ARBEIT SUCHT SINN - A-Research

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ARBEIT SUCHT SINN - A-Research
SUCHT
                                                                                    Wege aus der Sucht   Abhängigkeiten erkennen – behandeln – bewältigen      Herbst 2016       99
magazin No 99 | Österreichische Post AG Sponsoringpost 04Z035724 S | DVR: 0743542
Grüner Kreis

                                                                                       ARBEIT SUCHT SINN
                                                                                          grüner kreis
                                                                                         magazin                                                   www.gruenerkreis.at

                                                                                                                                                            Wege aus der Sucht   1
ARBEIT SUCHT SINN - A-Research
Wir danken unseren SpenderInnen                                                                                     Unterstützen & Spenden

        Dkfm. Günter Baumgartner, Wien                                                                                           Helfen Sie uns helfen!
        Beate Cerny, Wien                                                                                               Mit Ihrer Unterstützung können wir
        Doris Grossi, Wien                                             Partner des Grünen Kreises                    gemeinsam dazu beitragen, suchtkranken
        DI Kateryna Ishchuk, Wien                              Die Niederösterreichische Versicherung                  Menschen einen Weg aus der Sucht zu
        Jellinger                                             unterstützt die Arbeit des Grünen Kreises.             ermöglichen. Ihre Spende wird zur Weiter-
        Gabriele Karner, Wien                                      »Menschen, die wieder ein selbst-                 entwicklung von Projekten & Programmen
        Robert Kopera, Reisenberg                               bestimmtes Leben ohne Abhängigkeit                          im Grünen Kreis verwendet.
        Andrea Mader                                          führen wollen, brauchen vielfältige Unter-
        Dr. Gert Moser, Eberau                                                                                         Bitte verwenden Sie für Ihre Spende die
                                                               stützung, um ihre Krankheit zu besiegen.                NÖ Landesbank-Hypothekenbank AG
        Dr. Gerold Obergruber, Graz                             Als Partner des Grünen Kreises nehmen
        Dr. Alfons Willam, Wien                                                                                           IBAN AT81 5300 0038 5501 3222
                                                               wir unsere soziale Verantwortung in der                            BIC HYPNATWW
                                                                 Gesellschaft wahr und leisten damit                             oder fordern Sie bei
        und viele anonyme SpenderInnen                           unseren Beitrag, den Betroffenen auf                         spenden@gruenerkreis.at
                                                                  dem Weg aus der Sucht zu helfen.«                              einen Zahlschein an.
                                                                Niederösterreichische Versicherung AG
                                                                                                                      Weitere Informationen finden Sie auch auf
                                                                            www.noevers.at
                                                                                                                                 www.gruenerkreis.at
                                                                    Herzlichen Dank im Namen aller
                                                                    KlientInnen des Grünen Kreises!                     im Bereich »Spenden & Sponsoring«.

                                                                                Impressum

        Erklärung über die grundlegende Richtung gem.        Herausgeber: Verein Grüner Kreis                       Diese Ausgabe entstand unter Mitarbeit von:
        § 25 Mediengesetz vom 12.6.1981:                     Geschäftsführer: Dir. Alfred Rohrhofer                 Alfred Rohrhofer, Alois Stöger, Tatjana Schnell,
        Das Aufgabengebiet des Grüner Kreis-Magazins         Redaktion: Dir. Alfred Rohrhofer, Peter Lamatsch,      Karl Fakler, Andreas Eilenstein, Gregor Henckel
        bildet die Berichterstattung zur Prävention                                                                 Donnersmarck, Sophie Loidolt, Isabel Batthyány,
        suchtindizierter Probleme im Allgemeinen, die        Eigenverlag: Grüner Kreis, Verein zur Rehabilitation   Robert Hutfless, Dominik Batthyány, Human-
        wissenschaftliche Aufarbeitung der Abhängig-         und Integration suchtkranker Menschen                  Friedrich Unterrainer, Stephanie Meisl, Kurt
        keitsthematik sowie Informationen über die           Alle: 1110 Wien, Simmeringer Hauptstraße 101-103       Neuhold und KlientInnen im Grünen Kreis
        Tätigkeit des Vereins Grüner Kreis .                 Tel.: +43 (0)1 5269489 | Fax: +43 (0)1 5269489-40
        Das Grüner Kreis-Magazin erscheint viermal           redaktion@gruenerkreis.at | www.gruenerkreis.at        Bildquellennachweis:
        jährlich in einer Auflage von je 30.000 Exemplaren   Layout: Peter Lamatsch                                 Cover: alphaspirit / 123RF
        Medieninhaber: Grüner Kreis , Verein zur Rehabi-     Anzeigen: Sirius Werbeagentur GmbH                     Autorenportraits: privat (soweit nicht anders
        litation und Integration suchtkranker Menschen       Druck: AV+Astoria Druckzentrum GmbH                    erwähnt)

    Gender-Hinweis: Die Redaktion greift grundsätzlich nicht in die Texte der GastautorInnen ein. Sofern sich ein Autor oder eine Autorin für die Verwendung des
    generischen Maskulinums entscheidet, soll damit keine Bevorzugung des Männlichen und insbesondere keine Diskriminierung des Weiblichen zum Ausdruck
    kommen. Die gewählte Form dient allein der besseren Lesbarkeit des Textes resp. einer leichteren Verständlichkeit seines Inhalts.

                                                               Der Grüne Kreis dankt seinen Förderern

2    Wege aus der Sucht
ARBEIT SUCHT SINN - A-Research
editorial
Liebe Leserin, lieber Leser!

Das Thema »Arbeit« ist nicht nur im tagespolitischen Diskurs allgegenwärtig, sondern auch im
(sucht)therapeutischen Kontext von enormer Bedeutung. So haben wir uns entschlossen, diesem
Themenkomplex eine zweite Ausgabe unseres Magazins zu widmen.

Besonders freut uns, dass Sozialminister Alois Stöger Zeit gefunden hat, sich mit einem Artikel
über die sozialen Aspekte von Beschäftigung im Hinblick auf suchtkranke Menschen einzubringen.
Neben arbeitsmarktbezogenen Fragestellungen wird diesmal auch die Bedeutung von Arbeit und
sinnvoller Beschäftigung im Strafvollzug bzw. der Ersatz von Strafhaft durch »Grüne Arbeit«
beleuchtet. Zumal jeder Diskussion über Arbeit geradezu zwangsläufig die Erörterung der Sinn-
findung im Arbeitsprozess folgt, wird auch dieser Aspekt sowohl aus psychologischer als auch
philosophischer Sicht wissenschaftlich abgehandelt. Schließlich sollte bei einer derart existenti-
ellen Fragestellung auch eine spirituelle Sichtweise einbezogen werden. Dazu konnten wir den
Altabt des Stiftes Heiligenkreuz als Gastautor gewinnen, der sich der gegenständlichen Thematik
als Theologe und promovierter Volkswirt gleich auf mehreren Ebenen anzunähern vermag.

In eigener Sache sei auf die Verabschiedung unseres langjährigen Präsidenten Dr. Erhard
Doczekal hingewiesen. Er ist im April 2016 aus dem Amt geschieden und erfährt in der Ernen-
nung zum Ehrenpräsidenten auf Lebenszeit Würdigung für sein verdienstvolles ehrenamtliches
Wirken im Verein Grüner Kreis. Ihm folgt der bisherige Vizepräsident DI Wolf Klerings als
Präsident nach.

Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre!

Alfred Rohrhofer

                                                    Helfen Sie uns helfen!
                                                 »Wir heißen Sebastian und Felix. Wir wissen wie es ist, mit Eltern
                                                 aufzuwachsen, die zu Alkohol und Drogen greifen. Selten denken die
                                                 Erwachsenen daran, wie sehr wir Kinder darunter leiden. Ein Glück, dass
                                                 wir Hilfe vom »Grünen Kreis« bekommen. Hier arbeiten Menschen, die sich
                                                 auskennen und sich um uns kümmern.«

                                                 Sucht ist eine Krankheit, unter der alle Familienmitglieder leiden.
                                                 Die Suchtgefährdung der Kinder, die in ihrer eigenen Familie
                                                 schon mit diesem Problem konfrontiert sind, ist um ein Vielfa-
                                                 ches erhöht. Rechtzeitige Hilfe verhindert langfristige Probleme.
                                                 Unsere Präventionsarbeit verhindert, dass die Kinder von heute
                                                 nicht die Suchtkranken von morgen werden.

                                                                  Geben Sie Sucht keine Chance -
                                                          unterstützen Sie unsere Ziele durch Ihre Spende!

                                                     Verein Grüner Kreis | NÖ Landesbank-Hypothekenbank AG
                                                       IBAN AT81 5300 0038 5501 3222 | BICWege aus der Sucht 3
                                                                                            HYPNATWW
ARBEIT SUCHT SINN - A-Research
8

                              12

                              20

4   Wege aus der Sucht   29   22
ARBEIT SUCHT SINN - A-Research
Inhalt
 3   Editorial
     Alfred Rohrhofer

 6   Soziale Aspekte der Beschäftigung
     Alois Stöger

 8   Die Arbeit und wir – eine Beziehungsanalyse
     Tatjana Schnell

10   Transitarbeit und Wiedereinstieg in die Arbeitswelt
     Karl Fakler

12   AMS – Ein Mittler zwischen den Menschen
     Andreas Eilenstein im Gespräch mit Martin Kainz

14   ora @ labora
     Gregor Henckel Donnersmarck

16   Unser Betreuungsangebot

18   Was tun wir, wenn wir tätig sind?
     Sophie Loidolt

20   quergelesen
     Milena Michiko Flašar: Ich nannte ihn Krawatte , gelesen von Isabel Batthyány

22   Sozialtherapeutisches Trainingszentrum im Otto-Wagner-Spital
     Robert Hutfless

24   Beschäftigung im Gefängnis
     Dominik Batthyány im Gespräch mit Bruno Sladek

26   Vom (bitter)süßen Leben der Honigbiene
     Human-Friedrich Unterrainer

28   Grüne Arbeit statt Haft
     Stephanie Meisl

29   Ein Heim für Bienen im Grünen Kreis
     Human-Friedrich Unterrainer im Gespräch mit Fritz Gebhart

30   Kunst im Grünen Kreis
     Kurt Neuhold

                                                                                     Wege aus der Sucht   5
ARBEIT SUCHT SINN - A-Research
Soziale Aspekte der Beschäftigung
    Durch Unterstützung zu einem suchtfreien, selbstgestalteten Leben

                                       W
                                                  ährend über 1 Million Personen      der Arbeitslosigkeit sich eine Alkoholpro-

                                                                                                                                      Foto: Johannes Zinner
                                                  einen problematischen Alko-         blematik entwickeln oder verstärken kann.
                                                  holkonsum aufweisen, gelten         Erwerbslose können hierbei in eine Ab-
                                       etwa 5 Prozent der Österreicher, also rund     wärtsspirale von Sucht und Arbeitslosig-
                                       400.000 Personen, als alkoholkrank und         keit geraten.
                                       rund 8.000 Personen sterben jährlich an
                                       den Folgen von Alkoholkonsum – im Ver-         Menschen mit einer Suchterkrankung fin-
                                       gleich zu rund 200 Toten durch illegalen       den oft nur schwer zurück in die Arbeits-
                                       Drogenkonsum.                                  welt. Die Arbeitslosigkeit ist für Suchtkran-
                                                                                      ke eine weitere Stigmatisierung und erhöht
                                       Oft werden Suchtprobleme tabuisiert. Die       zudem die Rückfallgefährdung. Betroffene
                                       Akzeptanz des übermäßigen Alkoholkon-          leiden unter der fehlenden Tagesstruktur,
                                       sums reicht dabei vom familiären Umfeld        dem Mangel an sozialen Kontakten und den
                                       über die Freizeitgestaltung bis in die Be-     sich kumulierenden Problemlagen – zur Ab-
                von Alois Stöger
                                       rufswelt. Daher ist es wichtig, einerseits     hängigkeit kommen oft familiäre Probleme,
                                       in der Gesellschaft einen Bewusstseins-        Schulden, Begleit- bzw. Folgeerkrankungen,
    Bei der Suchtproblematik stehen    bildungsprozess anzuregen und anderer-         etc. Diese schwächen das Selbstwertge-
                                       seits konkrete Angebote zur gesundheit-        fühl und die Motivation zur Veränderung
     in Österreich quantitativ nach    lichen Rehabilitation und beruflichen          zusätzlich.
    wie vor sogenannte legale Drogen   (Wieder-)Eingliederung zu schaffen bzw.
                                       weiterzuentwickeln.                            Gleichzeitig hat Arbeit in unserer Gesell-
      – allen voran der Alkohol – im                                                  schaft eine zentrale integrative bzw. stabi-
    Vordergrund und stellen auch die   Viele Erkenntnisse beziehen sich auf die       lisierende Funktion. Erwerbstätigkeit dient
                                       »Volksdroge« Alkohol, können aber auch für     nicht nur der selbstbestimmten Existenz-
    weit größere gesundheitliche und   andere Suchterkrankungen stehen – wobei        sicherung sondern weist auch noch weite-
      soziale Herausforderung dar.     bei illegalem Drogenmissbrauch natürlich       re wichtige Faktoren auf, etwa die Teilhabe
                                       zusätzliche Probleme (wie Stigmatisierung,     und Identitätsbildung durch Arbeit oder die
                                       Kriminalität) zu berücksichtigen sind.         Strukturierung des Alltags. Im Beruf werden
                                                                                      soziale Kontakte gepflegt, Fähigkeiten und
                                       Auswirkungen und Umgang mit Sucht              Fertigkeiten angewendet.

                                       Studien haben gezeigt, dass Beschäftig-        Damit Menschen mit Suchterkrankung eine
                                       te mit Alkoholproblemen quer durch alle        Motivation zur Veränderung haben, braucht
                                       Schichten ein höheres Arbeitslosigkeitsri-     es neue Lebensperspektiven und die Par-
                                       siko haben. Suchtprobleme sind wiederum        tizipation am Arbeitsleben. Dies belegen
                                       bei arbeitslosen Personen stärker verbreitet   auch wissenschaftliche Untersuchungen
                                       als in der Durchschnittsbevölkerung, wobei     deutscher Fachkliniken für Abhängigkeits-
                                       Männer etwa viermal so häufig betroffen        erkrankungen. Überproportional viele Pa-
                                       sind wie Frauen. Bei Langzeitarbeitslosen      tientInnen – nämlich mehr als ein Drittel
                                       kann man davon ausgehen, dass etwa jede/r      – waren bereits zu Beginn des Therapie-
                                       Fünfte einen problematischen Umgang mit        aufenthaltes arbeitslos. Jene KlientInnen,
                                       Alkohol hat. Einerseits wirkt also ein Se-     die gegen Ende der Therapie immer noch
                                       lektionseffekt insofern, dass Personen mit     arbeitslos waren oder während des statio-
                                       Suchtproblemen eher aus dem Erwerbsle-         nären Aufenthaltes arbeitslos wurden, hat-
                                       ben fallen. Andererseits stellt eine längere   ten eine signifikant geringere Erfolgsquote
                                       Arbeitslosigkeit eine Belastungssituation      hinsichtlich ihrer Therapie im Vergleich zu
                                       dar, die die Entstehung oder die Verfesti-     jenen, die erwerbstätig waren und blieben.
                                       gung eines Suchtverhaltens begünstigt.         Daher wird argumentiert, dass Angebote,
                                       Studien zeigen, dass durch lange Phasen        welche die (Wieder-)Eingliederung in den

6   Wege aus der Sucht
ARBEIT SUCHT SINN - A-Research
Arbeitsmarkt fördern, nahtlos nach einem         Es zeichnet sich deutlich ab, dass             beruflichen Verhalten und Erleben, die in
stationären Aufenthalt erfolgen sollten. Ar-                                                    spezialisierten Rehabilitationseinrichtun-
                                                 eine sinnstiftende Beschäftigung
beit dient Suchterkrankten als Stabilitäts-                                                     gen angeboten werden.
faktor und hat präventiven Charakter bzgl.     nachhaltig stabilisiert und die soziale
eines Rückfalls.                                                                                Nachdem auch in Österreich bereits im Ver-
                                                      Integration unterstützt.
                                                                                                lauf des Projekts »Invalidität im Wandel 2«
Vor allem die ersten drei Monate nach der                                                       mit Schwerpunkt auf psychische Erkran-
Entlassung aus der stationären Therapie                                                         kungen eine bessere Abstimmung medi-
sind für die meisten PatientInnen sehr         erhöhen. Weiters ist es wichtig, ein Klima       zinischer und beruflicher Rehabilitation
schwierig und oft entscheidend für den         des Dialogs zu schaffen, in dem offen über       empfohlen wurde, griff die Bundesregie-
weiteren Verlauf. Ein Grund ist die Tatsa-     Stärken und Schwächen gesprochen werden          rung dieses Thema auf. Beim »Pensionsgip-
che, dass sie ihren Alltag und ihre Lebens-    kann und darüber, wie individuelle Bewälti-      fel« am 29. Februar 2016 wurde festgehalten,
situation nun im Zustand der Abstinenz         gungsstrategien entwickelt und angewandt         dass die derzeitige strikte Trennung von me-
erleben. So müssen beispielsweise aktuelle     werden können.                                   dizinischer und beruflicher Rehabilitation
Konflikte, aber auch Frustrationserlebnisse                                                     nicht den Bedürfnissen der Praxis entspricht
wie Jobabsagen erstmals seit vielen Jahren     Die Kombination der Stärkung der sozia-          und künftig eine gemeinsame Maßnahmen-
ohne das »Medikament« Alkohol ausgehal-        len Kompetenzen und der gesundheitlichen         durchführung möglich sein sollte.
ten werden.                                    Stabilisierung erhöht sowohl die Hand-
                                               lungsfähigkeit der Betroffenen zur Verände-      Ein wichtiger Beitrag meines Hauses liegt
Was kann die Arbeitsmarktpolitik beitragen?    rung als auch die Wahrscheinlichkeit, realis-    in der besseren Erforschung der Wiederein-
                                               tische berufliche Ziele zu verfolgen und den     gliederungsangebote und -möglichkeiten.
Analysen zeigen: Arbeitslose mit Suchtprob-    Anforderungen des »Ersten Arbeitsmarkts«         Aktuell wird eine Studie zur »Beruflichen
lemen profitieren oft weniger von gängigen     gewachsen zu sein. Aber auch jenen, die be-      (Re-)Integration von alkoholkranken Per-
Maßnahmen zur Arbeitsmarktintegration          ruflich vorerst nicht reüssieren können,         sonen« durchgeführt. Hauptziele des For-
und sind generell deutlich schwerer wieder     muss eine Perspektive geboten werden, die        schungsprojekts sind die Identifizierung
in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Ande-      Beschäftigung und Struktur – also ein Stück      von hemmenden und förderlichen Fakto-
rerseits stellt die Teilnahme an arbeitsin-    »gesellschaftliche Normalität« – ermöglicht.     ren für eine berufliche (Re-)Integration von
tegrativen Maßnahmen auch eine Chance          So zeichnet sich deutlich ab, dass eine sinn-    Alkoholkranken und die Ableitung zielge-
dar, durch zielgerichtetes Eingehen auf die    stiftende Beschäftigung nachhaltig stabili-      richteter Maßnahmen.
Problematik den Suchtverlauf günstig zu        siert und die soziale Integration unterstützt.
beeinflussen.                                                                                   Die Integration suchtkranker Menschen in
                                               Zur Wiederherstellung der Arbeitsfähig-          den Arbeitsprozess wird auch in Zukunft
Sucht hat keinen kontinuierlichen Verlauf.     keit ist gerade für Personen mit Suchtpro-       eine bedeutende Aufgabe der Sozialpolitik
Daher ist es wichtig, den Interventionsgrad    blemen eine bessere Abstimmung bzw.              sein. Einiges liegt noch vor uns, aber wir
der Angebote an aktuelle Bedürfnisse an-       Verknüpfung von medizinischer und be-            sind auf dem richtigen Weg. Auch dank der
zupassen. Empirische Untersuchungen            ruflicher Rehabilitation von hoher arbeits-      wichtigen Arbeit von Organisationen wie
zeigen einen engen Zusammenhang von            marktpolitischer Relevanz.                       dem Grünen Kreis. Jahrzehntelange prak-
Arbeitslosigkeit und Rückfall nach einer                                                        tische Erfahrung und professionelle the-
Entwöhnungsbehandlung auf. Eine allein         In diesem Zusammenhang lohnt sich ein            rapeutische Angebote der Rehabilitation
auf Psychotherapie begrenzte Interventi-       Blick zu unserem Nachbarn Deutschland:           zeichnen diese Organisation aus, damit die
on ohne Berücksichtigung anderer Behand-       Dort wurde die Bedeutung dieser Verbin-          betroffenen Menschen eine Chance auf
lungs- sowie (Re-)Integrationsmaßnahmen        dung bereits frühzeitig erkannt und in der       (Re-)Integration in die Gesellschaft haben.
ist demnach für eine dauerhafte Abstinenz      »Medizinisch-beruflich orientierten Re-
nicht ausreichend.                             habilitation« (MBOR) umgesetzt. Neben
                                               der Erkrankung wird dabei von Beginn an          Alois Stöger
Der Schwerpunkt bei der professionellen        auch die berufliche Situation in den Fokus       2008 bis 2014 Bundesminister für Gesundheit
Unterstützung von Suchtkranken liegt           der Aufmerksamkeit gerückt. Elemente             2014 bis 2016 Bundesminister für Verkehr,
darauf, Ressourcen herauszuarbeiten und        des MBOR sind spezielle Arbeitsplatztrai-        Innovation und Technologie
zu stärken, um die Integrationschancen zu      nings oder auch Gruppenprogramme zum             seit Jänner 2016 Sozialminister

                                                                                                                        Wege aus der Sucht     7
ARBEIT SUCHT SINN - A-Research
Die Arbeit und wir –
                                     eine Beziehungsanalyse

                                          W
                                                       ir leiden unter Beziehungsstö-        die längst nichts mehr mit Nützlichkeit zu
                                                       rungen. Die Arbeit und wir, da        tun haben. Sie sollen ungeahnte Bedürf-
                                                       gibt es immer mehr Konflikte          nisse wecken, indem sie einen »spirituellen
                                          und Missverständnisse. Die einen haben             Mehrwert« (Norbert Bolz) vorgaukeln: die
                                          keine Arbeit – und fühlen sich deshalb als         Wellness-Salami, die Sneakers, die dich zum
                                          Verlierer. Die anderen haben eine – und lei-       Individualisten machen, das Deodorant, das
                                          den häufig auch: an Unterforderung (vor            die Umwelt rettet. Alles nur Tand – oder
                                          allem Frauen in Teilzeitstellen) oder Über-        Schmuck, wie Heidenreich und Heidenreich
                                          forderung. Achtzig Prozent der Beschäftig-         (2008) es nennen: »Je mehr es gelingt, durch
                                          ten geben an, dass sie den Eindruck haben,         die Funktion des Schmucks, im Sinne der
                                          in den letzten Jahren mehr Arbeit in der           Marken und ihrer Werbung, Marktanteile
                                          gleichen Zeit schaffen zu müssen. Fast die         und Gewinne zu erobern, desto mehr muss
                                          Hälfte fühlt sich leer und ausgebrannt. Unter      die tatsächliche Arbeit der Herstellung ent-
               von Tatjana Schnell        diesen Bedingungen bis zur gesetzlichen            wertet werden« (S. 34).
                                          Pension aushalten? Das traut sich nicht ein-           Das ist es, was so vielen Menschen
                                          mal die Hälfte der Erwerbstätigen zu (alles        heute das Gefühl vermittelt, ihre Arbeit
     Eine seltsame Sucht beherrscht       Zahlen des DGB-Index »Gute Arbeit«).               sei sinnlos. Eine in Großbritannien durch-
    die Arbeiterklasse aller Länder, in       Allerdings gibt es auch die, die ihre          geführte Befragung unter Managern von
                                          Arbeit mögen und gern machen. Die sie              735 Organisationen (nationale und inter-
     denen die kapitalistische Zivili-    nicht als negative Belastung wahrnehmen,           nationale) ergab, dass zwei Drittel Sinn in
     sation herrscht. Eine Sucht, die     sondern als sinnvolle Herausforderung. Und         ihrem Arbeitsleben vermissten (Holbeche &
                                          genau das scheint der Knackpunkt zu sein: In       Springett, 2004). Eine andere Untersuchung
    das in der modernen Gesellschaft      dem Moment, in dem uns die Anstrengung             (Kelly Services, 2012) fragte über 100.000
    herrschende Einzel- und Massen-       sinnvoll erscheint, sind wir stark motiviert.      Berufstätige in Nordamerika, Europa und
                                          Das Sinnerleben am Arbeitsplatz hängt              Asien-Pazifik: »Wären Sie bereit, eine niedri-
      elend zur Folge hat. Es ist die     nach unseren Studien (s. http://www.sinn-          gere Position oder weniger Gehalt für mehr
    Liebe zur Arbeit, die rasende, bis    forschung.org/archives/2299) sehr eng mit          Sinnhaftigkeit Ihrer Arbeit hinzunehmen?«
                                          dem beruflichen Engagement zusammen.               Ganze 51% bejahten dies.
     zur Erschöpfung der Individuen                                                              Zurück zur obigen Frage, wann Arbeit als
          gehende Arbeitssucht.           Und wann wird Arbeit als sinnvoll erlebt?          sinnvoll erlebt wird. Wir konnten vier Merk-
                                          Generell gilt, dass eigentlich jede Arbeit         male ausmachen, die hier eine zentrale Rolle
     (Lafargue, 1883(!)/2014, S. 9)       einen Sinn hat: Es geht um Tätigkeiten, die        spielen (Schnell, Höge & Pollet, 2013):
                                          in ein Ziel münden. Ziele sind entweder
                                          Produkte oder Dienstleistungen, die einen          1) Bedeutsamkeit meint das Ausmaß des
                                          Nutzen für andere Menschen haben. Weil             wahrgenommenen Nutzens der eigenen
                                          wir nicht alle alles selbst herstellen und leis-   Tätigkeit für andere Menschen. Hat das, was
                                          ten können, teilen wir uns diese Aufgaben.         ich tue, positive Auswirkungen (Unterstüt-
                                          Das war zumindest die ursprüngliche Idee.          zung, Genuss, Sauberkeit, Wissen, Gesund-
                                              Allerdings merken wir davon heute              heit…) auf andere Menschen?
                                          nicht mehr so viel. Das Produkt, die Dienst-
                                          leistung rücken zunehmend in den Hinter-           2) Orientierung bezieht sich auf die Werte,
                                          grund, weil der Schwerpunkt auf das gelegt         die Mission und Vision hinter der berufli-
                                          wird, was ursprünglich nur ein Hilfsmittel         chen Tätigkeit: Welche Strategien und Ziele
                                          war, um Produkte und Dienstleistungen              verfolge ich, verfolgt »meine« Organisation?
                                          zu tauschen: Geld. Anstatt um Qualität             Gehen wir einen gemeinsamen Weg, dessen
                                          und Nützlichkeit geht es um Gewinn. Zu             Ziel wir kennen – und schätzen?
                                          dessen Erreichung werden immer mehr
                                          Unterscheidungen, Distinktionen erdacht,           3) Kohärenz steht für Passung und

8   Wege aus der Sucht
ARBEIT SUCHT SINN - A-Research
Stimmigkeit: Kann ich mit meinem beruf-                   Überlegen Sie einen Moment, ob Ihnen              Berufen mit den höchsten Burn-out Raten
                                                lichen Handeln die gesetzten Arbeitsziele                 ein Mensch in den Sinn kommt, der seinen          (Yaden et al., 2015). Ebenso wie Lehrkräfte.
                                                erreichen? Stimmen diese Ziele mit meinen                 Beruf offensichtlich als sehr sinnvoll erlebt.    Ein typisches Zitat eines Lehrers: »Es ist nie
                                                Lebensbedeutungen überein? Lassen sich                         Mit hoher Wahrscheinlichkeit handelt es      genug Zeit. Als Lehrer habe ich mit einer
                                                die verschiedenen Ziele und Lebensbedeu-                  sich um eine Person, die ganz in ihrer Arbeit     unendlichen Zahl an Dingen zu kämpfen,
                                                tungen miteinander vereinbaren, oder ste-                 aufgeht; mit Haut und Haaren dabei ist;           die ich eigentlich tun sollte. Manche der Kin-
                                                hen sie im Widerspruch zueinander?                        keine Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit        der brauchen unbedingt deine Hilfe, aber ich
                                                                                                          zieht? Wie oben bereits erwähnt, geht eine        bin so damit beschäftigt das Notwendigste
                                                4) Zugehörigkeit bezieht sich auf die                     hohe berufliche Sinnerfüllung mit einem           zu tun, dass ich den Kindern nie die Auf-
                                                Gewissheit, Teil eines größeren Ganzen zu                 hohen Engagement einher. Und das kann             merksamkeit geben kann, die sie eigentlich
                                                sein - dazuzugehören. Es geht um Identifi-                bis zur (Selbst-)Ausbeutung gehen. Gerade         brauchen. Es laugt dich aus, die Energie
                                                kation mit dem Team, der Organisation, der                in unserer Zeit, wo die »Sinnhaftigkeit« eines    geht verloren.« Gerade die Einsicht in die
                                                Profession…, die einher geht mit der Über-                Berufs bereits als Alleinstellungsmerkmal         Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns macht es
                                                zeugung, gebraucht zu werden und Verant-                  gilt und in Stellenanzeigen hervorgehoben         schwierig, nicht zu viel zu tun, sondern die
                                                wortung zu haben.                                         wird, sind viele Berufstätige bereit, dafür zu    eigene Gesundheit im Blick zu behalten.
                                                                                                          zahlen. Mit ihrer Gesundheit, ihren sozialen
                                                     Diese vier Merkmale sind der Minimal-                Beziehungen, ihrer finanziellen Situation.        Soziale Beziehungen sind oft die Verlierer, wenn
                                                standard. Hier geht es nicht um den Luxus                                                                   der Job gewinnt.
                                                der Selbstverwirklichung, sondern um sol-                 Gesundheitlich bedeutet ein sinnvoller Beruf,     Dazu trägt u.a. das Gefühl der Zugehörigkeit
                                                che Kriterien, die in jeder Berufstätigkeit               dass die Wahrscheinlichkeit für Burn-out und      und Bedeutsamkeit bei, das mit sinnvollen
                                                vorhanden sein sollten: bei BusfahrerInnen,               Erschöpfung hoch ist.                             Berufen einhergeht: Man versteht sich so
                                                Bankangestellten, ÄrztInnen, Reinigungs-                  In Professionen, in denen die Bedeutsamkeit       gut, dass man gemeinsam länger arbeitet,
                                                kräften, SozialarbeiterInnen, Versicherungs-              der eigenen Tätigkeit »offensichtlich« ist, ist   danach noch zusammen ausgeht, auch an
                                                vertreterInnen, usw. usf.                                 es besonders schwer, Grenzen zu ziehen. So        Wochenenden und im Urlaub ansprechbar
                                                     Sind alle vier Kriterien erfüllt, dann sagen         sehen z.B. Krankenschwestern und Pfleger          ist… Man fühlt sich verantwortlich – und ist
                                                Arbeitende: »Ich tue etwas Sinnvolles.« Das               ganz unmittelbar, dass sie gebraucht werden.      deshalb auch in Gedanken immer dabei. Ein
                                                ist kein von Führungskräften »gestifteter«                Regelmäßig begegnen sie Schmerzen, Leid           ehemaliger Hochverdiener bei Microsoft,
                                                Sinn (von wegen: »Führungskräfte müssen                   und Einsamkeit. Durch Nähe, Verständnis,          John Wood, schmiss seinen Job hin und
                                                Sinnstifter sein«…), sondern die Konsequenz               Aufmerksamkeit können sie viel bewirken.          begann, Büchereien in Entwicklungslän-
                                                eines menschenfreundlichen Arbeitsplat-                   Wenn denn ausreichend Zeit dafür wäre…            dern aufzubauen. Das fand er viel sinnvoller.
                                                zes.                                                      Bürokratie, Stelleneinsparungen und               Allerdings berichtete er auch: »Unser Auf-
                                                                                                          andere Rationalisierungen in Kliniken las-        sichtsgremium sagte, dass sie befürchteten,
                                                Doch sinnvolle Arbeit ist ein zweischneidiges             sen immer weniger Raum für diese Aspekte          ich würde ausbrennen. Aber es gab noch eine
                                                Schwert.                                                  der Arbeit. Das Pflegepersonal gehört zu den      schlimmere Schattenseite, die Ž Seite 11
Foto: Wavebreak Media Ltd / 123RF (Sujetbild)

                                                Pflegepersonal zählt zu den Berufen mit den höchsten Burn-out Raten.

                                                                                                                                                                                     Wege aus der Sucht        9
ARBEIT SUCHT SINN - A-Research
Transitarbeit und Wiedereinstieg
                              in die Arbeitswelt
                                                      vorläufiger Abschluss, die Rückkehr ins Er-            Dabei wird im Rahmen eines ge-

                                                                                                                                                       Foto: B.V. Ederer_Photosandmore
                                                      werbsleben stehen müssen – sei es als Teil der   meinnützigen Beschäftigungsprojektes,
                                                      Therapie, sei es als »sichernder Abschluss«      Menschen, die ihre stationäre Langzeitthe-
                                                      oder als »stützende Begleitmaßnahme«.            rapie im Ausmaß von mindestens 18 Mo-
                                                          Hier ist das AMS einerseits gefordert,       naten beim Verein Grüner Kreis erfolgreich
                                                      zu helfen und anderseits ein wichtiges Un-       absolviert haben, die Möglichkeit geboten,
                                                      terstützungselement für die Menschen, die        auf einem vom AMS geförderten Arbeits-
                                                      nach einer Suchtkarriere den Weg zurück          platz auf Zeit als sogenannte Transitar-
                                                      ins Erwerbsleben suchen und für therapeu-        beitskräfte angestellt zu sein, um auf diesen
                                                      tische Einrichtungen, die Menschen auf           Arbeitsplätzen alte Fertigkeiten und Fä-
                                                      diesem Weg begleiten und unterstützen.           higkeiten zurückzugewinnen und neue zu
                                                          Das »erste«, klassische Angebot des          erlernen und einzuüben. Das Spektrum des
                                                      AMS in diesem Bereich ist die Arbeitsver-        Lernens und Übens umfasst hier fachliche
                     von Karl Fakler                  mittlung, die das AMS als Standarddienst-        Fertigkeiten und Fähigkeiten ebenso wie
                                                      leistung anbietet. Hier wird es darum            arbeitskulturelle Fertigkeiten und Fähig-

     I
                                                      gehen, für die Menschen, »die gerade aus         keiten, wie Verlässlichkeit, Ausdauer, Frus-
         n dem breiten Vorfeld und Umfeld             der Überwindung ihrer Sucht« kommen,             trationstoleranz, Geduld, Beständigkeit etc,
         von Sucht, spielt Arbeit mehrmals eine       Arbeitsplätze zu finden, die sie fordern         die ihre Integration bzw. Reintegration in
         wichtige Rolle. Einmal in der »End-          aber nicht überfordern, wo allenfalls auch       den freien Arbeitsmarkt zerleichtern bzw.
     phase« der Erwerbsarbeit am Weg in die           »Platz« (Verständnis und Spielräume) für         unterstützen. Diese Phase dauert in der
     Sucht oder besser am Weg der Sucht, näm-         »kleine Rückfälle«, kurzfristiger Abwesen-       Regel maximal ein Jahr und dient letztend-
     lich als häufige Folge der Sucht, den Arbeits-   heit wegen therapeutischer Intervention          lich der Stabilisation und dem »(Wieder)
     platz zu verlieren, weil die Sucht die Arbeit    etc. ist und und die dennoch ein Lebens-         Eingleiten« der KlientInnen in den ersten
     und die Arbeitsergebnisse beeinträchtigt         haltungskosten deckendes Einkommen               Arbeitsmarkt und damit der Rückkehr ins
     oder weil man/frau als Süchtige/r »der Ar-       ermöglichen.                                     »volle Leben«.
     beit« nichts mehr abgewinnen kann und                Solche Arbeitsplätze zu finden, ist nicht        Das Projekt sieht Transitarbeitsplätze
     sie aufgibt oder weil man/frau sich selbst in    immer und in konjunkturell weniger üppi-         vor, die von sogenannten Bereichsleite-
     und an der Arbeit scheitern erlebt und sie       gen Zeiten, wie wir sie seit einigen Jahren      rInnen (HausassistentInnen) und Tran-
     aufgibt, bevor man/frau gekündigt wird.          erleben und – ich fürchte – auch noch ei-        sitarbeiterInnen in den verschiedenen
          Der nächste Berührungspunkt mit Ar-         nige (3 oder 4) Jahre erleben werden, schon      Arbeitsbereichen besetzt werden und von
     beit kann – wenn es zu einer kommt - in der      gar nicht, leicht. Es müssen Arbeitsinhalt,      Schlüsselkräften unter der Aufsicht der
     Therapie sein. Hier ist Arbeit dann nicht        Arbeitszeit, Umfeld des Arbeitsplatzes           Projektleiterin betreut werden.
     Erwerbsarbeit, sondern therapeutisches           (KollegInnen, KundInnen), Vorgesetzte                Derzeit betreuen 6 Schlüsselkräfte
     Mittel.                                          und Bezahlung passen und dann muss der           (Kapazität: 72 Menschmonate) sowie 6 Be-
          Und das dritte Mal geht es dann wieder      Arbeitsplatz auch noch halbwegs mit öf-          reichsleiterInnen, sogenannte Hausassis-
     um Arbeit als (Wieder)Teilhabe am Leben          fentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sein,      tentInnen (Kapazität: 72 Menschmonate)
     und Sicherung der Existenz, also um Er-          da »Sucht und Führerschein« keine siame-         17,5 Transitarbeitskräfte (Kapazität: 210
     werbsarbeit, um dort anzufangen, wo man/         sischen Zwillinge sind. Dennoch gelingen         Menschmonate).
     frau wegen der Sucht aufgehört hat oder um       auf diesem Weg immer wieder Erfolge,                 In dieser Phase gibt es für die Transit-
     ganz neu anzufangen, weil das, was man/          die sich aber meist einer bereits (wieder)       arbeitskräfte regelmäßige Supervision, in
     frau gearbeitet hat, ein Teil der Suchtnoxen     ziemlich gefestigten Persönlichkeit und          der persönliche Erfahrungen ausgetauscht
     war oder weil man diese Arbeit, die man/         einer sehr starken begleitenden therapeu-        werden und allfällige Schwierigkeiten
     frau früher gemacht, wegen der Suchtfol-         tischen und/oder familiären Absicherung          besprochen und geklärt werden sollen.
     gen nicht mehr machen/leisten kann.              verdanken.                                       Zudem besteht die Möglichkeit, sich wei-
          Wie auch immer, wird bei Menschen               Ein für das AMS weitaus teurer Weg,          terzubilden und zu perfektionieren.
     im Erwerbsalter (die nicht gänzlich ar-          der dafür aber zugangsvoraussetzungsto-              Nach Beendigung oder während die-
     beitsunfähig geworden sind) im Rahmen            leranter und erfolgsrobuster ist, ist der Weg    ser Phase wechseln die meisten Transitar-
     eines erfolgreichen Therapieverlaufes, als       über sogenannte Transitarbeitsplätze.            beitskräfte in ein endgültiges, Ž Seite 11

10    Wege aus der Sucht
Ž Seite 10reguläres Arbeitsverhältnis. Ent-        stieg aus dem gemeinnützigen Beschäf-           Publikationen
  weder sie verbleiben nach Ablauf der AMS-        tigungsprojekt – in der Phase der Nachbe-       Berichte vom Arbeitsmarkt, in Geld und Leben,
  Förderung als MitarbeiterInnen beim Ver-         treuung – gute Betreuung bekommen.              Verlag für Gesellschaftskritik,1990
  ein oder sie finden am freien Arbeitsmarkt           Das Projekt läuft sehr gut, die Zusam-      Es müssen nicht immer Beihilfen sein, in Kurswech-
  eine Anstellung. Die Integrationsraten in        menarbeit mit den RGS läuft ebenfalls rei-      sel Heft 2/1994, Sonderzahl Verlag, 1994
  eine nicht (vom AMS) geförderte Beschäf-         bungslos und die Kommunikation mit den          Beitrag zum Memorandum gegen Arbeitslosig-
  tigung liegen in den letzten Jahren (seit        Verantwortlichen seitens der LGS hat sich       keit, in Kontraste, Sonderzahl Verlag, o.J.
  2007) konstant zwischen 40% und 60%.             in den letzten Jahren aufgrund der Professi-    Arbeitsvermittlung – Zwang oder soziale Leistung,
      Selbsthilfegruppen und betreute Wohn-        onalität des Vereins perfekt eingespielt.       in Ist Arbeit sozial ? Hg. Reichl, Lesnik, 2000
  gemeinschaften in Nachbetreuungsein-                                                             Die experimentelle Arbeitsmarktpolitik – eine
  richtungen sowie weiterhin stattfindende                                                         Erfolgsstory mit Moral, in Mut zum Träumen, Hg.
  Einzeltherapiesitzungen mit einem/r Psy-         Mag. Karl Fakler                                Sallmutter, Eigenverlag der GPA, 2000
  chotherapeuten/in garantieren, dass ausge-       Landesgeschäftsführer des Arbeitsmarktservice   Langzeitarbeitslosigkeit in Niederösterreich, in
  schiedene Transitkräfte auch nach dem Aus-       NÖ.                                             Niederösterreich sozial gestalten, Hg. Kranzl, 2003.

Ž Seite 9   immer wieder ihre hässliche Fratze     ein Fokus auf den eigentlichen Sinn und         The call of the wild: Zookeepers, callings, and the
  zeigte: Die Überstunden waren einfach die        die Qualität der Arbeit, Transparenz und        double-edged sword of deeply meaningful work.
  Hölle für meine Beziehungen. Wenn ich            Authentizität im Hinblick auf die verfolg-      Administrative Science Quarterly, 54(1), 32-57.
  begann, mit einer Frau auszugehen, war           ten Ziele, eine von Respekt, Vertrauen und      Dempsey, S. E., & Sanders, M. L. (2010). Meaning-
  sie innerhalb eines Monats total frustriert      Offenheit geprägte Arbeitsatmosphäre.           ful work?: Nonprofit marketization and work/life
  wegen der wenigen Zeit, die ich der auf-             Viele andere Berufe sind jedoch eher        imbalance in popular autobiographies of social
  keimenden Beziehung widmen konnte.               eintönig und unschöpferisch. Sie bieten         entrepreneurship. Organization, 17(4), 437–459.
  Eine entmutigte Frau meinte, dass [meine         wenige Möglichkeiten für Selbstverwirkli-       DGB-Index Gute Arbeit (2013). Wachsender
  Organisation] ja wohl »meine Frau, meine         chung, Selbstüberschreitung oder Gemein-        Psycho-Stress, wenig Prävention – wie halten die
  Geliebte, mein Haustier und meine Karri-         schaftssinn. Als Sinnquelle eignen sie sich     Betriebe es mit dem Arbeitsschutzgesetz? So beur-
  ere« sei. Sie stellte auch fest, dass heftiges   daher kaum. Was längst nicht heißt, dass        teilen die Beschäftigten die Lage. Berlin: DGB-Index
  Nicken und Grinsen keine angemessene             solche Arbeiten sinnlos sind. Wir müssen        Gute Arbeit GmbH.
  Antwort darauf sei.« (Dempsey & Sanders,         klar differenzieren zwischen Arbeit, die        Heidenreich, R. & Heidenreich, S. (2008). Mehr
  2010, S. 450; Übers. d. Autorin)                 Sinn stiftet, und sinnvoller Arbeit (Schnell,   Geld. Berlin: Merve
                                                   2016). Nicht jede Arbeit muss zur Quelle        Holbeche, L., & Springett, N. (2004). In Search of
  Nicht zuletzt gehen sinnvolle Berufe auch oft    von Lebenssinn werden. Aber jede Arbeit         Meaning in the Workplace. Horsham: Roffey Park.
  mit geringerer Bezahlung einher.                 sollte so gestaltet sein, dass Bedeutsamkeit,   http://www.sinnforschung.org/archives/2299
  Nach einem Vortrag erzählte mir eine Zuhö-       Orientierung, Zugehörigkeit und Passung         Kelly Services (2012). Acquisition and Retention
  rerin, sie hätte vor Kurzem ein Anstellungs-     ermöglicht werden. Dies ist vor allem die       in the War for Talent. Kelly Global Work Force
  gespräch bei einer großen österreichischen       Aufgabe von Führungskräften und Perso-          Index 2012.
  Hilfsorganisation gehabt. Als es um die          nalverantwortlichen. Verlangt ist aber auch     Lafargue, P. (1883/2014). Das Recht auf Faulheit.
  Gehaltsverhandlung ging, hieß es: Bei uns        eine gewisse Selbstkenntnis aller Arbeitstä-    Norderstedt: Edition Ahrend & Wegner.
  verdienen sie zwar unterdurchschnittlich –       tigen. Erkunden Sie sich selbst:                Schnell, T. (2016). Psychologie des Lebenssinns.
  aber dafür tun Sie ja auch etwas Sinnvolles!                                                     Heidelberg: Springer.
  Dass es sich hier nicht um einen Einzelfall      n   Warum haben Sie Ihren Beruf gewählt?        Schnell, T., Hoege, Th., & Pollet, E. (2013). Pre-
  handelt, zeigt diese Studie: Bei einer Befra-    n   Was waren Ihre ursprünglichen Ziele?        dicting Meaning in Work: Theory, Data, Implica-
  gung von knapp 1000 Zoowärtern aus den           n   Sind Sie dort, wo Sie sein wollen?          tions. The Journal of Positive Psychology, 8(6),
  USA und Kanada stellte sich heraus, dass         n   Welchen Stellenwert soll die Arbeit in      543-554.
  jene, die ihren Beruf als »Berufung« ansahen         Ihrem Leben haben?                          Yaden, D. B., McCall, T. D., & Ellens, J. H. (Eds.).
  und mit Überzeugung dabei waren, weniger         n   Sind Sie überfordert oder unterfordert?     (2015). Being Called: Scientific, Secular, and Sac-
  verdienten als diejenigen, die die Tätigkeit     n   Haben Sie Freude an der Arbeit? 		          red Perspectives: Scientific, Secular, and Sacred
  einfach als Job verstanden (Bunderson &              (Wann besonders?)                           Perspectives. Santa Barbara: Praeger.
  Thompson, 2009). Wer seinen Beruf liebt,         n   Welchen Nutzen hat Ihre Arbeit für
  wird wenig Augenmerk auf die Entlohnung              die Gesellschaft?                           PD Dr Dipl-Psych MPhil Tatjana Schnell
  richten. Wer sich mit der Sache identifiziert,   n   Stimmt Ihre Tätigkeit mit Ihren Werten      ist assoziierte Professorin an der Universität
  ist allzu leicht bereit, materielle Ungerech-        überein?                                    Innsbruck. In ihrer empirischen Sinnforschung
  tigkeit zu akzeptieren.                          n   Erleben Sie sich als zugehörig (z.B. zu     beschäftigt sie sich sowohl mit grundsätzlichen
       Welche Schlussfolgerung lässt sich aus          einem Unternehmen, einer Arbeits-           Fragen der Konzeptualisierung und Erfassung
  diesen Erkenntnissen ziehen? Für man-                gruppe, einer Profession)?                  von Lebenssinn als auch mit der praktischen
  che mag die Berufstätigkeit der wichtigste       n   Gibt es Bedingungen oder Ereignisse,        Bedeutung der wissenschaftlichen Erkenntnisse
  Lebensinhalt sein und bleiben. Und das ist           die Ihre Arbeit sinnlos machen?             für Individuen, Organisationen und Gesellschaft.
  auch gut so, wenn man bedenkt, welche her-       n   Was können Sie ändern?                      Eine allgemeinverständliche Einfühung in diese
  ausfordernden und bereichernden Aufga-           n   Wo erleben Sie berufliche Erfüllung –       Forschung gibt ihr neues Buch »Psychologie des
  ben es zu leisten gilt. Hier kommt es darauf         aber machen es sich nicht bewusst?          Lebenssinns« (Springer, 2016).
  an, dass Arbeitgeber Umgebungen schaffen,                                                        Auf www.sinnforschung.org berichten Tatjana
  in denen die Motivation erhalten bleibt,         Literatur                                       Schnell und ihr Team regelmäßig über aktuelle Ent-
  ohne dass es zum Ausbrennen kommt. D.h.          Bunderson, J. S., & Thompson, J. A. (2009).     wicklungen in der internationalen Sinnforschung.

                                                                                                                              Wege aus der Sucht          11
AMS – Ein Mittler zwischen den Menschen

                                          Das AMS ist viel mehr als ein Vermittler von        Menschen einzustellen.

                                                                                                                                                Foto: Manfred Zügler
                                          Arbeitsplätzen. Wie würde sich das AMS selbst
                                          beschreiben?                                        Gibt es spezielle Programme für süchtige Men-
                                                                                              schen oder Menschen aus Randgruppen?
                                          Wir sind nicht so sehr ein Vermittler von
                                          Arbeitsplätzen, sondern ein Mittler zwi-            Das AMS Wien arbeitet eng mit der
                                          schen den Menschen, die auf Jobsuche sind           Sucht- und Drogenkoordination Wien
                                          und jenen, die Arbeitsplätze anbieten. Aus          zusammen. Gemeinsam werden Projekte
                                          diesem Verständnis gehört es zu unserem             in den Bereichen Beratung, Orientierung,
                                          Job, auch Qualifizierung, Weiterbildung             Qualifizierung und Arbeitsmarktintegra-
                                          und Beratung bei allen arbeitsmarktrele-            tion gefördert. Wie bei anderen Vermitt-
                                          vanten Fragestellungen anzubieten – denn            lungshemmnissen auch, sehen wir bei
                                          aus unterschiedlichen Gründen ist es nicht          Suchtproblematiken unsere Aufgabe, Hil-
                   Martin Kainz           allen Menschen sofort möglich, einen an-            festellungen anzubieten, die die Arbeits-
                                          gebotenen Job auch anzunehmen.                      marktintegration erleichtern.

     Andreas Eilenstein im Gespräch mit   Welche sind Ihre derzeitig besonderen               Welche Projekte sind das?
     dem Leiter der Abteilung »Service    Herausforderungen?
                                                                                              Zum einen die Wiener Berufsbörse, die für
     für Arbeitskräfte« beim AMS Wien     Die größte Herausforderung ist derzeit die          Menschen mit Suchterkrankungen Einzel-
                                          hohe Zahl an Menschen, die keine Berufs-            beratung, Gruppenberatung, vermittlungs-
                                          ausbildung und nur eine geringe Qualifika-          orientierte Betreuung und Vernetzung an-
                                          tion haben. Bei ihnen geht es darum, sie zum        bietet. Dann die Workshop-Angebote der
                                          nächsten sinnvollen Bildungsabschluss zu            Beratungs- und Betreuungseinrichtung
                                          begleiten, denn ohne Ausbildung ist eine            »Standfest« des Vereins Dialog. Und zum
                                          stabile Erwerbskarriere in Wien heute               anderen die beiden sozialökonomischen
                                          kaum noch möglich. Dass die steigende               Betriebe »fix und fertig« (Suchthilfe Wien)
                                          Arbeitslosigkeit, die hauptsächlich an der          und »Gabarage«.
                                          noch immer unbefriedigenden Konjunk-
                                          tursituation hängt, dabei noch erschwerend          Wo liegen die besonderen Herausforderungen in
                                          hinzukommt, versteht sich von selbst.               der Vermittlung von suchtkranken Menschen?

                                          Welche Schwerpunkte gibt es, um Menschen            Meist ist das Hauptproblem, dass die Men-
                                          die lange arbeitslos sind, wieder in den Arbeits-   schen sehr lange weg waren vom Arbeits-
                                          markt zu integrieren?                               markt, und dass sie aufgrund ihres Krank-
                                                                                              heitsbildes mitunter nicht von Anfang
                                          Unsere Schwerpunkte liegen einerseits bei           an jene Leistung bringen können, die die
                                          den Sozialökonomischen Betrieben und                Unternehmer erwarten. Wir müssen also
                                          Gemeinnützigen Beschäftigungsprojekten.             eine Betreuungsstruktur errichten, die die
                                          Dort finden Menschen, die für den direk-            Menschen Schritt für Schritt bei der Inte-
                                          ten Einstieg bei Betrieben des »ersten Ar-          gration in den Arbeitsmarkt unterstützt.
                                          beitsmarkts« noch nicht fit genug sind, die         Das ist mitunter auch mit Rückschlägen
                                          Möglichkeit, bei geförderten Projekten wie-         verbunden. Unser Ziel ist es, so lange zu
                                          der Fuß zu fassen. Andererseits steht uns           unterstützen, bis es klappt.
                                          auch die sogenannte Eingliederungsbeihil-
                                          fe zur Verfügung, also die Förderung von            Beschäftigung und Tagesstruktur ist wichtig für
                                          Lohn- und Lohnnebenkosten bei Unter-                Menschen. Gibt es Programme, die dies auch
                                          nehmen, die bereit sind, langzeitarbeitslose        trotz Arbeitslosigkeit ermöglichen?

12   Wege aus der Sucht
Foto: AMS / Petra Spiola

                           Ein breites Reha-Angebot soll auch Menschen mit körperlichen Problemen für das Erwerbsleben vorbereiten.

                           Das ist ein Teil der Idee, nach der Sozialöko-           Wien. Auf jeden Fall sollte aber erst ein neuer   schaffen macht. Wir würden uns wün-
                           nomische Betriebe arbeiten. Fast immer ist               Job gefunden sein, bevor man den alten an         schen, für alle ausreichend Beratungszeit
                           das Setting so aufgestellt, dass das Beschäf-            den Nagel hängt.                                  zur Verfügung zu haben und auch mehr
                           tigungsausmaß stufenweise erhöht wird                                                                      mutige Unternehmen an der Hand zu ha-
                           – je nachdem, welche Leistung die Person                 Welche Möglichkeiten gibt es, wenn Menschen       ben, die bereit sind, Menschen trotz ihrer
                           bereits zu bringen im Stande ist. Es soll sich           mit körperlichen oder psychischen Problemen       Einschränkungen als wertvolle Arbeits-
                           niemand überfordert fühlen, aber die He-                 konfrontiert sind?                                kräfte wahrzunehmen.
                           rausforderung muss als ausreichend groß
                           empfunden werden, dass mit der Aufgabe                   Wie schon gesagt, gibt es für diesen Per-         Wo stoßen Sie bzw. das AMS und seine Mit-
                           auch das Selbstvertrauen wächst.                         sonenkreis beim AMS Wien eigene Bera-             arbeiter an Grenzen? Bei den Kundinnen und
                                                                                    tungs- und Betreuungsangebote. Wir ha-            Kunden, im Arbeitsmarkt, in der Politik...?
                           Was raten Sie Menschen, die an ihrer Arbeit              ben ein breites Reha-Angebot, dessen Ziel
                           keine Freude mehr finden, frustriert oder er-            es ist, dass sich die Menschen wieder bereit      Unsere Grenze ist, dass wir keine Arbeits-
                           schöpft sind? Was haben diese Menschen für               fühlen für das Erwerbsleben.                      plätze schaffen können – das können nur
                           Möglichkeiten?                                                                                             die Unternehmerinnen und Unternehmer.
                                                                                    Welche Visionen haben Sie? Wie kann Men-          Was wir allerdings beitragen können, ist
                           Geht es um gesundheitliche oder psychi-                  schen vom AMS in Zukunft vielleicht noch          die bestmögliche Qualifizierung all jener,
                           sche Probleme, steht das Angebot »fit2work«              besser geholfen werden?                           die das wollen und sich zutrauen. Und wir
                           zur Verfügung, in dem mit Case Managern                                                                    können durch Beihilfen und Unterneh-
                           an den individuellen Problemen gearbeitet                Wir tun unser Bestes, um unseren Kundin-          mensförderungen Anreize schaffen, dass
                           wird. Wenn die Unlust am konkreten, der-                 nen und Kunden bei der Arbeitssuche zu            Menschen von den Wiener Betrieben wie-
                           zeitigen Job zu einem ständigen Begleiter                helfen. Mitunter ist allerdings die knapp         der eine Chance gegeben wird.
                           wird, ist es oft einfach hilfreich, die Möglich-         bemessene Zeit, die wir für jede und je-
                           keiten zum Jobwechsel auszuloten. Dabei                  den einzelnen zur Verfügung haben, jene           Andreas Eilenstein
                           helfen die sechs Berufsinfozentren des AMS               Schwierigkeit, die uns am meisten zu              Leiter Öffentlichkeitsarbeit im Verein Grüner Kreis

                                                                                                                                                                 Wege aus der Sucht         13
ora @ labora

                                            E
                                                    rst nach dem Sündenfall wird die Ar-     Mittelalter-Historiker Jean Gimpel spricht.
                                                    beit mühsamer,wenn es heißt: »So ist     Allerdings muss festgehalten werden, dass
                                                    verflucht der Ackerboden deinetwe-       für die Stifter und die Mönche das Gebet im-
                                            gen. Unter Mühsal wirst du von ihm essen         mer an erster Stelle blieb- aber eben unter
                                            alle Tage deines Lebens. … Im Schweiße dei-      der Voraussetzung, dass die Arbeit im Ge-
                                            nes Angesichts sollst du dein Brot essen….«      bet rückgebunden bleibt und es kein Gebet
                                            (Gen 3, 17+18). Diese unerfreulichen Folgen      ohne Arbeit geben soll.
                                            des Sündenfalls haben irrtümlicherweise oft           Auch hier wird die Ambivalenz der Ar-
                                            dazu geführt, die Arbeit insgesamt als etwas     beit spürbar und die Lösung des Problems
                                            Negatives zu sehen. Auch außerhalb der bib-      im Gebet angeboten. Dabei darf man den Be-
                                            lischen Spiritualität, nämlich in der antiken    griff des Gebets auch ganz weit fassen und
                                            Kultur der Griechen und Römer, war die Ar-       prinzipielles Denken, Philosophie, Medita-
                                            beit nur etwas für Sklaven, und nicht wohl       tion…u.a.m. in diesen Zusammenhang stel-
                  von Altabt Gregor         angesehen. Bei dem Phänomen Arbeit gibt          len – allerdings ohne das eigentliche Gebet
                                            es also immer ein »Entweder - Oder«. Diese       aus den Augen zu verlieren! Wenn ich im
                                            Ambivalenz der Arbeit wird uns noch an an-       Titel das lateinische Wort »et« durch »@« aus
     »Gott, der Herr, nahm also den Men-    derer Stelle begegnen!                           der Computer-Sprache ersetze, so in der Ab-
      schen und setzte ihn in den Garten         Jesus Christus, unser Herr, wird von        sicht, klar zu machen, dass auch im 21. Jahr-
                                            seinem Ziehvater, dem Heiligen Zimmer-           hundert die Probleme im Bereich »Arbeit«
      von Eden, damit er ihn bebaue und     man Joseph erzogen, beruft unter anderen         und »Wirtschaft« nur aus diesem Doppel-
       hüte.« (Gen 2, 15) So heißt es im    besonders aber arbeitende Fischer in seine       Prinzip heraus zu lösen sind.
                                            engere Nachfolge und spricht in vielen sei-           Als der Heilige Papst Johannes Paul II
     zweiten Kapitel des Buches Genesis.    ner Gleichnisse positiv von der Arbeit. Der      seine Enzyklika Ȇber die Menschliche Ar-
      Also gab es auch schon im Paradies    Heilige Apostel Paulus schließlich berichtet     beit« am 15.Mai 1981 der Weltöffentlich-
                                            von sich selbst, dass er als Zeltmacher arbei-   keit vorstellen wollte, wurde er von den
     den arbeitenden Menschen, ja sogar     te. (Apg 18, 3)                                  Schüssen das Attentäters Ali Agca nieder-
       den, der die Umwelt »hütet« und           Von großer Bedeutung in diesem Thema        gestreckt. Erst Monate später konnte er
                                            ist die Regel des Heiligen Benedikt, in der      sein Werk »laborem exercens« tatsächlich
       damit positiv etwas Gutes leistet.   Gebet und Arbeit (»ora et labora«) eng ver-      präsentieren. Der 15. Mai wäre genau der
                                            bunden und auf einander bezogen werden.          90. Jahrestag der ersten päpstlichen Sozial-
                                            Dadurch kommt es zu einer »Heiligung« der        enzyklika »rerum novarum« von Papst Leo
                                            Arbeit mit epochalen Folgen für ganz Euro-       XIII gewesen. Damals, 1981, war die Kirche
                                            pa. Tausende von Klöstern der Benediktiner       herausgefordert durch die sozialen Proble-
                                            und der Cistercienser entstehen und über-        me der ersten industriellen Revolution des
                                            ziehen den ganzen Kontinent mit unzähli-         19. Jahrhunderts und die falschen Theorien
                                            gen schönen »Inseln«, die durch kompetente       von Karl Marx und Friedrich Engels. Dem
                                            Arbeit der Mönche auf allen Ebenen immer         Papst ging es im Gegensatz zu diesen Philo-
                                            wieder die Erinnerung an den verlorenen          sophen nicht um »Das Proletariat« sondern
                                            »Garten von Eden« wach werden lassen. Die        um den Menschen in der Arbeit, daher ist
                                            Klöster werden so zu »Musterbetrieben«, die      auch der eigentliche Titel der Enzyklika von
                                            wertvolle Anregungen für Land und Stadt          1891 »Über die Arbeiterfrage«.
                                            der Umgebung darstellen. Dieser wirtschaft-           Alle Päpste von Leo XIII bis Franziskus
                                            liche Aspekt hat sicher auch dazu beigetra-      haben sich intensiv mit dem Menschen
                                            gen, dass diese Klöster für die Landesherren     in der Arbeit beschäftigt und so wichtige
                                            und Fürsten sehr interessant wurden, und         Sätze formuliert wie »Der Mensch ist das
                                            diese daher immer wieder motivierten, Neu-       Subjekt der Wirtschaft« (also nicht Objekt!)
                                            gründungen zu fördern. Die Klöster sind          und »Die Arbeit ist für den Menschen da und
                                            daher auch mit ihren Werkstätten, Mühlen         nicht der Mensch für die Arbeit« und auch »
                                            und anderem mehr, Träger jener »Industriel-      Ersetzen wir die Herrschaft der Maschinen
                                            len Revolution des Mittelalters«, von der der    über den Menschen durch die Herrschaft der

14    Wege aus der Sucht
Menschen über die Maschinen!« Schließlich         freien Tagen, die eigentlich seiner Erholung    der Mensch das wertvollste »Kapital« in
                          kam von Papst Franziskus die Aussage »Die-        dienen sollten. Ich beobachte immer mehr        seinem Betrieb sei, mag es grade noch an-
                          se Arbeit tötet!«, gemeint ist unmenschliche      junge Menschen, vor allem im sogenannten        gehen. Wenn aber damit unterstellt wird,
                          Arbeit.                                           Finanzdienstleistungs-Gewerbe, die so in        dass der arbeitende Mensch auch nur ein
                              Aber das wichtigste Dokument in un-           ihre höchst triviale Arbeit »verliebt« sind,    »Produktionsfaktor« unter anderen sei, ist
                          serem Zusammenhang ist wohl doch die              dass sie zu einem entspannenden Privat-         das unakzeptabel!
                          schon erwähnte Enzyklika »laborem exer-           leben keine Zeit mehr haben und so keine             All das wird theologisch großartig in
                          cens«, in der Johannes Paul II festhält, dass     Freundschaften mehr pflegen können und          einer Stelle aus Nummer 25 der Enzykli-
                          der Mensch ein Recht darauf hat, sich in sei-     erst recht nicht Beziehungen zu Menschen        ka »laborem exercens« formuliert: »Die Be-
                          ner Arbeit zu verwirklichen. Das bedeutet,        des anderen Geschlechts aufbauen, die dann      schreibung des Schöpfungswerkes, die wir
                          dass er abgesehen davon, dass er den Unter-       auch zu Ehen und Familien führen könnten.       bereits im ersten Kapitel des Buches Gene-
                          halt für sich und seine Familie verdient, auch         Es könnte sein, dass dieses Phänomen       sis finden, ist zugleich in einem gewissen
                          Freude an dieser Arbeit findet, sie gestalte-     geistesgeschichtlich aus der verfehlten Deu-    Sinn das erste »Evangelium der Arbeit«;
                          risch mitträgt und so zufrieden, ja sogar stolz   tung des Jahres 1989 kommt, wenn gesagt         zeigt sie doch auf, worin deren Würde be-
                          auf seine Leistung sein darf. Allerdings darf     wird: »Jetzt hat der Kapitalismus endgültig     steht: sie lehrt, daß der Mensch durch seine
                          auch kein unmenschlicher Leistungsdruck           gesiegt«. Das ist aus mehreren Gründen          Arbeit Gott, seinen Schöpfer, nachahmen
                          auf ihn ausgeübt werden, und der Arbeits-         ganz falsch; es war eine selbstverschuldete     soll, da er – und nur er allein - mit dem Privi-
                          platz muss entsprechend gestaltet sein, am        Niederlage und niemandes Sieg. Schon gar        leg der Ebenbildlichkeit ausgestattet ist. Der
                          besten mit seiner, des Menschen, Mitwir-          sollten wir eine Wirtschaftsform, die den       Mensch soll Gott nachahmen sowohl in der
                          kung. Auf diesem Weg kommt Johannes               Menschen nicht voll ins Zentrum stellt, als     Arbeit als auch in der Ruhe, da Gott selbst
                          Paul auch zu einem »erweiterten Arbeits-          die Lösung aller Probleme in der Zukunft an-    ihm sein eigenes schöpferisches Tun in der
                          begriff«, bei dem die Arbeit der Künstler, der    sehen. Der Leistungsdruck von außen sieht       Form der Arbeit und der Ruhe vor Augen
                          Hausfrauen, der Manager und vieler, vieler        den Menschen nicht als Subjekt, sondern als     führen wollte.«
                          anderer, so vor allem auch der behinderten        »Kapital«, das »eingesetzt« und »verbraucht«
                          Menschen eingeschlossen ist und nicht nur         wird. Und wenn sich der Mensch selbst un-       Altabt Gregor Henckel Donnersmarck
                          die Arbeit abhängiger Lohnempfänger von           ter einen unmenschlichen Leistungsdruck         1943 in Schlesien geboren
                          Betrieben.                                        stellt, sieht er sich nicht mehr als Gottes     1964-1969 Hochschule für Welthandel, Wien
                              Die schon mehrmals erwähnte Ambiva-           Ebenbild, sondern er verfällt einer Sucht,er    1978-1986 Philosophisch-Theologische Hoch-
                          lenz der Arbeit und der aus ihr entstehenden      wird »workoholic« und wird vielleicht           schule Heiligenkreuz (Mag. theol.)
                          Leistung kann aber auch dazu führen, dass         ärztliche Hilfe brauchen. Der andere Weg        1982 Priesterweihe zu Heiligenkreuz
                          der arbeitende Mensch nicht von außen ei-         ist der benediktinische, auch für Menschen,     1999 Wahl zum 67. Abt des Stiftes Heiligenkreuz
                          nem zu starken »Leistungsdruck« unterwor-         die nicht im Kloster leben: ora @ labora, aus   2003 - 2007 Abtpräses der Österreichischen
                          fen wird, sondern sich selbst diesen schafft      dem Gebet, der Meditation, aus prinzipiel-      Zisterzienserkongregation
                          und darunter zwar leidet, aber es selbst gar      lem Denken sich selbst neu definieren und       2007 übernimmt Abt Gregor die Verantwortung für
                          nicht merkt, sondern sich selbst zu wichtig       seinen menschlichen Standpunkt finden.          das »Überdiözesane Priesterseminar Leopoldinum
                          nimmt und seinem »Unabkömmlichkeits-                   Der Unternehmer sollte seinerseits vor-    Heiligenkreuz«
                          Wahn« erliegt. Er macht dann keinen Urlaub        sichtig sein im Gebrauch des Wortes »Hu-        Seit 2011 verbringt Altabt Gregor einen aktiven
                          mehr, arbeitet auch am Sonntag und jenen          mankapital«. Wenn er damit meint, dass          Ruhestand mit vielen Vorträgen
Fotos: Susanne Hammerle

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