Mittwoch, 17. Juni Vormittag - Kanton Graubünden
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17. Juni 2020 883 Mittwoch, 17. Juni Vormittag Vorsitz: Standespräsident Alessandro Della Vedova Protokollführer: Gian-Reto Meier-Gort Präsenz: anwesend 119 Mitglieder entschuldigt: Tanner Sitzungsbeginn: 8.15 Uhr Standespräsident Della Vedova: Buongiorno a tutti. Bondolfi; Kommissionspräsident: Gestützt auf Art. 27 Spero che abbiate avuto una serata riposata e piacevole der Geschäftsordnung des Grossen Rates erstattet die ieri. In questa occassione, saluto in modo particolare Kommission für Justiz und Sicherheit dem Grossen Rat anche chi ci segue da casa in livestream. Wir starten mit jährlich einen Bericht über ihre Tätigkeit und stellt ent- den Geschäftsberichten. Wir behandeln zuerst die Be- sprechende Anträge. Der Jahresbericht der KJS richte des Kantonsgerichts, des Verwaltungsgerichts, der 2019/2020 liegt schriftlich vor und ich darf Ihnen diesen Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte und der nun präsentieren. Im Berichtsjahr trat die Kommission Notariatskommission. An dieser Stelle heisse ich auch für Justiz zu 14 Sitzungen zusammen. Der Kommissi- heute Morgen die Vertreter der jeweiligen Gerichte, onsausschuss tagte fünfmal. Hinzu kamen vom 27. Feb- Präsident Urs Meisser für das Verwaltungsgericht und ruar 2020 bis zum 12. März 2020 sieben Ausschusssit- Vizepräsidentin Ursula Michael Dürst für das Kantons- zungen mit Anhörungen von zwölf Auskunftspersonen. gericht, willkommen. Für spezifische Fragen stehen sie Am 2. Juni 2020 führte die Kommission eine Medien- zur Verfügung. Bevor wir loslegen, habe ich noch eine konferenz durch. In der Justizkommission sind alle Frak- Information: Im Jahresbericht der KJS werden die lau- tionen des Grossen Rates proportional vertreten. Der fenden Verfahren das Kantonsgericht betreffend ange- Grundsatz der Gewaltenteilung setzt der parlamentari- sprochen. Ich bitte Sie, Ihre Fragen und Anliegen hier zu schen Aufsicht über die Justiz enge Grenzen. Die Auf- stellen beziehungsweise zu deponieren. Es ist nicht vor- sicht über die Gerichte bezieht sich einzig auf die Ge- gesehen, dass zu einem späteren Zeitpunkt, also beim schäftsführung und die Justizverwaltung beziehungswei- Traktandum betreffend Kantonsrichter Schnyder, die se die administrative Tätigkeit und nicht auf Fragen der Diskussion nochmals eröffnet wird, da dieses Trak- Rechtsprechung. Der Grosse Rat ist für die Anordnung tandum mittlerweile hinfällig geworden ist, wie auf Seite von Disziplinarmassnahmen zuständig, mit welchen 5 des KJS-Berichts zu entnehmen ist. Dazu gilt es auch Richterinnen und Richter des Kantons- und Verwal- zu sagen, dass die Wahlen der Gerichte in der August- tungsgerichts zeitweilig im Amt eingestellt oder ihres session vorgesehen sind, also nicht heute. Und dass das Amtes enthoben werden. Für den Erlass weiterer Diszip- Parlament im Sinne der Gewaltentrennung heute seine linarmassnahmen ist gemäss Art. 69 des Gerichtsorgani- Funktion einzig und allein als Aufsichtsbehörde ausübt. sationsgesetzes die Kommission für Justiz zuständig. Ich bitte Sie, diese Tatsache in Ihren Voten zu berück- Die KJS ist nun seit mehreren Monaten mit diversen sichtigen. Besten Dank. Ich gebe dem Kommissionsprä- aufsichtsrechtlichen Verfahren beschäftigt, welche die sidenten Grossrat Bondolfi das Wort. angespannte personelle Situation am Kantonsgericht betreffen. Darunter fallen ein Antrag auf Amtsenthebung gegen Kantonsrichter Dr. Peter Schnyder, den das Kan- tonsgericht aber zwischenzeitlich zurückgezogen hat, Geschäftsberichte sowie ein von der KJS selbst eingeleitetes Disziplinar- verfahren gegen Kantonsgerichtspräsident Dr. Norbert Brunner. Ich werde im Verlaufe dieser Präsentation auf diese Verfahren sowie auf die Wahlempfehlung der KJS Kantons- und Verwaltungsgericht sowie Aufsichts- zuhanden des Grossen Rates eingehen. Ebenso hatte die kommission über die Rechtsanwälte und Notariats- KJS drei Anträge der Bündner Staatsanwaltschaft betref- kommission fend Aufhebung der Immunität von Dr. Norbert Brunner und Aktuar Linard Guetg zu behandeln. Dieses Thema Antrag KJS, Kantons- und Verwaltungsgericht wird von Grossratskollege Casty beleuchtet. Zudem hat Genehmigung der Jahresberichte 2019 des Kantons- und die KJS einen Fachbericht zu den langen Verfahrensdau- Verwaltungsgerichts, der Aufsichtskommission über die ern und zum Pendenzenberg am Kantonsgericht bei Rechtsanwälte sowie der Notariatskommission. externen Experten in Auftrag gegeben. Darüber werden Sie von Grossrätin Müller informiert. Schliesslich wird
884 17. Juni 2020 der KJS-Vizepräsident Grossrat Schutz über die noch lichen Mehraufwand, klar ersichtlich an den Pendenzen, offenen Fragen orientieren. Die genaue Ausgangslage die seit dem Einführungsjahr 2011 stetig steigen. Zudem mit der Chronologie der Ereignisse wird Ihnen nun im wurde die zusätzliche sechste Richterstelle im Jahr 2007 Detail Grossratskollege Salis erläutern. eher zu spät bewilligt, um der Last der neuen Prozess- ordnung entgegenzuwirken. Auch krankheits- und un- Salis: Unabhängig von den Vorfällen des vergangenen fallbedingte Ausfälle innerhalb des Gremiums haben die Jahres am Kantonsgericht hat die KJS sich mit der Frage Situation nicht begünstigt. Als weitere Ursache identifi- der langen Verfahrensdauern und den zunehmenden zieren die Verfasser die allgemeine Zunahme der einge- Pendenzen am Kantonsgericht befasst. Sie konnten in gangenen Fälle in den letzten Jahren. Dies eine nicht der bisherigen medialen Berichterstattung zu diesen kontrollierbare Variable. Eine wichtige Erkenntnis ist, Umständen bereits lesen. Nun äussern wir uns detailliert insbesondere für uns als Kommission, dass das Kantons- dazu: Der Anspruch auf eine richterliche Beurteilung gericht nicht unterdotiert ist. Im interkantonalen Ver- innert angemessener Frist ist eine allgemeine Verfah- gleich hat eine Richterperson pro Jahr in Graubünden rensgarantie der Bundesverfassung und daher ein zentra- weniger Fälle zu bearbeiten als in anderen Kantonen. ler Bestandteil des funktionierenden Rechtstaates. Das Das Aktuariat hingegen ist vergleichsweise unterbesetzt. Bundesgericht äusserte sich mehrmals zum Beschleuni- Auf eine Richterperson fallen 1,16 Aktuarinnen. In Zü- gungsverbot und setzte wiederholt Schranken bei über- rich sind es pro Richter 2,26 Aktuare. Zwei weitere mässig langen Verfahrensdauern. Es ist der Kommission Ursachen werden in den teilweise zu langen Urteilen für Justiz und Sicherheit daher besonders wichtig, die gesehen und in der nicht optimalen Zusammenarbeit Umstände genau zu analysieren und griffige Massnah- zwischen Gericht und Aktuariat. men einzuleiten. Im Geschäftsbericht 2018, welchen die Die KJS dankt den Verfassern für die wertvolle Untersu- KJS gemäss ihren aufsichtsrechtlichen Aufgaben ab- chung und befürwortet die vorgeschlagenen Massnah- nimmt, konnte ein erneuter Anstieg der pendenten Fälle men vollumfänglich: Das schnellstmögliche Zurückkeh- festgestellt werden. Im Anschluss an die jährliche Ab- ren zur Vollbesetzung des Gerichts, die Schaffung der nahme der Geschäftsberichte der oberen kantonalen Möglichkeiten von Ad-hoc-Richterstellen, die Schaffung Gerichte veranlasste unsere Kommission eine Untersu- von zusätzlichen Aktuariatsstellen, die Herabsetzung des chung zur Aufklärung der Ursachen für die lange Ver- Detaillierungsrates bei der Urteilsausarbeitung und die fahrensdauer und die zunehmenden Pendenzen. Ihnen Verbesserung der Führungs- und Teambildungsmass- vorliegend sollte nun der Untersuchungsbericht betref- nahmen mit Einbezug des Aktuariats. Die KJS wird sich fend Pendenz- und Verfahrensdauern sein, erstellt von aufgrund der Erkenntnisse für entsprechende Massnah- Professor Dr. Beat Stalder und Professor Dr. Felix Uhl- men einsetzen und die notwendigen politischen Ent- mann. Insbesondere dient der Bericht der Erörterung der scheide forcieren. Ich übergebe jetzt das Wort meiner Fragen, welcher Natur die Ursache der Pendenzenlast Kollegin Julia Müller. sind und welche Massnahmen geeignet wären, die Um- stände zu entschärfen. Zum vorliegenden Bericht konnte Müller (Felsberg): Ich danke Herrn Salis. Er hat meinen das Kantonsgericht Stellung nehmen und die Erkenntnis- Teil bereits übernommen. Und ich gebe daher direkt se waren auch Teil des jährlichen Austausches zwischen weiter an Grossrat Casty. der KJS und dem Kantonsgericht. Nun einige Ausführungen zum Bericht: Im interkantona- Casty: Gerne übernehme ich da ausserplanmässig das len Vergleich hat das Kantonsgericht Graubünden an der Wort. Ich habe die Aufgabe, mich zum Zusammenhang Bevölkerungszahl gemessen nicht eine unterdurch- mit dem Ermächtigungsverfahren gegen Kantonsrichter schnittliche Fallerledigung. Bemerkenswert ist jedoch Norbert Brunner und Aktuar Linard Guetg zu äussern. die Sockelpendenz, die im interkantonalen Vergleich Die Richter und die Aktuare am kantonalen Gericht sehr hoch ist. Zur Verdeutlichung des Problems: In geniessen Immunität. Diesen Schutz hat man eingeführt, Graubünden liegt die Sockelpendenz bei 69 Prozent, im damit sie nicht willkürlichen Strafanzeigen, bedingt Kanton Bern sind es 25 Prozent. Sprich weniger als die durch ihre Tätigkeit, ausgesetzt sind. So gesehen trägt Hälfte im Vergleich zum Bündner Kantonsgericht. Die die Immunität zur Sicherstellung einer funktionierenden Sockelpendenz beschreibt das Verhältnis der Anzahl Justiz bei. Kommt es trotzdem zu einer Strafanzeige erledigter Fälle zu den pendenten Fällen. Bildlich darge- gegen einen Mandatsträger, kann die Kommission für stellt ist es ein Berg von Fällen, den das Gericht vor sich Justiz und Sicherheit auf Antrag der Staatsanwaltschaft herschiebt. Ebenfalls klar ersichtlich ist, dass die Verfah- dessen Immunität aufheben beziehungsweise die Er- rensdauer im kantonalen Vergleich deutlich länger ist bei mächtigung erteilen, eine Strafuntersuchung einzuleiten. uns. Beispielsweise liegt der Anteil der Fälle mit einer Es müssen aber namhafte Anhaltspunkte vorliegen, die Verfahrensdauer von über 12 Monaten in Graubünden auf ein strafbares Verhalten hinweisen. Gleichzeitig bei 15 Prozent, im Kanton Bern bei 9 Prozent und im muss sie auch klären, ob ein öffentliches Interesse an Kanton Zürich bei 4 Prozent. Zu den Ursachen äussern einer Strafverfolgung schwerer wiegt als das Interesse sich die Berichtschreibenden mit Bezug auf Zahlenmate- einer reibungslos funktionierenden Justiz. rial und Aussagen der Betroffenen am Gericht selbst. Die Am 4. Oktober 2019 wurde eine Strafanzeige gegen Professoren kommen zum Schluss, dass es einen deutli- Kantonsrichter Dr. Norbert Brunner und den Aktuar chen Zusammenhang gibt zwischen den bereits erwähn- Linard Guetg durch Kantonsrichter Dr. Peter Schnyder ten Lasten und der Einführung der eidgenössischen eingereicht. Er wirft ihnen Urkundenfälschung im Amt Prozessordnung. Die Umstellung führte zu einem erheb- vor. Die Staatsanwaltschaft hat deshalb die KJS gebeten,
17. Juni 2020 885 über die Ermächtigung gegen Dr. Brunner und gegen werden. Ein öffentliches Interesse an einer Strafverfol- Aktuar Guetg zu entscheiden. Mit Schreiben vom gung ist daher weniger schwer zu gewichten als der 25. November 2019 wurde Dr. Brunner und Aktuar Schutz der Justiz. Und daher wurde beim Aktuar Guetg Guetg Gelegenheit gegeben, sich zur Frage der Erteilung von einer Ermächtigung abgesehen. Das sind meine der Ermächtigung zur Strafverfolgung zu äussern. Im Ausführungen betreffend die Ermächtigungsverfahren. Dezember gleichen Jahres hat sich auch das Kantonsge- Ich möchte jetzt meinem KJS-Kollegen Felix Schutz das richt zu den Anträgen der Ermächtigungen geäussert und Wort übergeben für weitere Ausführungen. festgehalten, dass nur der Vorwurf eines Fehlurteiles respektive einer fehlerhaften Vorgehensweise im Raum Schutz: Über das Amtsenthebungsverfahren und die stehe und nicht Straftatbestände, die eine Ermächtigung disziplinarischen Untersuchungen einerseits gegen rechtfertigen würden. Zudem sei das öffentliche Interes- Dr. Schnyder und gegen Dr. Brunner wird Sie ja, wie se an der funktionierenden Justiz höher zu gewichten als bereits unser Präsident Ilario Bondolfi bei der Einleitung das öffentliche Interesse an einer Strafverfolgung. gesagt hat, wird er Sie im Nachgang meiner Ausführun- Ich komme jetzt zur Ermächtigung gegen Kantonsrichter gen orientieren. Im Zusammenhang mit diesen Untersu- Brunner. Am 23. Januar 2020 erfolgte die Stellungnahme chungen im Zusammenhang mit dem Ermächtigungsver- von Dr. Brunner. Darin hält er fest, dass sein Verhalten fahren sind bei der KJS weitere Fragen aufgetaucht. in keiner Weise als strafwürdig zu beurteilen und dass Insbesondere stellte sich die Frage, ob sich weitere Rich- von einer Ermächtigung gegen ihn abzusehen sei. Im terinnen oder Richter durch ihr Verhalten einer diszipli- Februar gleichen Jahres reichte auch Patrick Schmid, narischen Untersuchung zu stellen haben. Vorweg möch- eine der Parteien im ursprünglichen Erbteilungsfall, eine te ich nochmals kurz erwähnen, dass die Kommission für Strafanzeige gegen Dr. Brunner betreffend Urkundenfäl- Justiz und Sicherheit einzig die Geschäftsführung und schung im Amt und Urkundenfälschung ein. Die Staats- die Justizverwaltung überprüfen kann. Die Rechtspre- anwaltschaft hat dabei festgestellt, dass sich die Sach- chung ist ausschliesslich den Gerichten vorenthalten. verhalte im Wesentlichen mit dem Sachverhalt der Straf- Beim Revisionsentscheid vom 29. Mai 2019 in der anzeige von Dr. Schnyder decke. Die KJS hat in der Erbsache P.S., welche durch die erste Zivilkammer des Folge untersucht, ob namhafte Anhaltspunkte vorliegen, Kantonsgerichts gefällt wurde, nahmen folgende Richter die auf ein strafbares Verhalten, insbesondere auf den teil: Als Vorsitzender Gerichtspräsident Brunner, die Verdacht der Urkundenfälschung im Amt, hinweisen. Es beisitzenden Richter Frau Michael Dürst und Herr Ped- wurden dazu zwischen Ende Februar 2020 und Mitte rotti. Als Aktuar waltete Aktuar Guetg. Entsprechend März 2020 umfangreiche Anhörungen von Mitgliedern stellte sich die Frage, ob die Verantwortlichkeit von des Kantonsgerichts und des Aktuariats durchgeführt. Ursula Michael Dürst und/oder Davide Pedrotti derart Aufgrund dieser Befragungen ist die KJS zum Schluss angesprochen ist, dass ihnen gegenüber auch ein diszip- gekommen, dass ein strafrechtlich relevantes Fehlverhal- linarisches Verfahren einzuleiten wäre. Dies beantragte ten von Dr. Brunner im Sinne einer Urkundenfälschung jedenfalls Kantonsrichter Schnyder. Ebenso ist nach im Amt nicht ausgeschlossen werden kann. Darüber Ansicht von Kantonsrichter Schnyder die Mitwirkung hinaus bestehen nach der Einschätzung der Kommission von Fridolin Hubert beim internen Ausstandsverfahren, Anhaltspunkte dafür, dass zumindest Eventualvorsatz wonach nach Schnyder das Prinzip der Parteiöffentlich- und Täuschungsabsichten gegeben sind, wogegen Recht- keit verletzt wurde, zu untersuchen. Nach Kenntnis der fertigungsgründe eher nicht ersichtlich sind. Beim Ab- KJS liegen weder betreffend Frau Michael Dürst noch wägen, ob das öffentliche Interesse einer Strafverfolgung betreffend Herrn Pedrotti Strafanzeigen im Zusammen- oder ob das öffentliche Interesse an einer funktionieren- hang mit dem Revisionsentscheid vom 29. Mai 2019 vor. den Justiz stärker zu gewichten sei, kommt die Kommis- Die Untersuchungsverfahren der KJS gegenüber der sion zum Schluss, dass ersteres der Fall sei. Ein Unter- Tätigkeit von Kantonsrichterin Michael Dürst und Kan- bleiben der Strafverfolgung würde im vorliegenden Fall tonsrichter Pedrotti sind bereits abgeschlossen. Die Kan- das Vertrauen in den Staat und seine höchsten Repräsen- tonsrichterin und der Kantonsrichter erhielten von der tanten mehr erschüttern, als wenn man den Fortgang des KJS mit Datum vom 26.5.2020 die Mitteilung über den Strafverfahrens zulassen würde. Die Ermächtigung wur- Stand der Untersuchung und eine Frist zur Vernehmlas- de daher im April 2020 beschlossen und mitgeteilt. sung innert 20 Tagen. Diese Antworten zu unserer Mit- Zum Verfahren gegen Aktuar Linard Guetg: Die Stel- teilung sind gestern eingetroffen und die KJS wird in den lungnahme vom Aktuar Guetg erfolgte am 30. Januar nächsten Tagen ihre definitiven Entscheide entsprechend 2020. Seiner Meinung nach sei der Tatbestand einer vornehmen. Urkundenfälschung im Amt nicht gegeben, und selbst Im andern Verfahren bezüglich dem Verhalten von Kan- wenn dies nicht ausgeschlossen werden könne, sei das tonsrichter Hubert in Zusammenhang mit dem Entscheid öffentliche Interesse einer funktionierenden Justiz höher über das interne Ausstandsverfahren ist die Untersu- zu gewichten als eine Strafverfolgung, was ja auch die chung ebenfalls abgeschlossen. Dazu ist festzustellen, Meinung des Gesamtgerichtes war. Aufgrund der Anhö- dass der Entscheid vom 18. April 2019 eben bezüglich rungen kommt die Kommission im Fall Guetg zum diesem Ausstandsverfahren beim Bundesgericht anhän- Schluss, dass zwar ein strafrechtlich relevantes Verhalten gig ist. Ein in den Augen der beteiligten Parteien falscher von Aktuar Guetg vorliegen könnte, er als Angestellter Entscheid ist primär über die ordentlichen Rechtsmittel aber weisungsgebunden war und nur das ausgeführt hat, anzufechten. Der KJS ist jedoch keine Richterpflicht von was ihm aufgetragen wurde. So gesehen könnte sein Fridolin Hubert bekannt, die durch das Mitwirken am Handeln auch nur als fahrlässiges Delikt aufgefasst besagten Ausstandsverfahren verletzt hätte werden kön-
886 17. Juni 2020 nen. Ein aufsichtsrechtliches Verfahren gegenüber Kan- tens von Peter Schnyder die kompetenzwidrige Inan- tonsrichter Hubert wurde somit nicht an die Hand ge- spruchnahme der Verfahrensleitung, ein eigenmächtiges nommen. Dies meine ergänzenden Informationen. Zu Handeln entgegen jeglicher Kollegialität unter Bruch des den weiteren Verfahren über die Hauptverfahren betref- Amtsgeheimnisses angedroht. Durch das Fernbleiben an fend Amtsenthebung und aufsichtsrechtliches Verfahren der Urteilsberatung vom 8. Mai 2019 hat Peter Schnyder gegen Dr. Brunner wird Sie unser Präsident Ilario Bon- seine Hauptpflicht, nämlich die Wahrnehmung des Am- dolfi orientieren. Danke. tes des Kantonsrichters, verletzt und gleichzeitig das ordnungsgemäss Funktionieren des Kantonsgerichts Bondolfi; Kommissionspräsident: Besten Dank meinen behindert. Das Unterlassen einer vom Gesetz gebotenen KJS-Kolleginnen und -Kollegen. Bevor wir auf die auf- Amtshandlung könnte als schwere Amtspflichtverlet- sichtsrechtlichen Verfahren zu sprechen kommen, noch zung qualifiziert werden. Könnte. Zugunsten von Herrn eine ergänzende Information: Der Ermächtigungsbe- Schnyder wirkt sich allerdings aus, dass sich die KJS schluss gegen Dr. Brunner ist in der Zwischenzeit unan- zum ersten Mal mit einer Amtspflichtverletzung durch gefochten in Rechtskraft erwachsen. ihn hat befassen müssen. Zudem ist sein Verhalten im Ich komme nun zum Disziplinarverfahren gegen Kan- Zusammenhang mit der Erbsache P.S. zu sehen. Wie die tonsrichter Dr. Peter Schnyder. Ich verweise hier auf den KJS hat feststellen müssen, haben sich an diesem Fall anonymisierten Bericht der KJS, der seit letztem Freitag exemplarisch Schwächen der Justizverwaltung und der online zur Verfügung steht. Dieser Bericht hält in Geschäftsführung des Kantonsgerichts gezeigt. Es ist 70 Seiten mit schon fast pedantischer Akribie alle De- erstellt, dass Kantonsrichter Schnyder eine einmal ge- tails des Verfahrens und der KJS-Tätigkeit fest. Es sei fasste Meinung kaum mehr zur Disposition stellt und im auf diesen Bericht verwiesen. Die KJS hat im Falle des Gegenteil alles unternimmt, um dieser zum Durchbruch Antrags auf Amtsenthebung von Dr. Peter Schnyder zu verhelfen. In diesen Verhaltensweisen von Herrn sämtliche relevanten Akten beigezogen. Neun Personen, Schnyder wären für sich keine Amtspflichtverletzungen die am Gericht tätig sind oder tätig waren, wurden aus- zu sehen. Allerdings hat sich das Beharren auf der eige- führlich befragt, um so einen unmittelbaren Eindruck nen Ansicht auch im Zusammenhang mit seinem Geba- von deren Aussagen und Glaubwürdigkeit und eine ren im Fall P. S. gezeigt. Im Hinblick auf dieses Verhal- direkte Wahrnehmung der Geschehnisse zu gewinnen. ten ist allerdings zu berücksichtigen, dass diese Episode Die Untersuchungen haben bei Dr. Schnyder einen aus- eine ihrer Ursachen in der Praxis der nachträglichen geprägten Individualismus und ein Beharren auf der Anpassung von Dispositiven und Begründungen hat, eigenen Meinung in einer Art und Weise offenbart, die welche in zivilprozessualer Hinsicht erhebliche Zweifel für eine Kollegialbehörde als unverträglich beurteilt nach sich zieht und nicht den Anforderungen der bun- werden müssen. Dieses Verhalten eskalierte dann im desgerichtlichen Rechtsprechung entspricht. Schliesslich Zusammenhang mit der Behandlung eines Revisionsge- kommt hinzu, dass das Kantonsgericht als Institution zur suchs in der Erbsache P.S. Das Kantonsgericht von Eskalation beigetragen hat, indem trotz sich immer wei- Graubünden hat mit Stellungnahme vom 14. Mai 2020 ter verschärfenden Spannungen nicht bereits früher die den Antrag auf Amtsenthebung unter der Bedingung Aufsichtsbehörde eingeschalten worden ist. Das lange zurückgezogen, dass Kantonsrichter Schnyder zur Hinauszögern und die Hoffnung auf eine interne Lösung Nichtwiederwahl empfohlen wird, wie dies die KJS in zeugen von einem Misstrauen gegenüber der demokra- ihrem Berichtsentwurf in Aussicht gestellt hatte. Mit tisch legitimierten Aufsichtsbehörden. Insgesamt ist die Beschluss vom 26. Mai 2020 hat die KJS an dieser Emp- KJS einstimmig zum Schluss gekommen, dass die Vo- fehlung einstimmig festgehalten. Damit ist der Rückzug raussetzungen für die Einleitung eines Amtsenthebungs- definitiv und der Antrag ist gegenstandslos geworden. verfahrens nicht gegeben sind. Also die Voraussetzungen Die Fragen einer allfälligen Amtsenthebung hat aber die für eine Amtsenthebung von Dr. Schnyder sind nach KJS von Amtes wegen zu prüfen. Dies hat sie getan und Auffassung der KJS nicht gegeben. Hingegen wiegt das ist dabei zu folgenden Schlüssen gekommen: Zur sehr Verschulden von Kantonsrichter Schnyder nach Auffas- leichten Amtspflichtverletzung bezüglich der rechtzeiti- sung der KJS zu hoch, um in Anwendung des Opportuni- gen Abgabe der Referate kommt die ernsthafte Verlet- tätsprinzips auf eine Disziplinarmassnahme zu verzich- zung durch das Verhalten von Kantonsrichter Schnyder ten. In Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere im Zusammenhang mit dem Revisionsverfahren P.S. auch der mildernden Gründe, hat die KJS einstimmig hinzu. Das abgeänderte Berufungsurteil ist im August beschlossen, gegen Kantonsrichter Peter Schnyder einen 2018 erlassen worden. Dr. Schnyder hat von dieser Ab- Verweis auszusprechen. Die entsprechende Verfügung änderung erst im Rahmen des Revisionsverfahrens im ist noch nicht rechtskräftig. Januar 2019 Kenntnis erhalten. Sowohl Dr. Schnyder als Ich komme nun zu der Empfehlung auf Nichtwiederwahl auch Dr. Brunner haben gegeneinander Ausstandsanzei- von Dr. Peter Schnyder. Die Wahl der Richterpersonen gen gestellt. Diese sind im Rahmen eines internen Aus- durch den Grossen Rat gehört zum demokratischen standsverfahren behandelt worden, und zwar derart, dass Prinzip, wonach alle staatliche Macht letztlich durch das das Begehren Schnyder abgewiesen wurde. Für den Volk legitimiert werden muss. Richterwahlen sollen 8. Mai 2019 wurde ein Termin zur Beratung des Revisi- sicherstellen, dass nur solche Personen das Richteramt onsbegehrens in der ursprünglichen Zusammensetzung ausüben, die, von ihrem fachlichen und persönlichen mit Brunner als Vorsitzender, Schnyder und ein weiterer Profil her, dazu nach wie vor in der Lage sind. Die Wahl Mitrichter. Am 7. Mai 2020, d. h. ein Tag vor der ord- ist somit ein ordentlicher politischer Vorgang, den die nungsgemäss angesetzten Urteilsberatung, wurden sei- Kantonsverfassung alle vier Jahre vorsieht. Entsprechend
17. Juni 2020 887 ist der Eingriff in die Rechtsstellung der betroffenen Parlament, welche dieser Empfehlung Folge leisten kann Person auch ein anderer als bei einem Disziplinarverfah- oder auch nicht. ren. Zentral für unsere Beurteilung ist folgende Feststel- Und nun einige Ausführungen zum gestrigen E-Mail lung: Auf eine Wahl oder Wiederwahl besteht kein An- vom Rechtsvertreter von Dr. Peter Schnyder. Sie haben spruch, es besteht kein rechtlicher Anspruch auf die alle dieses E-Mail erhalten. Sie wissen, worum es geht. Wiederwahl. Eine Nichtwahl oder Nichtwiederwahl Ich weise darauf hin: Im aufsichtsrechtlichen Verfahren führen auch zu keinem Eingriff in die Rechte der be- wurde Kantonsrichter Schnyder das rechtliche Gehör troffenen Person. Die Wählbarkeitsvoraussetzung nach gewährt. Seine entsprechende Stellungnahme vom Art. 23 Abs. 1 des Gerichtsorganisationsgesetzes sind 15. Mai 2020 hat er mit dem nun an alle Grossrätinnen denn auch weniger streng. Das Gesetz verlangt einzig und Grossräte versandten E-Mail allgemein zugänglich und alleine die persönliche und fachliche Eignung. Wie gemacht. Diese können nun selbst überprüfen, dass die bereits erwähnt ist die KJS im aufsichtsrechtlichen Ver- KJS sich einlässlich mit den vorgebrachten Argumenten fahren zum einstimmigen Schluss gekommen, dass das befasst und diese in ihren Abschlussbericht hat einflies- Verhalten von Dr. Schnyder im Rahmen des Revisions- sen lassen. Zuständig für das aufsichtsrechtliche Verfah- verfahrens P. S. ausreicht, um einen Verweis auszuspre- ren ist der Grosse Rat allerdings nicht. Gegen den ausge- chen. Ebenso einstimmig hat die KJS beschlossen, eine sprochenen Verweis kann, wenn überhaupt, die subsidiä- Empfehlung auf Nichtwiederwahl von Dr. Schnyder re Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht geführt abzugeben. Der Individualismus von Kantonsrichter werden. Ich komme nun zum zweiten Teil des E-Mails Schnyder und das Beharren auf der eigenen Meinung bezüglich der Nichtwiederwahl. Also davon zu unter- haben wiederholt zu Auseinandersetzungen, insbesonde- scheiden, also vom aufsichtsrechtlichen Verfahren zu re mit dem Aktuariat, geführt. Ich verweise hier auch auf unterscheiden, ist das Verfahren betreffend Nichtwie- die einzelnen Aussagen im Bericht. Wie bereits darge- derwahl. Hier wurde Kantonsrichter Schnyder ebenfalls legt, haben diese Charakterzüge Herrn Schnyder dazu zur Wahrung des rechtlichen Gehörs eingeladen, wovon gebracht, gravierende Amtspflichtverletzungen zu bege- er Gebrauch gemacht hat. Wie es das Gesetz vorschreibt, hen. Sein Verhalten im Revisionsverfahren P.S. hat hat die KJS diese Stellungnahme dem Grossen Rat wei- exemplarisch gezeigt, dass der Durchsetzungswille hin- tergeleitet. Das Gesetz verlangt aber nicht, dass sich die sichtlich der eigenen Meinung ihn auch dazu bringt, KJS damit auch inhaltlich auseinandersetzt. Entspre- seine eigentliche Hauptpflicht als Richter hinten anzu- chend war der Beschluss über die Empfehlung auf stellen, die Verfahrensregeln zu ignorieren und die Funk- Nichtwiederwahl tatsächlich auf den 26. Mai 2020 ange- tionsfähigkeit des Gerichts und die Rechtsprechung zu setzt. Als allerdings am 27. Mai 2020 noch eine Stel- gefährden. Anstatt sich der Diskussion im dafür vorge- lungnahme von Herrn Schnyder einging, hat sich die sehenen Gefäss, nämlich der richterlichen Beratung im KJS damit auseinandergesetzt und am 28. Mai 2020 Revisionsverfahren, zu stellen, hat Kantonsrichter nochmals über die Empfehlung beschlossen und diese Schnyder es vorgezogen, das Verfahren eigenmächtig einstimmig bestätigt. Das entsprechende Protokoll der und ohne Vorwarnung zu behindern. Die Unfähigkeit, KJS liegt vor. Zudem trägt der Beschluss über die sich auf eine offene Diskussion in einem Gremium ein- Nichtwiederwahl auch das Datum das 29. Mai 2020. zulassen und die eigene Meinung kritisch zu hinterfra- Kurz zusammengefasst sind zwei Elemente bei dieser gen, zeigt sich vor allem an diesem gravierenden Vorfall. Thematik von Relevanz: Von Bedeutung ist Abs. 2 von Diese Unfähigkeit stellt nach Auffassung der KJS ein Art. 27 GOG, der besagt «die Kommission übermittelt grosses persönliches Manko von Dr. Peter Schnyder dar, die Stellungnahmen dem Grossen Rat zur Kenntnisnah- so dass die Wählbarkeitsvoraussetzung der persönlichen me». Wir haben die Stellungnahmen des Gerichts und Eignung nicht erfüllt ist. Die Entscheidungen im Gremi- der betroffenen Richterpersonen entgegenzunehmen und um machen die grosse Mehrheit der Fälle an einem diese telquel dem Grossen Rat weiterzuleiten. Das recht- zweitinstanzlichen Gericht aus. Es handelt sich um eine liche Gehör ist gegenüber dem Grossen Rat und nicht Kollegialbehörde, in welcher eben gerade nicht die eige- gegenüber der KJS zu gewährleisten. Das ist erfolgt. ne Meinung durchgesetzt werden soll. Schwerwiegend Noch kurz zur Chronologie. Am 26. Mai 2020 hat die erscheint der KJS überdies der Umstand, dass von den KJS getagt und hat die Nichtwiederwahl beschlossen. von ihr befragten Personen, welche heute noch am Kan- Am 27., einen Tag später, ist die Stellungnahme Schny- tonsgericht tätig sind, alle, und ich betone, alle eine der eingegangen. Wir haben uns am 28. Mai 2020 mit weitere Zusammenarbeit mit Peter Schnyder für unzu- dieser Stellungnahme im Detail auseinandergesetzt und mutbar und ausgeschlossen ansehen. Insgesamt fügen einstimmig beschlossen, dass wir an dieser Nichtwie- sich die erstellten Vorfälle und Eigenschaften zu einem derwahl festhalten. Und am 29. Mai 2020 ist dann auch Bild der Person von Peter Schnyder zusammen, das ihn der Beschluss bezüglich der Nichtwiederwahl verschickt nicht für die Wiederwahl eines der beiden höchsten worden. Verfahrensfehler der KJS liegen demnach keine Gerichte des Kantons Graubünden qualifiziert. Im Feh- vor und die geäusserte Kritik erweist sich als völlig len der persönlichen und in der Folge fachlichen Eig- haltlos. Die Chronologie zeigt vielmehr, dass die KJS nung ist ein sachlicher Grund für die Nichtwiederwahl sich in dem fraglichen Verfahren tatsächlich nochmals zu erblicken, der mit der richterlichen Unabhängigkeit Zeit genommen hat, um zu beraten und neu zu beschlies- vereinbar ist. Aus all diesen Gründen hat die KJS ent- sen, obwohl dies das Gesetz gar nicht verlangt hätte. Aus schieden, dem Grossen Rat eine Nichtwiederwahlemp- diesen Vorgängen wird im Gegenteil das Bemühen der fehlung abzugeben. Wahlbehörde ist und bleibt aber das KJS sichtbar, ein in jeder Hinsicht korrektes und faires Verhalten zu führen. Wenn Herr Schnyder die KJS direkt
888 17. Juni 2020 mit diesem Vorhalten konfrontiert hätte, hätte die Sach- nach Fertigstellung durch die Aktuarin oder den Aktuar lage schnell und einfach geklärt werden können. Er hat datiert und unterzeichnet. Letzte Weisung: Probleme, es aber vorgezogen, dies in der Öffentlichkeit zu tun. Ob welche derart schwerwiegend sind, dass die Abläufe am sich dies für einen Kantonsrichter, der sich wieder zur Kantonsgericht und die Erledigung von Fällen verlang- Wahl stellt, geziemt, das überlasse ich Ihnen. samt oder erheblich erschwert werden, sind bei deren Ich komme nun zum Disziplinarverfahren gegen Kan- Auftreten unverzüglich der Kommission zu melden. Eine tonsgerichtspräsident Dr. Norbert Brunner. In seiner der Haupterkenntnisse aus dem Bericht Stalder/Uhlmann Stellungnahme im Rahmen des Amtsenthebungsantrags ist, das ist vorhin gesagt worden, dass die Sockelpendenz des Kantonsgerichts hat Dr. Schnyder darauf hingewie- nur mit Ad-hoc-Richterstellen zu bewältigen ist. Wozu sen, dass Kantonsgerichtspräsident Brunner im Zusam- aber eine Anpassung der gesetzlichen Grundlage erfor- menhang mit dem Erbrechtsfall selbst eine schwere derlich ist. Wir haben unmittelbar nach Vorliegen des Amtspflichtverletzung begangen habe. Damit liege bei Berichtes dieses Anliegen beim Justizdepartement depo- diesem ein Amtsenthebungsgrund vor. Dieser Anzeige niert, welches es auch unverzüglich umgesetzt hat. Das ist die KJS nachgegangen und nach weiteren rechtlichen Vernehmlassungsverfahren für die Gesetzesrevision ist Abklärungen hat sie am 2. Dezember 2019 Dr. Brunner bereits gestartet worden und wir gehen davon aus, dass mitgeteilt, dass sie aufgrund der vorliegenden Akten und die neuen Richterstellen bereits im Laufe des ersten Erkenntnisse selbst ein entsprechendes Disziplinarver- Semesters 2020/2021 ausgeschrieben werden können. fahren gegen ihn einleite. Auch in diesem Verfahren kam Hierfür dankt die Kommission dem Departementsvorste- es zu mehreren persönlichen Anhörungen von Dr. Brun- her Regierungsrat Peyer bestens. ner sowie von drei weiteren involvierten Personen. Nach Ich komme nun zu den eigentlichen Jahresberichten Abschluss der Untersuchungen wurde Kantonsgerichts- Kantonsgericht und Verwaltungsgericht. Die Kommissi- präsident Norbert Brunner am 21. April dieses Jahres das on für Justiz hat am 19. Mai dieses Jahres mit dem Ge- rechtliche Gehör zum Berichtsentwurf der KJS gewährt. samtgericht Kantonsgericht und Gesamtgericht Verwal- Mit Schreiben vom 7. Mai hat sich Herr Brunner zum tungsgericht je separate Aussprachen zu den sie betref- Entwurf des Berichts vernehmen lassen, die Sistierung fenden Jahresberichten und sich daraus ergebenden des Verfahrens bis zum Abschluss des Strafverfahrens weiteren Themen geführt. Die Kommission prüfte und beantragt sowie für den Endentscheid ein Ausstandsbe- beriet ferner die Jahresberichte der Aufsichtskommission gehren gegen die gesamte KJS gestellt. Als Begründung über die Rechtsanwälte und der Notariatskommission. für das Ausstandsbegehren führt Kantonsgerichtspräsi- Beim Kantonsgericht konnte festgestellt werden, dass die dent Brunner aus, er habe von der KJS einen vollständig Zahl der neu eingegangenen Geschäfte mit 968 im Ver- ausformulierten Entwurf eines Disziplinarentscheids gleich zum Vorjahr um etwa elf Prozent gestiegen ist. zugestellt erhalten, der keinen Zweifel offen lasse, dass Zwar konnte das Kantonsgericht mehr Geschäfte erledi- sich die KJS in der Sache bereits festgelegt habe und gen, nämlich 885. Wegen der Neueingänge stiegen am voreingenommen sei. Da das Begehren alle Kommissi- Ende des Berichtsjahrs die pendenten Geschäfte aber von onsmitglieder betrifft, liegt die Zuständigkeit beim Gros- 325 auf 408. Die Pendenzen unterliegen einem internen sen Rat, darüber zu befinden. Die KJS hat unter Hinweis Controlling mittels einer alle 14 Tage aktualisierten auf die herrschende Rechtsprechung, die das Vorgehen Liste. Die Verfahrensdauer ist im Vergleich zum Vorjahr der Kommission klar unterstützt, die Abweisung des praktisch gleichgeblieben. Die Anzahl Fälle mit einer Antrags beantragt. Nach Vorliegen dieses Entscheids Verfahrensdauer von über sechs Monaten ist leicht zu- kann das Verfahren wieder aufgenommen werden. In rückgegangen. Die Anzahl Fälle mit einer Verfahrens- welcher Komposition der Kommission, werden wir dauer von drei bis sechs Monaten ist leicht angestiegen. später im Rahmen des Ausstandsbegehrens sehen. Die Kommission hat im Rahmen des Austausches je- Was die Kommission noch getan hat, ist folgendes: Wir weils mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass die Ver- haben am 25. März dieses Jahres aufgrund der Ergebnis- fahrensdauer möglichst kurz zu halten ist. Namentlich ab se der Anhörungen Weisungen und Empfehlungen dem dem Zeitpunkt, ab welchem das Verfahren spruchreif ist. Kantonsgericht gegenüber erlassen. Ich komme kurz auf Zu bemerken ist, dass die Verfahrensdauer immer auch die Weisungen zu sprechen. Erste Weisung: Das gesamte vom Verhalten der Parteien abhängig ist. Abgenommen Dispositiv eines Urteils ist vom Richtergremium zu hat im Vergleich zum Vorjahr die Weiterzugsquote ans beschliessen. Es können davon keine Ausnahmen ge- Bundesgericht auf rund 10,3 Prozent. Das heisst, es macht werden. Zweite Weisung: Dasselbe gilt auch für wurden 54 Entscheide ans Bundesgericht weitergezogen. die definitive Urteilsbegründung. Auch diese muss ge- Insgesamt wurden von den im Berichtsjahr durch das samthaft vom Richtergremium beschlossen worden sein. Bundesgericht erledigten 48 Weiterzügen sechs Rechts- Dritte Weisung betrifft Art. 26 der Kantonsgerichtsver- mittel gutgeheissen, drei teilweise gutgeheissen. Somit ordnung, wonach der Aktuar anlässlich der Urteilsbera- wurden 18,7 Prozent der Weiterzüge gutgeheissen oder tung das Protokoll führt. Wir haben präzisiert, wie diese teilweise gutgeheissen. Zur Aufsichtstätigkeit des Kan- Bestimmung zu verstehen ist. Diese Bestimmung ist so tonsgerichts über die Schlichtungsbehörden und die elf zu verstehen, dass der zuständige Aktuar oder die Aktua- Regionalgerichte. Dies gab zu keinen Beanstandungen rin an der Urteilsberatung teilnimmt und während dieser Anlass. oder unmittelbar danach ein Protokoll erstellt, das die Ich komme zum Verwaltungsgericht. Der für die Dauer wesentlichen Punkte der Diskussion und sämtliche Be- von über zwei Jahren krankgeschriebene Verwaltungs- schlüsse festhält, die getroffen wurden. Dieses Protokoll richter Robert Stecher schied wegen Demission per 30. hat das effektive Datum der Beratung zu nennen. Es wird September 2019 aus dem Richteramt aus. In der August-
17. Juni 2020 889 session, das wissen wir, folgte dann die Ersatzwahl von Wochen gewann das Thema nochmals zusätzlich an Frau Dr. Ramona Pedretti. Vom Sommer 2017 bis Ende Brisanz und hat einige von uns, inklusive der KJS, be- 2019 war das Verwaltungsgericht so mit nur vier Rich- sonders gefordert. Nun haben wir einige Unterlagen terpersonen nicht mehr ordnungsgemäss besetzt. Dies vorliegend. Unserer Meinung nach zu wenig. Das haben führte zu einer zusätzlichen Arbeitsbelastung für die wir entsprechend auch beim Kommissionspräsidenten übrigen vier Richterpersonen. Zur Geschäftstätigkeit: hinterlegt. Leider wurde unsere Anfrage diesbezüglich Die Geschäftslast des Verwaltungsgerichts hat mit 425 abschlägig behandelt. Ich bin hier der festen Überzeu- Neueingängen im Vergleich zum Vorjahr leicht zuge- gung: Neben der rechtlichen Auslegeordnung kann und nommen, bleibt aber im langjährigen Vergleich etwa muss man jetzt auch eine politische Auslegung vorneh- konstant. Mit 389 erledigten Verfahren wurden drei Fälle men. Wir als Wahlbehörde müssen hier mehr erhalten. mehr als im Vorjahr abgeschlossen. Im langjährigen Ich sehe jedoch den Zielkonflikt mit dem Schutz von Vergleich liegt die Erledigungszahl etwas tiefer, was allfälligen Persönlichkeitsrechten. Das müssen wir hier aber sicherlich mit dem Ausfall eines Richters erklärbar aber nicht weiter diskutieren, müssen es aber für die ist. Erwartungsgemäss haben sich die Pendenzen per Zukunft mitnehmen. 2019 von 291 auf 323 im vorletzten Jahr und auf mitt- In den vergangenen Wochen haben sich die Richterin lerweile 386 erhöht. Somit haben sich die Pendenzen um und die Richter mehrmals öffentlich gegenseitig diffa- 63 Fälle erhöht. Das sind in etwa die Ausführungen zum miert, aber auch die KJS miteinbezogen. Die Fraktion Verwaltungsgericht. der SVP hat sich daher sehr früh klar festgelegt und Bei den Aufsichtskommissionen über die Rechtsanwälte gesagt: Wir wollen uns ein unabhängiges Bild der Situa- und die Notariatskommission konnte festgestellt werden, tion machen können. Wir hatten deshalb die Richterin- dass da keine besonderen Vorkommnisse vorgekommen nen und Richter inklusive dem abtretenden Gerichtsprä- sind. Die weiteren Details entnehmen Sie unserem Be- sidenten und Richter Schnyder zu Hearings eingeladen richt. Begnadigungen, Petitionen und Beschwerden gab und unseren Prozess festgelegt. Diese Hearings konnten es im Berichtsjahr keine. letzten Montag abgeschlossen werden. Für uns immer Abschliessend, bevor ich zu den eigentlichen Anträgen noch eine schwierige Situation. Schnell mussten wir komme, möchte ich noch darauf hinweisen, dass wir feststellen: Die persönlichen Verhältnisse sind derart sowohl beim Kantonsgericht als auch beim Verwal- zerrüttet, dass eine künftige Zusammenarbeit in heutiger tungsgericht das Anliegen deponiert haben, dass man im Zusammensetzung wohl nicht mehr vorstellbar ist. Wes- Jahresbericht auch die zwischenmenschliche Seite ein- halb schlussendlich die verbleibenden Mitglieder des bauen soll. Wie es auf dieser Ebene geht, haben wir Kantonsgerichts so reagiert haben, wie diese eben mit feststellen können, ist mindestens so wichtig wie die den Diffamierungen reagiert haben, ist uns wirklich Geschäftslast an beiden Gerichten. Wir werden jetzt mit schleierhaft und konnte uns auch in den Gesprächen den beiden Gerichten noch festlegen, in welcher Form nicht zufriedenstellend erläutert werden. Auch kann uns diese Informationen geliefert werden. Und wir haben heute festgehalten werden, dass die Begründungen zu dann noch gewünscht, dass auch Zahlen gemacht werden der für uns unsäglichen Medienkonferenz nicht wirklich im Jahresbericht bezüglich der Fälle, die eine Verfah- dargelegt werden konnten. Weiter mussten wir feststel- rensdauer über zwölf Monate haben: Wie viele und für len: Wenig wurde dokumentiert. Einige Richter fühlten welche Verfahrensdauer. Das ist gesamthaft der Jahres- sich berufen, andere selbst zu kontrollieren und z.B. bericht unserer Kommission. Printscreens von Kalendern zu erstellen. Was für uns nur Wir hatten ein sehr arbeitsintensives Jahr. Wir haben ein schon datenschutzrechtliche Fragezeichen hinterlässt. sehr arbeitsintensives Jahr hinter uns. Wir haben Ihnen Nichts wirklich war nachzulesen und keine Eskalations- nun die Ergebnisse der Verfahren, die abgeschlossen gespräche wurden geführt. Zu diesem Schluss kommt sind, präsentiert. Wir haben Ihnen auch die Ausführun- auch die KJS und sieht deshalb nicht genügend Grundla- gen bezüglich der Nichtwiederwahl präsentiert. Da ist gen für ein Verfahren auf Amtsenthebung von Richter jetzt das Parlament die eigentliche Wahlbehörde. Das ist Schnyder. Dennoch kommen sie aus für uns unerklärli- die richtige Behörde, um jetzt darüber zu befinden. Die chen Gründen zu dem Antrag auf Nichtwiederwahl. Wahlbehörde ist das Parlament. Und ich bitte das Parla- Nun, folgendes ist für uns als Sachverhalt klar: Das ment, diese Verantwortung dann wahrzunehmen. Ich zugrunde liegende Ereignis, nennen wir es laienhaft die danke Ihnen bestens. Ich komme zu den Anträgen: Wir Anpassung des Urteils, war nicht korrekt und darf so beantragen Ihnen, den Jahresbericht vom Kantonsge- nicht sein. Auch das hat die KJS festgestellt und entspre- richt, vom Verwaltungsgericht, der Aufsichtskommissi- chend eine nach unserer Auffassung korrekte Weisung on über die Rechtsanwälte und der Notariatskommission erlassen. Mit Schrecken mussten wir dann in unseren zu genehmigen. Gesprächen zur Kenntnis nehmen, dass es mindestens einen Kantonsrichter gibt, welcher zwar sagt, wir setzen Standespräsident Della Vedova: Besten Dank für diese die Weisung um, sehen aber keinen Fehler und sehen die Ausführungen. Weitere Mitglieder der Kommission? Weisung grundsätzlich als nicht richtig. Ich zitiere: «fin- Dies scheint nicht der Fall zu sein. Das Wort ist offen für den es gar eine Frechheit der KJS». Das alleine rechtfer- die allgemeine Diskussion. Grossrat Koch. tigt aber für uns dennoch nicht abschliessend das Verhal- ten von Dr. Peter Schnyder vollends, zeigt aber exempla- Koch: Wir sind nun bei einem Geschäft angekommen, risch Schwächen des Systems in alle Richtungen auf. welches die letzten Jahre extrem unspektakulär war, nun Auch das hat uns heute der KJS-Präsident ausgeführt. plötzlich sehr spektakulär wurde. In den letzten drei Das Verhalten der übrigen Mitglieder des Kantonsge-
890 17. Juni 2020 richtes ist ebenfalls für uns nicht haltbar und gipfelte in heute vor, haben alle wieder antretenden Richterperso- der unsäglichen Medienkonferenz, welche durch alle nen zu Anhörungen eingeladen und haben beraten. Und Richterinnen und Richter inklusive Kantonsgerichtsprä- wir kommen zusammenfassend zum Schluss, dass uns sident Brunner wahrgenommen wurde. Verschiedenste der Gesamtzustand am Gericht schockiert. Unabhängig Verfahren sind noch hängig. Aber kommen wir zurück. vom erwähnten Erbfall P.S. kommen wir daher zum Wir wissen es, wir haben ein Damoklesschwert über uns: Schluss: Wir werden keine der bisherigen Richterperso- Die anstehenden Wahlen der Gerichte. Nach unserer nen wiederwählen. Das Kantonsgericht braucht einen Ansicht haben wir unterschiedliche Möglichkeiten: Wir Neuanfang. Und lassen Sie mich kurz ausführen, warum. wählen alle Richter exklusive Schnyder. Wir wählen alle Erstens: Wir sind hier nicht das Gericht. Es ist nicht an Richter inklusive Schnyder. Wir wählen nur einzelne uns, zu entscheiden und darüber zu urteilen, wer im Mitglieder wieder oder eben: Wir wählen keinen der konkreten Erbfall, in dieser Erbsache, Recht hat und wer bestehenden oder bisherigen Mitglieder mehr. Nun, wir nicht. Das wird zu Recht das Bundesgericht zu entschei- sind das Wahlgremium des Gerichtes. Ich glaube, auch den haben. Aber es wurde gesagt, wir sind die Wahlbe- das muss zuhanden der Richterinnen und Richter noch- hörde. Und als Wahlbehörde können wir nur zur Kennt- mal klar dokumentiert werden: Wir dürfen die Richterin- nis nehmen, dass wir mit einem Zustand am Kantonsge- nen und Richter wählen und wir müssen jetzt auch in den richt konfrontiert sind, der vom Kollektiv der dort rich- kommenden Monaten diese Verantwortung dann über- tenden Magistratspersonen zu verantworten ist. Wir sind nehmen. Wir können uns schlussendlich kein wirklich konfrontiert mit einem Gericht, das interne Konflikte abschliessendes Bild bauen. Wer ist denn nun wirklich schwelen und schwelen liess, bis sie explodierten. Mit gut, wer ist böse, wer hat welche Rolle gespielt? Und wir Magistratspersonen, die in Streitigkeiten unter Bürgerin- mussten auch feststellen, dass sich dieses Bild im zeitli- nen und Bürgern entscheiden sollen, aber offenbar selbst chen Ablauf wahrscheinlich verschiebt und immer wie- den Eindruck erwecken, nicht in der Lage zu sein, inter- der mal ein anderer den einen oder anderen Hut aufhatte. ne Streitigkeiten auf ordentlichen Wegen zu schlichten. Alle, alle Richterinnen und Richter, haben sich im Ver- Wir sind mit Magistratspersonen konfrontiert, die gegen- lauf des gesamten Ablaufs nicht korrekt und insbesonde- seitig schwere Vorwürfe in den Raum stellen, Verfahren re nicht so verhalten, wie wir, aber auch die Bevölke- gegeneinander in die Wege leiten und zum schärfsten rung, es von Richterinnen und Richter unseres höchsten aller Disziplinarmittel gegen einen Richterkollegen Gerichtes erwarten dürften. gegriffen haben. Wir haben eine Aufsichtskommission, Aus diesen Gründen kommen wir zu folgenden Schlüs- die sich veranlasst sah, im Rahmen ihrer Untersuchun- sen: Für uns sind sämtliche Mitglieder des Kantonsge- gen Verweise und Weisungen auszusprechen. Ich gehe richtes nicht mehr wählbar und die Wahlen sind zu ver- nicht mehr im Detail darauf ein. Wir haben sie gehört. schieben. Die Teilrevision des sich in Vernehmlassung Und eine richterliche Immunität aufzuheben und so befindlichen Gerichtsorganisationsgesetzes, welches die weiter. Und wenn sich dann zu guter Letzt, und vielleicht Zuwahl von ausserordentlichen Richterinnen und Rich- als Höhepunkt, vor einer Woche das Gesamtgericht im tern ermöglicht, ist nach der ordentlichen Vernehmlas- Beisein des Gerichtspräsidenten noch in einer öffentli- sungsfrist direkt in der Oktobersession zu behandeln und chen Medienkonferenz von der Aufhebung der Immuni- so zu ergänzen, dass wir die Möglichkeit für Teilzeitpen- tät des Gerichtspräsidenten durch die zuständige Kom- sen schaffen. Drittens: Die Totalrevision des Gerichtsor- mission überrascht zeigt, dann wurde der Ernst der Lage ganisationsgesetzes ist aufgrund der gewonnenen Er- schlicht und einfach bis heute noch nicht erkannt. Es kenntnisse umgehend an die Hand zu nehmen und inner- muss jetzt doch wieder Vertrauen aufgebaut werden in halb der nächsten 24 Monate abzuschliessen und umzu- diese Institution. Und Vertrauen bauen wir doch auf, setzen. Mit diesen Massnahmen ist aus unserer Sicht ein indem wir aufklären, indem wir zur Aufklärung beitra- Funktionieren des Kantonsgerichtes sichergestellt. Und gen, indem wir aufarbeiten, indem wir dann aus dieser die dringend notwendige Revision, welche sich hier nun Aufarbeitung die nötigen Schlüsse und Konsequenzen wirklich abzeichnet, kann und muss an die Hand ge- ziehen. Und Vertrauen und Glaubwürdigkeit in dieser nommen werden und es kann wieder längerfristig Ruhe heiklen Phase würde, wie ich das auch bereits öffentlich einkehren. Wir sind der Meinung «Lieber ein Ende mit sagte, sicherlich auch ein Rücktritt des Gerichtspräsiden- Schrecken als ein Schrecken ohne Ende». Wir dürfen ten schaffen, der stattdessen ebenfalls mit Mitteln wie hier nicht mehr den politischen Kompromiss suchen und einem Ausstandsgesuch die Aufarbeitung behindert. müssen jetzt unsere Verantwortung übernehmen. Ich komme darum zum Schluss: Die zuständige Auf- sichtskommission hat ihre Arbeit getan und sie fand in Wilhelm: Die personelle Situation, wie sie von den Mit- verschiedene Richtungen fehlerhaftes, zweifelhaftes gliedern der KJS geschildert wurde, wie wir sie in den Verhalten oder zumindest gravierende Anhaltspunkte Dokumenten lesen konnten, auch in den Medien lesen dafür. Nun wird sie aus allen Richtungen, Schnyder, konnten, hat die SP-Fraktion ebenfalls tief besorgt. Die Brunner, Gesamtgericht, kritisiert. So falsch kann sie Glaubwürdigkeit einer der wichtigsten Institutionen in ihre Arbeit also nicht getan haben, denn: Wem eine unserem Kanton, des Kantonsgerichts, hat arg Schaden Botschaft nicht gefällt, schiesst in der Regel auf die genommen. Und das schadet dem Vertrauen in unseren Botschafterin. Das ist hier die KJS und das ist nur ein Rechtsstaat und es schadet auch dem Ansehen der Bünd- weiteres Indiz dafür, dass mit den jetzt beteiligten Perso- ner Institutionen. Die SP-Fraktion hat sich darum eben- nen keine glaubwürdige Lösung möglich ist. Wir sind falls intensiv, kritisch mit der Situation befasst. Wir darum überzeugt, dass das Kantonsgericht den Neuan- haben zusätzliche Dokumente verlangt, sie liegen Ihnen fang braucht und nur so das Vertrauen in diese wichtige
17. Juni 2020 891 Institution wiederhergestellt werden kann. Wir als SP, ich den Engadiner Dichter und ehemaligen Grossrat als SP-Fraktion, wollen zu diesem Neuanfang unseren Rauch zitieren, was er zum Grossen Rat meinte: «Die Beitrag leisten, und wir rufen Sie dazu auf, das auch zu Juristen, all die Braven, stützen sich auf Paragrafen, wir tun. Was heisst das konkret? Wir werden keine der bis- simplen Deputads vom Land, wir stützen uns auf den herigen Richterpersonen wiederwählen. Weil wir An- Verstand.» Ich kann Ihnen sagen, in Anbetracht der fast spruch auf einen Sitz haben, was wir heute nicht inneha- täglich neuerscheinenden Dokumente ist eine abschlies- ben, werden wir im Falle eines Neuanfangs eine An- sende Meinungsbildung zum heutigen Tage sicher un- waltsperson mit fachlicher und persönlicher Eignung möglich. Deshalb werde ich auch nicht weitere und portieren. Und wir fordern die anderen Parteien, Fraktio- vertiefte Argumentationen machen. Ich möchte weder nen mit Sitzanspruch auf, den Neuanfang zu unterstützen die Arbeit der Kommission noch die der Gerichte beur- und ebenfalls neue Kandidaturen aufstellen. Andernfalls teilen, denn ich würde mich wahrscheinlich auch in all werden auch wir keine Kandidatur portieren. Uns ist diesen Widersprüchen verheddern. Ich kann nur sagen, bewusst, dass ein solcher Neuanfang Zeit braucht, dass dass für mich im jetzigen Zeitpunkt nur Herr Richter er Koordination braucht unter den Parteien, unter den Nydegger wählbar wäre. Meine Aussagen sind nicht mit Fraktionen. Es ist nicht der einfachste Weg, es ist nicht der Partei abgesprochen, sondern sind meine ganz per- der Weg des geringsten Widerstandes. Aber es ist, und sönlichen Empfindungen, die, wie man gehört hat, von das wurde richtig gesagt, es ist der einzig gangbare Weg, ganz vielen hier querbeet über die Partei geteilt wird. Ich damit wir in den kommenden Jahren ein funktionieren- weiss nicht, ob ich einen Antrag auf Nichtwiederwahl des Gericht haben, in das auch wieder Vertrauen aufge- der Richter Schnyder, Michael Dürst, Pedrotti und Huber baut werden kann. Und daher rufen auch wir, unabge- stellen müsste, oder überhaupt stellen dürfte. Aber ich sprochen übrigens, die PK dazu auf, am Freitag eine kann einfach hier die Aussagen von meinen Vorrednern Verschiebung der Wahl ins Kantonsgericht vorzusehen unterstützen. Deshalb bitte ich die Parteien, zusätzliche und die Koordination der Wahlen an die Hand zu neh- Kandidaten für die Richterwahlen vom August zu prä- men. sentieren, damit wir wirklich eine Wahl haben und uns tatsächlich entscheiden können, was für Richter wir in Alig: Die Bevölkerung kann diese traurige Aktualität im unserem Kanton wollen. Im Moment erscheint es mir, höchsten Bündner Gericht schlicht nicht nachvollziehen, wie wenn der einzige, der für Recht und Ordnung sorgen schlicht nicht verstehen, und dazu gehöre übrigens auch wollte, nicht mehr wählbar sein sollte. Meine Damen ich. Im Moment knurrt mir die Magengegend gewaltig. und Herren, es ist unsere Pflicht, Richter zu wählen, die Haben Sie jedoch keine Angst, liebe Kolleginnen, liebe für Recht sorgen und selber in dieser Hinsicht eine reine Kollegen, ich werde mich zum jetzigen Zeitpunkt noch Weste haben. nicht übergeben. Da alles, aber wirklich alles, momentan undurchsichtiger nicht sein könnte, mehr Fragen offen Michael (Donat): Ich erlaube mir, zur aufsichtsrechtli- als beantwortet sind, wird mein Votum zum jetzigen chen Untersuchung und zur Empfehlung auf Nicht- Zeitpunkt sehr, sehr kurz sein. Hohe Regierung, ge- Wiederwahl zu sprechen. Dabei gebe ich mir die grösste schätzte Mitglieder der Justizkommission, ich habe Mühe, sachlich zu bleiben. Die BDP hat immer kommu- folgende Forderungen an euch: Sorgen Sie bitte dafür, niziert: «Wir haben kein Problem Peter Schnyder, wir dass wir respektive dass dieses Parlament in der August- haben ein Problem Kantonsgericht.» Der Aktenberg, der session genügend Kandidatinnen und Kandidaten für uns nun vorliegt, bestätigt diese Haltung. Wir haben eine echte Richterwahl zur Auswahl stehen. Eine Wahl, versucht, eine Auslegeordnung zu erstellen. In dieser eine echte Wahl mit entsprechender Auswahl, die diesen Auslegeordnung kommen fünf Problemfelder vor: Na- Namen auch verdient. Zudem unterstütze ich selbstver- mentlich sind dies das Kantonsgericht mit seinen Rich- ständlich die aktuellen Anträge der Justizkommission. tern und Aktuaren, der Kantonsgerichtspräsident, Richter Schnyder, die Erbteilungsklage S und die KJS. Ich ver- Müller (Susch): Der Herr Standespräsident hat ausge- suche nun, unsere Erkenntnisse darzulegen, und am führt, dass die Wahlen erst im August stattfinden und in Schluss ziehen wir Bilanz. diesem Sinne nicht wirklich schon heute das Thema sein Beginnen wir mit der KJS: Die KJS ist das Aufsichts- sollten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin schon gremium der Gerichte und hat heute, aber auch bereits in seit über 20 Jahren in der Politik tätig. Und ich habe der Vergangenheit bestimmt keine leichte Aufgabe. Die mich, das kann ich Ihnen versichern, noch nie, aber noch Gegenwart zeigt, dass eine Einflussnahme in ihrem nie so ohnmächtig gefühlt wie in den letzten Wochen. Im Tätigkeitsbereich aufgrund des unkooperativen und nicht Wissen, dass der Grosse Rat für die Gerichte verantwort- mehr zeitgemässen Verhaltens des Gegenübers sehr lich ist. Das heisst, dass auch ich dafür verantwortlich erschwert ist. Gerade deshalb erwarten wir von der zu- bin für das, was hier im Kanton für Richter über uns ständigen Kommission aber, dass die Funktion der Auf- richten. Und nun komme ich zum Punkt: Wenn wir uns sicht trotz Gegenwind konsequent verfolgt wird. So, wie erst im August mit der Wahl der Richter beschäftigen, es mit dem Untersuchungsauftrag an die Professoren haben wir eben keine Wahl mehr, wie es schon gesagt Stadler/Uhlmann betreffend Tendenzen und Verfahrens- wurde. Denn spätestens im zweiten Wahlgang sind die dauer geschehen ist. Mit einer früheren Problemerken- jetzigen Richter je nachdem alle wiedergewählt. Ich will nung und dem dazugehörenden Handeln hätte diese und ich kann nicht beurteilen, was juristisch richtig oder Untersuchung aber gar nicht stattfinden müssen. Die falsch ist, deshalb beziehe ich mich nur auf meine Wahr- zweite laufende Untersuchung, die aufsichtsrechtliche nehmung als Bürger dieses Kantons. Und hier möchte Untersuchung gegen Richter Schnyder, wurde durch die
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