ARBEIT SUCHT SINN - A-Research
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SUCHT Wege aus der Sucht Abhängigkeiten erkennen – behandeln – bewältigen Herbst 2016 99 magazin No 99 | Österreichische Post AG Sponsoringpost 04Z035724 S | DVR: 0743542 Grüner Kreis ARBEIT SUCHT SINN grüner kreis magazin www.gruenerkreis.at Wege aus der Sucht 1
Wir danken unseren SpenderInnen Unterstützen & Spenden Dkfm. Günter Baumgartner, Wien Helfen Sie uns helfen! Beate Cerny, Wien Mit Ihrer Unterstützung können wir Doris Grossi, Wien Partner des Grünen Kreises gemeinsam dazu beitragen, suchtkranken DI Kateryna Ishchuk, Wien Die Niederösterreichische Versicherung Menschen einen Weg aus der Sucht zu Jellinger unterstützt die Arbeit des Grünen Kreises. ermöglichen. Ihre Spende wird zur Weiter- Gabriele Karner, Wien »Menschen, die wieder ein selbst- entwicklung von Projekten & Programmen Robert Kopera, Reisenberg bestimmtes Leben ohne Abhängigkeit im Grünen Kreis verwendet. Andrea Mader führen wollen, brauchen vielfältige Unter- Dr. Gert Moser, Eberau Bitte verwenden Sie für Ihre Spende die stützung, um ihre Krankheit zu besiegen. NÖ Landesbank-Hypothekenbank AG Dr. Gerold Obergruber, Graz Als Partner des Grünen Kreises nehmen Dr. Alfons Willam, Wien IBAN AT81 5300 0038 5501 3222 wir unsere soziale Verantwortung in der BIC HYPNATWW Gesellschaft wahr und leisten damit oder fordern Sie bei und viele anonyme SpenderInnen unseren Beitrag, den Betroffenen auf spenden@gruenerkreis.at dem Weg aus der Sucht zu helfen.« einen Zahlschein an. Niederösterreichische Versicherung AG Weitere Informationen finden Sie auch auf www.noevers.at www.gruenerkreis.at Herzlichen Dank im Namen aller KlientInnen des Grünen Kreises! im Bereich »Spenden & Sponsoring«. Impressum Erklärung über die grundlegende Richtung gem. Herausgeber: Verein Grüner Kreis Diese Ausgabe entstand unter Mitarbeit von: § 25 Mediengesetz vom 12.6.1981: Geschäftsführer: Dir. Alfred Rohrhofer Alfred Rohrhofer, Alois Stöger, Tatjana Schnell, Das Aufgabengebiet des Grüner Kreis-Magazins Redaktion: Dir. Alfred Rohrhofer, Peter Lamatsch, Karl Fakler, Andreas Eilenstein, Gregor Henckel bildet die Berichterstattung zur Prävention Donnersmarck, Sophie Loidolt, Isabel Batthyány, suchtindizierter Probleme im Allgemeinen, die Eigenverlag: Grüner Kreis, Verein zur Rehabilitation Robert Hutfless, Dominik Batthyány, Human- wissenschaftliche Aufarbeitung der Abhängig- und Integration suchtkranker Menschen Friedrich Unterrainer, Stephanie Meisl, Kurt keitsthematik sowie Informationen über die Alle: 1110 Wien, Simmeringer Hauptstraße 101-103 Neuhold und KlientInnen im Grünen Kreis Tätigkeit des Vereins Grüner Kreis . Tel.: +43 (0)1 5269489 | Fax: +43 (0)1 5269489-40 Das Grüner Kreis-Magazin erscheint viermal redaktion@gruenerkreis.at | www.gruenerkreis.at Bildquellennachweis: jährlich in einer Auflage von je 30.000 Exemplaren Layout: Peter Lamatsch Cover: alphaspirit / 123RF Medieninhaber: Grüner Kreis , Verein zur Rehabi- Anzeigen: Sirius Werbeagentur GmbH Autorenportraits: privat (soweit nicht anders litation und Integration suchtkranker Menschen Druck: AV+Astoria Druckzentrum GmbH erwähnt) Gender-Hinweis: Die Redaktion greift grundsätzlich nicht in die Texte der GastautorInnen ein. Sofern sich ein Autor oder eine Autorin für die Verwendung des generischen Maskulinums entscheidet, soll damit keine Bevorzugung des Männlichen und insbesondere keine Diskriminierung des Weiblichen zum Ausdruck kommen. Die gewählte Form dient allein der besseren Lesbarkeit des Textes resp. einer leichteren Verständlichkeit seines Inhalts. Der Grüne Kreis dankt seinen Förderern 2 Wege aus der Sucht
editorial Liebe Leserin, lieber Leser! Das Thema »Arbeit« ist nicht nur im tagespolitischen Diskurs allgegenwärtig, sondern auch im (sucht)therapeutischen Kontext von enormer Bedeutung. So haben wir uns entschlossen, diesem Themenkomplex eine zweite Ausgabe unseres Magazins zu widmen. Besonders freut uns, dass Sozialminister Alois Stöger Zeit gefunden hat, sich mit einem Artikel über die sozialen Aspekte von Beschäftigung im Hinblick auf suchtkranke Menschen einzubringen. Neben arbeitsmarktbezogenen Fragestellungen wird diesmal auch die Bedeutung von Arbeit und sinnvoller Beschäftigung im Strafvollzug bzw. der Ersatz von Strafhaft durch »Grüne Arbeit« beleuchtet. Zumal jeder Diskussion über Arbeit geradezu zwangsläufig die Erörterung der Sinn- findung im Arbeitsprozess folgt, wird auch dieser Aspekt sowohl aus psychologischer als auch philosophischer Sicht wissenschaftlich abgehandelt. Schließlich sollte bei einer derart existenti- ellen Fragestellung auch eine spirituelle Sichtweise einbezogen werden. Dazu konnten wir den Altabt des Stiftes Heiligenkreuz als Gastautor gewinnen, der sich der gegenständlichen Thematik als Theologe und promovierter Volkswirt gleich auf mehreren Ebenen anzunähern vermag. In eigener Sache sei auf die Verabschiedung unseres langjährigen Präsidenten Dr. Erhard Doczekal hingewiesen. Er ist im April 2016 aus dem Amt geschieden und erfährt in der Ernen- nung zum Ehrenpräsidenten auf Lebenszeit Würdigung für sein verdienstvolles ehrenamtliches Wirken im Verein Grüner Kreis. Ihm folgt der bisherige Vizepräsident DI Wolf Klerings als Präsident nach. Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre! Alfred Rohrhofer Helfen Sie uns helfen! »Wir heißen Sebastian und Felix. Wir wissen wie es ist, mit Eltern aufzuwachsen, die zu Alkohol und Drogen greifen. Selten denken die Erwachsenen daran, wie sehr wir Kinder darunter leiden. Ein Glück, dass wir Hilfe vom »Grünen Kreis« bekommen. Hier arbeiten Menschen, die sich auskennen und sich um uns kümmern.« Sucht ist eine Krankheit, unter der alle Familienmitglieder leiden. Die Suchtgefährdung der Kinder, die in ihrer eigenen Familie schon mit diesem Problem konfrontiert sind, ist um ein Vielfa- ches erhöht. Rechtzeitige Hilfe verhindert langfristige Probleme. Unsere Präventionsarbeit verhindert, dass die Kinder von heute nicht die Suchtkranken von morgen werden. Geben Sie Sucht keine Chance - unterstützen Sie unsere Ziele durch Ihre Spende! Verein Grüner Kreis | NÖ Landesbank-Hypothekenbank AG IBAN AT81 5300 0038 5501 3222 | BICWege aus der Sucht 3 HYPNATWW
Inhalt 3 Editorial Alfred Rohrhofer 6 Soziale Aspekte der Beschäftigung Alois Stöger 8 Die Arbeit und wir – eine Beziehungsanalyse Tatjana Schnell 10 Transitarbeit und Wiedereinstieg in die Arbeitswelt Karl Fakler 12 AMS – Ein Mittler zwischen den Menschen Andreas Eilenstein im Gespräch mit Martin Kainz 14 ora @ labora Gregor Henckel Donnersmarck 16 Unser Betreuungsangebot 18 Was tun wir, wenn wir tätig sind? Sophie Loidolt 20 quergelesen Milena Michiko Flašar: Ich nannte ihn Krawatte , gelesen von Isabel Batthyány 22 Sozialtherapeutisches Trainingszentrum im Otto-Wagner-Spital Robert Hutfless 24 Beschäftigung im Gefängnis Dominik Batthyány im Gespräch mit Bruno Sladek 26 Vom (bitter)süßen Leben der Honigbiene Human-Friedrich Unterrainer 28 Grüne Arbeit statt Haft Stephanie Meisl 29 Ein Heim für Bienen im Grünen Kreis Human-Friedrich Unterrainer im Gespräch mit Fritz Gebhart 30 Kunst im Grünen Kreis Kurt Neuhold Wege aus der Sucht 5
Soziale Aspekte der Beschäftigung Durch Unterstützung zu einem suchtfreien, selbstgestalteten Leben W ährend über 1 Million Personen der Arbeitslosigkeit sich eine Alkoholpro- Foto: Johannes Zinner einen problematischen Alko- blematik entwickeln oder verstärken kann. holkonsum aufweisen, gelten Erwerbslose können hierbei in eine Ab- etwa 5 Prozent der Österreicher, also rund wärtsspirale von Sucht und Arbeitslosig- 400.000 Personen, als alkoholkrank und keit geraten. rund 8.000 Personen sterben jährlich an den Folgen von Alkoholkonsum – im Ver- Menschen mit einer Suchterkrankung fin- gleich zu rund 200 Toten durch illegalen den oft nur schwer zurück in die Arbeits- Drogenkonsum. welt. Die Arbeitslosigkeit ist für Suchtkran- ke eine weitere Stigmatisierung und erhöht Oft werden Suchtprobleme tabuisiert. Die zudem die Rückfallgefährdung. Betroffene Akzeptanz des übermäßigen Alkoholkon- leiden unter der fehlenden Tagesstruktur, sums reicht dabei vom familiären Umfeld dem Mangel an sozialen Kontakten und den über die Freizeitgestaltung bis in die Be- sich kumulierenden Problemlagen – zur Ab- von Alois Stöger rufswelt. Daher ist es wichtig, einerseits hängigkeit kommen oft familiäre Probleme, in der Gesellschaft einen Bewusstseins- Schulden, Begleit- bzw. Folgeerkrankungen, Bei der Suchtproblematik stehen bildungsprozess anzuregen und anderer- etc. Diese schwächen das Selbstwertge- seits konkrete Angebote zur gesundheit- fühl und die Motivation zur Veränderung in Österreich quantitativ nach lichen Rehabilitation und beruflichen zusätzlich. wie vor sogenannte legale Drogen (Wieder-)Eingliederung zu schaffen bzw. weiterzuentwickeln. Gleichzeitig hat Arbeit in unserer Gesell- – allen voran der Alkohol – im schaft eine zentrale integrative bzw. stabi- Vordergrund und stellen auch die Viele Erkenntnisse beziehen sich auf die lisierende Funktion. Erwerbstätigkeit dient »Volksdroge« Alkohol, können aber auch für nicht nur der selbstbestimmten Existenz- weit größere gesundheitliche und andere Suchterkrankungen stehen – wobei sicherung sondern weist auch noch weite- soziale Herausforderung dar. bei illegalem Drogenmissbrauch natürlich re wichtige Faktoren auf, etwa die Teilhabe zusätzliche Probleme (wie Stigmatisierung, und Identitätsbildung durch Arbeit oder die Kriminalität) zu berücksichtigen sind. Strukturierung des Alltags. Im Beruf werden soziale Kontakte gepflegt, Fähigkeiten und Auswirkungen und Umgang mit Sucht Fertigkeiten angewendet. Studien haben gezeigt, dass Beschäftig- Damit Menschen mit Suchterkrankung eine te mit Alkoholproblemen quer durch alle Motivation zur Veränderung haben, braucht Schichten ein höheres Arbeitslosigkeitsri- es neue Lebensperspektiven und die Par- siko haben. Suchtprobleme sind wiederum tizipation am Arbeitsleben. Dies belegen bei arbeitslosen Personen stärker verbreitet auch wissenschaftliche Untersuchungen als in der Durchschnittsbevölkerung, wobei deutscher Fachkliniken für Abhängigkeits- Männer etwa viermal so häufig betroffen erkrankungen. Überproportional viele Pa- sind wie Frauen. Bei Langzeitarbeitslosen tientInnen – nämlich mehr als ein Drittel kann man davon ausgehen, dass etwa jede/r – waren bereits zu Beginn des Therapie- Fünfte einen problematischen Umgang mit aufenthaltes arbeitslos. Jene KlientInnen, Alkohol hat. Einerseits wirkt also ein Se- die gegen Ende der Therapie immer noch lektionseffekt insofern, dass Personen mit arbeitslos waren oder während des statio- Suchtproblemen eher aus dem Erwerbsle- nären Aufenthaltes arbeitslos wurden, hat- ben fallen. Andererseits stellt eine längere ten eine signifikant geringere Erfolgsquote Arbeitslosigkeit eine Belastungssituation hinsichtlich ihrer Therapie im Vergleich zu dar, die die Entstehung oder die Verfesti- jenen, die erwerbstätig waren und blieben. gung eines Suchtverhaltens begünstigt. Daher wird argumentiert, dass Angebote, Studien zeigen, dass durch lange Phasen welche die (Wieder-)Eingliederung in den 6 Wege aus der Sucht
Arbeitsmarkt fördern, nahtlos nach einem Es zeichnet sich deutlich ab, dass beruflichen Verhalten und Erleben, die in stationären Aufenthalt erfolgen sollten. Ar- spezialisierten Rehabilitationseinrichtun- eine sinnstiftende Beschäftigung beit dient Suchterkrankten als Stabilitäts- gen angeboten werden. faktor und hat präventiven Charakter bzgl. nachhaltig stabilisiert und die soziale eines Rückfalls. Nachdem auch in Österreich bereits im Ver- Integration unterstützt. lauf des Projekts »Invalidität im Wandel 2« Vor allem die ersten drei Monate nach der mit Schwerpunkt auf psychische Erkran- Entlassung aus der stationären Therapie kungen eine bessere Abstimmung medi- sind für die meisten PatientInnen sehr erhöhen. Weiters ist es wichtig, ein Klima zinischer und beruflicher Rehabilitation schwierig und oft entscheidend für den des Dialogs zu schaffen, in dem offen über empfohlen wurde, griff die Bundesregie- weiteren Verlauf. Ein Grund ist die Tatsa- Stärken und Schwächen gesprochen werden rung dieses Thema auf. Beim »Pensionsgip- che, dass sie ihren Alltag und ihre Lebens- kann und darüber, wie individuelle Bewälti- fel« am 29. Februar 2016 wurde festgehalten, situation nun im Zustand der Abstinenz gungsstrategien entwickelt und angewandt dass die derzeitige strikte Trennung von me- erleben. So müssen beispielsweise aktuelle werden können. dizinischer und beruflicher Rehabilitation Konflikte, aber auch Frustrationserlebnisse nicht den Bedürfnissen der Praxis entspricht wie Jobabsagen erstmals seit vielen Jahren Die Kombination der Stärkung der sozia- und künftig eine gemeinsame Maßnahmen- ohne das »Medikament« Alkohol ausgehal- len Kompetenzen und der gesundheitlichen durchführung möglich sein sollte. ten werden. Stabilisierung erhöht sowohl die Hand- lungsfähigkeit der Betroffenen zur Verände- Ein wichtiger Beitrag meines Hauses liegt Was kann die Arbeitsmarktpolitik beitragen? rung als auch die Wahrscheinlichkeit, realis- in der besseren Erforschung der Wiederein- tische berufliche Ziele zu verfolgen und den gliederungsangebote und -möglichkeiten. Analysen zeigen: Arbeitslose mit Suchtprob- Anforderungen des »Ersten Arbeitsmarkts« Aktuell wird eine Studie zur »Beruflichen lemen profitieren oft weniger von gängigen gewachsen zu sein. Aber auch jenen, die be- (Re-)Integration von alkoholkranken Per- Maßnahmen zur Arbeitsmarktintegration ruflich vorerst nicht reüssieren können, sonen« durchgeführt. Hauptziele des For- und sind generell deutlich schwerer wieder muss eine Perspektive geboten werden, die schungsprojekts sind die Identifizierung in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Ande- Beschäftigung und Struktur – also ein Stück von hemmenden und förderlichen Fakto- rerseits stellt die Teilnahme an arbeitsin- »gesellschaftliche Normalität« – ermöglicht. ren für eine berufliche (Re-)Integration von tegrativen Maßnahmen auch eine Chance So zeichnet sich deutlich ab, dass eine sinn- Alkoholkranken und die Ableitung zielge- dar, durch zielgerichtetes Eingehen auf die stiftende Beschäftigung nachhaltig stabili- richteter Maßnahmen. Problematik den Suchtverlauf günstig zu siert und die soziale Integration unterstützt. beeinflussen. Die Integration suchtkranker Menschen in Zur Wiederherstellung der Arbeitsfähig- den Arbeitsprozess wird auch in Zukunft Sucht hat keinen kontinuierlichen Verlauf. keit ist gerade für Personen mit Suchtpro- eine bedeutende Aufgabe der Sozialpolitik Daher ist es wichtig, den Interventionsgrad blemen eine bessere Abstimmung bzw. sein. Einiges liegt noch vor uns, aber wir der Angebote an aktuelle Bedürfnisse an- Verknüpfung von medizinischer und be- sind auf dem richtigen Weg. Auch dank der zupassen. Empirische Untersuchungen ruflicher Rehabilitation von hoher arbeits- wichtigen Arbeit von Organisationen wie zeigen einen engen Zusammenhang von marktpolitischer Relevanz. dem Grünen Kreis. Jahrzehntelange prak- Arbeitslosigkeit und Rückfall nach einer tische Erfahrung und professionelle the- Entwöhnungsbehandlung auf. Eine allein In diesem Zusammenhang lohnt sich ein rapeutische Angebote der Rehabilitation auf Psychotherapie begrenzte Interventi- Blick zu unserem Nachbarn Deutschland: zeichnen diese Organisation aus, damit die on ohne Berücksichtigung anderer Behand- Dort wurde die Bedeutung dieser Verbin- betroffenen Menschen eine Chance auf lungs- sowie (Re-)Integrationsmaßnahmen dung bereits frühzeitig erkannt und in der (Re-)Integration in die Gesellschaft haben. ist demnach für eine dauerhafte Abstinenz »Medizinisch-beruflich orientierten Re- nicht ausreichend. habilitation« (MBOR) umgesetzt. Neben der Erkrankung wird dabei von Beginn an Alois Stöger Der Schwerpunkt bei der professionellen auch die berufliche Situation in den Fokus 2008 bis 2014 Bundesminister für Gesundheit Unterstützung von Suchtkranken liegt der Aufmerksamkeit gerückt. Elemente 2014 bis 2016 Bundesminister für Verkehr, darauf, Ressourcen herauszuarbeiten und des MBOR sind spezielle Arbeitsplatztrai- Innovation und Technologie zu stärken, um die Integrationschancen zu nings oder auch Gruppenprogramme zum seit Jänner 2016 Sozialminister Wege aus der Sucht 7
Die Arbeit und wir – eine Beziehungsanalyse W ir leiden unter Beziehungsstö- die längst nichts mehr mit Nützlichkeit zu rungen. Die Arbeit und wir, da tun haben. Sie sollen ungeahnte Bedürf- gibt es immer mehr Konflikte nisse wecken, indem sie einen »spirituellen und Missverständnisse. Die einen haben Mehrwert« (Norbert Bolz) vorgaukeln: die keine Arbeit – und fühlen sich deshalb als Wellness-Salami, die Sneakers, die dich zum Verlierer. Die anderen haben eine – und lei- Individualisten machen, das Deodorant, das den häufig auch: an Unterforderung (vor die Umwelt rettet. Alles nur Tand – oder allem Frauen in Teilzeitstellen) oder Über- Schmuck, wie Heidenreich und Heidenreich forderung. Achtzig Prozent der Beschäftig- (2008) es nennen: »Je mehr es gelingt, durch ten geben an, dass sie den Eindruck haben, die Funktion des Schmucks, im Sinne der in den letzten Jahren mehr Arbeit in der Marken und ihrer Werbung, Marktanteile gleichen Zeit schaffen zu müssen. Fast die und Gewinne zu erobern, desto mehr muss Hälfte fühlt sich leer und ausgebrannt. Unter die tatsächliche Arbeit der Herstellung ent- von Tatjana Schnell diesen Bedingungen bis zur gesetzlichen wertet werden« (S. 34). Pension aushalten? Das traut sich nicht ein- Das ist es, was so vielen Menschen mal die Hälfte der Erwerbstätigen zu (alles heute das Gefühl vermittelt, ihre Arbeit Eine seltsame Sucht beherrscht Zahlen des DGB-Index »Gute Arbeit«). sei sinnlos. Eine in Großbritannien durch- die Arbeiterklasse aller Länder, in Allerdings gibt es auch die, die ihre geführte Befragung unter Managern von Arbeit mögen und gern machen. Die sie 735 Organisationen (nationale und inter- denen die kapitalistische Zivili- nicht als negative Belastung wahrnehmen, nationale) ergab, dass zwei Drittel Sinn in sation herrscht. Eine Sucht, die sondern als sinnvolle Herausforderung. Und ihrem Arbeitsleben vermissten (Holbeche & genau das scheint der Knackpunkt zu sein: In Springett, 2004). Eine andere Untersuchung das in der modernen Gesellschaft dem Moment, in dem uns die Anstrengung (Kelly Services, 2012) fragte über 100.000 herrschende Einzel- und Massen- sinnvoll erscheint, sind wir stark motiviert. Berufstätige in Nordamerika, Europa und Das Sinnerleben am Arbeitsplatz hängt Asien-Pazifik: »Wären Sie bereit, eine niedri- elend zur Folge hat. Es ist die nach unseren Studien (s. http://www.sinn- gere Position oder weniger Gehalt für mehr Liebe zur Arbeit, die rasende, bis forschung.org/archives/2299) sehr eng mit Sinnhaftigkeit Ihrer Arbeit hinzunehmen?« dem beruflichen Engagement zusammen. Ganze 51% bejahten dies. zur Erschöpfung der Individuen Zurück zur obigen Frage, wann Arbeit als gehende Arbeitssucht. Und wann wird Arbeit als sinnvoll erlebt? sinnvoll erlebt wird. Wir konnten vier Merk- Generell gilt, dass eigentlich jede Arbeit male ausmachen, die hier eine zentrale Rolle (Lafargue, 1883(!)/2014, S. 9) einen Sinn hat: Es geht um Tätigkeiten, die spielen (Schnell, Höge & Pollet, 2013): in ein Ziel münden. Ziele sind entweder Produkte oder Dienstleistungen, die einen 1) Bedeutsamkeit meint das Ausmaß des Nutzen für andere Menschen haben. Weil wahrgenommenen Nutzens der eigenen wir nicht alle alles selbst herstellen und leis- Tätigkeit für andere Menschen. Hat das, was ten können, teilen wir uns diese Aufgaben. ich tue, positive Auswirkungen (Unterstüt- Das war zumindest die ursprüngliche Idee. zung, Genuss, Sauberkeit, Wissen, Gesund- Allerdings merken wir davon heute heit…) auf andere Menschen? nicht mehr so viel. Das Produkt, die Dienst- leistung rücken zunehmend in den Hinter- 2) Orientierung bezieht sich auf die Werte, grund, weil der Schwerpunkt auf das gelegt die Mission und Vision hinter der berufli- wird, was ursprünglich nur ein Hilfsmittel chen Tätigkeit: Welche Strategien und Ziele war, um Produkte und Dienstleistungen verfolge ich, verfolgt »meine« Organisation? zu tauschen: Geld. Anstatt um Qualität Gehen wir einen gemeinsamen Weg, dessen und Nützlichkeit geht es um Gewinn. Zu Ziel wir kennen – und schätzen? dessen Erreichung werden immer mehr Unterscheidungen, Distinktionen erdacht, 3) Kohärenz steht für Passung und 8 Wege aus der Sucht
Stimmigkeit: Kann ich mit meinem beruf- Überlegen Sie einen Moment, ob Ihnen Berufen mit den höchsten Burn-out Raten lichen Handeln die gesetzten Arbeitsziele ein Mensch in den Sinn kommt, der seinen (Yaden et al., 2015). Ebenso wie Lehrkräfte. erreichen? Stimmen diese Ziele mit meinen Beruf offensichtlich als sehr sinnvoll erlebt. Ein typisches Zitat eines Lehrers: »Es ist nie Lebensbedeutungen überein? Lassen sich Mit hoher Wahrscheinlichkeit handelt es genug Zeit. Als Lehrer habe ich mit einer die verschiedenen Ziele und Lebensbedeu- sich um eine Person, die ganz in ihrer Arbeit unendlichen Zahl an Dingen zu kämpfen, tungen miteinander vereinbaren, oder ste- aufgeht; mit Haut und Haaren dabei ist; die ich eigentlich tun sollte. Manche der Kin- hen sie im Widerspruch zueinander? keine Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit der brauchen unbedingt deine Hilfe, aber ich zieht? Wie oben bereits erwähnt, geht eine bin so damit beschäftigt das Notwendigste 4) Zugehörigkeit bezieht sich auf die hohe berufliche Sinnerfüllung mit einem zu tun, dass ich den Kindern nie die Auf- Gewissheit, Teil eines größeren Ganzen zu hohen Engagement einher. Und das kann merksamkeit geben kann, die sie eigentlich sein - dazuzugehören. Es geht um Identifi- bis zur (Selbst-)Ausbeutung gehen. Gerade brauchen. Es laugt dich aus, die Energie kation mit dem Team, der Organisation, der in unserer Zeit, wo die »Sinnhaftigkeit« eines geht verloren.« Gerade die Einsicht in die Profession…, die einher geht mit der Über- Berufs bereits als Alleinstellungsmerkmal Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns macht es zeugung, gebraucht zu werden und Verant- gilt und in Stellenanzeigen hervorgehoben schwierig, nicht zu viel zu tun, sondern die wortung zu haben. wird, sind viele Berufstätige bereit, dafür zu eigene Gesundheit im Blick zu behalten. zahlen. Mit ihrer Gesundheit, ihren sozialen Diese vier Merkmale sind der Minimal- Beziehungen, ihrer finanziellen Situation. Soziale Beziehungen sind oft die Verlierer, wenn standard. Hier geht es nicht um den Luxus der Job gewinnt. der Selbstverwirklichung, sondern um sol- Gesundheitlich bedeutet ein sinnvoller Beruf, Dazu trägt u.a. das Gefühl der Zugehörigkeit che Kriterien, die in jeder Berufstätigkeit dass die Wahrscheinlichkeit für Burn-out und und Bedeutsamkeit bei, das mit sinnvollen vorhanden sein sollten: bei BusfahrerInnen, Erschöpfung hoch ist. Berufen einhergeht: Man versteht sich so Bankangestellten, ÄrztInnen, Reinigungs- In Professionen, in denen die Bedeutsamkeit gut, dass man gemeinsam länger arbeitet, kräften, SozialarbeiterInnen, Versicherungs- der eigenen Tätigkeit »offensichtlich« ist, ist danach noch zusammen ausgeht, auch an vertreterInnen, usw. usf. es besonders schwer, Grenzen zu ziehen. So Wochenenden und im Urlaub ansprechbar Sind alle vier Kriterien erfüllt, dann sagen sehen z.B. Krankenschwestern und Pfleger ist… Man fühlt sich verantwortlich – und ist Arbeitende: »Ich tue etwas Sinnvolles.« Das ganz unmittelbar, dass sie gebraucht werden. deshalb auch in Gedanken immer dabei. Ein ist kein von Führungskräften »gestifteter« Regelmäßig begegnen sie Schmerzen, Leid ehemaliger Hochverdiener bei Microsoft, Sinn (von wegen: »Führungskräfte müssen und Einsamkeit. Durch Nähe, Verständnis, John Wood, schmiss seinen Job hin und Sinnstifter sein«…), sondern die Konsequenz Aufmerksamkeit können sie viel bewirken. begann, Büchereien in Entwicklungslän- eines menschenfreundlichen Arbeitsplat- Wenn denn ausreichend Zeit dafür wäre… dern aufzubauen. Das fand er viel sinnvoller. zes. Bürokratie, Stelleneinsparungen und Allerdings berichtete er auch: »Unser Auf- andere Rationalisierungen in Kliniken las- sichtsgremium sagte, dass sie befürchteten, Doch sinnvolle Arbeit ist ein zweischneidiges sen immer weniger Raum für diese Aspekte ich würde ausbrennen. Aber es gab noch eine Schwert. der Arbeit. Das Pflegepersonal gehört zu den schlimmere Schattenseite, die Seite 11 Foto: Wavebreak Media Ltd / 123RF (Sujetbild) Pflegepersonal zählt zu den Berufen mit den höchsten Burn-out Raten. Wege aus der Sucht 9
Transitarbeit und Wiedereinstieg in die Arbeitswelt vorläufiger Abschluss, die Rückkehr ins Er- Dabei wird im Rahmen eines ge- Foto: B.V. Ederer_Photosandmore werbsleben stehen müssen – sei es als Teil der meinnützigen Beschäftigungsprojektes, Therapie, sei es als »sichernder Abschluss« Menschen, die ihre stationäre Langzeitthe- oder als »stützende Begleitmaßnahme«. rapie im Ausmaß von mindestens 18 Mo- Hier ist das AMS einerseits gefordert, naten beim Verein Grüner Kreis erfolgreich zu helfen und anderseits ein wichtiges Un- absolviert haben, die Möglichkeit geboten, terstützungselement für die Menschen, die auf einem vom AMS geförderten Arbeits- nach einer Suchtkarriere den Weg zurück platz auf Zeit als sogenannte Transitar- ins Erwerbsleben suchen und für therapeu- beitskräfte angestellt zu sein, um auf diesen tische Einrichtungen, die Menschen auf Arbeitsplätzen alte Fertigkeiten und Fä- diesem Weg begleiten und unterstützen. higkeiten zurückzugewinnen und neue zu Das »erste«, klassische Angebot des erlernen und einzuüben. Das Spektrum des AMS in diesem Bereich ist die Arbeitsver- Lernens und Übens umfasst hier fachliche von Karl Fakler mittlung, die das AMS als Standarddienst- Fertigkeiten und Fähigkeiten ebenso wie leistung anbietet. Hier wird es darum arbeitskulturelle Fertigkeiten und Fähig- I gehen, für die Menschen, »die gerade aus keiten, wie Verlässlichkeit, Ausdauer, Frus- n dem breiten Vorfeld und Umfeld der Überwindung ihrer Sucht« kommen, trationstoleranz, Geduld, Beständigkeit etc, von Sucht, spielt Arbeit mehrmals eine Arbeitsplätze zu finden, die sie fordern die ihre Integration bzw. Reintegration in wichtige Rolle. Einmal in der »End- aber nicht überfordern, wo allenfalls auch den freien Arbeitsmarkt zerleichtern bzw. phase« der Erwerbsarbeit am Weg in die »Platz« (Verständnis und Spielräume) für unterstützen. Diese Phase dauert in der Sucht oder besser am Weg der Sucht, näm- »kleine Rückfälle«, kurzfristiger Abwesen- Regel maximal ein Jahr und dient letztend- lich als häufige Folge der Sucht, den Arbeits- heit wegen therapeutischer Intervention lich der Stabilisation und dem »(Wieder) platz zu verlieren, weil die Sucht die Arbeit etc. ist und und die dennoch ein Lebens- Eingleiten« der KlientInnen in den ersten und die Arbeitsergebnisse beeinträchtigt haltungskosten deckendes Einkommen Arbeitsmarkt und damit der Rückkehr ins oder weil man/frau als Süchtige/r »der Ar- ermöglichen. »volle Leben«. beit« nichts mehr abgewinnen kann und Solche Arbeitsplätze zu finden, ist nicht Das Projekt sieht Transitarbeitsplätze sie aufgibt oder weil man/frau sich selbst in immer und in konjunkturell weniger üppi- vor, die von sogenannten Bereichsleite- und an der Arbeit scheitern erlebt und sie gen Zeiten, wie wir sie seit einigen Jahren rInnen (HausassistentInnen) und Tran- aufgibt, bevor man/frau gekündigt wird. erleben und – ich fürchte – auch noch ei- sitarbeiterInnen in den verschiedenen Der nächste Berührungspunkt mit Ar- nige (3 oder 4) Jahre erleben werden, schon Arbeitsbereichen besetzt werden und von beit kann – wenn es zu einer kommt - in der gar nicht, leicht. Es müssen Arbeitsinhalt, Schlüsselkräften unter der Aufsicht der Therapie sein. Hier ist Arbeit dann nicht Arbeitszeit, Umfeld des Arbeitsplatzes Projektleiterin betreut werden. Erwerbsarbeit, sondern therapeutisches (KollegInnen, KundInnen), Vorgesetzte Derzeit betreuen 6 Schlüsselkräfte Mittel. und Bezahlung passen und dann muss der (Kapazität: 72 Menschmonate) sowie 6 Be- Und das dritte Mal geht es dann wieder Arbeitsplatz auch noch halbwegs mit öf- reichsleiterInnen, sogenannte Hausassis- um Arbeit als (Wieder)Teilhabe am Leben fentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sein, tentInnen (Kapazität: 72 Menschmonate) und Sicherung der Existenz, also um Er- da »Sucht und Führerschein« keine siame- 17,5 Transitarbeitskräfte (Kapazität: 210 werbsarbeit, um dort anzufangen, wo man/ sischen Zwillinge sind. Dennoch gelingen Menschmonate). frau wegen der Sucht aufgehört hat oder um auf diesem Weg immer wieder Erfolge, In dieser Phase gibt es für die Transit- ganz neu anzufangen, weil das, was man/ die sich aber meist einer bereits (wieder) arbeitskräfte regelmäßige Supervision, in frau gearbeitet hat, ein Teil der Suchtnoxen ziemlich gefestigten Persönlichkeit und der persönliche Erfahrungen ausgetauscht war oder weil man diese Arbeit, die man/ einer sehr starken begleitenden therapeu- werden und allfällige Schwierigkeiten frau früher gemacht, wegen der Suchtfol- tischen und/oder familiären Absicherung besprochen und geklärt werden sollen. gen nicht mehr machen/leisten kann. verdanken. Zudem besteht die Möglichkeit, sich wei- Wie auch immer, wird bei Menschen Ein für das AMS weitaus teurer Weg, terzubilden und zu perfektionieren. im Erwerbsalter (die nicht gänzlich ar- der dafür aber zugangsvoraussetzungsto- Nach Beendigung oder während die- beitsunfähig geworden sind) im Rahmen leranter und erfolgsrobuster ist, ist der Weg ser Phase wechseln die meisten Transitar- eines erfolgreichen Therapieverlaufes, als über sogenannte Transitarbeitsplätze. beitskräfte in ein endgültiges, Seite 11 10 Wege aus der Sucht
Seite 10reguläres Arbeitsverhältnis. Ent- stieg aus dem gemeinnützigen Beschäf- Publikationen weder sie verbleiben nach Ablauf der AMS- tigungsprojekt – in der Phase der Nachbe- Berichte vom Arbeitsmarkt, in Geld und Leben, Förderung als MitarbeiterInnen beim Ver- treuung – gute Betreuung bekommen. Verlag für Gesellschaftskritik,1990 ein oder sie finden am freien Arbeitsmarkt Das Projekt läuft sehr gut, die Zusam- Es müssen nicht immer Beihilfen sein, in Kurswech- eine Anstellung. Die Integrationsraten in menarbeit mit den RGS läuft ebenfalls rei- sel Heft 2/1994, Sonderzahl Verlag, 1994 eine nicht (vom AMS) geförderte Beschäf- bungslos und die Kommunikation mit den Beitrag zum Memorandum gegen Arbeitslosig- tigung liegen in den letzten Jahren (seit Verantwortlichen seitens der LGS hat sich keit, in Kontraste, Sonderzahl Verlag, o.J. 2007) konstant zwischen 40% und 60%. in den letzten Jahren aufgrund der Professi- Arbeitsvermittlung – Zwang oder soziale Leistung, Selbsthilfegruppen und betreute Wohn- onalität des Vereins perfekt eingespielt. in Ist Arbeit sozial ? Hg. Reichl, Lesnik, 2000 gemeinschaften in Nachbetreuungsein- Die experimentelle Arbeitsmarktpolitik – eine richtungen sowie weiterhin stattfindende Erfolgsstory mit Moral, in Mut zum Träumen, Hg. Einzeltherapiesitzungen mit einem/r Psy- Mag. Karl Fakler Sallmutter, Eigenverlag der GPA, 2000 chotherapeuten/in garantieren, dass ausge- Landesgeschäftsführer des Arbeitsmarktservice Langzeitarbeitslosigkeit in Niederösterreich, in schiedene Transitkräfte auch nach dem Aus- NÖ. Niederösterreich sozial gestalten, Hg. Kranzl, 2003. Seite 9 immer wieder ihre hässliche Fratze ein Fokus auf den eigentlichen Sinn und The call of the wild: Zookeepers, callings, and the zeigte: Die Überstunden waren einfach die die Qualität der Arbeit, Transparenz und double-edged sword of deeply meaningful work. Hölle für meine Beziehungen. Wenn ich Authentizität im Hinblick auf die verfolg- Administrative Science Quarterly, 54(1), 32-57. begann, mit einer Frau auszugehen, war ten Ziele, eine von Respekt, Vertrauen und Dempsey, S. E., & Sanders, M. L. (2010). Meaning- sie innerhalb eines Monats total frustriert Offenheit geprägte Arbeitsatmosphäre. ful work?: Nonprofit marketization and work/life wegen der wenigen Zeit, die ich der auf- Viele andere Berufe sind jedoch eher imbalance in popular autobiographies of social keimenden Beziehung widmen konnte. eintönig und unschöpferisch. Sie bieten entrepreneurship. Organization, 17(4), 437–459. Eine entmutigte Frau meinte, dass [meine wenige Möglichkeiten für Selbstverwirkli- DGB-Index Gute Arbeit (2013). Wachsender Organisation] ja wohl »meine Frau, meine chung, Selbstüberschreitung oder Gemein- Psycho-Stress, wenig Prävention – wie halten die Geliebte, mein Haustier und meine Karri- schaftssinn. Als Sinnquelle eignen sie sich Betriebe es mit dem Arbeitsschutzgesetz? So beur- ere« sei. Sie stellte auch fest, dass heftiges daher kaum. Was längst nicht heißt, dass teilen die Beschäftigten die Lage. Berlin: DGB-Index Nicken und Grinsen keine angemessene solche Arbeiten sinnlos sind. Wir müssen Gute Arbeit GmbH. Antwort darauf sei.« (Dempsey & Sanders, klar differenzieren zwischen Arbeit, die Heidenreich, R. & Heidenreich, S. (2008). Mehr 2010, S. 450; Übers. d. Autorin) Sinn stiftet, und sinnvoller Arbeit (Schnell, Geld. Berlin: Merve 2016). Nicht jede Arbeit muss zur Quelle Holbeche, L., & Springett, N. (2004). In Search of Nicht zuletzt gehen sinnvolle Berufe auch oft von Lebenssinn werden. Aber jede Arbeit Meaning in the Workplace. Horsham: Roffey Park. mit geringerer Bezahlung einher. sollte so gestaltet sein, dass Bedeutsamkeit, http://www.sinnforschung.org/archives/2299 Nach einem Vortrag erzählte mir eine Zuhö- Orientierung, Zugehörigkeit und Passung Kelly Services (2012). Acquisition and Retention rerin, sie hätte vor Kurzem ein Anstellungs- ermöglicht werden. Dies ist vor allem die in the War for Talent. Kelly Global Work Force gespräch bei einer großen österreichischen Aufgabe von Führungskräften und Perso- Index 2012. Hilfsorganisation gehabt. Als es um die nalverantwortlichen. Verlangt ist aber auch Lafargue, P. (1883/2014). Das Recht auf Faulheit. Gehaltsverhandlung ging, hieß es: Bei uns eine gewisse Selbstkenntnis aller Arbeitstä- Norderstedt: Edition Ahrend & Wegner. verdienen sie zwar unterdurchschnittlich – tigen. Erkunden Sie sich selbst: Schnell, T. (2016). Psychologie des Lebenssinns. aber dafür tun Sie ja auch etwas Sinnvolles! Heidelberg: Springer. Dass es sich hier nicht um einen Einzelfall n Warum haben Sie Ihren Beruf gewählt? Schnell, T., Hoege, Th., & Pollet, E. (2013). Pre- handelt, zeigt diese Studie: Bei einer Befra- n Was waren Ihre ursprünglichen Ziele? dicting Meaning in Work: Theory, Data, Implica- gung von knapp 1000 Zoowärtern aus den n Sind Sie dort, wo Sie sein wollen? tions. The Journal of Positive Psychology, 8(6), USA und Kanada stellte sich heraus, dass n Welchen Stellenwert soll die Arbeit in 543-554. jene, die ihren Beruf als »Berufung« ansahen Ihrem Leben haben? Yaden, D. B., McCall, T. D., & Ellens, J. H. (Eds.). und mit Überzeugung dabei waren, weniger n Sind Sie überfordert oder unterfordert? (2015). Being Called: Scientific, Secular, and Sac- verdienten als diejenigen, die die Tätigkeit n Haben Sie Freude an der Arbeit? red Perspectives: Scientific, Secular, and Sacred einfach als Job verstanden (Bunderson & (Wann besonders?) Perspectives. Santa Barbara: Praeger. Thompson, 2009). Wer seinen Beruf liebt, n Welchen Nutzen hat Ihre Arbeit für wird wenig Augenmerk auf die Entlohnung die Gesellschaft? PD Dr Dipl-Psych MPhil Tatjana Schnell richten. Wer sich mit der Sache identifiziert, n Stimmt Ihre Tätigkeit mit Ihren Werten ist assoziierte Professorin an der Universität ist allzu leicht bereit, materielle Ungerech- überein? Innsbruck. In ihrer empirischen Sinnforschung tigkeit zu akzeptieren. n Erleben Sie sich als zugehörig (z.B. zu beschäftigt sie sich sowohl mit grundsätzlichen Welche Schlussfolgerung lässt sich aus einem Unternehmen, einer Arbeits- Fragen der Konzeptualisierung und Erfassung diesen Erkenntnissen ziehen? Für man- gruppe, einer Profession)? von Lebenssinn als auch mit der praktischen che mag die Berufstätigkeit der wichtigste n Gibt es Bedingungen oder Ereignisse, Bedeutung der wissenschaftlichen Erkenntnisse Lebensinhalt sein und bleiben. Und das ist die Ihre Arbeit sinnlos machen? für Individuen, Organisationen und Gesellschaft. auch gut so, wenn man bedenkt, welche her- n Was können Sie ändern? Eine allgemeinverständliche Einfühung in diese ausfordernden und bereichernden Aufga- n Wo erleben Sie berufliche Erfüllung – Forschung gibt ihr neues Buch »Psychologie des ben es zu leisten gilt. Hier kommt es darauf aber machen es sich nicht bewusst? Lebenssinns« (Springer, 2016). an, dass Arbeitgeber Umgebungen schaffen, Auf www.sinnforschung.org berichten Tatjana in denen die Motivation erhalten bleibt, Literatur Schnell und ihr Team regelmäßig über aktuelle Ent- ohne dass es zum Ausbrennen kommt. D.h. Bunderson, J. S., & Thompson, J. A. (2009). wicklungen in der internationalen Sinnforschung. Wege aus der Sucht 11
AMS – Ein Mittler zwischen den Menschen Das AMS ist viel mehr als ein Vermittler von Menschen einzustellen. Foto: Manfred Zügler Arbeitsplätzen. Wie würde sich das AMS selbst beschreiben? Gibt es spezielle Programme für süchtige Men- schen oder Menschen aus Randgruppen? Wir sind nicht so sehr ein Vermittler von Arbeitsplätzen, sondern ein Mittler zwi- Das AMS Wien arbeitet eng mit der schen den Menschen, die auf Jobsuche sind Sucht- und Drogenkoordination Wien und jenen, die Arbeitsplätze anbieten. Aus zusammen. Gemeinsam werden Projekte diesem Verständnis gehört es zu unserem in den Bereichen Beratung, Orientierung, Job, auch Qualifizierung, Weiterbildung Qualifizierung und Arbeitsmarktintegra- und Beratung bei allen arbeitsmarktrele- tion gefördert. Wie bei anderen Vermitt- vanten Fragestellungen anzubieten – denn lungshemmnissen auch, sehen wir bei aus unterschiedlichen Gründen ist es nicht Suchtproblematiken unsere Aufgabe, Hil- Martin Kainz allen Menschen sofort möglich, einen an- festellungen anzubieten, die die Arbeits- gebotenen Job auch anzunehmen. marktintegration erleichtern. Andreas Eilenstein im Gespräch mit Welche sind Ihre derzeitig besonderen Welche Projekte sind das? dem Leiter der Abteilung »Service Herausforderungen? Zum einen die Wiener Berufsbörse, die für für Arbeitskräfte« beim AMS Wien Die größte Herausforderung ist derzeit die Menschen mit Suchterkrankungen Einzel- hohe Zahl an Menschen, die keine Berufs- beratung, Gruppenberatung, vermittlungs- ausbildung und nur eine geringe Qualifika- orientierte Betreuung und Vernetzung an- tion haben. Bei ihnen geht es darum, sie zum bietet. Dann die Workshop-Angebote der nächsten sinnvollen Bildungsabschluss zu Beratungs- und Betreuungseinrichtung begleiten, denn ohne Ausbildung ist eine »Standfest« des Vereins Dialog. Und zum stabile Erwerbskarriere in Wien heute anderen die beiden sozialökonomischen kaum noch möglich. Dass die steigende Betriebe »fix und fertig« (Suchthilfe Wien) Arbeitslosigkeit, die hauptsächlich an der und »Gabarage«. noch immer unbefriedigenden Konjunk- tursituation hängt, dabei noch erschwerend Wo liegen die besonderen Herausforderungen in hinzukommt, versteht sich von selbst. der Vermittlung von suchtkranken Menschen? Welche Schwerpunkte gibt es, um Menschen Meist ist das Hauptproblem, dass die Men- die lange arbeitslos sind, wieder in den Arbeits- schen sehr lange weg waren vom Arbeits- markt zu integrieren? markt, und dass sie aufgrund ihres Krank- heitsbildes mitunter nicht von Anfang Unsere Schwerpunkte liegen einerseits bei an jene Leistung bringen können, die die den Sozialökonomischen Betrieben und Unternehmer erwarten. Wir müssen also Gemeinnützigen Beschäftigungsprojekten. eine Betreuungsstruktur errichten, die die Dort finden Menschen, die für den direk- Menschen Schritt für Schritt bei der Inte- ten Einstieg bei Betrieben des »ersten Ar- gration in den Arbeitsmarkt unterstützt. beitsmarkts« noch nicht fit genug sind, die Das ist mitunter auch mit Rückschlägen Möglichkeit, bei geförderten Projekten wie- verbunden. Unser Ziel ist es, so lange zu der Fuß zu fassen. Andererseits steht uns unterstützen, bis es klappt. auch die sogenannte Eingliederungsbeihil- fe zur Verfügung, also die Förderung von Beschäftigung und Tagesstruktur ist wichtig für Lohn- und Lohnnebenkosten bei Unter- Menschen. Gibt es Programme, die dies auch nehmen, die bereit sind, langzeitarbeitslose trotz Arbeitslosigkeit ermöglichen? 12 Wege aus der Sucht
Foto: AMS / Petra Spiola Ein breites Reha-Angebot soll auch Menschen mit körperlichen Problemen für das Erwerbsleben vorbereiten. Das ist ein Teil der Idee, nach der Sozialöko- Wien. Auf jeden Fall sollte aber erst ein neuer schaffen macht. Wir würden uns wün- nomische Betriebe arbeiten. Fast immer ist Job gefunden sein, bevor man den alten an schen, für alle ausreichend Beratungszeit das Setting so aufgestellt, dass das Beschäf- den Nagel hängt. zur Verfügung zu haben und auch mehr tigungsausmaß stufenweise erhöht wird mutige Unternehmen an der Hand zu ha- – je nachdem, welche Leistung die Person Welche Möglichkeiten gibt es, wenn Menschen ben, die bereit sind, Menschen trotz ihrer bereits zu bringen im Stande ist. Es soll sich mit körperlichen oder psychischen Problemen Einschränkungen als wertvolle Arbeits- niemand überfordert fühlen, aber die He- konfrontiert sind? kräfte wahrzunehmen. rausforderung muss als ausreichend groß empfunden werden, dass mit der Aufgabe Wie schon gesagt, gibt es für diesen Per- Wo stoßen Sie bzw. das AMS und seine Mit- auch das Selbstvertrauen wächst. sonenkreis beim AMS Wien eigene Bera- arbeiter an Grenzen? Bei den Kundinnen und tungs- und Betreuungsangebote. Wir ha- Kunden, im Arbeitsmarkt, in der Politik...? Was raten Sie Menschen, die an ihrer Arbeit ben ein breites Reha-Angebot, dessen Ziel keine Freude mehr finden, frustriert oder er- es ist, dass sich die Menschen wieder bereit Unsere Grenze ist, dass wir keine Arbeits- schöpft sind? Was haben diese Menschen für fühlen für das Erwerbsleben. plätze schaffen können – das können nur Möglichkeiten? die Unternehmerinnen und Unternehmer. Welche Visionen haben Sie? Wie kann Men- Was wir allerdings beitragen können, ist Geht es um gesundheitliche oder psychi- schen vom AMS in Zukunft vielleicht noch die bestmögliche Qualifizierung all jener, sche Probleme, steht das Angebot »fit2work« besser geholfen werden? die das wollen und sich zutrauen. Und wir zur Verfügung, in dem mit Case Managern können durch Beihilfen und Unterneh- an den individuellen Problemen gearbeitet Wir tun unser Bestes, um unseren Kundin- mensförderungen Anreize schaffen, dass wird. Wenn die Unlust am konkreten, der- nen und Kunden bei der Arbeitssuche zu Menschen von den Wiener Betrieben wie- zeitigen Job zu einem ständigen Begleiter helfen. Mitunter ist allerdings die knapp der eine Chance gegeben wird. wird, ist es oft einfach hilfreich, die Möglich- bemessene Zeit, die wir für jede und je- keiten zum Jobwechsel auszuloten. Dabei den einzelnen zur Verfügung haben, jene Andreas Eilenstein helfen die sechs Berufsinfozentren des AMS Schwierigkeit, die uns am meisten zu Leiter Öffentlichkeitsarbeit im Verein Grüner Kreis Wege aus der Sucht 13
ora @ labora E rst nach dem Sündenfall wird die Ar- Mittelalter-Historiker Jean Gimpel spricht. beit mühsamer,wenn es heißt: »So ist Allerdings muss festgehalten werden, dass verflucht der Ackerboden deinetwe- für die Stifter und die Mönche das Gebet im- gen. Unter Mühsal wirst du von ihm essen mer an erster Stelle blieb- aber eben unter alle Tage deines Lebens. … Im Schweiße dei- der Voraussetzung, dass die Arbeit im Ge- nes Angesichts sollst du dein Brot essen….« bet rückgebunden bleibt und es kein Gebet (Gen 3, 17+18). Diese unerfreulichen Folgen ohne Arbeit geben soll. des Sündenfalls haben irrtümlicherweise oft Auch hier wird die Ambivalenz der Ar- dazu geführt, die Arbeit insgesamt als etwas beit spürbar und die Lösung des Problems Negatives zu sehen. Auch außerhalb der bib- im Gebet angeboten. Dabei darf man den Be- lischen Spiritualität, nämlich in der antiken griff des Gebets auch ganz weit fassen und Kultur der Griechen und Römer, war die Ar- prinzipielles Denken, Philosophie, Medita- beit nur etwas für Sklaven, und nicht wohl tion…u.a.m. in diesen Zusammenhang stel- von Altabt Gregor angesehen. Bei dem Phänomen Arbeit gibt len – allerdings ohne das eigentliche Gebet es also immer ein »Entweder - Oder«. Diese aus den Augen zu verlieren! Wenn ich im Ambivalenz der Arbeit wird uns noch an an- Titel das lateinische Wort »et« durch »@« aus »Gott, der Herr, nahm also den Men- derer Stelle begegnen! der Computer-Sprache ersetze, so in der Ab- schen und setzte ihn in den Garten Jesus Christus, unser Herr, wird von sicht, klar zu machen, dass auch im 21. Jahr- seinem Ziehvater, dem Heiligen Zimmer- hundert die Probleme im Bereich »Arbeit« von Eden, damit er ihn bebaue und man Joseph erzogen, beruft unter anderen und »Wirtschaft« nur aus diesem Doppel- hüte.« (Gen 2, 15) So heißt es im besonders aber arbeitende Fischer in seine Prinzip heraus zu lösen sind. engere Nachfolge und spricht in vielen sei- Als der Heilige Papst Johannes Paul II zweiten Kapitel des Buches Genesis. ner Gleichnisse positiv von der Arbeit. Der seine Enzyklika »Über die Menschliche Ar- Also gab es auch schon im Paradies Heilige Apostel Paulus schließlich berichtet beit« am 15.Mai 1981 der Weltöffentlich- von sich selbst, dass er als Zeltmacher arbei- keit vorstellen wollte, wurde er von den den arbeitenden Menschen, ja sogar te. (Apg 18, 3) Schüssen das Attentäters Ali Agca nieder- den, der die Umwelt »hütet« und Von großer Bedeutung in diesem Thema gestreckt. Erst Monate später konnte er ist die Regel des Heiligen Benedikt, in der sein Werk »laborem exercens« tatsächlich damit positiv etwas Gutes leistet. Gebet und Arbeit (»ora et labora«) eng ver- präsentieren. Der 15. Mai wäre genau der bunden und auf einander bezogen werden. 90. Jahrestag der ersten päpstlichen Sozial- Dadurch kommt es zu einer »Heiligung« der enzyklika »rerum novarum« von Papst Leo Arbeit mit epochalen Folgen für ganz Euro- XIII gewesen. Damals, 1981, war die Kirche pa. Tausende von Klöstern der Benediktiner herausgefordert durch die sozialen Proble- und der Cistercienser entstehen und über- me der ersten industriellen Revolution des ziehen den ganzen Kontinent mit unzähli- 19. Jahrhunderts und die falschen Theorien gen schönen »Inseln«, die durch kompetente von Karl Marx und Friedrich Engels. Dem Arbeit der Mönche auf allen Ebenen immer Papst ging es im Gegensatz zu diesen Philo- wieder die Erinnerung an den verlorenen sophen nicht um »Das Proletariat« sondern »Garten von Eden« wach werden lassen. Die um den Menschen in der Arbeit, daher ist Klöster werden so zu »Musterbetrieben«, die auch der eigentliche Titel der Enzyklika von wertvolle Anregungen für Land und Stadt 1891 »Über die Arbeiterfrage«. der Umgebung darstellen. Dieser wirtschaft- Alle Päpste von Leo XIII bis Franziskus liche Aspekt hat sicher auch dazu beigetra- haben sich intensiv mit dem Menschen gen, dass diese Klöster für die Landesherren in der Arbeit beschäftigt und so wichtige und Fürsten sehr interessant wurden, und Sätze formuliert wie »Der Mensch ist das diese daher immer wieder motivierten, Neu- Subjekt der Wirtschaft« (also nicht Objekt!) gründungen zu fördern. Die Klöster sind und »Die Arbeit ist für den Menschen da und daher auch mit ihren Werkstätten, Mühlen nicht der Mensch für die Arbeit« und auch » und anderem mehr, Träger jener »Industriel- Ersetzen wir die Herrschaft der Maschinen len Revolution des Mittelalters«, von der der über den Menschen durch die Herrschaft der 14 Wege aus der Sucht
Menschen über die Maschinen!« Schließlich freien Tagen, die eigentlich seiner Erholung der Mensch das wertvollste »Kapital« in kam von Papst Franziskus die Aussage »Die- dienen sollten. Ich beobachte immer mehr seinem Betrieb sei, mag es grade noch an- se Arbeit tötet!«, gemeint ist unmenschliche junge Menschen, vor allem im sogenannten gehen. Wenn aber damit unterstellt wird, Arbeit. Finanzdienstleistungs-Gewerbe, die so in dass der arbeitende Mensch auch nur ein Aber das wichtigste Dokument in un- ihre höchst triviale Arbeit »verliebt« sind, »Produktionsfaktor« unter anderen sei, ist serem Zusammenhang ist wohl doch die dass sie zu einem entspannenden Privat- das unakzeptabel! schon erwähnte Enzyklika »laborem exer- leben keine Zeit mehr haben und so keine All das wird theologisch großartig in cens«, in der Johannes Paul II festhält, dass Freundschaften mehr pflegen können und einer Stelle aus Nummer 25 der Enzykli- der Mensch ein Recht darauf hat, sich in sei- erst recht nicht Beziehungen zu Menschen ka »laborem exercens« formuliert: »Die Be- ner Arbeit zu verwirklichen. Das bedeutet, des anderen Geschlechts aufbauen, die dann schreibung des Schöpfungswerkes, die wir dass er abgesehen davon, dass er den Unter- auch zu Ehen und Familien führen könnten. bereits im ersten Kapitel des Buches Gene- halt für sich und seine Familie verdient, auch Es könnte sein, dass dieses Phänomen sis finden, ist zugleich in einem gewissen Freude an dieser Arbeit findet, sie gestalte- geistesgeschichtlich aus der verfehlten Deu- Sinn das erste »Evangelium der Arbeit«; risch mitträgt und so zufrieden, ja sogar stolz tung des Jahres 1989 kommt, wenn gesagt zeigt sie doch auf, worin deren Würde be- auf seine Leistung sein darf. Allerdings darf wird: »Jetzt hat der Kapitalismus endgültig steht: sie lehrt, daß der Mensch durch seine auch kein unmenschlicher Leistungsdruck gesiegt«. Das ist aus mehreren Gründen Arbeit Gott, seinen Schöpfer, nachahmen auf ihn ausgeübt werden, und der Arbeits- ganz falsch; es war eine selbstverschuldete soll, da er – und nur er allein - mit dem Privi- platz muss entsprechend gestaltet sein, am Niederlage und niemandes Sieg. Schon gar leg der Ebenbildlichkeit ausgestattet ist. Der besten mit seiner, des Menschen, Mitwir- sollten wir eine Wirtschaftsform, die den Mensch soll Gott nachahmen sowohl in der kung. Auf diesem Weg kommt Johannes Menschen nicht voll ins Zentrum stellt, als Arbeit als auch in der Ruhe, da Gott selbst Paul auch zu einem »erweiterten Arbeits- die Lösung aller Probleme in der Zukunft an- ihm sein eigenes schöpferisches Tun in der begriff«, bei dem die Arbeit der Künstler, der sehen. Der Leistungsdruck von außen sieht Form der Arbeit und der Ruhe vor Augen Hausfrauen, der Manager und vieler, vieler den Menschen nicht als Subjekt, sondern als führen wollte.« anderer, so vor allem auch der behinderten »Kapital«, das »eingesetzt« und »verbraucht« Menschen eingeschlossen ist und nicht nur wird. Und wenn sich der Mensch selbst un- Altabt Gregor Henckel Donnersmarck die Arbeit abhängiger Lohnempfänger von ter einen unmenschlichen Leistungsdruck 1943 in Schlesien geboren Betrieben. stellt, sieht er sich nicht mehr als Gottes 1964-1969 Hochschule für Welthandel, Wien Die schon mehrmals erwähnte Ambiva- Ebenbild, sondern er verfällt einer Sucht,er 1978-1986 Philosophisch-Theologische Hoch- lenz der Arbeit und der aus ihr entstehenden wird »workoholic« und wird vielleicht schule Heiligenkreuz (Mag. theol.) Leistung kann aber auch dazu führen, dass ärztliche Hilfe brauchen. Der andere Weg 1982 Priesterweihe zu Heiligenkreuz der arbeitende Mensch nicht von außen ei- ist der benediktinische, auch für Menschen, 1999 Wahl zum 67. Abt des Stiftes Heiligenkreuz nem zu starken »Leistungsdruck« unterwor- die nicht im Kloster leben: ora @ labora, aus 2003 - 2007 Abtpräses der Österreichischen fen wird, sondern sich selbst diesen schafft dem Gebet, der Meditation, aus prinzipiel- Zisterzienserkongregation und darunter zwar leidet, aber es selbst gar lem Denken sich selbst neu definieren und 2007 übernimmt Abt Gregor die Verantwortung für nicht merkt, sondern sich selbst zu wichtig seinen menschlichen Standpunkt finden. das »Überdiözesane Priesterseminar Leopoldinum nimmt und seinem »Unabkömmlichkeits- Der Unternehmer sollte seinerseits vor- Heiligenkreuz« Wahn« erliegt. Er macht dann keinen Urlaub sichtig sein im Gebrauch des Wortes »Hu- Seit 2011 verbringt Altabt Gregor einen aktiven mehr, arbeitet auch am Sonntag und jenen mankapital«. Wenn er damit meint, dass Ruhestand mit vielen Vorträgen Fotos: Susanne Hammerle Wege aus der Sucht 15
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