Luzern, Obwalden, Nidwalden und Uri Struktur und Perspektiven - UB Basel
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Economic Research Swiss Issues Regionen Januar 2015 Luzern, Obwalden, Nidwalden und Uri Struktur und Perspektiven
Credit Suisse Economic Research Impressum Herausgeber Giles Keating Head of Research and Deputy Global CIO +41 44 332 22 33 giles.keating@credit-suisse.com Fredy Hasenmaile Head of Real Estate & Regional Research Tel. +41 44 333 89 17 E-Mail: fredy.hasenmaile@credit-suisse.com Autoren Thomas Rühl +41 44 333 72 65 thomas.ruehl@credit-suisse.com Fabian Hürzeler Nathalie Ramel Nicole Brändle Schlegel Andreas Christen Dr. Fabian Waltert Kontakt E-Mail: regionen.economicresearch@credit-suisse.com Titelbild PC-24, © Pilatus Aircraft Ltd Druck Koprint AG, Alpnach Dorf Redaktionsschluss 19. Januar 2015 Besuchen Sie uns auf dem Internet http://www.credit-suisse.com/research Copyright Die Publikation darf mit Quellenangabe zitiert werden. Copyright © 2015 Credit Suisse Group AG und/oder mit ihr verbundene Unternehmen. Alle Rechte vorbehalten Swiss Issues Regionen 2
Credit Suisse Economic Research Editorial Geschätzte Leserinnen und Leser Es freut uns, Ihnen die neue Regionalstudie über die Kantone Luzern, Nidwalden, Obwalden und Uri zu präsentieren. Wir haben unseren Ökonomen den Auftrag gegeben, die Region aus volkswirtschaftlicher Sicht im Detail zu analysieren. Im Vordergrund stehen dabei die Themen Konjunktur, Wirtschaft, Wohnen und Kantonsfinanzen. Die Studie soll unseren Privat- und Fir- menkunden sowie den Entscheidungsträgern aus Politik und Wirtschaft einen Mehrwert bieten und zu Diskussionen anregen. Als Bank mit starker Verwurzelung in der Zentralschweiz liegt es uns am Herzen, die regionale Wirtschaft im Detail zu verstehen. Wir hoffen, mit diesem Beitrag zum wirtschaftlichen Erfolg der Region beizutragen. Der Schweizer Werkplatz hat eine Zukunft. Diese liegt vor allem in innovativen und wertschöp- fungsstarken Produkten oder Produktionsprozessen. So können die Standortvorteile der Schweiz trotz der hohen Lohn- und Bodenkosten genutzt werden. Das jüngste Beispiel für die Innovationsfähigkeit der Zentralschweiz ist der Business-Jet PC-24 der Pilatus-Werke, der die Titelseite dieser Studie ziert. Das Flugzeug wird in Stans entwickelt und montiert. Teile und Knowhow stammen jedoch auch von Zulieferern aus den Kantonen Luzern, Obwalden und Uri. Das Flugzeug – dessen Jungfernflug unmittelbar bevorsteht – ist damit Sinnbild für die internati- onale Wettbewerbsfähigkeit des gesamten Wirtschaftsraumes. Die vier Kantone verbinden aber nicht nur Erfolgsstories, sie sind auch mit ähnlichen Herausfor- derungen konfrontiert. Ein Beispiel ist der Tourismus: Dank der bekannten Aussichtsberge und atemberaubenden Bergpanoramen haben sich die vier Kantone zu einer international beliebten Destination entwickelt. Die Stärke des Schweizerfrankens wirkt sich jedoch dämpfend auf die Nachfrage und die Margen aus. Seit Abschaffung des Mindestkurses zum Euro ist die Aus- gangslage noch anspruchsvoller geworden. Die Tourismusprojekte in Andermatt, auf dem Bür- genstock und in Melchsee-Frutt sorgen für Erneuerung, sind jedoch auch mit Risiken behaftet. Die Credit Suisse ist seit Langem mit der Zentralschweiz verbunden: Die «Bank in Luzern» wur- de 1856 gegründet und 1912 mit der damaligen Schweizerischen Kreditanstalt verschmolzen. 1922 bezog die SKA die Filiale am Luzerner Schwanenplatz, wo die Credit Suisse noch immer residiert. Heute zählt die Region Zentralschweiz 13 Standorte und umfasst die sechs Kantone Luzern, Nidwalden, Obwalden, Schwyz, Uri sowie Zug. Eine separate Studie zum Kanton Zug wurde bereits im Januar 2014 publiziert und kann bei Interesse gerne bei uns bezogen werden. Unsere regionale Verbundenheit im Bankengeschäft und unsere vielfältigen Engagements im kulturellen, sportlichen und gesellschaftlichen Bereich sind uns sehr wichtig. Wir sind stolz, zahl- reiche Zentralschweizer Privatpersonen und Firmen zu unseren Kunden zählen zu dürfen. Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre. Roger Suter Michael Fahrni Leiter Region Zentralschweiz Leiter Firmenkundengeschäft Zentralschweiz Swiss Issues Regionen 3
Credit Suisse Economic Research Auf einen Blick Übersicht Standortqualität 2014, synthetischer Indikator, CH = 0 Zofingen Aarau Muri (AG) Freiamt Knonaueramt Hauptverkehrsstrassen Langenthal Sursee/ Seetal Lorzenebene/ Wirtschaftsregionen Sursee Ennetsee Sursee/ Oberaargau Zentren Sempach Zug -0.7 - -0.3 Seetal Huttwil Willisau -0.2 - 0.0 Küssnacht (SZ) 0.1 - 0.3 Willisau Willisau Burgdorf Arth Einsiedeln Gla rus Luzern Kriens Weggis 0.4 - 1.0 Schw yz Burgdorf 1.1 - 2.0 Luzern Innerschwyz Schüpfheim Nidwalden/ Glarner Nidwalden/ Escholzmatt Sar nen Engelberg Hinterland Engelberg Oberes Altd or f Entlebuch Emmental Entlebuch Sarneraatal Engelberg Erstfeld Sarneraatal Uri Thun Meiringen Uri Disentis/Mustér Interlaken Berner Oberland-Ost Surselva Andermatt Grindelwald 0 10 20 km Airolo Goms Tre Valli Quelle: Credit Suisse, Geostat, DDS Quelle: Credit Suisse Bevölkerung 2013, Fläche entspricht der Bevölkerung Die Kantone am Vierwaldstättersee sind von einer beträchtli- chen Heterogenität geprägt. Das direkte Einzugsgebiet der Stadt Luzern erstreckt sich bis in Teile der Kantone Obwalden, Nidwalden, Zug und Schwyz. Die Region Luzern ist vom Dienstleistungssektor geprägt und erbringt die Hälfte der Wirt- schaftsleistung des Raumes. In den ländlichen Regionen, etwa in Willisau und im Entlebuch, ist der Landwirtschaftssektor nach wie vor ein bedeutender Arbeitgeber. Die Bevölkerung wächst vor allem in der Region Sursee/Seetal und im direkten Einzugsgebiet der Stadt Luzern. Gleichzeitig stagnieren die ländlichen Gebiete oder sind, wie im Fall der Urner Bergge- meinden, teilweise sogar mit einer Abwanderung konfrontiert. Quelle: BFS, Credit Suisse, Geostat Bruttoinlandprodukt Beschäftigung im Flugzeugbau 2011, Fläche entspricht dem Anteil am Schweizer BIP 2012, Fläche entspricht den Beschäftigten der Branche Flugzeugbau Quelle: BFS, Credit Suisse, Geostat Quelle: BFS, Credit Suisse, Geostat Swiss Issues Regionen 4
Credit Suisse Economic Research Regionaler Kontext Von Berggebieten bis in urbane Räume Der Vierwaldstättersee verbindet die Kantone Luzern, Obwalden, Nidwalden und Uri. Ihre wirt- schaftliche Entwicklung ist geprägt durch die Lage, die von den Alpenregionen bis in das Zent- rum Luzern und die zugehörigen Agglomerationen reicht. Uri, Ob- und Nidwalden sowie das Entlebuch sind topografisch gesehen Talschaften, ihre südlichen Gemeinden sind alpin. Willisau und Sursee/Seetal haben einen ländlichen Charakter und sind durch Hügel gegliedert. Dem gegenüber steht die Region Luzern, deren Gemeinden städtischer oder suburbaner Natur sind. Aus wirtschaftlicher Sicht ist der Raum vergleichsweise heterogen. Gemeinsam haben die vier Kantone ihre Ausrichtung auf den Tourismus, unterschiedliche Spitzenindustriebranchen und die Landwirtschaft. Die Stadt Luzern ist ein wichtiger Standort für unternehmensbezogene Dienst- leistungen, die dem gesamten Raum zugute kommen. Ausserdem ist sie Verkehrsknotenpunkt und kultureller Mittelpunkt am Vierwaldstättersee. Um die wirtschaftlichen Entwicklungen regional erfassen zu können, fokussieren wir auf die Ebene der Wirtschaftsregionen. Diese wurden auf der Basis von wirtschaftlichen Zusammen- hängen erstellt und entsprechen nicht unbedingt den politischen Grenzen. So wird die Obwald- ner «Exklave» Engelberg gemeinsam mit Nidwalden zur Wirtschaftsregion Nidwalden/Engelberg zusammengefasst. Die Luzerner Gemeinden Greppen, Viznau und Weggis sind ökonomisch stark mit den nahen Schwyzer Gemeinden verknüpft und zählen zur Wirtschaftsregion Inner- schwyz. Ausserdem zählen die Gemeinden Pfaffnau, Reiden, Roggliswil und Wikon zur Region Aarau. Die wichtigsten wirtschaftlichen Indikatoren zu den betrachteten Kantonen und Wirt- schaftsregionen sind in der unten stehenden Tabelle zusammengefasst. Wirtschaftliche und demografische Indikatoren Bevölkerung Beschäftigung Bruttoinlandprodukt Haushaltseinkommen 2012 2011 2015 (Prognose) Anzahl Wachstum Sektor I Sektor II Sektor III Anteil am Pro Be- in CHF, pro Kopf Personen 2013 2003-2013 CH-Total schäftigten, in CHF Gemeinden Emmen 28'926 0.7% 132 5'690 6'506 - - - Kriens 26'957 0.7% 69 2'004 6'954 - - - Luzern 80'501 0.9% 119 6'590 50'949 - - - Wirtschaftsregionen Luzern 218'559 1.0% 1'637 24'729 81'381 2.5% 135'429 54'553 Sursee/Seetal 78'104 1.4% 2'489 12'152 19'617 0.7% 124'389 55'941 Willisau 59'322 0.8% 3'064 9'176 11'804 0.5% 129'442 45'733 Entlebuch 16'732 0.1% 1'456 1'871 2'565 0.1% 108'702 33'574 Sarneraatal 32'487 0.9% 1'040 6'154 7'665 0.3% 127'002 48'776 Nidwalden/Engelberg 45'908 0.7% 949 6'189 12'184 0.4% 138'611 58'139 Lorzenebene/Ennetsee 97'561 1.4% 759 16'427 59'817 2.3% 175'383 85'427 Kantone LU 390'349 1.0% 9'115 50'560 119'317 4.0% 130'871 52'522 UR 35'865 0.2% 924 5'222 7'604 0.3% 125'233 46'169 OW 36'507 1.0% 1'148 6'412 9'179 0.4% 124'796 49'777 NW 41'888 0.7% 840 5'931 10'671 0.4% 142'035 58'174 SZ 151'396 1.2% 2'825 18'436 37'371 1.4% 137'293 75'672 ZG 118'118 1.3% 1'218 17'931 63'563 2.4% 174'381 83'410 Schweiz 8'139'631 1.0% 107'863 1'002'233 2'750'989 100.0% 150'076 51'785 Quelle: BFS, Credit Suisse Swiss Issues Regionen 5
Credit Suisse Economic Research Konjunktur Schweiz ohne Euro-Untergrenze: Was nun? Am 15. Januar 2015 hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) die Euro-Untergrenze von 1.20 CHF/EUR aufgehoben. Exportunternehmen und Tourismus werden in der Zentralschweiz am stärksten unter dem deutlich erstarkten Schweizerfranken leiden. Vieles hängt am Euro- Die Nachricht um 10.30 Uhr traf die Schweizer Wirtschaft wie ein Schock: Der Schweizer Wechselkurs Franken wertete innerhalb weniger Minuten extrem auf und schwankt seither im Bereich der Parität. Gleichzeitig erlebte die Schweizer Börse einen der bisher stärksten Tagesverluste in ihrer Geschichte. Nach dem Schock stellt sich die Frage, wie sich die Aufhebung der Unter- grenze mittelfristig auf die Schweizer (und Zentralschweizer) Wirtschaft auswirkt. Entscheiden- des Kriterium ist der Wechselkurs des CHF zu den Währungen der wichtigsten Handelspartner, also des Euro und des US-Dollars. Prognosen sind derzeit sehr schwierig, da die aktuellen Ent- wicklungen stark von währungspolitischen Massnahmen der EZB und geopolitischen Risiken – etwa der Währungskrise in Russland – getrieben werden. Aufgrund seiner Rolle als «Safe- Haven» für internationale Anleger gewinnt der Franken besonders in Risikophasen an Wert. Wir schätzen den fairen Wert des Euro bei CHF 1.22, die aktuellen Kurse deuten somit auf ein Un- terschiessen hin. Exporteure und Tourismus Die Schweizer Wirtschaft ist seit Jahrzehnten auf einen starken Franken eingestellt. Völlig neu sind direkt betroffen an der Situation seit 2010 war jedoch die enorme Geschwindigkeit der Aufwertung und aktuell der extreme Kurssturz nach Aufhebung der Untergrenze. Die Aufwertung trifft nicht alle Wirt- schaftsbereiche gleichermassen: Direkt betroffen sind Branchen mit ausländischen Kunden und einem hohen Kostenanteil in der Schweiz, also die Exportindustrie, der Tourismus und weitere international orientierte Dienstleistungsbranchen. Gefährdet sind Unternehmen, die mit geringen Margen arbeiten oder langfristige Aufträge erfüllen, bei denen die Wechselkursrisiken nicht ab- gesichert werden können sind. Branchen mit direkten ausländischen Konkurrenten, etwa der Detailhandel nahe der Grenze oder das Autogewerbe, spüren die Aufwertung ebenfalls direkt. Für Schweizer Konzerne mit globaler Wertschöpfungskette, die in CHF abrechnen, reduzieren sich – rein buchhalterisch – die Umsätze und Gewinne. Eine Deflation oder währungsbedingte Konjunkturschwäche kann jedoch auch den Binnenmarkt übergreifen und die Bau- und weitere Branchen betreffen. Keine Rezession, aber Wir haben unsere Prognosen für 2015 revidiert: Neu rechnen wir mit einem realen BIP- geringeres BIP-Wachstum Wachstum von 0.8%. Die Inflation wird sich in den negativen Bereich bewegen. Wir rechnen mit –1.3% für 2015 und 0.0% für 2016. Eine Rezession ist gemäss unserer aktuellen Ein- schätzung unwahrscheinlich, gleichwohl dürfte die Arbeitslosigkeit ansteigen (vgl. Abb. 2). Abbildung 1 Abbildung 2 Wechselkurs EUR/CHF Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung Tageskurse, bis 16.1.2015 Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent; Arbeitslosenquote: Jahresmittel 1.70 EUR / CHF 2013 2014p 2015p 2016p 1.60 Bruttoinlandprodukt, real 1.9 1.8 0.8 1.2 1.50 Privater Konsum 2.2 1.2 1.5 1.0 Öffentlicher Konsum 1.4 0.9 2.3 3.0 1.40 Ausrüstungsinvestitionen 2.0 1.0 1.0 1.5 1.30 Bauinvestitionen 1.2 3.5 1.5 1.5 Exporte (Güter und Dienstl.) 1.0 3.5 0.0 2.0 1.20 Importe (Güter und Dienstl.) 1.4 2.0 2.0 2.0 1.10 Konsumentenpreise -0.1 0.0 -1.3 0.0 1.00 Arbeitslosenquote 3.2 3.2 3.4 3.8 01/1999 01/2003 01/2007 01/2011 01/2015 Quelle: Credit Suisse / IDC Quelle: Seco, Credit Suisse Swiss Issues Regionen 6
Credit Suisse Economic Research Tourismus: Uri und Nidwal- Die Kantone Luzern, Nidwalden, Obwalden und Uri und ihre wichtigsten Branchen dürften von den populär bei Europäern den aktuellen Entwicklungen unterschiedlich stark betroffen sein: Für Gäste aus dem Ausland hat sich die Schweiz als Tourismusdestination stark verteuert. Hotels und Restaurants können die bereits heute geringen Margen nur bedingt mit Produktivitätserhöhungen verbessern. Auch für Schweizer werden die hiesigen Destinationen im internationalen Vergleich teurer, auch wenn die Frankenpreise gleich bleiben. Die Urner Tourismusdestinationen sind überdurchschnittlich stark auf europäische Touristen angewiesen (vgl. Abb. 3), die sich grundsätzlich auch für andere Destinationen in den Alpen entscheiden können. Luzern und Obwalden haben rund 40% aller Gäste aus Nicht-Euro-Ländern. Hier lassen sich die Effekte der Aufwertung nicht klar abschät- zen. Nid- und Obwalden haben einen Anteil von Schweizer Touristen im Rahmen des Schweizer Mittels. Falls es sich dabei um Stammgäste handelt, könnte sich der Binnentourismus stabilisie- rend auf die Nachfrage auswirken. Der Fokus auf das margenstärkere Luxussegment hilft den Zentralschweizer Kantonen (siehe Kapitel Tourismus). Während die Buchungen für den Winter bereits erfolgt sind, dürfte die Währungssituation in der Sommersaison 2015 einen Rückgang an ausländischen Gästen zeigen. Einheimische Gäste zieht es zudem vermehrt ins Ausland. Exportwirtschaft: Hightech- Neben den bekannten Technologieunternehmen beherbergen die vier Kantone eine Reihe von Spezialisierung schützt zu «Hidden Champions», die in Nischenmärkten Weltmarktführer sind (siehe Kapitel «KMU und einem gewissen Grad Exporte»). Ihren hohen Spezialisierungsgrad und die Marktstellung haben sich diese Unterneh- men in einem Umfeld des starken Frankens in der Vergangenheit erwirtschaftet. Ein Produktivi- tätssprung von mehr als 10%, der die aktuelle Aufwertung kompensieren könnte, ist jedoch kaum realisierbar. Ebenso werden die Abnehmer Preisaufschläge im zweistelligen Prozentbe- reich nur in Ausnahmefällen akzeptieren, Einbussen bei den Margen sind also zu erwarten. Ins- gesamt liefern die Luzerner, Obwaldner und Urner Unternehmen nach wie vor mehr als die Hälfte ihrer Exporte in die Eurozone, Nidwalden ist breiter diversifiziert (vgl. Abb 4). Detailhandel: Einkaufstou- Wenn auch die Zentralschweiz nicht unmittelbar ans Ausland grenzt dürften Detailhändler noch rismus und Preisdruck stärker unter Druck kommen. So dürften sie die tieferen Ankaufspreise von ausländischen Waren nach und nach an die Konsumenten weitergeben und damit das Preisniveau senken. Der Trend hin zum Online-Einkauf im Ausland wird durch die Frankenstärke zusätzlich verstärkt. Die in der Zentralschweiz überdurchschnittlich vertretenen Hersteller von Nahrungsmitteln wer- den sich damit auch im Binnenmarkt mit einem stärkeren Preisdruck rechnen müssen. Schweiz bleibt günstig bei Der Import von Gütern und Dienstleistungen wird mit einem aufgewerteten Franken günstiger. Steuern und Zinsen Die Schweizer Unternehmen werden also versuchen, noch grössere Teile ihrer Wertschöp- fungskette ins Ausland zu verlagern. Dies kann über die Auslagerung von Produktionsschritten oder Akquisitionen geschehen. Nach wie vor ist die Schweiz günstig, was das Steuer- und Zinsniveau angeht. Kapitalintensive Tätigkeiten (etwa Handel oder automatisierte Produktion) sowie die Hauptsitzfunktionen von Konzernen sind also weniger stark von der Aufwertung des Frankens betroffen. Aus Sicht der Beschäftigungsentwicklung dürften diese (auch in der Zent- ralschweiz stark vertretenen) Branchen stabilisierend wirken. thomas.ruehl@credit-suisse.com Abbildung 3 Abbildung 4 Logiernächte Exportanteil Eurozone Anteil der Gäste nach Herkunft, 2011-2013 in Prozent. Eurozone: Euro-19 Güterexporte in CHF, in Prozent, Euro-19; 2014: bis Q2 2014 Anteil Schweiz Anteil Eurozone andere Länder 80% 100% LU NW OW UR CH 70% 90% 80% 60% 70% 50% 60% 40% 50% 40% 30% 30% 20% 20% 10% 10% 0% 0% LU UR NW OW CH 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 Quelle: BFS, Credit Suisse Quelle: EZV, Credit Suisse Swiss Issues Regionen 7
Credit Suisse Economic Research Konjunktur Vollbeschäftigung am Vierwaldstättersee Arbeitslosenquote Jahresdurchschnitte in Prozent Alle vier betrachteten Kantone weisen eine Arbeitslosenquote 4.0% von unter 2% auf. In Uri, Nid- und Obwalden liegen die Werte nahe bei 1%. Der Ausdruck «Vollbeschäftigung» ist damit ge- 3.5% rechtfertigt. Gleichwohl unterliegt die Entwicklung über die Zeit 3.0% konjunkturellen Schwankungen, die parallel zum Landesmittel verlaufen. Dies zeigt sich an den Rezessionsphasen ab 2003 2.5% und 2009, die eine vorübergehend höhere Zahl an Arbeitslosen 2.0% nach sich zogen. Nach der Aufhebung der Euro-Untergrenze rechnen wir zwar nicht mit einer Rezession. 2016 dürfte die 1.5% Arbeitslosigkeit jedoch ansteigen. Die Zentralschweizer Kanto- 1.0% ne wären davon ebenfalls betroffen. Dennoch rechnen wir 0.5% damit, dass der Abstand auf das Landesmittel bestehen bleibt LU NW OW UR CH und die Werte vergleichsweise tief bleiben. 0.0% 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 thomas.ruehl@credit-suisse.com Quelle: Credit Suisse Exporte wachsend, aber seit 2010 auf geringerem Niveau Exportbarometer Kantone Luzern und Uri Jahreswachstum in Standardabweichungen; gleitender Durschnitt über 6 Monate Die Exporte sind 2014 in allen vier betrachteten Kantonen 5.0 Exporte LU Barometer LU gestiegen. Ähnlich dem Landesmittel war die Entwicklung nach Exporte UR Barometer UR der Rezession 2009 von einem steilen Aufholwachstum ge- 4.0 Exporte CH Wachstumsschwelle prägt und verlief nach der starken Aufwertung des Frankens 3.0 2010 auf geringerem Niveau als vor der Finanz- und Wirt- schaftskrise. Den geringsten Zuwachs weist aktuell der Kanton 2.0 Uri auf, der 2013 noch stark überdurchschnittlich gewachsen 1.0 ist. In Luzern und Obwalden verläuft das Wachstum auf hohem Niveau und ist von geringeren Schwankungen geprägt. 0 Nidwalden erreicht momentan sehr hohe Wachstumsraten. Da -1.0 der der Aussenhandel von wenigen, dafür wertmässig grossen -2.0 Produkten geprägt ist, sind die Schwankungen sehr hoch. -3.0 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 thomas.ruehl@credit-suisse.com Quelle: EZV, Bloomberg, PMI Premium, Datastream, Credit Suisse / IDC Konjunkturelle Lage in Abnehmerländern intakt Exportbarometer Kantone Nidwalden und Obwalden Jahreswachstum in Standardabweichungen; gleitender Durschnitt über 6 Monate Neben der Währungssituation ist die konjunkturelle Lage in 5.0 Exporte NW Barometer NW den Abnehmerländern der wichtigste Einflussfaktor für Exporte. Exporte OW Barometer OW Das Exportbarometer erlaubt Prognosen über die Konjunktur- 4.0 Exporte CH Wachstumsschwelle lage in den Zielländern. Es fasst die Einkaufsmanager-Indices 3.0 (PMI) gewichtet nach Zielland und dem jeweiligen Exportvolu- men jedes Kantons zusammen. Gemäss den kantonalen Ex- 2.0 portbarometern ist die Nachfrage 2015 vorhanden und höher 1.0 als in früheren Jahren. Angesichts der starken Aufwertung des Schweizer Frankens dürfte dies jedoch ein schwacher Trost 0 bleiben. Ähnlich unseren Erwartungen auf Landesebene dürf- -1.0 ten die Zentralschweizer Kantone somit kaum ein Export- -2.0 wachstum realisieren. -3.0 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 thomas.ruehl@credit-suisse.com Quelle: EZV, Bloomberg, PMI Premium, Datastream, Credit Suisse / IDC Swiss Issues Regionen 8
Credit Suisse Economic Research Wirtschaft | Standortqualität Engagierte Spieler im Steuerwettbewerb Aus Sicht von Unternehmen sind die Zentralschweizer Kantone steuerlich sehr attrak- tiv. Bei der Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften und bei Erreichbarkeitsfak- toren zeigt sich ein Stadt/Land-Gefälle. Standortqualität als Basis Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen eines Standortes bestimmen die langfristige Entwick- für Wohlstand lung von Wertschöpfung und Wohlstand. An attraktiven Orten siedeln sich neue Unternehmen an, und bereits ansässige Firmen investieren stärker als in weniger attraktiven Gebieten. Neben den unveränderbaren natürlichen Voraussetzungen zählen staatliche Regulierungen, die Verfüg- barkeit von Arbeitskräften sowie das Geschäftsumfeld zu den zentralen Kriterien der Standort- qualität.1 Steuern, Arbeitskräfte und Um die Attraktivität der Schweizer Regionen und Kantone aus Unternehmersicht zu messen, Erreichbarkeit im Fokus haben wir einen Standortqualitätsindikator (SQI) entwickelt. Dieser basiert auf den folgenden sieben quantitativen Teilindikatoren und stellt die Attraktivität eines Gebiets in Form eines relati- ven Index dar: Steuerbelastung der natürlichen und juristischen Personen, Verfügbarkeit von Hochqualifizierten und Fachkräften sowie Erreichbarkeit der Bevölkerung, der Beschäftigten und von Flughäfen. Landpreise und Lohnkosten werden bewusst nicht berücksichtigt, da sie in gewissem Sinne nichts anderes als das Spiegelbild der Attraktivität sind. Uri und Entlebuch Neben Zürich und Basel erreicht die Zentralschweiz hohe Werte der Standortqualität, allen attraktiver als andere voran der Kanton Zug. Nidwalden, Luzern und Obwalden rangieren unter den acht attraktivsten gebirgige Regionen Kantonen und liegen damit deutlich über dem Schweizer Mittel (vgl. Abb. 1). Aufgrund seiner anspruchsvollen Topographie erreicht der Kanton Uri hingegen einen unterdurchschnittlichen Wert. Gegenüber anderen Gebirgskantonen, etwa Graubünden und Wallis, ist Uri jedoch klar at- traktiver positioniert. Die Bewertung der Luzerner Teilregionen fällt heterogen aus: Luzern und Sursee/Seetal erreichen die Top-20 der 110 Schweizer Wirtschaftsregionen, Willisau liegt im Schweizer Durchschnitt. Das Entlebuch ist unterdurchschnittlich positioniert, jedoch noch deut- lich vor der Berner Nachbarregion Oberes Emmental. Abbildung 1 Abbildung 2 Standortqualität der Schweizer Kantone 2014 Steuerbelastung 2014 Index, CH = 100, natürliche Personen: Einkommens- und Vermögenssteuer. Synthetischer Indikator, CH = 0 Juristische Personen: Reingewinn- und Kapitalsteuer 2.5 140 ZG Steuerbelastung der juristischen Personen 2.0 130 GE BS Sursee/Seetal Luzern ZH 1.5 120 VD JU ZH BE BS 110 TI FR 1.0 SZ SO BL NW LU 100 VS 0.5 OW AR BL TG GR NE SH 90 SG AG SG 0 TG 80 UR SH Willisau AG AI SO GL -0.5 GE 70 ZG AI BE UR GL SZ LU OW Entlebuch -1.0 VD 60 TI FR NW AR NE GR -1.5 50 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 VS -2.0 JU Steuerbelastung der natürlichen Personen Quelle: Credit Suisse Quelle: Braingroup, Credit Suisse Die Zentralschweizer Kan- Gemeinsam ist allen vier Kantonen die äusserst hohe steuerliche Attraktivität sowohl für Privat- tone sind Steuer-Pioniere personen als auch Unternehmen (vgl. Abb. 2). Luzern weist seit 2012 die geringste Gewinn- steuerbelastung auf und hat damit Obwalden und Appenzell Ausserrhoden an der Spitzenpositi- on abgelöst. Neben geringen Sätzen erweisen sich die Zentralschweizer Kantone auch als inno- 1 Weitere Informationen: «Standortqualität der Schweizer Kantone und Regionen: Ein Wegweiser für Unternehmen und Politik», Credit Suisse, September 2013. Swiss Issues Regionen 9
Credit Suisse Economic Research vativ was Steuermodelle angeht: Zug ist der Pionier der privilegierten Besteuerung von Hol- dings. Nidwalden hat als erster Kanton die sogenannte «Lizenzbox» etabliert: Während die kan- tonale Gewinnsteuer mit (vergleichsweise geringen) 6.0% angesetzt ist, müssen Erträge aus geistigem Eigentum (z.B. Patente) seit 2011 nur mit 1.2% versteuert werden. Seit 2008 be- steuert Obwalden Einkommen in Form einer Flat-Rate von 12%, was vor allem Haushalten mit hohen Einkommen zugutekommt. Dass ehemalige Hochsteuer-Kantone wie Uri und Obwalden Mitte der Nullerjahre eine Trendwende einläuten konnten, ist hauptsächlich der Neugestaltung des Finanzausgleichs (NFA) sowie den Erträgen aus Goldverkäufen der Schweizerischen Natio- nalbank zu verdanken. Damit konnten sie zu den steuerlich sehr attraktiven und unweit gelege- nen Kantonen Nidwalden und Zug aufschliessen. Unternehmenssteuerreform Mittlerweile hat sich die Finanzlage der Kantone landesweit eingetrübt und im Steuerwettbewerb für Schweiz entscheidend zwischen den Kantonen ist mehr Ruhe eingekehrt (siehe Kapitel Öffentliche Finanzen S. 29). Dass dies nur ein vorübergehender Zustand sein wird, lässt die Unternehmenssteuerreform III vermuten, die sich aktuell in der Vernehmlassung befindet: Auf Druck von EU und OECD wird die Schweiz die privilegierte Besteuerung von Statusgesellschaften (Holdings, etc.) voraussicht- lich abschaffen. Um die Attraktivität der Schweiz zu wahren, plant der Bund eine Reihe von Massnahmen, unter anderem die Einführung einer «Lizenzbox» sowie einer zinsbereinigten Ge- winnsteuer. Die Kantone dürften ihre ordentlichen Gewinnsteuersätze – nach Möglichkeit und politischem Willen – senken, um für Unternehmen attraktiv zu bleiben. Wie weit diese Entwick- lungen die relativen Unterschiede zwischen den Kantonen beeinflussen wird, kann aus heutiger Sicht noch nicht abgeschätzt werden. In der Zentralschweiz werden jedenfalls bereits heute in- ternational kompetitive Steuerniveaus angeboten, so dass hier keine fundamentalen Anpassun- gen notwendig sind. Hochqualifizierte sind aus- Wissensgetriebene Industrie- und Dienstleistungsunternehmen sind auf qualifizierte Arbeitskräf- serhalb der Stadt Luzern rar te angewiesen, die eine höhere Berufs- oder Hochschulausbildung mitbringen. Unter den unter- suchten Regionen erreicht einzig Luzern einen durchschnittlichen Wert bei der Verfügbarkeit von Hochqualifizierten (vgl. Abb. 3). Im Kanton Uri, in Willisau und im Entlebuch ist der entspre- chende Anteil an den Einwohnern und Zupendlern vergleichsweise gering. Dies erschwert es diesen Regionen, am Wettbewerb um ansiedlungswillige Unternehmen teilzunehmen. Investitio- nen in höhere Bildungsstätten, etwa die Universität Luzern oder in die HSLU, wirken dieser Entwicklung langfristig entgegen. Das Angebot an Stellen für Hochqualifizierte, das besonders in den ländlichen Landesteilen wenig ausgeprägt ist, hindert diese Bestrebungen und führt zur Abwanderung von Hochqualifizierten. thomas.ruehl@credit-suisse.com Abbildung 3 Komponenten der Standortqualität 2014, synthetische Indikatoren, grössere Kreissegmente stellen eine höhere Attraktivität dar. Steuerbelastung 2013 Kanton Luzern Kanton Nidwalden Kanton Obwalden Kanton Uri SQI-Wert: 0.67 SQI-Wert: 0.68 SQI-Wert: 0.43 SQI-Wert: -0.61 Rang: 7/26 Rang: 5/26 Rang: 8/26 Rang: 18/26 Region Luzern Region Sursee/Seetal Region Willisau Region Entlebuch SQI-Wert: 1.20 SQI-Wert: 0.78 SQI-Wert: -0.02 SQI-Wert: -0.65 Rang: 12/110 Rang: 19/110 Rang: 41/110 Rang: 61/110 Quelle: Credit Suisse Swiss Issues Regionen 10
Credit Suisse Economic Research Wirtschaft | Standortqualität Zentralschweiz international nach wie vor kompetitiv Gewinnsteuersätze 2014, in Prozent, inkl. Bundessteuer. Ausgewählte Länder Angesichts der Bestrebungen der OECD, Steuerprivilegien Isle of Man abzuschaffen, dürften die ordentlichen Gewinnsteuersätze Guernsey Montenegro stärker in den Fokus rücken. Die Zentralschweizer Kantone Bosnien/Herzegowina LU sind auf den Systemwechsel, der mit der Unternehmenssteuer- Liechtenstein Irland reform III vorgesehen ist, bestens vorbereitet: Bezüglich Ge- OW NW AR winnsteuer sind sie ähnlich positioniert wie Irland und Liechten- SZ ZG stein. Eine Reihe von Kleinstaaten besteuern Gewinne niedri- Lettland UR ger (oder gar nicht). Mit Blick auf andere Standortfaktoren SH AG dürften diese jedoch kaum Konkurrenz bieten. Weiterhin blei- Grossbritannien ZH ben die grossen europäischen Staaten wie Deutschland und BE BS Frankreich bei der Gewinnsteuer deutlich über den Schweizer GE Niederlande Niveaus. Deutschland Frankreich Belgien 0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% thomas.ruehl@credit-suisse.com Quelle: KPMG Bessere Bahn-Anbindung für Altdorf dank der NEAT ÖV-Erreichbarkeit der Beschäftigten Synthetischer Indikator, nach km². Basis: ÖV-Fahrpläne, Vollzeitäquivalente Die Gotthard-Route ist ein Herzstück des internationalen Bahn- Liestal Erreichbarkeit verkehrs. Mit dem Basistunnel, dem weltweit längsten Eisen- Aarau Zürich hoch bahntunnel, wird die Verbindung nach der Eröffnung im Juni 2016 weiter an Bedeutung gewinnen. In Altdorf wird derzeit ein «Kantonsbahnhof» gebaut, an dem dereinst die Intercity-Züge tief aus Basel zweistündlich halten werden. Am anderen Ende des Zug Vierwaldstättersees werden zurzeit Varianten für einen Luzerner Tiefbahnhof diskutiert. Vor 2030 ist jedoch keine entsprechen- Luzern Glarus de Lösung für die Kapazitätsengpässe zu erwarten. Die ÖV- Schwyz Erreichbarkeit bleibt – mit oder ohne Tiefbahnhof – geringer als Stans entlang der Ost-West-Achse. Im Strassenverkehr hat die A4 Sarnen Altdorf durch das Knonaueramt Fahrzeitverkürzungen gebracht. Weite- re namhafte Projekte sind die Obwaldner Umfahrungen, der Strassennetz Ausbau der Axenstrasse sowie der Luzerner Seetalplatz. Schienennetz thomas.ruehl@credit-suisse.com Quelle: BFS, search.ch, Credit Suisse Nidwalden zieht mit Lizenzbox geistiges Eigentum an Patentanmeldungen pro 10‘000 Beschäftigten, nach Domizil des Antragstellers, 2011 Bezogen auf die Anzahl an Beschäftigten werden in Nidwalden landesweit am zweitmeisten Patente beim Europäischen Pa- 45 BS tentamt angemeldet. In Basel-Stadt dürfte die intensive For- 40 NW schungstätigkeit der Pharmaindustrie Ursache für die hohe 35 Zahl sein. Hauptgrund in Nidwalden dürfte dem gegenüber die «Lizenzbox» sein, die eine sehr milde Besteuerung von Erträgen 30 aus geistigem Eigentum erlaubt und bald landesweit eingeführt 25 ZG werden dürfte. Während Obwalden nur knapp unter dem Lan- SHNE BL 20 desmittel liegt, positionieren sich Luzern und Uri am Ende der FRVD Rangliste. Eine Branchenstruktur mit einem statistisch nur 15 ARZHGECH bedingt messbaren Innovationsgrad und die spezielle Attraktivi- 10 SGAG OW tät Nidwaldens dürfte dieses Resultat erklären. TG SZ GR SOGL AI 5 JU TI BEVS LU UR 0 thomas.ruehl@credit-suisse.com Quelle: OECD, BFS, Credit Suisse Swiss Issues Regionen 11
Credit Suisse Economic Research Wirtschaft | Branchenstruktur Hightech, Tourismus und Unternehmensdienste Die Branchenportfolios der Kantone Luzern, Obwalden, Nidwalden und Uri sind gut diversifiziert und weisen eine Reihe von interessanten Schwerpunkten auf. In den kleinen Kantonen ist die Beschäftigung jedoch auf wenige Unternehmen konzentriert. Branchenportfolio ist die Die Branchenstruktur ist von zentraler Bedeutung für das Leistungspotenzial einer Region. Die Basis für Wertschöpfung branchenmässige Zusammensetzung der Wirtschaft, ihre Wettbewerbsfähigkeit und ihre Wachstumsstärke liefern nicht nur Hinweise zur heutigen Wirtschaftskraft einer Region, sondern ermöglichen auch Rückschlüsse auf das zukünftige Wachstumspotenzial der Wertschöpfung. Die Entwicklung der Beschäftigung zeigt zudem gesamtwirtschaftliche und weitere Veränderungen auf, die für die Region kennzeichnend sind und stark von der vorherrschenden Branchenstruktur geprägt werden. Landwirtschaft spielt vieler- Die Kantone Luzern, Nidwalden, Obwalden und Uri bieten Arbeit für rund 210‘000 Beschäftig- orts eine Hauptrolle te, wovon über 85% im Kanton Luzern tätig sind. Die Landwirtschaft spielt in den Regionen Willisau, Uri, Sarneraatal und in der «Biosphäre Entlebuch» noch immer eine wichtige Rolle. Aus Sicht der Chancen und Risiken zählt die Branche zu den strukturell schwächsten Wirtschaftsbe- reichen und dürfte weiter an Beschäftigung verlieren (vgl. Abb. 2). Vielfältiger Industriemix mit Der Industriesektor ist in der Zentralschweiz breit diversifiziert. Neben den bekannten Aushän- Fokus auf Hightech geschildern – etwa der Fahrzeugbau in Nidwalden oder die Elektronik in Obwalden – zählt der Maschinenbau und die Herstellung von Nahrungsmitteln zu den prägenden Branchen. Während einzelne Unternehmen in Hightech-Nischen sehr erfolgreich sind, sind die mittelfristigen Aus- sichten aufgrund des Kostenumfelds durchzogen. Eine Chance ist die innerbetriebliche Verlage- rung hin zu Service, Entwicklung und produktnahen Dienstleistungen. Das Baugewerbe blickt auf mehrere Jahre der Hochkonjunktur zurück, doch allmählich normalisiert sich die Auftragsla- ge. Luzern: Hauptsitze, Hotels In der Region Luzern konzentrieren sich verschiedene unternehmensbezogene Dienstleistungen und Versicherungen (vgl. Abb. 1), etwa Unternehmensberatung und Personaldienstleister. Für andere Unternehmen stellt diese Konzentration durchaus einen Standortvorteil dar, da sie im näheren Umfeld auf gewisse Leistungen zurückgreifen können. Luzern hat sich zudem als Versicherungs-Cluster etabliert. Anders als das Bankgeschäft ist diese Branche von geringerer Volatilität geprägt und weist dennoch eine hohe Produktivität auf. thomas.ruehl@credit-suisse.com Abbildung 1 Abbildung 2 Chancen-Risiken-Profil der Branchenstruktur Regionale Branchenschwerpunkte Region Luzern, Chancen-Risiken-Profil der 15 grössten Branchen, 2014 Die beiden bedeutendsten Branchen nach Region, 2014, Kreisgrösse: Beschäftigung Personal- Unternehmens- Heime hoch hoch dienstleister Heime beratung/ Elektrotechnik Ausbaugewerbe Hauptsitze Gesundheits- Tiefbau wesen Architekten, Versicherungen Ingenieure Interessen- Logistik vertretung Branchenbewertung Branchenbewertung Gross- Versicherungen -5% 0% 5% 10% 15% 20% 25% handel Unterrichts- wesen Fahrzeugbau Detailhandel Nahrungsmittel Luzern Öffentliche Sursee/Seetal Verwaltung Hotellerie Willisau Landverkehr Bau und Industrie Entlebuch Detailhandel Öffentlicher Sektor Sarneraatal Gastronomie Maschinenbau Dienstleistungen Uri Landwirtschaft Nidwalden/Engelberg niedrig -1.0% 0.0% 1.0% 2.0% 3.0% niedrig Beschäftigung: Abweichung vom Landesdurchschnitt Beschäftigung: Abweichung vom Landesdurchschnitt Quelle: BFS, Credit Suisse Quelle: BFS, Credit Suisse Swiss Issues Regionen 12
Credit Suisse Economic Research Wirtschaft | Branchenstruktur Wertschöpfungsstarke Dienstleistungen untervertreten Produktivität Bruttoinlandprodukt pro Beschäftigten in CHF, 2011 Das Bruttoinlandprodukt pro Beschäftigten ermöglicht einen 180'000 ZG Vergleich der Wirtschaftskraft der Regionen und ist eine Be- wertung der Resultate des jeweiligen Branchenportfolios. Auf 160'000 CH Luzern Willisau Sursee/ regionaler Ebene sind bisher nur Zahlen bis 2011 verfügbar. NW Seetal SZ Entlebuch 140'000 LU Sie weisen für den Kanton Zug die höchste Produktivität unter UR OW den betrachteten Regionen aus. Nidwalden und Luzern positio- 120'000 nieren sich dank wertschöpfungsstarker Dienstleistungsbran- 100'000 chen bei rund CHF 140‘000, bleiben damit aber unter dem 80'000 Landesmittel (CHF 150‘000). Mit teilweise hohen Beschäfti- gungsanteilen von Landwirtschaft und Tourismus erreichen die 60'000 Luzerner Regionen, Uri und Obwalden tiefere Produktivitäts- 40'000 werte. 20'000 0 thomas.ruehl@credit-suisse.com Quelle: BFS, Credit Suisse Zentralschweiz ist ein KMU-Land Beschäftigte nach Unternehmensgrösse 2012, Anteile der Grössenklassen, Vollzeitäquivalente Die durchschnittliche Unternehmensgrösse prägt die Struktur 100% eines Wirtschaftsstandortes. Während kleinere und eigentü- 90% mergeführte Unternehmen oft innovativer und flexibler sind als 80% Konzerne mit komplexen Strukturen, erbringen letztere oft eine 70% hohe Wertschöpfung. Ausserdem können Grossfirmen die 60% internationale Wahrnehmung eines Standorts positiv beeinflus- 50% sen. Ob- und Nidwalden zählen zu den Kantonen mit der 40% höchsten Dichte an kleineren und mittleren Unternehmen: 30% Nahezu 80% der Beschäftigten finden Arbeit in KMU. Im Zent- 20% rumskanton Luzern beschäftigen Grossunternehmen über 30% 10% der Arbeitnehmer. Im Vergleich zu Zürich, Genf und Basel- 0% Stadt bleibt der Anteil damit jedoch gering. BS GE ZH NE VD BE SO AG LU FR SH SG TI BL UR VS JU ZG TG GR GL OWNW AR SZ AI Mikrounternehmen Kleine Unternehmen Mittlere Unternehmen Grosse Unternehmen thomas.ruehl@credit-suisse.com Quelle: BFS, Credit Suisse Trotz geringer Grösse hohe Diversifikation der Branchen Konzentrationsindex Herfindahl Index (2011); Beschäftigte (Kreisgrösse) Im Gegensatz zu anderen kleineren Kantonen weisen Obwal- 1.2 150'000 den, Nidwalden und Uri keine überdurchschnittliche Konzentra- hoch UR BS 20'000 tion auf einzelne Branchen auf. Im Jura und in den beiden 1.0 Appenzeller Kantonen ist die Wirtschaft weniger breit abge- NW FR JU Unternehmenskonzentration stützt. Aus Sicht der Konzentration auf einzelne Unternehmen 0.8 GE OW Ist Uri – neben Basel-Stadt – der Spitzenreiter, Nid- und Ob- AR NE SH walden erreichen ebenfalls überdurchschnittliche Werte. Damit 0.6 BE AI GL VD VS ist der wirtschaftliche Erfolg stark von den Entscheidungen der LU 0.4 entsprechenden Unternehmensleitungen abhängig. Dank sei- SO TI BL AG TG ZH ZG ner Grösse und der strukturellen Heterogenität zählt Luzern zu 0.2 SG GR SZ den breit diversifizierten Kantonen. Dies stabilisiert die konjunk- turelle Entwicklung, schwächt jedoch die Cluster-Effekte, die 0.0 etwa in Basel-Stadt ein zentrales Standortargument für die 2.5 3 3.5 4 4.5 5 5.5 6 tief dortige Pharmabranche sind. tief Branchenkonzentration hoch thomas.ruehl@credit-suisse.com Quelle: BFS, Credit Suisse Swiss Issues Regionen 13
Credit Suisse Economic Research Wirtschaft | Strukturwandel Luzerner Stellenwachstum staatlich getrieben In der Schweiz werden nach wie vor Arbeitsplätze geschaffen, insbesondere in den Zentren und Agglomerationen. Stärker als in anderen Teilen der Zentralschweiz ba- siert das Wachstum in Luzern vor allem auf Staat und Gesundheitswesen. Zug ist die Die Zentralschweizer Wirtschaft ist seit den Neunzigerjahren deutlich stärker gewachsen als der Wachstumslokomotive Landesdurchschnitt. Unter den Grossregionen verzeichnet einzig der Genferseeraum eine leicht höhere Zunahme der Beschäftigung (vgl. Abb. 1). Die kurzfristige Seitwärtsbewegung aufgrund der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise hat die Dynamik kaum aufgehalten. Der Lö- wenanteil des Wachstums zwischen 2008 und 2012 entfällt auf den Kanton Zug, die Stadt Lu- zern ist jedoch ebenfalls um über 6% gewachsen. Dem gegenüber stehen die ländlichen und gebirgigen Regionen – etwa Uri – die einen Rückgang der Beschäftigung erlitten haben. Von der Scholle zum Das Beschäftigungswachstum verläuft nicht linear über die gesamte Wirtschaft, sondern geht Standort globaler mit strukturellen Veränderungen einher: Von der landwirtschaftlich geprägten Vergangenheit der Unternehmen Zentralschweiz zeugen zahlreiche Traditionsprodukte, etwa der Sbrinz oder das «Bürgler Mutschli». Ende des 18. Jahrhunderts war die Hälfte der Zentralschweizer Beschäftigten in der Landwirtschaft tätig. Noch heute haben die meisten Teilregionen der vier Kantone einen über- durchschnittlichen Anteil, allen voran das Entlebuch mit rund einem Viertel der Beschäftigten. Der Rest der Wirtschaft hat sich jedoch stark in Richtung von Bau und Industrie sowie vor allem zum Dienstleistungssektor hin entwickelt. Markt erzwingt Struktur- In einem Prozess schöpferischer Zerstörung bewirken die Märkte die Abwanderung oder den wandel Untergang unproduktiver Wirtschaftsbereiche. Dadurch werden Raum und Kapazität für die Produktion neuer, höherwertiger Güter und Dienstleistungen geschaffen. Neue Technologien spielen eine zentrale Rolle und können das Wertschöpfungspotenzial einer Region steigern. Strukturwandel hat oft unerwünschte kurzfristige Konsequenzen, etwa den Verlust von Arbeits- plätzen oder eine temporär höhere Arbeitslosigkeit. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass sich nach- haltiges Wirtschaftswachstum nur mit einer Bewegung weg von wertschöpfungsschwächeren und hin zu wertschöpfungsintensiveren Tätigkeiten erreichen lässt. Die direkte politische Ein- flussnahme auf die Wirtschaftsstruktur oder deren Wandel hat sich verschiedentlich als nicht nachhaltig erwiesen. Eine nachhaltigere Strategie zur Pflege der Wirtschaftsstruktur ist die Op- timierung der allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Die Gefahr, dass der Staat den Markt übermässig verzerrt oder in die «falschen» Branchen investiert, und die entsprechen- den Kosten lassen sich dadurch verhindern.2 Abbildung 1 Abbildung 2 Beschäftigungswachstum der Grossregionen Beschäftigungswachstum 2008 – 2012 Beschäftigungswachstum, Index, 1996 I = 100, Vollzeitäquivalente Vollzeitäquivalente, in Prozent 130 12% ZG 125 10% Stadt 120 Zug 8% Stadt ZH Luzern 115 6% LU CH OW SZ 110 4% NW 105 2% AG BE 100 0% 95 Zentralschweiz Espace Mittelland Nordwestschweiz Zürich CH -2% 90 UR 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 -4% Quelle: Seco, Credit Suisse Quelle: BFS 2 Weitere Informationen: Standortqualität der Schweizer Kantone und Regionen, Credit Suisse, September 2013. Swiss Issues Regionen 14
Credit Suisse Economic Research Staatsnahe Branchen Landesweit haben die Unternehmensdienstleistungen am stärksten zum Beschäftigungswachs- wachsen in Luzern stark tum beigetragen. Die Zentralschweizer Kantone profitieren ebenfalls vom starken Wachstum dieser Branchengruppe. An zweiter Stelle folgen die staatsnahen administrativen und sozialen Dienste, insbesondere das Gesundheitswesen und die öffentliche Verwaltung. In der Stadt Lu- zern machen diese Branchen über die Hälfte des Beschäftigungswachstums aus. Allein im Ge- sundheitswesen sind zwischen 2008 und 2012 über 1‘300 zusätzliche Arbeitsplätze entstan- den. Dem gegenüber steht die Entwicklung in den Nachbarkantonen: In Nid- und Obwalden haben die staatsnahen Branchen stagniert, in Uri sind sie sogar geschrumpft. Das Gesund- heitswesen hat demographischen und technologischen Rückenwind. Allfällige Risiken sind poli- tischer Natur: Die neue Spitalfinanzierung dürfte den Wettbewerb mittelfristig verstärken. Dies dürfte den Luzerner Spitälern durchaus Auftrieb geben, da sie sich mit grösseren Fallzahlen und einer stärkeren Spezialisierung von den Konkurrenten in den südlichen Nachbarkantonen abhe- ben dürften. Industrie wandelt sich in Während die Spitzenindustrie landesweit geschrumpft ist, schafft diese in Uri, Obwalden und Richtung Hightech Nidwalden Stellen. Gleichzeitig sind die weniger technologieintensiven traditionellen Industrie- branchen von Rückgängen betroffen, was auf einen Strukturwandel innerhalb des Werkplatzes hindeutet. Dem gegenüber stehen die Handels- und Verkaufsbranchen, die in den Kantonen am Vierwaldstättersee Stellen abgebaut haben. Luzerns Erfolg als einer der umsatzstärksten Verkaufsstandorte für Uhren und Luxusgüter täuscht damit über die gesamte Entwicklung der Branche hinweg. Obwalden: Normalisierung Eine spannende Komponente des Strukturwandels sind Unternehmensgründungen. Gemessen nach Gründungs-Euphorie an der Beschäftigung, ist der Einfluss oft eher gering, beginnen doch sämtliche Firmen klein. Innovative Produkte und Dienstleistungen mit Zukunftspotenzial entstehen jedoch oft in Startup- Unternehmen. Aufgrund des oft hohen Zeit- und Mitteleinsatzes ist eine Gründung für (Jung- )Unternehmer ein Entscheid mit langfristigen Konsequenzen. Der Businessplan, die Finanzie- rung und der Geschäftsstandort werden entsprechend sorgfältig gewählt. Obwalden erlebte ab 2006 einen starken Anstieg der Neugründungen, was grösstenteils auf die stark gesenkte Steuerbelastung für Unternehmen zurückgeht. Das Beispiel zeigt den Zusammenhang zwischen der Standortqualität und dem Strukturwandel. Ob in Luzern nach der Steuerreform 2012 eine ähnliche Euphorie ausbrach, lässt sich mit den verfügbaren Zahlen der Bundesstatistik noch nicht eindeutig feststellen. Aufgrund des grösseren Unternehmensbestands dürften die Grün- dungsraten in Luzern jedoch kaum diejenigen Obwaldens oder gar Zugs erreichen. Anekdotisch und auf Basis von Handelsregisterzahlen lässt sich seit 2012 ein Anstieg an Neugründungen zeigen. thomas.ruehl@credit-suisse.com Abbildung 3 Abbildung 4 Strukturwandel Gründungsdynamik Wachstumsbeiträge der Branchengruppen, 2008–2012, in Prozent, 2. und 3. Sektor Rate der neu gegründeten Unternehmen in Prozent des Unternehmensbestands 20% Traditionelle Industrie Spitzenindustrie 9% Bau Energieversorgung Handel und Verkauf Verkehr, Transport, Post 8% 15% Information, Kommunikation, IT Finanzdienstleistungen Unternehmensdienstleistungen Unterhaltung und Gastgewerbe 7% Administrative und soziale Dienste 10% 6% 5% 5% 4% 0% 3% -5% 2% 1% -10% LU UR OW NW SZ ZG CH ZG Stadt ZH Stadt LU CH OW SZ NW AG BE UR 0% Zug Luzern 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Quelle: Bundesamt für Statistik Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Swiss Issues Regionen 15
Credit Suisse Economic Research Wirtschaft | KMU und Exporte Weltmeisterliche Zentralschweizer KMU Die Zentralschweizer MEM-Exportindustrie ist vergleichsweise erfolgreich. Jedes 10. Industrie-KMU der Region gibt an, ein «Hidden Champion» zu sein. Deutschland ist der wichtigste Exportmarkt für Zentralschweizer Industrie-KMU. Zentralschweiz geprägt Seit Generationen beheimatet die Zentralschweiz erfolgreiche, global ausgerichtete Industriebe- durch erfolgreiche, global triebe. In allen vier Kantonen finden sich namhafte Beispiele wie der Nidwaldner Flugzeugbauer tätige Firmen aus der Pilatus, der Luzerner Lifthersteller Schindler, der Obwaldner Elektromotorproduzent Maxon Mo- MEM-Industrie tor oder die Urner Dätwyler-Werke. Angesichts der Branchenzugehörigkeit dieser Firmen ist es nicht erstaunlich, dass die Zentralschweizer Exporte stärker durch die Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM-Industrie) geprägt sind als beispielsweise durch pharmazeutische Produk- te, die auf Landesebene dominieren (vgl. Abb. 1). Zentralschweizer MEM- Die Gesamtexporte der Region nahmen zwischen 2004 und 2013 mit 20% weniger stark zu als Industrie schlägt sich bes- diejenigen der Gesamtschweiz (+38%), was aber im Wesentlichen auf den Branchenmix zu- ser als Branche in der übri- rückzuführen ist. Das Gesamtschweizer Exportwachstum war in diesem Zeitraum hauptsächlich gen Schweiz durch Pharma- und Uhrenausfuhren getrieben – Exportbranchen, die in Luzern, Ob- und Nidwalden sowie Uri unterdurchschnittlich vertreten sind. Dafür wuchsen aber die Ausfuhren anderer Exportbranchen in der Region vergleichsweise dynamisch. Das trifft insbesondere auf den Maschinenbau und die Elektrotechnik sowie die Metallindustrie zu (vgl. Abb. 2). Zusammen mit dem Fahrzeugbau exportierten diese Sektoren 2013 rund ein Viertel mehr als 2004. Auf Landesebene betrug das Plus lediglich 3%. Nicht nur Grossbetriebe, Für diese Entwicklung waren nicht nur die oben genannten Grossfirmen verantwortlich. In unse- auch KMU stark exportori- rer jüngsten KMU-Exportstudie zeigen wir, dass Schweizer Industrie-KMU für rund 20% der entiert gesamten Warenexporte verantwortlich sind (vgl. Abb. 3)3. In der Zentralschweiz dürfte dieser Anteil etwas höher liegen, weil die hier überproportional wichtigen MEM-Exporte allgemein stärker KMU-geprägt sind als die auf landesweiter Ebene wichtigeren Ausfuhren pharmazeuti- scher Produkte. Eine im Rahmen der KMU-Exportstudie durchgeführte Umfrage zeigt, dass rund die Hälfte aller Zentralschweizer Industrie-KMU exporttätig ist, was etwa dem Schweizer Mittel entspricht. Durchschnittlich erzielen diese Firmen etwas über 40% ihres Umsatzes im Ausland. Abbildung 1 Abbildung 2 Zentralschweizer Exporte stärker durch MEM geprägt Zentralschweizer MEM erfolgreicher als Gesamtschweizer Anteil an Gesamtexporten in Prozent (2013) Entwicklung nominale Exporte, Index 2004 = 100 100% 180 Maschinenbau, Elektrotechnik (LONU) Metall (LONU) Maschinenbau, Elektrotechnik Maschinenbau, Elektronik (CH) Metall (CH) 23% 31% Metall 80% 160 Fahrzeugbau 8% 60% 1% 140 12% Chemie/Pharma 11% Holz/Papier/Druck 40% 39% 120 12% Lebensmittel 20% 3% 100 5% Textilien 28% 15% Sonstiges 0% 80 LU, OW, NW, UR Schweiz 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Quelle: Eidgenössische Zollverwaltung, Credit Suisse Quelle: Eidgenössische Zollverwaltung , Credit Suisse 3 Vgl. Credit Suisse (2014): Erfolgsfaktoren für Schweizer KMU – Perspektiven und Herausforderungen im Export. Swiss Issues Regionen 16
Credit Suisse Economic Research Globalisierung führt zu Auch wenn verschiedene exportierende Zentralschweizer Industriebetriebe seit Generationen Spezialisierung und zu existieren, hat sich das Umfeld in den letzten zwei Dekaden massiv verändert. Einzelne Elemen- «Hidden Champions» te der globalen Wertschöpfungsketten verteilen sich heute nicht nur über viele Länder, sondern auch über eine grosse Zahl an Firmen. Jedes Unternehmen stellt innerhalb einer Wertschöp- fungskette diejenigen Güter her beziehungsweise erbringt diejenigen Dienstleistungen, bei wel- chen es komparative oder absolute Vorteile hat. Dies führt zu einer hochgradigen Spezialisie- rung, welche darin mündet, dass auch sehr kleine Firmen für ganz spezifische Produkte, Kom- ponenten oder Dienstleistungen globale Marktführer sein können. Da diese Nischen mitunter sehr klein ausfallen, sind diese Unternehmen nicht selten ausserhalb der jeweiligen Branche praktisch unbekannt. Daher nennt man sie auch «Hidden Champions», also «versteckte Welt- meister». Jedes 10. Zentralschweizer Generell finden sich «Hidden Champions» vor allem in den Branchen Maschinenbau, Elektro- Industrie-KMU ist ein «Hid- technik und Präzisionsinstrumente. Viele dieser Firmen sind jedoch keine KMU im engeren den Champion» Sinne, da sie mehr als 250 Mitarbeitende beschäftigen. Beispiele dafür wären die Obwaldner Leister AG – weltweiter Marktführer bei Geräten zum Schweissen von thermoplastischen Kunst- stoffen – oder die Luzerner Trisa AG, welche ein global führender Produzent im Bereich der Mund-, Haar- und Körperpflege ist. Dass es aber auch «Hidden Champions» bei eigentlichen KMU-Betrieben gibt, beweisen die Beispiele von Thermoplan in Weggis/LU und der Aerolite Max Bucher AG in Ennetbürgern/NW. Thermoplan beliefert unter anderem Starbucks seit 1999 mit vollautomatischen Espressomaschinen, Aerolite ist Marktführer bei der Ausstattung von Ret- tungshelikoptern. In der im Rahmen der KMU-Exportstudie durchgeführten Umfrage gaben 11% aller Zentralschweizer Industrie-KMU an, dass sie mindestens für ein Kernprodukt globaler Markführer sind. Dies entspricht dem Anteil auf Gesamtschweizer Ebene. Luzerner, Ob- und Nidwald- Die internationale Ausrichtung der Zentralschweizer KMU zeigt sich auch in den Exportdestinati- ner sowie Urner KMU un- onen. Durchschnittlich exportierte ein international tätiges Zentralschweizer Industrie-KMU im terdurchschnittlich in Jahr 2012 seine Produkte in etwas über vier Länder. Als Absatzmarkt steht dabei ganz klar Schwellenländern präsent Europa im Zentrum, wohin 46% der Industrie-KMU exportieren (schweizweit: 50%). Stärker noch als in den meisten anderen Landesgegenden ist dabei Deutschland wichtigster Absatz- markt. Aussereuropäische Märkte werden von Zentralschweizer KMU hingegen weniger stark bedient als von Betrieben aus der restlichen Schweiz. So verkaufen nur rund 21% der kleinen und mittelgrossen Unternehmen ihre Waren in Schwellenländern wie China oder Brasilien (inkl. Schwyzer und Zuger KMU: 24%). Der Schweizer Durchschnitt liegt hier bei 28%. andreas.christen@credit-suisse.com Abbildung 3 Abbildung 4 Zentralschweizer KMU weniger präsent in Schwellenlän- Rund 1/5 aller Warenexporte stammen von KMU dern Anteil Gesamtschweizer Warenexporte 2012 nach Unternehmensgrössenklassen Anteil der KMU, welche 2012 in mindestens ein Schwellenland exportierten, in Prozent 1% 4% Nordwestschweiz Zürich 30% Espace/Mittelland 34% 24% Kleinunternehmen Ostschweiz Zentralschweiz 32% Mittelgrosse 33% Unternehmen 21% 81% Grossunternehmen Tessin Genferseeregion Quelle: Credit Suisse KMU-Umfrage 2014 Quelle: Credit Suisse KMU-Umfrage 2014, Geostat Swiss Issues Regionen 17
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