MOSCHEEN gestern und heute - Tag der offenen Moschee

Die Seite wird erstellt Jörn Wichmann
 
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MOSCHEEN gestern und heute - Tag der offenen Moschee
MOSCHEEN
gestern und heute
MOSCHEEN gestern und heute - Tag der offenen Moschee
Liebe Leserinnen und Leser,                     schaften. Der TOM hat seit seiner Initiierung
                                                                                                             mehr als zwei Millionen Menschen zusam-
                                                             ein Kind, das 1997 geboren wurde, ist heute     mengebracht. Sie alle haben einen wichtigen
                                                             25 Jahre alt. Es wäre heute, nach Höhen und     Beitrag für ein gelingendes und friedvolles
                                                             Tiefen, erwachsen und stünde mit beiden Bei-    Zusammenleben in Deutschland geleistet.
                                                             nen im Leben. So ist es auch mit dem Tag der    Dafür sei ihnen allen gedankt.
                                                             offenen Moschee.
                                                                                                             In den Händen halten Sie unser Magazin mit
                                                             Der TOM, wie er genannt wird, wurde 1997        dem Titel „25 Jahre TOM – Moscheen ges-
                                                             ins Leben gerufen. Seitdem findet er jedes      tern und heute“. So lautet auch das Motto
                                                             Jahr, ohne Unterbrechung statt. 2007 haben      des Tages der offenen Moschee 2021. In dem
                                                             wir, der Koordinationsrat der Muslime (KRM),    Magazin geht es um zweierlei Unverzicht-
                                                             uns dieser Initiative angenommen. Im KRM        bares: Moscheen und Menschen. Deshalb
                                                             sind sechs islamische Religionsgemeinschaf-     finden Sie darin sowohl Beiträge, die die
                                                             ten und damit rund 2000 von insgesamt 2400      Entwicklung und den Wandel der Moschee-
                                                             Moscheen in Deutschland vertreten. Um dem       gemeinden nachzeichnen, als auch Porträts
                                                             TOM ein einheitliches Auftreten zu geben,       von Personen, die stellvertretend für viele
                                                             ihn bekannter zu machen und die Moschee-        andere, diesen Wandel ermöglicht und mit-
                                                             gemeinden bei der Vorbereitung und Durch-       getragen haben. Daher gilt ein besonderer
                                                             führung zu unterstützen wurde ein Ratgeber      Dank den vielen ehrenamtlichen Menschen
                                                             erstellt und eine Homepage eingerichtet. Es     in unseren Gemeinden, Frauen und Män-
                                                             findet eine zentrale Auftaktveranstaltung       nern, Jung und Alt. Ohne sie wäre ein Groß-
                                                             statt, auf der das Motto vorgestellt wird.      teil des muslimischen Lebens in Deutschland
                                                                                                             kaum vorstellbar. Ihnen sei dieses Magazin
                                                             Der TOM ist zum Sinnbild der offenen Mo-        gewidmet.
                     Herausgeber
                                                             schee geworden. Sehr viele Menschen kennen
          Koordinationsrat der Muslime (KRM)
                                                             und schätzen ihn als Zeichen für selbstver-     Danken möchten wir auch den bisherigen
            Venloer Straße 160 | 50823 Köln
                                                             ständliche Partizipation und Offenheit. Jedes   Mitgliedern der TOM AG, Rafet Öztürk (DI-
                                                             Jahr nehmen mehr als 1.000 Moscheen an          TIB), Ali Mete (Islamrat), Nurhan Soykan
                 T: +49 221 50 800 500
                                                             der Aktion teil und empfangen rund 100.000      (ZMD) und Seyfi Öğütlü (VIKZ). Auch den
               www.koordinationsrat.de
                                                             Besucher in gewohnter Gastfreundschaft.         AG-Mitgliedern der neuen TOM AG, von de-
               info@koordinationsrat.de
                                                             Besonders erfreulich ist, dass der TOM als      nen Ali Mete und seine Redaktion, darunter
                                                             Inspiration für ähnliche Projekte dient, in     Muhammed Suiçmez und Kübra Zorlu, so-
               Redaktion | Design | Druck
                                                             Deutschland wie auch in anderen Ländern         wie Kübra Layik und Recep Yılkın, das Ma-
              PLURAL Publications GmbH
                                                             Europas wie Österreich, Schweiz und Frank-      gazin erstellt haben, sei gedankt.
                    pluralverlag.eu
                                                             reich.
                                                                                                             Wir wünschen uns, dass der TOM als Tag
            © Koordinationsrat der Muslime
                                                             Als Basisprojekt hat der TOM einen starken      des Kennenlernens, Austausches und der In-
                  Köln, Oktober 2021
                                                             lokalen Bezug. Daher kommen an diesem           novation noch lange fortbesteht. Und Ihnen,
                                                             Tag kommunale Akteure aus vielen unter-         liebe Leserinnen und Leser, wünschen wir
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf ohne schriftliche
                                                             schiedlichen Bereichen zusammen – Vertre-       eine aufschlussreiche Lektüre.
Genehmigung des Koordinationsrates der Muslime weder
                                                             ter aus Politik und Gesellschaft, genauso wie
vollständig noch in Auszügen gedruckt, vervielfältigt oder
                                                             aus Kirchen und anderen Religionsgemein-        Ihr Koordinationsrat der Muslime
     mittels elektronischer Medien verbreitet werden.
                                                                                                                                                             3
MOSCHEEN gestern und heute - Tag der offenen Moschee
06                         12                              20                 34                            60                             74
Alle Jahre wieder:         Alle Wege führen                Wie alles begann   Willkommen                    Eine Kultur der offenen        Von Medina
Tag der offenen Moschee    in die Moschee                                     in unserer Moschee!           Tür und Herzen                 nach München

         10      25 Jahre TOM heißt…                                                   82           Neue Moschee mit langer Geschichte

         26      Wer sitzt im KRM?                                                     86           Wie ein Zuhause

         30      Warum überhaupt ein Tag der offenen Moschee?                          90           „Wir sind mit dem Neubau aus dem Hintergrund
                                                                                                    hervorgetreten“
         40      „Muslime sind ein wichtiger Teil des öffentlichen und
                 sozialen Lebens“                                                      94           Moscheen voller Leben

         44      „Eine Reise durch die Moscheen“                                       98           Moscheen zu Zeiten von Corona:
                                                                                                    Räumlich getrennt, im Herzen vereint
         48      „Muslimisches Leben hat unser Zusammenleben
                 bereichert“                                                           102          Religiöse Dienste – von der Wiege bis ins Grab

         52      Moscheeführungen gegen Vorurteile                                     106          Jugend und Frauenarbeit die Stütze jeder Moschee

         56      „Der Glaube an Gott verbindet uns“                                    110          „Ehrenamtliche Anstrengungen bereiten mir große
                                                                                                    Freude“
         64      „Ich wünsche mir mehr gegenseitige Begegnungen“
                                                                                       112          „Für Bedürftige Menschen da sein“
         66      „Mir gefällt ganz besonders die Wahrnehmung mit
                 allen Sinnen“                                                         114          „Je aktiver eine Gemeinde, desto mehr Interesse“

         68      „Moscheebesuche sind eine große Bereicherung für                      116          „Ich möchte das Islambild zum Positiven verändern“
                 unseren Unterricht“
                                                                                       118          „Nur wer aktiv dabei ist, kann etwas bewegen“
         70      „Öffentlichkeitsarbeit ist unsere tragende Kraft“
                                                                                       120          FAQ zum Moscheebesuch
         78      „Unsere Moschee ist für jeden offen“
                                                                                       124          Zahlen zu Muslimen und Moscheen in Deutschland
MOSCHEEN gestern und heute - Tag der offenen Moschee
Alle Jahre
                     wieder:
                            Tag der
                   offenen Moschee
                        Seit 1997 organisieren Muslime
                            in Deutschland jährlich den
                               Tag der offenen Moschee.
                          Ein Selbstläufer, der weltweit
                              zum Vorbild geworden ist.

                   M
                                  uslimen begegnen, Moscheen besichtigen
                                  und Dialoge führen. Für viele Menschen
                                  in Deutschland ist der Tag der offenen
                                  Moschee ein fester Termin im Kalender
                   und meist eine Aktivität für die ganze Familie. An die-
                   sem Tag öffnen Moscheen ihre Türen, erzählen ihre
                   Geschichte und führen durch das Moscheeinnere. Ob
                   sogenannte „Hinterhofmoschee“ oder prachtvoller
                   Neubau – jede Moschee ist in ihrer Art einzigartig und
                   hat einen ganz eigenen Charakter. Für viele Muslime in
                   Deutschland sind Moscheen mehr als nur ein Gebetsort
                   – sie sind Teil ihrer Vergangenheit, Gegenwart und Zu-
                   kunft. Teil ihrer Geschichte. Spuren vergangener Gene-
                   rationen sind bis heute in den Moscheen sichtbar. Der
                   TOM ist eine Möglichkeit, diese Facetten sichtbar(er) zu
                   machen.

6   25 Jahre TOM                                                              7
MOSCHEEN gestern und heute - Tag der offenen Moschee
25 Jahre Tag der offenen Moschee –               projekt der Muslime in Deutschland wurde
    ein Türöffner                                    er im Laufe der Jahre zum Ausgangspunkt
                                                     zahlreicher muslimischer Projekte im Be-
    Der TOM findet seit dem 3. Oktober 1997          reich Öffentlichkeits- und Dialogarbeit.
    jedes Jahr bundesweit statt. Seit 2007 orga-     Hierzu gehören unter anderem Islamwo-
    nisiert der Koordinationsrat der Muslime         chen, Straßenaktionen oder Einladungen
    (KRM) diesen Tag des Miteinanders und            zum Iftar.
    Kennenlernens. Jährlich nehmen etwa 1000
    Moscheen deutschlandweit daran teil und          TOM weltweit
    tragen damit zum Dialog zwischen allen In-
    teressierten bei.                                Den TOM gibt es nicht nur in Deutschland,
                                                     er ist Vorbild für ähnliche Projekt weltweit.
    In 25 Jahren hat der TOM vieles in die Wege      Seit 2007 veranstalten mehrere muslimische
    geleitet und ist zum Türöffner geworden. Als     Dachorganisationen in der Schweiz einen
    das älteste und verbreitetste Öffentlichkeits-   Tag der offenen Moschee. Seit 2011 findet
                                                     in Frankreich der „Mosquée porte ouverte“
                                                     statt und seit 2015 veranstaltet der muslimi-
                                                     sche Dachverband „The Muslim Council of
                                                     Britain“ einen landesweiten Tag der offenen
                                                     Moschee unter dem Titel „Visit my Mosque“.
                                                     In Teilen der USA öffnen seit 2000 jährlich
                                                     die Moscheen am „Annual Open Mosque
                                                     Day“ ihre Tore.

                                                     In diesem Sinne wurde vom Propheten Mu-
                                                     hammad (s) folgender Satz überliefert: „Wer
                                                     im Islam einen guten Brauch einführt, be-
                                                     kommt sowohl für die eigene Tat Lohn bei
                                                     Allah als auch für die Tat derjenigen, die sie
                                                     ausführen…“ (Muslim, Ilm, 6, Hadith Nr. 1017)

    Der Tag der offenen Moschee ist Ausgangspunkt
    zahlreicher muslimischer Projekte im Bereich
    Öffentlichkeits- und Dialogarbeit.

8    25 Jahre TOM                                                                                     9
MOSCHEEN gestern und heute - Tag der offenen Moschee
heißt...
                                                     2.000.000          1.000.000
                                                    Moscheebesucher        Fragen

                    500.000       100.000              50.000            20.000
                    Gläser Tee       Baklavas       Moscheeführungen     Ehrenamtler

                     5.000          1.000                500               100
               Medienberichte       Moscheen          Fortbildungen        Städte

                       25
                    TOM-Tage
                                        6
                                     islamische
                                                                       1 Ziel
                                 Religionsgemein-
                                      schaften
                                                                       Kennenlernen
10   25 Jahre TOM                                                                      11
MOSCHEEN gestern und heute - Tag der offenen Moschee
Alle Wege führen
     in die Moschee
     Der Tag der offenen Moschee dreht sich jedes Jahr um ein
     anderes Motto. Um welche Themen geht es und was hat
     es damit auf sich? Eine Übersicht.

     Zu den Zielen des einheitlichen Mottos gehört, einen
     zentralen Aspekt des Islams bzw. des muslimischen Lebens
     aus dem Selbstverständnis heraus darzustellen.

12    25 Jahre TOM                                              13
MOSCHEEN gestern und heute - Tag der offenen Moschee
Warum ein Motto?

                    Den Tag der offenen Moschee (TOM) gibt
                    es seit 1997. Moscheen bzw. die Religions-
                    gemeinschaften, denen sie angehören, ha-
                    ben den TOM zwar gemeinsam am 3. Ok-
                    tober begangen, inhaltlich und vom Format
                    her jedoch in Eigenregie durchgeführt. Seit
                    2007 wird diese inzwischen traditionsreiche
                    Aktion unter dem Dach des Koordinations-
                    rates der Muslime (KRM) durchgeführt.
                    Seitdem erarbeitet der KRM jedes Jahr ein
                    TOM-Motto samt den dazugehörigen Ma-
                    terialien wie Ratgeber für die Organisation
                    des TOM, Plakate und Broschüren, die alle
                    auf der offiziellen Homepage (www.tagde-
                    roffenenmoschee.de) für jeden frei zugäng-
                    lich sind.

                    Zu den Zielen des einheitlichen Mottos ge-
                    hört erstens, einen zentralen Aspekt des
                    Islams bzw. des muslimischen Lebens aus
                    dem Selbstverständnis heraus darzustel-
                    len. Zweitens geht es darum, dieses Thema
                    in den öffentlichen Fokus zu setzen. Damit
                    gehört der TOM zu den öffentlichkeitswirk-
                    samsten, aber bei weitem nicht einzigen
                    Angebot der Muslime in Deutschland für
                    Nichtmuslime.

                    Moscheen: Ausgangspunkt von Lehre und
                    religiösem Leben

                    Die Mottos der ersten Jahre sind moschee-
                    zentriert. Moscheen werden als Brücken
                    (2007), als Orte der Besinnung und des Fei-
                    erns (2008) und anlässlich des 60. Jubiläums
                    der Bundesrepublik als fester Teil der Ge-
                    sellschaft (2009) beschrieben. Den Rahmen,
                    in dem Moscheegemeinden agieren, bilden

14   25 Jahre TOM                                                  15
MOSCHEEN gestern und heute - Tag der offenen Moschee
„elementare Rechte aller Mitglieder der        des Propheten, sogenannte Hadithe, heran-
                    Gesellschaft ohne Ansehen der ethnischen       gezogen und erläutert, z. B. zu den Themen
                    oder religiös-weltanschaulichen Zugehö-        Umwelt, Familie, Arbeit und Dschihad.
                    rigkeit“, weshalb das 60-jährige Jubiläum
                    der Bundesrepublik und des Grundgesetzes       Das Motto des Tages der offenen Moschee
                    auch für Muslime ein Grund zur Freude ist.     2012 kann als eine Art Übergang gesehen
                                                                   werden. „Kaum ein Leser wird an Kunst und
                    Aus ihrem Selbstverständnis heraus haben       Kultur denken, wenn es um Islam, Muslime
                    Moscheen ein Potenzial, das es für die Ge-     und Moscheen geht“, heißt es offen. „Dabei
                    sellschaft fruchtbar zu machen gilt. Hier-     birgt die Geschichte des Islams viele Reichtü-
                    zu müssen sich Muslime stärker in die Ge-      mer in diesen Bereichen, die sich teilweise in
                    sellschaft einbringen und die Moschee mit      und um die Moscheen entwickelt haben und
                    ihren vielfältigen Möglichkeiten der Gesell-   Einfluss auf unser aller Leben haben.“ Vor
                    schaft dienstbar machen. Dies kann nur ge-     diesem Hintergrund gilt es, islamische Kunst-
                    schehen, wenn die Moscheen ihren Platz in      und Kulturformen zu fördern und als gesell-
                    der Mitte der Gesellschaft einnehmen und       schaftliche Bereicherung wahrzunehmen.
                    als Bereicherung wahrgenommen werden.
                                                                   Umweltschutz und Migration
                    Grundlagen: Koran und Sunna
                                                                   In den Jahren ab 2013 werden in den
                    In den folgenden zwei Jahren, 2010 und 2011,   TOM-Mottos aktuelle gesellschaftliche
                    geht es dann weiter mit den beiden Quellen     Entwicklungen aufgegriffen und aus isla-
                    des Islams: Koran und Prophetentradition       mischer Perspektive beleuchtet, von denen
                    (Sunna). Anlass für das Motto „Der Koran       hier nur einige wiedergegeben werden. Den
                    – 1400 Jahre, aktuell und mitten im Leben“     Anfang macht das Thema Umweltschutz,
                    ist das 1400. Jahr seit den ersten offenbar-   das durch den TOM zu einer Zeit auf die
                    ten Koranversen. Anhand des koranischen        Tagesordnung hunderter Moschee gesetzt
                    Schlüsselbegriffs „Verantwortung“ wird         wurde, als sich Muslime in Deutschland
                    dargelegt, wo Muslime ihre Verantwortung       noch eher sporadisch damit beschäftigt ha-
                    gegenüber sich selbst, ihrer Familie, ihren    ben. Dem Leser der TOM-Broschüre 2013
                    Verwandten, den Nachbarn, der Gesell-          wird verdeutlicht, dass „Umweltschutz vom
                    schaft und der weltweiten Gemeinschaft         Islam gefordert wird und dass das muslimi-
                    (Umma) sehen.                                  sche Bewusstsein eine Auseinandersetzung
                                                                   mit dem Thema nahelegt“. Zudem ist die
                    Im Mittelpunkt des TOM 2011 steht das          Broschüre ein Anstoß für Moscheegemein-
                    Handeln des Propheten Muhammad (s),            den, etwa ihren Wasser- und Energiever-
                    das von Barmherzigkeit und Gerechtigkeit       brauch zu überprüfen oder bewusster mit
                    geleitet ist. Daher das Motto: „Muhammad       Abfall umzugehen und sich im Sinne des
                    – Prophet der Barmherzigkeit“. Um dies         TOM-Mottos verstärkt für Umweltschutz
                    zu verdeutlichen werden jeweils Aussagen       einzusetzen.

16   25 Jahre TOM                                                                                                   17
MOSCHEEN gestern und heute - Tag der offenen Moschee
Ähnlich aktuell war 2016 auch das Thema          lässt sich nicht an einen bestimmten Ort
     Migration, vor dem Hintergrund der Zuwan-        verbannen. Sie gehört zum Leben, sie ist
     derung von vor allem syrischen Flüchtlingen      Teil des Lebens“, schreibt der KRM in der
     nach Deutschland. Zentraler Ausgangspunkt        Broschüre 2018. Religiosität kann auf der
     der TOM-Broschüre ist die „Hidschra“, also       Grundlage der Verfassung konfliktfrei aus-
     die Auswanderung der Muslime von Mek-            gelebt werden. Dort, wo Konflikte entste-
     ka nach Medina. Diese gilt als Wendepunkt        hen, sind oftmals Provokationen und Into-
     der islamischen Geschichte. In diesem Sin-       leranz die Ursache.
     ne heißt es zum Abschluss: „Die Hidschra ist
     aktueller denn je. Als historisches Ereignis     Heimat und Corona-Pandemie
     bietet sie eine Vielzahl von Aspekten, die wir
     heute mit auf unseren Weg nehmen und aus         Eine andere aktuelle Entwicklung hat der
     denen wir für heutige Herausforderungen          KRM 2019 aufgegriffen, nämlich das viel
     unsere Lehren ziehen können.“                    diskutierte Thema der Heimat. Dieser Be-
                                                      griff wurde und wird vermehrt mit natio-
     Nachbarschaft und Religiosität                   nalen, eindimensionalen Identitäten gleich-
                                                      gesetzt. Muslime in Deutschland stehen für
     Ob zugewandert oder nicht, Muslime und           einen unverkrampften Umgang mit dem
     Nichtmuslime leben in vielfältigen Bezie-        Thema Heimat, dessen Vielschichtigkeit sie
     hungen zusammen: als Arbeitskollegen,            anerkennen: „Unabhängig vom Herkunfts-
     Partner in Schule und Beruf, als Eltern in       ort kann ein neuer Lebensmittelpunkt auch
     Bildungseinrichtungen und Kindergärten           zur neuen Heimat werden. Es ist also durch-
     und nicht zuletzt als Nachbarn im Stadt-         aus möglich, zwei oder gar mehrere Heima-
     teil. In der TOM-Broschüre 2017 zum The-         ten zu haben.“ Daher lautet das Motto 2019:
     ma Nachbarschaft heißt es: „Die Moschee-         „Menschen machen Heimat/en“.
     gemeinden, die bereits seit Jahrzehnten
     existieren, sind in den vergangenen Jahren       2020 wird als Jahr der Corona-Pandemie
     nicht nur sichtbarer, sondern auch zu ak-        in Erinnerungen bleiben. Als solches hat es
     tiven Akteuren auf der kommunalen Ebe-           auch seinen Platz unter den TOM-Mottos
     ne geworden. Sie sind ebenso zu Nachbarn         eingenommen. Dem Koran und der Sunna
     vieler Menschen geworden und sind Orte           liegt das Prinzip des Gemeinwohls zugrun-
     eines guten Miteinanders. Häufig ist unbe-       de. Das bedeutet: Der Schutz des mensch-
     kannt, wie wichtig der Islam die Nachbar-        lichen Lebens hat in Extremfällen Vorrang
     schaft bewertet.“                                vor religiösen Riten. Vor diesem Hinter-
                                                      grund haben die Moscheegemeinden ihre
     Ein Thema, das unsere Gesellschaft be-           Aktivitäten zeitweise auf ein Minimum
     schäftigt ist Religion bzw. Religiosität im      reduziert und stattdessen mit zahlreichen
     öffentlichen Leben. „Ob in die eigenen vier      Hilfsprojekten ihre Unterstützung in dieser
     Wände oder in die Moschee: Religiosität          außergewöhnlichen Zeit angeboten.

18    25 Jahre TOM                                                                                  19
Wie                                                Der Koordinationsrat der Muslime
                                                                 in Deutschland (KRM) -
                                                             Gründung und Entwicklung

     alles begann
                    I
                         n den Siebzigerjahren gründeten die         und Gesellschaft zu organisieren. Als Bei-
                         damaligen „Gastarbeiter“, vornehm-          spiele können der Islamrat (1986) oder der
                         lich aus der Türkei, die ersten Gebets-     Zentralrat der Muslime (1994) genannt wer-
                         stätten und Moscheen in Deutschland.        den. Die Seevetaler Tagung unter dem Motto
                    Diese schlichten Räume wurden in erster          „Einheit der Muslime“ im Jahre 2005 war ein
                    Linie dafür genutzt, um die alltäglichen reli-   weiterer wichtiger, wenn auch vorerst er-
                    giösen, aber auch kulturellen Bedürfnisse zu     folgloser Anlauf, um die größten islamischen
                    decken. Später vernetzten sich die Moschee-      Gemeinschaften zusammenzubringen.
                    gemeinden untereinander und schlossen
                    sich zu unterschiedlichen Dachverbänden          Vor diesem Hintergrund wurde am 28. März
                    zusammen. Seitdem prägen sie das musli-          2007 in Köln der Koordinationsrat der Musli-
                    mische Leben in Deutschland und gestalten        me (KRM) von den vier großen islamischen Re-
                    das öffentliche Zusammenleben hierzulande        ligionsgemeinschaften „Türkisch-Islamische
                    aktiv mit.                                       Union der Anstalt für Religion“ (DITIB), „Is-
                                                                     lamrat für die Bundesrepublik Deutschland“,
                    Mitte der Achtziger- und Neunzigerjahre gab      „Verband der Islamischen Kulturzentren“
                    es Bemühungen, die größeren Dachverbände         (VIKZ) und „Zentralrat der Muslime“ (ZMD)
                    unter einem Spitzenverband zu versammeln         gegründet. Ziel war es gemeinsame Religions-
                    und als Ansprechpartner gegenüber Politik        gemeinschaften in den Bundesländern und

20   25 Jahre TOM                                                                                                    21
auf der Bundesebene zu etablieren und An-         sentativen Studie „Muslimisches Leben in     samen einheitlichen Ansprechpartner der         sowie tagesaktuellen und allen anderen
     sprechpartner für Politik und Zivilgesellschaft   Deutschland 2020“ fühlen sich 38 Prozent     Muslime nach. Ziel des Koordinationsrates       Fragen, die die Muslime in Deutschland be-
     zu werden. Am 2. Juli 2019 kam es zu einer Er-    der Muslime von mindestens einer islami-     ist die Schaffung einer einheitlichen Vertre-   treffen. Hierzu gehören zum Beispiel: das
     weiterung des KRM um zwei neue Mitglieder.        schen Gemeinschaft vertreten. Bei türkei-    tungsstruktur auf Bundesebene und recht-        Kopftuch, Staatsverträge, Halal-Lebensmit-
     Die „Union der Islamisch Albanischen Zentren      stämmigen Muslimen, die rund die Hälfte      licher sowie organisatorischer Vorausset-       tel, gemeinsame islamische Feiertage, isla-
     in Deutschland“ (UIAZD) und der „Zentralrat       alle Muslime ausmachen, sind es sogar 57     zungen für die „Anerkennung“ des Islams         mischer Religionsunterricht und islamische
     der Marokkaner in Deutschland“ (ZRMD) tra-        Prozent.                                     in Deutschland. Zudem arbeiten die Mit-         Theologie sowie antimuslimischer Rassis-
     ten dem Koordinationsrat bei.                                                                  glieder kontinuierlich vor allem in solchen     mus.
                                                       Die Gründung des KRM wurde auf einer         Bereichen zusammen, die die gemeinsamen
     Gründung und Entwicklung                          Pressekonferenz im Rahmen einer gemein-      Interessen der Muslime berühren und eine        Interreligiöser Dialog
                                                       sam gestalteten Festlichkeit zu Ehren des    bundeseinheitliche Interessenvertretung der
     Die Gründungsmitglieder des KRM waren             Propheten Muhammad (s) am 10. April 2017     Muslime erfordern.                              Seit seinem Bestehen setzt sich der KRM für
     die vier islamischen Religionsgemeinschaf-        in der KölnArena (heute Lanxess Arena) be-                                                   den Dialog mit anderen Religionsgemein-
     ten DITIB, Islamrat, VIKZ und der ZMD. Sie        kanntgegeben.                                Der Koordinationsrat der Muslime entstand       schaften ein. Er ist Mitglied in Dialoggre-
     repräsentierten und repräsentieren die ab-                                                     im Kontext der damaligen gesellschaftlichen     mien, nimmt an interreligiösen Begegnun-
     solute Mehrheit der Moscheegemeinden in           Mit der Gründung des KRM kommen die          Herausforderungen sowie der Deutschen Is-       gen teil bzw. organisiert diese mit. Mit der
     Deutschland, in denen das islamische Ge-          Organisationen dem Wunsch der Muslime        lam Konferenz (DIK). Die DIK begrüßte die       Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)
     meindeleben stattfindet. Laut der reprä-          und der Gesellschaft nach einem gemein-      Gründung des KRM, da dieser als zentraler       kommt der KRM jährlich zu einem Spitzen-
                                                                                                    Ansprechpartner für eine effektive Zusam-       treffen zusammen. Gemeinsam veröffent-
                                                                                                    menarbeit zwischen Staat und Muslimen er-       lichten der KRM und die EKD im Mai 2015
                                                                                                    forderlich war.                                 einen Dialogratgeber mit Ratschlägen für
                                                                                                                                                    mehr interreligiöse Sensibilität in Altenpfle-
                                                                                                    Somit traten Staat und Muslime in einen         geheimen, Kindergärten, Schulen und Kran-
                                                                                                    nachhaltigen Austausch über unterschied-        kenhäusern.
                                                                                                    liche Themen des Zusammenlebens in
                                                                                                    Deutschland. Trotz der Debatten über struk-     Islamischen Theologie an deutschen
                                                                                                    turelle und andere Probleme war und ist der     Universitäten
                                                                                                    Dialog zwischen Staat und muslimischen
                                                                                                    Vertretern ausschlaggebend für die Zusam-       Der KRM ist seit dem Beginn in die Etab-
                                                                                                    menarbeit innerhalb der DIK. Hierbei sind       lierung der islamischen Theologie an deut-
                                                                                                    die islamischen Religionsgemeinschaften,        schen Universitäten im Jahre 2010 eingebun-
                                                                                                    als unverzichtbare Partner für die Mitgestal-   den. Infolgedessen ist es heute möglich, an
                                                                                                    tung des Zusammenlebens in Deutschland,         mehreren Standorten in Deutschland, isla-
                                                                                                    nicht mehr wegzudenken.                         mische Theologie zu studieren. Auch wenn
                                                                                                                                                    die Form der Einbindung islamischer Ge-
                                                                                                    Wirken des KRM                                  meinschaften in die universitäre islamische
                                                                                                                                                    Theologie noch nicht den verfassungsge-
                                                                                                    Der KRM nimmt auf unterschiedlichen             mäßen Vorgaben entspricht, wirkt der KRM
                                                                                                    Plattformen Stellung zu religionsverfas-        kritisch und konstruktiv an den Zentren für
                                                                                                    sungsrechtlichen, gesellschaftspolitischen      islamische Theologie mit.

22    25 Jahre TOM                                                                                                                                                                                   23
Islamischer Religionsunterricht (IRU)          Des Weiteren engagiert sich der KRM unter     der offiziellen Homepage www.tagderoffe-         Seit 2007 hat der KRM es geschafft, als
                                                    anderem im Rahmen der Internationalen         nenmoschee.de zu finden.                         Sprachrohr für alle Belange der Muslime
     Die Bemühungen zur Einrichtung eines flä-      Woche gegen Rassismus, um gesamtgesell-                                                        wahrgenommen zu werden. Er hat gemeinsa-
     chendeckenden islamischen Religionsunter-      schaftlich Rassismus und Diskriminierung      Rück- und Ausblick                               me Standpunkte entwickelt und diese seinen
     richts (IRU) an öffentlichen Schulen reichen   entgegenzutreten, wie er z. B. in Hanau zu-                                                    Mitgliedsgemeinden und der Öffentlichkeit
     bis in die späten 1970er Jahre zurück. Der     tage getreten ist.                            Trotz aller Widrigkeiten und Kritik hat der      kommuniziert, wie etwa zu Beginn der Co-
     bekenntnisorientierte IRU soll muslimischen                                                  KRM in vielen Bereichen viel Arbeit geleis-      rona-Pandemie, als es darum ging, entspre-
     Schülern einen positiven Bezug zu ihrem        Tag der offenen Moschee (TOM)                 tet, die es zu würdigen gilt. Vor der Gründung   chende Maßnahmen in den Moscheen umzu-
     Glauben vermitteln und ist ein Zeichen für                                                   des KRM hielt man es aus unterschiedlichen       setzen. Der KRM hat ständige Arbeitsgruppen
     religiöse Vielfalt und Normalität an öffent-   Der Tag der offenen Moschee wurde ge-         Gründen für kaum möglich, dass diese Re-         zu unterschiedlichen Themen gebildet, um
     lichen Schulen. In diesem Sinne unterstützt    meinsam mit dem damaligen Bundesprä-          ligionsgemeinschaften zusammenkommen             die Belange der Muslime zu verfolgen. Er hat
     der KRM die Bestrebungen der Bundeslän-        sidenten Roman Herzog initiiert. 2007 hat     könnten, wie es auch die Vorgängermodelle        es geschafft, islamische Feiertage in Deutsch-
     der, sofern diese den verfassungsrechtlichen   der Koordinationsrat der Muslime die Lei-     des KRM zeigten.                                 land zu vereinheitlichen.
     Rahmenbedingungen entsprechen. Mo-             tung für diesen Tag des Miteinanders und
     mentan gibt es, je nach Bundesland, unter-     Kennenlernens übernommen. Der Tag                                                              Der KRM ist Ansprechpartner für Staat und
     schiedliche Modelle des „Islamischen Reli-     der deutschen Einheit wurde bewusst                                                                   Gesellschaft und somit zum Beispiel
     gionsunterrichts“, in die der KRM sich auf     gewählt, um zu signalisieren: Der Is-                                                                  an der universitären Etablierung
     unterschiedliche Weise einbringt.              lam ist ein Teil Deutschlands. Jähr-                                                                      der islamischen Theologie und
                                                    lich nehmen etwa 1000 Moscheen                                                                             des islamischen Religionsunter-
     Engagement gegen        Islamfeindlichkeit     deutschlandweit am Tag der offe-                                                                          richts beteiligt. Auch wenn man
     und Rassismus                                  nen Moschee teil und tragen damit                                                                        das Ziel, gemeinsame Strukturen
                                                    zum Dialog zwischen allen Inter-                                                                       in den Bundesländern zu etablieren
     Ein weiteres Anliegen des KRM ist die stei-    essierten bei.                                                                                          noch nicht erreicht hat, kann insge-
     gende Islamfeindlichkeit in all ihren Aus-                                                                                                             samt gesagt werden, dass die isla-
     prägungen. Der traurige Höhepunkt des          Ziel dieser Begegnungen ist es,                                                                        mische Moscheen- und Institutions-
     Islamhasses war die Ermordung von Mar-         durch Aufklärungsarbeit vor                                                                           landschaft stetig in Bewegung ist.
     wa El-Sherbini im Gerichtssaal in Dresden.     Ort Vorurteile abzubauen,
     Dem KRM zufolge ist die Bekämpfung von         Fehlinformationen Einhalt zu                                                                              Vor allem Moscheen haben ein
     Islamfeindlichkeit, insbesondere Moschee-      gebieten und Wissen über den                                                                              großes Potenzial, das es für die
     angriffen, und allen Formen des Rassismus      Islam und das muslimische                                                                                  Gesellschaft fruchtbar zu ma-
     eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.          Gemeindeleben zu vermitteln.                                                                                chen gilt. Hierzu müssen sich
                                                    Der Tag der offenen Moschee                                                                                 einerseits Muslime stärker in
     Auch das NSU-Verfahren beschäftigt den         baut Brücken zwischen Men-                                                                                 die Gesellschaft einbringen und
     KRM. Die schreckliche Mordserie, die           schen unterschiedlicher Religionen                                                                      die Moschee mit ihren vielfälti-
     schleppende Aufarbeitung und das Behör-        und Kulturen und schafft Verständ-                                                                    gen Möglichkeiten der Gesellschaft
     denversagen in dieser beispiellosen Epi-       nis und Empathie.                                                                                    dienstbar machen. Andererseits kann
     sode der neueren deutschen Geschichte                                                                                                              dies nur geschehen, wenn die Moscheen
     führte dazu, dass der KRM im November          Jedes Jahr wird der TOM unter ei-                                                                  einen Platz in der Mitte der Gesellschaft
     2012 ein umfangreiches Dossier über den        nem anderen Motto durchgeführt.                                                                    einnehmen und als Bereicherung wahr-
     NSU-Rechtsterror veröffentlichte.              Weitere Informationen hierzu sind auf                                                             genommen werden.

24    25 Jahre TOM                                                                                                                                                                                  25
Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB)

     Wer
                    Die Türkisch-Islamische Union der An-            aller Altersgruppen), die Bestattungshilfe
                    stalt für Religion (DITIB) wurde 1984 nach       sowie die Sozial- und Integrationsarbeit.
                    deutschem Vereinsrecht in Köln gegrün-
                    det. Ihr Ziel ist es, die religiösen, sozialen   Die DITIB legt Wert auf Freundschaftlich-
                    und kulturellen Angebote der Gemeinden           keit, Achtung, Nachsicht, Toleranz und
                    zu koordinieren. Zu den Tätigkeitsfeldern        Solidarität der Menschen untereinander

     sitzt im
                    der DITIB mit ihren mehr als 900 Mo-             und gegenüber anderen Glaubensangehö-
                    scheegemeinden gehört die Jugend- und            rigen. Diese Eigenschaften stimmen auch
                    Frauenarbeit, die Familien- und Sozialbe-        mit den Grundsätzen des Islams überein.
                    ratung (psychologische und pädagogische          Jede Form von Gewalt wird konsequent
                    Beratung und Betreuung von Migranten             abgelehnt.

     KRM?           Islamrat der Bundesrepublik Deutschland
                    Der Islamrat für die Bundesrepublik              Das größte Mitglied des Islamrats, die
                    Deutschland (IRD) wurde 1986 als Dach-           Islamische Gemeinschaft Millî Görüş
                    organisation mehrerer islamischer Ge-            (IGMG), wurde 1995 mit Sitz in Köln ge-
                    meinschaften gegründet. Heute sind rund          gründet. Sie versteht sich als islamische
                    440 Moscheegemeinden Mitglied im Is-             Religionsgemeinschaft und ist weltweit
                    lamrat. Zu seinen Mitgliedern gehören            in 37 Regionalverbänden mit mehr als
                    die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş          600 Moscheen vertreten, davon mehr
                    (IGMG), Gemeinden der Nurculuk-Be-               als 400 in Deutschland. Die IGMG ist
                    wegung sowie alevitische und andere              untergliedert in zahlreiche Unterorga-
                    Gemeinden. Ziel des Islamrats ist es, dass       nisationen wie Frauen-, Jugend- und
                    Muslime in Deutschland die eigene Religi-        Frauenjugendverbände. Ihre umfassen-
                    on frei und selbstbestimmt leben können.         den Tätigkeitsbereiche reichen von re-
                    Hierzu gehört die „Anerkennung“ des Is-          ligiöser Wegweisung über Bildung und
                    lams in Deutschland als Körperschaft des         sozialen Diensten bis hin zu Öffentlich-
                    öffentlichen Rechts und die Einführung           keitsarbeit und vielfältigen Publikatio-
                    des islamischen Religionsunterrichts als         nen.
                    ordentliches Lehrfach.

26   25 Jahre TOM                                                                                                 27
Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ)                                                    Union der Islamisch Albanischen Zentren in Deutschland (UIAZD)

     Der Verband der Islamischen Kulturzentren       setzt der VIKZ einen Schwerpunkt. Dabei         Die Union der Islamisch Albanischen Zent-        die ihnen eine freie persönliche, körperliche,
     (VIKZ) wurde im Jahre 1973 in Köln gegrün-      fördert er Kinder und Jugendliche sowohl im     ren in Deutschland (UIAZD) mit Sitz in Düs-      religiöse und kulturelle Entwicklung ermög-
     det. Er vertritt rund 300 Moscheegemeinden.     Hinblick auf religiöse Bildung, als auch die    seldorf wurde 2007 in Stuttgart gegründet.       licht. Der Dachverband bekennt sich zu einer
     Ziel des VIKZ ist es, sich für die religiösen   schulische Bildung durch verschiedene An-       Sie sieht sich als Religionsgemeinschaft, die    pluralistischen und demokratischen Gesell-
     Bedürfnisse der in Deutschland lebenden         gebote. Darüber hinaus bildet der VIKZ seit     die albanischen Muslime in Deutschland           schaft, basierend auf der freiheitlich-demo-
     Muslime einzusetzen und sie in alltäglichen     den 1980ern seine Imame und Theologinnen        vertritt. Die UIAZD setzt sich dafür ein, dass   kratischen Grundordnung der Bundesrepu-
     religiösen Fragen zu unterstützen. Deshalb      in Deutschland aus. Das Leitbild des VIKZ       alle Menschen eine Lebensgrundlage haben,        blik Deutschland.
     beschränkt sich der VIKZ nicht nur auf die      leitet sich von der Überlieferung des Pro-
     Kultuspflege, sondern ist auch im sozialen      pheten Muhammad (s) ab, der erklärte, dass
     und kulturellen Bereich aktiv. Insbesonde-      der beste Mensch derjenige sei, der anderen
     re im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit      Menschen nützlich ist.

                                                                                                     Zentralrat der Marokkaner in Deutschland (ZRMD)

                                                                                                     Der Zentralrat der Marokkaner in Deutsch-        Deutschland ein. Hierzu werden regelmäßig
     Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD)                                                     land (ZRMD) ist eine islamische Gemein-          Dialogveranstaltungen, Konferenzen und
                                                                                                     schaft mit Sitz in Frankfurt am Main. Er wur-    wissenschaftliche Symposien organisiert.
     Der Zentralrat der Muslime in Deutsch-          und die Aufklärungsarbeit zum Thema Si-         de am 2008 gegründet. Der ZRMD setzt sich        Darüber hinaus setzt sich der ZRMD für ge-
     land (ZMD) ist eine Dachorganisation von        cherheit.                                       für die sozialen, kulturellen und religiösen     sellschaftliche Vielfalt und Völkerverständi-
     19 muslimischen Dachorganisationen und                                                          Belange der marokkanischen Community in          gung ein.
     umschließt auch Einzelmitglieder. Die Zu-       Größtes Mitglied des ZMD ist die Union
     sammensetzung des ZMD bildet unter-             der Türkisch-Islamischen Kulturvereine
     schiedliche Muslime in Deutschland ab. Zu       in Europa (ATIB), die 1988 als Dachorgani-
     den wichtigsten Zielen des ZMD gehört, das      sation türkisch-islamischer Kulturvereine
     muslimische Leben und die islamische Spiri-     mit Sitz in Köln gegründet wurde. Ziel der
     tualität in Deutschland zu fördern und den      ATIB ist es, die kulturellen, sozialen, sowie
     Muslimen die Ausübung ihrer Religion zu er-     juristischen Interessen der türkisch-musli-
     möglichen und zu erleichtern. Dazu gehören      mischen Minderheit zu vertreten. Die ATIB
     die Berechnung der Gebetszeiten und des is-     möchte die kulturelle und religiöse Identi-
     lamischen Kalenders einschließlich des Fest-    tät der türkischstämmigen Einwanderer in
     tagskalenders, das Aufstellen von Regeln für    Deutschland pflegen, bewahren und sie als
     die islamische Schlachtung, die Errichtung      Bereicherung in die deutsche Gesellschaft
     islamischer Friedhöfe und Begräbnisstätten      integrieren.

28    25 Jahre TOM                                                                                                                                                                                     29
Warum überhaupt
     ein Tag der offenen
     Moschee?
     Jahr für Jahr öffnen Moscheen ihre Türen für
     Besucher und geben einen Einblick in den Islam
     und das Gemeindeleben. Aber warum tun sie das?

     F
              ür viele Moscheen ist der Tag der of-
              fenen Moschee ein ganz besonderer
              Tag. Sie öffnen ihre Türen, empfan-
              gen zahlreiche Gäste und präsentie-
     ren ihre Tätigkeiten. Hinter den Tätigkeiten
     steckt viel ehrenamtliche Arbeit. Ziel ist es,   Nicht nur die Arbeit
     die Gemeinde so gut es geht zu repräsentie-
     ren und den Mehrwert der Moscheen für alle
                                                      der Gemeinde steht
     deutlich zu machen.
                                                      im Mittelpunkt,
     Nicht nur die Arbeit der Gemeinde steht im
     Mittelpunkt des TOM, sondern auch die his-
                                                      sondern auch der
     torischen Hintergründe der Moschee, die          Wunsch nach
     Geschichte und der Wunsch nach Anerken-
     nung. Und das nicht erst seit gestern – spä-     Anerkennung.
     testens seit der ersten Gastarbeitergenera-
     tion sind muslimische Gebetshäuser Zentren
     des muslimischen Lebens.

30    25 Jahre TOM                                                           31
Warum organisiert eine Gemeinde den Tag        Denn das allgemein verzerrte Bild des Islams
     der offenen Moschee?                           kann oftmals nur auf der persönlichen Ebe-
                                                    ne ein Stück weit korrigiert werden.
     In Deutschland leben mehr als 6 Millio-
     nen Muslime. In den 1960er Jahren kamen        Wissen und Vertrauen: Eines der wichtigs-
     die meisten von ihnen bzw. ihre Eltern und     ten Ziele des TOM ist die Vermittlung grund-
     Großeltern im Zuge der Arbeitsmigration        legender Kenntnisse über den Islam. Denn
     nach Deutschland. Sie gründeten Vereine        aufgrund der meist unzureichenden Infor-
     und Moscheen, um ihre Religion, Kultur und     mationen und so mancher meist kulturell be-
     Tradition auszuüben. Seit langem sind sie in   dingter Vorurteile herrscht ein großer Infor-
     Deutschland heimisch geworden und leisten      mationsbedarf. Die authentische Darstellung
     vielfältige Beiträge für das Gemeinwohl.       der Religion kann Vertrauen zwischen den
                                                    Menschen herstellen. Mehr als eine theolo-                                                          Ziel des TOM ist es,
     In den Vereinen und Moscheen finden vie-       gisch fundierte Diskussion steht hierbei das
     le Begegnungen statt. Um das Kennenlernen      gegenseitige Kennenlernen und eine daraus                                                           den dauerhaften
     und den Dialog zu intensivieren, organisie-
     ren die Muslime in Deutschland seit über 25
                                                    resultierende Veränderung der Wahrneh-
                                                    mung des Anderen im Vordergrund.
                                                                                                    Konstruktiver Dialog: Ein weiteres Ziel des
                                                                                                    TOM ist es, den dauerhaften Dialog zwi-
                                                                                                                                                        Dialog zwischen
     Jahren jedes Jahr ohne Unterbrechung den
     Tag der offenen Moschee. Wieso tun sie das?
                                                                                                    schen Menschen verschiedener Religion,
                                                                                                    Kultur und Herkunft aufrechtzuerhalten.
                                                                                                                                                        Menschen
     Kennenlernen: Austausch geht nur durch
                                                                                                    Dieser beginnt mit der einfachen Begegnung
                                                                                                    und kann über einen fruchtbaren prakti-
                                                                                                                                                        verschiedener
     Kennenlernen. Der TOM als ein Tag des
     Miteinanders und Kennenlernens bietet die
                                                                                                    schen Dialog über gemeinsame Probleme bis           Religion, Kultur
                                                                                                    hin zu gemeinsamen Aktionen führen.
     Möglichkeit, die Vielfalt des muslimischen                                                                                                         und Herkunft
     Lebens in Deutschland zu verdeutlichen,                                                        Der TOM ist eine gute Basis und eine will-
     Missverständnissen vorzubeugen und Vor-                                                        kommene Gelegenheit für den Dialog. Die-            aufrechtzuerhalten.
     urteile abzubauen. Das Gegenüber ist nicht                                                     ser Austausch ist unverzichtbar in religiös
     der „Andere“ oder „Fremde“, sondern Teil                                                       und kulturell pluralistischen Gesellschaften
     des „Wir“ in der Gesellschaft.                                                                 wie der Bundesrepublik Deutschland. Das
                                                                                                    Gespräch, das oftmals mit einer einfachen       die Gesellschaft ein und knüpfen Kontakte zu
     Kommunikation: Durch die verschiedenen                                                         Begegnung, einem Gruß oder mit einem ge-        Mitgliedern anderer gesellschaftlicher Grup-
     TOM-Mottos wird das Potenzial und das                                                          meinsamen Mahl beginnt, bringt Menschen         pen. Dies stellt einen wichtigen Beitrag zum
     Selbstverständnis der Muslime in Deutsch-                                                      zusammen und hilft, Widrigkeiten der ge-        gesamtgesellschaftlichen Zusammenleben
     land mit all ihren Einrichtungen hervorge-                                                     meinsamen Gesellschaft zu überwinden.           dar, der zu Anerkennung führt. Viele Men-
     hoben. Dem steigenden Interesse am Islam                                                       Das Ergebnis solch eines Dialogs wird im        schen in Deutschland haben keine Vorstel-
     und den Muslimen, aber auch dem in vielen                                                      Idealfall die gesamtgesellschaftliche Teilha-   lungen von den unverzichtbaren Beiträgen
     Bereichen der Gesellschaft vorhandenen                                                         be fördern.                                     einer Moscheegemeinde für die Gesamtge-
     Misstrauen, begegnen die Muslime mit einer                                                                                                     sellschaft. Die Aktivitäten der Gemeinde sind
     offenen Moscheegemeinde. Dabei wird den                                                        Partizipation und Anerkennung: Eine wei-        für viele nicht auf Anhieb sichtbar. Je mehr
     Besuchern vor allem Möglichkeit des per-                                                       tere Perspektive für den TOM ist die der Par-   sich die Gemeinden nach „Außen“ präsentie-
     sönlichen Kontakts zu Muslimen und ein                                                         tizipation. Die Gemeindemitglieder bringen      ren, desto mehr wird die Gemeindearbeit er-
     Einblick in das Gemeindeleben gegeben.                                                         sich mit verschiedenen Veranstaltungen in       kannt, anerkannt und gewürdigt.

32    25 Jahre TOM                                                                                                                                                                                  33
Willkommen
     in unserer Moschee!
     Ob im Hinterhof verborgen oder sichtbar inmitten
     der Stadt - die Moschee ist das Zentrum des religiösen
     Lebens der Muslime. Begleiten Sie uns durch eine typische
     Moschee. Eine fotografische Moscheeführung.

34   25 Jahre TOM                                                35
1
          In Deutschland gibt es rund 2400

                                                                                              4
          Moscheen. Rund 350 sind, z. B.                                                             Frauen haben oft ihre eigenen
          wegen dem Minarett, von außen                                                              Räumlichkeiten, wo sie sich vom
     als solche erkennbar. Im Gegensatz zu                                                           stressigen Alltag zurückziehen,
     den monumentalen Moscheebauten in                                                        sich ungestört aufhalten und ihrem
     islamisch geprägten Ländern, handelt                                                     Glauben nachgehen können. Wenn es
     es sich beim Großteil der Moscheen                                                       um ehrenamtliche Tätigkeiten geht,
     in Deutschland oftmals um ehemalige                                                      stehen die Frauen ganz vorne. Sie sind
     Wohnungen oder Lagerhallen. Diese                                                        die Stütze des Moscheelebens und im
     wurden mit der Zeit zu Gebetsräumen                                                      Vorstand der Moschee vertreten.
     umgewandelt und dienen seitdem als
     Orte des islamischen Gemeindelebens.

                                                2                                                                                      5
                                                      Betritt man den Hof einer Moschee in
                                                                                                                                             Einige Minuten vor dem Gebetsruf
                                                      Deutschland begegnet man oftmals
                                                                                                                                             kommt Bewegung in die Moschee-
                                                      Menschen mit einem breiten Lächeln
                                                                                                                                             räume. Diejenigen, die noch ihre
                                                und einem „Assalamu alaykum“ (Friede sei
                                                                                                                                       Gebetswaschung vollziehen möchten, ge-
                                                mit dir) auf den Lippen. An den Wänden
                                                                                                                                       hen in den Waschraum. Aus hygienischen
                                                oder an Infoständen befinden sich Plakate
                                                                                                                                       Gründen wird der Gebetsraum ohne
                                                und Tafeln, die über die religiösen und so-
                                                                                                                                       Schuhe betreten.
                                                zialen Dienstleistungen informieren.

                                                                                              6
                                                                                                    Die restlichen Muslime begeben

     3
            In den Räumlichkeiten der Mo-                                                           sich in den Gebetsraum und war-
            schee angekommen, findet man                                                            ten bis zum Gebet gerufen wird.
            oft eine kleine Teestube, wo sich                                                 Auch Frauen können an den täglichen
     die Moscheebesucher unterhalten oder                                                     Gebeten teilnehmen. Diese Beten ent-
     etwas lesen können. Dauergäste hier                                                      weder auf der Empore, die sich über
     sind meist Rentner, die als „Gastarbei-                                                  dem Gebetsraum der Männer befindet
     ter“ nach Deutschland gekommen sind.                                                     oder in einem angrenzenden Raum. In
                                                                                              Moscheen, die nur einen Gebetsraum
                                                                                              haben, beten Männer und Frauen im
                                                                                              selben Raum.

36    25 Jahre TOM                                                                                                                                                              37
7
            Auch wenn die Moscheen unter-
            schiedlich aussehen, gibt es Ele-

                                                                                              10
            mente, die in jeder Moschee zu
     finden sind. Hierzu gehören der Mih-                                                                Links neben der Gebetsni-
     rab, die Minbar, die Kursi und die Dik-                                                             sche befindet sich die Kursi,
     ka. Der Gebetsraum jeder Moschee ist                                                                eine Art Kanzel. Von hier
     mit einem Teppich ausgelegt, wobei                                                       aus hält der Imam Ansprachen zu ganz
     der Farbgebung keine Grenzen gesetzt                                                     verschiedenen Themen.
     sind. Im Gegensatz zu anderen Got-
     teshäusern gibt es in Moscheen weder
     Bildnisse noch Skulpturen, sondern
     nur Kalligrafien und Ornamente.

                                                8                                                                                        11
                                                        Das Hauptelement eines Gebets-
                                                        raums ist der Mihrab. Dies ist eine                                                      Im hinteren Bereich des Gebets-
                                                        Nische in der Wand, die die Ge-                                                          raums befindet sich eine leicht
                                                betsrichtung anzeigt, nämlich in Richtung                                                        erhöhte Fläche. Dies ist die Dikka,
                                                der Kaaba in Mekka. Während des Gebets                                                   der Platz des Gebetsrufers.
                                                stellt sich der Imam vor den Mihrab und
                                                leitet von dort aus das Gebet.

                                                                                              12
                                                                                                        Die Wände des Gebetsrau-

     9
                                                                                                        mes sind oft kalligrafisch
           Rechts von der Gebetsnische
                                                                                                        verziert. Oft anzutreffen
           steht die Minbar. Dies ist eine
                                                                                              sind die Kalligrafien „Allah“ und „Mu-
           turmähnliche mit Treppen er-
                                                                                              hammad“, rechts und links neben der
     weiterte Erhöhung, meist aus Holz
                                                                                              Gebetsnische. Außerdem findet man
     oder Marmor. Von hier aus hält der
                                                                                              auch die Namen der vier rechtgeleite-
     Imam jede Woche die Freitagspredigt.
                                                                                              ten Kalifen „Abû Bakr“, „Umar“, „Us-
                                                                                              mân“ und „Ali“ als Kalligrafie.

38    25 Jahre TOM                                                                                                                                                                     39
„Muslime sind
     ein wichtiger
     Teil des
     öffentlichen
     und sozialen
     Lebens“
     Ein Gespräch mit der Kölner
     Oberbürgermeisterin
     Henriette Reker über den        Bereits seit 25 Jahren organisie-   den in Köln von der Bevölkerung sehr gut
                                     ren Muslime den Tag der offe-       angenommen. Die Kölner*innen fühlen sich
     Tag der offenen Moschee          nen Moschee. Eines der Ziele       eingeladen und folgen dieser Einladung ger-
     in Köln und die Stimmung         ist es, Vorurteile abzubauen       ne. Wir haben den Tag der offenen Moschee
                                       und Vertrauen zu schaffen.        von Anfang an in unseren städtischen Diver-
     in der deutschen Gesellschaft       Wie beurteilen Sie diesen       sity-Kalender aufgenommen.
     gegenüber Muslimen.                 Einsatz?
                                                                         Können Sie uns Ihre Eindrücke Ihres letz-
                                         Oberbürgermeisterin Hen-        ten Moscheebesuchs schildern?
                                         riette Reker: Das ist ein
                                          hervorragender Einsatz mit     Reker: Aufgrund der Corona-Pandemie
                                            großer Wirkung. Diese        fand mein letzter Besuch in einer Moschee
                                            langjährige Tradition, der   tatsächlich am Tag der offenen Moscheen
                                             feststehende Tag und die    am 3. Oktober 2020 statt. An diesem Tag
                                              Öffnung der muslimi-       war ich in der DITIB-Zentralmoschee in
                                              schen Gemeinden wer-       Köln-Ehrenfeld. Durch das Versammlungs-

40    25 Jahre TOM                                                                                                     41
verbot und die Einschränkungen der ge-           ren auf Kölns Straßen gefragt, was Ramadan
     meinsamen Gebete und Gottesdienste für           bedeutet, hätten Sie – vermute ich – viele
     alle Religions- und Glaubensgemeinschaf-         fragende Blicke geerntet. Das ist heute mit
     ten waren auch mir seither keine weiteren        Sicherheit anders.                               Hätten Sie vor 40 Jahren auf Kölns Straßen gefragt,
     Besuche möglich.
                                                      Islam und Deutschland. Für viele passt           was Ramadan bedeutet, hätten Sie -vermute ich
     Auch wenn die Zahl der Teilnehmenden             das nicht zusammen. Doch verstehen sich
     sehr reduziert war, war es mir sehr wichtig,     Muslime als festen Teil der hiesigen Gesell-     – viele fragende Blicke geerntet. Das ist heute mit
     die Moschee zu besuchen. Wie auch in den
     vergangenen Jahren hat mir die Gemeinde
                                                      schaft. Wie ist das in Ihrer Stadt?
                                                                                                       Sicherheit anders.
     einen sehr freundlichen Empfang bereitet         Reker: Ja, es gibt Menschen, deren Bild von
     und ich bin jedes Mal sehr beeindruckt von       Deutschland und der deutschen Gesell-
     der Wirkung und Ausstrahlung dieses sehr         schaft passt offenbar nicht mit dem Islam
     schönen Gebäudes.                                zusammen. Es gibt auch deutliche regio-
                                                      nale Unterschiede, die damit zu tun haben,
     Wie hat sich die Stimmung in der deut-           welche Erfahrungen die Einheimischen mit
                                                                                                       Deutschland hat ein Problem mit Islam-        die Straftäter*innen mit aller Härte bestraft
     schen Gesellschaft gegenüber Muslimen            Zuwanderung haben und ob sie seit langem
                                                                                                       feindlichkeit. Im Jahr 2020 wurden 901 An-    werden müssen.
     verändert?                                       mit Menschen unterschiedlicher Glaubens-
                                                                                                       griffe auf Muslime und Moscheen erfasst.
                                                      richtungen zusammen wohnen, leben und
                                                                                                       Sind Begegnung und Kommunikation der          In ihrer Stadt setzen Sie sich als Bürger-
     Reker: Ich habe den Eindruck, dass es –          arbeiten oder nicht. Muslim*innen, viele da-
                                                                                                       Schlüssel im Kampf gegen Islamfeindlich-      meisterin auch für muslimische Mitbürger
     nicht für alle, aber viele – selbstverständ-     von hier geboren, sind fester Teil der Kölner
                                                                                                       keit? Was kann noch getan werden?             ein. Wie ist die Resonanz?
     licher geworden ist, dass Menschen mus-          Stadtgesellschaft. Im Kölner Rat der Reli-
     limischen Glaubens Teil der deutschen            gionen sind neun muslimische Verbände,
                                                                                                       Reker: Die Zahl der Angriffe auf Muslime      Reker: Ich bin Oberbürgermeisterin einer
     Gesellschaft sind. Es ist längst Alltag, dass    Organisationen und Gemeinden vertreten.
                                                                                                       und Moscheen, Juden und Synagogen und         Stadt, in der Vielfalt gelebt wird. Ich habe
     muslimische Kinder und Jugendliche ge-           Wir haben muslimische Wohlfahrtsträger,
                                                                                                       lautstark propagierte Islamfeindlichkeit      alle Kölner*innen zu vertreten, ganz gleich,
     meinsam mit Kindern und Jugendlichen an-         Bildungseinrichtungen, und Muslim*innen
                                                                                                       und Antisemitismus haben in den vergan-       welcher Religion und welchem Glauben sie
     derer Glaubensrichtungen und Religions-          unterstützen auch geflüchtete Menschen in
                                                                                                       genen Jahren zugenommen. Aufklärung,          angehören, welche Hautfarbe oder welche
     zugehörigkeiten Kindergärten und Schulen         den Strukturen der Kölner Willkommens-
                                                                                                       Begegnung, Offenheit und Kommunikation        geschlechtliche Identität oder sexuelle Ori-
     besuchen und so auf ganz natürliche Weise        initiativen. Sie arbeiten in der Kölner Stadt-
                                                                                                       sind wichtige Schlüssel, um eine breite ge-   entierung sie haben. Das ist eine Grundhal-
     erfahren, wer welche Glaubensregeln ein-         verwaltung und anderen Behörden. Sie sind
                                                                                                       sellschaftliche Gegenreaktion zu bewirken.    tung, die mein gesamtes Handeln bestimmt.
     hält und wer welche wichtigen Feiertage          ein wichtiger Teil des öffentlichen und so-
                                                                                                       Wir brauchen eine klare politische Hal-       Das bleibt oft nicht ohne Widerspruch und
     seiner Religion feiert. Hätten Sie vor 40 Jah-   zialen Lebens in Köln.
                                                                                                       tung der demokratischen Kräfte in unse-       ist hin und wieder auch mit Anfeindungen
                                                                                                       rem Land. Wir brauchen mehr Dialogforen       verbunden. Ich finde aber konsequentes
                                                                                                       wie den Kölner Rat der Religionen, und wir    Handeln für das, wofür man steht, richtig.
                                                                                                       brauchen im Land so wie auch in Köln mehr     Oberbürgermeister*innen werden gewählt.
                                                                                                       Strukturen in der Verwaltung, die den ge-     Sie können also nicht wiedergewählt wer-
                                                                                                       sellschaftlichen Zusammenhalt und die         den, wenn einer Mehrheit der Bevölkerung
     Muslim*innen, viele davon hier geboren, sind                                                      Vielfalt fördern. Dennoch – befürchte ich –   diese Haltung und dieser Kurs nicht gefällt.

     fester Teil der Kölner Stadtgesellschaft.                                                         werden wir damit nicht alle erreichen. Das
                                                                                                       bedeutet, dass alle Angriffe und Übergrif-
                                                                                                                                                     Ich bin bei der letzten Kommunalwahl als
                                                                                                                                                     Oberbürgermeisterin wiedergewählt wor-
                                                                                                       fe konsequent angezeigt, von den Ermitt-      den. Das sehe ich auch als Bestätigung für
                                                                                                       lungsbehörden engagiert aufgeklärt und        meine Haltung und für mein Handeln.

42    25 Jahre TOM                                                                                                                                                                                   43
Eine Reise durch
     die Moscheen
     Moscheebesuche sind meist mit schönen Erinnerun-
     gen verbunden. Sowohl für Moscheebesucher als auch
     für die vielen Ehrenamtlichen, die den Tag der offe-
     nen Moschee organisieren. Drei Erfahrungsberichte.

     O
                 rganisieren, planen, schmücken.
                 Und das alles Wochen vorher –
                 vor dem großen Tag. „Was kön-
                 nen wir den Moscheebesuchern
     dieses Jahr zeigen? Welche Angebote könn-      Ich freue mich darauf,
     ten interessant sein? Wie werden die Men-
     schen auf unsere Moschee aufmerksam?“.         mit den Menschen über
     Für Neşe Yılmaz von der IGMG-Gemeinde
     Mögglingen ist der Tag der offenen Moschee
                                                    meine Religion zu sprechen.
     jedes Jahr eine neue Herausforderung. Sie
     erinnert sich an den ersten TOM, bei dem sie
     voller Aufregung den Gästen noch nicht mal
     erklären konnte, warum Muslime in Rich-
     tung Kaaba beten. Yılmaz muss lachen, als
     sie sich daran erinnert. Erinnerungen, die
     für sie wichtige Erfahrungen geworden sind.
     Sie ist nun schon seit mehr als 15 Jahren in
     der Moschee aktiv und organisiert den TOM
     mit. „Jedes Jahr freue ich mich darauf, mit
     den Menschen über Religion zu sprechen.“

44    25 Jahre TOM                                                                45
Begegnung mit dem eigenen Professor                                                            Auch die Menschen vor Ort seien sehr herz-      lich ich der Mensch war, der die Existenz der
                                                                                                    lich und offen gewesen. „Ich wusste nicht,      Muslime komplett ausgeblendet hat.“
     Leila Momen , Mitglied des Islamischen                                                         wie Muslime eigentlich sind und welche
     Zentrums Aachen organisiert seit über 20                                                       Menschen sich dahinter verbergen. Sie wa-       Armin Krohne erinnert sich an die jungen,
     Jahren den TOM in ihrer Moschee mit. „Da-                                                      ren für mich quasi immer sehr unsichtbare       klugen und aufgeschlossenen jungen Men-
     bei habe ich natürlich genug Geschichten          Beim Betreten der                            Menschen, die in einer eigenen Welt lebten.     schen in der Moschee, die ihn sehr begeis-
     gesammelt, die ich erzählen kann“, sagt
     Momen lächelnd. Für sie war es besonders          Moschee habe ich                             Ich habe sie nie als gefährlich oder bedroh-
                                                                                                    lich empfunden – so wie man es uns in den
                                                                                                                                                    tert haben. „Sowas sehe ich nur ganz selten“,
                                                                                                                                                    sagt er. Er wünscht sich für die kommenden
     schön, von Jahr zu Jahr mitzuerleben, wie
     das Interesse der Menschen für den TOM
                                                       Wärme gespürt,                               Medien vorspielt. Sie waren in meiner Welt
                                                                                                    einfach nicht existent“, erzählt Krohne. „Ich
                                                                                                                                                    Jahre, „sofern es die Pandemie wieder er-
                                                                                                                                                    laubt“, einen engeren Dialog zwischen den
     wächst.
                                                       anstatt Befremdung.                          habe nach langen und intensiven Gesprä-
                                                                                                    chen mit den jungen Leuten, die uns die Mo-
                                                                                                                                                    Kulturen und Religionen. „Denn vor allem
                                                                                                                                                    das leckere Essen muss die ganze Welt ein-
     „Oft sehe ich dieselben Personen, die mir                                                      schee gezeigt haben, gemerkt, dass eigent-      mal gekostet haben!“
     dann berichten, wie schön es jedes Mal
     ist, die Atmosphäre der Moschee mitzu-
     nehmen“, so Momen. Aber auch neue, neu-
     gierige Gesichter begleitet sie jedes Jahr.
     Dabei macht sie die Erfahrung, dass zwar
     oft dieselben Fragen gestellt werden, die     „Mein erster TOM war unvergesslich“
     Reaktion auf die Antwort aber oft anders
     ist. „Einmal, es müsste die letzte Moschee-   Vor vier Jahren besuchte Armin Krohne das
     führung an dem Tag gewesen sein, hat          erste Mal einen TOM in Erlangen. Bis dahin
     mich eine Besucherin gefragt, wieso ich       hatte er weder eine Moschee von außen, ge-
     denn neben dem Studium und der ganzen         schweige denn von innen gesehen. „Eine Mi-
     Arbeit, mich in der Moschee ehrenamtlich      schung aus Aufregung und Anspannung“,
     einbringen würde.“ Es folgte ein langes,      erinnert sich Krohne. Er hörte von einem
     sehr inspirierendes Gespräch über den         Arbeitskollegen vom TOM und hatte eigent-
     Glauben und die damit einhergehenden          lich nicht vor, die Moschee zu besuchen. „Bis
     positiven Lebensereignisse. „Eines der Le-    mein Kollege sagte, dass es dort sehr leckeres
     bensereignisse war das Gespräch mit die-      Essen geben würde“, fügt er lächelnd hinzu.
     ser Besucherin, die ich nie vergessen wer-
     de. Meine Antwort auf die Frage war dann      2017 besuchte Armin Krohne die Sultan Ah-
     schließlich: Wegen diesen Gesprächen.“        met Moschee der DITIB in Erlangen. „Das
                                                   Essen hat mich angelockt“, erzählt Krohne.
     Einmal habe sie auch während des TOM          Doch dabei blieb es nicht. „Beim Betreten
     einen ehemaligen Professor aus der Uni-       der Moschee habe ich Wärme gespürt, an-
     versität getroffen. „Diese Begegnung war      statt Befremdung“, erinnert er sich. „Allein
     besonders schön für mich, da ich ihn Jahre    die Tatsache, dass wir unsere Schuhe auszie-
     vorher mal zum TOM eingeladen hatte, er       hen mussten, die Räume mit einem wunder-
     aber immer wieder abgesagt hatte. 10 Jah-     schönen Teppich ausgelegt waren und die
     re später hat er dann den Weg in die Mo-      Wände mit Farben verziert, hat mir das Ge-
     schee gefunden“, so Momen.                    fühl von Gastfreundschaft gegeben.“

46    25 Jahre TOM                                                                                                                                                                                  47
„Muslimisches
     Leben hat unser
     Zusammenleben
     bereichert“
     Der Tag der offenen Moschee ist ein Ort
     des interreligiösen Dialogs. Ein Gespräch
     mit Dr. Detlef Görrig* von der Evangelischen
     Kirche in Deutschland überseinen ersten
     Moscheebesuch vor 50 Jahren bis heute.

                                                      Um das Kennenlernen und den Dialog zu         Weg gemacht hat, um die nahegelegene Mo-
                                                      intensivieren, organisieren die Muslime       schee zu besuchen. Dieser damals für mich
                                                         seit 25 Jahren den Tag der offenen Mo-     erste Besuch einer Moschee war eine ganz
                                                               schee. Wie bewerten Sie dieses       wichtige Erfahrung, und vor nun fast 50 Jah-
                                                                    traditionsreiche Angebot der    ren noch durchaus ungewöhnlich.
                                                                      Muslime?
                                                                                                    Dank des Tages der offenen Moschee und
                                                                     Dr. Detlef Görrig: Das An-     vieler weiterer Dialogprojekte ist es heute
                                                                     gebot müsste man erfin-        selbstverständlicher und leichter geworden,
                                                                     den, wenn es nicht bereits     eine Moschee als Nichtmuslim oder Nicht-
                                                                      vorhanden wäre. Ich bin       muslimin zu besuchen. Dennoch gibt es auch
                                                                       meinem früheren Re-          heute noch Menschen in unserer Umgebung,
                                                                        ligionslehrer     immer     die noch nie eine Moschee von innen gese-
                                                                         noch dankbar, dass er      hen haben. Das mag mit mangelnden Gele-
     *Dr. Detlef Görrig ist Referent für interreli-
     giösen Dialog der Evangelischen Kirche in                            sich seinerzeit mit der   genheiten zu tun haben oder mit vorhande-
     Deutschland (EKD).                                                   Schulklasse auf den       nen Vorbehalten. Oder auch mit dem, was

48     25 Jahre TOM                                                                                                                                49
man vielleicht als natürlichen Respekt be-        ausmacht, und natürlich auch, dass das Pro-     Die vom Innenministerium 2006 begonnene           schwierigen Zeiten trägt, und dabei das Ziel
     zeichnen könnte, nämlich einer Zurückhal-         gramm so angelegt wurde, dass man eher zu-      Deutsche Islam Konferenz und die seit 2010        nicht aus den Augen zu verlieren. Denn am
     tung, sich dem, was einem anderen „heilig“        hörend und wahrnehmend dabei sein oder          neu entstandenen Lehrstühle für islamische        Ende geht es darum, das Zusammenleben ge-
     ist, überhaupt zu nähern. Der Tag der offe-       sich eben auch direkt einbringen konnte.        Theologie an deutschen Universitäten haben        meinsam zu gestalten und das auf der Grund-
     nen Moschee ist da ein sehr gutes Angebot         Impulse und Anregungen, die von Referaten,      einen wichtigen Beitrag geleistet.                lage der Religionsfreiheit und der Achtung
     und erleichtert den Zugang in jedem Fall. Ich     Führungen, Grußworten oder Podiumsdis-                                                            der Würde jedes einzelnen Menschen.
     gratuliere daher zu dieser Initiative und zum     kussionen ausgingen, wirkten dabei sicher-      Gleichzeitig sind viele Begegnungsformen
     25-jährigen Jubiläum.                             lich noch bei Vielen nach. Ebenso wichtig ist   selbstverständlicher geworden, wie etwa           Der TOM findet jedes Jahr unter einem an-
                                                       für mich aber auch, Menschen beim Tag der       wechselseitige Einladungen zu den Festen          deren Motto statt. 2021 lautete es: „Glau-
     Sie haben Ihren ersten Moscheebesuch er-          offenen Moschee in der Ausübung ihrer re-       im islamischen Jahr oder im Kirchenjahr.          be in außergewöhnlichen Zeiten“. Der
     wähnt. Sicherlich haben Sie danach noch           ligiösen Praxis zu erleben. Ein Mensch, der     Vielerorts haben sich Runde Tische der Re-        Themenschwerpunkt soll einerseits das
     weitere Moscheen am TOM besucht? Wie              betet, macht sich erkennbarer als viele Wor-    ligionen, interreligiöse Foren und Initiativen    Selbstverständnis der islamischen Ge-
     sind Ihre Eindrücke?                              te das manchmal vermögen.                       gebildet, an denen Christinnen und Christen       meinden verdeutlichen, zeigt aber auch,
                                                                                                       mit Musliminnen und Muslimen kommuni-             dass Muslime sich längst mit den Themen
     Görrig: Das Interesse der Menschen, die am        Wie haben sich die Beziehungen zwischen         zieren und kooperieren. Auch Grußworte            der Gesamtgesellschaft auseinanderset-
     Tag der offenen Moschee das Angebot wahr-         Muslimen und Christen bzw. zwischen ih-         zum Ramadan oder zu Weihnachten sind ein          zen. Wie finden Sie das?
     genommen haben, habe ich als überwiegend          ren Gemeinden in den vergangenen 25 Jah-        Stück gelebter Wertschätzung. Aktionen wie
     hoch erlebt. Da gab es diejenigen, die mit ganz   ren aus Ihrer Sicht entwickelt?                 der Tag der offenen Moschee setzen dabei          Görrig: Dieser Ansatz überzeugt mich. Wir
     vielen Fragen kamen oder die, die noch unsi-                                                      ebenfalls ein wichtiges Signal in die Gesell-     alle sind Teil der Gesamtgesellschaft, deshalb
     cher und zurückhaltend waren, wie man sich        Görrig: Die letzten 25 Jahre haben sicherlich   schaft hinein.                                    sollten uns nicht nur die Themen der ande-
     in einer Moschee überhaupt verhalten darf         in den christlich-muslimischen Beziehun-                                                          ren interessieren, sondern wir sollten auch
     oder soll. Und es gab die, die bereits regelmä-   gen viele Veränderungen mit sich gebracht.      Welche Herausforderungen sehen Sie?               unsere eigenen Themen einbringen können.
     ßige Kontakte zu Moscheen unterhalten und         Da gab es Fortschritte und Rückschläge,                                                           Nur so sind Austausch und auch Verände-
     sich einfach von der Atmosphäre des Ortes         keine lineare Bewegung, sondern eher eine       Görrig: Begegnungen zwischen Menschen             rung möglich. Die Herausforderungen, vor
     angezogen fühlen.                                 Wellenbewegung. Die Anschläge des 11.           muslimischen und christlichen Glaubens            denen wir stehen, sind durch die Pandemie
                                                       September 2001 und weitere Attentate in         sind nie ganz frei von tagesaktuellen politi-     nicht kleiner, sondern noch größer gewor-
     Die Vielfalt dieser Menschen an einem Ort         Europa und Deutschland haben das politi-        schen oder medialen Entwicklungen. Debat-         den. Außergewöhnlich sind diese Zeiten in
     ist für mich eine der Stärken, die diesen Tag     sche und gesellschaftliche Klima verändert.     ten über Beschneidungen, Kopftücher oder          jedem Fall und damit auch eine Herausforde-
                                                                                                       Gebetsrufe, über Extremismus, Antisemitis-        rung für unseren eigenen Glauben und unse-
                                                                                                       mus oder Islamfeindlichkeit beeinflussen          re Religionsgemeinschaften.
                                                                                                       auch die wechselseitigen Kontakte und die
                                                                                                       gemeinsamen Dialoge. Das konnte man in            Gleichzeitig wird deutlich, dass es zur Be-
                                                                                                       den vergangenen Jahren auch bei den Tagen         wältigung der Probleme alle Menschen gu-
                                                                                                       der offenen Moschee erfahren. Zwischen-           ten Willens braucht, jede hilfreiche Hand
     Wichtig ist für mich, Menschen beim TOM in der                                                    zeitlich wurde auch mal die Debatte geführt,      und Idee und viel Glaubensmut. Muslimi-
                                                                                                       ob der 3. Oktober das geeignete Datum für         sches Leben in Deutschland hat schon jetzt
     Ausübung ihrer religiösen Praxis zu erleben. Ein                                                  diesen Tag sei. Skepsis und Argwohn sind          unser Zusammenleben an vielen Stellen be-

     Mensch, der betet, macht sich erkennbarer als viele                                               nach wie vor hoch, wenn es um Fragen von
                                                                                                       Religion und Islam geht.
                                                                                                                                                         reichert und ergänzt. Dafür bin ich persön-
                                                                                                                                                         lich sehr dankbar und ich wünsche uns allen,
     Worte das manchmal vermögen.                                                                      Umso wichtiger ist es hier, langfristig zu den-
                                                                                                                                                         dass das durch kontinuierlichen Dialog und
                                                                                                                                                         viele weitere Tage der offenen Moscheen
                                                                                                       ken und Vertrauen aufzubauen, das auch in         auch in Zukunft der Fall sein wird.

50    25 Jahre TOM                                                                                                                                                                                        51
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