehen ist dabei die Eingruppierung von                  [6] Wendt, P.: Haubenöfen für Blechbunde. In: Pfeifer, H.; Nacke,
Hochtemperaturöfen mit typischen Prozesstemperaturen                       B.; Beneke, F. (Hrsg.): Praxishandbuch Thermoprozesstechnik,
(Produkttemperaturen) von 1.100–1.300 °C in die gleiche                    Bd. 2. 2. Auflage. Essen: Vulkan-Verlag, 2011, Kapitel 3, S. 302-
Gruppe wie z. B. Anlagen zur Erzeugung von Strom, Dampf                    317
oder Warmwasser, wobei diese Anlagen max. 570 °C (Pro-
dukttemperatur) erreichen (Dampf). Außerdem wird keine                 [7] Kuyucak, S.; Zavadil, R.; Gertsman, V.: Heat-treatment proces-
Luftvorwärmung zur Effizienzsteigerung eingesetzt. Hier                    sing of austenitic manganese steels. 66th World Foundry
sind noch Erläuterungen hinsichtlich der prägnanten Unter-                 Congress, Istanbul, Turkey, 2004
schiede von Industrieöfen und Anlagen zur Dampf- oder
Warmwassererzeugung erforderlich.                                      [8] http://www.worldautosteel.org

WISSENSCHAFTLICHER NACHWUCHS                                           [9] http://docplayer.org/docs-images/40/16521259/images/
Für die anstehenden Aufgaben im Bereich der Thermopro-                     page_8.jpg
zesstechnik ist auch ausreichend technisch/wissenschaftli-
cher Nachwuchs erforderlich. Die Anzahl der Studierenden               [10] http://www.autoform.com/blog/parameter-der-planung-
mit dem Fokus auf dem Gebiet der Werkstoff- und Pro-                       und-auslegung-von-pressharteprozessen-repost-of-hotfor-
zesstechnik, darunter fällt auch das Gebiet Thermopro-                     ming-german/
zesstechnik bzw. Ofenbau, konnte in den zurückliegenden
Jahren an der RWTH Aachen nachhaltig gesteigert werden                 [11] http://www.sae.org/dlymagazineimages/13693_20727_ACT.
(Bild 14). Erreicht wurde dieses Ziel durch die Erweiterung                jpg
des Lehrangebotes, u. a. für ausländische Studierende, und
der Einführung neuer Studiengänge wie z. B. Wirtschafts-               [12] Chappuis, L. B.: Material specifications & recycling for the
ingenieurwesen Werkstoff- und Prozesstechnik.                              2015 Ford F-150. Ford Motor Company
   Das IOB trägt im Bereich der Lehre durch die Grundla-
genvorlesungen                                                         [13] SMS group GmbH: https://www.sms-group.com/plants/all-
■■ Transportphänomene 1 und 2                                              plants/heat-and-chemical-treatment-lines/
■■ Angewandte Wärmetechnik
■■ Simulationstechnik                                                  [14] Constellium and UACJ: https://www.slideshare.net/Constel-
sowie die Vertiefungsvorlesungen                                           lium/implementation- of-aluminum-in-high-volume -
■■ Industrieofentechnik                                                    car-body-design-and-manufacturing
■■ Berechnung und Auslegung von Industrieöfen
■■ Finite Volumenmethode                                               [15] Eisenmann SE: Anlagen zur Carbonfaser-Production, http://
und andere maßgeblich zur Ausbildung des Nachwuchses                       thermal-solutions/leichtbaumaterialien/       carbonfaser.html,
bei.                                                                       17.12.2015

LITERATUR                                                              [16] Hashagen, J.: Beitrag zur energieeffizienten Herstellung von
[1] Schäfer, H.: Entwicklung und Struktur des Energiebedarfes              Carbonfasern. Dissertation, Fakultät für Georessourcen und
     für wärmetechnische Prozesse. gwi – gaswärme international            Materialtechnik, RWTH Aachen University, 2017
     33 (1984) Nr. 6/7, S. 245-247
                                                                       [17] Bundesumweltamt (Hrsg.): Treibhausgasneutrales Deutsch-
[2] Pfeifer, H.; Nacke, B.; Beneke, F. (Hrsg.): Praxishandbuch Ther-       land im Jahr 2050. Umweltbundesamt, Dessau, Oktober 2013
     moprozesstechnik, Bd. 1, Kapitel 1, S. 2. 2. Auflage.. Essen:
     Vulkan-Verlag, 2010                                               [18] Pfeifer, H.: Handbuch Industrielle Wärmetechnik – Grundla-
                                                                           gen, Berechnungen, Verfahren. 2. Auflage. Essen: Vulkan Ver-
[3] http://docplayer.org/docs-images/40/16521259/images/                   lag, 2013, Anhang A
     page_8.jpg

5-2017   gaswärme international                                                                                                                  85
Trends in der Thermoprozess-technik - von Herbert Pfeifer - Prozesswärme
FACHBERICHTE

               [19] Werner, A.; Schaumlechner, K.; Ponweiser, K.; Sparlink, W.;      [23] Entwurf zur Anpassung der Ersten Allgemeinen Verwal­
                   Haider, K.: Potenziale zur Steigerung der Energieeffizienz in           tungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz vom
                   einem integrierten Hüttenwerk. Stahl und Eisen 128 (2008)               09.09.2016
                   Nr. 8, S. 47-51

               [20] Kanthal: Resistance heating alloys and systems for industrial
                   furnaces. Sandvik Materials Technology, Sept. 2011                                   AUTOR

               [21] TA Luft – Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft. Erste                      Univ.-Prof. Dr.-Ing. Herbert Pfeifer
                   Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissions-                              Institut für Industrieofenbau und Wärme-
                   schutzgesetz, vom 27. Februar 1986                                                   technik,
                                                                                                        RWTH Aachen University
               [22] TA Luft – Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft, Erste                      Aachen
                   Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissions-                              Tel.: 0241 / 80-25935
                   schutzgesetz, vom 24. Juli 2002                                                      pfeifer@iob.rwth-aachen.de

     Praxishandbuch
     Thermoprozesstechnik
     Band I: Grundlagen | Prozesse | Verfahren

                                               Praxishandbuch
                                               Thermoprozesstechnik
                                               Band I: Grundlagen | Prozesse | Verfahren

                                               Herausgeber:      Herbert Pfeifer, Bernard Nacke, Franz Beneke
                                                                 3. Auflage 2018
                                               Seiten:           ca. 620
                                               ISBN Buch:        978-3-8027-3085-6
                                               ISBN eBook:       978-3-8027-3086-3
                                               Preis:            € 130,-

                                               Erscheint im November 2017

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     www.prozesswaerme.net/shop
                                                                                                                         gaswärme international   5-2017
     Weitere Informationen: +49 201 82002-14 | bestellung@vulkan-verlag.de
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