Mitochondriale Dysfunktion - Eine aktuelle Übersicht - Lab4more

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Mitochondriale Dysfunktion -
Eine aktuelle Übersicht
Wilfried P. Bieger

Zu unterscheiden sind die Mitochondriopathien, seltene hereditäre oder erworbene somati-
sche Mutationen der mitochondrialen oder nukleären DNA (engl. Deoxyribonucleic Acid; dtsch.
Desoxyribonukleinsäure - DNS) und die Mitochondriale Dysfunktion, die durch reversible oder
irreversible Inaktivierung mitochondrialer Enzymsysteme bzw. Schädigung mitochondrialer
Funktionskomplexe durch Stickstoff-Sauerstoff- bzw. Sauerstoff-Radikale (NOS/ROS) entsteht.
Mitochondriopathien führen zur progressiven Inaktivierung der Atmungskette und der anderen
mitochondrialen Funktionen und in der Folge zu schwerwiegenden Neuropathien, Enzephalo-
pathien, Kardio-/Myopathien und Endokrinopathien. Die vielfach häufigere mitochondriale
Dysfunktion wird heute bei zahllosen Erkrankungen intensiv diskutiert und als wichtiger Teil des
Krankheitsgeschehens erkannt.
In Folgenden werden Genetik und Pathophysiologie der mitochondrialen Störungen dargestellt,
die diagnostischen Möglichkeiten und Ansätze der Mitochondrientherapie diskutiert.
Schlüsselwörter: Mitochondriopathie, Mitochondriale Dysfunktion, Genetik, Atmungskette, ROS, NOS,
Peroxynitrit, Glutathion

                                                 Einführung         Die wichtigsten mitochondrialen Funktionen sind:
                                                                    r &OFSHJFQSPEVLUJPO
Mitochondrien sind subzelluläre Organellen mit doppelter            r $BMDJVNTQFJDIFS
Membran, die sich aus ursprünglich autonomen bakteriellen           r "LUJWJFSVOHEFS*NNVOBCXFIS
Organismen entwickeln und die Energieversorgung der Zellen          r ;FMMQSPMJGFSBUJPO "QPQUPTF
übernommen haben. Die äußere Membran der Mitochondrien ist          r 3FHVMBUJPOEFT[FMMVMÅSFO.FUBCPMJTNVT
für kleine bis mittelgroße Moleküle durchlässig, für die Passage    r 4UFSPJETZOUIFTF
der inneren Membran sind spezifische Transporter erforder-
lich. Nach der Integration in eukaryotische Zellen hat sich eine
perfekte Symbiose entwickelt, die zu engster Verflechtung des                                          Mitochondriopathien
mitochondrialen mit dem eukaryontischen Genom geführt hat.
1963 wurde entdeckt, dass Mitochondrien eine eigene DNA             Mitochondrien können sich unabhängig vom Zellzyklus ver-
haben (NASS & NASS 1963). Das mitochondriale Genom wird             mehren, sich teilen oder auch fusionieren und u.U. lange
in der Regel ausschließlich mütterlicherseits vererbt. Väterliche   Ketten fusionierter Mitochondrien bilden („Fission and Fusion“).
Mitochondrien werden frühzeitig nach der Konzeption eliminiert.     Normalerweise sind alle Kopien der Mitochondrien in einer Zelle
Die Strukturaufklärung hat gezeigt, dass das eigene mitochon-       identisch. Spontane Mutationen können einen oder beide Stränge
driale Genom als doppelsträngiges, zirkuläres Molekül in bis zu     des mtDNA-Doppelstrangs betreffen und im Rahmen mito-
10 Kopien in jedem Mitochondrion vorliegt, was bis zu 100.000       chondrialer Neusynthese weitergegeben werden. In der Regel
mtDNA Kopien pro Zelle ausmachen kann. Es kodiert 13 Proteine       kommt es in weiteren Teilungszyklen zu ungleicher Verteilung
der Respirationskette, 2 ribosomale RNAs und 22 Transfer-RNAs.      der Mutation(en), die als Punktmutationen oder Rearrangements
Die Mehrzahl der mitochondrialen Proteine wird jedoch über die      (Deletionen oder Duplikationen) auftreten. Die Mitochondrien
zelluläre DNA kodiert.                                              einer Zelle können daher alle identisch sein (Homoplasmie) oder

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aus variablen Mischungen normaler und mutierter mtDNA beste-          Bluthochdruck (Hypertonus), Koronare Herzkrankheit (KHK) oder
hen (Heteroplasmie). Homoplastische Mutationen maternaler             Diabetes mellitus die Beteiligung mitochondrialer Mutationen
Mitochondrien werden voll vererbt, heteroplasmische dagegen           angenommen (TAYLOR & TURNBULL 2005).
nur in einem geringen Prozentsatz. Väter mit mitochondrialen
Mutationen vererben diese nicht. Homoplastische mütterliche           Neben der wachsenden Zahl hereditärer Mitochondriopathien
Mutationen werden zwar 100 %ig vererbt, die entsprechen-              gibt es die erworbenen Mutationen der mtDNA, über deren
den Erkrankungen treten jedoch nur bei maximal 50 % der               Häufigkeit sehr unterschiedliche Auffassungen bestehen. Erwor-
Nachkommen auf, da offensichtlich die über die nukleäre DNA           bene Mutationen nehmen mit dem Alter zu, wobei in erster Linie
kodierten Faktoren mit ausschlaggebend sind.                          oxidative Metaboliten für bleibende DNA-Schäden verantwort-
                                                                      lich gemacht werden. Die „Mitochondrial Theory of Ageing“ wurde
Die erste angeborene mitochondriale DNA-Mutation wurde vor            bereits in den 1950er Jahren postuliert (HARMAN 1956, 1992),
20 Jahren entdeckt (SHADEL 2008). Eine Mutation im Gen der            der erste Beleg für derartige erworbene Mutationen mit bio-
Leucin-transferRNA ist verantwortlich für das MELAS-Syndrom           chemischer Relevanz wurde dann 1989 erbracht, als erstmals
mit Enzephalomyopathie, Lactacidose und intermittierenden             $ZUPDISPN $%FGFLUF JO QPTUNJUPUJTDIFO ;FMMFO OBDIHFXJFTFO
Hemiparesen, die in der Kindheit einsetzen. Seitdem sind bis          wurden (DINAUER et al. 1989). In der Regel sind diese erwor-
heute 300 weitere angeborene Mitochondriopathien unter-               benen Mutationen nur sporadisch verteilt und ohne oder nur
schiedlichen Schweregrades entdeckt worden und ein Ende               von geringer klinischer Bedeutung. In einigen Fällen kann es
ist nicht absehbar (KOOPMANN et al. 2012). Bei den klini-             jedoch offensichtlich zu klonaler Expansion mutierter Mitochon-
schen Manifestationen ist das zentrale Nervensystem beson-            drien kommen, z.B. durch selektive Replikation oder längere
ders häufig betroffen. Zu den neurologischen Erscheinungen            Überlebensdauer mutierter Mitochondrien. Dies wurde z.B. in
zählen Optikusatrophie, Ataxie, Epilepsien, Paresen, Taubheit,        Tumorzellen nachgewiesen. Sowohl Leukämien als auch solide
Sprachstörungen, zentrale Fatigue, Demenz, und motorische             Tumoren weisen klonal expandierte mtDNA-Mutationen bis zur
Störungen, die alle wegen der meist ungleichen Verteilung             Homoplasie auf. Im Alter kann es in einigen Geweben (Substantia
mitochondrialer Mutationen in sehr unterschiedlicher Stärke           nigra) und Stammzellen zur Akkumulation von mtDNA-Muta-
auftreten können. Daneben auch gastrointestinale Störungen            tionen kommen (NEKHAEVA et al. 2002). Man geht heute davon
wie Reizdarm, Obstipation, Schluckstörungen; kardiale Kom-            aus, dass erworbene Mutationen am Alterungsprozess beteiligt
plikationen wie Herzfehler, Kardiomyopathien, Arrhythmien;            sind. Allerdings scheint die Rate mitochondrialer Mutationen
endokrine Störungen wie Schilddrüsenerkrankungen, Diabetes,           nach aktuellen Schätzungen insgesamt extrem gering zu sein, nur
Parathyreoidismus, Infertilität; vor allem bei Kindern auch renale    maximal 0,2 % wurden in sehr alten Zellen gefunden. Es bleibt
und hepatische Komplikationen, Anämie, Panzytopenie, Addison,         letztlich offen, ob die „Häufung“ mitochondrialer Mutationen
Dystonie, Dysphagie, Ophthalmoplegie.                                 im Alter ursächlich oder nur ein paralleles Phänomen ist
                                                                      (DE GREY 2004).
Ebenso wie das mitochondriale Genom kann auch das nukleäre
Genom von Mutationen betroffen sein und - soweit mitochondri-
ale Funktionen kodiert werden – ähnliche Auswirkungen haben,
allerdings seltener als die Mutationen der mtDNA. Erkrankungen,                                        CO 2                   ATP
bei denen Defekte nukleärer Gene zur Beeinträchtigung mito-                                                                              OXPHOS
chondrialer Funktionen führen, sind die Friedreich Ataxie,                                                                               Komplexe
.PSCVT8JMTPO EJFTQBTUJTDIF1BSBQMFHJFPEFSIFSFEJUÅSF$P2            Pyruvat
                                                                                                      TCA
Mangelsyndrome. Bei einer wachsenden Zahl von Erkrankungen                                            Zyklus
                                                                                                                                              mitochondriale
                                                                                                                                                  DNA
wird angenommen, dass Umweltfaktoren mit hereditär prädis-
ponierenden mitochondrialen Funktionsstörungen zur späteren
                                                                                                            Acetyl-CoA
Manifestation von Erkrankungen führen können. Hierzu werden
z.B. Parkinson, Alzheimer, Schizophrenie, bipolare Erkrankungen,
Diabetes mellitus, kardiovaskuläre Erkrankungen oder Retinitis                                    β-Oxidation
                                                                       Fettsäuren
pigmentosa gerechnet. Ein besonders relevanter Mechanismus                                                                                   OXPHOS
                                                                                                                                             Komplexe
JTU EJF "LUJWJFSVOH WPO t6ODPVQMJOH 1SPUFJOFOi 6$1T  EVSDI
mitochondriale ROS (reaktive Sauerstoffspezies), die Verlust von
Protonen und verminderte ADP/ATP-Translokation zur Folge                                                                     ATP
hat. Die Entkopplung der Mitochondrien erhöht deren Sauer-
                                                                      Abb. 1: Mitochondrialer Energiemetabolismus
stoffbedarf und in der Folge wiederum den Anfall von ROS, was
                                                                      Durch den oxidativen Metabolismus von Fettsäuren (β-Oxidation) und Kohlehydraten
in einen sog. „vicious cycle“ (= Teufelskreis) mündet (PALL 2007).     ;VDLFS (MZDPMZTF  JN NJUPDIPOESJBMFO ;JUSPOFOTÅVSF[ZLMVT 5$"  XFSEFO EJF SFEV-
                                                                      zierenden Äquivalente NADH und FADH2 generiert. Die Oxidation dieser Substrate zu
Während man anfangs lange dachte, dass die angeborenen                NAD+ und FA D+ liefert Elektronen, die entlang der Atmungskette (Komplex I - V) trans-
mtDNA-Mutationen seltene klinische Kuriositäten sind, weiß            portiert werden und in Komplex IV Sauerstoff zu H2O reduzieren. Die Wasserstoffionen
                                                                      (H+) aus NADH/FADH2 generieren einen elektrochemischen Gradienten entlang der
man heute, dass sie im Einzelfall bis zu 1 von 3.500 Personen
                                                                      inneren Mitochondrienmembran, der die treibende Kraft der ATP-Synthase zur ATP-
betreffen. Wegen der komplizierten genetischen Verhältnisse           Bildung in Komplex V liefert. Abk.: ATP = Adenosintriphosphat; OXPHOS = Oxidative
der Mitochondrien sind viele mtDNA-Mutationen lange über-             1IPTQIPSZMJFSVOH 5$";ZLMVTUSJDBSCPYZMJDBDJEDZDMF 5SJDBSCPOTÅVSF;ZLMVT "DFUZM
sehen worden. Inzwischen wird selbst bei Volkskrankheiten wie         $P""DFUZM$PFO[ZN"

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Mitochondrien sind vor allem die Kraftwerke der Zelle (siehe             zur vorzeitigen Reduktion von Sauerstoff über freie Elektronen,
Abb. 1). Sie liefern 90 % der zellulären Energie unter Reduktion         wobei das hochreaktive Superoxidanion entsteht, das benach-
des Sauerstoffs der Atmung über die Atmungskette (Komplex I –            barte Strukturen oxidieren und die Funktion der Mitochondrien
V) unter Mitwirkung von Vitamin B1 (Thiamin), B2 (Riboflavin), B3        stören oder zu dem stabileren H2O2 dismutieren kann. Die
 /JBDJO ,VOE$[V8BTTFS¾CFSEFO;JUSPOFOTÅVSF[ZLMVT 5$"          mtDNA ist besonders vulnerabel, da sie nicht wie die nukleäre
Zyklus, Krebs-Zyklus) werden aus dem Abbau von Fettsäuren                DNA durch eine Histonhülle geschützt ist und das (oxidative)
und Glucose (und Aminosäuren) die Reduktionsäquivalente                  Schädigungspotential in den Mitochondrien besonders hoch ist.
beigesteuert. Die bei diesen Reaktionsschritten gewonne-                 Die Oxidationsrate mitochondrialer DNA ist 100fach höher als die
ne Energie wird zur oxidativen Phosphorylierung von ADP zu               der nukleären DNA (AMES et al. 1993).
ATP (Komplex V der Atmungskette: ATP-Synthase) eingesetzt.
Glucose wird zu Pyruvat umgewandelt, das aktiv über die innere           Die „Entgiftung“ von Superoxid zum metastabilen H2O2 wird
Mitochondrienmembran in die Matrix der Mitochondrien transpor-           durch das Enzym Superoxiddismutase katalysiert. Die besondere
tiert wird und durch den PDH-(Pyruvatdehydrogenase)-Komplex              Bedeutung dieses Entgiftungsschrittes zeigt sich auch darin, dass
PYJEJFSU VOE NJU $PFO[ZN" HFLPQQFMU XJSE  XPCFJ /"%)            die Mitochondrien über eine eigene Superoxiddismutase, die
 /JBDJO VOE$02BOGBMMFO$BMDJVN .BHOFTJVNVOE5IJBNJOTJOE          Mangan-abhängige SOD2, verfügen. Die Effizienz der „Entgiftung“
essentiell für die PDH-Wirkung. Sehr langkettige Fettsäuren wer-         mitochondrialer ROS (engl. Reactive Oxygen Species) wird als
den zunächst in Peroxisomen zu kurzkettigen Fettsäuren abge-             Meilenstein der Langlebigkeit angesehen. Allerdings hat die-
baut, wobei prooxidatives H2O2 anfällt. Kürzerkettige Fettsäuren         ser Prozess unterschiedliche Facetten. Während in fast allen
XFSEFOJN;ZUPQMBTNBVOUFS"517FSCSBVDI[V"DZM$P"BLUJWJFSU           Tiermodellen Defekte der SOD mit verkürzter Lebenserwartung
EBT EBOO BVG $BSOJUJO ÛCFSUSBHFO XJSE VOE ÛCFS EBT $BSOJUJO    einhergehen, wurde kürzlich bei dem Modellorganismus der
"DZMDBSOJUJO5SBOTQPSUFSTZTUFN $BSOJUJO"DZMUSBOTGFSBTF  VOE        -BOHMFCJHLFJUTTUVEJFO $BFOPSIBCEJUJTFMFHBOT HF[FJHU EBTTCFJ
2 der äußeren und inneren Mitochondrienmembran) aktiv in                 Mutanten mit Deletion der SOD2 die Lebensspanne sogar ver-
die mitochondriale Matrix transportiert wird. Der Acyl-Rest wird         längert ist. Die Mitochondrien schalten in diesem Fall auf öko-
XJFEFS BO $P" HFLPQQFMU VOE GSFJFT $BSOJUJO ÛCFS EFO HMFJ-      nomischere Leistung um (VAN RAAMSDONK & HEKIMI 2009). Ein
chen Weg ins Zytoplasma rücktransportiert. Anschließend erfolgt          bis heute ungeklärtes Phänomen ist auch die Rolle der SOD bei
EJF ȶ0YJEBUJPO EFS VOUFSTDIJFEMJDI MBOHLFUUJHFO "DZM$P"AT NJU   der Amyotropen Lateralsklerose (ALS), bei der eine hyperaktive
"CCBV [V "DFUZM$P"  XPCFJ '"%) 3JCPGMBWJO  VOE /"%)            Mutation der zytoplasmatischen SOD1 vorliegt.
HFXPOOFOXFSEFO"DFUZM$P"XJSEEBOOJN,SFCT[ZLMVT[V$02
reduziert, wobei wieder NADH und FADH2 entstehen. Bei man-               Wasserstoffsuperoxid (H2O2) diffundiert aus den Mitochondrien
HFMOEFS,BQB[JUÅUEFT5$";ZLMVTGÛSEJF"DFUZM$P"7FSXFSUVOH          ins Zytoplasma, wo es vorrangig durch Katalase weiter zu Wasser
werden vermehrt Ketonkörper gebildet. Während beim aeroben               reduziert wird. Die Katalaseaktivität ist in den Peroxisomen in
Glucoseabbau 32 Moleküle ATP gewonnen werden, liefert die                enger Nachbarschaft der Mitochondrien konzentriert. Wasser-
“0YJEBUJPO JOLMVTJWF5$";ZLMVT JOTHFTBNU"51                   stoffsuperoxid kann andererseits auch katalytisch (Haber-Weiss-
                                                                         und Fenton-Reaktion) zu zwei extrem reaktiven Hydroxylradikalen
Wenn die Sauerstoffzufuhr eingeschränkt ist, wird Pyruvat ver-           gespalten werden, die Makromoleküle in den Mitochondrien,
mehrt außerhalb der Mitochondrien durch anaerobe Fermen-                 dem Zellinneren und in der Umgebung der Zelle oxidativ schä-
tierung zu Milchsäure abgebaut. Die aerobe, mitochondriale               digen. Menschliche Zellen verfügen neben der Katalase über
ATP-Gewinnung ist allerdings 13fach effektiver als der anaerobe          eine Reihe weiterer zytoplasmatischer und mitochondrialer
Weg. Auch bei Funktionseinbuße des Pyruvatdehydrogenase-                 Schutzmechanismen. In erster Linie die Peroxiredoxine und
Enzymkomplexes oder des Pyruvat-Transporters kommt es zum                Thioredoxin, die zum Teil auch in den Mitochondrien selbst
Pyruvat-Rückstau im Zytoplasma und erhöhter Lactatbildung.               lokalisiert sind. Darüber hinaus wird Glutathion, das maß-
Bei erhöhtem Energiebedarf wird ebenfalls der Pyuvat-Lactatweg           gebliche zelluläre Antioxidans, aktiv aus dem Zytoplasma in
stärker benutzt, da die anaerobe ATP-Gewinnung zwar weniger              die Mitochondrien transportiert, die im Unterschied zur Zelle
effizient, aber kinetisch vorteilhaft ist. Der Fettsäureabbau ist wie-   selbst über spezifische Glutathiontransporter auf ihrer inne-
derum erheblich effizienter als der Glukoseabbau, jedoch kinetisch       ren Membranseite verfügen. Mitochondrien können Glutathion
deutlich benachteiligt, sodass er nur unter Ruhebedingungen              nicht selbst herstellen. Humane Zellen verfügen über eine Reihe
(nachts) oder bei submaximalen Ausdauerbelastungen stärker               von Glutathionperoxidasen (GPX), die wie Katalase H2O2 unter
genutzt wird.                                                            Oxidation von Glutathion zum dimeren Glutathion-Disulfid
                                                                         (GSSG) zu Wasser reduzieren. Von den acht derzeit bekannten
                                                                         GPX ist die Glutathionperoxidase 1 (GPX1) im Zytoplasma der
                            Mitochondriale Dysfunktion                   Zellen die wichtigste. U.a. ist hohe GPX1-Aktivität mit reduzier-
                                                                         tem kardiovaskulärem Risiko assoziiert. Oxidiertes GSSG wird
Die Redox-Energie von FADH2 und NADH wird in der Atmungs-                exportiert oder durch Glutathionreduktase wieder in die aktive
kette genutzt, um den Sauerstoff über mehrere Katalyse-                  reduzierte GSH-Form umgewandelt.
TDISJUUF [V SFEV[JFSFO ¾CFS /"%)%FIZESPHFOBTF  $ZUPDISPN
$3FEVLUBTF VOE mPYJEBTF XFSEFO 1SPUPOFO HFOFSJFSU VOE JO        Die Sauerstoffradikale (ROS; vor allem Superoxid, Hydroxylan-
den Intermembranraum der Mitochondrien transportiert, wo                 ionen, H2O2) sind nicht nur wegen ihrer Toxizität zu beachten.
sie einen elektrochemischen Gradienten für die ATP-Synthese              Sie erfüllen auch wichtige physiologische Funktionen wie u.a.
aufbauen. Bei diesem Prozess kommt es in geringem Umfang                 Signalübermittlung und Aktivierung des zentralen Schutzsystems

20                                                                                                umwelt·medizin·gesellschaft | 25 | 4/2012
BURN-OUT

der Zelle, des Nukleären Faktors kappaB (NF-κB)-Komplexes, der
neben Entzündungsreaktionen auch zahlreiche vitale Schutz- und                                                 Protektion                          Destruktion
Erhaltungsmechanismen steuert. Auch die Bakterienabtötung im
oxidativen Burst der Phagozyten (Monozyten, Makrophagen,                                                                  Cystein                  O2r
                                                                                                                                        NOr
Granulozyten) gehört zu den physiologisch wertvollen Radikal-                                 Rezeptor-S-
                                                                                             Nitrosylierung   Cys-NO                                          0/00r
wirkungen.                                                                                                    S-Nitrosocystein

Außer den ROS entstehen in den Mitochondrien auch Stickstoff-                                 NMDA-         Rezeptor-
Sauerstoffradikale (NOS). Die Mitochondrien verfügen über eine                               Rezeptor     Inaktivierung                                     Nitrotyrosin
eigene Stickoxidsynthetase (mtNOS), die die Bildung des sta-
bilen Radikals Stickoxid (NO·) aus Arginin katalysiert. Da die                             "CC  1SPUFLUJWF &GGFLUF WPO $ZTUFJO$ZTUFJOZMWFSCJOEVOHFO XJF (MVUBUIJPO
                                                                                           '&3/"/%&;$)&$"FUBM
zellulären Membranen für NO durchlässig sind, kann außer-
dem auch extramitochondrial und extrazellulär gebildetes NO
in die Mitochondrien gelangen. Die physiologische Funktion
von NO in den Mitochondrien besteht offensichtlich in der                                  XJSE EVSDI $JUSBU HFHFO EFO "OHSJGG WPO 1FSPYZOJUSJU VOE 304
Regulation der Atmungskettenaktivität, indem NO in Konkurrenz                              geschützt. Glutathion wirkt schützend, wobei es zu GSSG oxidiert
[V 4BVFSTUPGG EJF "LUJWJUÅU WPO $ZUPDISPNPYJEBTF SFWFSTJCFM                         wird, das allerdings dann Aconitase durch Glutathionylierung
hemmt. Höhere NO-Konzentrationen hemmen allerdings auch                                    inaktivieren kann. Glutathion ist also nicht nur Antioxidans, son-
die anderen Enzyme der Atmungskette. Gleichzeitig können bei                               dern auch maßgeblich in die Regulation der mitochondrialen
NO-Überschuss durch Reaktion mit Sauerstoffradikalen (Super-                               Aktivität involviert. Dazu gehört auch, dass Glutathion über
oxid) hochreaktive NO-Derivate wie Stickstoffdioxid, Nitro-                                TFJOFO $ZTUFJOZMSFTU FCFOTP GSFJFT $ZTUFJO  OJUSPTZMJFSU XFSEFO
sothiole und vor allem Peroxynitrit (NOr + O2r => ONOOr) gebildet                          kann. Nitrosoglutathion dient so als Stickoxidreservoir, aus dem
werden, die zu überwiegend irreversiblen Enzymhemmungen                                    /0T SBTDI BCHFTQBMUFO VOE GÛS 4JHOBMUSBOTEVLUJPO PEFS EFO
führen, u.a. zur Entkopplung der Atmungskettenenzyme (siehe                                Stop freier Radikal-Kettenreaktionen benutzt werden können.
"CC$PNQMFY**m*7 ¸GGOVOHEFSTPHNJUPDIPESJBMFO5SBOTJ                           Nitrosoglutathion und –cystein besitzen im Nervensystem außer-
tionsporen (Permeability Transition Pores - PTP) in der äuße-                              dem protektive Wirkung gegenüber toxischen Glutamateffekten
SFO .FNCSBO VOE "VTUSJUU WPO $ZUPDISPN $ BVT EFN *OUFS                           und inaktivieren den NMDA-Rezeptor.
membranraum, was bis zum Zelluntergang durch Apoptose-
BLUJWJFSVOHGÛISU 1"$)&3FUBM                                                   Während NO selbst nur reversibel funktionshemmend wirkt,
                                                                                           sind die oxidativen Schädigungen durch Peroxynitrit irreversi-
Nicht nur die Atmungskettenenzyme können durch ROS/NOS                                     bel. In der Regel werden durch Peroxynitrit die Tyrosinreste von
geschädigt werden, sondern auch die Transportersysteme                                     Proteinen nitrosyliert. Das vorgeschädigte Protein wird beschleu-
der inneren Membran wie der ADP:ATP-Shuttle oder der Acyl-                                 nigt metabolisiert und Nitrotyrosin wird freigesetzt.
$BSOJUJO$BSOJUJO4IVUUMF VOE EJF &O[ZNF EFS BOEFSFO NJUP-
chondrialen Stoffwechselsysteme wie des Zitronensäurezyklus, "V“FS$ZTUFJO (MVUBUIJPOVOEBOEFSFO$ZTUFJOSFJDIFO1SPUFJOFO
der ß-Oxidationskette und der Pyruvatmetabolisierung. Vor wie Thioredoxin kann auch Vitamin B12 über seinen Kobaltkern
allem das hochtoxische Peroxynitrit (nicht NO) kann zahlrei- NO/NOS binden und entgiften. In den Mitochondrien liegt
che Enzymsysteme (ir)reversibel schädigen: z.B. den für den Vitamin B12BMT"EFOPTZM$PCBMBNJOWPS XÅISFOEJN;ZUPQMBTNB
Pyruvatmetabolismus essentiellen PDH-Komplex oder reversibel .FUIZM$PCBMBNJOEPNJOJFSU
die für den Krebszyklus essentielle Aconitase, die die Umwandlung
WPO $JUSBU JO *TPDJUSBU LBUBMZTJFSU )"/ FU BM   "DPOJUBTF
                                                                                                                                                Labordiagnostik
                                                                                           Zum Basisprofil gehören ATP, Glutathion, Nitrotyrosin, Pyruvat/
                                                                                  ATP
             COMPLEX I      COMPLEX III         COMPLEX II COMPLEX IV          SYNTHASE    Lactat, Vitamin B12/Holotranscobalamin, Selen und Magnesium.
                                                   Cyt c
 OUT                                                                                       Im Folgenden wird darüber hinaus die ganze Palette möglicher
                              Cyt c1                                                       Parameter vorgestellt und kurz diskutiert (nach HAAS et al.
  MEMBRANE

               FeS                                                   Cyt a
                        Q                   Q      FeS                                     2008).
                                 FeS
              FMN                                                Cyt a3
                              Cyt b                FAD                                     1. Bestimmung der Funktion wichtiger zellulärer/mitochondri-
  IN                                                                                          aler Schutzfaktoren
     NADH            NAD+   O2         O2ˉ Succinate   Fumarate O2       H2O   ADP   ATP      Glutathion (GSH) Die Bestimmung des zellulären GSH-Gehaltes
                                                                                              ist der Messung im Serum vorzuziehen. GSH wird in der Zelle aus
             ONOOˉ            NO ONOOˉ ONOOˉ                         NO          ONOOˉ        EFO7PSTUVGFO$ZTUFJO (MZDJOVOE(MVUBNBUHFCJMEFU XJSEGSFJ
                                                                                              in reduzierter oder oxidierter Form (GSSG) oder an Metaboliten
Abb. 2: Wirkungen von Stickoxidradikalen (NOS) (BROWN 1999)
                                                                                              gebunden aktiv aus der Zelle exportiert und umgehend wie-
Schematische Darstellung der Effekte von Stickoxidradikalen NOS (Stickoxid NO), Per-
oxynitrit ONOO-) auf die fünf Komplexe der Atmungskette, die entlang der inneren
                                                                                              der in die einzelnen Aminosäuren gespalten. Die extrazelluläre
mitochondrialen Membran lokalisiert sind und durch die NOS reversibel nitrosyliert und        GSH-Konzentration ist daher kaum geeignet, den intrazellu-
gehemmt werden.                                                                               lären Gehalt wiederzugeben. Sie unterliegt außerdem erheb-

umwelt·medizin·gesellschaft | 25 | 4/2012                                                                                                                               21
BURN-OUT

   lichen Transportunzulänglichkeiten, da Erythrozyten, deren 4. Analyse von Substraten der Energiesysteme
   Gehalt ca. 100fach über der Serumkonzentration liegt, GSH         L-Carnitin bzw. Acyl-Cyrntin  EBT BMT $BSSJFS GVOHJFSU VOE
   leicht verlieren.                                                 GSFJF 'FUUTÅVSFO BMT "DZM$BSOJUJO BVT EFN ;ZUPQMBTNB JO EJF
   GPX/Glutathionperoxidase-Aktivität im Vollblut. Beim              .JUPDIPOESJFOUSBOTQPSUJFSUC[XBMTGSFJFT$BSOJUJOSF[JSLVMJFSU
   Menschen sind acht Isoenzyme GPX1-8 bekannt, von denen            wird.
   die intrazelluläre GPX1 mit Abstand die wichtigste ist. Im Extra- Pyruvat, Lactat VOE 1-2VPUJFOU 1ZSVWBU TUFJHU JN #MVU
   zellulärraum überwiegt die GPX3. Die GPX ist von besonders        bei Aktivitätsverlust der PDH (Pyruvatdehydrogenase) an.
   hoher Bedeutung für die „Entgiftung“ von Lipidperoxiden,          Lactat steigt bei Sauerstoffmangel, verminderter mitochon-
   wobei GSH zu GSSG oxidiert wird. Das katalytische Zentrum         drialer Leistung, kurzfristiger Steigerung des Energiebedarfs
   des Moleküls bildet ein Selenocystein-Molekül.                    (Exercise) oder nach exzessivem Anstieg von Plasmapyruvat
   Vitamin B12, wichtiger körpereigener NO/NOS-Scavenger.            BO %FS 1-2VPUJFOU WFSEFVUMJDIU EJFTF ;VTBNNFOIÅOHF  JTU
   Für eine genaue Analyse der funktionellen B12-Leistung ist        jedoch entgegen gelegentlicher Behauptungen bei normalen
   die Bestimmung des aktiven Moleküls Holo-Transcobalamin           Konzentrationen beider Metaboliten ohne Aussagekraft.
   oder von Methylmalonat im Serum oder Urin wertvoll.               Lactatdehydrogenase (LDH) kommt in nahezu allen Körper-
   Methylmalonat steigt bei B12-Mangel an.                           zellen vor, katalysiert die Konversion von Lactat in Pyruvat und
   Eventuell Messung von Vitamin B1, B2, K1, die alle in die         umgekehrt. Vier gewebespezifische Isoenzyme sind bekannt.
   Funktion der Atmungskette und des mitochondrialen Sub-            Anstieg von LDH im Serum erfolgt bei Zellschädigung, die
   stratmetabolismus involviert sind.                                Differenzierung der Isoenzymmuster ermöglicht eine nähe-
   Coenzym Q10, das Teil der Atmungskette selbst ist und des-        rungsweise Zuordnung zum Schädigungsort.
   sen Ausfall die Effizienz der Energiegewinnung empfindlich        Alanin zählt zu den nicht-essentiellen Aminosäuren. Es wird
   TUÕSU"V“FSEFNGVOHJFSU2BMTTFISXFSUWPMMFT MJQJEMÕTMJDIFT vorrangig aus Pyruvat gebildet. Ein Anstieg von Pyruvat im
   Antioxidans.                                                      Zytoplasma (Pyruvatstau) bei mitochondrialer Dysfunktion
   Selen, das Bestandteil zahlreicher Selenoproteine wie u.a. der    induziert erhöhte Alaninsynthese. Der Vergleich von Alanin mit
   GPX und Aconitase ist. Außerdem Zink (Vollblut) als Bestand-      EFSFTTFOUJFMMFO"NJOPTÅVSF-ZTJOJN"MBOJO-ZTJO2VPUJFOUFO
   UFJMEFS[ZUPQMBTNBUJTDIFO$V ;O40%.BOHBOBMT#FTUBOEUFJM    verbessert die Aussage.
   der mitochondrialen SOD2 und Magnesium.

2. Messung toxischer Metaboliten                                                                    Ansätze der Mitochondrientherapie
   In erster Linie das hochtoxische Peroxynitrit, das allerdings nicht
   direkt, sondern nur über das Reaktionsprodukt Nitrotyrosin               Die mitochondrialen Funktionsstörungen sind eine Domäne der
   im Plasma gemessen werden kann. Peroxynitrit nitrosyliert                orthomolekularen Therapie (AMES et al. 2005). Funktionsdefekte
   bevorzugt den Tyrosinrest von Proteinen, die abgebaut wer-               einzelner Enzymsysteme können durch hoch dosierte Substi-
   den.                                                                     tution mit Kofaktoren z.T. wirksam behandelt werden (siehe
   Nitrotyrosin wird weiter zu Nitrophenylessigsäure (NPEG)                 "CC   )JFS[V [ÅIMFO VB $PFO[ZN 2  "DZM$BSOJUJO  5IJB
   metabolisiert, die im Urin messbar ist, Nachteil ist allerdings,         min     (alpha-Ketoglutarat-Dehydrogenase/KGDH-Kofaktor),
   dass NPEG weit überwiegend (ca. 80%) aus peripheren
   Nitrierungsreaktionen (freies Tyrosin) stammt.
   Citrullin wird häufig für die Abschätzung des nitrosativen                                                                    Fatty Acids
   Stresses empfohlen, da es bei der Generierung von NO aus
                                                                                                                  H+          H+                      H+              3H+
   Arginin gebildet wird. Allerdings ist die NO-Bildung im wesent-                            Cytosol             CoQ10
                                                                                                                                         Carnitine
   lichen ein physiologischer Prozess und kann nicht von der toxi-
                                                                                           Inner Mitochondrial
   schen NO-Produktion differenziert werden. Dazu kommt, dass                              Membrane
   $JUSVMMJO XJFEFS JO "SHJOJO SÛDLHFXBOEFMU XJSE VOE JO HSP“FS                      Complex I                                     Cyto-
                                                                             Riboflavin       FMN FeS        CoQ          Complex II      chrome c     Complex IV   Complex V
   .FOHFJN%ÛOOEBSNHFCJMEFUXJSE%JF$JUSVMMJOLPO[FOUSBUJPO
   im Blut reflektiert das Gleichgewicht zwischen intestinaler
   Synthese und der renalen Umwandlung in Arginin. Es ist                                                        Complex II
   EBIFS OJDIU FSTJDIUMJDI  EBTT $JUSVMMJO FJO .B“ EFS UPYJTDIFO                                        FAD FeS
                                                                                                                                                     1/2 O2   H2O ADP       ATP
   NO-Bildung sein könnte.                                                                NADH    NAD+
                                                                                                          Succinate                                                 +Pi
                                                                                                                          Fumarate
                                                                                     Niacin                                            Vitamin K1       Vitamin C
                                                                                                    Riboflavin
3. Bestimmung der Energieeffizienz der Mitochondrien
                                                                            Abb. 4: Nutritive Möglichkeiten der Mitochondrientherapie (MARRIAGE et al. 2003)
   ATP wird sowohl im Plasma als auch intrazellulär in Blutzellen
                                                                            #FEFVUVOH OVUSJUJWFS 'BLUPSFO GÛS EJF 'VOLUJPO EFS .JUPDIPOESJFO $PFO[ZN 2
   gemessen. Die Plasmabestimmung ist potentiell aussage-                    $P2 USBOTQPSUJFSU&MFLUSPOFOWPO,PNQMFY*VOE**OBDI***PEFSVOUFS6NHFIVOHWPO
   kräftiger insoweit sie den Gesamtkörpergehalt an ATP wider-              **NJUUFMT7JU,VOE$EJSFLU[V,PNQMFY*73JCPGMBWJO 7JUBNJO# JTUEJF7PSTUVGFWPO
   spiegelt. Allerdings wird die Messung sehr leicht verfälscht             Flavinmononukleotid (FMN) und Flavin-Adenin-Dinucleotid (FAD). Niacin (Vitamin B3)
   durch Austritt von erythrozytärem ATP-Überschuss und plas-               ist als Nicotinamid Vorstufe von Nicotinamid-Adenin-Dinucleotid (NAD+). Vit. K fungiert
                                                                            [VTBNNFO NJU 7JU $ BMT &MFLUSPOFOBL[FQUPS VOE LBOO FJOFO FUXBJHFO EFGJ[JUÅSFO
   matische Degradation. Die zelluläre Bestimmung liefert sta-
                                                                            ,PNQMFY *** ÛCFSCSÛDLFO C[X EFO &OFSHJFGMVTT TUFJHFSO -$BSOJUJO USBOTQPSUJFSU MBOH-
   bilere Ergebnisse, jedoch in erster Linie für die Blutzellen. Die        kettige Fettsäuren über die Mitochondrienmembran ins Innere.
   Erfahrungen mit beiden Verfahren in der Analyse der mito-                Abk.: NADH = reduzierte Form der NAD, FeS = Eisensulfid, ADP = Adenosindiphosphat,
   chondrialen Dysfunktion sind bisher sehr begrenzt.                       Pi = anorganisches Phosphat, ATP = Adenosintriphosphat

22                                                                                                                 umwelt·medizin·gesellschaft | 25 | 4/2012
BURN-OUT

Vitamin B2 (Riboflavin; Kofaktor der Protoporphyrinogenoxidase;
                                                                         Kontakt:
FADH), Vitamin B3 (Niacin; NADH), Vitamin B5/Pantothensäure
 7PSTUVGF WPO $PFO[ZN "  7JUBNJO # VOE #JPUJO ,PGBLUPSFO       PD Dr. med. Wilfried P. Bieger
der Hem-Biosynthese), Vitamin B12 (Methyl/Adenosylcobalamin),            Augustenstr. 10
7JUBNJO $  7JUBNJO ,  /"DFUZMDZTUFJO $ZTUFJO  MJNJUJFSFOEF      80333 München
                                                                         E-Mail: wbieger@lab4more.de
Glutathionvorstufe), alpha-Liponsäure (GSSG-Reduktion, Kofaktor          www.dr-bieger.de
der PDH und der KGDH), Selen (GPX, Aconitase), Omega 3-Fett-
säuren (Membranstabilsiierung), Eisen, Kupfer, Zink (SOD1),
Mangan (SOD2), Magnesium (Kofaktor der Atmungskette und
zahlreicher mitochondrialer Enzyme).                                    Nachweise
                                                                        AMES BN, SHIGENAGA MK, HAGEN TM. (1993): Oxidants, antioxidants, and the
                                                                        degenerative diseases of aging. Proc Natl Acad Sci USA 90(17): 7915-22.
                                         Zusammenfassung                AMES BN, ATAMNA H, KILLILEA DW. (2005): Mineral and vitamin deficiencies can
                                                                        accelerate the mitochondrial decay of aging. Mol Aspects Med 26(4-5): 363–378.
Mitochondriopathien sind hereditäre oder erworbene somati-              BAI Y, PARK YS, DENG JH, LI Y, HU P. (2005): Restoration of Mitochondrial Function in
sche Mutationen der mitochondrialen oder auch nukleären DNA,            $FMMTXJUI$PNQMFY*%FGJDJFODZ"OO/:"DBE4DJm
die zur progressiven Funktionseinbuße der Atmungskette und              #308/ ($   /JUSJD PYJEF BOE NJUPDIPOESJBM SFTQJSBUJPO #JPDIJN #JPQIZT
der anderen mitochondrialen Aktivitäten führen können: Kardio/          Acta 1411(2-3): 351-369.
Myopathien, Enzephalopathien, Neuropathien, Endokrinopathien.           DE GREY ADNJ. (2004): Mitochondrial mutations in mammalian aging: an over-
Das Risiko von Mutationen des mitochondrialen Genoms ist                hasty about-turn? Rejuvenation Res 7(3): 171-174.
infolge der hohen lokalen Radikalbildung hoch und nimmt mit             %*/"6&3.$ $63/655&+5 304&/) 03,*/4)  "NJTTFOTFNVUBUJPOJO
dem Alter zu. Mitochondriale Mutationen können unabhängig               the neutrophil cytochrome b heavy chain in cytochrome-positive X-linked chronic
vom Genom der „Wirtszelle“ auftreten, da die Mitochondrien ihr          HSBOVMPNBUPVTEJTFBTF+$MJO*OWFTU  
eigenes Genom besitzen und sich unabhängig vom Zellzyklus               '&3/"/%&;$)&$" +$  ("3$*"36*; $  $0-&-- " FU BM   0YJEBUJWF TUSFTT
teilen können. Die somatischen Mutationen, die zunächst nur             Role of mitochondria and protection by glutathione. BioFactors 8: 7–11.
einzelne Mitochondrien betreffen und wegen der hohen Anzahl             HAAS RH, PARIKH S, FALK MJ et al. (2008): The in-depth evaluation of suspected
von Mitochondrien in jeder Zelle in dieser Phase normalerweise          mitochondrial disease. Mol Genet Metab. 94(1): 16-37.
ohne Wirkung sind, können zum Untergang des betreffenden                )"/ %  $"/"-* 3  ("3$*" + FU BM   4JUFT BOE .FDIBOJTNT PG "DPOJUBTF
Mitochondrions führen, in weiteren Teilungszyklen wieder elimi-         *OBDUJWBUJPOCZ1FSPYZOJUSJUF.PEVMBUJPOCZ$JUSBUFBOE(MVUBUIJPOF#JPDIFNJTUSZ
niert werden oder auch sich anreichern, um dann eventuell für           44: 11986-11996.
die Aktivität des zellulären Mitochondrienpools ein relevantes          HARMAN D. (1956): Aging: a theory based on free radical and radiation chemistry.
Problem zu werden und die Funktion der Zelle selbst zu beein-           Journal of Gerontology 11(3): 298–300.
trächtigen.                                                             HARMAN D. (1992): Free radical theory of aging. Mutat Res 275: 257–266.
                                                                        KOOPMAN WJH, WILLEMS PHGM, SMEITINK JAM. (2012): Monogenic Mitochondrial
Mitochondriale Dysfunktion: Neben den ggf. schwerwiegenden              Disorders. New Engl J Med 366: 1132-1141.
hereditären oder somatischen Mutationen spielt die reversib-            ."33*"(&# $-"/%*/*/.5 (-&36.%.  /VUSJUJPOBMDPGBDUPSUSFBUNFOU
le oder irreversible Inaktivierung bzw. Schädigung mitochon-            in mitochondrial disorders. J Am Diet Assoc 103(8): 1029-1038.
drialer Enzymsysteme durch ROS/NOS eine weitaus größere                 NASS MM, NASS S. (1963): Intramitochondrial Fibers with DNA characteristics. J
Rolle. Sie sind inzwischen Gegenstand vieler Diskussionen und           $FMM#JPM
werden als erhebliches Problem für die Entstehung und den               /&,)"&7"& #0%:",/% ,3":54#&3(:FUBM  $MPOBMMZFYQBOEFENU%/"
Verlauf einer Reihe chronischer gesundheitlicher Störungen              point mutations are abundant in individual cells of human tissues. Proc Natl Acad
angesehen: postinfektiöse oder idiopathische Fatiguesyndrome            Sci USA 99: 5521–5526.
(Chronic Fatigue Syndrome – CFS, Fibromyalgie Syndrom -                 1"$)&31 #&$,."/+4 -*"6%&5-  /JUSJDPYJEFBOEQFSPYZOJUSJUFJOIFBMUI
FMS, Multiple Chemical Sensitivity - MCS, Tumorfatigue, etc.);          and disease. Physiol Rev 87(1): 315-424.
Umwelterkrankungen (Schadstoffbelastung); metabolisches                 PALL ML. (2007): Explaining “Unexplained Illnesses”. Harrington Park Press, Bing-
Syndrom, Diabetes, Arteriosklerose, Kardiomyopathien, Hoch-             hampton, New York.
druck; chronische Infektionen; chronische Entzündungen,                 SHADEL GS. (2008): Expression and Maintenance of Mitochondrial DNA. New
Autoimmunerkrankungen, Parodontitis; Tumorerkrankungen;                 Insights into Human Disease Pathology. Am J Pathol 172: 1445-1456.
Neuropathien, neurodegenerative Erkrankungen wie M. Parkin-             TAYLOR RW, TURNBULL DM. (2005): Mitochondrial DNA mutations in human disea-
son, M. Alzheimer oder Amyotrophe Lateralsklerose; Depres-              se. Nat Rev Genet 6(5): 389-402.
sionen, bipolare Erkrankungen, Schizophrenie; Altern.                   VAN RAAMSDONK JM, HEKIMI S. (2009): Deletion of the Mitochondrial Superoxide
Bei Schädigung des PDH-(Pyruvatdehydrogenase)Komplexes                  %JTNVUBTF TPE &YUFOET -JGFTQBO JO $BFOPSIBCEJUJT FMFHBOT 1MP4 (FOFU   
kommt es zum Pyruvatrückstau im Zytoplasma und Zunahme der              e1000361.
anaeroben Glycolyse mit Lactatanstieg. Allerdings kann in dieser
Situation durch vermehrte Zufuhr von Fettsäuren (z.B. durch
GFUUSFJDIF &SOÅISVOH t,FUPEJÅUi  EJF ÛCFS EFO $BSOJUJO4IVUUMF
unabhängig vom Glucose/Pyruvat-Transfer in die Mitochondrien
USBOTQPSUJFSU XFSEFO  XFJUFSIJO BVTSFJDIFOE "DFUZM$P" CFSFJU-
gestellt werden.

umwelt·medizin·gesellschaft | 25 | 4/2012                                                                                                                23
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