Mittwoch, 17. Juni Vormittag - Kanton Graubünden

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17. Juni 2020                                                                                                     883

                                            Mittwoch, 17. Juni
                                                    Vormittag

Vorsitz:                     Standespräsident Alessandro Della Vedova

Protokollführer:             Gian-Reto Meier-Gort

Präsenz:                     anwesend 119 Mitglieder
                             entschuldigt: Tanner

Sitzungsbeginn:              8.15 Uhr

Standespräsident Della Vedova: Buongiorno a tutti.          Bondolfi; Kommissionspräsident: Gestützt auf Art. 27
Spero che abbiate avuto una serata riposata e piacevole     der Geschäftsordnung des Grossen Rates erstattet die
ieri. In questa occassione, saluto in modo particolare      Kommission für Justiz und Sicherheit dem Grossen Rat
anche chi ci segue da casa in livestream. Wir starten mit   jährlich einen Bericht über ihre Tätigkeit und stellt ent-
den Geschäftsberichten. Wir behandeln zuerst die Be-        sprechende Anträge. Der Jahresbericht der KJS
richte des Kantonsgerichts, des Verwaltungsgerichts, der    2019/2020 liegt schriftlich vor und ich darf Ihnen diesen
Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte und der          nun präsentieren. Im Berichtsjahr trat die Kommission
Notariatskommission. An dieser Stelle heisse ich auch       für Justiz zu 14 Sitzungen zusammen. Der Kommissi-
heute Morgen die Vertreter der jeweiligen Gerichte,         onsausschuss tagte fünfmal. Hinzu kamen vom 27. Feb-
Präsident Urs Meisser für das Verwaltungsgericht und        ruar 2020 bis zum 12. März 2020 sieben Ausschusssit-
Vizepräsidentin Ursula Michael Dürst für das Kantons-       zungen mit Anhörungen von zwölf Auskunftspersonen.
gericht, willkommen. Für spezifische Fragen stehen sie      Am 2. Juni 2020 führte die Kommission eine Medien-
zur Verfügung. Bevor wir loslegen, habe ich noch eine       konferenz durch. In der Justizkommission sind alle Frak-
Information: Im Jahresbericht der KJS werden die lau-       tionen des Grossen Rates proportional vertreten. Der
fenden Verfahren das Kantonsgericht betreffend ange-        Grundsatz der Gewaltenteilung setzt der parlamentari-
sprochen. Ich bitte Sie, Ihre Fragen und Anliegen hier zu   schen Aufsicht über die Justiz enge Grenzen. Die Auf-
stellen beziehungsweise zu deponieren. Es ist nicht vor-    sicht über die Gerichte bezieht sich einzig auf die Ge-
gesehen, dass zu einem späteren Zeitpunkt, also beim        schäftsführung und die Justizverwaltung beziehungswei-
Traktandum betreffend Kantonsrichter Schnyder, die          se die administrative Tätigkeit und nicht auf Fragen der
Diskussion nochmals eröffnet wird, da dieses Trak-          Rechtsprechung. Der Grosse Rat ist für die Anordnung
tandum mittlerweile hinfällig geworden ist, wie auf Seite   von Disziplinarmassnahmen zuständig, mit welchen
5 des KJS-Berichts zu entnehmen ist. Dazu gilt es auch      Richterinnen und Richter des Kantons- und Verwal-
zu sagen, dass die Wahlen der Gerichte in der August-       tungsgerichts zeitweilig im Amt eingestellt oder ihres
session vorgesehen sind, also nicht heute. Und dass das     Amtes enthoben werden. Für den Erlass weiterer Diszip-
Parlament im Sinne der Gewaltentrennung heute seine         linarmassnahmen ist gemäss Art. 69 des Gerichtsorgani-
Funktion einzig und allein als Aufsichtsbehörde ausübt.     sationsgesetzes die Kommission für Justiz zuständig.
Ich bitte Sie, diese Tatsache in Ihren Voten zu berück-     Die KJS ist nun seit mehreren Monaten mit diversen
sichtigen. Besten Dank. Ich gebe dem Kommissionsprä-        aufsichtsrechtlichen Verfahren beschäftigt, welche die
sidenten Grossrat Bondolfi das Wort.                        angespannte personelle Situation am Kantonsgericht
                                                            betreffen. Darunter fallen ein Antrag auf Amtsenthebung
                                                            gegen Kantonsrichter Dr. Peter Schnyder, den das Kan-
                                                            tonsgericht aber zwischenzeitlich zurückgezogen hat,
Geschäftsberichte                                           sowie ein von der KJS selbst eingeleitetes Disziplinar-
                                                            verfahren gegen Kantonsgerichtspräsident Dr. Norbert
                                                            Brunner. Ich werde im Verlaufe dieser Präsentation auf
                                                            diese Verfahren sowie auf die Wahlempfehlung der KJS
Kantons- und Verwaltungsgericht sowie Aufsichts-
                                                            zuhanden des Grossen Rates eingehen. Ebenso hatte die
kommission über die Rechtsanwälte und Notariats-
                                                            KJS drei Anträge der Bündner Staatsanwaltschaft betref-
kommission
                                                            fend Aufhebung der Immunität von Dr. Norbert Brunner
                                                            und Aktuar Linard Guetg zu behandeln. Dieses Thema
Antrag KJS, Kantons- und Verwaltungsgericht                 wird von Grossratskollege Casty beleuchtet. Zudem hat
Genehmigung der Jahresberichte 2019 des Kantons- und        die KJS einen Fachbericht zu den langen Verfahrensdau-
Verwaltungsgerichts, der Aufsichtskommission über die       ern und zum Pendenzenberg am Kantonsgericht bei
Rechtsanwälte sowie der Notariatskommission.                externen Experten in Auftrag gegeben. Darüber werden
                                                            Sie von Grossrätin Müller informiert. Schliesslich wird
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der KJS-Vizepräsident Grossrat Schutz über die noch            lichen Mehraufwand, klar ersichtlich an den Pendenzen,
offenen Fragen orientieren. Die genaue Ausgangslage            die seit dem Einführungsjahr 2011 stetig steigen. Zudem
mit der Chronologie der Ereignisse wird Ihnen nun im           wurde die zusätzliche sechste Richterstelle im Jahr 2007
Detail Grossratskollege Salis erläutern.                       eher zu spät bewilligt, um der Last der neuen Prozess-
                                                               ordnung entgegenzuwirken. Auch krankheits- und un-
Salis: Unabhängig von den Vorfällen des vergangenen            fallbedingte Ausfälle innerhalb des Gremiums haben die
Jahres am Kantonsgericht hat die KJS sich mit der Frage        Situation nicht begünstigt. Als weitere Ursache identifi-
der langen Verfahrensdauern und den zunehmenden                zieren die Verfasser die allgemeine Zunahme der einge-
Pendenzen am Kantonsgericht befasst. Sie konnten in            gangenen Fälle in den letzten Jahren. Dies eine nicht
der bisherigen medialen Berichterstattung zu diesen            kontrollierbare Variable. Eine wichtige Erkenntnis ist,
Umständen bereits lesen. Nun äussern wir uns detailliert       insbesondere für uns als Kommission, dass das Kantons-
dazu: Der Anspruch auf eine richterliche Beurteilung           gericht nicht unterdotiert ist. Im interkantonalen Ver-
innert angemessener Frist ist eine allgemeine Verfah-          gleich hat eine Richterperson pro Jahr in Graubünden
rensgarantie der Bundesverfassung und daher ein zentra-        weniger Fälle zu bearbeiten als in anderen Kantonen.
ler Bestandteil des funktionierenden Rechtstaates. Das         Das Aktuariat hingegen ist vergleichsweise unterbesetzt.
Bundesgericht äusserte sich mehrmals zum Beschleuni-           Auf eine Richterperson fallen 1,16 Aktuarinnen. In Zü-
gungsverbot und setzte wiederholt Schranken bei über-          rich sind es pro Richter 2,26 Aktuare. Zwei weitere
mässig langen Verfahrensdauern. Es ist der Kommission          Ursachen werden in den teilweise zu langen Urteilen
für Justiz und Sicherheit daher besonders wichtig, die         gesehen und in der nicht optimalen Zusammenarbeit
Umstände genau zu analysieren und griffige Massnah-            zwischen Gericht und Aktuariat.
men einzuleiten. Im Geschäftsbericht 2018, welchen die         Die KJS dankt den Verfassern für die wertvolle Untersu-
KJS gemäss ihren aufsichtsrechtlichen Aufgaben ab-             chung und befürwortet die vorgeschlagenen Massnah-
nimmt, konnte ein erneuter Anstieg der pendenten Fälle         men vollumfänglich: Das schnellstmögliche Zurückkeh-
festgestellt werden. Im Anschluss an die jährliche Ab-         ren zur Vollbesetzung des Gerichts, die Schaffung der
nahme der Geschäftsberichte der oberen kantonalen              Möglichkeiten von Ad-hoc-Richterstellen, die Schaffung
Gerichte veranlasste unsere Kommission eine Untersu-           von zusätzlichen Aktuariatsstellen, die Herabsetzung des
chung zur Aufklärung der Ursachen für die lange Ver-           Detaillierungsrates bei der Urteilsausarbeitung und die
fahrensdauer und die zunehmenden Pendenzen. Ihnen              Verbesserung der Führungs- und Teambildungsmass-
vorliegend sollte nun der Untersuchungsbericht betref-         nahmen mit Einbezug des Aktuariats. Die KJS wird sich
fend Pendenz- und Verfahrensdauern sein, erstellt von          aufgrund der Erkenntnisse für entsprechende Massnah-
Professor Dr. Beat Stalder und Professor Dr. Felix Uhl-        men einsetzen und die notwendigen politischen Ent-
mann. Insbesondere dient der Bericht der Erörterung der        scheide forcieren. Ich übergebe jetzt das Wort meiner
Fragen, welcher Natur die Ursache der Pendenzenlast            Kollegin Julia Müller.
sind und welche Massnahmen geeignet wären, die Um-
stände zu entschärfen. Zum vorliegenden Bericht konnte         Müller (Felsberg): Ich danke Herrn Salis. Er hat meinen
das Kantonsgericht Stellung nehmen und die Erkenntnis-         Teil bereits übernommen. Und ich gebe daher direkt
se waren auch Teil des jährlichen Austausches zwischen         weiter an Grossrat Casty.
der KJS und dem Kantonsgericht.
Nun einige Ausführungen zum Bericht: Im interkantona-          Casty: Gerne übernehme ich da ausserplanmässig das
len Vergleich hat das Kantonsgericht Graubünden an der         Wort. Ich habe die Aufgabe, mich zum Zusammenhang
Bevölkerungszahl gemessen nicht eine unterdurch-               mit dem Ermächtigungsverfahren gegen Kantonsrichter
schnittliche Fallerledigung. Bemerkenswert ist jedoch          Norbert Brunner und Aktuar Linard Guetg zu äussern.
die Sockelpendenz, die im interkantonalen Vergleich            Die Richter und die Aktuare am kantonalen Gericht
sehr hoch ist. Zur Verdeutlichung des Problems: In             geniessen Immunität. Diesen Schutz hat man eingeführt,
Graubünden liegt die Sockelpendenz bei 69 Prozent, im          damit sie nicht willkürlichen Strafanzeigen, bedingt
Kanton Bern sind es 25 Prozent. Sprich weniger als die         durch ihre Tätigkeit, ausgesetzt sind. So gesehen trägt
Hälfte im Vergleich zum Bündner Kantonsgericht. Die            die Immunität zur Sicherstellung einer funktionierenden
Sockelpendenz beschreibt das Verhältnis der Anzahl             Justiz bei. Kommt es trotzdem zu einer Strafanzeige
erledigter Fälle zu den pendenten Fällen. Bildlich darge-      gegen einen Mandatsträger, kann die Kommission für
stellt ist es ein Berg von Fällen, den das Gericht vor sich    Justiz und Sicherheit auf Antrag der Staatsanwaltschaft
herschiebt. Ebenfalls klar ersichtlich ist, dass die Verfah-   dessen Immunität aufheben beziehungsweise die Er-
rensdauer im kantonalen Vergleich deutlich länger ist bei      mächtigung erteilen, eine Strafuntersuchung einzuleiten.
uns. Beispielsweise liegt der Anteil der Fälle mit einer       Es müssen aber namhafte Anhaltspunkte vorliegen, die
Verfahrensdauer von über 12 Monaten in Graubünden              auf ein strafbares Verhalten hinweisen. Gleichzeitig
bei 15 Prozent, im Kanton Bern bei 9 Prozent und im            muss sie auch klären, ob ein öffentliches Interesse an
Kanton Zürich bei 4 Prozent. Zu den Ursachen äussern           einer Strafverfolgung schwerer wiegt als das Interesse
sich die Berichtschreibenden mit Bezug auf Zahlenmate-         einer reibungslos funktionierenden Justiz.
rial und Aussagen der Betroffenen am Gericht selbst. Die       Am 4. Oktober 2019 wurde eine Strafanzeige gegen
Professoren kommen zum Schluss, dass es einen deutli-          Kantonsrichter Dr. Norbert Brunner und den Aktuar
chen Zusammenhang gibt zwischen den bereits erwähn-            Linard Guetg durch Kantonsrichter Dr. Peter Schnyder
ten Lasten und der Einführung der eidgenössischen              eingereicht. Er wirft ihnen Urkundenfälschung im Amt
Prozessordnung. Die Umstellung führte zu einem erheb-          vor. Die Staatsanwaltschaft hat deshalb die KJS gebeten,
17. Juni 2020                                                                                                       885

über die Ermächtigung gegen Dr. Brunner und gegen            werden. Ein öffentliches Interesse an einer Strafverfol-
Aktuar Guetg zu entscheiden. Mit Schreiben vom               gung ist daher weniger schwer zu gewichten als der
25. November 2019 wurde Dr. Brunner und Aktuar               Schutz der Justiz. Und daher wurde beim Aktuar Guetg
Guetg Gelegenheit gegeben, sich zur Frage der Erteilung      von einer Ermächtigung abgesehen. Das sind meine
der Ermächtigung zur Strafverfolgung zu äussern. Im          Ausführungen betreffend die Ermächtigungsverfahren.
Dezember gleichen Jahres hat sich auch das Kantonsge-        Ich möchte jetzt meinem KJS-Kollegen Felix Schutz das
richt zu den Anträgen der Ermächtigungen geäussert und       Wort übergeben für weitere Ausführungen.
festgehalten, dass nur der Vorwurf eines Fehlurteiles
respektive einer fehlerhaften Vorgehensweise im Raum         Schutz: Über das Amtsenthebungsverfahren und die
stehe und nicht Straftatbestände, die eine Ermächtigung      disziplinarischen Untersuchungen einerseits gegen
rechtfertigen würden. Zudem sei das öffentliche Interes-     Dr. Schnyder und gegen Dr. Brunner wird Sie ja, wie
se an der funktionierenden Justiz höher zu gewichten als     bereits unser Präsident Ilario Bondolfi bei der Einleitung
das öffentliche Interesse an einer Strafverfolgung.          gesagt hat, wird er Sie im Nachgang meiner Ausführun-
Ich komme jetzt zur Ermächtigung gegen Kantonsrichter        gen orientieren. Im Zusammenhang mit diesen Untersu-
Brunner. Am 23. Januar 2020 erfolgte die Stellungnahme       chungen im Zusammenhang mit dem Ermächtigungsver-
von Dr. Brunner. Darin hält er fest, dass sein Verhalten     fahren sind bei der KJS weitere Fragen aufgetaucht.
in keiner Weise als strafwürdig zu beurteilen und dass       Insbesondere stellte sich die Frage, ob sich weitere Rich-
von einer Ermächtigung gegen ihn abzusehen sei. Im           terinnen oder Richter durch ihr Verhalten einer diszipli-
Februar gleichen Jahres reichte auch Patrick Schmid,         narischen Untersuchung zu stellen haben. Vorweg möch-
eine der Parteien im ursprünglichen Erbteilungsfall, eine    te ich nochmals kurz erwähnen, dass die Kommission für
Strafanzeige gegen Dr. Brunner betreffend Urkundenfäl-       Justiz und Sicherheit einzig die Geschäftsführung und
schung im Amt und Urkundenfälschung ein. Die Staats-         die Justizverwaltung überprüfen kann. Die Rechtspre-
anwaltschaft hat dabei festgestellt, dass sich die Sach-     chung ist ausschliesslich den Gerichten vorenthalten.
verhalte im Wesentlichen mit dem Sachverhalt der Straf-      Beim Revisionsentscheid vom 29. Mai 2019 in der
anzeige von Dr. Schnyder decke. Die KJS hat in der           Erbsache P.S., welche durch die erste Zivilkammer des
Folge untersucht, ob namhafte Anhaltspunkte vorliegen,       Kantonsgerichts gefällt wurde, nahmen folgende Richter
die auf ein strafbares Verhalten, insbesondere auf den       teil: Als Vorsitzender Gerichtspräsident Brunner, die
Verdacht der Urkundenfälschung im Amt, hinweisen. Es         beisitzenden Richter Frau Michael Dürst und Herr Ped-
wurden dazu zwischen Ende Februar 2020 und Mitte             rotti. Als Aktuar waltete Aktuar Guetg. Entsprechend
März 2020 umfangreiche Anhörungen von Mitgliedern            stellte sich die Frage, ob die Verantwortlichkeit von
des Kantonsgerichts und des Aktuariats durchgeführt.         Ursula Michael Dürst und/oder Davide Pedrotti derart
Aufgrund dieser Befragungen ist die KJS zum Schluss          angesprochen ist, dass ihnen gegenüber auch ein diszip-
gekommen, dass ein strafrechtlich relevantes Fehlverhal-     linarisches Verfahren einzuleiten wäre. Dies beantragte
ten von Dr. Brunner im Sinne einer Urkundenfälschung         jedenfalls Kantonsrichter Schnyder. Ebenso ist nach
im Amt nicht ausgeschlossen werden kann. Darüber             Ansicht von Kantonsrichter Schnyder die Mitwirkung
hinaus bestehen nach der Einschätzung der Kommission         von Fridolin Hubert beim internen Ausstandsverfahren,
Anhaltspunkte dafür, dass zumindest Eventualvorsatz          wonach nach Schnyder das Prinzip der Parteiöffentlich-
und Täuschungsabsichten gegeben sind, wogegen Recht-         keit verletzt wurde, zu untersuchen. Nach Kenntnis der
fertigungsgründe eher nicht ersichtlich sind. Beim Ab-       KJS liegen weder betreffend Frau Michael Dürst noch
wägen, ob das öffentliche Interesse einer Strafverfolgung    betreffend Herrn Pedrotti Strafanzeigen im Zusammen-
oder ob das öffentliche Interesse an einer funktionieren-    hang mit dem Revisionsentscheid vom 29. Mai 2019 vor.
den Justiz stärker zu gewichten sei, kommt die Kommis-       Die Untersuchungsverfahren der KJS gegenüber der
sion zum Schluss, dass ersteres der Fall sei. Ein Unter-     Tätigkeit von Kantonsrichterin Michael Dürst und Kan-
bleiben der Strafverfolgung würde im vorliegenden Fall       tonsrichter Pedrotti sind bereits abgeschlossen. Die Kan-
das Vertrauen in den Staat und seine höchsten Repräsen-      tonsrichterin und der Kantonsrichter erhielten von der
tanten mehr erschüttern, als wenn man den Fortgang des       KJS mit Datum vom 26.5.2020 die Mitteilung über den
Strafverfahrens zulassen würde. Die Ermächtigung wur-        Stand der Untersuchung und eine Frist zur Vernehmlas-
de daher im April 2020 beschlossen und mitgeteilt.           sung innert 20 Tagen. Diese Antworten zu unserer Mit-
Zum Verfahren gegen Aktuar Linard Guetg: Die Stel-           teilung sind gestern eingetroffen und die KJS wird in den
lungnahme vom Aktuar Guetg erfolgte am 30. Januar            nächsten Tagen ihre definitiven Entscheide entsprechend
2020. Seiner Meinung nach sei der Tatbestand einer           vornehmen.
Urkundenfälschung im Amt nicht gegeben, und selbst           Im andern Verfahren bezüglich dem Verhalten von Kan-
wenn dies nicht ausgeschlossen werden könne, sei das         tonsrichter Hubert in Zusammenhang mit dem Entscheid
öffentliche Interesse einer funktionierenden Justiz höher    über das interne Ausstandsverfahren ist die Untersu-
zu gewichten als eine Strafverfolgung, was ja auch die       chung ebenfalls abgeschlossen. Dazu ist festzustellen,
Meinung des Gesamtgerichtes war. Aufgrund der Anhö-          dass der Entscheid vom 18. April 2019 eben bezüglich
rungen kommt die Kommission im Fall Guetg zum                diesem Ausstandsverfahren beim Bundesgericht anhän-
Schluss, dass zwar ein strafrechtlich relevantes Verhalten   gig ist. Ein in den Augen der beteiligten Parteien falscher
von Aktuar Guetg vorliegen könnte, er als Angestellter       Entscheid ist primär über die ordentlichen Rechtsmittel
aber weisungsgebunden war und nur das ausgeführt hat,        anzufechten. Der KJS ist jedoch keine Richterpflicht von
was ihm aufgetragen wurde. So gesehen könnte sein            Fridolin Hubert bekannt, die durch das Mitwirken am
Handeln auch nur als fahrlässiges Delikt aufgefasst          besagten Ausstandsverfahren verletzt hätte werden kön-
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nen. Ein aufsichtsrechtliches Verfahren gegenüber Kan-      tens von Peter Schnyder die kompetenzwidrige Inan-
tonsrichter Hubert wurde somit nicht an die Hand ge-        spruchnahme der Verfahrensleitung, ein eigenmächtiges
nommen. Dies meine ergänzenden Informationen. Zu            Handeln entgegen jeglicher Kollegialität unter Bruch des
den weiteren Verfahren über die Hauptverfahren betref-      Amtsgeheimnisses angedroht. Durch das Fernbleiben an
fend Amtsenthebung und aufsichtsrechtliches Verfahren       der Urteilsberatung vom 8. Mai 2019 hat Peter Schnyder
gegen Dr. Brunner wird Sie unser Präsident Ilario Bon-      seine Hauptpflicht, nämlich die Wahrnehmung des Am-
dolfi orientieren. Danke.                                   tes des Kantonsrichters, verletzt und gleichzeitig das
                                                            ordnungsgemäss Funktionieren des Kantonsgerichts
Bondolfi; Kommissionspräsident: Besten Dank meinen          behindert. Das Unterlassen einer vom Gesetz gebotenen
KJS-Kolleginnen und -Kollegen. Bevor wir auf die auf-       Amtshandlung könnte als schwere Amtspflichtverlet-
sichtsrechtlichen Verfahren zu sprechen kommen, noch        zung qualifiziert werden. Könnte. Zugunsten von Herrn
eine ergänzende Information: Der Ermächtigungsbe-           Schnyder wirkt sich allerdings aus, dass sich die KJS
schluss gegen Dr. Brunner ist in der Zwischenzeit unan-     zum ersten Mal mit einer Amtspflichtverletzung durch
gefochten in Rechtskraft erwachsen.                         ihn hat befassen müssen. Zudem ist sein Verhalten im
Ich komme nun zum Disziplinarverfahren gegen Kan-           Zusammenhang mit der Erbsache P.S. zu sehen. Wie die
tonsrichter Dr. Peter Schnyder. Ich verweise hier auf den   KJS hat feststellen müssen, haben sich an diesem Fall
anonymisierten Bericht der KJS, der seit letztem Freitag    exemplarisch Schwächen der Justizverwaltung und der
online zur Verfügung steht. Dieser Bericht hält in          Geschäftsführung des Kantonsgerichts gezeigt. Es ist
70 Seiten mit schon fast pedantischer Akribie alle De-      erstellt, dass Kantonsrichter Schnyder eine einmal ge-
tails des Verfahrens und der KJS-Tätigkeit fest. Es sei     fasste Meinung kaum mehr zur Disposition stellt und im
auf diesen Bericht verwiesen. Die KJS hat im Falle des      Gegenteil alles unternimmt, um dieser zum Durchbruch
Antrags auf Amtsenthebung von Dr. Peter Schnyder            zu verhelfen. In diesen Verhaltensweisen von Herrn
sämtliche relevanten Akten beigezogen. Neun Personen,       Schnyder wären für sich keine Amtspflichtverletzungen
die am Gericht tätig sind oder tätig waren, wurden aus-     zu sehen. Allerdings hat sich das Beharren auf der eige-
führlich befragt, um so einen unmittelbaren Eindruck        nen Ansicht auch im Zusammenhang mit seinem Geba-
von deren Aussagen und Glaubwürdigkeit und eine             ren im Fall P. S. gezeigt. Im Hinblick auf dieses Verhal-
direkte Wahrnehmung der Geschehnisse zu gewinnen.           ten ist allerdings zu berücksichtigen, dass diese Episode
Die Untersuchungen haben bei Dr. Schnyder einen aus-        eine ihrer Ursachen in der Praxis der nachträglichen
geprägten Individualismus und ein Beharren auf der          Anpassung von Dispositiven und Begründungen hat,
eigenen Meinung in einer Art und Weise offenbart, die       welche in zivilprozessualer Hinsicht erhebliche Zweifel
für eine Kollegialbehörde als unverträglich beurteilt       nach sich zieht und nicht den Anforderungen der bun-
werden müssen. Dieses Verhalten eskalierte dann im          desgerichtlichen Rechtsprechung entspricht. Schliesslich
Zusammenhang mit der Behandlung eines Revisionsge-          kommt hinzu, dass das Kantonsgericht als Institution zur
suchs in der Erbsache P.S. Das Kantonsgericht von           Eskalation beigetragen hat, indem trotz sich immer wei-
Graubünden hat mit Stellungnahme vom 14. Mai 2020           ter verschärfenden Spannungen nicht bereits früher die
den Antrag auf Amtsenthebung unter der Bedingung            Aufsichtsbehörde eingeschalten worden ist. Das lange
zurückgezogen, dass Kantonsrichter Schnyder zur             Hinauszögern und die Hoffnung auf eine interne Lösung
Nichtwiederwahl empfohlen wird, wie dies die KJS in         zeugen von einem Misstrauen gegenüber der demokra-
ihrem Berichtsentwurf in Aussicht gestellt hatte. Mit       tisch legitimierten Aufsichtsbehörden. Insgesamt ist die
Beschluss vom 26. Mai 2020 hat die KJS an dieser Emp-       KJS einstimmig zum Schluss gekommen, dass die Vo-
fehlung einstimmig festgehalten. Damit ist der Rückzug      raussetzungen für die Einleitung eines Amtsenthebungs-
definitiv und der Antrag ist gegenstandslos geworden.       verfahrens nicht gegeben sind. Also die Voraussetzungen
Die Fragen einer allfälligen Amtsenthebung hat aber die     für eine Amtsenthebung von Dr. Schnyder sind nach
KJS von Amtes wegen zu prüfen. Dies hat sie getan und       Auffassung der KJS nicht gegeben. Hingegen wiegt das
ist dabei zu folgenden Schlüssen gekommen: Zur sehr         Verschulden von Kantonsrichter Schnyder nach Auffas-
leichten Amtspflichtverletzung bezüglich der rechtzeiti-    sung der KJS zu hoch, um in Anwendung des Opportuni-
gen Abgabe der Referate kommt die ernsthafte Verlet-        tätsprinzips auf eine Disziplinarmassnahme zu verzich-
zung durch das Verhalten von Kantonsrichter Schnyder        ten. In Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere
im Zusammenhang mit dem Revisionsverfahren P.S.             auch der mildernden Gründe, hat die KJS einstimmig
hinzu. Das abgeänderte Berufungsurteil ist im August        beschlossen, gegen Kantonsrichter Peter Schnyder einen
2018 erlassen worden. Dr. Schnyder hat von dieser Ab-       Verweis auszusprechen. Die entsprechende Verfügung
änderung erst im Rahmen des Revisionsverfahrens im          ist noch nicht rechtskräftig.
Januar 2019 Kenntnis erhalten. Sowohl Dr. Schnyder als      Ich komme nun zu der Empfehlung auf Nichtwiederwahl
auch Dr. Brunner haben gegeneinander Ausstandsanzei-        von Dr. Peter Schnyder. Die Wahl der Richterpersonen
gen gestellt. Diese sind im Rahmen eines internen Aus-      durch den Grossen Rat gehört zum demokratischen
standsverfahren behandelt worden, und zwar derart, dass     Prinzip, wonach alle staatliche Macht letztlich durch das
das Begehren Schnyder abgewiesen wurde. Für den             Volk legitimiert werden muss. Richterwahlen sollen
8. Mai 2019 wurde ein Termin zur Beratung des Revisi-       sicherstellen, dass nur solche Personen das Richteramt
onsbegehrens in der ursprünglichen Zusammensetzung          ausüben, die, von ihrem fachlichen und persönlichen
mit Brunner als Vorsitzender, Schnyder und ein weiterer     Profil her, dazu nach wie vor in der Lage sind. Die Wahl
Mitrichter. Am 7. Mai 2020, d. h. ein Tag vor der ord-      ist somit ein ordentlicher politischer Vorgang, den die
nungsgemäss angesetzten Urteilsberatung, wurden sei-        Kantonsverfassung alle vier Jahre vorsieht. Entsprechend
17. Juni 2020                                                                                                      887

ist der Eingriff in die Rechtsstellung der betroffenen       Parlament, welche dieser Empfehlung Folge leisten kann
Person auch ein anderer als bei einem Disziplinarverfah-     oder auch nicht.
ren. Zentral für unsere Beurteilung ist folgende Feststel-   Und nun einige Ausführungen zum gestrigen E-Mail
lung: Auf eine Wahl oder Wiederwahl besteht kein An-         vom Rechtsvertreter von Dr. Peter Schnyder. Sie haben
spruch, es besteht kein rechtlicher Anspruch auf die         alle dieses E-Mail erhalten. Sie wissen, worum es geht.
Wiederwahl. Eine Nichtwahl oder Nichtwiederwahl              Ich weise darauf hin: Im aufsichtsrechtlichen Verfahren
führen auch zu keinem Eingriff in die Rechte der be-         wurde Kantonsrichter Schnyder das rechtliche Gehör
troffenen Person. Die Wählbarkeitsvoraussetzung nach         gewährt. Seine entsprechende Stellungnahme vom
Art. 23 Abs. 1 des Gerichtsorganisationsgesetzes sind        15. Mai 2020 hat er mit dem nun an alle Grossrätinnen
denn auch weniger streng. Das Gesetz verlangt einzig         und Grossräte versandten E-Mail allgemein zugänglich
und alleine die persönliche und fachliche Eignung. Wie       gemacht. Diese können nun selbst überprüfen, dass die
bereits erwähnt ist die KJS im aufsichtsrechtlichen Ver-     KJS sich einlässlich mit den vorgebrachten Argumenten
fahren zum einstimmigen Schluss gekommen, dass das           befasst und diese in ihren Abschlussbericht hat einflies-
Verhalten von Dr. Schnyder im Rahmen des Revisions-          sen lassen. Zuständig für das aufsichtsrechtliche Verfah-
verfahrens P. S. ausreicht, um einen Verweis auszuspre-      ren ist der Grosse Rat allerdings nicht. Gegen den ausge-
chen. Ebenso einstimmig hat die KJS beschlossen, eine        sprochenen Verweis kann, wenn überhaupt, die subsidiä-
Empfehlung auf Nichtwiederwahl von Dr. Schnyder              re Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht geführt
abzugeben. Der Individualismus von Kantonsrichter            werden. Ich komme nun zum zweiten Teil des E-Mails
Schnyder und das Beharren auf der eigenen Meinung            bezüglich der Nichtwiederwahl. Also davon zu unter-
haben wiederholt zu Auseinandersetzungen, insbesonde-        scheiden, also vom aufsichtsrechtlichen Verfahren zu
re mit dem Aktuariat, geführt. Ich verweise hier auch auf    unterscheiden, ist das Verfahren betreffend Nichtwie-
die einzelnen Aussagen im Bericht. Wie bereits darge-        derwahl. Hier wurde Kantonsrichter Schnyder ebenfalls
legt, haben diese Charakterzüge Herrn Schnyder dazu          zur Wahrung des rechtlichen Gehörs eingeladen, wovon
gebracht, gravierende Amtspflichtverletzungen zu bege-       er Gebrauch gemacht hat. Wie es das Gesetz vorschreibt,
hen. Sein Verhalten im Revisionsverfahren P.S. hat           hat die KJS diese Stellungnahme dem Grossen Rat wei-
exemplarisch gezeigt, dass der Durchsetzungswille hin-       tergeleitet. Das Gesetz verlangt aber nicht, dass sich die
sichtlich der eigenen Meinung ihn auch dazu bringt,          KJS damit auch inhaltlich auseinandersetzt. Entspre-
seine eigentliche Hauptpflicht als Richter hinten anzu-      chend war der Beschluss über die Empfehlung auf
stellen, die Verfahrensregeln zu ignorieren und die Funk-    Nichtwiederwahl tatsächlich auf den 26. Mai 2020 ange-
tionsfähigkeit des Gerichts und die Rechtsprechung zu        setzt. Als allerdings am 27. Mai 2020 noch eine Stel-
gefährden. Anstatt sich der Diskussion im dafür vorge-       lungnahme von Herrn Schnyder einging, hat sich die
sehenen Gefäss, nämlich der richterlichen Beratung im        KJS damit auseinandergesetzt und am 28. Mai 2020
Revisionsverfahren, zu stellen, hat Kantonsrichter           nochmals über die Empfehlung beschlossen und diese
Schnyder es vorgezogen, das Verfahren eigenmächtig           einstimmig bestätigt. Das entsprechende Protokoll der
und ohne Vorwarnung zu behindern. Die Unfähigkeit,           KJS liegt vor. Zudem trägt der Beschluss über die
sich auf eine offene Diskussion in einem Gremium ein-        Nichtwiederwahl auch das Datum das 29. Mai 2020.
zulassen und die eigene Meinung kritisch zu hinterfra-       Kurz zusammengefasst sind zwei Elemente bei dieser
gen, zeigt sich vor allem an diesem gravierenden Vorfall.    Thematik von Relevanz: Von Bedeutung ist Abs. 2 von
Diese Unfähigkeit stellt nach Auffassung der KJS ein         Art. 27 GOG, der besagt «die Kommission übermittelt
grosses persönliches Manko von Dr. Peter Schnyder dar,       die Stellungnahmen dem Grossen Rat zur Kenntnisnah-
so dass die Wählbarkeitsvoraussetzung der persönlichen       me». Wir haben die Stellungnahmen des Gerichts und
Eignung nicht erfüllt ist. Die Entscheidungen im Gremi-      der betroffenen Richterpersonen entgegenzunehmen und
um machen die grosse Mehrheit der Fälle an einem             diese telquel dem Grossen Rat weiterzuleiten. Das recht-
zweitinstanzlichen Gericht aus. Es handelt sich um eine      liche Gehör ist gegenüber dem Grossen Rat und nicht
Kollegialbehörde, in welcher eben gerade nicht die eige-     gegenüber der KJS zu gewährleisten. Das ist erfolgt.
ne Meinung durchgesetzt werden soll. Schwerwiegend           Noch kurz zur Chronologie. Am 26. Mai 2020 hat die
erscheint der KJS überdies der Umstand, dass von den         KJS getagt und hat die Nichtwiederwahl beschlossen.
von ihr befragten Personen, welche heute noch am Kan-        Am 27., einen Tag später, ist die Stellungnahme Schny-
tonsgericht tätig sind, alle, und ich betone, alle eine      der eingegangen. Wir haben uns am 28. Mai 2020 mit
weitere Zusammenarbeit mit Peter Schnyder für unzu-          dieser Stellungnahme im Detail auseinandergesetzt und
mutbar und ausgeschlossen ansehen. Insgesamt fügen           einstimmig beschlossen, dass wir an dieser Nichtwie-
sich die erstellten Vorfälle und Eigenschaften zu einem      derwahl festhalten. Und am 29. Mai 2020 ist dann auch
Bild der Person von Peter Schnyder zusammen, das ihn         der Beschluss bezüglich der Nichtwiederwahl verschickt
nicht für die Wiederwahl eines der beiden höchsten           worden. Verfahrensfehler der KJS liegen demnach keine
Gerichte des Kantons Graubünden qualifiziert. Im Feh-        vor und die geäusserte Kritik erweist sich als völlig
len der persönlichen und in der Folge fachlichen Eig-        haltlos. Die Chronologie zeigt vielmehr, dass die KJS
nung ist ein sachlicher Grund für die Nichtwiederwahl        sich in dem fraglichen Verfahren tatsächlich nochmals
zu erblicken, der mit der richterlichen Unabhängigkeit       Zeit genommen hat, um zu beraten und neu zu beschlies-
vereinbar ist. Aus all diesen Gründen hat die KJS ent-       sen, obwohl dies das Gesetz gar nicht verlangt hätte. Aus
schieden, dem Grossen Rat eine Nichtwiederwahlemp-           diesen Vorgängen wird im Gegenteil das Bemühen der
fehlung abzugeben. Wahlbehörde ist und bleibt aber das       KJS sichtbar, ein in jeder Hinsicht korrektes und faires
                                                             Verhalten zu führen. Wenn Herr Schnyder die KJS direkt
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mit diesem Vorhalten konfrontiert hätte, hätte die Sach-     nach Fertigstellung durch die Aktuarin oder den Aktuar
lage schnell und einfach geklärt werden können. Er hat       datiert und unterzeichnet. Letzte Weisung: Probleme,
es aber vorgezogen, dies in der Öffentlichkeit zu tun. Ob    welche derart schwerwiegend sind, dass die Abläufe am
sich dies für einen Kantonsrichter, der sich wieder zur      Kantonsgericht und die Erledigung von Fällen verlang-
Wahl stellt, geziemt, das überlasse ich Ihnen.               samt oder erheblich erschwert werden, sind bei deren
Ich komme nun zum Disziplinarverfahren gegen Kan-            Auftreten unverzüglich der Kommission zu melden. Eine
tonsgerichtspräsident Dr. Norbert Brunner. In seiner         der Haupterkenntnisse aus dem Bericht Stalder/Uhlmann
Stellungnahme im Rahmen des Amtsenthebungsantrags            ist, das ist vorhin gesagt worden, dass die Sockelpendenz
des Kantonsgerichts hat Dr. Schnyder darauf hingewie-        nur mit Ad-hoc-Richterstellen zu bewältigen ist. Wozu
sen, dass Kantonsgerichtspräsident Brunner im Zusam-         aber eine Anpassung der gesetzlichen Grundlage erfor-
menhang mit dem Erbrechtsfall selbst eine schwere            derlich ist. Wir haben unmittelbar nach Vorliegen des
Amtspflichtverletzung begangen habe. Damit liege bei         Berichtes dieses Anliegen beim Justizdepartement depo-
diesem ein Amtsenthebungsgrund vor. Dieser Anzeige           niert, welches es auch unverzüglich umgesetzt hat. Das
ist die KJS nachgegangen und nach weiteren rechtlichen       Vernehmlassungsverfahren für die Gesetzesrevision ist
Abklärungen hat sie am 2. Dezember 2019 Dr. Brunner          bereits gestartet worden und wir gehen davon aus, dass
mitgeteilt, dass sie aufgrund der vorliegenden Akten und     die neuen Richterstellen bereits im Laufe des ersten
Erkenntnisse selbst ein entsprechendes Disziplinarver-       Semesters 2020/2021 ausgeschrieben werden können.
fahren gegen ihn einleite. Auch in diesem Verfahren kam      Hierfür dankt die Kommission dem Departementsvorste-
es zu mehreren persönlichen Anhörungen von Dr. Brun-         her Regierungsrat Peyer bestens.
ner sowie von drei weiteren involvierten Personen. Nach      Ich komme nun zu den eigentlichen Jahresberichten
Abschluss der Untersuchungen wurde Kantonsgerichts-          Kantonsgericht und Verwaltungsgericht. Die Kommissi-
präsident Norbert Brunner am 21. April dieses Jahres das     on für Justiz hat am 19. Mai dieses Jahres mit dem Ge-
rechtliche Gehör zum Berichtsentwurf der KJS gewährt.        samtgericht Kantonsgericht und Gesamtgericht Verwal-
Mit Schreiben vom 7. Mai hat sich Herr Brunner zum           tungsgericht je separate Aussprachen zu den sie betref-
Entwurf des Berichts vernehmen lassen, die Sistierung        fenden Jahresberichten und sich daraus ergebenden
des Verfahrens bis zum Abschluss des Strafverfahrens         weiteren Themen geführt. Die Kommission prüfte und
beantragt sowie für den Endentscheid ein Ausstandsbe-        beriet ferner die Jahresberichte der Aufsichtskommission
gehren gegen die gesamte KJS gestellt. Als Begründung        über die Rechtsanwälte und der Notariatskommission.
für das Ausstandsbegehren führt Kantonsgerichtspräsi-        Beim Kantonsgericht konnte festgestellt werden, dass die
dent Brunner aus, er habe von der KJS einen vollständig      Zahl der neu eingegangenen Geschäfte mit 968 im Ver-
ausformulierten Entwurf eines Disziplinarentscheids          gleich zum Vorjahr um etwa elf Prozent gestiegen ist.
zugestellt erhalten, der keinen Zweifel offen lasse, dass    Zwar konnte das Kantonsgericht mehr Geschäfte erledi-
sich die KJS in der Sache bereits festgelegt habe und        gen, nämlich 885. Wegen der Neueingänge stiegen am
voreingenommen sei. Da das Begehren alle Kommissi-           Ende des Berichtsjahrs die pendenten Geschäfte aber von
onsmitglieder betrifft, liegt die Zuständigkeit beim Gros-   325 auf 408. Die Pendenzen unterliegen einem internen
sen Rat, darüber zu befinden. Die KJS hat unter Hinweis      Controlling mittels einer alle 14 Tage aktualisierten
auf die herrschende Rechtsprechung, die das Vorgehen         Liste. Die Verfahrensdauer ist im Vergleich zum Vorjahr
der Kommission klar unterstützt, die Abweisung des           praktisch gleichgeblieben. Die Anzahl Fälle mit einer
Antrags beantragt. Nach Vorliegen dieses Entscheids          Verfahrensdauer von über sechs Monaten ist leicht zu-
kann das Verfahren wieder aufgenommen werden. In             rückgegangen. Die Anzahl Fälle mit einer Verfahrens-
welcher Komposition der Kommission, werden wir               dauer von drei bis sechs Monaten ist leicht angestiegen.
später im Rahmen des Ausstandsbegehrens sehen.               Die Kommission hat im Rahmen des Austausches je-
Was die Kommission noch getan hat, ist folgendes: Wir        weils mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass die Ver-
haben am 25. März dieses Jahres aufgrund der Ergebnis-       fahrensdauer möglichst kurz zu halten ist. Namentlich ab
se der Anhörungen Weisungen und Empfehlungen dem             dem Zeitpunkt, ab welchem das Verfahren spruchreif ist.
Kantonsgericht gegenüber erlassen. Ich komme kurz auf        Zu bemerken ist, dass die Verfahrensdauer immer auch
die Weisungen zu sprechen. Erste Weisung: Das gesamte        vom Verhalten der Parteien abhängig ist. Abgenommen
Dispositiv eines Urteils ist vom Richtergremium zu           hat im Vergleich zum Vorjahr die Weiterzugsquote ans
beschliessen. Es können davon keine Ausnahmen ge-            Bundesgericht auf rund 10,3 Prozent. Das heisst, es
macht werden. Zweite Weisung: Dasselbe gilt auch für         wurden 54 Entscheide ans Bundesgericht weitergezogen.
die definitive Urteilsbegründung. Auch diese muss ge-        Insgesamt wurden von den im Berichtsjahr durch das
samthaft vom Richtergremium beschlossen worden sein.         Bundesgericht erledigten 48 Weiterzügen sechs Rechts-
Dritte Weisung betrifft Art. 26 der Kantonsgerichtsver-      mittel gutgeheissen, drei teilweise gutgeheissen. Somit
ordnung, wonach der Aktuar anlässlich der Urteilsbera-       wurden 18,7 Prozent der Weiterzüge gutgeheissen oder
tung das Protokoll führt. Wir haben präzisiert, wie diese    teilweise gutgeheissen. Zur Aufsichtstätigkeit des Kan-
Bestimmung zu verstehen ist. Diese Bestimmung ist so         tonsgerichts über die Schlichtungsbehörden und die elf
zu verstehen, dass der zuständige Aktuar oder die Aktua-     Regionalgerichte. Dies gab zu keinen Beanstandungen
rin an der Urteilsberatung teilnimmt und während dieser      Anlass.
oder unmittelbar danach ein Protokoll erstellt, das die      Ich komme zum Verwaltungsgericht. Der für die Dauer
wesentlichen Punkte der Diskussion und sämtliche Be-         von über zwei Jahren krankgeschriebene Verwaltungs-
schlüsse festhält, die getroffen wurden. Dieses Protokoll    richter Robert Stecher schied wegen Demission per 30.
hat das effektive Datum der Beratung zu nennen. Es wird      September 2019 aus dem Richteramt aus. In der August-
17. Juni 2020                                                                                                        889

session, das wissen wir, folgte dann die Ersatzwahl von       Wochen gewann das Thema nochmals zusätzlich an
Frau Dr. Ramona Pedretti. Vom Sommer 2017 bis Ende            Brisanz und hat einige von uns, inklusive der KJS, be-
2019 war das Verwaltungsgericht so mit nur vier Rich-         sonders gefordert. Nun haben wir einige Unterlagen
terpersonen nicht mehr ordnungsgemäss besetzt. Dies           vorliegend. Unserer Meinung nach zu wenig. Das haben
führte zu einer zusätzlichen Arbeitsbelastung für die         wir entsprechend auch beim Kommissionspräsidenten
übrigen vier Richterpersonen. Zur Geschäftstätigkeit:         hinterlegt. Leider wurde unsere Anfrage diesbezüglich
Die Geschäftslast des Verwaltungsgerichts hat mit 425         abschlägig behandelt. Ich bin hier der festen Überzeu-
Neueingängen im Vergleich zum Vorjahr leicht zuge-            gung: Neben der rechtlichen Auslegeordnung kann und
nommen, bleibt aber im langjährigen Vergleich etwa            muss man jetzt auch eine politische Auslegung vorneh-
konstant. Mit 389 erledigten Verfahren wurden drei Fälle      men. Wir als Wahlbehörde müssen hier mehr erhalten.
mehr als im Vorjahr abgeschlossen. Im langjährigen            Ich sehe jedoch den Zielkonflikt mit dem Schutz von
Vergleich liegt die Erledigungszahl etwas tiefer, was         allfälligen Persönlichkeitsrechten. Das müssen wir hier
aber sicherlich mit dem Ausfall eines Richters erklärbar      aber nicht weiter diskutieren, müssen es aber für die
ist. Erwartungsgemäss haben sich die Pendenzen per            Zukunft mitnehmen.
2019 von 291 auf 323 im vorletzten Jahr und auf mitt-         In den vergangenen Wochen haben sich die Richterin
lerweile 386 erhöht. Somit haben sich die Pendenzen um        und die Richter mehrmals öffentlich gegenseitig diffa-
63 Fälle erhöht. Das sind in etwa die Ausführungen zum        miert, aber auch die KJS miteinbezogen. Die Fraktion
Verwaltungsgericht.                                           der SVP hat sich daher sehr früh klar festgelegt und
Bei den Aufsichtskommissionen über die Rechtsanwälte          gesagt: Wir wollen uns ein unabhängiges Bild der Situa-
und die Notariatskommission konnte festgestellt werden,       tion machen können. Wir hatten deshalb die Richterin-
dass da keine besonderen Vorkommnisse vorgekommen             nen und Richter inklusive dem abtretenden Gerichtsprä-
sind. Die weiteren Details entnehmen Sie unserem Be-          sidenten und Richter Schnyder zu Hearings eingeladen
richt. Begnadigungen, Petitionen und Beschwerden gab          und unseren Prozess festgelegt. Diese Hearings konnten
es im Berichtsjahr keine.                                     letzten Montag abgeschlossen werden. Für uns immer
Abschliessend, bevor ich zu den eigentlichen Anträgen         noch eine schwierige Situation. Schnell mussten wir
komme, möchte ich noch darauf hinweisen, dass wir             feststellen: Die persönlichen Verhältnisse sind derart
sowohl beim Kantonsgericht als auch beim Verwal-              zerrüttet, dass eine künftige Zusammenarbeit in heutiger
tungsgericht das Anliegen deponiert haben, dass man im        Zusammensetzung wohl nicht mehr vorstellbar ist. Wes-
Jahresbericht auch die zwischenmenschliche Seite ein-         halb schlussendlich die verbleibenden Mitglieder des
bauen soll. Wie es auf dieser Ebene geht, haben wir           Kantonsgerichts so reagiert haben, wie diese eben mit
feststellen können, ist mindestens so wichtig wie die         den Diffamierungen reagiert haben, ist uns wirklich
Geschäftslast an beiden Gerichten. Wir werden jetzt mit       schleierhaft und konnte uns auch in den Gesprächen
den beiden Gerichten noch festlegen, in welcher Form          nicht zufriedenstellend erläutert werden. Auch kann
uns diese Informationen geliefert werden. Und wir haben       heute festgehalten werden, dass die Begründungen zu
dann noch gewünscht, dass auch Zahlen gemacht werden          der für uns unsäglichen Medienkonferenz nicht wirklich
im Jahresbericht bezüglich der Fälle, die eine Verfah-        dargelegt werden konnten. Weiter mussten wir feststel-
rensdauer über zwölf Monate haben: Wie viele und für          len: Wenig wurde dokumentiert. Einige Richter fühlten
welche Verfahrensdauer. Das ist gesamthaft der Jahres-        sich berufen, andere selbst zu kontrollieren und z.B.
bericht unserer Kommission.                                   Printscreens von Kalendern zu erstellen. Was für uns nur
Wir hatten ein sehr arbeitsintensives Jahr. Wir haben ein     schon datenschutzrechtliche Fragezeichen hinterlässt.
sehr arbeitsintensives Jahr hinter uns. Wir haben Ihnen       Nichts wirklich war nachzulesen und keine Eskalations-
nun die Ergebnisse der Verfahren, die abgeschlossen           gespräche wurden geführt. Zu diesem Schluss kommt
sind, präsentiert. Wir haben Ihnen auch die Ausführun-        auch die KJS und sieht deshalb nicht genügend Grundla-
gen bezüglich der Nichtwiederwahl präsentiert. Da ist         gen für ein Verfahren auf Amtsenthebung von Richter
jetzt das Parlament die eigentliche Wahlbehörde. Das ist      Schnyder. Dennoch kommen sie aus für uns unerklärli-
die richtige Behörde, um jetzt darüber zu befinden. Die       chen Gründen zu dem Antrag auf Nichtwiederwahl.
Wahlbehörde ist das Parlament. Und ich bitte das Parla-       Nun, folgendes ist für uns als Sachverhalt klar: Das
ment, diese Verantwortung dann wahrzunehmen. Ich              zugrunde liegende Ereignis, nennen wir es laienhaft die
danke Ihnen bestens. Ich komme zu den Anträgen: Wir           Anpassung des Urteils, war nicht korrekt und darf so
beantragen Ihnen, den Jahresbericht vom Kantonsge-            nicht sein. Auch das hat die KJS festgestellt und entspre-
richt, vom Verwaltungsgericht, der Aufsichtskommissi-         chend eine nach unserer Auffassung korrekte Weisung
on über die Rechtsanwälte und der Notariatskommission         erlassen. Mit Schrecken mussten wir dann in unseren
zu genehmigen.                                                Gesprächen zur Kenntnis nehmen, dass es mindestens
                                                              einen Kantonsrichter gibt, welcher zwar sagt, wir setzen
Standespräsident Della Vedova: Besten Dank für diese          die Weisung um, sehen aber keinen Fehler und sehen die
Ausführungen. Weitere Mitglieder der Kommission?              Weisung grundsätzlich als nicht richtig. Ich zitiere: «fin-
Dies scheint nicht der Fall zu sein. Das Wort ist offen für   den es gar eine Frechheit der KJS». Das alleine rechtfer-
die allgemeine Diskussion. Grossrat Koch.                     tigt aber für uns dennoch nicht abschliessend das Verhal-
                                                              ten von Dr. Peter Schnyder vollends, zeigt aber exempla-
Koch: Wir sind nun bei einem Geschäft angekommen,             risch Schwächen des Systems in alle Richtungen auf.
welches die letzten Jahre extrem unspektakulär war, nun       Auch das hat uns heute der KJS-Präsident ausgeführt.
plötzlich sehr spektakulär wurde. In den letzten drei         Das Verhalten der übrigen Mitglieder des Kantonsge-
890                                                                                                        17. Juni 2020

richtes ist ebenfalls für uns nicht haltbar und gipfelte in   heute vor, haben alle wieder antretenden Richterperso-
der unsäglichen Medienkonferenz, welche durch alle            nen zu Anhörungen eingeladen und haben beraten. Und
Richterinnen und Richter inklusive Kantonsgerichtsprä-        wir kommen zusammenfassend zum Schluss, dass uns
sident Brunner wahrgenommen wurde. Verschiedenste             der Gesamtzustand am Gericht schockiert. Unabhängig
Verfahren sind noch hängig. Aber kommen wir zurück.           vom erwähnten Erbfall P.S. kommen wir daher zum
Wir wissen es, wir haben ein Damoklesschwert über uns:        Schluss: Wir werden keine der bisherigen Richterperso-
Die anstehenden Wahlen der Gerichte. Nach unserer             nen wiederwählen. Das Kantonsgericht braucht einen
Ansicht haben wir unterschiedliche Möglichkeiten: Wir         Neuanfang. Und lassen Sie mich kurz ausführen, warum.
wählen alle Richter exklusive Schnyder. Wir wählen alle       Erstens: Wir sind hier nicht das Gericht. Es ist nicht an
Richter inklusive Schnyder. Wir wählen nur einzelne           uns, zu entscheiden und darüber zu urteilen, wer im
Mitglieder wieder oder eben: Wir wählen keinen der            konkreten Erbfall, in dieser Erbsache, Recht hat und wer
bestehenden oder bisherigen Mitglieder mehr. Nun, wir         nicht. Das wird zu Recht das Bundesgericht zu entschei-
sind das Wahlgremium des Gerichtes. Ich glaube, auch          den haben. Aber es wurde gesagt, wir sind die Wahlbe-
das muss zuhanden der Richterinnen und Richter noch-          hörde. Und als Wahlbehörde können wir nur zur Kennt-
mal klar dokumentiert werden: Wir dürfen die Richterin-       nis nehmen, dass wir mit einem Zustand am Kantonsge-
nen und Richter wählen und wir müssen jetzt auch in den       richt konfrontiert sind, der vom Kollektiv der dort rich-
kommenden Monaten diese Verantwortung dann über-              tenden Magistratspersonen zu verantworten ist. Wir sind
nehmen. Wir können uns schlussendlich kein wirklich           konfrontiert mit einem Gericht, das interne Konflikte
abschliessendes Bild bauen. Wer ist denn nun wirklich         schwelen und schwelen liess, bis sie explodierten. Mit
gut, wer ist böse, wer hat welche Rolle gespielt? Und wir     Magistratspersonen, die in Streitigkeiten unter Bürgerin-
mussten auch feststellen, dass sich dieses Bild im zeitli-    nen und Bürgern entscheiden sollen, aber offenbar selbst
chen Ablauf wahrscheinlich verschiebt und immer wie-          den Eindruck erwecken, nicht in der Lage zu sein, inter-
der mal ein anderer den einen oder anderen Hut aufhatte.      ne Streitigkeiten auf ordentlichen Wegen zu schlichten.
Alle, alle Richterinnen und Richter, haben sich im Ver-       Wir sind mit Magistratspersonen konfrontiert, die gegen-
lauf des gesamten Ablaufs nicht korrekt und insbesonde-       seitig schwere Vorwürfe in den Raum stellen, Verfahren
re nicht so verhalten, wie wir, aber auch die Bevölke-        gegeneinander in die Wege leiten und zum schärfsten
rung, es von Richterinnen und Richter unseres höchsten        aller Disziplinarmittel gegen einen Richterkollegen
Gerichtes erwarten dürften.                                   gegriffen haben. Wir haben eine Aufsichtskommission,
Aus diesen Gründen kommen wir zu folgenden Schlüs-            die sich veranlasst sah, im Rahmen ihrer Untersuchun-
sen: Für uns sind sämtliche Mitglieder des Kantonsge-         gen Verweise und Weisungen auszusprechen. Ich gehe
richtes nicht mehr wählbar und die Wahlen sind zu ver-        nicht mehr im Detail darauf ein. Wir haben sie gehört.
schieben. Die Teilrevision des sich in Vernehmlassung         Und eine richterliche Immunität aufzuheben und so
befindlichen Gerichtsorganisationsgesetzes, welches die       weiter. Und wenn sich dann zu guter Letzt, und vielleicht
Zuwahl von ausserordentlichen Richterinnen und Rich-          als Höhepunkt, vor einer Woche das Gesamtgericht im
tern ermöglicht, ist nach der ordentlichen Vernehmlas-        Beisein des Gerichtspräsidenten noch in einer öffentli-
sungsfrist direkt in der Oktobersession zu behandeln und      chen Medienkonferenz von der Aufhebung der Immuni-
so zu ergänzen, dass wir die Möglichkeit für Teilzeitpen-     tät des Gerichtspräsidenten durch die zuständige Kom-
sen schaffen. Drittens: Die Totalrevision des Gerichtsor-     mission überrascht zeigt, dann wurde der Ernst der Lage
ganisationsgesetzes ist aufgrund der gewonnenen Er-           schlicht und einfach bis heute noch nicht erkannt. Es
kenntnisse umgehend an die Hand zu nehmen und inner-          muss jetzt doch wieder Vertrauen aufgebaut werden in
halb der nächsten 24 Monate abzuschliessen und umzu-          diese Institution. Und Vertrauen bauen wir doch auf,
setzen. Mit diesen Massnahmen ist aus unserer Sicht ein       indem wir aufklären, indem wir zur Aufklärung beitra-
Funktionieren des Kantonsgerichtes sichergestellt. Und        gen, indem wir aufarbeiten, indem wir dann aus dieser
die dringend notwendige Revision, welche sich hier nun        Aufarbeitung die nötigen Schlüsse und Konsequenzen
wirklich abzeichnet, kann und muss an die Hand ge-            ziehen. Und Vertrauen und Glaubwürdigkeit in dieser
nommen werden und es kann wieder längerfristig Ruhe           heiklen Phase würde, wie ich das auch bereits öffentlich
einkehren. Wir sind der Meinung «Lieber ein Ende mit          sagte, sicherlich auch ein Rücktritt des Gerichtspräsiden-
Schrecken als ein Schrecken ohne Ende». Wir dürfen            ten schaffen, der stattdessen ebenfalls mit Mitteln wie
hier nicht mehr den politischen Kompromiss suchen und         einem Ausstandsgesuch die Aufarbeitung behindert.
müssen jetzt unsere Verantwortung übernehmen.                 Ich komme darum zum Schluss: Die zuständige Auf-
                                                              sichtskommission hat ihre Arbeit getan und sie fand in
Wilhelm: Die personelle Situation, wie sie von den Mit-       verschiedene Richtungen fehlerhaftes, zweifelhaftes
gliedern der KJS geschildert wurde, wie wir sie in den        Verhalten oder zumindest gravierende Anhaltspunkte
Dokumenten lesen konnten, auch in den Medien lesen            dafür. Nun wird sie aus allen Richtungen, Schnyder,
konnten, hat die SP-Fraktion ebenfalls tief besorgt. Die      Brunner, Gesamtgericht, kritisiert. So falsch kann sie
Glaubwürdigkeit einer der wichtigsten Institutionen in        ihre Arbeit also nicht getan haben, denn: Wem eine
unserem Kanton, des Kantonsgerichts, hat arg Schaden          Botschaft nicht gefällt, schiesst in der Regel auf die
genommen. Und das schadet dem Vertrauen in unseren            Botschafterin. Das ist hier die KJS und das ist nur ein
Rechtsstaat und es schadet auch dem Ansehen der Bünd-         weiteres Indiz dafür, dass mit den jetzt beteiligten Perso-
ner Institutionen. Die SP-Fraktion hat sich darum eben-       nen keine glaubwürdige Lösung möglich ist. Wir sind
falls intensiv, kritisch mit der Situation befasst. Wir       darum überzeugt, dass das Kantonsgericht den Neuan-
haben zusätzliche Dokumente verlangt, sie liegen Ihnen        fang braucht und nur so das Vertrauen in diese wichtige
17. Juni 2020                                                                                                       891

Institution wiederhergestellt werden kann. Wir als SP,       ich den Engadiner Dichter und ehemaligen Grossrat
als SP-Fraktion, wollen zu diesem Neuanfang unseren          Rauch zitieren, was er zum Grossen Rat meinte: «Die
Beitrag leisten, und wir rufen Sie dazu auf, das auch zu     Juristen, all die Braven, stützen sich auf Paragrafen, wir
tun. Was heisst das konkret? Wir werden keine der bis-       simplen Deputads vom Land, wir stützen uns auf den
herigen Richterpersonen wiederwählen. Weil wir An-           Verstand.» Ich kann Ihnen sagen, in Anbetracht der fast
spruch auf einen Sitz haben, was wir heute nicht inneha-     täglich neuerscheinenden Dokumente ist eine abschlies-
ben, werden wir im Falle eines Neuanfangs eine An-           sende Meinungsbildung zum heutigen Tage sicher un-
waltsperson mit fachlicher und persönlicher Eignung          möglich. Deshalb werde ich auch nicht weitere und
portieren. Und wir fordern die anderen Parteien, Fraktio-    vertiefte Argumentationen machen. Ich möchte weder
nen mit Sitzanspruch auf, den Neuanfang zu unterstützen      die Arbeit der Kommission noch die der Gerichte beur-
und ebenfalls neue Kandidaturen aufstellen. Andernfalls      teilen, denn ich würde mich wahrscheinlich auch in all
werden auch wir keine Kandidatur portieren. Uns ist          diesen Widersprüchen verheddern. Ich kann nur sagen,
bewusst, dass ein solcher Neuanfang Zeit braucht, dass       dass für mich im jetzigen Zeitpunkt nur Herr Richter
er Koordination braucht unter den Parteien, unter den        Nydegger wählbar wäre. Meine Aussagen sind nicht mit
Fraktionen. Es ist nicht der einfachste Weg, es ist nicht    der Partei abgesprochen, sondern sind meine ganz per-
der Weg des geringsten Widerstandes. Aber es ist, und        sönlichen Empfindungen, die, wie man gehört hat, von
das wurde richtig gesagt, es ist der einzig gangbare Weg,    ganz vielen hier querbeet über die Partei geteilt wird. Ich
damit wir in den kommenden Jahren ein funktionieren-         weiss nicht, ob ich einen Antrag auf Nichtwiederwahl
des Gericht haben, in das auch wieder Vertrauen aufge-       der Richter Schnyder, Michael Dürst, Pedrotti und Huber
baut werden kann. Und daher rufen auch wir, unabge-          stellen müsste, oder überhaupt stellen dürfte. Aber ich
sprochen übrigens, die PK dazu auf, am Freitag eine          kann einfach hier die Aussagen von meinen Vorrednern
Verschiebung der Wahl ins Kantonsgericht vorzusehen          unterstützen. Deshalb bitte ich die Parteien, zusätzliche
und die Koordination der Wahlen an die Hand zu neh-          Kandidaten für die Richterwahlen vom August zu prä-
men.                                                         sentieren, damit wir wirklich eine Wahl haben und uns
                                                             tatsächlich entscheiden können, was für Richter wir in
Alig: Die Bevölkerung kann diese traurige Aktualität im      unserem Kanton wollen. Im Moment erscheint es mir,
höchsten Bündner Gericht schlicht nicht nachvollziehen,      wie wenn der einzige, der für Recht und Ordnung sorgen
schlicht nicht verstehen, und dazu gehöre übrigens auch      wollte, nicht mehr wählbar sein sollte. Meine Damen
ich. Im Moment knurrt mir die Magengegend gewaltig.          und Herren, es ist unsere Pflicht, Richter zu wählen, die
Haben Sie jedoch keine Angst, liebe Kolleginnen, liebe       für Recht sorgen und selber in dieser Hinsicht eine reine
Kollegen, ich werde mich zum jetzigen Zeitpunkt noch         Weste haben.
nicht übergeben. Da alles, aber wirklich alles, momentan
undurchsichtiger nicht sein könnte, mehr Fragen offen        Michael (Donat): Ich erlaube mir, zur aufsichtsrechtli-
als beantwortet sind, wird mein Votum zum jetzigen           chen Untersuchung und zur Empfehlung auf Nicht-
Zeitpunkt sehr, sehr kurz sein. Hohe Regierung, ge-          Wiederwahl zu sprechen. Dabei gebe ich mir die grösste
schätzte Mitglieder der Justizkommission, ich habe           Mühe, sachlich zu bleiben. Die BDP hat immer kommu-
folgende Forderungen an euch: Sorgen Sie bitte dafür,        niziert: «Wir haben kein Problem Peter Schnyder, wir
dass wir respektive dass dieses Parlament in der August-     haben ein Problem Kantonsgericht.» Der Aktenberg, der
session genügend Kandidatinnen und Kandidaten für            uns nun vorliegt, bestätigt diese Haltung. Wir haben
eine echte Richterwahl zur Auswahl stehen. Eine Wahl,        versucht, eine Auslegeordnung zu erstellen. In dieser
eine echte Wahl mit entsprechender Auswahl, die diesen       Auslegeordnung kommen fünf Problemfelder vor: Na-
Namen auch verdient. Zudem unterstütze ich selbstver-        mentlich sind dies das Kantonsgericht mit seinen Rich-
ständlich die aktuellen Anträge der Justizkommission.        tern und Aktuaren, der Kantonsgerichtspräsident, Richter
                                                             Schnyder, die Erbteilungsklage S und die KJS. Ich ver-
Müller (Susch): Der Herr Standespräsident hat ausge-         suche nun, unsere Erkenntnisse darzulegen, und am
führt, dass die Wahlen erst im August stattfinden und in     Schluss ziehen wir Bilanz.
diesem Sinne nicht wirklich schon heute das Thema sein       Beginnen wir mit der KJS: Die KJS ist das Aufsichts-
sollten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin schon       gremium der Gerichte und hat heute, aber auch bereits in
seit über 20 Jahren in der Politik tätig. Und ich habe       der Vergangenheit bestimmt keine leichte Aufgabe. Die
mich, das kann ich Ihnen versichern, noch nie, aber noch     Gegenwart zeigt, dass eine Einflussnahme in ihrem
nie so ohnmächtig gefühlt wie in den letzten Wochen. Im      Tätigkeitsbereich aufgrund des unkooperativen und nicht
Wissen, dass der Grosse Rat für die Gerichte verantwort-     mehr zeitgemässen Verhaltens des Gegenübers sehr
lich ist. Das heisst, dass auch ich dafür verantwortlich     erschwert ist. Gerade deshalb erwarten wir von der zu-
bin für das, was hier im Kanton für Richter über uns         ständigen Kommission aber, dass die Funktion der Auf-
richten. Und nun komme ich zum Punkt: Wenn wir uns           sicht trotz Gegenwind konsequent verfolgt wird. So, wie
erst im August mit der Wahl der Richter beschäftigen,        es mit dem Untersuchungsauftrag an die Professoren
haben wir eben keine Wahl mehr, wie es schon gesagt          Stadler/Uhlmann betreffend Tendenzen und Verfahrens-
wurde. Denn spätestens im zweiten Wahlgang sind die          dauer geschehen ist. Mit einer früheren Problemerken-
jetzigen Richter je nachdem alle wiedergewählt. Ich will     nung und dem dazugehörenden Handeln hätte diese
und ich kann nicht beurteilen, was juristisch richtig oder   Untersuchung aber gar nicht stattfinden müssen. Die
falsch ist, deshalb beziehe ich mich nur auf meine Wahr-     zweite laufende Untersuchung, die aufsichtsrechtliche
nehmung als Bürger dieses Kantons. Und hier möchte           Untersuchung gegen Richter Schnyder, wurde durch die
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