Länderprofile Analysen - Erfahrungen - Trends - Edition USA - DAAD
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Herausgeber GATE-Germany Konsortium für Internationales Hochschulmarketing www.gate-germany.de Geschäftsstelle von GATE-Germany: Kennedyallee 50, 53175 Bonn www.daad.de Projektleitung Ursula Egyptien Gad Projektkoordination Cornelia Hauswald Fachliche Beratung Sebastian Fohrbeck, Miriam Hippchen, Peter R. Kerrigan, Gabriele Knieps Konzeption und Redaktion Kristin Mosch, Lemmens Medien GmbH, Bonn Verlegerische Betreuung Lemmens Medien GmbH, Bonn Bildnachweis Denise Applewhite, Office of Communications, Princeton University (S. 2 oben, 18), picture-alliance/landov (S. 2 zweites v. oben, 8 oben Mitte, 30), picture alliance/Bildagentur-online/ Lescourret (S. 2 unten, 31), Donna Coveney/MIT (S. 3 links, 11), picture alliance/dpa (S. 3 Mitte, 24), picture alliance/Photoshot (S. 3 rechts, 28), Westermann-Verlag (S. 4), DAAD (S. 5), U.S. Em- bassy Berlin (S. 6 oben), privat (S. 6 zweites bis viertes v. oben, 7, 16, 22, 23, 27 unten), picture-al- liance/united-archives/mcphoto (S. 8 oben links), picture-alliance/Bildagentur Huber (S. 8 oben rechts), Veruschka Haynes (S. 8 unten links), picture-alliance/ZUMApress.com (S. 8 unten Mitte), Michael Marsland/Yale University (S. 8 unten rechts), picture-alliance/The Plain Dealer/Landov (S. 9 oben links, unten links, 12 links), picture-alliance/Bildagentur-online/G.Fischer (S. 9 oben Mitte), 18 Steve McConnell/University of California, Berkeley (S. 9 oben rechts, 13 links), University of North Dakota (S. 9 unten Mitte, 13 zweites v. links), picture-alliance/chromorange (S. 9 unten rechts), pic- ture-alliance/John Edward Linden/Arcaid (S. 10), Wikimedia (S. 12 zweites v. links, 15, 27 oben), picture-alliance/Birmingham News/Landov (S. 12 drittes v. links), picture-alliance/LANDOV/MAX- PPP (S. 12 rechts), University of Cincinnati (S. 13 zweites v. rechts), Wikipedia (S. 13 rechts, 19 oben), Dpa (S. 14, 26), Aris Noutsos (S. 17), Fotodisc (S. 19 unten), picture alliance/Christian Hager (S. 20), picture alliance/dpa/dpa-report (S. 21), picture alliance/Bildagentur-online/TIPS-Images (S. 25). Titel Jeremy Edwards, iStockphoto.com, Gestaltung: erbach-com (Cover) Gestaltung Inhalt Courir Print Media GmbH, Bonn Satz + Druck Courir Print Media GmbH, Bonn Auflage 8.000 Redaktionsschluss: Dezember 2010 Kontakt egyptien@daad.de, hauswald@daad.de © DAAD Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Genehmigung sowie Quellenangabe gestattet. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Text durchgehend die männliche Form verwendet. 30 Bisher erschienene Ausgaben: Edition Indien Edition China Edition Golfstaaten Edition Baltische Staaten Edition Russland Edition Brasilien Edition Südafrika Edition Türkei Nächste Ausgabe: Edition Polen Eine Gemeinschaftsinitiative von DAAD und HRK – Hochschulrektorenkonferenz Bundesministerium Das internationale Marketing für Bildung und Forschung in Deutschland wird unterstützt aus für Bildung Zuwendungen des BMBF an den DAAD. und Forschung 31
Inhalt 11 24 28 Service Do the attempts to excel in a European Impressum 2 framework ignore German strengths? 20 An American perspective on German higher Ein starkes Netzwerk 4 education reforms Editorial 5 • von SunHee Kim Gertz Testimonials 6 Der besondere Reiz liegt in der Diversität 22 Bildungsrelevante Daten und Fakten 8 Als deutsche Studentin in den USA • von Wibke Peters Großes Interesse 10 In 2009 wurden rund 5.000 Stipendiaten aus Leichter Zugang zum Profibereich 22 beiden Ländern gefördert Als amerikanischer Student in Deutschland • von Miriam Hippchen und Gabriele Knieps • von Daniel Spaw Hochschule Fachlich hervorragend – Rahmenbedingungen manchmal schwierig 23 Im Hochschulbereich weltweit führend 11 Studierende aus den USA in Deutschland Ausländische Studierende steuern jährlich • von Moritz Bönte 18,8 Milliarden US-Dollar zum amerikanischen Volkseinkommen bei. Wirtschaft • von Sebastian Fohrbeck Hohe Risikobereitschaft 24 Hochschulmarketing in den USA 14 Innovation als Prozess der kreativen Zerstörung Tipps für Hochschulen • von Irwin Collier • von Leslie Harlson und Peter R. Kerrigan IBM: Freiraum für Forschung 27 Hauptunterschied ist das Interview mit Martin M. Frank, Physiker im T. J. Watson privatwirtschaftliche Denken 15 Research Center von IBM Vergleich deutscher und amerikanischer Hochschulkultur • von Kristin Mosch • von Dietram A. Scheufele Politik/Gesellschaft Die Lehre darf auch Spaß machen 16 Two years down the road 28 Interview mit Lars Rensmann, DAAD-Gastprofessor Obama’s audacity of hope für Politikwissenschaften an der University of Michigan • von A. James McAdams • von Kristin Mosch Gesellschaftspolitische Kontroversen: „Das Land hat sich geöffnet“ 17 Das Gesundheitswesen 30 Interview mit Christopher Watts, DAAD-Gastprofessor Spezifisch amerikanische Problemlage für Astrophysik an der Universität Bonn • von Christiane Lemke • von Tanjev Schultz Die kleinen Unterschiede Cost of tuition prevents students im Land der großen Freiheit 31 from completing their degrees 18 Auch im Privaten gelten viele ungeschriebene Gesetze Critical issues in US higher education • von Marion Schmickler • von Frank Donoghue Ein Antrag, ein Review-Prozess, eine Gutachtergruppe 19 Computational Neuroscience: Neues bilaterales Förderprogramm • von Stephan Weidt
Service Landesfläche: 9.826.630 qkm • Hauptstadt: Washington, D.C., Stadt: ca. 572.000 Einwohner, Großraum: 4,69 Mio. Einwohner • Bevölkerung: 292 Mio. Einwohner (letzter Zensus 15.09.2003, Mitte 2009 ca. 307 Mio.), davon: ca. 35 Mio. Afro-Amerikaner, ca. 37 Mio. Amerikaner lateinamerikanischer Herkunft, ca. 10,5 Mio. Amerikaner asiatischer Herkunft, ca. 2,5 Mio. Amerikaner indianischer Herkunft • Staatsform/Regierungsform: Föderale und präsidentielle Republik • Bruttoinlandsprodukt (BIP): 14.250 Mrd. USD (Stand: 2009) • Pro Kopf-BIP: 46.380 USD (Stand: 2009) Quelle: www.auswaertiges-amt.de Ein starkes Netzwerk Ihre Experten vor Ort Ihre Experten in Deutschland DAAD-Außenstelle – New York DAAD-Information Center – DAAD Referat – Internationale Hochschul- Dr. Sebastian Fohrbeck, Leiter Toronto (Kanada) Kennedyallee 50, 53175 Bonn messen, Marketing-Dienstleistungen 871 United Nations Plaza Prof. Dr. Alexandra Hausstein, Leiterin www.daad.de für Hochschulen N.Y. 10017 New York c/o Munk Centre for International Studies Dorothea Neumann Referat – Nordamerika: Fon: +49/(0) 228/882-669 Fon: +1/212/7 58 32 23 North Side Förderung Ausländer, RISE-Programme, E-Mail: daadny@daad.org University of Toronto E-Mail: neumann@daad.de Projektförderung www.daad.org 1 Devonshire Place Miriam Hippchen Toronto, ON M5S 3K7 Referat – Forschungsmarketing Fon: + 49/(0) 228/882-219 GAIN – German Academic Fon: +1/416/946 8116 Theresa Holz E-Mail: hippchen@daad.de International Network E-Mail: daadca@daad.org Fon: +49/(0) 228/882-146 c/o DAAD-Außenstelle New York www.daad-canada.ca Referat – Nordamerika: E-Mail: holz@daad.de Dr. Katja Simons, Leiterin Förderung Deutsche, German Studies Tel: +1/212/758-3223 217 Dozenturen Internationale DAAD-Akademie E-Mail: gain-info@gain-network.org Gabriele Knieps Dr. Gabriele Althoff www.gain-network.org Fon: + 49/(0) 228/882-271 Fon: +49/(0) 228/882–707 E-Mail: knieps@daad.de E-Mail: info@daad-akademie.de DAAD-Information Center – San Francisco GATE-Germany – Konsortium für HRK Internationales Hochschulmarketing Ahrstraße 39, 53175 Bonn Leslie Harlson, Leiterin www.hrk.de c/o Goethe-Institut Geschäftsstelle beim DAAD 530 Bush Street Dr. Irene Jansen, Leiterin Arbeitsbereich – Internationale San Francisco, CA 94108 Fon: +49/(0) 228/882-312 Angelegenheiten Fon: +1/415/986-2021 E-Mail: info@gate-germany.de Marijke Wahlers E-Mail: daadsf@daad.org www.gate-germany.de Fon: +49/(0) 228/887-170 www.daad.org/?p=daadsf Referat – Information für Ausländer E-Mail: wahlers @hrk.de zum Bildungs- und Forschungsstandort Deutschland, Kampagnen Referat – GATE-Germany: Dr. Ursula Egyptien Gad Studien und Evaluation Fon: +49/(0) 228/882-648 Ulrike Koch E-Mail: egyptien@daad.de Fon: +49/(0) 228/887-122 4 Länderprofile USA E-Mail: koch@hrk.de
Editorial Liebe Leserinnen und Leser, der Austausch mit den USA hat sich in den letzten Jahren deutlich intensiviert. Das Interesse amerikanischer Studierender an Aufenthalten in Deutschland nimmt zu; im Fokus stehen dabei Kurzaufenthalte von wenigen Wochen sowie die Teilnahme an englischsprachigen Angeboten. Nach Französisch und Spanisch ist Deutsch mit circa 94.000 Studierenden die am dritthäufigsten gewählte Fremdsprache an den US-amerikanischen Hochschulen. Deutschland rangiert Angaben der UNESCO zufolge als Zielland für amerikanische Gaststudierende auf Platz fünf hinter England, Kanada, Frankreich und Australien. Für deutsche Studierende sind die Vereinigten Staaten wiederum das viertwichtig- ste Gastland (nach Österreich, England und den Niederlanden). In der Diskussion um die Hochschulreformen in Deutschland wird das amerikanische System oft als Modell herangezogen und dabei vor allem das professionelle Fundraising, die gute Ausstattung oder die hervorragenden Betreuungsrelationen als vorbildhaft zitiert. Dieses Bild spiegelt lediglich einen vergleichsweise kleinen Ausschnitt des US-Hochschulsystems wider, nämlich die Situation an den privaten Universitäten. In der Gesamtschau ergibt sich jedoch ein anderer Eindruck – nachzulesen im vorliegenden Heft. Zu den aktuellen Themen innerhalb der amerikanischen Hochschuldiskussion gehört der stetige Anstieg der Stu- diengebühren in den USA, der als Problem empfunden wird. Die hohen Kosten halten Schulabgänger von quali- fizierten Ausbildungswegen ab und behindern die eigene Nachwuchsförderung. Deutsche Wissenschaftler, die in den USA arbeiten, empfinden insbesondere die dortige Innovationskultur als großes Plus. Neues auszuprobieren und dabei auch Risiken einzugehen, steht für forschende Unternehmen an erster Stelle. Ein Interview mit einem deutschen Physiker, der im Forschungslabor von IBM tätig ist, findet sich im aktuellen Länderprofil. Die Fähigkeit, sich schnell auf neue Gegebenheiten einzustellen, kennzeichnet die amerika- nische Wirtschaft insgesamt. Nicht umsonst erwirtschaften die USA pro Jahr rund ein Fünftel des gesamten Welt- einkommens. Ich hoffe, dass Ihnen das Länderprofil Anregungen zur Erweiterung Ihres Netzwerkes vermittelt, und wünsche Ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre! Ursula Egyptien Gad Leiterin des Referats Information für Ausländer, Kampagnen, DAAD Länderprofile Türkei 5
Service „Eines der wirksamsten Instrumente, um Brücken für gegenseitigen Respekt und Verständnis zwi- schen Ländern und Menschen zu schlagen, sind Austauschprogramme im Bildungsbereich. Ich habe von Deutschen und Amerikanern aller Altersgruppen schon oft gehört, wie ein solcher Aus- tausch ihr Leben verändert hat. Umgekehrt schätzen die Vereinigten Staaten den Beitrag, den in- ternationale Studierende zum akademischen und gemeinschaftlichen Leben ihrer Institutionen leisten. Es ist dem Engagement von Organisationen wie dem DAAD und amerikanischen und deut- schen höheren Bildungseinrichtungen zu verdanken, dass unsere Studierenden die Ausbildung erhalten, die es ihnen ermöglicht, politische, soziale, religiöse und wirtschaftliche Verhaltensmus- ter im 21. Jahrhundert zu erfassen. Mein Rat an diese Weltbürger und zukünftigen Führungsper- sönlichkeiten lautet: Nutzen Sie diese Chancen. Sie werden es nicht bereuen!“ S.E. Philip D. Murphy Botschafter der Vereinigten Staaten von Amerika in der Bundesrepublik Deutschland „Was ich an den USA besonders schätze, ist die ausgeprägte Offenheit und Freundlichkeit der Menschen, privat und beruflich. In Pittsburgh vertrete ich ein Financial Shared Service Center der Bayer AG, das in Barcelona angesiedelt ist. Das Motto ‚Think global, act local‘ trifft auch hier zu: Es ist wichtig, die Mentalität vor Ort zu kennen und mit ihr umzugehen. Dies gilt nicht nur für die Industrie, sondern auch für die Wissenschaft. Der Austausch mit den USA, einem der bedeu- tendsten Märkte, ist auf vielen Ebenen eine Bereicherung.“ Torsten Heller Operational Manager North America, Bayer Business Services, Pittsburgh/Pennsylvania „Als junger Mann habe ich zwei Jahre ‚Auszeit‘ in Deutschland verbracht und unter anderem auf dem Bau, als Tierpfleger im Dortmunder Zoo und als Straßenmusiker gearbeitet. Meine an- fänglichen Deutschlandphantasien von Schlössern, Mädchen im Dirndl und Bierfesten sind da- mals einer differenzierteren, aber viel interessanteren Realität gewichen. Später haben diese Er- fahrungen mich dazu bewogen, als DAAD-Stipendiat im Rahmen meiner Promotion in Chemie an die Universität Marburg zu gehen. Ich habe in Deutschland meine Frau kennengelernt und viele Freundschaften geschlossen. Auch die beruflichen Kontakte, die sich in zehn Jahren Leben und Arbeiten in Deutschland gebildet haben, sind bis heute für mein Leben ein großer Gewinn.“ James Hurley Manager, New Product Development, Specialty Inks and Polymer Systems, PolyOne Corporation, Kennesaw/Georgia „For me, the opportunity to conduct research at a Gesamtschule in Germany was a life changing event. I had outstanding support from scholars at the Kulturwissenschaftliches Institut in Essen, the Technische Hochschule in Darmstadt, and the Fachhochschule in Dortmund. My experience with these fine institutions helped me gain important insight for my research which examined race relations among students at a Gesamtschule in Dortmund. As German school systems continue to evolve, the prospects for further social research continue to grow.“ Marybeth Boger Director, Center for Academic and Personal Enrichment at the New Jersey Institute of Technology, Newark/New Jersey 6 Länderprofile USA
Service „It is often frustrating to hear consistent stereotypes of Americans at the University and in Ham- burg. People's perceptions of an entire nation can be based on just a few interactions with one or two people. After a short time, however, I began to see it as an opportunity for me to explain my cul- ture as it really is and to help reform some of the flawed preconceptions of Americans that many German students I have come into contact with have. The feeling of being a informal ‘representa- tive’ from your country can be a really positive and transforming experience.“ Katharyn Fletcher Studentin der Chemie, Universität Hamburg „Bereits an fünf europäischen Universitäten konnte ich den Austausch mit den Vereinigten Staa- ten unterstützen und habe mehrere tausend Studierende in beiden Richtungen bei ihrer transat- lantischen Reise begleitet. Das Faszinierendste an dieser Arbeit ist die Vielfalt der amerikanischen Universitäten, von kleinen regionalen Colleges bis zu den Ivies. Gemeinsam jedoch ist allen US- amerikanischen Bildungseinrichtungen der Geist des Dialogs und der Zusammenarbeit. Die moderne Form des internationalen Studierendenaustauschs kommt aus den Vereinigten Staaten und hat eine Kultur der interkulturellen Wissenschaftskommunikation geschaffen, die wichtige Voraussetzung für den friedlichen Dialog der Völker geworden ist.“ Walter Grünzweig Professor für amerikanische Literatur und Kultur; Prorektor Studium, Technische Universität Dortmund „Vanderbilt University? Nashville, Tennessee? Als Überzeugungsberliner konnte ich die gehobenen Augenbrauen gut verstehen, mir war ja selber etwas bange beim Umzug in die Welthauptstadt der Country Music. Zu Unrecht. Heute würde ich sagen, wer die Faszination der USA und die ganze Bandbreite und Leistungsfähigkeit ihrer Hochschullandschaft kennenlernen möchte, kommt an Top-Unis im Heartland – wie Duke in Chapel Hill, Wisconsin in Madison, Washington in St. Louis oder eben Vanderbilt in Nashville – nicht vorbei. Nicht umsonst ist Vanderbilt als Nummer 17 im einschlägigen Hochschulranking geführt, Tendenz steigend. Trotz der vielen Highways und der Rie- senparkplätze bietet Nashville Südstaatencharme im Überfluss und ein Nightlife, das der selbster- nannten ‚Music City USA’ würdig ist.“ Henning Grunwald DAAD Visiting Assistant Professor 2006-2010, Vanderbilt University, Nashville/Tennessee „Obwohl ich schon öfters in den USA gewesen bin und durch mein Studium der Amerikanistik dachte, ich wüsste bereits ziemlich viel, war mein Aufenthalt an der Gallaudet University in Wash- ington D.C. eine ganz neue Erfahrung für mich. An der Gallaudet University ist die erste Sprache die Amerikanische Gebärdensprache (ASL). Viele der Studierenden sind selbst betroffen und ge- hören zur Gemeinschaft der Gehörlosen. Aber auch viele Hörende, die eine Leidenschaft für die Sprache und für die Gehörlosen selbst haben, studieren dort, um beispielsweise Dolmetscher für Gebärdensprache zu werden. Obwohl ich anfangs keine Gebärdensprache konnte, wurde ich größtenteils sehr herzlich aufgenommen und mir wurde viel Geduld entgegengebracht. Die Zeit an der Gallaudet University hat mich sehr beeindruckt.“ Marion Aide Fundraising, World Vision, Friedrichsdorf Länderprofile USA 7
Bildungsrelevante Daten und Fakten Daten zum Hochschulwesen der USA Anzahl der Hochschulen (gesamt) 4.861 Staatliche Hochschulen 1.786 Private Hochschulen 3.075 Eingeschriebene Studierende 2009 18.248.128 an staatlichen Institutionen 13.490.780 an privaten Institutionen 4.757.348 Hochschulbesuche und Hochschulabschluss 2008 (gesamt) Associate degree 7,4% Bachelor's degree 17,4% Master's degree 7,1% Doctoral degree 1,9% Professional degree 1,1% Hochschulbesuch ohne Abschluss 19,5% Durchschnittliche Höhe der Studiengebühren in US-Dollar/Jahr 2009 an öffentlichen Zweijahreseinrichtungen 2.402 an öffentlichen Vierjahreseinrichtungen 6.585 (für Studierende aus dem selben Bundesstaat, sonst ca. 17.450) an privaten Vierjahreseinrichtungen 25.100 Finanzierung durch den öffentlichen Haushalt in US-Dollar 2008 Ausgaben der Bundesstaaten für den Betrieb der Hochschulen (Lehre) 78,5 Mrd. Ausgaben zur Studienförderung 162,5 Mrd. Ausgaben für Forschung und Entwicklung an Hochschulen 49,4 Mrd. Quelle: DAAD-Außenstelle in New York 8 Länderprofile USA
Hochschulsystem der USA Studierende aus den USA an deutschen Hoch- schulen im WS 2008/2009 (Bildungsausländer) Postdoctoral Studies and Research Fächergruppen/Studienbereiche Studierende 10 Sprach- und Kulturwiss. 1.309 Sport 7 Postsecondary Education (College, University, Professional, Vocational, Technical) Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwiss. 812 9 Mathematik, Naturwiss. 326 Ph.D. or Advanced Agrar-, Forst- und Ernährungswiss. 50 Professional Doctoral Studies Degree 8 Humanmedizin, Gesundheitswiss. 83 Professional Studies (Medicine, Law, Theology, Veterinärmedizin 4 7 etc.) Ingenieurwiss. 246 Kunst, Kunstwiss. 209 6 Master’s Sonstige 34 Degree Master’s Degree Studies Fächergruppe insgesamt 3.080 5 Quelle: Statistisches Bundesamt; wissenschaft-weltoffen 4 Bachelor’s Die ersten zehn deutschen Zielhochschulen Degree für Studierende aus den USA im WS 2008/2009 Undergraduate Studies (Bildungsausländer) 3 FU Berlin 280 Vocational/ HU Berlin 226 Associate Technical Community 2 U Freiburg i.Br. 169 Degree or Colleges Certificate Institutions U Tübingen 135 U Heidelberg 132 1 U München 109 U Marburg 82 High School Diploma High School U Hamburg 72 U Göttingen 66 U Frankfurt a.M. 60 Quelle: Carsten Bösel, DAAD-Studienführer USA Quelle: Statistisches Bundesamt; wissenschaft-weltoffen Länderprofile USA 9
Service Großes Interesse In 2009 wurden rund 5.000 Stipendiaten aus beiden Ländern gefördert 1922 reisten 13 Heidelberger Studierende auf Einladung einer amerikanischen Studentengruppe in die USA, drei Jahre später gründeten die Initiatoren in Zusammenarbeit mit dem Institute of Interna- tional Education (IIE) in Heidelberg den „Akademischen Austauschdienst e.V.“, zunächst für Studie- rende der Sozial- und Staatswissenschaften. Heute ist der DAAD die weltweit größte Organisation für den akademischen Austausch, offen für alle Disziplinen und Länder. Eine eigene Außenstelle in New York wurde 1971 eingerichtet; das IC San Francisco folgte in 2002. Der transatlantische Enthusiasmus, dem der DAAD seine Stipendiaten gebührenfreie Studienplätze im Gegenwert Gründung verdankt, ist auch 85 Jahre später ungebro- von 1,5 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung. Die Har- chen: Im Jahr 2009 hat der DAAD mit einem Fördervolu- vard University alleine investiert mit dem prestigeträchti- men von 25 Millionen Euro rund 5.000 Personen – über gen JFK-Memorial Fellowship und dem Holtzer Fellowship 3.400 deutsche sowie knapp 1.650 US-amerikanische 145.000 Euro in drei vom DAAD ausgewählte Stipen- Doktoranden, Postdocs und Wissenschaftler - mit einem diaten. Auch rund 20 deutsche Gastdozenten an ameri- Stipendium gefördert. kanischen Hochschulen werden gemeinsam finanziert. Auf Seiten der US-amerikanischen Studierenden zeich- Das Interesse an gemeinsamen Studien-, Doktoranden- net sich seit einigen Jahren ein gestiegenes Interesse an und Forschungsprogrammen sowie an Doppelabschlüs- Auslandsaufenthalten ab. Vor allem das Interesse an kür- sen ist ebenfalls enorm hoch, wie rund 140 DAAD geför- zeren Aufenthalten während der vorlesungsfreien Zeit im derte Hochschulkooperationen zeigen. Sommer ist groß. Der DAAD hat darauf reagiert und bie- Die Partnerschaft ist stabil, die Bedürfnisse verändern tet Studierenden der Natur- und Ingenieurwissenschaf- sich. Um dem Rechnung zu tragen und auch um die ge- ten mit dem Programm RISE (Research Internships in förderten Talente beiderseits des Atlantiks als zukünftige Science and Engineering) die Möglichkeit, für ein For- Fach- und Führungskräfte an Deutschland zu binden, be- schungspraktikum an einer Universität oder einem außer- darf es auch in Zukunft maßgeschneiderter Programme, universitären Forschungszentrum nach Deutschland zu intensiver Betreuung und Nachbetreuung. kommen. Das Folgeprogramm RISE professional platziert Gabriele Knieps Graduierte in forschungsorientierten Praktika bei einem Referatsleiterin, Nordamerika: Förderung Deutsche, German Studies Dozenturen, DAAD deutschen Unternehmen. Viele ehemalige RISE-Stipen- Miriam Hippchen diaten kehren zu einem späteren Zeitpunkt über ein Referatsleiterin, Nordamerika: Förderung Ausländer, „klassisches“ DAAD-Stipendienprogramm für längere RISE-Programme, Projektförderung, DAAD Aufenthalte an deutsche Hochschulen zurück. Kontakt: Für die umgekehrte Richtung – deutsche Studierende in knieps@daad.de, hippchen@daad.de die Vereinigten Staaten – lassen sich zwei gegenläufige Trends ausmachen: Zum einen bevorzugen auch deut- GAIN sche Studierende seit Einführung des BA-/MA-Systems German Academic International Network kürzere Auslandsaufenthalte. Zum anderen steigen die Als Gemeinschaftsinitiative des DAAD, der AvH-Stif- Zahlen derjenigen, die ein komplettes Aufbau- oder Pro- tung und der DFG sowie weiterer assoziierter Wis- motionsstudium in den USA absolvieren. Insgesamt be- senschaftsorganisationen unterstützt GAIN qualifi- trachtet, gewinnen die USA seit einigen Jahren wieder an zierte deutsche Wissenschaftler in Nordamerika bei Attraktivität, nachdem sie den Spitzenplatz auf der Liste der Vernetzung und Kooperation. Mit Veranstaltun- der beliebtesten Zielländer nach den Anschlägen vom 11. gen und Publikationen sorgt GAIN für einen besse- September 2001 und ihren gesellschaftlichen wie politi- ren Informationsfluss zu aktuellen Entwicklungen an schen Folgen für einige Jahre eingebüßt hatten. Seit 2008 deutschen Universitäten, Forschungseinrichtungen trifft man wieder deutlich mehr deutsche Studierende in und im privaten Sektor, nicht zuletzt um eine mög- amerikanischen Hörsälen. liche Rückkehr nach Europa zu erleichtern. Inzwi- Dabei werden die deutschen Gäste in den USA außer- schen ist die GAIN-Community auf etwa 3.500 Mit- ordentlich geschätzt: Rund 50 US-amerikanische Hoch- Center for Clinical Science Research, glieder angewachsen. Stanford University schulen stellen deutschen DAAD-Stipendiatinnen und 10 Länderprofile USA
Hochschule Im Hochschulbereich weltweit führend Massachusetts Institute of Technology Ausländische Studierende steuern jährlich 18,8 Milliarden US-Dollar zum amerikanischen Volkseinkommen bei. Die USA weisen mit circa 300 Millionen Einwohnern noch nicht einmal das Vierfache der deutschen Bevölkerungszahl auf, haben aber mit 18,2 Millionen etwa zehnmal so viele Studierende; das heißt der amerikanische Hochschulbereich ist im Vergleich deutlich größer. Er besteht aus rund 4.900 Hoch- schulen (Deutschland: 390). Allerdings ist dabei zu beachten, dass von diesen 18,2 rikanischen Hochschulsystems hin, die so in Deutsch- DAAD-Dozenturen Millionen Studierenden mehr als ein Drittel an Zwei- land nicht wahrgenommen und in der Diskussion um Ann Abor, Michigan Univ. jahreshochschulen studieren, die es so in Deutschland den Bologna-Prozess auch oft falsch dargestellt wird: Atlanta, Emory Univ. nicht gibt und die zum Teil Aufgaben der Berufsausbil- Während es bei uns eine populäre Erzähltradition gibt, Austin, Univ. of Texas dung erfüllen. Eine Ausbildung im deutschen Dualen die behauptet, „im angelsächsischen System“ würde der Berkeley, Univ. of California Chapel Hill, Univ. of North System kann also unter Umständen inhaltlich einem Studierende in aller Regel aufgrund der hervorragen- Carolina Studiengang an einem Zweijahrescollege entsprechen. den Betreuungsrelationen nach drei (England) bezie- Cincinnati, Univ. of Cincinnati Obwohl in der deutschen Öffentlichkeit bei Diskussio- hungsweise vier (USA) Jahren den Bachelor abschlie- Evanston, Northwestern Univ. nen über US-Hochschulen meist an die renommierten ßen, ist de facto die Relation zwischen Wissenschaftlern Gainesville, Univ. of Florida Privathochschulen wie Harvard, Princeton, Yale, MIT und Studierenden in Deutschland mit 1:12 besser als in Ithaca, Cornell Univ. Minneapolis, Univ. of oder Stanford oder an die vielen kleinen „Liberal Arts“- den USA (1:16) und im Durchschnitt haben selbst nach Minnesota Colleges gedacht wird, sind in den USA drei Viertel der sechs Jahren weniger als 60 Prozent der Bachelorstu- Nashville, Vanderbilt Univ. Studierenden an staatlichen und nur ein Viertel an pri- dierenden einen Abschluss. Dies gilt natürlich nicht für Washington, Georgetown Univ. vaten Hochschulen eingeschrieben. die Elitehochschulen: An den „most competitive“ Col- Philadelphia, Univ. of Penn- Von den amerikanischen Erwachsenen hat also über die leges, die ihre Studierenden zu Beginn fleißig auswäh- sylvania Hälfte studiert; mehr als ein Drittel hat einen College- len, liegen die Abschlussquoten nach sechs Jahren bei Pittsburgh, Univ. of Pittsburgh San Diego, Univ. of California abschluss, aber immerhin 19,5 Prozent haben ein Col- 87,8 Prozent, an den „less competitive“ Colleges, die Seattle, Univ. of Washington lege besucht, ohne jemals einen Abschluss gemacht zu breit zulassen, nur bei 39,6 Prozent. Deswegen hat die Kontakt: knieps@daad.de haben. Dies weist auf eine zentrale Schwäche des ame- Obama-Administration in ihrem Bemühen, die USA im Länderprofile USA 11
Hochschule Hochschulbereich wieder an die Weltspitze zu bringen, Finanzkrise die Bekämpfung der unzureichenden Abschlussquoten Obwohl der wirtschaftliche Einbruch in den USA nicht zu einem ihrer Hauptziele gemacht. Auch in der Promo- so tief war wie in Deutschland, hat die Finanzkrise die tionsphase gibt es hohe Abbrecherzahlen: Zehn Jahre Hochschulen deutlich stärker getroffen. Dies liegt nicht nach Beginn einer Promotion haben in den USA nur an der Bundesregierung, die im Rahmen des Konjunk- 57 Prozent promoviert (für Deutschland gibt es keine turpakets ihre Ausgaben für den Hochschulbereich in Statistiken dazu); das Durchschnittsalter bei der Pro- den Jahren 2009 bis 2011 deutlich erhöht hat; auch die motion ist mit 33,3 Jahren etwas höher als in Deutsch- Etats der großen Forschungsförderungsorganisationen land. Die durchschnittliche Promotionsdauer (nach dem sollen sich in einem Zeitraum von zehn Jahren verdop- Bachelor, das heißt unter Einschluss der Masterphase) peln. Dafür haben aber die amerikanischen Bundesstaa- liegt bei 7,5 Jahren. ten in den letzten beiden Haushaltsjahren ihre Zuwen- Studiengebühren dungen an die Hochschulen im Schnitt um 6 Prozent Während in Deutschland das Bild amerikanischer Hoch- gekürzt, einzelne Bundesstaaten wie zum Beispiel Flo- schulen, wie gesagt, von teuren Privatuniversitäten ge- rida (-22 Prozent), Kalifornien (-19 Prozent) und New prägt wird, gehen die Amerikaner überwiegend auf York (-13 Prozent) deutlich stärker. Dies liegt an einer staatliche Hochschulen. Es wird erwartet, dass auf- verfassungsmäßigen Besonderheit der USA: Während grund der Wirtschaftskrise die Bedeutung der Staats- sich dort die Bundesregierung fast beliebig verschul- universitäten noch zunimmt; auch zeichnet sich ein den darf, enthält die Verfassung von 49 der 50 Bundes- starker Anstieg der Studierendenzahlen an den Zwei- staaten (aller außer Vermont) ein Verschuldungsverbot, jahreseinrichtungen ab, die mit durchschnittlich 2.402 das dazu führt, dass im Falle sinkender Steuereinnah- Dollar Studiengebühren pro Jahr recht preiswert sind, men die Ausgaben sofort entsprechend zurückgefah- und von denen sich nach Absolvierung der ersten zwei ren werden müssen. Dabei haben die Mittel aus dem Jahre dann häufig auf Vierjahreseinrichtungen über- Konjunkturprogramm der Bundesregierung noch das wechseln und damit deutlich Geld sparen lässt. Auf- Schlimmste verhindert, diese laufen aber Mitte 2011 grund der hohen Studiengebühreneinnahmen, privater aus. Die staatlichen Hochschulen reagieren zum Teil Spendenbereitschaft der Alumni und der Wirtschaft so- mit deutlichen Studiengebührenerhöhungen, teilweise, wie teilweise beträchtlicher Stiftungsvermögen sind die so in Kalifornien, reduzieren sie die Quote von Landes- amerikanischen Hochschulen finanziell deutlich bes- kindern, die sie aufnehmen, da sie diesen deutlich ge- ser gestellt als die deutschen: Die Ausgaben pro Studie- ringere Studiengebühren einräumen müssen als Ein- rendem sind fast doppelt so hoch, wobei das Leistungs- wohnern anderer Bundesstaaten. Auch in den USA wird spektrum mit aufwendigen Campusanlagen, teuren – wie in Deutschland – meist wohnortnah studiert: 81 Sportteams (deren Trainer oft mehr verdienen als der Prozent beginnen ihr Hochschulstudium in dem Bun- Universitätspräsident), Schwimmbädern und Museen desstaat, in dem sie ihren Oberschulabschluss gemacht Angebote einschließt, die in Deutschland nicht unbe- haben. Eine Reihe von Hochschulen, die auf ihre „need dingt zum Hochschulbereich dazugehören. Deutsche blind admission“ stolz waren (Zulassung qualifizierter Unis werden hier in Publikationen daher manchmal Antragsteller, auch wenn sie arm sind), achten jetzt auch als „no frills universities“ bezeichnet (etwa: Unis stärker auf den finanziellen Hintergrund der Bewerber. ohne Schnickschnack), und in Zeiten der Wirtschafts- Neben den Rückgang der staatlichen Zuweisungen sind krise stößt auch in den USA eine solche Reduzierung des deutliche Wertverluste der Stiftungsvermögen der staat- Leistungsspektrums durchaus auf Interesse (der Trend lichen und privaten Hochschulen getreten – je nach zu den zweijährigen Community Colleges, die diese Ne- Anlagestrategie zwischen 15 und 30 Prozent. Auch die benleistungen nicht haben, weist in diese Richtung). Spendenbereitschaft privater Geber nimmt ab, im Jahre 12 Länderprofile USA
Hochschule 2008 um über 5 Prozent – der schlimmste Rückgang Bei den im Ausland studierenden Amerikanern ist – seit 50 Jahren. Die Auswirkungen an den einzelnen Open Doors 2010 zufolge – ein Rückgang um 0,8 Pro- Hochschulen sind teilweise dramatisch: Stellenbeset- zent auf 260.327 zu verzeichnen. Erfreulich ist, dass zungssperren, Abbau von Stellen, auch von Dauerstel- die Zahl der Amerikaner mit Studienaufenthalten in len, Zwangsurlaub, Gehaltsreduzierungen und Schlie- Deutschland um 0,9 Prozent auf 8.330 gestiegen ist. ßung kleinerer Fächer (leider in einer Reihe von Fällen Damit ist Deutschland das siebtwichtigste Zielland für auch von Deutschabteilungen). das Auslandsstudium von Amerikanern, was unter an- Eine Folge der Finanzkrise ist die starke Zunahme von derem auch auf die Marketingbemühungen des DAAD Stellen außerhalb des tenure track, das heißt außerhalb und der deutschen Hochschulen zurückzuführen ist. fester Beschäftigungsverhältnisse, an amerikanischen Die Diskrepanz zwischen den Zahlen der UNESCO, des Hochschulen. Schließt man die Lehre durch Graduate Statistischen Bundesamtes in Deutschland und denen Students mit ein, so sind inzwischen 73 Prozent der des IIE ist darauf zurückzuführen, dass das IIE auch Lehrenden nicht in Dauerstellen beschäftigt. Nur sel- sehr kurzfristige Auslandsaufenthalte mitzählt. 54 Pro- ten sitzt der Undergraduate zu Füßen des Nobelpreis- zent bleiben dem IIE zufolge nur für zwei bis acht Wo- trägers: An staatlichen Forschungsuniversitäten wird chen, 41 Prozent bis zu einem Semester und nur 4 Pro- 41 Prozent der Lehre von Graduate Students bestritten, zent (!) ein ganzes Jahr, das heißt nur etwa 10.000 aus daneben treten viele sogenannte adjuncts, die für jeden einem Land mit 18,2 Millionen Studierenden. Passend Kurs eigens angeheuert und relativ schlecht bezahlt zu dieser Entwicklung kommt eine neue Studie der Uni- werden. Da die Finanzkrise auch die meist börsenab- versity of Delaware, die auf der letzten Tagung der Asso- hängigen Pensionspläne der Hochschullehrer in ihrem ciation of International Educators (NAFSA) präsentiert Wert reduziert hat, plant laut Umfragen etwa ein Drit- wurde und die nachweisen soll, dass auch einmonatige, tel, später in Rente zu gehen (in den USA ist es unge- ja selbst zweiwöchige Auslandsaufenthalte langfristige setzlich, jemanden allein wegen seines Alters in Rente verhaltensändernde Wirkungen haben und Studierende zu schicken), so dass sich die Chancen für den Hoch- zu global citizens machen können. Marktführer beim schullehrernachwuchs weiter verringern. Auslandsstudium ist die New York University NYU mit 3.524 Auslandsstudierenden im Jahr; über 40 Prozent Internationalisierung ihrer Studierenden gehen ins Ausland. Was die Internationalisierung der amerikanischen Auf der Tagung der European Association for Internatio- Hochschulen anbelangt, so ist die Entwicklung nach nal Education (EAIE) in Madrid berichtete die Präsiden- den neuesten Zahlen der Publikation Open Doors des tin des amerikanischen Council of Graduate Schools, Institute of International Education (IIE) vom November Debra S. Stewart, dass sich innerhalb eines Jahres von 2010 hingegen sehr erfreulich: Die Zahl ausländischer 2007 auf 2008 die Zahl der Mitgliedshochschulen, die Studierender in den USA hat sich gegenüber dem Vor- Joint oder Dual Degrees mit ausländischen Hochschu- jahr um 2,9 Prozent auf den Rekord von 690.923 erhöht. len anbieten, von einem Drittel auf die Hälfte aller Hoch- Mit 9.548 liegen die deutschen Gaststudierenden dabei schulen gesteigert habe – auch dies eine erfreuliche auf Platz 12 (hinter Nepal!). Die meisten ausländischen Entwicklung, die sicher zur weiteren Internationali- Studierenden hat die University of Southern California sierung der amerikanischen Hochschulen beitragen in Los Angeles mit 7.987, gefolgt von der University of Il- wird. linois mit 7.287 und der New York University mit 7.276. Nach Zahlen des US Department of Commerce tragen ausländische Studierende jährlich 18,8 Milliarden US- Sebastian Fohrbeck, Kontakt: Dollar zum amerikanischen Volkseinkommen bei. Leiter der DAAD-Außenstelle New York fohrbeck@daad.org Länderprofile USA 13
Hochschule Hochschulmarketing in den USA Tipps für Hochschulen Marketing für eine deutsche Hochschule kann viel- Instrumente, um potenzielle Studierende zu erreichen: fältige Formen annehmen: Internet, face-to-face, Bro- Webseite: Das wichtigste Werbemittel ist eine quali- schüren, Alumni oder Social Media. Unabhängig davon, tativ hochwertige Webseite. Sie muss benutzerfreund- welches Marketinginstrument eingesetzt wird, sollten lich sein, immer aktuell und in makellosem Englisch jedoch eine starke und präzise Botschaft vermittelt und verfasst. Vermieden werden sollten Begriffe, von de- folgende Fragen unbedingt beantwortet werden: nen Deutsche meinen, sie seien Englisch wie beispiels- 1. Warum ein Studium in Deutschland und nicht in weise „free mover“, die ein Amerikaner jedoch nicht den Staaten? ohne Weiteres versteht. Kontaktdaten beziehungsweise 2. Was kann ich mit diesem Studium anfangen, wenn Ansprechpartner – inklusive einer E-Mail-Adresse, de- ich fertig bin? Wird der Abschluss in den USA an- ren Eingänge regelmäßig beantwortet werden – müs- erkannt? Kann ich nach dem Studium in Deutsch- sen einfach zu finden sein, ebenso die aktuellen Be- land oder in anderen Ländern arbeiten? werbungsfristen. 3. Was machen ehemalige Studierende beruflich? Social Media: Kurznachrichten wie zum Beispiel Be- 4. Wie kann ich ein Studium beziehungsweise einen werbungsfristen, neue Studiengänge, interessante Aufenthalt in Deutschland finanzieren? Alumni-Nachrichten und wichtige Presseberichte der Hochschule lassen sich leicht auf Facebook einstellen. Zum Hintergrund der Zielgruppe: Solche Medien sind sehr einfach zu verwenden, sie Bachelor-Programme: Das Interesse US-amerikani- müssen aber regelmäßig aktualisiert werden, um das scher Studierender an einem grundständigen Bachelor- Interesse der Zielgruppe zu halten. Studium in Deutschland ist gering. Zwei Hauptgründe Broschüren: US-Hochschulen produzieren allerlei Bro- dafür sind Anerkennungsprobleme des Highschool- schüren für Studierende und ihre Eltern. Das können Abschlusses und die Tatsache, dass Bachelor-Studien- sich deutsche Hochschulen in der Regel nicht leisten. gänge überwiegend auf Deutsch angeboten werden. Wichtig ist eine Broschüre mit gut geschriebenen Tex- Rekrutieren auf der Bachelor-Ebene ist deswegen ef- ten, Bildern und mit Testimonials, die für die Studie- fektiver in Zusammenhang mit Study-Abroad-Program- renden ansprechend sind und den Nutzen eines Stu- men oder Praktika, wo sich Studierende eventuell für diums in Deutschland darstellen. ein Masterstudium gewinnen lassen. Bildungsmessen: Da amerikanische Bachelor-Studie- Master- und Doktoranden-Programme: Im Gegensatz rende fast nur die Studienangebote im Ausland wahr- zu einem Bachelor-Studium in Deutschland ist ein Mas- nehmen, die von ihrer Hochschule empfohlen werden, ter- oder Doktorandenprogramm attraktiver für US-ame- gibt es praktisch keine überregionalen Auslandsstu- rikanische Studierende. Aufgrund der relativ niedrigen dienmessen, die für deutsche Hochschulen in Frage Studiengebühren, der vielfältigen (englischsprachigen) kommen würden. Zwar werden überall in den USA im- Studienangebote und des guten Rufs des deutschen Bil- mer mehr Graduate-School-Messen veranstaltet, aber dungssystems können deutsche Hochschulen die akade- vor der Erwägung einer Teilnahme wäre zuerst die mischen Ziele der Studierenden gut bedienen. Durchführung einer Aufwand-Nutzen-Analyse wichtig. Wichtig: In vielen Fächern (vor allem in den Naturwis- Alumni: Die besten Multiplikatoren sind ehemalige Stu- senschaften) gibt es in den Staaten einen sogenannten dierende. Ihre Message ist am glaubwürdigsten. Mögli- fast track, in dem Master- und Doktorandenprogramme che Testimonialgeber sind beispielsweise Studierende miteinander kombiniert sind. Hiermit müssen deutsche aus dem RISE-Programm des DAAD, die oftmals hoch- Hochschulen konkurrieren können. motiviert sind und anstreben, einen weiteren Deutsch- Studierende als Kunden: US-Amerikaner sind daran landaufenthalt anzuschließen (vgl. S. 10). gewöhnt, als Kunden behandelt zu werden. Sie erwarten Leslie Harlson, Leiterin ein bestimmtes Dienstleistungsniveau und stellen auch des DAAD Informationszentrums San Francisco Kosten-Nutzen-Erwägungen an. Einen guten Service auf Peter R. Kerrigan, Stellvertretender Leiter allen Ebenen zu gewährleisten – von der Gestaltung der der DAAD-Außenstelle New York Webseite bis zur Unterstützung bei Bewerbung, Immat- Kontakt: rikulation, Prüfungen und schließlich bei der Job-Suche daadsf@daad.org – ist für die deutsche Hochschule unabdingbar. kerrigan@daad.org 14 Länderprofile USA
California Institute of Technology: Das Studium kostet hier circa 52.389 US-Dollar im Jahr für Undergraduates. Hauptunterschied ist das privatwirtschaftliche Denken Vergleich deutscher und amerikanischer Hochschulkultur Beim Vergleich der deutschen und der amerikanischen Forschungskultur fällt einem als Erstes ein struktureller Unterschied auf: die in den USA übliche Trennung zwischen Undergraduate oder Col- lege Education (normalerweise die ersten vier Jahre, die Studierende an der Universität verbringen) einerseits und Graduate Programs (Master- und Doktorandenprogrammen) andererseits. Die deut- schen Bachelor-Studiengänge sind damit nur bedingt vergleichbar. Manche Ivy League-Universitäten wie beispielsweise Dartmouth bieten in vielen Fachbereichen überhaupt keine Graduate Programs an. Ihr Ruf als Eliteuniversitäten basiert daher vor allem auf den Undergraduate-Studiengängen. Auch die meisten der in den USA verbreiteten Universitäts-Ranglisten wie etwa jene der Zeitschrift U.S. News and World Report bewerten vor allem die Studiengänge für Undergraduates. Ebenfalls anders ist die Finanzierung. Drittmittel und in den besten Fachzeitschriften sowie Zitationen. Ent- Stiftungsgelder (sogenannte endowments) machen selbst scheidungen über Beförderung oder Verbeamtung fäl- an staatlichen Hochschulen wie Arizona State oder len universitätsweite Gremien, die in Zitations- und UCLA einen deutlichen Anteil des Haushalts aus. Pri- Publikationsanalysen ein Mittel zur Standardisierung vatunis wie Harvard oder Yale finanzieren sich fast aus- über disziplinäre Grenzen hinweg sehen. Ein zweiter schließlich über endowments. Der tägliche Forschungs- wichtiger Maßstab sind Drittmittel. Forschungsvorha- betrieb an den Top-Unis wird daher größtenteils von ben, die von der NSF oder den NIH unterstützt werden, „Da die R1-Universitäten, Geldern unterstützt, die von privaten Stiftungen (wie finanzieren nicht nur Laboratorien oder Projekte, son- also die guten Forschungs- beispielsweise der Ford Foundation oder der MacArthur dern werden auch von der Universität „besteuert“, die Foundation) oder von der Regierung (zum Beispiel über normalerweise fast 50 Prozent als Gemeinkostenbeitrag universitäten, den anderen die National Science Foundation – NSF oder die National (overhead) einbehält. Wer Drittmittel eintreibt, bezahlt Hochschulen die besten Institutes of Health – NIH) vergeben werden. daher sein Gehalt beinahe selbst und kann normaler- Professoren abwerben Einer der wichtigsten Unterschiede in der Forschungs- weise eine deutliche Erhöhung der Bezüge verhandeln. können, wird die Kluft und Hochschulkultur ist jedoch das privatwirtschaftli- Solche ökonomisch ausgerichteten Modelle haben na- zwischen R1-Unis und che Denken amerikanischer Universitäten im Hinblick türlich auch ihre Nachteile. Die Carnegie Classification auf leistungsbezogene Beförderung und Bezahlung von of Institutions of Higher Education führte in den 1990er dem Rest der US-Colleges Professoren. Dabei geht es hier nicht um vergleichs- Jahren den Begriff R1 (Research University One) als Klas- immer breiter.“ weise geringe Leistungszulagen wie in Deutschland, sifikation für ungefähr 40 Universitäten ein, die sich im sondern um lukrative Namensprofessuren und Gehalts- Drittmittelaufkommen, in der Anzahl von Doktoranden erhöhungen, die sich durchaus auf 50.000 US-Dollar und im Forschungsvolumen deutlich vom Rest der ame- oder mehr belaufen können, wenn ein Professor oder rikanischen Unis abheben. Und da R1-Universitäten eine Professorin Angebote von mehreren Top-Unis vor- den anderen Hochschulen die besten Professoren ab- liegen hat. Selbst jährliche Routinegehaltserhöhungen werben können, wird die Kluft zwischen R1-Unis und basieren auf leistungsbezogenen Kriterien (merit sys- dem Rest der US-Colleges immer breiter. tem). Bewertet werden die drei Schlüsselbereiche For- schung, Lehre und Service, wobei der Forschung das größte Gewicht zukommt. Dietram A. Scheufele, John E. Ross Professor in Science Communication, Eines der Hauptkriterien für die Bewertung der For- University of Wisconsin-Madison; Kontakt: schungsleistung in den USA sind Veröffentlichungen Visiting Fellow am Shorenstein Center der Harvard University scheufele@wisc.edu Länderprofile USA 15
Hochschule Die Lehre darf auch Spaß machen Interview mit Lars Rensmann, DAAD-Gastprofessor für Politikwissenschaften an der University of Michigan Inwiefern unterscheidet sich Ihre Tätigkeit als Hochschul- muss den kompletten Vortrag auf Englisch im Kopf ha- lehrer in den USA von Ihrer Lehrtätigkeit in Deutschland? ben. Auch das Verhältnis zu den Studierenden ist anders. >> Lars Rensmann: Ein Unterschied besteht darin, dass Professoren werden stärker als in Deutschland als institu- Veranstaltungen für zwei grundlegend verschiedene Ziel- tionalisierte Dienstleister gesehen. Abgrenzen gegenüber gruppen vorbereitet werden müssen: zum einen für die übertriebenen Erwartungen muss man sich natürlich auch. Undergraduates, zum anderen für die Graduates. Die Un- Sie haben die Bewertungen erwähnt – wie erleben Sie dergraduates sind Einsteiger ohne Fächerspezialisierung, das Evaluationssystem, bei dem die Professoren durch in der Regel anfangs 17 Jahre alt, während es sich bei den die Studierenden bewertet werden? Graduates ausschließlich um promovierende Elitestudie- >> Ich finde es gut, weil nur wenige Dinge im Leben eine rende handelt. Auch die Struktur ist anders: Üblicherweise Einbahnstraße sind. Gute Lehre ist letztlich ein interaktiver findet ein Kurs in zwei bis drei Veranstaltungen pro Woche Prozess, und ich habe meine Lehre mit Hilfe der Bewertun- statt. Vor Beginn des Semesters muss ein ausführlicher gen sehr verbessert. Als positiv wird übrigens empfunden, Syllabus erstellt werden, das heißt ein mehrseitiges Pro- dass ich durchaus Elemente aus dem deutschen System gramm, das unter anderem auch Kriterien zur Bewertung einbringe, wie unter anderem wissenschaftliche Hausar- der Studierenden enthält. Benotet werden eine ganze Reihe beiten ab dem ersten Semester und auch das kontinuier- von Leistungen wie das Verhalten im Kurs, die Teilnahme liche Hinterfragen von Positionen und Modellen. Das ist an Diskussionsforen im Internet sowie mehrere schriftli- hier nämlich nicht selbstverständlich, gerade Undergra- che Prüfungen und Hausarbeiten. duates werden normalerweise selten zur (kritischen) Dis- kussion im Kurs aufgefordert. Gängig ist die Frontallehre. „Wenn ein deutscher Kollege nach Nun bergen Evaluationen ja immer die Gefahr, dass ge- Amerika käme und hier eine rade die Anonymität Teilnehmer dazu verleitet, Dinge zu Einführungsvorlesung halten würde, schreiben, die sie nie jemandem ins Gesicht sagen wür- wie er das von seiner deutschen Uni her den. Wie ist das bei den Bewertungen, die Sie erhalten? gewohnt ist, würde er grandios scheitern.“ >> Dieses Problem sehe ich eher im World Wide Web. Dort gibt es eine Webseite, auf der Professoren anonym bewer- tet werden – die darf man sich schlicht nicht durchlesen. Auf eine gute Lehre wird in den USA viel Wert gelegt. Aber das ist ja eher ein allgemeines Problem des Internets. Haben Sie on the job gelernt, worauf es dabei besonders ankommt? Was jedoch die Evaluationen betrifft, die direkt oder über das Internet der Uni zu meinen Kursen abgegeben werden, >> Ich hatte den Vorteil, dass ich die amerikanische Form da habe ich nie Dinge erlebt, die unter die Gürtellinie ge- der Lehre bereits vom Studium in den USA kannte. Trotz- hen. Es kommt zwar schon mal: ‚I hated this course‘, aber dem musste ich einiges an Arbeit investieren und Vorle- das ist dann auch das Schlimmste. In Amerika gibt es ei- Nach seiner Promotion in sungen völlig neu konzipieren. Undergraduates erwarten nen Honor Code, der Studierende zu respektvollem Um- Politikwissenschaften an der auch ein gewisses Maß an Infotainment; ich achte darauf, FU Berlin forschte und unter- gang animiert, und daran halten sich die Studierenden im stets anschauliche Beispiele parat zu haben, und habe hier richtete Lars Rensmann an Allgemeinen auch auf anonymisierten Fragebögen. selbst in Theorie-Vorlesungen multimediale Elemente ein- einer Reihe von Hochschulen, gebaut. Es schadet der Lehre nichts, wenn es Spaß macht. darunter die University of Wie ist das mit schrägen Persönlichkeiten unter den California, Yale University, Was würden Sie deutschen Kollegen raten, die als Gastdo- Professoren? Können die nicht bei Evaluationen durchs zenten an eine amerikanische Uni kommen? Raster fallen? die Universität Wien und die Universität München. Seit >> Wenn ein deutscher Kollege nach Amerika käme und >> Meine Erfahrung ist: Gerade Originale kommen gut an. 2006 ist er als DAAD-Gast- hier eine Einführungsvorlesung halten würde, wie er das Es gibt Kollegen, die sich an nichts von dem halten, was in professor an der University von seiner deutschen Uni her gewohnt ist, würde er gran- der Lehre als gut gilt, die alle pädagogischen Überlegun- of Michigan tätig. dios scheitern. Das heißt, er würde einen großen Exodus gen, die ich mir mache, geflissentlich ignorieren, und die erleben – in den ersten Wochen können die Studierenden keinerlei Neue Medien einsetzen, sondern schlicht durch den Kurs noch verlassen – und er würde am Ende schlecht Persönlichkeit und Wissen hervorstechen. Und nicht we- Kontakt: bewertet werden. Das fängt schon damit an, dass Vorle- nige davon verdienen sich einen teaching award. rensmann@umich.edu sungen nicht vom Blatt abgelesen werden können. Man Die Fragen stellte Kristin Mosch. 16 Länderprofile USA
Hochschule „Das Land hat sich geöffnet“ Interview mit Christopher Watts, DAAD-Gastprofessor für Astrophysik an der Universität Bonn Wie international sind nach Ihrem Eindruck die Univer- >> Da ist vielleicht schon etwas dran. Rangunterschiede sitäten und Labore in Deutschland? spielen in Deutschland jedenfalls eine größere Rolle. Es >> Christopher Watts: Das ist recht unterschiedlich. gibt da zum Beispiel diese Unterschiede mit der W- be- An der Universität Bonn beispielsweise oder an den Max- ziehungsweise C-Besoldung und die Frage, wie viele Mit- Planck-Instituten geht es schon ziemlich international zu. arbeiter ein Professor hat. Nach meinem Eindruck wird Mir fällt allerdings auf, dass an den deutschen Hochschulen außerdem die Lehre in Deutschland weniger wichtig ge- ausländische Forscher oft nur für begrenzte Zeit im Land nommen als in den USA. Ich finde das schade, denn mir sind. Das sind dann Postdocs mit einem Stipendium oder macht es Freude, mit den Studierenden zu arbeiten. Ich Gastprofessoren wie ich. Unter den regulären Professoren unterrichte sehr gern und empfinde die Lehre überhaupt mit festen Stellen gibt es dagegen eher wenige Ausländer, nicht als Last. Da scheint es mir so, als müsste an den und das ist in den USA anders. Deutschland hat sich aber deutschen Universitäten noch mehr getan werden, da- in den letzten 20 Jahren insgesamt verändert, es ist viel mit die Lehre nicht vernachlässigt wird. Christopher Watts ist multikultureller geworden, das Land hat sich geöffnet, das Research Professor für Physik Was werden Sie vermissen, wenn Sie im Frühjahr wie- sieht man ja schon auf der Straße. Ich bin jedenfalls sehr der zurück an Ihrer Universität in New Mexico sind? an der University of New gerne in Deutschland. Mein Vater war hier als Soldat, so Mexico. Studiert hat er am >> Oh, einiges. Natürlich werde ich bestimmt die deut- dass ich schon als Kind eine Zeitlang in Deutschland ge- Occidental College in Los sche Wurst vermissen, das Brot und das Bier. Ich mag Angeles (Bachelors) und lebt habe. Und wie Sie sehen, bin ich dann später immer die Wüste in New Mexico, man kann dort zum Beispiel ei- an der University of Wis- wiedergekommen. nen Sternenhimmel und die Milchstraße sehen, wie das in consin-Madison (PhD). In Viele Deutsche sehen in den amerikanischen Hochschu- Deutschland nicht möglich ist. Aber dafür gibt es in Bonn den 1980er und 1990er Jah- len ein Vorbild für Deutschland. Werden Sie darauf oft und in Deutschland viele andere schöne Seiten: Es ist sehr ren war er zu längeren For- angesprochen? grün, auch in der Stadt. Ich blicke von meinem Büro auf schungsaufenthalten am >> Ja, darüber gibt es immer wieder Diskussionen. In eine Wiese, und ich finde es gut, dass man hier viel mit Deutschen Zentrum für Luft- Deutschland hätte man ja zum Beispiel gerne, dass die dem Fahrrad unterwegs sein kann. und Raumfahrt und am Max- Studierenden und Absolventen sich noch stärker mit ih- Planck-Institut für Plasma- physik. Bis März 2011 ist rer Hochschule identifizieren. Dieses Gruppengefühl und Die Fragen stellte Tanjev Schultz, Journalist, München. Watts als DAAD-Gastprofessor der Stolz auf die Universität sind in den USA zweifel- Kontakt: cwatts@ece.unm.edu an der Universität Bonn tätig. los stärker ausgeprägt. Aber oft wird übersehen, dass amerikanische Hochschulen ja keineswegs alle so reich und berühmt sind wie die wenigen privaten Eliteunis. One stop shop für Informationen zur deutschen Forschungslandschaft Die staatlichen Hochschulen müssen auch in den USA Kürzungen verkraften, gerade in letzter Zeit. Und es gibt Deutsches Wissenschafts- und Innovationshaus New York eine Tendenz, den akademischen Betrieb immer mehr Die internationalen Aktivitäten der deutschen Wissenschaft zu bündeln und Koopera- wie ein Wirtschaftsunternehmen aufzuziehen und die tionen mit Partnerländern zu fördern, ist die Aufgabe der Deutschen Wissenschafts- Studierenden als Kunden zu betrachten. Mir gefällt das und Innovationshäuser (DWIH), die gegenwärtig an fünf Standorten im Ausland (neben nicht. Denn das zerstört die Idee der Wissenschaft. Die New York sind das New Delhi, Tokio, Moskau und São Paulo) eingerichtet werden. Wäh- Kommerzialisierung ist ein Problem. In den USA werden rend inhaltlich alle Wissenschaftsorganisationen sowie Vertreter der Wirtschaft ein- außerdem die Professoren zunehmend nur noch befris- bezogen werden sollen, liegt die Konsortialführerschaft für die verschiedenen Stand- tet eingestellt, die Lebenszeitstellen verschwinden, und orte zunächst bei einzelnen Einrichtungen. Das DWIH in New York wird gemeinsam ständig müssen sich die Professoren einer Evaluation von DFG und DAAD geleitet. Seit der Eröffnung durch Bundesforschungsministerin stellen. Es ist also nicht so, dass das Leben der Wissen- Annette Schavan im Februar 2010 haben bereits eine ganze Reihe von Veranstaltun- schaftler in den USA viel entspannter oder luxuriöser gen und Aktivitäten stattgefunden, erste Kooperationen zwischen amerikanischen und wäre als in Deutschland. deutschen Forschungseinrichtungen wurden angebahnt. Langfristig soll das DWIH als one stop shop fungieren, das heißt als zentrale Anlaufstelle für amerikanische Partner, Viele jüngere Wissenschaftler in Deutschland blicken trotzdem neidisch auf die USA. Sie sagen, dass die Hie- die Kooperationen mit Deutschland anstreben. Finanziert wird das Projekt in der Auf- rarchien dort in den Instituten nicht so stark sind. In bauphase vom Auswärtigen Amt. Deutschland dagegen würden einige Professoren noch im- Kontakt: fohrbeck@daad.org mer wie kleine Könige regieren. Länderprofile USA 17
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