MOSCHEEN gestern und heute - Tag der offenen Moschee
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Liebe Leserinnen und Leser, schaften. Der TOM hat seit seiner Initiierung mehr als zwei Millionen Menschen zusam- ein Kind, das 1997 geboren wurde, ist heute mengebracht. Sie alle haben einen wichtigen 25 Jahre alt. Es wäre heute, nach Höhen und Beitrag für ein gelingendes und friedvolles Tiefen, erwachsen und stünde mit beiden Bei- Zusammenleben in Deutschland geleistet. nen im Leben. So ist es auch mit dem Tag der Dafür sei ihnen allen gedankt. offenen Moschee. In den Händen halten Sie unser Magazin mit Der TOM, wie er genannt wird, wurde 1997 dem Titel „25 Jahre TOM – Moscheen ges- ins Leben gerufen. Seitdem findet er jedes tern und heute“. So lautet auch das Motto Jahr, ohne Unterbrechung statt. 2007 haben des Tages der offenen Moschee 2021. In dem wir, der Koordinationsrat der Muslime (KRM), Magazin geht es um zweierlei Unverzicht- uns dieser Initiative angenommen. Im KRM bares: Moscheen und Menschen. Deshalb sind sechs islamische Religionsgemeinschaf- finden Sie darin sowohl Beiträge, die die ten und damit rund 2000 von insgesamt 2400 Entwicklung und den Wandel der Moschee- Moscheen in Deutschland vertreten. Um dem gemeinden nachzeichnen, als auch Porträts TOM ein einheitliches Auftreten zu geben, von Personen, die stellvertretend für viele ihn bekannter zu machen und die Moschee- andere, diesen Wandel ermöglicht und mit- gemeinden bei der Vorbereitung und Durch- getragen haben. Daher gilt ein besonderer führung zu unterstützen wurde ein Ratgeber Dank den vielen ehrenamtlichen Menschen erstellt und eine Homepage eingerichtet. Es in unseren Gemeinden, Frauen und Män- findet eine zentrale Auftaktveranstaltung nern, Jung und Alt. Ohne sie wäre ein Groß- statt, auf der das Motto vorgestellt wird. teil des muslimischen Lebens in Deutschland kaum vorstellbar. Ihnen sei dieses Magazin Der TOM ist zum Sinnbild der offenen Mo- gewidmet. Herausgeber schee geworden. Sehr viele Menschen kennen Koordinationsrat der Muslime (KRM) und schätzen ihn als Zeichen für selbstver- Danken möchten wir auch den bisherigen Venloer Straße 160 | 50823 Köln ständliche Partizipation und Offenheit. Jedes Mitgliedern der TOM AG, Rafet Öztürk (DI- Jahr nehmen mehr als 1.000 Moscheen an TIB), Ali Mete (Islamrat), Nurhan Soykan T: +49 221 50 800 500 der Aktion teil und empfangen rund 100.000 (ZMD) und Seyfi Öğütlü (VIKZ). Auch den www.koordinationsrat.de Besucher in gewohnter Gastfreundschaft. AG-Mitgliedern der neuen TOM AG, von de- info@koordinationsrat.de Besonders erfreulich ist, dass der TOM als nen Ali Mete und seine Redaktion, darunter Inspiration für ähnliche Projekte dient, in Muhammed Suiçmez und Kübra Zorlu, so- Redaktion | Design | Druck Deutschland wie auch in anderen Ländern wie Kübra Layik und Recep Yılkın, das Ma- PLURAL Publications GmbH Europas wie Österreich, Schweiz und Frank- gazin erstellt haben, sei gedankt. pluralverlag.eu reich. Wir wünschen uns, dass der TOM als Tag © Koordinationsrat der Muslime Als Basisprojekt hat der TOM einen starken des Kennenlernens, Austausches und der In- Köln, Oktober 2021 lokalen Bezug. Daher kommen an diesem novation noch lange fortbesteht. Und Ihnen, Tag kommunale Akteure aus vielen unter- liebe Leserinnen und Leser, wünschen wir Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf ohne schriftliche schiedlichen Bereichen zusammen – Vertre- eine aufschlussreiche Lektüre. Genehmigung des Koordinationsrates der Muslime weder ter aus Politik und Gesellschaft, genauso wie vollständig noch in Auszügen gedruckt, vervielfältigt oder aus Kirchen und anderen Religionsgemein- Ihr Koordinationsrat der Muslime mittels elektronischer Medien verbreitet werden. 3
06 12 20 34 60 74 Alle Jahre wieder: Alle Wege führen Wie alles begann Willkommen Eine Kultur der offenen Von Medina Tag der offenen Moschee in die Moschee in unserer Moschee! Tür und Herzen nach München 10 25 Jahre TOM heißt… 82 Neue Moschee mit langer Geschichte 26 Wer sitzt im KRM? 86 Wie ein Zuhause 30 Warum überhaupt ein Tag der offenen Moschee? 90 „Wir sind mit dem Neubau aus dem Hintergrund hervorgetreten“ 40 „Muslime sind ein wichtiger Teil des öffentlichen und sozialen Lebens“ 94 Moscheen voller Leben 44 „Eine Reise durch die Moscheen“ 98 Moscheen zu Zeiten von Corona: Räumlich getrennt, im Herzen vereint 48 „Muslimisches Leben hat unser Zusammenleben bereichert“ 102 Religiöse Dienste – von der Wiege bis ins Grab 52 Moscheeführungen gegen Vorurteile 106 Jugend und Frauenarbeit die Stütze jeder Moschee 56 „Der Glaube an Gott verbindet uns“ 110 „Ehrenamtliche Anstrengungen bereiten mir große Freude“ 64 „Ich wünsche mir mehr gegenseitige Begegnungen“ 112 „Für Bedürftige Menschen da sein“ 66 „Mir gefällt ganz besonders die Wahrnehmung mit allen Sinnen“ 114 „Je aktiver eine Gemeinde, desto mehr Interesse“ 68 „Moscheebesuche sind eine große Bereicherung für 116 „Ich möchte das Islambild zum Positiven verändern“ unseren Unterricht“ 118 „Nur wer aktiv dabei ist, kann etwas bewegen“ 70 „Öffentlichkeitsarbeit ist unsere tragende Kraft“ 120 FAQ zum Moscheebesuch 78 „Unsere Moschee ist für jeden offen“ 124 Zahlen zu Muslimen und Moscheen in Deutschland
Alle Jahre wieder: Tag der offenen Moschee Seit 1997 organisieren Muslime in Deutschland jährlich den Tag der offenen Moschee. Ein Selbstläufer, der weltweit zum Vorbild geworden ist. M uslimen begegnen, Moscheen besichtigen und Dialoge führen. Für viele Menschen in Deutschland ist der Tag der offenen Moschee ein fester Termin im Kalender und meist eine Aktivität für die ganze Familie. An die- sem Tag öffnen Moscheen ihre Türen, erzählen ihre Geschichte und führen durch das Moscheeinnere. Ob sogenannte „Hinterhofmoschee“ oder prachtvoller Neubau – jede Moschee ist in ihrer Art einzigartig und hat einen ganz eigenen Charakter. Für viele Muslime in Deutschland sind Moscheen mehr als nur ein Gebetsort – sie sind Teil ihrer Vergangenheit, Gegenwart und Zu- kunft. Teil ihrer Geschichte. Spuren vergangener Gene- rationen sind bis heute in den Moscheen sichtbar. Der TOM ist eine Möglichkeit, diese Facetten sichtbar(er) zu machen. 6 25 Jahre TOM 7
25 Jahre Tag der offenen Moschee – projekt der Muslime in Deutschland wurde ein Türöffner er im Laufe der Jahre zum Ausgangspunkt zahlreicher muslimischer Projekte im Be- Der TOM findet seit dem 3. Oktober 1997 reich Öffentlichkeits- und Dialogarbeit. jedes Jahr bundesweit statt. Seit 2007 orga- Hierzu gehören unter anderem Islamwo- nisiert der Koordinationsrat der Muslime chen, Straßenaktionen oder Einladungen (KRM) diesen Tag des Miteinanders und zum Iftar. Kennenlernens. Jährlich nehmen etwa 1000 Moscheen deutschlandweit daran teil und TOM weltweit tragen damit zum Dialog zwischen allen In- teressierten bei. Den TOM gibt es nicht nur in Deutschland, er ist Vorbild für ähnliche Projekt weltweit. In 25 Jahren hat der TOM vieles in die Wege Seit 2007 veranstalten mehrere muslimische geleitet und ist zum Türöffner geworden. Als Dachorganisationen in der Schweiz einen das älteste und verbreitetste Öffentlichkeits- Tag der offenen Moschee. Seit 2011 findet in Frankreich der „Mosquée porte ouverte“ statt und seit 2015 veranstaltet der muslimi- sche Dachverband „The Muslim Council of Britain“ einen landesweiten Tag der offenen Moschee unter dem Titel „Visit my Mosque“. In Teilen der USA öffnen seit 2000 jährlich die Moscheen am „Annual Open Mosque Day“ ihre Tore. In diesem Sinne wurde vom Propheten Mu- hammad (s) folgender Satz überliefert: „Wer im Islam einen guten Brauch einführt, be- kommt sowohl für die eigene Tat Lohn bei Allah als auch für die Tat derjenigen, die sie ausführen…“ (Muslim, Ilm, 6, Hadith Nr. 1017) Der Tag der offenen Moschee ist Ausgangspunkt zahlreicher muslimischer Projekte im Bereich Öffentlichkeits- und Dialogarbeit. 8 25 Jahre TOM 9
heißt... 2.000.000 1.000.000 Moscheebesucher Fragen 500.000 100.000 50.000 20.000 Gläser Tee Baklavas Moscheeführungen Ehrenamtler 5.000 1.000 500 100 Medienberichte Moscheen Fortbildungen Städte 25 TOM-Tage 6 islamische 1 Ziel Religionsgemein- schaften Kennenlernen 10 25 Jahre TOM 11
Alle Wege führen in die Moschee Der Tag der offenen Moschee dreht sich jedes Jahr um ein anderes Motto. Um welche Themen geht es und was hat es damit auf sich? Eine Übersicht. Zu den Zielen des einheitlichen Mottos gehört, einen zentralen Aspekt des Islams bzw. des muslimischen Lebens aus dem Selbstverständnis heraus darzustellen. 12 25 Jahre TOM 13
Warum ein Motto? Den Tag der offenen Moschee (TOM) gibt es seit 1997. Moscheen bzw. die Religions- gemeinschaften, denen sie angehören, ha- ben den TOM zwar gemeinsam am 3. Ok- tober begangen, inhaltlich und vom Format her jedoch in Eigenregie durchgeführt. Seit 2007 wird diese inzwischen traditionsreiche Aktion unter dem Dach des Koordinations- rates der Muslime (KRM) durchgeführt. Seitdem erarbeitet der KRM jedes Jahr ein TOM-Motto samt den dazugehörigen Ma- terialien wie Ratgeber für die Organisation des TOM, Plakate und Broschüren, die alle auf der offiziellen Homepage (www.tagde- roffenenmoschee.de) für jeden frei zugäng- lich sind. Zu den Zielen des einheitlichen Mottos ge- hört erstens, einen zentralen Aspekt des Islams bzw. des muslimischen Lebens aus dem Selbstverständnis heraus darzustel- len. Zweitens geht es darum, dieses Thema in den öffentlichen Fokus zu setzen. Damit gehört der TOM zu den öffentlichkeitswirk- samsten, aber bei weitem nicht einzigen Angebot der Muslime in Deutschland für Nichtmuslime. Moscheen: Ausgangspunkt von Lehre und religiösem Leben Die Mottos der ersten Jahre sind moschee- zentriert. Moscheen werden als Brücken (2007), als Orte der Besinnung und des Fei- erns (2008) und anlässlich des 60. Jubiläums der Bundesrepublik als fester Teil der Ge- sellschaft (2009) beschrieben. Den Rahmen, in dem Moscheegemeinden agieren, bilden 14 25 Jahre TOM 15
„elementare Rechte aller Mitglieder der des Propheten, sogenannte Hadithe, heran- Gesellschaft ohne Ansehen der ethnischen gezogen und erläutert, z. B. zu den Themen oder religiös-weltanschaulichen Zugehö- Umwelt, Familie, Arbeit und Dschihad. rigkeit“, weshalb das 60-jährige Jubiläum der Bundesrepublik und des Grundgesetzes Das Motto des Tages der offenen Moschee auch für Muslime ein Grund zur Freude ist. 2012 kann als eine Art Übergang gesehen werden. „Kaum ein Leser wird an Kunst und Aus ihrem Selbstverständnis heraus haben Kultur denken, wenn es um Islam, Muslime Moscheen ein Potenzial, das es für die Ge- und Moscheen geht“, heißt es offen. „Dabei sellschaft fruchtbar zu machen gilt. Hier- birgt die Geschichte des Islams viele Reichtü- zu müssen sich Muslime stärker in die Ge- mer in diesen Bereichen, die sich teilweise in sellschaft einbringen und die Moschee mit und um die Moscheen entwickelt haben und ihren vielfältigen Möglichkeiten der Gesell- Einfluss auf unser aller Leben haben.“ Vor schaft dienstbar machen. Dies kann nur ge- diesem Hintergrund gilt es, islamische Kunst- schehen, wenn die Moscheen ihren Platz in und Kulturformen zu fördern und als gesell- der Mitte der Gesellschaft einnehmen und schaftliche Bereicherung wahrzunehmen. als Bereicherung wahrgenommen werden. Umweltschutz und Migration Grundlagen: Koran und Sunna In den Jahren ab 2013 werden in den In den folgenden zwei Jahren, 2010 und 2011, TOM-Mottos aktuelle gesellschaftliche geht es dann weiter mit den beiden Quellen Entwicklungen aufgegriffen und aus isla- des Islams: Koran und Prophetentradition mischer Perspektive beleuchtet, von denen (Sunna). Anlass für das Motto „Der Koran hier nur einige wiedergegeben werden. Den – 1400 Jahre, aktuell und mitten im Leben“ Anfang macht das Thema Umweltschutz, ist das 1400. Jahr seit den ersten offenbar- das durch den TOM zu einer Zeit auf die ten Koranversen. Anhand des koranischen Tagesordnung hunderter Moschee gesetzt Schlüsselbegriffs „Verantwortung“ wird wurde, als sich Muslime in Deutschland dargelegt, wo Muslime ihre Verantwortung noch eher sporadisch damit beschäftigt ha- gegenüber sich selbst, ihrer Familie, ihren ben. Dem Leser der TOM-Broschüre 2013 Verwandten, den Nachbarn, der Gesell- wird verdeutlicht, dass „Umweltschutz vom schaft und der weltweiten Gemeinschaft Islam gefordert wird und dass das muslimi- (Umma) sehen. sche Bewusstsein eine Auseinandersetzung mit dem Thema nahelegt“. Zudem ist die Im Mittelpunkt des TOM 2011 steht das Broschüre ein Anstoß für Moscheegemein- Handeln des Propheten Muhammad (s), den, etwa ihren Wasser- und Energiever- das von Barmherzigkeit und Gerechtigkeit brauch zu überprüfen oder bewusster mit geleitet ist. Daher das Motto: „Muhammad Abfall umzugehen und sich im Sinne des – Prophet der Barmherzigkeit“. Um dies TOM-Mottos verstärkt für Umweltschutz zu verdeutlichen werden jeweils Aussagen einzusetzen. 16 25 Jahre TOM 17
Ähnlich aktuell war 2016 auch das Thema lässt sich nicht an einen bestimmten Ort Migration, vor dem Hintergrund der Zuwan- verbannen. Sie gehört zum Leben, sie ist derung von vor allem syrischen Flüchtlingen Teil des Lebens“, schreibt der KRM in der nach Deutschland. Zentraler Ausgangspunkt Broschüre 2018. Religiosität kann auf der der TOM-Broschüre ist die „Hidschra“, also Grundlage der Verfassung konfliktfrei aus- die Auswanderung der Muslime von Mek- gelebt werden. Dort, wo Konflikte entste- ka nach Medina. Diese gilt als Wendepunkt hen, sind oftmals Provokationen und Into- der islamischen Geschichte. In diesem Sin- leranz die Ursache. ne heißt es zum Abschluss: „Die Hidschra ist aktueller denn je. Als historisches Ereignis Heimat und Corona-Pandemie bietet sie eine Vielzahl von Aspekten, die wir heute mit auf unseren Weg nehmen und aus Eine andere aktuelle Entwicklung hat der denen wir für heutige Herausforderungen KRM 2019 aufgegriffen, nämlich das viel unsere Lehren ziehen können.“ diskutierte Thema der Heimat. Dieser Be- griff wurde und wird vermehrt mit natio- Nachbarschaft und Religiosität nalen, eindimensionalen Identitäten gleich- gesetzt. Muslime in Deutschland stehen für Ob zugewandert oder nicht, Muslime und einen unverkrampften Umgang mit dem Nichtmuslime leben in vielfältigen Bezie- Thema Heimat, dessen Vielschichtigkeit sie hungen zusammen: als Arbeitskollegen, anerkennen: „Unabhängig vom Herkunfts- Partner in Schule und Beruf, als Eltern in ort kann ein neuer Lebensmittelpunkt auch Bildungseinrichtungen und Kindergärten zur neuen Heimat werden. Es ist also durch- und nicht zuletzt als Nachbarn im Stadt- aus möglich, zwei oder gar mehrere Heima- teil. In der TOM-Broschüre 2017 zum The- ten zu haben.“ Daher lautet das Motto 2019: ma Nachbarschaft heißt es: „Die Moschee- „Menschen machen Heimat/en“. gemeinden, die bereits seit Jahrzehnten existieren, sind in den vergangenen Jahren 2020 wird als Jahr der Corona-Pandemie nicht nur sichtbarer, sondern auch zu ak- in Erinnerungen bleiben. Als solches hat es tiven Akteuren auf der kommunalen Ebe- auch seinen Platz unter den TOM-Mottos ne geworden. Sie sind ebenso zu Nachbarn eingenommen. Dem Koran und der Sunna vieler Menschen geworden und sind Orte liegt das Prinzip des Gemeinwohls zugrun- eines guten Miteinanders. Häufig ist unbe- de. Das bedeutet: Der Schutz des mensch- kannt, wie wichtig der Islam die Nachbar- lichen Lebens hat in Extremfällen Vorrang schaft bewertet.“ vor religiösen Riten. Vor diesem Hinter- grund haben die Moscheegemeinden ihre Ein Thema, das unsere Gesellschaft be- Aktivitäten zeitweise auf ein Minimum schäftigt ist Religion bzw. Religiosität im reduziert und stattdessen mit zahlreichen öffentlichen Leben. „Ob in die eigenen vier Hilfsprojekten ihre Unterstützung in dieser Wände oder in die Moschee: Religiosität außergewöhnlichen Zeit angeboten. 18 25 Jahre TOM 19
Wie Der Koordinationsrat der Muslime in Deutschland (KRM) - Gründung und Entwicklung alles begann I n den Siebzigerjahren gründeten die und Gesellschaft zu organisieren. Als Bei- damaligen „Gastarbeiter“, vornehm- spiele können der Islamrat (1986) oder der lich aus der Türkei, die ersten Gebets- Zentralrat der Muslime (1994) genannt wer- stätten und Moscheen in Deutschland. den. Die Seevetaler Tagung unter dem Motto Diese schlichten Räume wurden in erster „Einheit der Muslime“ im Jahre 2005 war ein Linie dafür genutzt, um die alltäglichen reli- weiterer wichtiger, wenn auch vorerst er- giösen, aber auch kulturellen Bedürfnisse zu folgloser Anlauf, um die größten islamischen decken. Später vernetzten sich die Moschee- Gemeinschaften zusammenzubringen. gemeinden untereinander und schlossen sich zu unterschiedlichen Dachverbänden Vor diesem Hintergrund wurde am 28. März zusammen. Seitdem prägen sie das musli- 2007 in Köln der Koordinationsrat der Musli- mische Leben in Deutschland und gestalten me (KRM) von den vier großen islamischen Re- das öffentliche Zusammenleben hierzulande ligionsgemeinschaften „Türkisch-Islamische aktiv mit. Union der Anstalt für Religion“ (DITIB), „Is- lamrat für die Bundesrepublik Deutschland“, Mitte der Achtziger- und Neunzigerjahre gab „Verband der Islamischen Kulturzentren“ es Bemühungen, die größeren Dachverbände (VIKZ) und „Zentralrat der Muslime“ (ZMD) unter einem Spitzenverband zu versammeln gegründet. Ziel war es gemeinsame Religions- und als Ansprechpartner gegenüber Politik gemeinschaften in den Bundesländern und 20 25 Jahre TOM 21
auf der Bundesebene zu etablieren und An- sentativen Studie „Muslimisches Leben in samen einheitlichen Ansprechpartner der sowie tagesaktuellen und allen anderen sprechpartner für Politik und Zivilgesellschaft Deutschland 2020“ fühlen sich 38 Prozent Muslime nach. Ziel des Koordinationsrates Fragen, die die Muslime in Deutschland be- zu werden. Am 2. Juli 2019 kam es zu einer Er- der Muslime von mindestens einer islami- ist die Schaffung einer einheitlichen Vertre- treffen. Hierzu gehören zum Beispiel: das weiterung des KRM um zwei neue Mitglieder. schen Gemeinschaft vertreten. Bei türkei- tungsstruktur auf Bundesebene und recht- Kopftuch, Staatsverträge, Halal-Lebensmit- Die „Union der Islamisch Albanischen Zentren stämmigen Muslimen, die rund die Hälfte licher sowie organisatorischer Vorausset- tel, gemeinsame islamische Feiertage, isla- in Deutschland“ (UIAZD) und der „Zentralrat alle Muslime ausmachen, sind es sogar 57 zungen für die „Anerkennung“ des Islams mischer Religionsunterricht und islamische der Marokkaner in Deutschland“ (ZRMD) tra- Prozent. in Deutschland. Zudem arbeiten die Mit- Theologie sowie antimuslimischer Rassis- ten dem Koordinationsrat bei. glieder kontinuierlich vor allem in solchen mus. Die Gründung des KRM wurde auf einer Bereichen zusammen, die die gemeinsamen Gründung und Entwicklung Pressekonferenz im Rahmen einer gemein- Interessen der Muslime berühren und eine Interreligiöser Dialog sam gestalteten Festlichkeit zu Ehren des bundeseinheitliche Interessenvertretung der Die Gründungsmitglieder des KRM waren Propheten Muhammad (s) am 10. April 2017 Muslime erfordern. Seit seinem Bestehen setzt sich der KRM für die vier islamischen Religionsgemeinschaf- in der KölnArena (heute Lanxess Arena) be- den Dialog mit anderen Religionsgemein- ten DITIB, Islamrat, VIKZ und der ZMD. Sie kanntgegeben. Der Koordinationsrat der Muslime entstand schaften ein. Er ist Mitglied in Dialoggre- repräsentierten und repräsentieren die ab- im Kontext der damaligen gesellschaftlichen mien, nimmt an interreligiösen Begegnun- solute Mehrheit der Moscheegemeinden in Mit der Gründung des KRM kommen die Herausforderungen sowie der Deutschen Is- gen teil bzw. organisiert diese mit. Mit der Deutschland, in denen das islamische Ge- Organisationen dem Wunsch der Muslime lam Konferenz (DIK). Die DIK begrüßte die Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) meindeleben stattfindet. Laut der reprä- und der Gesellschaft nach einem gemein- Gründung des KRM, da dieser als zentraler kommt der KRM jährlich zu einem Spitzen- Ansprechpartner für eine effektive Zusam- treffen zusammen. Gemeinsam veröffent- menarbeit zwischen Staat und Muslimen er- lichten der KRM und die EKD im Mai 2015 forderlich war. einen Dialogratgeber mit Ratschlägen für mehr interreligiöse Sensibilität in Altenpfle- Somit traten Staat und Muslime in einen geheimen, Kindergärten, Schulen und Kran- nachhaltigen Austausch über unterschied- kenhäusern. liche Themen des Zusammenlebens in Deutschland. Trotz der Debatten über struk- Islamischen Theologie an deutschen turelle und andere Probleme war und ist der Universitäten Dialog zwischen Staat und muslimischen Vertretern ausschlaggebend für die Zusam- Der KRM ist seit dem Beginn in die Etab- menarbeit innerhalb der DIK. Hierbei sind lierung der islamischen Theologie an deut- die islamischen Religionsgemeinschaften, schen Universitäten im Jahre 2010 eingebun- als unverzichtbare Partner für die Mitgestal- den. Infolgedessen ist es heute möglich, an tung des Zusammenlebens in Deutschland, mehreren Standorten in Deutschland, isla- nicht mehr wegzudenken. mische Theologie zu studieren. Auch wenn die Form der Einbindung islamischer Ge- Wirken des KRM meinschaften in die universitäre islamische Theologie noch nicht den verfassungsge- Der KRM nimmt auf unterschiedlichen mäßen Vorgaben entspricht, wirkt der KRM Plattformen Stellung zu religionsverfas- kritisch und konstruktiv an den Zentren für sungsrechtlichen, gesellschaftspolitischen islamische Theologie mit. 22 25 Jahre TOM 23
Islamischer Religionsunterricht (IRU) Des Weiteren engagiert sich der KRM unter der offiziellen Homepage www.tagderoffe- Seit 2007 hat der KRM es geschafft, als anderem im Rahmen der Internationalen nenmoschee.de zu finden. Sprachrohr für alle Belange der Muslime Die Bemühungen zur Einrichtung eines flä- Woche gegen Rassismus, um gesamtgesell- wahrgenommen zu werden. Er hat gemeinsa- chendeckenden islamischen Religionsunter- schaftlich Rassismus und Diskriminierung Rück- und Ausblick me Standpunkte entwickelt und diese seinen richts (IRU) an öffentlichen Schulen reichen entgegenzutreten, wie er z. B. in Hanau zu- Mitgliedsgemeinden und der Öffentlichkeit bis in die späten 1970er Jahre zurück. Der tage getreten ist. Trotz aller Widrigkeiten und Kritik hat der kommuniziert, wie etwa zu Beginn der Co- bekenntnisorientierte IRU soll muslimischen KRM in vielen Bereichen viel Arbeit geleis- rona-Pandemie, als es darum ging, entspre- Schülern einen positiven Bezug zu ihrem Tag der offenen Moschee (TOM) tet, die es zu würdigen gilt. Vor der Gründung chende Maßnahmen in den Moscheen umzu- Glauben vermitteln und ist ein Zeichen für des KRM hielt man es aus unterschiedlichen setzen. Der KRM hat ständige Arbeitsgruppen religiöse Vielfalt und Normalität an öffent- Der Tag der offenen Moschee wurde ge- Gründen für kaum möglich, dass diese Re- zu unterschiedlichen Themen gebildet, um lichen Schulen. In diesem Sinne unterstützt meinsam mit dem damaligen Bundesprä- ligionsgemeinschaften zusammenkommen die Belange der Muslime zu verfolgen. Er hat der KRM die Bestrebungen der Bundeslän- sidenten Roman Herzog initiiert. 2007 hat könnten, wie es auch die Vorgängermodelle es geschafft, islamische Feiertage in Deutsch- der, sofern diese den verfassungsrechtlichen der Koordinationsrat der Muslime die Lei- des KRM zeigten. land zu vereinheitlichen. Rahmenbedingungen entsprechen. Mo- tung für diesen Tag des Miteinanders und mentan gibt es, je nach Bundesland, unter- Kennenlernens übernommen. Der Tag Der KRM ist Ansprechpartner für Staat und schiedliche Modelle des „Islamischen Reli- der deutschen Einheit wurde bewusst Gesellschaft und somit zum Beispiel gionsunterrichts“, in die der KRM sich auf gewählt, um zu signalisieren: Der Is- an der universitären Etablierung unterschiedliche Weise einbringt. lam ist ein Teil Deutschlands. Jähr- der islamischen Theologie und lich nehmen etwa 1000 Moscheen des islamischen Religionsunter- Engagement gegen Islamfeindlichkeit deutschlandweit am Tag der offe- richts beteiligt. Auch wenn man und Rassismus nen Moschee teil und tragen damit das Ziel, gemeinsame Strukturen zum Dialog zwischen allen Inter- in den Bundesländern zu etablieren Ein weiteres Anliegen des KRM ist die stei- essierten bei. noch nicht erreicht hat, kann insge- gende Islamfeindlichkeit in all ihren Aus- samt gesagt werden, dass die isla- prägungen. Der traurige Höhepunkt des Ziel dieser Begegnungen ist es, mische Moscheen- und Institutions- Islamhasses war die Ermordung von Mar- durch Aufklärungsarbeit vor landschaft stetig in Bewegung ist. wa El-Sherbini im Gerichtssaal in Dresden. Ort Vorurteile abzubauen, Dem KRM zufolge ist die Bekämpfung von Fehlinformationen Einhalt zu Vor allem Moscheen haben ein Islamfeindlichkeit, insbesondere Moschee- gebieten und Wissen über den großes Potenzial, das es für die angriffen, und allen Formen des Rassismus Islam und das muslimische Gesellschaft fruchtbar zu ma- eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Gemeindeleben zu vermitteln. chen gilt. Hierzu müssen sich Der Tag der offenen Moschee einerseits Muslime stärker in Auch das NSU-Verfahren beschäftigt den baut Brücken zwischen Men- die Gesellschaft einbringen und KRM. Die schreckliche Mordserie, die schen unterschiedlicher Religionen die Moschee mit ihren vielfälti- schleppende Aufarbeitung und das Behör- und Kulturen und schafft Verständ- gen Möglichkeiten der Gesellschaft denversagen in dieser beispiellosen Epi- nis und Empathie. dienstbar machen. Andererseits kann sode der neueren deutschen Geschichte dies nur geschehen, wenn die Moscheen führte dazu, dass der KRM im November Jedes Jahr wird der TOM unter ei- einen Platz in der Mitte der Gesellschaft 2012 ein umfangreiches Dossier über den nem anderen Motto durchgeführt. einnehmen und als Bereicherung wahr- NSU-Rechtsterror veröffentlichte. Weitere Informationen hierzu sind auf genommen werden. 24 25 Jahre TOM 25
Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB) Wer Die Türkisch-Islamische Union der An- aller Altersgruppen), die Bestattungshilfe stalt für Religion (DITIB) wurde 1984 nach sowie die Sozial- und Integrationsarbeit. deutschem Vereinsrecht in Köln gegrün- det. Ihr Ziel ist es, die religiösen, sozialen Die DITIB legt Wert auf Freundschaftlich- und kulturellen Angebote der Gemeinden keit, Achtung, Nachsicht, Toleranz und zu koordinieren. Zu den Tätigkeitsfeldern Solidarität der Menschen untereinander sitzt im der DITIB mit ihren mehr als 900 Mo- und gegenüber anderen Glaubensangehö- scheegemeinden gehört die Jugend- und rigen. Diese Eigenschaften stimmen auch Frauenarbeit, die Familien- und Sozialbe- mit den Grundsätzen des Islams überein. ratung (psychologische und pädagogische Jede Form von Gewalt wird konsequent Beratung und Betreuung von Migranten abgelehnt. KRM? Islamrat der Bundesrepublik Deutschland Der Islamrat für die Bundesrepublik Das größte Mitglied des Islamrats, die Deutschland (IRD) wurde 1986 als Dach- Islamische Gemeinschaft Millî Görüş organisation mehrerer islamischer Ge- (IGMG), wurde 1995 mit Sitz in Köln ge- meinschaften gegründet. Heute sind rund gründet. Sie versteht sich als islamische 440 Moscheegemeinden Mitglied im Is- Religionsgemeinschaft und ist weltweit lamrat. Zu seinen Mitgliedern gehören in 37 Regionalverbänden mit mehr als die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş 600 Moscheen vertreten, davon mehr (IGMG), Gemeinden der Nurculuk-Be- als 400 in Deutschland. Die IGMG ist wegung sowie alevitische und andere untergliedert in zahlreiche Unterorga- Gemeinden. Ziel des Islamrats ist es, dass nisationen wie Frauen-, Jugend- und Muslime in Deutschland die eigene Religi- Frauenjugendverbände. Ihre umfassen- on frei und selbstbestimmt leben können. den Tätigkeitsbereiche reichen von re- Hierzu gehört die „Anerkennung“ des Is- ligiöser Wegweisung über Bildung und lams in Deutschland als Körperschaft des sozialen Diensten bis hin zu Öffentlich- öffentlichen Rechts und die Einführung keitsarbeit und vielfältigen Publikatio- des islamischen Religionsunterrichts als nen. ordentliches Lehrfach. 26 25 Jahre TOM 27
Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) Union der Islamisch Albanischen Zentren in Deutschland (UIAZD) Der Verband der Islamischen Kulturzentren setzt der VIKZ einen Schwerpunkt. Dabei Die Union der Islamisch Albanischen Zent- die ihnen eine freie persönliche, körperliche, (VIKZ) wurde im Jahre 1973 in Köln gegrün- fördert er Kinder und Jugendliche sowohl im ren in Deutschland (UIAZD) mit Sitz in Düs- religiöse und kulturelle Entwicklung ermög- det. Er vertritt rund 300 Moscheegemeinden. Hinblick auf religiöse Bildung, als auch die seldorf wurde 2007 in Stuttgart gegründet. licht. Der Dachverband bekennt sich zu einer Ziel des VIKZ ist es, sich für die religiösen schulische Bildung durch verschiedene An- Sie sieht sich als Religionsgemeinschaft, die pluralistischen und demokratischen Gesell- Bedürfnisse der in Deutschland lebenden gebote. Darüber hinaus bildet der VIKZ seit die albanischen Muslime in Deutschland schaft, basierend auf der freiheitlich-demo- Muslime einzusetzen und sie in alltäglichen den 1980ern seine Imame und Theologinnen vertritt. Die UIAZD setzt sich dafür ein, dass kratischen Grundordnung der Bundesrepu- religiösen Fragen zu unterstützen. Deshalb in Deutschland aus. Das Leitbild des VIKZ alle Menschen eine Lebensgrundlage haben, blik Deutschland. beschränkt sich der VIKZ nicht nur auf die leitet sich von der Überlieferung des Pro- Kultuspflege, sondern ist auch im sozialen pheten Muhammad (s) ab, der erklärte, dass und kulturellen Bereich aktiv. Insbesonde- der beste Mensch derjenige sei, der anderen re im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit Menschen nützlich ist. Zentralrat der Marokkaner in Deutschland (ZRMD) Der Zentralrat der Marokkaner in Deutsch- Deutschland ein. Hierzu werden regelmäßig Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) land (ZRMD) ist eine islamische Gemein- Dialogveranstaltungen, Konferenzen und schaft mit Sitz in Frankfurt am Main. Er wur- wissenschaftliche Symposien organisiert. Der Zentralrat der Muslime in Deutsch- und die Aufklärungsarbeit zum Thema Si- de am 2008 gegründet. Der ZRMD setzt sich Darüber hinaus setzt sich der ZRMD für ge- land (ZMD) ist eine Dachorganisation von cherheit. für die sozialen, kulturellen und religiösen sellschaftliche Vielfalt und Völkerverständi- 19 muslimischen Dachorganisationen und Belange der marokkanischen Community in gung ein. umschließt auch Einzelmitglieder. Die Zu- Größtes Mitglied des ZMD ist die Union sammensetzung des ZMD bildet unter- der Türkisch-Islamischen Kulturvereine schiedliche Muslime in Deutschland ab. Zu in Europa (ATIB), die 1988 als Dachorgani- den wichtigsten Zielen des ZMD gehört, das sation türkisch-islamischer Kulturvereine muslimische Leben und die islamische Spiri- mit Sitz in Köln gegründet wurde. Ziel der tualität in Deutschland zu fördern und den ATIB ist es, die kulturellen, sozialen, sowie Muslimen die Ausübung ihrer Religion zu er- juristischen Interessen der türkisch-musli- möglichen und zu erleichtern. Dazu gehören mischen Minderheit zu vertreten. Die ATIB die Berechnung der Gebetszeiten und des is- möchte die kulturelle und religiöse Identi- lamischen Kalenders einschließlich des Fest- tät der türkischstämmigen Einwanderer in tagskalenders, das Aufstellen von Regeln für Deutschland pflegen, bewahren und sie als die islamische Schlachtung, die Errichtung Bereicherung in die deutsche Gesellschaft islamischer Friedhöfe und Begräbnisstätten integrieren. 28 25 Jahre TOM 29
Warum überhaupt ein Tag der offenen Moschee? Jahr für Jahr öffnen Moscheen ihre Türen für Besucher und geben einen Einblick in den Islam und das Gemeindeleben. Aber warum tun sie das? F ür viele Moscheen ist der Tag der of- fenen Moschee ein ganz besonderer Tag. Sie öffnen ihre Türen, empfan- gen zahlreiche Gäste und präsentie- ren ihre Tätigkeiten. Hinter den Tätigkeiten steckt viel ehrenamtliche Arbeit. Ziel ist es, Nicht nur die Arbeit die Gemeinde so gut es geht zu repräsentie- ren und den Mehrwert der Moscheen für alle der Gemeinde steht deutlich zu machen. im Mittelpunkt, Nicht nur die Arbeit der Gemeinde steht im Mittelpunkt des TOM, sondern auch die his- sondern auch der torischen Hintergründe der Moschee, die Wunsch nach Geschichte und der Wunsch nach Anerken- nung. Und das nicht erst seit gestern – spä- Anerkennung. testens seit der ersten Gastarbeitergenera- tion sind muslimische Gebetshäuser Zentren des muslimischen Lebens. 30 25 Jahre TOM 31
Warum organisiert eine Gemeinde den Tag Denn das allgemein verzerrte Bild des Islams der offenen Moschee? kann oftmals nur auf der persönlichen Ebe- ne ein Stück weit korrigiert werden. In Deutschland leben mehr als 6 Millio- nen Muslime. In den 1960er Jahren kamen Wissen und Vertrauen: Eines der wichtigs- die meisten von ihnen bzw. ihre Eltern und ten Ziele des TOM ist die Vermittlung grund- Großeltern im Zuge der Arbeitsmigration legender Kenntnisse über den Islam. Denn nach Deutschland. Sie gründeten Vereine aufgrund der meist unzureichenden Infor- und Moscheen, um ihre Religion, Kultur und mationen und so mancher meist kulturell be- Tradition auszuüben. Seit langem sind sie in dingter Vorurteile herrscht ein großer Infor- Deutschland heimisch geworden und leisten mationsbedarf. Die authentische Darstellung vielfältige Beiträge für das Gemeinwohl. der Religion kann Vertrauen zwischen den Menschen herstellen. Mehr als eine theolo- Ziel des TOM ist es, In den Vereinen und Moscheen finden vie- gisch fundierte Diskussion steht hierbei das le Begegnungen statt. Um das Kennenlernen gegenseitige Kennenlernen und eine daraus den dauerhaften und den Dialog zu intensivieren, organisie- ren die Muslime in Deutschland seit über 25 resultierende Veränderung der Wahrneh- mung des Anderen im Vordergrund. Konstruktiver Dialog: Ein weiteres Ziel des TOM ist es, den dauerhaften Dialog zwi- Dialog zwischen Jahren jedes Jahr ohne Unterbrechung den Tag der offenen Moschee. Wieso tun sie das? schen Menschen verschiedener Religion, Kultur und Herkunft aufrechtzuerhalten. Menschen Kennenlernen: Austausch geht nur durch Dieser beginnt mit der einfachen Begegnung und kann über einen fruchtbaren prakti- verschiedener Kennenlernen. Der TOM als ein Tag des Miteinanders und Kennenlernens bietet die schen Dialog über gemeinsame Probleme bis Religion, Kultur hin zu gemeinsamen Aktionen führen. Möglichkeit, die Vielfalt des muslimischen und Herkunft Lebens in Deutschland zu verdeutlichen, Der TOM ist eine gute Basis und eine will- Missverständnissen vorzubeugen und Vor- kommene Gelegenheit für den Dialog. Die- aufrechtzuerhalten. urteile abzubauen. Das Gegenüber ist nicht ser Austausch ist unverzichtbar in religiös der „Andere“ oder „Fremde“, sondern Teil und kulturell pluralistischen Gesellschaften des „Wir“ in der Gesellschaft. wie der Bundesrepublik Deutschland. Das Gespräch, das oftmals mit einer einfachen die Gesellschaft ein und knüpfen Kontakte zu Kommunikation: Durch die verschiedenen Begegnung, einem Gruß oder mit einem ge- Mitgliedern anderer gesellschaftlicher Grup- TOM-Mottos wird das Potenzial und das meinsamen Mahl beginnt, bringt Menschen pen. Dies stellt einen wichtigen Beitrag zum Selbstverständnis der Muslime in Deutsch- zusammen und hilft, Widrigkeiten der ge- gesamtgesellschaftlichen Zusammenleben land mit all ihren Einrichtungen hervorge- meinsamen Gesellschaft zu überwinden. dar, der zu Anerkennung führt. Viele Men- hoben. Dem steigenden Interesse am Islam Das Ergebnis solch eines Dialogs wird im schen in Deutschland haben keine Vorstel- und den Muslimen, aber auch dem in vielen Idealfall die gesamtgesellschaftliche Teilha- lungen von den unverzichtbaren Beiträgen Bereichen der Gesellschaft vorhandenen be fördern. einer Moscheegemeinde für die Gesamtge- Misstrauen, begegnen die Muslime mit einer sellschaft. Die Aktivitäten der Gemeinde sind offenen Moscheegemeinde. Dabei wird den Partizipation und Anerkennung: Eine wei- für viele nicht auf Anhieb sichtbar. Je mehr Besuchern vor allem Möglichkeit des per- tere Perspektive für den TOM ist die der Par- sich die Gemeinden nach „Außen“ präsentie- sönlichen Kontakts zu Muslimen und ein tizipation. Die Gemeindemitglieder bringen ren, desto mehr wird die Gemeindearbeit er- Einblick in das Gemeindeleben gegeben. sich mit verschiedenen Veranstaltungen in kannt, anerkannt und gewürdigt. 32 25 Jahre TOM 33
Willkommen in unserer Moschee! Ob im Hinterhof verborgen oder sichtbar inmitten der Stadt - die Moschee ist das Zentrum des religiösen Lebens der Muslime. Begleiten Sie uns durch eine typische Moschee. Eine fotografische Moscheeführung. 34 25 Jahre TOM 35
1 In Deutschland gibt es rund 2400 4 Moscheen. Rund 350 sind, z. B. Frauen haben oft ihre eigenen wegen dem Minarett, von außen Räumlichkeiten, wo sie sich vom als solche erkennbar. Im Gegensatz zu stressigen Alltag zurückziehen, den monumentalen Moscheebauten in sich ungestört aufhalten und ihrem islamisch geprägten Ländern, handelt Glauben nachgehen können. Wenn es es sich beim Großteil der Moscheen um ehrenamtliche Tätigkeiten geht, in Deutschland oftmals um ehemalige stehen die Frauen ganz vorne. Sie sind Wohnungen oder Lagerhallen. Diese die Stütze des Moscheelebens und im wurden mit der Zeit zu Gebetsräumen Vorstand der Moschee vertreten. umgewandelt und dienen seitdem als Orte des islamischen Gemeindelebens. 2 5 Betritt man den Hof einer Moschee in Einige Minuten vor dem Gebetsruf Deutschland begegnet man oftmals kommt Bewegung in die Moschee- Menschen mit einem breiten Lächeln räume. Diejenigen, die noch ihre und einem „Assalamu alaykum“ (Friede sei Gebetswaschung vollziehen möchten, ge- mit dir) auf den Lippen. An den Wänden hen in den Waschraum. Aus hygienischen oder an Infoständen befinden sich Plakate Gründen wird der Gebetsraum ohne und Tafeln, die über die religiösen und so- Schuhe betreten. zialen Dienstleistungen informieren. 6 Die restlichen Muslime begeben 3 In den Räumlichkeiten der Mo- sich in den Gebetsraum und war- schee angekommen, findet man ten bis zum Gebet gerufen wird. oft eine kleine Teestube, wo sich Auch Frauen können an den täglichen die Moscheebesucher unterhalten oder Gebeten teilnehmen. Diese Beten ent- etwas lesen können. Dauergäste hier weder auf der Empore, die sich über sind meist Rentner, die als „Gastarbei- dem Gebetsraum der Männer befindet ter“ nach Deutschland gekommen sind. oder in einem angrenzenden Raum. In Moscheen, die nur einen Gebetsraum haben, beten Männer und Frauen im selben Raum. 36 25 Jahre TOM 37
7 Auch wenn die Moscheen unter- schiedlich aussehen, gibt es Ele- 10 mente, die in jeder Moschee zu finden sind. Hierzu gehören der Mih- Links neben der Gebetsni- rab, die Minbar, die Kursi und die Dik- sche befindet sich die Kursi, ka. Der Gebetsraum jeder Moschee ist eine Art Kanzel. Von hier mit einem Teppich ausgelegt, wobei aus hält der Imam Ansprachen zu ganz der Farbgebung keine Grenzen gesetzt verschiedenen Themen. sind. Im Gegensatz zu anderen Got- teshäusern gibt es in Moscheen weder Bildnisse noch Skulpturen, sondern nur Kalligrafien und Ornamente. 8 11 Das Hauptelement eines Gebets- raums ist der Mihrab. Dies ist eine Im hinteren Bereich des Gebets- Nische in der Wand, die die Ge- raums befindet sich eine leicht betsrichtung anzeigt, nämlich in Richtung erhöhte Fläche. Dies ist die Dikka, der Kaaba in Mekka. Während des Gebets der Platz des Gebetsrufers. stellt sich der Imam vor den Mihrab und leitet von dort aus das Gebet. 12 Die Wände des Gebetsrau- 9 mes sind oft kalligrafisch Rechts von der Gebetsnische verziert. Oft anzutreffen steht die Minbar. Dies ist eine sind die Kalligrafien „Allah“ und „Mu- turmähnliche mit Treppen er- hammad“, rechts und links neben der weiterte Erhöhung, meist aus Holz Gebetsnische. Außerdem findet man oder Marmor. Von hier aus hält der auch die Namen der vier rechtgeleite- Imam jede Woche die Freitagspredigt. ten Kalifen „Abû Bakr“, „Umar“, „Us- mân“ und „Ali“ als Kalligrafie. 38 25 Jahre TOM 39
„Muslime sind ein wichtiger Teil des öffentlichen und sozialen Lebens“ Ein Gespräch mit der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker über den Bereits seit 25 Jahren organisie- den in Köln von der Bevölkerung sehr gut ren Muslime den Tag der offe- angenommen. Die Kölner*innen fühlen sich Tag der offenen Moschee nen Moschee. Eines der Ziele eingeladen und folgen dieser Einladung ger- in Köln und die Stimmung ist es, Vorurteile abzubauen ne. Wir haben den Tag der offenen Moschee und Vertrauen zu schaffen. von Anfang an in unseren städtischen Diver- in der deutschen Gesellschaft Wie beurteilen Sie diesen sity-Kalender aufgenommen. gegenüber Muslimen. Einsatz? Können Sie uns Ihre Eindrücke Ihres letz- Oberbürgermeisterin Hen- ten Moscheebesuchs schildern? riette Reker: Das ist ein hervorragender Einsatz mit Reker: Aufgrund der Corona-Pandemie großer Wirkung. Diese fand mein letzter Besuch in einer Moschee langjährige Tradition, der tatsächlich am Tag der offenen Moscheen feststehende Tag und die am 3. Oktober 2020 statt. An diesem Tag Öffnung der muslimi- war ich in der DITIB-Zentralmoschee in schen Gemeinden wer- Köln-Ehrenfeld. Durch das Versammlungs- 40 25 Jahre TOM 41
verbot und die Einschränkungen der ge- ren auf Kölns Straßen gefragt, was Ramadan meinsamen Gebete und Gottesdienste für bedeutet, hätten Sie – vermute ich – viele alle Religions- und Glaubensgemeinschaf- fragende Blicke geerntet. Das ist heute mit ten waren auch mir seither keine weiteren Sicherheit anders. Hätten Sie vor 40 Jahren auf Kölns Straßen gefragt, Besuche möglich. Islam und Deutschland. Für viele passt was Ramadan bedeutet, hätten Sie -vermute ich Auch wenn die Zahl der Teilnehmenden das nicht zusammen. Doch verstehen sich sehr reduziert war, war es mir sehr wichtig, Muslime als festen Teil der hiesigen Gesell- – viele fragende Blicke geerntet. Das ist heute mit die Moschee zu besuchen. Wie auch in den vergangenen Jahren hat mir die Gemeinde schaft. Wie ist das in Ihrer Stadt? Sicherheit anders. einen sehr freundlichen Empfang bereitet Reker: Ja, es gibt Menschen, deren Bild von und ich bin jedes Mal sehr beeindruckt von Deutschland und der deutschen Gesell- der Wirkung und Ausstrahlung dieses sehr schaft passt offenbar nicht mit dem Islam schönen Gebäudes. zusammen. Es gibt auch deutliche regio- nale Unterschiede, die damit zu tun haben, Wie hat sich die Stimmung in der deut- welche Erfahrungen die Einheimischen mit Deutschland hat ein Problem mit Islam- die Straftäter*innen mit aller Härte bestraft schen Gesellschaft gegenüber Muslimen Zuwanderung haben und ob sie seit langem feindlichkeit. Im Jahr 2020 wurden 901 An- werden müssen. verändert? mit Menschen unterschiedlicher Glaubens- griffe auf Muslime und Moscheen erfasst. richtungen zusammen wohnen, leben und Sind Begegnung und Kommunikation der In ihrer Stadt setzen Sie sich als Bürger- Reker: Ich habe den Eindruck, dass es – arbeiten oder nicht. Muslim*innen, viele da- Schlüssel im Kampf gegen Islamfeindlich- meisterin auch für muslimische Mitbürger nicht für alle, aber viele – selbstverständ- von hier geboren, sind fester Teil der Kölner keit? Was kann noch getan werden? ein. Wie ist die Resonanz? licher geworden ist, dass Menschen mus- Stadtgesellschaft. Im Kölner Rat der Reli- limischen Glaubens Teil der deutschen gionen sind neun muslimische Verbände, Reker: Die Zahl der Angriffe auf Muslime Reker: Ich bin Oberbürgermeisterin einer Gesellschaft sind. Es ist längst Alltag, dass Organisationen und Gemeinden vertreten. und Moscheen, Juden und Synagogen und Stadt, in der Vielfalt gelebt wird. Ich habe muslimische Kinder und Jugendliche ge- Wir haben muslimische Wohlfahrtsträger, lautstark propagierte Islamfeindlichkeit alle Kölner*innen zu vertreten, ganz gleich, meinsam mit Kindern und Jugendlichen an- Bildungseinrichtungen, und Muslim*innen und Antisemitismus haben in den vergan- welcher Religion und welchem Glauben sie derer Glaubensrichtungen und Religions- unterstützen auch geflüchtete Menschen in genen Jahren zugenommen. Aufklärung, angehören, welche Hautfarbe oder welche zugehörigkeiten Kindergärten und Schulen den Strukturen der Kölner Willkommens- Begegnung, Offenheit und Kommunikation geschlechtliche Identität oder sexuelle Ori- besuchen und so auf ganz natürliche Weise initiativen. Sie arbeiten in der Kölner Stadt- sind wichtige Schlüssel, um eine breite ge- entierung sie haben. Das ist eine Grundhal- erfahren, wer welche Glaubensregeln ein- verwaltung und anderen Behörden. Sie sind sellschaftliche Gegenreaktion zu bewirken. tung, die mein gesamtes Handeln bestimmt. hält und wer welche wichtigen Feiertage ein wichtiger Teil des öffentlichen und so- Wir brauchen eine klare politische Hal- Das bleibt oft nicht ohne Widerspruch und seiner Religion feiert. Hätten Sie vor 40 Jah- zialen Lebens in Köln. tung der demokratischen Kräfte in unse- ist hin und wieder auch mit Anfeindungen rem Land. Wir brauchen mehr Dialogforen verbunden. Ich finde aber konsequentes wie den Kölner Rat der Religionen, und wir Handeln für das, wofür man steht, richtig. brauchen im Land so wie auch in Köln mehr Oberbürgermeister*innen werden gewählt. Strukturen in der Verwaltung, die den ge- Sie können also nicht wiedergewählt wer- sellschaftlichen Zusammenhalt und die den, wenn einer Mehrheit der Bevölkerung Muslim*innen, viele davon hier geboren, sind Vielfalt fördern. Dennoch – befürchte ich – diese Haltung und dieser Kurs nicht gefällt. fester Teil der Kölner Stadtgesellschaft. werden wir damit nicht alle erreichen. Das bedeutet, dass alle Angriffe und Übergrif- Ich bin bei der letzten Kommunalwahl als Oberbürgermeisterin wiedergewählt wor- fe konsequent angezeigt, von den Ermitt- den. Das sehe ich auch als Bestätigung für lungsbehörden engagiert aufgeklärt und meine Haltung und für mein Handeln. 42 25 Jahre TOM 43
Eine Reise durch die Moscheen Moscheebesuche sind meist mit schönen Erinnerun- gen verbunden. Sowohl für Moscheebesucher als auch für die vielen Ehrenamtlichen, die den Tag der offe- nen Moschee organisieren. Drei Erfahrungsberichte. O rganisieren, planen, schmücken. Und das alles Wochen vorher – vor dem großen Tag. „Was kön- nen wir den Moscheebesuchern dieses Jahr zeigen? Welche Angebote könn- Ich freue mich darauf, ten interessant sein? Wie werden die Men- schen auf unsere Moschee aufmerksam?“. mit den Menschen über Für Neşe Yılmaz von der IGMG-Gemeinde Mögglingen ist der Tag der offenen Moschee meine Religion zu sprechen. jedes Jahr eine neue Herausforderung. Sie erinnert sich an den ersten TOM, bei dem sie voller Aufregung den Gästen noch nicht mal erklären konnte, warum Muslime in Rich- tung Kaaba beten. Yılmaz muss lachen, als sie sich daran erinnert. Erinnerungen, die für sie wichtige Erfahrungen geworden sind. Sie ist nun schon seit mehr als 15 Jahren in der Moschee aktiv und organisiert den TOM mit. „Jedes Jahr freue ich mich darauf, mit den Menschen über Religion zu sprechen.“ 44 25 Jahre TOM 45
Begegnung mit dem eigenen Professor Auch die Menschen vor Ort seien sehr herz- lich ich der Mensch war, der die Existenz der lich und offen gewesen. „Ich wusste nicht, Muslime komplett ausgeblendet hat.“ Leila Momen , Mitglied des Islamischen wie Muslime eigentlich sind und welche Zentrums Aachen organisiert seit über 20 Menschen sich dahinter verbergen. Sie wa- Armin Krohne erinnert sich an die jungen, Jahren den TOM in ihrer Moschee mit. „Da- ren für mich quasi immer sehr unsichtbare klugen und aufgeschlossenen jungen Men- bei habe ich natürlich genug Geschichten Beim Betreten der Menschen, die in einer eigenen Welt lebten. schen in der Moschee, die ihn sehr begeis- gesammelt, die ich erzählen kann“, sagt Momen lächelnd. Für sie war es besonders Moschee habe ich Ich habe sie nie als gefährlich oder bedroh- lich empfunden – so wie man es uns in den tert haben. „Sowas sehe ich nur ganz selten“, sagt er. Er wünscht sich für die kommenden schön, von Jahr zu Jahr mitzuerleben, wie das Interesse der Menschen für den TOM Wärme gespürt, Medien vorspielt. Sie waren in meiner Welt einfach nicht existent“, erzählt Krohne. „Ich Jahre, „sofern es die Pandemie wieder er- laubt“, einen engeren Dialog zwischen den wächst. anstatt Befremdung. habe nach langen und intensiven Gesprä- chen mit den jungen Leuten, die uns die Mo- Kulturen und Religionen. „Denn vor allem das leckere Essen muss die ganze Welt ein- „Oft sehe ich dieselben Personen, die mir schee gezeigt haben, gemerkt, dass eigent- mal gekostet haben!“ dann berichten, wie schön es jedes Mal ist, die Atmosphäre der Moschee mitzu- nehmen“, so Momen. Aber auch neue, neu- gierige Gesichter begleitet sie jedes Jahr. Dabei macht sie die Erfahrung, dass zwar oft dieselben Fragen gestellt werden, die „Mein erster TOM war unvergesslich“ Reaktion auf die Antwort aber oft anders ist. „Einmal, es müsste die letzte Moschee- Vor vier Jahren besuchte Armin Krohne das führung an dem Tag gewesen sein, hat erste Mal einen TOM in Erlangen. Bis dahin mich eine Besucherin gefragt, wieso ich hatte er weder eine Moschee von außen, ge- denn neben dem Studium und der ganzen schweige denn von innen gesehen. „Eine Mi- Arbeit, mich in der Moschee ehrenamtlich schung aus Aufregung und Anspannung“, einbringen würde.“ Es folgte ein langes, erinnert sich Krohne. Er hörte von einem sehr inspirierendes Gespräch über den Arbeitskollegen vom TOM und hatte eigent- Glauben und die damit einhergehenden lich nicht vor, die Moschee zu besuchen. „Bis positiven Lebensereignisse. „Eines der Le- mein Kollege sagte, dass es dort sehr leckeres bensereignisse war das Gespräch mit die- Essen geben würde“, fügt er lächelnd hinzu. ser Besucherin, die ich nie vergessen wer- de. Meine Antwort auf die Frage war dann 2017 besuchte Armin Krohne die Sultan Ah- schließlich: Wegen diesen Gesprächen.“ met Moschee der DITIB in Erlangen. „Das Essen hat mich angelockt“, erzählt Krohne. Einmal habe sie auch während des TOM Doch dabei blieb es nicht. „Beim Betreten einen ehemaligen Professor aus der Uni- der Moschee habe ich Wärme gespürt, an- versität getroffen. „Diese Begegnung war statt Befremdung“, erinnert er sich. „Allein besonders schön für mich, da ich ihn Jahre die Tatsache, dass wir unsere Schuhe auszie- vorher mal zum TOM eingeladen hatte, er hen mussten, die Räume mit einem wunder- aber immer wieder abgesagt hatte. 10 Jah- schönen Teppich ausgelegt waren und die re später hat er dann den Weg in die Mo- Wände mit Farben verziert, hat mir das Ge- schee gefunden“, so Momen. fühl von Gastfreundschaft gegeben.“ 46 25 Jahre TOM 47
„Muslimisches Leben hat unser Zusammenleben bereichert“ Der Tag der offenen Moschee ist ein Ort des interreligiösen Dialogs. Ein Gespräch mit Dr. Detlef Görrig* von der Evangelischen Kirche in Deutschland überseinen ersten Moscheebesuch vor 50 Jahren bis heute. Um das Kennenlernen und den Dialog zu Weg gemacht hat, um die nahegelegene Mo- intensivieren, organisieren die Muslime schee zu besuchen. Dieser damals für mich seit 25 Jahren den Tag der offenen Mo- erste Besuch einer Moschee war eine ganz schee. Wie bewerten Sie dieses wichtige Erfahrung, und vor nun fast 50 Jah- traditionsreiche Angebot der ren noch durchaus ungewöhnlich. Muslime? Dank des Tages der offenen Moschee und Dr. Detlef Görrig: Das An- vieler weiterer Dialogprojekte ist es heute gebot müsste man erfin- selbstverständlicher und leichter geworden, den, wenn es nicht bereits eine Moschee als Nichtmuslim oder Nicht- vorhanden wäre. Ich bin muslimin zu besuchen. Dennoch gibt es auch meinem früheren Re- heute noch Menschen in unserer Umgebung, ligionslehrer immer die noch nie eine Moschee von innen gese- noch dankbar, dass er hen haben. Das mag mit mangelnden Gele- *Dr. Detlef Görrig ist Referent für interreli- giösen Dialog der Evangelischen Kirche in sich seinerzeit mit der genheiten zu tun haben oder mit vorhande- Deutschland (EKD). Schulklasse auf den nen Vorbehalten. Oder auch mit dem, was 48 25 Jahre TOM 49
man vielleicht als natürlichen Respekt be- ausmacht, und natürlich auch, dass das Pro- Die vom Innenministerium 2006 begonnene schwierigen Zeiten trägt, und dabei das Ziel zeichnen könnte, nämlich einer Zurückhal- gramm so angelegt wurde, dass man eher zu- Deutsche Islam Konferenz und die seit 2010 nicht aus den Augen zu verlieren. Denn am tung, sich dem, was einem anderen „heilig“ hörend und wahrnehmend dabei sein oder neu entstandenen Lehrstühle für islamische Ende geht es darum, das Zusammenleben ge- ist, überhaupt zu nähern. Der Tag der offe- sich eben auch direkt einbringen konnte. Theologie an deutschen Universitäten haben meinsam zu gestalten und das auf der Grund- nen Moschee ist da ein sehr gutes Angebot Impulse und Anregungen, die von Referaten, einen wichtigen Beitrag geleistet. lage der Religionsfreiheit und der Achtung und erleichtert den Zugang in jedem Fall. Ich Führungen, Grußworten oder Podiumsdis- der Würde jedes einzelnen Menschen. gratuliere daher zu dieser Initiative und zum kussionen ausgingen, wirkten dabei sicher- Gleichzeitig sind viele Begegnungsformen 25-jährigen Jubiläum. lich noch bei Vielen nach. Ebenso wichtig ist selbstverständlicher geworden, wie etwa Der TOM findet jedes Jahr unter einem an- für mich aber auch, Menschen beim Tag der wechselseitige Einladungen zu den Festen deren Motto statt. 2021 lautete es: „Glau- Sie haben Ihren ersten Moscheebesuch er- offenen Moschee in der Ausübung ihrer re- im islamischen Jahr oder im Kirchenjahr. be in außergewöhnlichen Zeiten“. Der wähnt. Sicherlich haben Sie danach noch ligiösen Praxis zu erleben. Ein Mensch, der Vielerorts haben sich Runde Tische der Re- Themenschwerpunkt soll einerseits das weitere Moscheen am TOM besucht? Wie betet, macht sich erkennbarer als viele Wor- ligionen, interreligiöse Foren und Initiativen Selbstverständnis der islamischen Ge- sind Ihre Eindrücke? te das manchmal vermögen. gebildet, an denen Christinnen und Christen meinden verdeutlichen, zeigt aber auch, mit Musliminnen und Muslimen kommuni- dass Muslime sich längst mit den Themen Görrig: Das Interesse der Menschen, die am Wie haben sich die Beziehungen zwischen zieren und kooperieren. Auch Grußworte der Gesamtgesellschaft auseinanderset- Tag der offenen Moschee das Angebot wahr- Muslimen und Christen bzw. zwischen ih- zum Ramadan oder zu Weihnachten sind ein zen. Wie finden Sie das? genommen haben, habe ich als überwiegend ren Gemeinden in den vergangenen 25 Jah- Stück gelebter Wertschätzung. Aktionen wie hoch erlebt. Da gab es diejenigen, die mit ganz ren aus Ihrer Sicht entwickelt? der Tag der offenen Moschee setzen dabei Görrig: Dieser Ansatz überzeugt mich. Wir vielen Fragen kamen oder die, die noch unsi- ebenfalls ein wichtiges Signal in die Gesell- alle sind Teil der Gesamtgesellschaft, deshalb cher und zurückhaltend waren, wie man sich Görrig: Die letzten 25 Jahre haben sicherlich schaft hinein. sollten uns nicht nur die Themen der ande- in einer Moschee überhaupt verhalten darf in den christlich-muslimischen Beziehun- ren interessieren, sondern wir sollten auch oder soll. Und es gab die, die bereits regelmä- gen viele Veränderungen mit sich gebracht. Welche Herausforderungen sehen Sie? unsere eigenen Themen einbringen können. ßige Kontakte zu Moscheen unterhalten und Da gab es Fortschritte und Rückschläge, Nur so sind Austausch und auch Verände- sich einfach von der Atmosphäre des Ortes keine lineare Bewegung, sondern eher eine Görrig: Begegnungen zwischen Menschen rung möglich. Die Herausforderungen, vor angezogen fühlen. Wellenbewegung. Die Anschläge des 11. muslimischen und christlichen Glaubens denen wir stehen, sind durch die Pandemie September 2001 und weitere Attentate in sind nie ganz frei von tagesaktuellen politi- nicht kleiner, sondern noch größer gewor- Die Vielfalt dieser Menschen an einem Ort Europa und Deutschland haben das politi- schen oder medialen Entwicklungen. Debat- den. Außergewöhnlich sind diese Zeiten in ist für mich eine der Stärken, die diesen Tag sche und gesellschaftliche Klima verändert. ten über Beschneidungen, Kopftücher oder jedem Fall und damit auch eine Herausforde- Gebetsrufe, über Extremismus, Antisemitis- rung für unseren eigenen Glauben und unse- mus oder Islamfeindlichkeit beeinflussen re Religionsgemeinschaften. auch die wechselseitigen Kontakte und die gemeinsamen Dialoge. Das konnte man in Gleichzeitig wird deutlich, dass es zur Be- den vergangenen Jahren auch bei den Tagen wältigung der Probleme alle Menschen gu- der offenen Moschee erfahren. Zwischen- ten Willens braucht, jede hilfreiche Hand Wichtig ist für mich, Menschen beim TOM in der zeitlich wurde auch mal die Debatte geführt, und Idee und viel Glaubensmut. Muslimi- ob der 3. Oktober das geeignete Datum für sches Leben in Deutschland hat schon jetzt Ausübung ihrer religiösen Praxis zu erleben. Ein diesen Tag sei. Skepsis und Argwohn sind unser Zusammenleben an vielen Stellen be- Mensch, der betet, macht sich erkennbarer als viele nach wie vor hoch, wenn es um Fragen von Religion und Islam geht. reichert und ergänzt. Dafür bin ich persön- lich sehr dankbar und ich wünsche uns allen, Worte das manchmal vermögen. Umso wichtiger ist es hier, langfristig zu den- dass das durch kontinuierlichen Dialog und viele weitere Tage der offenen Moscheen ken und Vertrauen aufzubauen, das auch in auch in Zukunft der Fall sein wird. 50 25 Jahre TOM 51
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