Mitteilungen DMG 02 / 2014 - Deutsche Meteorologische Gesellschaft ...
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www.dmg-ev.de Heft 02 2014 ISSN 0177-8501 Mitteilungen DMG 02 / 2014 Sonnenuntergang am Wendelstein Während eines Sonnenuntergangs am 1838 m hohen Wendelstein in den Bayerischen Alpen zogen durchsichtige Cumuluswolken vor der Sonne hinweg und färbten sich tiefrot. Das abendliche Farbenspiel war gewaltig und unver- gesslich. Bei tiefem Sonnenstand werden aufgrund des langen Lichtwegs der Sonnenstrahlen durch unsere Atmosphäre die Lichtanteile kürzerer Wellenlänge aus dem Spektrum herausgefiltert. Die Wassertröpfchen einer Wolke verstärken diesen Effekt. Im Fall des Bildes befindet sich die Cumuluswolke direkt zwischen Sonne und Beobachter und filtert das Licht auf dem Wege zum Beobachterauge nochmals zusätzlich. Deshalb entstehen aus dieser Perspektive Farben, wie man sie in solcher Intensität im Tiefland wohl nur selten sieht. © Claudia Hinz
„Geheimsache Wetterˮ: Originale Wetterkarten vom Juni 1944 werden erstmals veröffentlicht Jörg Rapp Am 6. Juni 2014 hat sich zum 70. Mal der so genannte D-Day gejährt, an dem das Unternehmen „Overlord“ startete, die Invasion alliierter Truppen in der Normandie. ... Fortsetzung Seite 4.
editorial Liebe Leserinnen und Leser, Inhalt sicher haben Sie es bemerkt: auf der Titelseite von Heft 1 hatte sich ein Druckfehler eingeschlichen. Herr Helmholtz focus heißt mit Vornamen natürlich Hermann und nicht Kevin Kelvin-Helmholtz-Wellen 2 (obwohl man ihm diesen Namen heute vielleicht geben „Geheimsache Wetterˮ 4 würde). Gemeint war viel mehr Lord Kelvin, nach welchem Norddeutscher Klimamonitor 6 die absolute Temperaturskala benannt ist. Einige von Ihnen haben dazu Kommentare abgegeben, meist von der hu- morvollen Art. Wer die Herren Kelvin und Helmholtz waren und was sie mit den Wellen des Titelbildes von Heft 1 zu tun wir haben, erläutern wir statt einer schnöden Druckfehlerkor- 100. Geburtstag Prof. Dr. F. Defant 10 rektur in der Rubrik Focus. In der Online-Ausgabe konnte Essener Klimagespräche 13 eine Fehlerberichtigung nachträglich erfolgen, also dort bit- Übergabe historischer Wetteraufzeichnungen 16 te nicht nach dem Fehler suchen. Mitglieder Forum 18 Das Titelbild der Mitteilungen DMG wird meist der Foto- Nachruf Prof. Dr. P. Fabian 20 sammlung entnommen, aus welcher der Europäische Me- Nachruf Max Schlegel 21 teorologische Kalender zusammengestellt wird. In diesem Geburtstage 22 Zusammenhang fand ein Fotowettbewerb der EMS unter dem Motto Europhotometeo´14 statt, auf den wir in dieser Rubrik im letzten Heft hingewiesen hatten. Die Sieger die- medial ses Wettbewerbs stehen nun fest, Informationen zu den Fo- Publikationshinweise 23 tos und den Preisträgern finden Sie unter der Rubrik Medial. Schauen Sie doch einfach mal in die schöne Fotosammlung news 24 hinein. Sicher findet daraus das eine oder andere spannende Foto meteorologischer Phänomene seinen Platz auf der tagungen Titelseite der kommenden Ausgaben unserer Mitglieder- zeitschrift. Ankündigungen 30 Das Redaktionsteam hofft, auch diesmal interessante Bei- Tagungskalender 32 träge zusammengestellt zu haben, und wünscht beim Lesen viel Vergnügen. impressum 33 Dieter Etling korporative mitglieder 34 anerkannte beratende meteorologen 35 anerkannte wettervorhersage 36 Hinweis: Einladung und Tagesordnung zur diesjährigen Mitglieder- versammlung der DMG am 07. Oktober 2014 in Ham- burg finden Sie auf der Umschlagseite am Ende des Heftes. Wir bitten um Beachtung! Den sonst üblichen Klimarückblick finden Sie hier in der Online-Ausgabe und abgedruckt in der nächsten Ausgabe der Mitteilungen DMG. Mitteilungen DMG 02/2014
focus 2 Kelvin-Helmholtz-Wellen Dieter Etling Den Druckfehler auf der Titelseite von Heft 1 nehmen wir zum Anlass, den Begriff Kelvin-Helmholtz-Wel- len näher zu erläutern. Im Bereich der verschiedenen Wissenschaften ist es durchaus üblich, Phänomene, Erfindungen oder Objekte nach deren Entdeckern zu benennen. Als Beispiele seien Röntgen-Strahlung, Otto-Motor, Humboldt-Strom oder Hadley-Zirkulation genannt. So ist es auch mit den Kelvin-Helmholtz-Wel- len: diese sind benannt nach dem britischen Physiker, Abb.1: Schematische Darstellung der Vertikalprofile von Wind (U), Dichte (ρ) Mathematiker und Ingenieur Lord Kelvin (1824-1907) und potenzieller Temperatur (θ) in einer stabil geschichteten Scherströmung und dem deutschen Mediziner, Physiker und Mathe- mit Dichte- und Geschwindigkeitssprung (Grafik: Lennart Böske). matiker Hermann von Helmholtz (1821-1894). We- gen ihrer umfangreichen wissenschaftlichen Tätigkeit auf verschiedenen Fachgebieten werden diese beiden tungen in Deutschland (u. a. AWI, DLR, FZJ, GEOMAR, Herren in der Literatur gelegentlich auch als Universal- KIT) Helmholtz-Gemeinschaft genannt. genies bezeichnet. Kommen wir nun zu den Kelvin-Helmholtz-Wellen Lord Kelvin, auch mit Baron Kelvin oder Kelvin of (K-H-Wellen) selbst. In der Literatur findet man auch den Largs bezeichnet, trug vor seiner Erhebung in den Rit- Begriff Kelvin-Helmholtz-Instabilität, welcher das Phä- terstand im Jahr 1866 den Namen William Thomson. Er nomen besser benennt. In der Tat sind K-H-Instabilitäten war über 50 Jahre lang als Professor für Theoretische wellenförmige Instabilitäten einer Scherströmung. Daher Physik in Glasgow tätig. Seine Hauptarbeitsgebiete wa- werden diese auch als Scherungswellen oder Scherungsin- ren die Elektrizitätslehre sowie die Thermodynamik. stabilität bezeichnet. Der Begriff Instabilität deutet schon Im letztgenannten Gebiet führte er unter anderem die darauf hin, dass es sich bei den K-H-Wellen um ein zeitlich heute nach ihm benannte absolute Temperaturskala ein begrenzt auftretendes Phänomen handelt – im Gegensatz und formulierte den zweiten Hauptsatz der Thermody- namik. Durch sein Interesse für die Schifffahrt entwi- ckelte er das harmonische Verfahren zur Berechnung der Gezeiten und konstruierte die erste Gezeitenre- chenmaschine. Als Ingenieur war er unter anderem an der Verlegung des ersten transatlantischen Tiefseetele- graphenkabels beteiligt und entwickelte den Trocken- kompass. Kelvin ist übrigens der Name eines Flusses durch die Stadt Glasgow, in der William Thomson die meiste Zeit seines Lebens verbrachte. Hermann von Helmholtz (den Titel „von“ erhielt er im Jahr 1883 durch die Erhebung in den Adelstand) war zunächst auf dem Gebiet der Medizin, besonders im Bereich der Physiologie tätig. Er beschäftigte sich hier unter anderem mit Hören und Sehen und entwickelte dabei Theorien zur Akustik und Optik. Für die medizi- nische Praxis erfand er den heute noch gebräuchlichen Augenspiegel. In seiner späteren Laufbahn konzen- trierte er sich auf die Gebiete Physik und Mathematik. Zu nennen sind hier die Formulierung des ersten Haupt- satzes der Thermodynamik und der nach ihm benann- ten Wirbelsätze der Hydrodynamik sowie theoretische Erklärungen zu verschiedenen Phänomenen der Mete- orologie. Helmholtz war auch Mitbegründer und erster Präsident der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt, Abb. 2: Schematische Darstellung der zeitlichen Entwicklung von Kelvin- Helmholtz-Wellen an der Grenzfläche der Scherströmung aus Abb.1. Die der Vorgängerin der heutigen Physikalisch-Technischen grau markierte untere Schicht kann zum Beispiel mit dem Oberrand einer Bundesanstalt (PTB). Zu seinen Ehren wird der Zu- Wolke identifiziert werden (vergleiche Zeitpunkt t3 mit dem Wolkenfoto in sammenschluss verschiedener Großforschungseinrich- Abb. 3). Grafik: Lennart Böske. Mitteilungen DMG 02/2014
focus 3 Abb. 3: Wolkenformation verursacht durch eine Kelvin-Helmholtz Welle, Abb. 4 Idealisierte Vertikalprofile der Windgeschwindigkeit U, der vergleichbar mit dem Entwicklungsstand zum Zeitpunkt t3 in Abb. 2 (Foto: Windscherung dU/dz und der potenziellen Temperatur θ in der Atmo- Brooks Martner, NOAA/ETL/SCATCAT). sphäre, wie sie für die Entwicklung von Kelvin-Helmholtz-Wellen günstig sind. Die vertikale Erstreckung der Scherschicht ist mit H und die der etwa zu Schwerwellen (siehe Aufsatz „Schwere Wellen“ Temperaturinversion mit D bezeichnet (Grafik: Lennart Böske). in Heft 1/2014), die sich in Form von Leewellen über viele Stunden halten können. so häufig auf wie die normalen Schwerewellen, die ja Die einfachste Strömungskonfiguration für die Entste- praktisch ständig in der Atmosphäre vorhanden sind. hung von K-H-Wellen, wie sie auch in den Originalar- Günstig für die Entwicklung von K-H-Wellen ist ein Ge- beiten von Kelvin (1871) und Helmholtz (1868) behandelt schwindigkeitsmaximum im Windprofil (Strahlstrom, wurde, ist in Abb.1 dargestellt. In diesem extremsten Fall Jetstream), wie es z. B. an Inversionen am Oberrand der einer Scherströmung liegen zwei Schichten mit unter- atmosphärischen Grenzschicht oder im Bereich der Tro- schiedlicher Dichte ρ, bzw. in meteorologischen Anwen- popause auftritt. Da hierbei die Scherung am Windma- dungen unterschiedlicher potenzieller Temperatur θ, über- ximum verschwindet, ist es sehr wahrscheinlich, dass einander. Zu diesem Dichte-/Temperatursprung kommt sich oberhalb oder unterhalb des Windmaximums ein noch ein Geschwindigkeitssprung: die Schichten bewegen Extremum der Windscherung ausbildet. In der Tat wer- sich mit jeweils konstanter Geschwindigkeit U gegen- den Kelvin-Helmholtz-Wellen häufig im Bereich des einander. Wenn die Grenzfläche zwischen beiden Schich- Strahlstroms im Tropopausenbereich beobachtet, zwar ten in der Vertikalen ausgelenkt wird ist diese Strömungs- selten als optische Erscheinung in Wolkenformationen konfiguration nicht mehr stabil. Die zeitliche Entwicklung (siehe aber Foto von K-H-Wellen in Cirren auf Seite der Grenzfläche ist in Abb. 2 dargestellt. Die Amplitude der 3 in Heft 3/2013), sondern vielmehr in Form von Tur- anfangs wellenförmigen Störung der Grenzfläche wächst bulenz, wie sie gelegentlich von Flugzeugen in diesen mit der Zeit an. Durch die Geschwindigkeitsscherung wer- Höhenbereichen erfahren wird. Daher gelten Kelvin- den die Wellenberge und -Täler gegeneinander versetzt, Helmholtz-Wellen neben brechenden Schwerewellen wodurch die Grenzfläche die Form einer brechenden Welle auch als eine der Ursachen von Clear-Air Turbulence annimmt, wie sie auch typisch für Wolkenfotos von K-H- (CAT), deren Vorhersage nach wie vor Schwierigkeiten Wellen sind, wie auf dem Titelbild von Heft 1oder hier in bereitet (siehe promet, Jahrg. 39, Heft 1/2 : Aktuelle As- Abb. 3 zu sehen. Die brechende Grenzflächenwelle führt pekte der Flugmeteorologie II). schließlich zu Turbulenz und zur Vermischung der beiden Zum Abschluss seien ein paar Zahlen zu Kelvin- Dichte- bzw. Temperaturschichten. Dies ist sehr anschau- Helmholtz-Wellen genannt, wie sie aus Beobachtungen lich in Filmen von Laborversuchen und Computersimula- und numerischen Simulationen erhalten wurden. Die tionen zur K-H-Instabilität zu sehen, wie sie heutzutage Wellenlänge (L) ergibt sich zu etwa dem 5-8-fachen der unter youtube oder anderen Quellen im Internet ange- vertikalen Mächtigkeit der Scherschicht, in Abb. 3 mit schaut werden können. H bezeichnet (L ≈ 5-8 H). Die maximale Amplitude Die in Abb.1 gezeigt einfache Konfiguration einer stabil beträgt etwa 0.1-0.2 L. Die Spannweite der möglichen geschichteten Scherströmung tritt in der Atmosphäre na- Wellenlängen und Amplituden ergibt sich daraus, dass türlich nicht in Form eines Temperatur- und Windsprungs die K-H-Instabilität nicht nur vom Betrag der Windsche- auf, sondern in Form einer starken Wind- und Temperatur- rung und des Temperaturgradienten abhängt, sondern änderung über einen kleinen Höhenbereich, wie schema- auch von der relativen Mächtigkeit der Scherschicht tisch in Abb. 4 dargestellt. Hier ist ergänzend die Wind- (H) und der Inversion (D). Nehmen wir als typischen scherung dU/dz gezeigt. Der Grund ist folgender: spätere Wert im Bereich des Oberrandes der atmosphärischen Analysen des Kelvin-Helmholtz-Problems mit kontinuier- Grenzschicht von H = 100 m an. Damit ergeben sich lichen Geschwindigkeits- und Temperaturprofilen haben Wellenlängen von etwa 500-800 m, und somit kürzer gezeigt, dass eine Scherströmung nur dann instabil wird, als bei Schwerewellen üblich. Die typischen Amplitu- wenn die Scherung ein Extremum (Maximum oder Mini- den ergeben sich dann zu 50-160 m. Die Lebensdauer mum) aufweist, wie es in Abb. 4 dargestellt ist. Es reicht von K-H-Wellen vom Beginn der Instabilität (z. B. Zeit- für die Bildung von K-H-Wellen also nicht aus, dass z.B. punkt t1 in Abb. 2) bis zum Brechen der Wellen (Zeit- der Wind kontinuierlich mit der Höhe zunimmt, was er ja punkt t3) und deren anschließender Auflösung in Form meist auch macht. Daher treten K-H-Wellen auch nicht von dreidimensionaler kleinräumiger Turbulenz liegt im Mitteilungen DMG 02/2014
focus 4 Bereich 10-20 Minuten. Aus letzterem ist zu ersehen, Literaturhinweise dass die Wahrscheinlichkeit K-H-Wellen zu beobachten Kelvin, Lord, 1871: Hydrokinetic solutions and observa- weit geringer ist als die von normalen Schwerewellen, tions. ˗ Phil. Mag., 42, 362-377. welche z. B. in Form von Leewellen, sichtbar gemacht Helmholtz, H. von, 1868: Über discontinuierliche durch parallel zum Gebirge angeordnete Kumulus- oder Flüssigkeitsbewegungen. ˗ Monatsber. Königl. Preuss. Lenticularis-Wolken, stundenlang am Himmel stehen Akad. Wiss. Berlin, 23, 215-228. können. „Geheimsache Wetter“: Originale Wetterkarten vom Juni 1944 werden erstmals veröffentlicht Jörg Rapp noch vorliegen. Das historische Material umfasst nahezu 25 laufende Meter im Format DIN A1. Enthalten sind da- Fortsetzung von U2 rin auch Zirkumpolarkarten, aber auch andere Dokumente, ... Die Wettervorhersagen für den 5. und 6. Juni 1944 wie Großwetterlagenberichte und Reanalysen von synop- sind vielleicht die wichtigsten meteorologischen Pro- tischen Karten für die Zeit des Ersten Weltkrieges. gnosen, die jemals erstellt wurden. Inzwischen ist ziem- Einige der wiederentdeckten Arbeitswetterkarten vom lich sicher, dass die Voraussagen der alliierten Meteo- Juni 1944 konnten inzwischen von der Deutschen Mete- rologen zwar widersprüchlich waren, aber doch dazu orologischen Bibliothek mit Hilfe eines professionellen geführt haben, dass „Overlord“ um einen Tag verscho- Buchscanners in hoher Qualität digitalisiert werden (sie- ben wurde. Das Wetter zeigte sich dann am 6. Juni zwar he anliegende Abbildungen). Diese Dokumente wurden nicht gut, aber doch etwas besser als einen Tag zuvor. unterdessen dem britischen Wetterdienst (Met Office) im Auf der Seite der Alliierten waren an den Progno- Tausch mit deren historischen Wetterkarten zur Verfügung sen drei Wetterdienste, das britische „Met Office“, der gestellt. Wetterdienst für die britische und US-amerikanische Beim Vergleich der Arbeitswetterkarten des deutschen Kriegsmarine und der Wetterdienst für die US-ameri- und des britischen Wetterdienstes fällt sofort auf, dass der kanische Luftwaffe, beteiligt. Im Deutschen Reich war ZWG aus weiten Teilen des europäischen Kontinents, also die erst 1938 gegründete „Zentrale Wetterdienstgrup- aus dem ganzen ehemaligen Einflussbereich des Deut- pe“ (ZWG) für die Bereitstellung wichtiger Karten und schen Reiches, Wettermeldungen zur Verfügung standen. Daten für das Oberkommando der Wehrmacht und der Hinzu kamen entschlüsselte russische Daten und Infor- Luftwaffe zuständig. Die deutsche Generalität war auf- mationen von Wettererkundungsfliegern und U-Booten. grund der von der ZWG befriedigend prognostizierten, Doch blieb die Karte über den britischen Inseln nahezu eher ungünstigen Wetterbedingungen nicht von einer vollständig leer. Es gelang dem deutschen Militär nicht, Landung genau während dieser Junitage überzeugt. die britischen Wetterbeobachtungen zu entschlüsseln. Die Die Zentrale Wetterdienstgruppe, die rund um die Uhr Luftdruckeintragungen an einigen wenigen britischen die Wettersituation in Europa und auf der ganzen Nord- Flugplätzen wurden unverschlüsselten Funksprüchen an hemisphäre diagnostizierte, war mit gut einem Dutzend Flugzeugbesatzungen vor deren Landung entnommen. hochkarätiger Meteorologen besetzt. Darunter waren so Ein Blick auf die britische Wetterkarte wiederum zeigt bekannte Namen wie Dr. Richard Scherhag, Dr. Horst die hohe Beobachtungsdichte über dem Vereinigten Kö- Philipps, Dr. Hermann Flohn und Prof. Dr. Ludwig nigreich, aber eben auch, dass die Alliierten die deutschen Weickmann. Es wurden vier Mal täglich Wetterkarten Wettermeldungen entschlüsselt hatten und deshalb von für den europäischen Raum gezeichnet und Wetterpro- ganz Europa aussagekräftige Karten anfertigen konnten. gnosen für die Kampfgebiete erstellt, die natürlich der Geheimhaltung unterlagen. Täglich gab es in Wildpark Hinweis bei Potsdam morgendliche Lagebesprechungen der In der Deutschen Meteorologischen Bibliothek kann eine ZWG mit dem Generalstab der Luftwaffe. Vielzahl von englisch- und deutschsprachiger Literatur zu Erst vor kurzem konnte festgestellt werden, dass fast den Wettervorhersagen anlässlich des D-Days eingesehen alle der damals mit Hand gezeichneten und kolorierten werden, darunter auch bisher unveröffentlichtes Material. originalen Wetterkarten des Deutschen Wetterdienst Mitteilungen DMG 02/2014
focus 5 9HUJOHLFKGHU:HWWHUNDUWHQ GHVGHXWVFKHQXQGEULWLVFKHQ :HWWHUGLHQVWHVYRP''D\ -XQL Ausschnitt aus der Wetterkarte der Zentralen Wetterdienstgruppe (ZWG) des Generalstabes der Luftwaffe vom 6. Juni 1944, 11 DSZ (© DWD). Ausschnitt aus der Wetterkarte des Meteorological Office (Air Ministry, U.K.) vom 6. Juni 1944, 13 GMT (© Met Office, U.K. ). Mitteilungen DMG 02/2014
focus 6 Norddeutscher Klimamonitor – Klimazustand und Klimaentwicklung in Norddeutschland innerhalb der letzten 60 Jahre (1951˗2010) Insa Meinke, Moritz Maneke, nitor ist ein interaktives Internetprodukt, das unter www. Wolfgang Riecke, Birger Tinz norddeutscher-klimamonitor.de öffentlich zugänglich ist. Vorbemerkung der Redaktion: Beim folgenden Beitrag Motivation handelt es sich um eine gekürzte Fassung des Online- Mit der Deutschen Anpassungsstrategie (DAS), die vom Supplements zu Heft 1/2014. Der vollständige Artikel Bundeskabinett am 17.12.2008 verabschiedet wurde, ist weiterhin auf der Homepage der DMG zugänglich: entstand ein großer Bedarf an regionalisierten Klima- www.dmg-ev.de/gesellschaft/publikationen/documents/ szenarien für die Zukunft. Diese waren zwar in Form von Norddeutscher_Klimamonitor.pdf. Rohdaten öffentlich verfügbar, bedurften jedoch einer nutzerbezogenen Auswertung und Interpretation, die von Der Norddeutsche Klimamonitor ist ein Informations- Fachfremden neben ihren eigentlichen Aufgaben nicht zu produkt, das vom Norddeutschen Klimabüro des Helm- bewerkstelligen war. So wurden verschiedene Klimaat- holtz-Zentrums Geesthacht und vom Regionalen Klima- lanten konzipiert und in einer für Laien verständlichen büro Hamburg des Deutschen Wetterdienstes entwickelt Form im Internet veröffentlicht (vgl. Meinke et al., 2009 wurde, um über den aktuellen Forschungsstand zum und DWD, 2010). Regionale Klimaszenarien sind jedoch Klima und bisherigen Klimawandel in Norddeutsch- mit Unsicherheiten behaftet und werden dies methoden- land zu informieren. Dazu wurden Stationsmessungen bedingt auch künftig sein. Trotzdem müssen rechtzeitig des DWD-Messnetzes und messbasierte Flächendaten- Anpassungsstrategien an den Klimawandel entwickelt und sätze sowie Reanalysen aus dem coastDat-Datensatz umgesetzt werden. Vor diesem Hintergrund wurden immer für Norddeutschland ausgewertet und auf einer Websei- wieder Forderungen nach einem messbaren Beweis für re- te grafisch veranschaulicht. Die Auswertungen zeigen, gionale Klimaentwicklungen an den DWD und das HZG dass selbst bei Klimaelementen, deren Messung als ro- herangetragen. bust und wenig fehleranfällig gilt, ein Unsicherheitsbe- Im Zuge der Umsetzung der Anpassungsstrategie auf reich hinsichtlich ihres Zustandes und somit auch hin- Länderebene, die von dem Aktionsplan Deutsche Anpas- sichtlich der bisherigen Änderungen existiert. Dennoch sungsstrategie flankiert wird (Bundeskabinett, 2011), weisen innerhalb der letzten 60 Jahre alle Datensätze wird auf Länderebene derzeit der Aufbau regionaler auf eine Erwärmung von etwa 1,2 K in Norddeutsch- Klimamonitoringsysteme angestrebt. Ziel dieser Mo- land hin. Zudem ist die beobachtete Erwärmung der nitoringsysteme soll es sein, Kenntnisse über regionale letzten 30 Jahre als exemplarisch für die künftig zu er- Verwundbarkeiten auf Länderebene zu erlangen, die im wartende Erwärmung einzustufen. Zusammenhang mit dem anthropogenen Klimawandel stehen. Diese sollen auf verlässlichen Daten basieren Einleitung (Schleswig-Holsteinischer Landtag, 2013). Auch bei die- Anlässlich unterschiedlicher Informationsbedarfe so- sen Bestrebungen steht der Wunsch nach einer Art Beweis wohl auf Länderebene als auch in der breiten Öffent- im Vordergrund, nämlich bewerten zu können, wie sich lichkeit haben das Regionale Klimabüro Hamburg des der Klimawandel tatsächlich auf das jeweilige Bundesland Deutschen Wetterdienstes (DWD) und das Norddeut- ausprägt und ob avisierte Anpassungsmaßnahmen erfolgs- sche Klimabüro des Helmholtz-Zentrums Geesthacht versprechend und ausreichend sind (www.hamburg.de/ (HZG) gemeinsam einen Norddeutschen Klimamonitor anpassungsstrategie/, abgerufen am 13.01.2014). entwickelt. Neben der Darstellung aktueller und ver- Die norddeutschen Bundesländer haben vereinbart, be- gangener Klimazustände informiert das Internetprodukt züglich eines regionalen Klimamonitoringsystems zu- auf Basis von Stations- und Flächendaten über Entwick- sammenzuarbeiten. Zu diesem Zweck fanden seit 2012 lungen unterschiedlicher Klimagrößen innerhalb der mehrere Workshops statt, bei denen auch die regionalen letzten 60 Jahre (1951–2010) in Norddeutschland. Die Klimabüros des DWD und des HZG, vertreten waren. Auf Trends bisheriger Änderungen werden zudem in Rela- diesen Workshops wurden zunächst zusammen mit den tion zu möglichen zukünftigen regionalen Klimaszena- verschiedenen Anwendergruppen wie z. B. der Stadtpla- rien gesetzt. Auf diese Weise können Nutzer erkennen, nung, der Wasser- oder Landwirtschaft Indikatoren iden- ob es sich bei den bereits eingetretenen Änderungen tifiziert, die Gegenstand eines Klimamonitorings in Nord- um natürliche Schwankungen handelt oder ob sie mög- deutschland sein sollten. Dabei wurde deutlich, dass die licherweise bereits eine Folge anthropogener Treib- definierten State-Indikatoren meteorologische und daraus hausgasemissionen sind. Der Norddeutsche Klimamo- abgeleitete Größen darstellen. Mitteilungen DMG 02/2014
focus 7 Abb. 1: Darstellung des Klimazustandes im Norddeutschen Klimamonitor, hier am Beispiel der durchschnittlichen Temperatur (1981-2010) gemäß des Matsuura-Willmott-V3- Datensatzes (Karte) und der Stationsdaten des DWD (Punkte). Norddeutscher Klimamonitor: Ziele und Methoden men geben sie also nur Auskunft über das modifizierte Aus Sicht des Regionalen Klimabüros Hamburg des Deut- Klima des gerade bestehenden, direkten Umfeldes einer schen Wetterdienstes und des Norddeutschen Klimabüros Messstation. des Helmholtz-Zentrums Geesthacht lassen sich aus dem Für eine räumlich lückenlose Darstellung des Klima- oben beschriebenen Stakeholderbedarf drei Hauptziele ab- zustandes werden daher Flächendaten verwendet. Die leiten. Hierzu zählen: Datensätze aus räumlich interpolierten Messdaten sind 1) eine realistische Darstellung des Klimazustandes in hierfür gut geeignet, liefern jedoch nur Informationen Norddeutschland, über Land und liegen meistens nur für wenige Klimagrö- 2) die Darstellung bisheriger Klimaentwicklungen in ßen (Lufttemperatur und/oder Niederschlag) vor. Zudem Norddeutschland und können aufgrund der meist groben zeitlichen Auflösung 3) Konsistenz bisheriger Trends mit regionalen Klimasze- (Monatsmittel) keine Kenntage (heiße Tage etc.) abgelei- narien. tet werden. Damit alle Klimazustände der identifizierten Diese Ziele wurden im Norddeutschen Klimamonitor State-Indikatoren (s.o.) dargestellt werden können, wer- umgesetzt und sollen nachfolgend kurz beschrieben wer- den deshalb zudem Reanalysen aus der coastDat-Da- den. tenbank ausgewertet. Aus den bis zu sechs unterschied- lichen Flächendaten ergeben sich für die Klimazustände Klimazustand in Norddeutschland der unterschiedlichen Klimagrößen Spannbreiten. Bei Der Klimazustand in Norddeutschland wird für unter- dem dreißigjährigen Jahresmittelwert (1981-2010) schiedliche Zeitfenster auf Basis von ausgewählten nord- der 2m-Lufttemperatur reicht diese Spannbreite der deutschen Stationsdaten des DWD-Stationsmessnetzes Gebietsmittelwerte in Norddeutschland von 8 °C bis sowie mess- und modellbasierten Flächendaten als 30-Jah- 9,2 °C. resmittelwerte dargestellt. Die Beobachtungsdaten von Mit dem Ziel einer realistischen Darstellung wurde für zwanzig für die verschiedenen Regionen Norddeutsch- jede Klimagröße ein Standard-Flächendatensatz iden- lands möglichst repräsentativen Messstationen aus dem tifiziert, dessen Gebietsmittel über alle Jahreszeiten in DWD-Messnetz werden in die Betrachtungen aufgenom- allen Zeitfenstern die kleinste Differenz sowohl a) zum men. Messungen bilden die beste Näherung an den Kli- Ensemble-Mittel der Flächendaten für Norddeutschland mazustand eines bestimmten Ortes. Neben der regionalen als auch b) zum Mittel aller Stationen in Norddeutsch- Klimatologie werden die Messungen jedoch von lokalen land aufweist. Für jede Klimagröße wird der jeweilige Eigenschaften des Messumfeldes beeinflusst. Stations- Standard-Flächendatensatz als Karte zusammen mit den verlegungen, wodurch auch immer ausgelöst, können in Stationsdaten dargestellt, die als rote Punkte in der Kar- den Messreihen zu Unstetigkeiten führen. Genaugenom- te gekennzeichnet sind (vgl. Abb. 1). Im Spannbreiten- Mitteilungen DMG 02/2014
focus 8 Abb. 2: Darstellung der bisherigen Klimaentwicklung von 1951 bis 2010 im Norddeutschen Klimamonitor, hier am Beispiel der durchschnittlichen Temperatur gemäß des coastDat-1-Datensatzes des HZG (Karte) und der Stationsdaten des DWD (Punkte). diagramm rechts neben der Karte wird das Gebietsmit- breiten für die bisherigen Klimaentwicklungen. Deshalb tel dieses Standard-Flächendatensatzes innerhalb der wurde auch für die Darstellung der Klimaentwicklungen Spannbreite aller Flächendaten gekennzeichnet. ein Standard-Flächendatensatz identifiziert, dessen Ge- bietsmittel über alle Jahreszeiten die kleinste Differenz Bisherige Klimaentwicklungen in Norddeutschland zum Mittel aller Stationsmessungen aufweist, die für die Bisherige Klimaentwicklungen in Norddeutschland jeweilige Klimagröße für den gesamten Untersuchungs- werden für die letzten sechzig Jahre (1951–2010) auf zeitraum verfügbar sind. Die Klimaentwicklungen aus die- Basis der räumlich und zeitlich homogenen coastDat- sem Standard-Flächendatensatz werden jeweils als Karte Datensätze (WEISSE et al., 2009; GEYER 2013) so- dargestellt (vgl. Abb. 2). Die Spannbreite der bisherigen wie ausgewählter DWD-Stationsdaten dargestellt. Die Klimaentwicklung, die sich aus den beiden coastDat-Da- jeweiligen Änderungen sind mittels linearer Regressi- tensätzen ergibt, wird in einem Spannbreitendiagramm je- onen der jeweiligen Klimagrößen gegenüber dem Zeit- weils rechts neben der Karte dargestellt. Alle Trends wur- raum 1951 bis 2010 ermittelt worden. Die Stationsdaten den mit dem t-Test auf Signifikanz geprüft. Sofern Trends bedurften hinsichtlich derAuswertung bisheriger Kli- in bestimmten Regionen signifikant sind, wird dies sowohl maentwicklungen genauer Untersuchungen in Bezug in der Karte als auch hinter den Änderungswerten der Sta- auf Unstetigkeiten in ihrer jeweiligen Historie sowie tionsdaten gekennzeichnet. einer diesbezüglichen Interpretation der Messungen, da anderenfalls möglicherweise fehlerhafte Klimatrends Konsistenz bisheriger Klimaentwicklungen mit abgeleitet worden wären. Bei den Stationsdaten vari- Szenarien iert auch aus diesem Grund der berücksichtigte Mess- Um der Forderung nach einem messbaren Beweis für zeitraum von Station zu Station. Auf einer Extraseite die Richtigkeit regionaler Klimaszenarien nachzukom- erfolgen im Norddeutschen Klimamonitor nähere Sta- men, werden neben der Analyse bisheriger Trends Konsis- tionsangaben u. a. mit Fotos. Von den zwanzig Mess- tenztests durchgeführt (Barkhordarian, 2012 und Bhend, stationen, die dem Norddeutschen Klimamonitor zu 2008). Dabei werden die rezenten Klimatrends der letzten Grunde liegen, reichen die Messungen an sieben Sta- dreißig Jahre aller verfügbaren Datensätze mit möglichen tionen bis 1951 zurück. Vier von diesen Stationen (Ar- zukünftigen Trends der 12 regionalen Klimaszenarien ver- kona, Brocken, Marnitz und Waren), sind im gesamten glichen, die dem Norddeutschen Klimaatlas (Meinke et Untersuchungszeitraum nicht verlegt worden, so dass al., 2009) zu Grunde liegen. Stimmt die Spannbreite aus nur für diese Stationen für alle gemessenen Klimagrö- den Trends der Klimaszenarien mit den Trends bisheriger ßen 60-Jahrestrends angegeben werden können. Klimaentwicklungen überein, kann daraus geschlossen Aus den beiden zeitlich und räumlich homogenen werden, dass die bisherigen Klimaentwicklungen exem- coastDat-Datensätzen ergeben sich wiederum Spann- plarisch für zu erwartende zukünftige Änderungen sind. Mitteilungen DMG 02/2014
focus 9 Zudem deutet diese Übereinstimmung darauf hin, dass BUNDESKABINETT 2011: Aktionsplan Deutsche An- die bereits beobachteten Trends der letzten 30 Jahre durch passungsstrategie. menschliche Treibhausgasemissionen erklärt werden kön- DEUTSCHER WETTERDIENST [DWD] 2010: Kli- nen, obwohl andere Erklärungen damit nicht ausgeschlos- maatlas Deutschland. www.dwd.de/klimaatlas. sen werden (Barkhordarian, 2012). Eine Diskrepanz DEUTSCHER WETTERDIENST [DWD] 2011: zwischen den Trends bisheriger Klimaentwicklungen und Monthly mean of air temperature, 1km grid (format: den Trends der regionalen Klimaszenarien würde darauf ARCGRID), for Germany. hindeuten, dass der menschliche Einfluss für die Änderung DIETZER, B. 2000: Berechnung von Gebietsnieder- der jeweiligen Klimagröße nicht dominant ist oder andere schlagshöhen nach dem Verfahren REGNIE, Deutscher anthropogene Faktoren wie veränderte Aerosollasten eine Wetterdienst – Hydrometeorologie, Offenbach, 2000. Rolle spielen. Zudem kann der bisherige Trend auch eine GEYER, B. 2013: High resolution atmospheric re- Folge natürlicher interner Variabilität und damit zufällig construction for Europe 1948–2012: coastDat2, Earth sein (Bhend, 2008). Syst. Sci. Data Discuss., 6, 779-809, doi:10.5194/ essdd-6-779-2013, 2013. Ausgewählte Ergebnisse des Norddeutschen HAYLOCK, M.R., N. HOFSTRA, A.M.G. KLEIN Klimamonitors TANK, E.J. KLOK, P.D. JONES, and NEW, M.. 2008: Einige Ergebnisse werden in der vollständigen Version im A European daily high-resolution gridded dataset of sur- Online-Supplement zu Heft 1/2014 dargestellt. face temperature and precipitation. J. Geophys. Res (At- Umfangreicheres Datenmaterial in Form von Karten- mospheres), 113, D20119, doi:10.1029/2008JD10201. darstellungen kann unter www.norddeutscher-klimamoni- JONES, P., HARRIS, I. 2013: CRU TS3.20: Climatic tor.de angeschaut werden. Research Unit (CRU) Time-Series (TS) Version 3.20 of High Resolution Gridded Data of Month-by-month Ausblick Variation in Climate (Jan. 1901 - Dec. 2011), [Internet]. Gemeinsam mit den Ländervertretern wurde am NCAS British Atmospheric Data Centre, University of 18.11.2013 ein Workshop veranstaltet, auf dem die regio- East Anglia Climatic Research Unit (CRU). nalen Klimabüros von DWD und HZG eine erste Version MEINKE, I., GERSTNER, E.-M. 2009: Digitaler Nord- des Norddeutschen Klimamonitors vorstellten und disku- deutscher Klimaatlas informiert über möglichen künfti- tierten. Generell wurde von Seiten der Teilnehmer betont, gen Klimawandel. Mitteilungen DMG 3/2009, 17. dass alle oben genannten Ziele und deren Umsetzung im ROSENHAGEN, G. 2008: Meteorologischer Hinter- Norddeutschen Klimamonitor ihrem Wunsch nach einem grund II: Zur Entwicklung der Sturmaktivität in Mittel- messbaren Beweis bezüglich des regionalen Klimawan- und Westeuropa. promet 34. dels in den norddeutschen Bundesländern nachkommen, SCHNEIDER, U., BECKER, A., F, P., MEYER- und somit eine gute Basis für ein auch von Seiten der Län- CHRISTOFFER, A., RUDOLF, B., and ZIESE, M. der auszubauendes Norddeutsches Klimamonitoring ge- 2011: GPCC Full Data Reanalysis Version 6.0 at 0.5°: schaffen ist. Natürlich steht der Norddeutsche Klimamo- Monthly Land-Surface Precipitation from Rain-Gauges nitor auch jeglichen anderen potenziellen Nutzergruppen built on GTS-based and Historic Data. DOI: 10.5676/ wie Kommunen oder Verbänden als eine rasche, fundierte DWD_GPCC/FD_M_V6_050. Informationsquelle zur Verfügung. SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG 2013: Der Norddeutsche Klimamonitor ist als offenes System Drucksache 18/889. konzipiert, in das bei Bedarf weitere Indikatoren einge- SCHÖNWIESE, C., JANOSCHITZ, R. 2005: Klima- pflegt werden können. Hierzu bitten die regionalen Klima- trendatlas Deutschland 1901-2000. Berichte des Insti- büros des Deutschen Wetterdienstes und des Helmholtz- tuts für Atmosphäre und Umwelt d. Universität Frank- Zentrums Geesthacht auch weiterhin um entsprechende furt, 7. Anregungen aus dem potenziellen Nutzerkreis. Darüber WEISSE, R., VON STORCH, H., CALLIES, U., CH- hinaus ist beabsichtigt, die Datenbasis in regelmäßigen RASTANSKY, A., FESER, F., GRABEMANN, I., Zeitabständen zu aktualisieren. GÜNTHER, H., WINTERFELDT, J., WOTH, K., and- PLUESS, A. 2009: Regional meteorological-marine rea- Quellennachweis nalyses and climate change projections, Bull. Amer. Me- BARKHORDARIAN, A. 2012: Consistency of recent cli- teor. Soc., 90, 849–860, doi:10.1175/2008BAMS2713.1. mate change and expectation as depicted by scenarios over WILLMOTT, C. J. and MATSUURA, K. 2012a: Ter- the Mediterranean region. Dissertation am Fachbereich restrial Air Temperature: 1900-2010 Gridded Monthly Geowissenschaften Universität Hamburg. Time Series (V 3.01). BHEND, J. 2008: Consistency of observed winter preci- WILLMOTT, C. J. and MATSUURA, K. 2012b: Ter- pitation trends in northern Europe with regional climate restrial Precipitation: 1900-2010 Gridded Monthly change projections. Climate Dynam. 31, 17-28. Time Series (V 3.02). BUNDESKABINETT 2008: Deutsche Anpassungsstrategie. Mitteilungen DMG 02/2014
wir 10 100. Geburtstag von Prof. Dr. Friedrich Defant Geboren in Wien am 14.04.1914, gestorben in Kiel am 20.11.1990 Hein Dieter Behr, Peter Speth Der 100. Geburtstag von F. Defant war für zwei sei- ner Schüler (H. D. Behr und P. Speth) der Anlass, alle Diplomanden und Doktoranden von F. Defant zu einem informellen Treffen nach Kiel einzuladen. Sie – wie auch die angereisten Schüler – waren über die hohe Beteiligung überrascht: bereits zum ersten nachmit- täglichen Treffen im Gartenlokal „Forstbaumschule“ mussten zusätzliche Tische und Stühle bewegt werden. Bereits zu diesem Zeitpunkt zählten wir über 30 Ehe- malige. Dabei ist zu bedenken, dass F. Defant bereits im Jahre 1980 entpflichtet wurde. Wie bei derartigen Tref- fen zu erwarten, löste sich nach der Frage: „Wer sind Sie/Du?ˮ die Anspannung, und ein lebhafter Austausch der Erinnerungen an die Zeiten im Institut für Meeres- kunde (IfM) setzte ein. Abb. 1: Prof. Dr. Friedrich (Fritz) Defant, 1914-1990 (© Martin Defant). Das abendliche Treffen fand im Restaurant „Län- gengrad“ statt, gelegen in repräsentativer Lage unmit- telbar an der Kieler Innenförde. Von hier hatte man Im ersten Fachvortrag referierte Prof. Dr. Mojib Latif über nahezu den gleichen Blick auf den Kieler Hafen wie den in den letzten anderthalb Jahrzehnten beobachteten vom vierten Stock des IfM am Düsternbrooker Weg, in geringen Anstieg der globalen Temperatur an der Erdo- dem die ehemalige Abteilung Maritime Meteorologie berfläche. Der seit ein paar Jahren beobachtete, recht ver- untergebracht war. Der Austausch der Erinnerungen an haltene Anstieg dieser Größe (Temperaturplateau), hat ein damalige Zeiten wurde intensiv fortgesetzt. Unterstützt erhebliches Echo in den Medien gefunden. Er kann weit- wurde der Gedankenaustausch durch eine Foto-Schau, gehend durch die vom Kieler Institut vorangetriebenen in der Klaus Baese wissenschaftlich Interessantes wie Modelle des Systems Ozean-Atmosphäre erklärt werden. auch Spaßiges aus der Defant-Zeit zusammengestellt Das Klimasystem erwärmt sich danach zwar weiter, nur hatte. nicht in den untersten atmosphärischen Schichten, sondern Am Montag, dem 14. April, dem Geburtstag von in der oberen Schicht des Ozeans, obwohl sich die Meere- F. Defant, versammelte sich ein Großteil der Teilneh- soberfläche in den letzten Jahren im globalen Durchschnitt mer des Treffens dann im Konferenzsaal des GEOMAR sogar leicht abgekühlt hat. Wegen der Datenlage in den Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel. Der tieferen Meeresschichten ist diese Aussage alles andere als Leiter der Unterabteilung Maritime Meteorologie in der zufriedenstellend. Wie der IPCC in seinem letzten Bericht Abteilung Ozeanzirkulation und Klimadynamik, Herr aus dem Jahr 2013 feststellt, kann man die kontinuierliche Prof. Dr. M. Latif, sowie seine Mitarbeiter berichteten und anhaltende Wärmeaufnahme der Meere allerdings über laufende Arbeiten der Gruppe. nicht bestreiten. So zeigt die Entwicklung des Wärmein- Eingangs stellte Dr. Andreas Villwock, Leiter des halts der oberen 2000 m seit 1990 einen fast linearen An- Bereichs Kommunikation und Medien, das GEOMAR stieg. Nach den Ergebnissen der Kieler Modelle läuft die Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel kurz vor. Erwärmung des Gesamtsystems weiter, nur erfolgt sie Das GEOMAR ging aus der 2004 durchgeführten Fu- momentan bevorzugt und massiv in den mittleren Ozean- sion aus dem Institut für Meereskunde und dem For- schichten, sodass die Erwärmung der oberflächennahen schungszentrum für Marine Geowissenschaften hervor Ozeanschichten und der untersten Atmosphärenschichten und wurde 2012 in die Helmholtz-Gemeinschaft über- verhalten ausfällt. führt. Das Zentrum, das heute mit 850 Mitarbeitern Dr. Gerd Krahmann stellte anschließend das virtuelle und einem Jahresbudget von rund 70 Mio. Euro zu den GEOMAR-Labor für Gleiter und Driftkörper vor. Moder- größten Einrichtungen in der Meeresforschung Europas ne ozeanographische Geräte übertragen ihre Messdaten in zählt, beschäftigt sich mit vier Schwerpunktthemen: Echtzeit an Landstationen. Über das Internet sind diese dem Ozean im Klimawandel, dem menschlichen Ein- Daten jederzeit zugänglich und ermöglichen so den Auf- fluss auf marine Ökosysteme, marinen Ressourcen so- bau von „virtuellenˮ Laboren, in denen sie analysiert und wie marinen Naturgefahren und der Plattentektonik. interpretiert werden. GEOMAR betreibt eine Flotte von Mitteilungen DMG 02/2014
wir 11 11 autonomen Gleitern und analysiert die Daten der 3500 Lebenslauf Driftkörper des ARGO-Programmes. Im Gegensatz zu den Für diejenigen Leser, die mit dem Leben und Wirken weltweit verbreitet eingesetzten passiven Driftkörpern, von Prof. Dr. Friedrich Defant nicht vertraut sind, sei die Vertikalsondierungen erlauben, werden vom Institut in hier in aller Kürze sein Lebenslauf aufgeführt. Voraus- Kiel Gleiter verwendet, deren Wirkweise den Driftkörpern gehend soll bemerkt werden, dass Vater und Sohn De- gleicht, die jedoch durch ihre Gleitfähigkeit steuerbar sind fant – selbstverständlich – Mitglieder der DMG waren. und damit begrenzte Meeresgebiete auf engmaschigen F. Defant, Sohn des Univ.-Prof. Dr. Albert Defant Kursen erschließen können. (*1984 in Trient, †1974 in Innsbruck), hätte unter opti- Prof. Dr. Katja Matthes gab einen Übersichtsvortrag malen Bedingungen studieren können bei Lehrern wie zum Sonneneinfluss auf das Klima und diskutierte Mecha- Heinrich v. Ficker, Hans Ertl, Georg Wüst, Julius Bar- nismen für den 11-jährigen Sonnenfleckenzyklus. Sie hob tels und nicht zuletzt bei seinem Vater Albert Defant. die Wichtigkeit des stratosphärischen UV-Mechanismus Sein wissenschaftlicher Weg wurde – typisch für sei- hervor, der sowohl die Temperaturen an der Stratopause ne Generation – durch die Politik der damaligen Zeit, als auch die Ozonkonzentration im Sonnenfleckenmaxi- insbesondere durch den aufkommenden zweiten Welt- mum erhöht und über verschiedene verstärkende Wech- krieg, massiv beeinflusst. selwirkungen regionale Zirkulationsmuster wie die NAO Die Familie Defant zog im Jahre 1926 von Innsbruck in der Troposphäre signifikant beeinflusst. Modernste Kli- nach Berlin, da Albert Defant für die Zeit 1926-1945 mamodelle mit einem gut aufgelösten Strahlungsmodul, eine Professur an der Universität Berlin annahm und interaktiver Atmosphärenchemie und gekoppeltem Ozean somit Direktor des Instituts für Meereskunde in Berlin sind in der Lage, den beobachteten Sonneneinfluss auf das wurde. Nach dem Abitur in Berlin-Wilmersdorf im Jah- Klima nachzuvollziehen. re 1934 musste F. Defant zunächst den Reichsarbeits- Prof. Dr. Douglas Maraun berichtete über den Einfluss dient ableisten, bevor er sich in Berlin für das Studium der Ozeane auf Extremwetter in Europa. Die Meeresober- der Geophysik immatrikulieren konnte. Der zweijäh- flächentemperatur des Nordatlantiks wird durch eine na- rige Wehrdienst (1935-1937) unterbrach sein Studium. türliche Klimaschaukel, die Atlantische Multidekadische Anschließend konnte er es bis zum Sommersemester Oszillation, moduliert, die im Rhythmus von etwa 60 1939 fortsetzen. In dieser Zeit war F. Defant wissen- Jahren den Atlantik wärmer und kälter werden lässt. Mo- schaftlicher „Hilfsangestellter“ (so hieß es damals) auf dellsimulationen mit dem Kieler Klimamodell zeigen, wie dem FS Altair bei der internationalen Golfstromexpe- diese Oszillation die Intensität von Extremniederschlä- dition. Diese Teilnahme legte den Grundstein für sein gen in Europa zeitweise verstärkt, zeitweise abschwächt. Interesse an der Maritimen Meteorologie, was für seine Eine vergleichbare Klimaschwankung hat im Mittelmeer spätere Zeit in Kiel von großer Bedeutung sein sollte. über die letzten 30 Jahre zu einer starken Erwärmung ge- Ab dem Herbst 1939 musste er als Soldat an dem Po- führt. Simulationen mit dem globalen Atmosphärenmodell lenfeldzug teilnehmen. Im Frühjahr 1940 wurde er vom ECHAM5 zeigen, wie Extremniederschläge durch diesen Kriegsdienst beurlaubt, um seine Promotion mit dem Trend entlang der Zugbahn von Vb-Zyklonen deutlich stär- Titel „Trägheitsschwingungen im Ozean und in der At- ker geworden sein können. Schließlich präsentierte Herr mosphäre“ [Referenten: Ertel & Wüst] abzuschließen. Maraun eine Fallstudie: Simulationen mit dem hochauflö- Anschließend war er bis Kriegsende Angehöriger des senden Regionalmodell WRF ergaben, dass die Erhöhung Marinewetterdienstes. Unter anderem fuhr er als Bord- der Oberflächentemperatur des Schwarzen Meeres wahr- meteorologe auf dem Kreuzer Admiral Scheer (Okt. scheinlich hauptverantwortlich für die Starkniederschläge 1940 – März 1941). in der Stadt Krymsk/Russland im Juli 2012 war. In zwei Zum Ende des Krieges stand er – wie eine gesamte Tagen fielen mehr als 220 mm, die Überschwemmungen Generation – mit faktisch leeren Händen da. mit den entsprechenden Schäden zur Folge hatten. Da es für die Familie Defant in Berlin keine Per- Nach den Vorträgen stand eine Besichtigung der mete- spektiven mehr gab (das Institut für Meereskunde, die orologischen Messstation auf dem Institutsdach auf dem wissenschaftliche Arbeits- und Wirkungsstätte von Al- Programm. Dr. Karl Bumke erläuterte die umfangreiche bert Defant, wurde kurz vor Kriegsende durch Bomben Instrumentierung, wobei der Schwerpunkt auf der Vor- vollständig zerstört), ging die Familie nach Innsbruck stellung des Schiffsregenmessers und des optischen Dis- zurück. drometers zur Niederschlagsmessung lag, beides Geräte, Albert Defant war bis 1955 Direktor des dortigen die in der Maritimen Meteorologie des Instituts entwickelt Instituts für Meteorologie und Geophysik. Friedrich worden sind. Defant war Assistent am gleichen Institut. Bereits im Der Tag klang aus mit einem gemeinsamen Mittagessen September 1945 wurde er von der Tiroler Landesregie- in einem nahe gelegenen Restaurant. rung und vom ‚Service Météorologique en Autriche' Mit vielen Erinnerungen sowohl an die ehemalige Stu- beauftragt, für die Länder der französischen Zone (Ti- dienzeit als auch an das jetzige GEOMAR verließen die rol und Vorarlberg) einen meteorologischen Dienst ein- Teilnehmer nur ungern Kiel. zurichten. 1947 fertigte F. Defant seine Habilitations- schrift mit dem folgenden Titel an: „Grundlagen einer Theorie des jährlichen Luftdruckganges in der Atmo- Mitteilungen DMG 02/2014
focus 12 sphäre der Nordhalbkugel“. In diese Zeit fielen auch der Energetik der Hamburger Sturmflut im Jahre 1962 zu seine weiteren wissenschaftlichen Arbeiten über lokale nennen. Durch das Studium der Wechselwirkungen der Windsysteme. So blieb seine zusammenfassende Dar- einzelnen Skalen untereinander gelang ihm – in Zusam- stellung über „Local Windsystems“ im „Compendium menarbeit mit mehreren Doktoranden und Diplomanden of Meteorologyˮ lange richtungsweisend, insbesonde- – ein vertiefter Einblick in die Energietransfers der At- re seine Darstellung des Zusammenwirkens der Hang- mosphäre. In einer weiteren, größeren Untersuchung er- windsysteme mit dem Berg- und Talwindsystem und arbeitete er im Rahmen mehrerer Examensarbeiten die ihren Umschlagphasen. klimatischen Verhältnisse sowie die Flüsse von potenti- Für die Zeit 1951-1955 wurde F. Defant von C. G. eller sowie kinetischer Energie für das Gebiet der Ostsee. Rossby und J. Bjerknes als Gastprofessor nach Chicago Diese Untersuchung wurde von den Ozeanographen des und nach Los Angeles eingeladen. Anschließend war er damaligen IfM angeregt, da sie für ihre Studien Informa- bis 1961 Gastprofessor am „International Institute of tionen über die Energieflüsse an der Grenzfläche Ozean- Meteorology“ in Stockholm. In diese 10 Jahre fallen Atmosphäre benötigten. Die in diesen Untersuchungen seine eingehenden, mit großer Akribie durchgeführten gewonnenen Ergebnisse wurden in der von der Deutschen Analysen der Strom- und Geopotentialfelder im 200- Forschungsgemeinschaft geförderten Arbeitsgruppe DE- und 300-hPa-Niveau zur Bestimmung der Jetstreams, FAAZ (Diagnose empirischer Felder der allgemeinen sowie – darauf aufbauend – seine Untersuchungen der atmosphärischen Zirkulation) von F. Defant und seinen Struktur der Form und Ausprägung der Tropopause, wissenschaftlichen Mitarbeitern sowie Doktoranden/ insbesondere des Tropopausenbruchs im Strahlstrom- Diplomanden mit Kollegen anderer meteorologischer In- bereich der Subtropen. Wegen der seinerzeit nur in stitute erfolgreich vertieft. geringem Umfang zur Verfügung stehenden Radioson- Die Universitäten Innsbruck und Helsinki haben sei- dendaten mit zum Teil noch unterschiedlicher Qualität ne wissenschaftlichen Leistungen mit der Verleihung sind diese Arbeiten besonders zu würdigen. von Universitätsmedaillen geehrt, die Bundesrepublik 1961 erhielt F. Defant einen Ruf an die Universität Deutschland mit dem Bundesverdienstkreuz. Posthum Kiel auf ein neu gegründetes Ordinariat. Hier war er verlieh ihm die ÖGM die Julius-von-Hann-Medaille. bis zu seiner Entpflichtung im Jahre 1980 ordentlicher Der akademische Lehrer F. Defant kann voller Stolz zu- Universitätsprofessor für Meteorologie und zugleich rück blicken auf eine große Anzahl von Diplomanden und Direktor der Abteilung Maritime Meteorologie des IfM Doktoranden sowie auf zwei Habilitanden: Hans Hinzpe- an der Universität Kiel, dem heutigen GEOMAR Helm- ter (später Universität und MPI Hamburg) und Peter Speth holtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. (später Universität zu Köln). Es ist erfreulich, dass nach ei- In dieser Zeit hat er sich insbesondere der Untersu- ner derart langen Zeit seit der Entpflichtung von F. Defant chung der Allgemeinen Zirkulation der Atmosphäre mit nahezu alle seiner Diplomanden und Doktoranden bereit dem Schwerpunkt „Energetik der Atmosphäre“ gewid- waren, nach Kiel zu kommen. met. Hier ist zunächst die bedeutende Untersuchung Abb. 2: Teilnehmer des Geburtstagstreffens im GEOMAR/Kiel (Foto Dr. Andreas Villwock/GEOMAR, bearbeitet von H. D. Behr). Mitteilungen DMG 02/2014
wir 13 Essener Klimagespräche Christian Koch Am 25.03.2014 informierte Herr Prof. Dr. Ulrich Schreiber (Universität Duisburg-Essen, Arbeitsgrup- Der Zweigverein Rheinland lädt zusammen mit der Uni- pe Geologie) über „Unterflur-Pumpspeicherwerke als versität Duisburg-Essen (Abteilung Angewandte Klimato- Folgenutzung stillgelegter Bergwerke – Eine alternati- logie) und dem Deutschen Wetterdienst Essen etwa alle 3 ve Speichertechnologie für Nordrhein-Westfalen?“ Der bis 6 Wochen zu der Kolloquiumsreihe der „Essener Kli- im Rahmen der Energiewende angestrebte Wechsel von magespräche“ ein. Die Vortragenden kommen aus der Me- der klassischen Energieerzeugung zu Wind- und Solar- teorologie und benachbarten Wissenschaftsbereichen. Die energie führt zu einer wetterbedingten Abhängigkeit der Gesprächsreihe kann von allen an der Meteorologie inte- Stromproduktion. Die hieraus resultierenden Schwan- ressierten Personen kostenfrei besucht werden. Die Mit- kungen machen eine Vielzahl von Speichern erforder- glieder des Zweigvereins Rheinland werden über geplante lich, die bei Ausfall der volatilen Angebote eine gesi- Veranstaltungen per Rundbrief informiert. Die Ankündi- cherte Versorgung ermöglichen. Bewährt haben sich seit gungen sind auch auf der Homepage des Zweigvereins mehr als 100 Jahren Pumpspeicherwerke, die effizient Rheinland einsehbar. Berichte über die Essener Klimage- und zuverlässig sind. Derzeit gibt es in Deutschland eine spräche erscheinen regelmäßig in den Mitteilungen der Gesamtkapazität von 40 bis 50 GWh. Nach einer VDE DMG. Studie von 2012 sind bei einem geplanten Anteil der Herr Prof. Dr.-Ing. Jens Pfafferott (Hochschule Offen- erneuerbaren Energien von 80 % an der Gesamtstrom- burg, Institut für Energiesystemtechnik INES) referierte erzeugung zusätzlich 14 GW Kurzzeitspeicher und 18 am 04.02.2014 über das Thema „Zur Wechselwirkung GW Langzeitspeicher notwendig. In einem Forschungs- zwischen Gebäude und Stadtklima“. Der städtische Wär- ansatz der Universitäten Duisburg-Essen und Bochum meinseleffekt (UHI) wird grundsätzlich für den Außen- wird untersucht, ob sich die bis 2018 stillgelegten Stein- raum beschrieben. Hier stehen sowohl empirische, auf kohlebergwerke des Ruhrgebietes für eine Nachnutzung Beobachtungswerten beruhende Modelle als auch auf als Pumpspeicherwerk eignen. Vorteile sind die hohen einer numerischen Modellierung basierende Modelle zur Reliefunterschiede von mindestens 600 Metern, die Verfügung. Während der UHI-Effekt heute gut verstan- Nähe zum Verbraucher, eine vorhandene Infrastruktur den ist, fehlen belastbare Aussagen dazu, wie die Wech- und die Akzeptanz der Bevölkerung. Weiterhin können selwirkung zwischen einem einzelnen Gebäude und dem die Gewinnung von Erdwärme und Grubengas zusätz- unmittelbaren Umgebungsklima und schließlich mit dem lich zur Wirtschaftlichkeit beitragen. Erforscht werden Stadtklima quantifiziert werden kann. Grundsätzlich kann geschlossene, offene und teiloffene Systeme u. a. hin- die Wechselwirkung durch eine numerische Simulati- sichtlich ingenieurtechnischer, wirtschaftlicher, geolo- on dargestellt werden. Allerdings ist der Rechenaufwand gischer und ökologischer Aspekte. hierfür sehr groß und daher kaum realisierbar. So zeichnen Prof. Dr. Carl Beierkuhnlein (Lehrstuhl für Biogeogra- sich Gebäudemodelle durch eine hohe zeitliche Auflösung phie, Bayreuther Zentrum für Ökologie und Umweltfor- aus, während Stadtklimamodelle örtlich hochaufgelöst schung – BayCEER, Universität Bayreuth) berichtete sein müssen. Eine Kombination dieser sehr unterschied- am 29.04.2014 über „Ökologische Folgen veränderter lichen Zeit- und Ortskalen macht eine gekoppelte Simula- Klimavariabilität“. Im Rahmen des Klimawandels wird tion aufwändig. Mit einer teilentkoppelten Simulation ist eine Zunahme klimatischer Variabilität und damit zu- es aber möglich, diese Wechselwirkungen näherungswei- sammenhängend eine veränderte Häufigkeit und In- se zu beschrieben und schließlich die Effekte des Stadt- tensität von Extremereignissen erwartet (IPCC 2012). klimas auf das Gebäude in Hinsicht auf Raumklima und Allerdings stellt sich bei genauerer Betrachtung heraus, Energieeffizienz zu quantifizieren. Dazu werden die Test- dass es nicht einfach ist, extreme Bedingungen zu cha- referenzjahre von 2011 genutzt, die den Stadtklimaeffekt rakterisieren. Rein statistische Ansätze stoßen im Ver- auf Basis halbempirischer Gleichungen verwenden. Wäh- lauf einer Zeitreihe in ihrer Aussagekraft an Grenzen, rend der Heizwärmebedarf im innerstädtischen Bereich wenn sich eine Entwicklung fortsetzt. Ökologische gegenüber einem Standort mit unbeeinflusstem Klima ab- und gesellschaftliche Risiken von außergewöhnlichen nimmt, steigt der Kühlenergiebedarf deutlich. In Gebäuden Ereignissen wie Starkregen, Dürre oder Spätfrösten ohne Kühlung nimmt die Innenraumtemperatur deutlich werden aber auf jeden Fall als relevanter erachtet als zu. Es ist geplant, in einem folgenden Projekt die Rück- die Folgen einer reinen Erwärmung. Im ökologischen wirkung des einzelnen Gebäudes auf das Stadtklima zu Kontext stellen sich Fragen nach der Bedeutung extre- beschreiben. Damit ist es möglich, Anforderungen an ei- mer Wetterereignisse für die Überlebensfähigkeit von nen zukünftigen Baustandard zu formulieren und perspek- Artpopulationen, die Verbreitung und Ausbreitung von tivisch in der Gesetzgebung zu verankern. Ziel ist es, die Arten, die Resilienz von Lebensgemeinschaften und Bauphysik der Fassade in der Form weiterzuentwickeln, den Stoffhaushalt und die Funktionalität von Ökosy- dass Gebäude das Stadtklima weniger stark beeinflussen stemen. Antworten von Ökosystemen auf bislang noch und so zu einem angenehmeren Stadtklima beitragen. nicht erfahrene extreme Bedingungen können verständ- Mitteilungen DMG 02/2014
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