ORTSKUNDIG MÖGLICHKEITSRÄUME ALTERSINKLUSIVER KULTURARBEIT - DAS KUBIA-MAGAZIN / 21

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ORTSKUNDIG MÖGLICHKEITSRÄUME ALTERSINKLUSIVER KULTURARBEIT - DAS KUBIA-MAGAZIN / 21
DAS KUBIA-MAGAZIN / 21

                            ORTSKUNDIG
MÖGLICHKEITSRÄUME ALTERSINKLUSIVER KULTURARBEIT
ORTSKUNDIG MÖGLICHKEITSRÄUME ALTERSINKLUSIVER KULTURARBEIT - DAS KUBIA-MAGAZIN / 21
DAS KUBIA-MAGAZIN / 21
INHALT

                                                      25
                                                      Mehr als Haus-Aufgaben
                                                      Baukultur betrifft uns alle
                                                      Melanie Brans

                                                      29
                                                      Im Karussell der Erinnerung
                                                      Ein Erzähl- und Videoprojekt mit Menschen
                                                      mit Demenz
                                                      Imke Nagel

                                                      32
                                                      Theater im Kopf(hörer)
03                                                    Eine alternative Stadtraum-Erkundung in Essen
ENTRÉE                                                Susanne Lenz

04                                                    35
FOYER                                                 Lieblingsstück: Mein Haus
Türen auf im Seekabelhaus!
Feierliche Eröffnung im Kölner Clouth Quartier        36
Janine Hüsch                                          Ein erspielter Möglichkeitsraum
                                                      Die Kugelmusik-Performance von Takako Saito
07                                                    in der Kunst-Station Sankt Peter
Vielfalt als Normalität verstehen und gestalten       Bernd König
Ein Diversitätskonzept für die Kultur(-förderung)
in Nordrhein-Westfalen                                39
Isabel Pfeiffer-Poensgen                              ATELIER
                                                      Praxistipps // Veranstaltungen // Projekte //
11                                                    Ausstellung // Neuerscheinungen
Neues von kubia
Weiterbildung // Förderung // Veröffentlichungen //   43
Netzwerke und Kooperationen // Veranstaltung          GALERIE
                                                      Wie und wo wollen wir im Alter leben?
15                                                    Ein Gespräch mit dem frankokanadischen Theater-
SALON                                                 macher François Grisé über das »Forum Habitats«
Kreative Neuvermessungen                              Almuth Fricke
Kulturelle Alters- und Generationenbildung
in Bewegung                                           47
Miriam Haller                                         Kino auf Wanderschaft
                                                      Die Kulturgeragogin Angelika Speigl
20                                                    Miriam Haller
Dritte Orte
26 Experimentierräume für ein                         50
intergenerationelles Miteinander                      LOUNGE
Klaus Kaiser                                          Lesetipp: Die Graphic Novel »Kusama«
                                                      von Elisa Macellari
24                                                    DVD-Tipp: Die Böhms – Architektur einer Familie
Es wird einmal gewesen sein
Zu den Fotografien von Martin Rosswog                 52
in diesem Heft                                        IMPRESSUM

kubia – Kompetenzzentrum für Kulturelle Bildung im Alter und Inklusion: www.ibk-kubia.de
ORTSKUNDIG MÖGLICHKEITSRÄUME ALTERSINKLUSIVER KULTURARBEIT - DAS KUBIA-MAGAZIN / 21
E N T R É E // 03

ENTRÉE

Liebe Leserinnen und Leser,

wenn die Pandemie zu etwas Gutem geführt haben sollte, dann ist es die Rückbesinnung auf die
existenzielle Bedeutung des Raums. Kulturelle Angebote bewegten sich in den digitalen wie in
den öffentlichen Raum hinein. Grund genug, die Kulturräume+ dem Thema zu widmen, dem
das Magazin seinen Namen verdankt.

Im Foyer begrüßt Sie die Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen
Isabel Pfeiffer-Poensgen. Sie erläutert das neue Diversitätskonzept für die Kultur(-förderung) in
Nordrhein-Westfalen, das dazu beiträgt, dass mehr Kunst- und Kulturräume tatsächlich allen
Menschen offenstehen. Teil des Konzepts ist der Fonds Kulturelle Bildung im Alter, dessen jähr-
liche Vergabe seit Neuestem ganz in den Händen von kubia liegt.

Im Salon erkundet kubia-Mitarbeiterin Miriam Haller, wie uns Räume jung oder alt machen
und wie die Kulturelle Bildung zu einer kreativen Neuvermessung des Alter(n)s im intergenera-
tionellen Austausch beitragen kann. Klaus Kaiser, Parlamentarischer Staatssekretär im Kultur-
ministerium des Landes, zeigt, wie das Förderprogramm »Dritte Orte« Stätten auf dem Land
schafft, an denen innovative Ideen für intergenerationelles Kulturerleben umgesetzt werden.
Wie mit Bildungsangeboten die Wirkung von Baukultur auf unser Zusammenleben ausgelotet
werden kann, beschreibt Melanie Brans von der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen.
Setzen Sie sich mit kubia-Mitarbeiterin Imke Nagel auf einen der Karussellstühle einer Audio-
Video-Installation, die das Künstlerteam um Helen Brecht gemeinsam mit vier Frauen mit
Demenz geschaffen hat. Oder begeben Sie sich mit Susanne Lenz auf eine alternative Stadt-
raum-Erkundung in Essen. Wenn Ihnen der Sinn nach klangvollem Spiel steht, lassen Sie sich
vom Musikwissenschaftler Bernd König in den Klangraum der Kugelmusik-Performance von
Takako Saito in der Kölner Kunst-Station Sankt Peter entführen.

In der Galerie schaut kubia-Leiterin Almuth Fricke über den großen Teich und unterhält sich
mit dem frankokanadischen Theatermacher François Grisé über das »Forum Habitats«, einem
deutsch-kanadischen Think Tank zum Thema »Leben im Alter«. Wie das »Wanderkino« die
Leinwand zu jenen Seniorinnen und Senioren bringt, die selbst nicht mehr ins Kino gehen
können, erfahren Sie im Porträt der Kulturgeragogin Angelika Speigl.

Wir danken dem Fotografen Martin Rosswog, dessen Interieurs uns Einblicke in Wohnräume im
Bergischen und Oberbergischen gewähren, die Geschichten ihrer Bewohnerinnen und Bewohner
zu erzählen scheinen.

Der französische Schriftsteller Georges Perec schreibt: »Leben heißt, von einem Raum zum
anderen gehen und dabei so weit wie möglich zu versuchen, sich nicht zu stoßen.« Mögen orts-
kundige Kunst- und Kulturschaffende Sie begleiten und Ihnen ungeahnte Möglichkeitsräume
Kultureller Bildung erschließen, wünscht

das kubia-Team
ORTSKUNDIG MÖGLICHKEITSRÄUME ALTERSINKLUSIVER KULTURARBEIT - DAS KUBIA-MAGAZIN / 21
…
                                  en Gä ste
                      neugierig
         Die ersten
                                                                     Konfett ik anonen
                                                                                         zu m Countdow n:
                                                                     Die Ge schäft sleitu                      Das Seek abelhau s
                                                                                          ngen der Mietergem                      ist eröffnet!
                                                                     Jan Hochk am mer                             einschaft:
                                                                                         und Jérôme Lenz en
                                                                    vom BuT, Al muth                              vom KIK, Elisabe
                                                                                         Fricke von kubia so                        th Ostendor p
                                                                    zent ru ms Florian                           wie vom Team de s
                                                                                        Mor tsiefer, jfc-L eit                       jfc Med ien-
                                                                    Stellvertreterin Ni                        erin Gerd a Sieben
                                                                                        na St apelfeldt (v. l.                    und ih re
                                                                                                                n. r.)

                                                                                                                                          s- und Hof-
                                                                                                                         ku lele: Die Hau
Bewegende Eindrücke auf dem Stuhlka russell in                                                           Live au f der U                     ihrer Musik
                                                                                                              ik antin A nn ie We sorg t it
                                                                                                                                        m
der audio-visuellen Installat ion der Autorin Helen                                                      mus
                                                                                                                          ung.
Brecht                                                                                                   fü r gute St im m

                       Wi llkom men im neuen
                                              kubia-Zuhause!
                       Almuth Fricke (m.), kub
                                               ia-L eiterin, beg rüßt
                       die Gä ste.

                                                                                                                                                a nna Held
                                                                                                                      ie T  ä n  z erinnen H a rbeiten
                                                                                                                  :D                             eo
                                                                                                     lä ru ngen                     tieren Vid                 ne -
                                                                                        Liebe serk         li n S im on prä sen            E !« d e s interge
                                                                                                   C  a ro                         PR  IM                        n.
                                                                                        (l.) u n d                   be is t  ...                    etabo e
                                                                                                                                                           li st
                                                                                            r P ro d u k tion »Lie         il k e  Z . u nd d ie m
                                                                                         zu                         le s S
                                                                                                      n Ensemb
                                                                                         rationelle
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s der
                                   beginn au                                                                      Dr. Hildegard Kaluza, Ministerium für
           ü n sc h e zu m Neu           rg e rm eister                                                           Kultur und Wissenschaft des Landes
 Glück w            a lf H e in e n, B ü
               r. R
 Politi k : D                                             Dr. Thomas Wecke
                                                                                lmann, Ministerium
                                                                                                                  Nordrhein-Westfalen
     S  ta d t Köln                                       Kinder, Fa m ilie, Fl                        fü r
 der                                                                            ücht linge und Integ
                                                          de s La ndes Nord rh                       rat ion
                                                                               ein-West falen

  Raum für Sound: das neue Tonstudio des
  jfc Medienzentrums im Erdgeschoss
                                                                                Trad it ion
                                                                                            elle
                                                                               Te st lau f m Werk z euge u nd m
                                                                                             it V R u nd               oderne To
                                                                               (ku rz: Fa                 3 -D im F                ols –
                                                                                           bL ab) de s                abric ation
                                                                                                       jfc Med ie                 L aboratory
                                                                                                                  n z entr u m
                                                                                                                               s

TÜREN AUF IM SEEKABELHAUS!
FEIERLICHE ERÖFFNUNG DES NEUEN HAUSES DER KULTURELLEN BILDUNG
IM KÖLNER CLOUTH QUARTIER

Am 20. August 2021 feierte kubia gemeinsam mit der kreativen Hausgemeinschaft – dem jfc Medienzentrum, dem
Bundesverband Theaterpädagogik (BuT) und dem Kölner Institut für Kulturarbeit und Weiterbildung (KIK) – die
Eröffnung der barrierefreien Räume im Seekabelhaus, dem neuen Domizil auf dem ehemaligen Fabrikgelände der
Clouth Werke. Wo früher die ersten transatlantischen Seekabel zur Telegrafen- und Fernsprechkommunikation zwi-
schen Europa und Amerika produziert wurden, geht es auch heute darum, Menschen zusammenzubringen. So steht
das Seekabel symbolisch für das, was die Mieterinnen und Mieter in diesem Hause eint: die verbindende Kraft der
Kulturellen Bildung für Menschen unterschiedlicher Lebensalter, Herkünfte und Voraussetzungen.
   Die Eröffnungsveranstaltung mit prominenten Gästen aus Politik und Kultur, Fachkolleginnen und Kooperati-
onspartnern gab schon einen Vorgeschmack auf das zukünftige Wirken an diesem kreativen Ort. Das Programm bot
Live-Musik, Filmpräsentationen, Video- und Audioinstallationen, 3-D-Druck, Robotik, VR und einiges mehr. jh
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REMSHAGEN
Deutschland, 1991
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FOYER

VIELFALT ALS NORMALITÄT
VERSTEHEN UND GESTALTEN
EIN DIVERSITÄTSKONZEPT FÜR DIE KULTUR(-FÖRDERUNG)
IN NORDRHEIN-WESTFALEN
Von Isabel Pfeiffer-Poensgen

Dass die Gesellschaft in Nordrhein-Westfalen vielfältig ist, daran besteht kein Zweifel. Menschen un-
terschiedlichen Alters und Geschlechts, unterschiedlicher Herkunft, Religion und sexueller Orientierung
prägen das gesellschaftliche, kulturelle und politische Leben. Eine in allen gesellschaftlichen Bereichen
akzeptierte und aktiv gelebte Selbstverständlichkeit ist Diversität aber (noch) nicht. Dem gilt es, auch
kulturpolitisch, zu begegnen.

Das betrifft eben auch den Kunst- und Kulturbe-       Entwicklungsmaßnahmen zu ergreifen. Denn Di-
reich, der zwar wichtiges Verhandlungsmedium für      versitätsentwicklung im Kunst- und Kulturbereich
diesen Diskurs ist, in seinen Strukturen aber bis-    ist weit mehr als die Umsetzung rechtlich längst
weilen hinter seinem – und unserem – Anspruch         verbindlicher Vorgaben. Diversität schafft Impulse
zurückbleibt. Denn es steht außer Frage, dass Teile   für Perspektivwechsel und Erneuerung und stellt in
der Bevölkerung im Publikum, in den Programmen        jeder Beziehung einen Gewinn für den Kunst- und
und in der Gruppe der Akteurinnen und Akteure         Kulturbereich dar. Eine Öffnung des Publikums ist
des Kulturbetriebs bislang unterrepräsentiert sind.   zudem in wirtschaftlicher und sozial-integrativer
   Laut Teilhabebericht des Landes Nordrhein-         Hinsicht relevant, stützt sie doch die Legitimation
Westfalen aus dem Jahr 2020 nehmen beispiels-         des öffentlich geförderten Kultursektors.
weise Menschen mit einer Behinderung prozen-
tual deutlich weniger an kulturellen Angeboten teil      VERSTÄNDNIS DES HANDLUNGSFELDS
und werden seltener künstlerisch aktiv als Men-
schen ohne Behinderung (vgl. MAGS NRW 2020,           Um der Tragweite des Themas gerecht zu werden
S. 190-193). Selbiges gilt für Menschen mit Mi-       und kontinuierliche und nachhaltige Arbeit zu er-
grationsgeschichte (vgl. Allmanritter 2017, S. 5).    möglichen, hat das Ministerium für Kultur und
Viele Kulturinstitutionen bewerten Diversität zwar    Wissenschaft im vergangenen Jahr ein neues Referat
als wichtiges Handlungsfeld für die Zukunft und       geschaffen, das damit betraut ist, ein Gesamtkonzept
initiieren überzeugende Projekte, in der konkre-      zur Stärkung von Diversität und Teilhabe in Kunst
ten Umsetzung bleiben aber vor allem strukturelle     und Kultur zu entwickeln und umzusetzen. Dem
Maßnahmen zurück.                                     ganz bewusst beteiligungsorientierten Entwick-
   Vor diesem Hintergrund ist die Landesregie-        lungsprozess lag die Haltung zugrunde, dass Diversi-
rung angetreten, das Thema – auch – kulturpoli-       tät als »Normalzustand« und damit als Querschnitts-
tisch stärker in den Blick zu nehmen und konkrete     thema in allen Bereichen der Kulturförderung und
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           Landesförderung für Kulturelle Bildung im Alter: In »Wir hatten die Zeit unseres Lebens« von Stefan Mießeler bieten
           Seniorinnen und Senioren aus Bielefeld eine perfomative Rückschau.

           des Kulturbetriebs verstanden werden muss. Das                maßgeblich darauf angelegt, zwei parallele Ent-
           im Juni 2021 dem Ausschuss für Kultur und Me-                 wicklungsprozesse anzustoßen und voranzutrei-
           dien des nordrhein-westfälischen Landtags vorgeleg-           ben: Es integriert einerseits kurz- und mittelfristige
           te Konzept verfolgt im Wesentlichen die folgenden             Maßnahmen, die auf bislang unterrepräsentierte
           Ziele:                                                        Zielgruppen fokussiert und zugeschnitten sind.
           // Zugangsbarrieren in bestehenden Strukturen, so             Andererseits wird eine Bewusstseinsveränderung
              auch in Programmen und Verfahren der Kultur-               in den etablierten Strukturen (reguläre Förderpro-
              förderung, sollen abgebaut werden. Bislang                 gramme, Einrichtungen, Kulturangebote) initiiert,
              unterrepräsentierte künstlerische Arbeit und               die eine Sensibilisierung für das Thema und lang-
              Potenziale sollen gefördert und sichtbar gemacht           fristige strukturelle Veränderungen bewirken soll.
              werden.
           // Ermöglichungsstrukturen und Qualifizierungs-               GESAMTKONZEPT DIVERSITÄT UND TEILHABE
              angebote sollen unter Berücksichtigung der
              »fünf Ps« (Publikum, Programm, Personal, PR                Das Gesamtkonzept spannt einen Handlungs-
              und Partner) geschaffen werden.                            rahmen auf, formuliert die unterschiedlichen As-
           // Diversitätssensible Veränderungsprozesse in Ver-           pekte, Anforderungen und Bedarfe und gestaltet
              waltung, Verbänden und Institutionen sollen                die entsprechenden Maßnahmen transparent und
              unterstützt werden.                                        nachhaltig. Dabei wurden vorhandene Expertise
                                                                         und Erfahrung eingebunden. Denn in Nordrhein-
           Rund drei Millionen Euro sind für die Umsetzung               Westfalen gibt es zahlreiche Kulturakteurinnen
           des Konzepts vorgesehen, davon eine Million aus               und Kulturakteure, die über vielfältige Erfahrun-
           der Stärkungsinitiative Kultur. Das Konzept ist               gen, sei es im Feld der Interkultur oder im Bereich
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Intergenerationell und inklusiv arbeitet die Kölner Choreografin Silke Z. in »WIR. Der empathische Körper Vol. 1«.

Inklusion und Alter, verfügen. Hier war und ist das         auch Erstantragstellerinnen und -antragsteller an.
Kompetenzzentrum für Kulturelle Bildung im Al-              Es können aber auch Kultureinrichtungen oder
ter und Inklusion (kubia) ein wichtiger Partner für         -verbände Anträge stellen, die in Kooperation mit
uns.                                                        unterrepräsentierten Künstlerinnen und Künst-
   Das Gesamtkonzept zur Stärkung von Diversität            lern Projekte durchführen und damit eine öffent-
und Teilhabe in Kunst und Kultur nimmt selbst-              lichkeitswirksame Plattform stellen bzw. Professio-
verständlich auch Fragen des Zugangs und der Teil-          nalisierung initiieren.
habe von Älteren und Menschen mit Behinderung
in den Blick und beinhaltet neue oder neujustierte          // Neue Zugänge –
Förderprogramme.                                               Ergänzungsmittel Barrierefreiheit
                                                            Ein Hemmnis bei der Durchführung inklusiver
// Neue künstlerische Perspektiven –                        Kulturprojekte stellen oftmals die in der Regel
   Der Diversitätsfonds                                     höheren Kosten für inklusive Projekte und An-
Mit dem Diversitätsfonds steht ab sofort ein im             gebote dar – in der Produktion ebenso wie in der
Rahmen des Gesamtkonzepts neu entwickeltes                  Rezeption. Diese werden von den Mitteln der re-
Förderprogramm zur Verfügung. Ziel des mit                  gulären Kulturförderung häufig nicht abgedeckt.
einer Million Euro ausgestatteten Fonds ist es,             Das Diversitätskonzept reagiert darauf mit den
künstlerische Perspektiven zu fördern, die bisher           neu ins Leben gerufenen »Ergänzungsmitteln Bar-
unzureichend in der Kunst- und Kulturszene in               rierefreiheit«. Diese können sowohl bei dem Di-
Nordrhein-Westfalen repräsentiert sind – insbe-             versitätsfonds als auch bei dem Förderprogramm
sondere im Bereich der freien Künste. Die Förde-            der Regionalen Kulturförderung im Rahmen des
rung ist spartenoffen angelegt und spricht explizit         regulären Antragsverfahrens zusätzlich beantragt
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           »Silver Boom«, eine choreografische Intervention mit Frauen über 60 in Detmold, eröffnete eine poetische Lücke
           und neue Sichtweisen auf die Stadt, die Menschen und das Alter.

           werden. Die Ergänzungsmittel sollen Impulse und             und es ist elementar, dass dieser Raum allen Men-
           Anreize schaffen, Kulturangebote barrierearm zu             schen offensteht. Dafür bedarf es einer größeren
           konzipieren und umzusetzen. Sie dienen auch dazu,           Sichtbarkeit vielfältiger künstlerischer Perspekti-
           Erkenntnisse über Herangehensweisen und Ansätze             ven, einer stärkeren Öffnung von Strukturen und
           für ein barrierefreies Kunst- und Kulturangebot zu          mitunter einer Haltungsänderung des etablierten
           sammeln (»Best Practice«).                                  Kulturbetriebs. Mit dem Diversitätskonzept und
                                                                       den angesprochenen Maßnahmen wollen wir die-
           // Kulturelle Bildung im Alter                              sen Veränderungsprozess unterstützen.
           Das neu justierte und durch kubia mit Landesmit-
                                                                       DIE AUTORIN:
           teln organisierte Förderprogramm »Kulturelle Bil-           Isabel Pfeiffer-Poensgen ist Ministerin für Kultur und
           dung im Alter« unterstützt Maßnahmen, die Kul-              Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.
           turelle Bildung für und mit ältere(n), alte(n) und
                                                                       LITERATUR:
           hochaltrige(n) Menschen mit und ohne Einschrän-             Vera Allmanritter (2017): Interkulturelle Teilhabe.
           kungen entwickeln und stärken. Die Maßnahmen                   Langfassung. Institut für Kulturpolitik (IfK) der
           sollen zur Teilhabe Älterer am gesellschaftlich-               Kulturpolitischen Gesellschaft e. V. www.mkw.nrw/
                                                                          sites/default/files/documents/2018-10/07_
           kulturellen Leben, zu deren Engagement in der
                                                                          allmanritter_interkulturelle_teilhabe_netz.pdf.
           Kultur und einem verbesserten Zugang zu Kunst               MAGS NRW (Ministerium für Arbeit, Gesundheit und
           und Kultur in unterschiedlichen Sparten und                    Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen) (2020):
           Formaten beitragen. Sie richten sich besonders an              Teilhabebericht Nordrhein-Westfalen. Bericht zur
                                                                          Lebenssituation von Menschen mit Beeinträchtigungen
           Personen und Gruppen, die bisher gar nicht oder
                                                                          und zum Stand der Umsetzung der UN-Behinderten-
           wenig an Kunst und Kultur teilhaben.                           rechtskonvention. www.mags.nrw/sites/default/files/
                                                                          asset/document/teilhabebericht_2020_nrw_
           Die vergangenen pandemiegeprägten Monate ha-                   barrierfrei.pdf.

           ben deutlich gezeigt, wie wesentlich Kunst und              WEITERE INFORMATIONEN:
           Kultur als gesellschaftlicher Begegnungsraum sind           www.ibk-kubia.de/foerderung
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NEUES VON KUBIA

WEITERBILDUNG

KULTURKOMPETENZ+                                                  Die Veranstaltung findet in Kooperation mit Kultur-
PRAXISWISSEN FÜR KULTURELLE BILDUNG                          liste Düsseldorf e. V. statt. Anmeldung ist erforderlich bis
IM ALTER UND INKLUSION                                       24. November 2021.
Programmvorschau                                             Dozentin: Judith Eilers, freie Mitarbeiterin der Kultur-
Coronabedingt terminiert kubia seine Veranstaltungen         liste Düsseldorf e.V.
weiterhin kurzfristig. An dieser Stelle finden Sie einen     KUNST KOMMT NACH HAUSE:
Überblick über geplante Workshops und Seminare un-           ARTOTHEK TRIFFT ALTENARBEIT
serer Qualifizierungsreihe für die kommenden Monate:         Workshop
ORANGENSAFT FÜR DIE OHREN:                                   7. Dezember 2021 // 10.00 bis 16.30 Uhr //
PERSÖNLICHE MUSIK-ALBEN FÜR MENSCHEN                         artothek // Köln
MIT DEMENZ                                                   In Artotheken kann man für kleines Geld Kunst auslei-
Präsentation und Gespräch                                    hen und sie eine Zeit lang Teil des Alltags werden lassen.
23. November 2021 // 14.00 bis 15.30 Uhr // online           Für Kunst- und Kulturgeragoginnen, Kunstvermittelnde
In der Arbeit mit Menschen mit Demenz können persön-         sowie Einrichtungen der offenen Altenarbeit und Pflege
liche Musik-Alben eine wertvolle Ergänzung und Stütze        eröffnet die Kunst zum Mitnehmen Möglichkeiten für
im Alltag sein. Wichtig ist dabei – neben methodisch         partizipative Projekte.
durchdachter Begleitung – die sorgfältige, auf die Einzel-       Der Tag lädt ein, die Kölner artothek und ihre Mög-
person abgestimmte Auswahl der Lieder.                       lichkeiten kennenzulernen, Methoden zu erproben und
    Der Leiter der Schweizer Fachstelle Incanto, Nico        Vermittlungs- und Begegnungsformate zur geliehenen
Meier, stellt Erkenntnisse über die Wirkung vom Einsatz      Kunst im eigenen Haus zu entwickeln.
individueller Musik-Alben vor. Die Effekte Glück im          Dozentinnen: Astrid Bardenheuer, künstlerische Leiterin
Moment, soziale Verbindung, Identitätsförderung sowie        der Kölner artothek, und Imke Nagel, Bildungsreferentin
emotionales Gedächtnis stehen im Zentrum und wer-            bei kubia
den anhand eindrücklicher Videobeispiele aus der Praxis
                                                             KONTAKT:
illustriert.
                                                             Imke Nagel, nagel@ibk-kubia.de
Dozent: Nico Meier, Musikgeragoge, Domicil
Kompetenzzentrum Demenz Bethlehemacker, Bern                 WEITERE INFORMATIONEN
                                                             ZUM WEITERBILDUNGSPROGRAMM:
BARRIEREFREIHEIT: WAS DIE KULTUR
                                                             www.ibk-kubia.de/qualifizierung
VOM SPORT LERNEN KANN
Präsentation und Gespräch
                                                             WEITERBILDUNG KULTURGERAGOGIK
2. Dezember 2021 // 10.30 bis 13.00 Uhr //
                                                             Kurs Nr. 9 in Münster gestartet
Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen K20 (Arena) //
Düsseldorf                                                   Im September dieses Jahres ist der neunte Kurs der Wei-
»Kultur für alle« ist das Leitprinzip der gemeinnützi-       terbildung Kulturgeragogik mit 16 Teilnehmenden und
gen Kulturliste Düsseldorf, die seit 2012 Menschen mit       einer Intensivkurswoche in der Akademie Franz Hitze
geringen finanziellen Mitteln in Düsseldorf und Umge-        Haus in Münster gestartet. In Zusammenarbeit mit
bung den kostenfreien Besuch von Kultur- und Sportver-       der FH Münster bietet kubia diesen berufsbegleitenden
anstaltungen ermöglicht.                                     Hochschulzertifikatskurs für Kulturschaffende, Künst-
    Um Gäste mit Seh-, Hörbehinderungen und Mo-              lerinnen und Künstler sowie Fachkräfte aus der Sozialen
bilitätseinschränkungen besser zu orientieren, hat die       Arbeit und Pflege an. In einer einjährigen Fortbildung
Düsseldorfer Kulturliste einen Wegweiser Barrierefrei-       erhalten die Teilnehmenden ein fundiertes Rüstzeug
heit erstellt. Auf über 80 Seiten werden Informationen zu    für den beruflichen Alltag bzw. für die Berufsfeld-
Barrieren und Barrierefreiheit an rund 40 Düsseldorfer       erweiterung, um Kulturangebote für Ältere in künstleri-
Kultureinrichtungen zusammengetragen. Eine Erkennt-          schen, kulturgeragogischen oder sozialen Berufsfeldern
nis der Arbeit am Wegweiser ist, dass der Sportbereich       durchzuführen. Der nächste Zertifikatskurs beginnt im
aktuell den Kunst- und Kulturbereich in Sachen Barrie-       November 2022.
refreiheit überflügelt.                                      WEITERE INFORMATIONEN:
                                                             www.kulturgeragogik.de
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           FÖRDERUNG

           FONDS KULTURELLE BILDUNG IM ALTER                          NAKTEF. VERDREHTE FAKTEN
           Geförderte Projekte aus dem Jahr 2021                      ODER DIE NACKTE WAHRHEIT
           Im Juni 2021 hat kubia den Fonds Kulturelle Bildung im     Werkhaus, Krefeld
           Alter für das Jahr 2022 ausgeschrieben. 69 Kulturschaf-    Live-Video-Performance // 28. November 2021 //
           fende, Kulturinstitutionen sowie Einrichtungen der Sozi-   Südbahnhof, Krefeld
           alen Altenarbeit aus Nordrhein-Westfalen haben sich da-    Weitere Informationen:
           rauf um die Förderung eines partizipativ-künstlerischen    www.brennpunktkrefeld.de
           Projekts beworben.                                         GESCHICHTSORT JOHANNISKIRCHHOF.
               Der Fonds ersetzt den Förderfonds Kultur & Alter.      800 JAHRE GESCHICHTE UND GESCHICHTCHEN
           Ebenso wie sein Vorgänger unterstützt er modellhafte       Kulturzentrum BÜZ, Minden
           Projekte Kultureller Bildung in Nordrhein-Westfalen mit    Filmpremiere // 17. Dezember 2021, 15.00 bis 17.00 Uhr //
           älteren, alten und hochaltrigen Menschen aus Mitteln des   Kulturzentrum BÜZ, Minden
           Ministeriums für Kultur und Wissenschaft Nordrhein-        Weitere Informationen:
           Westfalen.                                                 www.buezdigital.de
               Im Folgenden finden Sie Aufführungen und Workshops
                                                                      ZUHAUSE
           der geförderten Projekte im Jahr 2021:
                                                                      Katholische Familienbildungsstätte Ibbenbüren und
           POLIS. DIE STIMMEN DER STADT                               Erzähltheater Osnabrück
           VolXbühne – Ensemble der Generationen am Theater           Trickfilmpräsentation // 3. Dezember 2021, 16.00 Uhr //
           an der Ruhr, Mülheim an der Ruhr                           Katholische Familienbildungsstätte Ibbenbüren
           Premiere // 11. November 2021, 20.00 Uhr //                Weitere Informationen:
           Alte Feuerwache, Köln                                      www.erzaehltheater-os.de
           Weitere Vorstellungen // 27. bis 29. Januar 2022,
                                                                      WHEN YOU’RE SMILING …
           19.30 Uhr // VolXbühne am Theater an der Ruhr,
           Mülheim an der Ruhr                                        Konzerthaus Dortmund
           Weitere Informationen:                                     Community Music-Workshops // bis 15. Dezember 2021
           www.volxbuehne.de                                          // montags 10.00 bis 11.30 Uhr // Konzerthaus Dortmund
                                                                      // montags 13.00 bis 14.30 Uhr // Café 103, Dortmund
           THE DISTANT BODY. TANZLABORE                               // zweimal monatlich mittwochs 15.00 bis 17.30 Uhr //
           FÜR DIE GENERATION 60+                                     Café Aufbruch, Dortmund-Hörde
           Silke Z. resistdance, Köln                                 Weitere Informationen:
           Workshops // 15. bis 20. November 2021 //                  www.konzerthaus-dortmund.de/communitymusic
           13. bis 18. Dezember 2021 // 10.00 bis 16.00 Uhr //
                                                                      2186. NEMESIS
           ehrenfeldstudios, Köln
           Weitere Informationen:                                     COBRA Kulturzentrum, Solingen
           www.resistdance.de                                         Intergenerationeller Parcours // 19. Februar 2022 //
                                                                      Theater- und Konzerthaus, Solingen
           RITUALE / DIGITALE. EIN MOSAIK AUS DEM,                    Weitere Informationen:
           WAS MENSCHEN HALT GIBT                                     www.cobra-solingen.de
           Consol Theater, Gelsenkirchen
           Premiere // 19. November 2021, 19.30 Uhr // online         WEITERE INFORMATIONEN
           Weitere Vorstellungen // 20. und 21. November,             ZUM FONDS KULTURELLE BILDUNG IM ALTER:
           19.30 Uhr // online                                        www.ibk-kubia.de/foerderung
           Weitere Informationen:
           www.consoltheater.de
           SCHRITTE. TANZPERFORMANCE MIT MENSCHEN MIT
           UND OHNE BEHINDERUNG IM ÖFFENTLICHEN RAUM
           Nicole Schillinger Theater- und Tanzvermittlung,
           Oberhausen
           Open Air // 20. November 2021, 10.00 Uhr //
           Sterkrade-Mitte, Oberhausen
           Weitere Informationen:
           www.schillinger-ttp.de
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DEUTSCHER GENERATIONENFILMPREIS                              »KulturKompetenz+« von kubia. In allen Beiträgen wird
kubia erneut in der Jury                                     deutlich, warum es höchste Zeit ist, das Grundrecht auf
Auch im Jahr 2022 ist kubia in Person von Imke               kulturelle Teilhabe in den Senioren- und Pflegeeinrich-
Nagel wieder in der Jury des Deutschen Generationenfilm-     tungen zu gewährleisten. Eindrücklich wird belegt, »wie
preises vertreten. Der Bundeswettbewerb ist eine einzig-     kulturelle Praxis Gesundheit und Wohlbefinden (nicht
artige Plattform: Sie feiert die Kreativität älterer Men-    nur) im Alter fördert, wie sie Ausdrucksformen ganz ei-
schen und fördert den Dialog der Generationen. Er wird       gener Welten schafft, wie sie professionell Pflegende zum
vom Deutschen Kinder- und Jugendfilmzentrum (KJF)            lebendigen Kern ihrer Arbeit führen kann und last but
im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senio-        not least hilft, die Gräben zwischen den Generationen, die
ren, Frauen und Jugend veranstaltet.                         die pandemiebedingten Maßnahmen ausgeworfen haben,
    Einreichungen von älteren Filmschaffenden und in-        ›auf Flügeln der Kunst‹ zu überwinden!« (Editorial, S. 1).
tergenerationellen Filmteams sind sowohl im offenen              »ProAlter« erscheint viermal jährlich mit Berichten,
Themenbereich als auch unter dem Jahresthema »Zu-            Reportagen, Interviews und Kommentaren zu grund-
hause« willkommen – gerade in Zeiten von Corona              sätzlichen und aktuellen Fragen rund ums Alter und
eröffnen sich hierzu bestimmt viele unterschiedliche         Älterwerden.
Perspektiven.                                                Kuratorium Deutsche Altershilfe (Hrsg.) (2021):
    Zu gewinnen gibt es Preise im Gesamtwert von 8.000       Kulturelle Teilhabe im Alter. Pro Alter 53 (2). 64 S.
Euro. Einreichfrist ist der 15. Januar 2022.                 ISSN: 1430-1911
WEITERE INFORMATIONEN:                                       WEITERE INFORMATIONEN:
www.deutscher-generationenfilmpreis.de                       www.kda.de

                                                             HETEROTOPIEN DES ALTERS?
VERÖFFENTLICHUNGEN                                           Mediale Räume kultureller Altersbildung
                                                             in Zeiten von Corona
KULTURELLE TEILHABE IM ALTER                                 kubia-Mitarbeiterin Dr. Miriam Haller analysiert aus
Themenschwerpunkt der Fachzeitschrift »ProAlter«             kulturtopologischer Perspektive im Anschluss an Michel
»Kulturelle Teilhabe im Alter« bildet den thematischen       Foucaults Begriff der »Heterotopie« anhand von drei
Schwerpunkt des Hefts 2 / 2021 von »ProAlter«, dem           Fallbeispielen die Brücken und medialen Kanäle, die
Fachmagazin des Kuratoriums Deutsche Altershilfe             kulturgeragogische Projekte gebaut haben, um dem Ge-
(KDA), der von Nina Lauterbach-Dannenberg (KDA)              bot räumlich-körperlicher Distanz in Zeiten von Corona
und kubia-Mitarbeiterin Dr. Miriam Haller zusammen-          Rechnung zu tragen. Es wurden Wege erschlossen, um
gestellt wurde.                                              auch auf Abstand Resonanzräume und heterotopische
    In den Beiträgen geht es u. a. um Strategien aus Groß-   Reflexionsräume zu bilden, in denen schwierige Emo-
britannien für kreatives Altern, Gesundheit und Wohl-        tionen ausgedrückt und aktuelle Altersbilder reflektiert
befinden, Musikgeragogik als Schnittfeld von Musikpä-        wurden.
dagogik und Geragogik und ästhetische Filmbildung für        Miriam Haller (2021): Heterotopien des Alters?
ältere Menschen. kubia-Mitarbeiterin Imke Nagel wirft        Mediale Räume kultureller Altersbildung in Zeiten von
in ihrem Artikel »Kulturarbeit mit Älteren lernen und        Corona. In: Wissensportal Kulturelle Bildung Online.
erleben« außerdem einen Blick auf die Fortbildungsreihe      www.kubi-online.de.
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           NETZWERKE UND KOOPERATIONEN

           CRITICAL FRIENDS                                           DIGITAL UND INKLUSIV.
           Wissenstransfer in der Kulturellen Bildung                 EINE CHANCE FÜR DIE KULTUR!
           Als Critical Friend berät kubia-Wissenschaftlerin          Rückblick LVR-Kulturkonferenz 2021
           Dr. Miriam Haller im Rahmen des Projekts »Wissens-         Unter dem diesjährigen Motto »digital und inklusiv.
           transfer in der Kulturellen Bildung« die Bundesakade-      Eine Chance für die Kultur!« hat der Landschaftsver-
           mie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel e. V. Bei dem      band Rheinland (LVR) mit zahlreichen Interessierten
           vom Bundesministerium für Bildung und Forschung ge-        aus Kunst und Kultur sowie aus Kulturverwaltung und
           förderten Projekt steht ein wechselseitiger Transfer von   -politik im Rahmen der diesjährigen LVR-Kulturkonfe-
           Forschungserkenntnissen und Praxiswissen im Fokus.         renz diskutiert. Der Konferenztag wurde live und digital
           Das Forschungs- und Praxisfeld der Kulturellen Bildung     aus dem LVR-LandesMuseum Bonn übertragen. Dies-
           zeichnet sich durch Interdisziplinarität und Heterogeni-   jähriger Kooperationspartner der Konferenz war kubia.
           tät der Arbeitsweisen sowie der Akteurinnen und Ak-        Themensetzung und Programmgestaltung wurden von
           teure aus. Damit verbunden sind unterschiedliche struk-    kubia-Mitarbeiterin Annette Ziegert begleitet.
           turelle Rahmenbedingungen, Diskurse, Logiken und              Mehr als 300 Anmeldungen für den Konferenztag am
           Sprachen sowie Haltungen und Orientierungen. Ziel des      28. Juni 2021 und für die darauffolgenden Workshop-
           Projekts ist es, Formate und Methoden zu entwickeln,       Tage zeigen, wie virulent das Thema in der Kultur ist.
           die einen gelungenen »Zweibahnstraßen-Wissenstrans-        Wie inklusive Kulturangebote aussehen können, zeigten
           fer« ermöglichen.                                          Künstlerinnen und Künstler wie Kulturschaffende aus
           WEITERE INFORMATIONEN:                                     Museen und der Musikbranche. Was noch geschehen
           www.bundesakademie.de                                      muss, erläuterten Expertinnen und Experten in eigener
                                                                      Sache.
           CULTURE WITHOUT BARRIERS                                   WEITERE INFORMATIONEN:
           Transnationale Partnerschaft mit Polen                     www.ibk-kubia.de
           Seit Mai 2021 ist kubia transnationaler Partner des
           deutsch-polnischen EU-Projekts »Culture Without
           Barriers«. In einem Projektzeitraum von drei Jahren un-    VERANSTALTUNG
           terstützt kubia das polnische Team in der Entwicklung
           eines Vorgehensmodells für Barrierefreiheit von Kul-       MUSIKLERNEN UND MUSIKVERMITTLUNG IM ALTER
           turnutzerinnen und -nutzern an öffentlich geförderten      Fachtag Musikgeragogik
           Kulturinstitutionen in Polen. Durch die Partnerschaft      10. März 2022 // Akademie Franz Hitze Haus //
           sollen Kulturinstitutionen in der Planung und Umset-       Münster
           zung von Barrierefreiheit Unterstützung finden. Rund       Die FH Münster veranstaltet in Kooperation mit der
           100 polnische Kulturinstitutionen, die in einem offenen    Akademie Franz Hitze Haus in Münster den Fachtag
           Förderverfahren ausgewählt und mit Erprobungsmitteln       Musikgeragogik zum Thema Musiklernen und Musikver-
           ausgestattet werden, sollen ab 2022 das Vorgehensmo-       mittlung im Alter. Der Fachtag startet mit einem Vortrag
           dell testen.                                               über »Resonante Transformationen. Lernen und Bildung
               Online-Reisen der polnischen Partner zu deutschen      im Alter« von kubia-Mitarbeiterin Dr. Miriam Haller.
           Kulturinstitutionen, Gespräche mit Expertinnen und         Professor Dr. Theo Hartogh wird über »Lebenslanges Mu-
           Experten für Barrierefreiheit und ein Besuch des deut-     siklernen« sprechen und Prof. Elias Betz über »Die Arbeit
           schen Teams vor Ort in Warschau gaben im Jahr 2021         mit dem Orff-Instrumentarium im Alter«. Nachmittags
           Einblicke in den aktuellen Stand in beiden Ländern und     schließen sich Praxis-Workshops an.
           Impulse für das Modell.                                    WEITERE INFORMATIONEN:
               Träger des Projekts ist PFRON, der staatliche Fonds    www.musikgeragogik.de
           für die Rehabilitation von Menschen mit Behinderung in
           Polen, in Kooperation mit dem polnischen Kulturminis-
           terium und der Organisation Culture Without Barriers.
               Auf kubia-Seite wirken Annalena Knors, Corporate
           Inclusion, Münster, und Lisette Reuter, Un-Label Per-
           forming Arts Company, Köln, unter der Leitung von
           kubia-Mitarbeiterin Annette Ziegert an der Erarbei-
           tung des Modells mit und begleiten dessen Erprobung.
           WEITERE INFORMATIONEN:
           www.ibk-kubia.de
S A L O N // 15

SALON

KREATIVE NEUVERMESSUNGEN
KULTURELLE ALTERS- UND GENERATIONENBILDUNG IN BEWEGUNG
Von Miriam Haller

Die Maßnahmen zum Schutz vor Covid-19 haben die Räume der Kulturellen Alters- und Generationen-
bildung in Bewegung versetzt – in den digitalen Raum, in den Park, auf die Straße, in Scheunen oder
Parkhäuser. Das schärft die Aufmerksamkeit für die besondere Bedeutung des Raums für die Kulturelle
Bildung (nicht nur) im Alter. Zusätzlich zeigt sich, dass die nach Altersgruppen differenzierenden
Corona-Schutzmaßnahmen Gräben in die topografische Landkarte der Generationen eingezogen
haben. Vor diesem Hintergrund erkundet kubia-Mitarbeiterin Miriam Haller, wie die Alters- und
Generationenforschung das Verhältnis von Altern und Raum neu denkt: Wie machen uns Räume jung
oder alt und wie kann die Kulturelle Bildung zu einem widerständigen »Remapping Age(ing)«, einer
Neuvermessung des Alter(n)s im intergenerationellen Austausch, beitragen?

»Erste Eindrücke sind nie sehr genau. Ich kann          Leonora Carrington, die große Surrealistin
nur sagen, es schien verschiedene Höfe, Kreuz-       und Klassikerin der fantastischen Literatur, bil-
gänge, abgestellte Springbrunnen, Bäume, Bü-         det mit dieser architektonischen Vision einen
sche und Wiesen zu geben. Das Hauptgebäude           fiktiven Möglichkeitsraum, in dem das Alter neu
war wirklich ein Schloss, umgeben von verschie-      vermessen wird. In der real und material gebau-
denen Pavillons nicht übereinstimmender Ge-          ten Umwelt werden sozio-kulturelle Unterschiede
stalt. Koboldartige Gebäude, deren Form an Pilze     und Differenzlinien hingegen allzu oft in Stein
erinnerte, Schweizer Châlets, Eisenbahnwagen,        gemeißelt. Einschluss- und Ausschlusspraxen sind
der eine oder andere normale Bungalow, etwas,        häufig direkt an architektonische Begebenheiten
was nach einem Stiefel aussah, und etwas ande-       gebunden. Wie solche Grenzziehungen überwun-
res, was ich für eine überlebensgroße ägyptische     den, Zwischenräume ausgelotet, sozio-kulturelle
Mumie hielt«, – so schildert die 92-jährige Mrs      Räume als »Dritte Orte« neu gebildet, Brücken,
Leatherby ihren ersten Eindruck von dem Alters-      Passagen und Übergänge gebaut werden können
heim, in dem sie zukünftig leben soll. Sie ist die   – das alles sind Aspekte, welche die Kultur- und
Erzählerin in Leonora Carringtons surrealisti-       Sozialwissenschaften spätestens seit dem soge-
schem Roman »Das Hörrohr« (1980, S. 37). Die-        nannten Spatial Turn, der topografischen Wen-
ser Ort, welcher der betagten Dame zunächst als      de, schon lange herausfordern. Unter den Vorzei-
wahrer Schreckensort erscheint, wird ihr im Lauf     chen der Pandemie werden diese Fragen auch für
des Romans die Erfahrung einer gänzlich neuen,       die Kulturelle Alters- und Generationenbildung
abenteuerlichen und bisweilen auch einigerma-        zunehmend dringlicher: Abstand und Distanz
ßen beängstigenden Welt erschließen.                 zwischen den Generationen wurden insbesondere
16 // S A L O N

           zwischen Angehörigen unterschiedlicher Genera-              ALTERSDISKRIMINIERENDE UND
           tionen im Raum neu austariert – mit erheblichen                ALTERSINKLUSIVE ORTE
           Konsequenzen, auch für die Kulturelle Bildung
           im Alter (vgl. Haller 2021).                         Die Architektin Dominique Hauderowicz und
                                                                ihr Kollege Kristian Ly Serena (vgl. 2020) geben
                            MAPPING AGE                         Werkzeuge an die Hand, um altersinklusive Räu-
                                                                me zu bilden und altersdiskriminierende Wir-
           Gegenwärtig wird in der Gerontologie mit dem         kungsweisen von Räumen zu vermeiden. Unter
           Ansatz des Mapping Age das Verhältnis von Al-        Altersdiskriminierung (Ageismus) verstehen sie
           tern und Raum neu gedacht. Während Vertrete-         die Annahme, dass vom Alter einer Person auf
           rinnen und Verfechter der Ökologischen Geron-        ihre Funktion, ihre Gesundheit und ihre Erschei-
           tologie schon lange die Bedeutung von (Wohn-)        nung geschlossen werden könne. Räumlich wer-
           Umwelten für das Alter und Altern betonen, aber      de Ageismus dann, wenn sich mit zunehmendem
           von einer klaren Trennung zwischen Person und        Alter im buchstäblichen Sinne auch unser Platz
           Umwelt ausgehen, vertritt die neuere sogenann-       in der Gesellschaft ändert (vgl. ebd., S. 160). In
           te Materielle Gerontologie mit dem Ansatz des        ihrem Ansatz unterscheiden sie zwischen alters-
           Mapping Age einen relationalen Raumbegriff.          spezifischen und altersneutralen Orten. Wäh-
           Aus dieser Perspektive geht man davon aus, dass      rend altersspezifische Orte durch eine Gestaltung
           sich Alter(n) und Räume gegenseitig hervor-          gekennzeichnet sind, die auf körperliche oder
           bringen: Untersucht wird, wie »Alter(n) durch        habituelle Merkmale eingeht, die mit einer be-
           Räume und Materialitäten hergestellt wird,           stimmten Altersgruppe assoziiert werden – wie
           und wie sich räumliche (Neu-)Anordnungen zu          zum Beispiel »Seniorenspielplätze« – verzichten
           Wahrnehmungen, Praktiken und dem Erleben             altersneutrale Orte ganz auf solche Marker und
           des Älterwerdens verhalten« (Wanka / Oswald          verwenden ein inklusives Design. Die beiden plä-
           2020, S. 379). Auf diese Weise kommt in den          dieren jedoch weder nur für das eine noch das
           Blick, wie der jeweilige Raum, in dem wir uns        andere, sondern für eine Auflösung der Grenzen
           befinden, unser Alterserleben und unsere häufig      zwischen beiden Sphären hin zu altersinklusiven
           schwankende Altersidentität bestimmt. Im Bäl-        Orten. In ihnen sollen polyvalente architektoni-
           lebad eines Möbelkaufhauses, im Techno-Club          sche Formen vorherrschen, die nicht eine singu-
           oder auf dem Kreuzfahrtschiff nehmen wir unser       läre Funktion haben, sondern flexibel und von
           Alter jeweils anders wahr. Das gilt auch für Lern-   unterschiedlichen Altersgruppen gebraucht und
           und Bildungsorte (vgl. Gallistl / Parisot 2020).     angeeignet werden können (vgl. ebd., S. 178ff.).
           Kindergärten, Jugendheime, Schulen, Universitä-      Elastische Abstufungen und Übergänge zwischen
           ten, Erwachsenen-Bildungseinrichtungen, Alten-       dem privatem und dem öffentlichen Raum sollen
           heime und oftmals auch Kunst- und Kulturein-         die Schwellen zwischen beiden Bereichen so he-
           richtungen werden für bestimmte Altersgruppen        runtersetzen, dass auch ältere Menschen sie leicht
           und Generationen konzipiert und gebaut. Will         überschreiten können.
           man altersinklusive, inter- und transgeneratio-
           nelle Bildungs- und Begegnungsräume schaffen,
           so gilt es, Orte zu suchen und zu gestalten, in
           denen sich alle Altersgruppen und Generationen
           wohlfühlen.
REMSHAGEN
Deutschland, 1990
18 // S A L O N

             INTERGENERATIONELLE KONTAKTZONEN                   missverstanden werden, sondern als die »Be-
                                                                wusstmachung, Entwicklung, Ausbildung und
           Solche architektonischen Bedingungen ermög-          Aushandlung einer individuellen und kollektiven
           lichen »Intergenerational Contact Zones«, wie        Haltung zur gebauten und ungebauten Umwelt
           die Generationenforschenden Matthew Kaplan,          und ganz allgemein zum Raum« (Kawthar El-
           Leng Leng Thang, Mariano Sánchez und Jaco            Qasem 2021). Auch die Ausbildung einer wi-
           Hoffman (2020) sie sich vorstellen: Räumliche        derständigen Praxis der Raumaneignung gehört
           Anlaufstellen für verschiedene Generationen, um      dazu – für die Kulturelle Alters- und Generatio-
           sich zu treffen, vertrauensvolle und freundschaft-   nenbildung eine Quelle der Inspiration. Beim Le-
           liche Beziehungen aufzubauen und zusammen-           sen der Artikel über die in diesem kubia-Magazin
           zuarbeiten, um Probleme von lokalem Interesse        beschriebenen Projekte wird greifbar, was als
           anzugehen und soziale Inklusion voranzutreiben       Kriterium für eine geglückte Raumaneignung in
           (vgl. ebd., S. 3). Für die Geragogik ebenso wie      der Kulturellen Bildung gilt: »Bei künstlerischen
           für Angebote intergenerationellen Lernens ist die    Prozessen kann die Wahrnehmung von Zeit und
           Sozialraumorientierung mit ihren Methoden des        Raum durchaus den sonstigen zeiträumlichen
           partizipativen Erkundens und Planens sozialer        Strukturen widersprechen bzw. diese erweitern
           Räume ein bewährtes didaktisches Prinzip.            und transformieren. (Alltags-)Räume verwandeln
              Unter Berücksichtigung eines relationalen         sich und erscheinen in neuem Licht: Zwischen-
           Raumverständnisses, wie es die Materielle Geron-     räume und -zeiten entstehen.« (Schuster 2014)
           tologie vertritt, kommen Lehr-Lern-Methoden
           des Mapping als ästhetisch-forschende Zugänge         NEUPOSITIONIERUNG DER GENERATIONEN
           zur Biografie und Lebenswelt neu in den Blick:
           Zur Reflexion der Bedeutung von Orten für das        Kunst- und Kulturräume als Intergenerationel-
           individuelle und soziale Leben können Mental         le Kontaktzonen zu konzipieren, macht sie zum
           Maps dienen, die zur Kartierung individueller        Versuchslabor für neue Positionierungen der
           biografischer Erinnerungsorte in Landkarten des      Generationen im Raum. Dazu jedoch müssen
           Lebens ebenso anregen wie zur gemeinschaftli-        Kunst- und Kultureinrichtungen ebenso wie die
           chen Raumerkundung aktueller Lebenswelten            Anbieterinnen und Anbieter Kultureller Bildung
           (vgl. Kricheldorff 2020). Als inspirierendes digi-   den Hoheitsanspruch über »ihre« Räume zu-
           tales Beispiel für partizipatives Mapping sei hier   gunsten der handelnden Subjekte aufgeben: Die
           das von Oanh Nguyen (vgl. 2021) entwickelte          subversive Neueinschreibung von Stereotypen
           Projekt »The Loneliness-Friendly City« (»Die         des Alters und der Jugend im Sinne von »Ageing
           einsamkeitsfreundliche Stadt«) genannt, das          trouble« (Haller 2020 / 2005) ereignet sich nicht
           Einsamkeitsorte in Dortmund sichtbar macht           nur dort, »wo Subjekte zum Beispiel diskriminie-
           (www.thelonelinessfriendlycity.com).                 rende Adressierungen aufgreifen und sich gegen
                                                                den Strich aneignen«, sondern auch dort, »wo sie
                  BAUKULTURELLE ALTERS- UND                     gesellschaftlich zugewiesene Plätze nicht in der
                    GENERATIONENBILDUNG                         bislang vorgesehenen Weise einnehmen und da-
                                                                durch neu definieren, was überhaupt als legiti-
           In der Alters- und Generationenbildung lohnt         mer Platz gilt« (Graefe 2010, S. 307). Das ist der
           es sich, baukulturelle Bildungsziele noch stärker    Einsatz, mit dem auch Kunst- und Kulturräume
           zu berücksichtigen. Baukulturelle Bildung soll-      rechnen sollten: Sie werden verändert, sie werden
           te dabei nicht als bloße Architekturvermittlung      gewandelt – und vielleicht wird dieser Prozess
S A L O N // 19

von der einen oder anderen Kultureinrichtung                 Miriam Haller (2020 / 2005): Unwürdige Greisinnen:
sogar als eine Form von Hausbesetzung gefürch-                 »Ageing trouble« im literarischen Text.
                                                               In: Wissensportal Kulturelle Bildung Online.
tet. Den jetzt älter werdenden Generationen ist
                                                               www.kubi-online.de/artikel/unwuerdige-greisinnen-
in der Praxis widerständiger Raumaneignung be-                 ageing-trouble-literarischen-text.
reits einige Erfahrung zuzutrauen. mh                        Dominique Hauderowicz und Kristian Ly Serena (2020):
                                                               Age-Inclusive Public Space. Berlin: Hatje Cantz.
LITERATUR:                                                   Matthew Kaplan, Leng Leng Thang, Mariano Sánchez
Leonora Carrington (1980): Das Hörrohr. Roman.                 und Jaco Hoffman (2020): Introduction.
   Aus dem Englischen übersetzt von Tilman Spengler.           In: Dies. (Hrsg.): Intergenerational Contact Zones.
   Frankfurt am Main: Insel.                                   Place-based Strategies for Promoting Social
Kawthar El-Qasem (2021): Plädoyer für ein Denken               Inclusion and Belonging, New York / London:
   (Bau)Kultureller Bildung jenseits der Milieu-Kategorie.     Routledge, S. 1-13.
   In: Wissensportal Kulturelle Bildung Online.              Cornelia Kricheldorff (2020): »Mapping Age« – eine neue
   www.kubi-online.de/artikel/plaedoyer-denken-                Perspektive auf Alter(n) und Raum. In: Zeitschrift für
   baukultureller-bildung-jenseits-milieu-kategorie.           Gerontologie und Geriatrie 53 (5), S. 405-408.
Vera Gallistl und Viktoria Parisot (2020): Die Verschrän-    Oanh Nguyen (2021): Dialoge mit einem Ort. Geografien
   kung von Alter(n) und Raum in kulturellen Bildungs-         zwischen Einsamkeit und Teilhabe. In: Sabine Funk,
   angeboten. Über die räumliche Strukturierung von            Sarah Hübscher und Elvira Neuendank (Hrsg.): On the
   aktivem Alter(n) am Theater und auf der Alm.                Move. Stadt in Bewegung, Bielefeld: wbv, S. 137-139.
   In: Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie 53 (5),    Meike Schuster (2014): Raumaneignung und urbanes
   S. 382-388.                                                 Lernen: Stadt als offener Spiel- und Lernraum.
Stefanie Graefe (2010) Effekt, Stützpunkt, Überzähliges?       In: Wissensportal Kulturelle Bildung Online.
   Subjektivität zwischen hegemonialer Rationalität            www.kubi-online.de/artikel/raumaneignung-urbanes-
   und Eigensinn. In: Johannes Angermüller und                 lernen-stadt-offener-spiel-lernraum.
   Silke van Dyk (Hrsg.): Diskursanalyse meets               Anna Wanka und Frank Oswald (2020): »Mapping Age«
   Gouvernementalitätsforschung, Frankfurt am Main /           – das Verhältnis von Altern und Raum neu denken.
   New York: Campus, S. 289-313.                               In: Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie 53 (5),
Miriam Haller (2021): Heterotopien des Alters? Mediale         S. 379-381.
   Räume kultureller Altersbildung in Zeiten von Corona.
   In: Wissensportal Kulturelle Bildung Online.
   www.kubi-online.de/index.php/artikel/
   heterotopien-des-alters-mediale-raeume-kultureller-
   altersbildung-zeiten-corona.
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           DRITTE ORTE
           26 EXPERIMENTIERRÄUME FÜR EIN INTERGENERATIONELLES MITEINANDER
           Von Klaus Kaiser

           Der Zugang zu Kunst und Kultur ist ein wichtiger Faktor für die wahrgenommene Lebensqualität
           – und zwar in jedem Lebensalter. Im Rahmen des Förderprogramms »Dritte Orte – Häuser für
           Kultur und Begegnung in ländlichen Räumen« der Landesregierung Nordrhein-Westfalens entste-
           hen aktuell 26 sogenannte Dritte Orte, an denen innovative Ideen auch für intergenerationelles
           Kulturerleben umgesetzt werden.

           In Nordrhein-Westfalen prägen Metropolregionen                  DAS FÖRDERPROGRAMM
           und eher ländlich geprägte Räume gleichermaßen
           die Identität des Landes. Um in allen Regionen       Der Begriff »Dritte Orte«, der dem Programm
           Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen die          seinen Namen gab, hat seinen Ursprung in der
           Menschen gut und gerne leben und auch schöp-         Stadtsoziologie: Das Konzept der Dritten Orte
           ferisch tätig sein können, hat die Landesregierung   wurde von dem US-amerikanischen Soziologen
           das Förderprogramm »Dritte Orte – Häuser für         Ray Oldenburg 2001 geprägt und grenzt den
           Kultur und Begegnung in ländlichen Räumen«           Dritten Ort vom Zuhause als Erstem Ort und
           initiiert. Denn die kulturelle Infrastruktur in      dem Arbeitsplatz als Zweitem Ort ab. Der Dritte
           eher ländlichen Regionen unterscheidet sich von      Ort ist sozialer Experimentierraum, der allen zu-
           der in großen Städten. Ehrenamtliche Strukturen      gänglich ist und sich über diese Offenheit in Pro-
           spielen eine wichtige Rolle, in manchen Regionen     gramm und Miteinander definiert.
           gibt es nur wenige kulturelle Angebote oder es          Wir wollen Ankerpunkte des sozialen und kul-
           besteht ein erschwerter Zugang. Ausgelöst durch      turellen Lebens in eher ländlich geprägten Räumen
           gesellschaftliche und technologische Veränderun-     gezielt erhalten oder in ihrer Entstehung unterstüt-
           gen sieht sich die kulturelle Infrastruktur hier     zen. Dabei ist der inhaltliche Ansatz des Förder-
           verstärkt einem Strukturwandel ausgesetzt. Hier      programms bewusst offen gewählt, um verschie-
           braucht es neue Ideen und bedarfsorientierte Lö-     denartige, innovative und experimentelle Vorhaben
           sungen. Mit den Dritten Orten entstehen Orte         zu ermöglichen. Das Förderprogramm spricht eh-
           der Begegnung, des Austauschs und des gemeinsa-      renamtlich Aktive ebenso an wie hauptamtliche
           men Kulturerlebens. Sie finden sich in ehemaligen    Akteurinnen und Akteure – was wesentlich zur
           Ladenlokalen, Bibliotheken, Kirchen, Scheunen,       »graswurzelhaften« und damit nachhaltigen Ver-
           Bahnhöfen oder Schlössern – verteilt über ganz       ankerung der Projekte vor Ort beiträgt. Schließlich
           Nordrhein-Westfalen. Jedem dieser Orte stellt        wissen die Menschen vor Ort am besten, was fehlt,
           die Landesregierung bis zu 450.000 Euro für den      was passt und was funktioniert. So werden nicht
           Zeitraum 2021 bis 2023 zur Verfügung.                nur die Dritten Orte als solche gefördert, sondern
                                                                auch der gesellschaftliche Zusammenhalt vor Ort.
                                                                   Das Programm ist in zwei Phasen unterteilt: Seit
                                                                2019 sind in einer Konzeptphase 17 Pilotprojek-
                                                                te bei der Entwicklung der Vorhaben unterstützt
S A L O N // 21

Lesung aus dem Sintfeld-Epos mit Autorin Regina Hasse im Café der KulturScheune1a

worden. Hierfür haben sich rund 150 Antragstelle-       etwa Vereine, Genossenschaften oder gGmbHs
rinnen und Antragssteller beworben und damit die        gegründet. Die Fördermittel der Landesregierung
Notwendigkeit neuer Formen der Kulturförderung          können relativ flexibel für die Umsetzung der Ideen
im ländlichen Raum bestätigt. 14 der in der Kon-        eingesetzt werden, ob für das Kulturprogramm, die
zeptphase geförderten Projekte erhalten auch in der     Ausstattung, das Personal oder kleinere Baumaß-
Umsetzungsphase Unterstützung. Die Ausschrei-           nahmen.
bung der zweiten Phase richtete sich aber auch an          Um den Prozess bestmöglich zu unterstützen,
Projekte, die noch keine Förderung erhalten haben.      erhalten die Projektträger neben der monetären
Zusätzlich zu den 14 Projekten aus der ersten Pro-      Zuwendung individuelle Hilfestellung und Bera-
grammphase haben sich zwölf weitere Vorhaben            tung durch das eigens eingerichtete Programm-
für die Umsetzungsförderung qualifiziert.               büro Dritte Orte – in allen Planungsphasen und
                                                        Themenfeldern der Umsetzung. Zusätzlich unter-
             MÖGLICHKEITSRÄUME                          stützt das Programmbüro den kollegialen, praxis-
                                                        orientierten Erfahrungsaustausch und Know-how-
Dritte Orte sind keine »Einrichtungen«, die sich        Transfer zwischen den haupt- und ehrenamtlich
»Angebote« für »Zielgruppen« ausdenken. Statt-          Engagierten der 26 Dritten Orte, um den Men-
dessen – und das ist ganz zentral für die Wirksam-      schen dort bei der Umsetzung ihrer Ideen zu
keit des Förderprogramms – hat die Bürgerschaft         helfen.
vor Ort die Möglichkeit, sich ihr eigenes, auf ihre        Die aktuell geförderten 26 Projekte zeigen in
individuellen Bedürfnisse zugeschnittenes »Zent-        ihrer großen Bandbreite, wie vielseitig die Gestal-
rum« zu schaffen. Dieses füllt sie selbst mit Leben     tungsmöglichkeiten der Dritten Orte sind und
und zwar in eigener Verantwortung. Dazu werden          wie viel kreatives Potenzial und Engagement vor
22 // S A L O N

           Bei Kaffee und Kuchen drehen sich die Gespräche um »Fürstenberg – früher und heute«.

           Ort besteht: Es wird musiziert, gelesen, Theater          solche im Ruhestand nehmen mit ihrem großen
           gespielt, gewerkelt, gegärtnert, gekocht, gespielt,       Erfahrungsschatz sehr aktive Rollen innerhalb der
           gechillt – den Möglichkeiten sind keine Grenzen           Verantwortungsstrukturen ein. Sie sind zum Bei-
           gesetzt.                                                  spiel Vereinsvorsitzende, Fundraiser, Architektin-
              Dabei setzen manche Dritte Orte inhaltliche            nen oder Veranstaltungsplaner.
           Schwerpunkte, etwa in den Feldern Interkultur,               Ihre Fähigkeiten und Erfahrungen aus unter-
           Jugendarbeit, Kulturelle Bildung oder Digitalisie-        schiedlichen Feldern, ihre oft langjährige, spezifi-
           rung. Bei allen aber gilt: Der Mensch wird in den         sche Berufserfahrung sind dabei wegweisend und
           Mittelpunkt gerückt, mit seinen Interessen, Bio-          bei der Umsetzung nicht wegzudenken. Alle Be-
           grafien, Talenten und seinem Wissen.                      teiligten eint ein für den nachhaltigen Erfolg jedes
                                                                     einzelnen Dritten Orts zentrales Motivationsmo-
                   MENSCHEN VOR ORT IM FOKUS                         ment: selbstwirksam im und für den Heimatort
                                                                     aktiv zu sein. In dem Maße, in dem Menschen
           In diesen größtenteils freien, von bürgerschaftli-        das örtliche Leben und sein Freizeit- und Kultur-
           chen Initiativen ins Leben gerufenen Projekten            angebot mitgestalten können, können Dritte Orte
           engagieren sich Menschen aller Altersklassen. Von         demokratische und solidarische Gemeinschaften
           der Idee eines Dritten Orts bis zum laufenden Be-         bilden und stärken.
           trieb sind verschiedenste Aufgaben zu meistern:              Damit sich tatsächlich alle Menschen vor Ort
           Netzwerkaufbau, Erstellen von Wirtschaftsplänen,          eingeladen fühlen und sich die Räume zu kultu-
           Öffentlichkeitsarbeit, Verhandlungen mit Ämtern           rellen und sozialen Ankerpunkten entwickeln, sind
           und Handwerkern, (Um-)Bauplanungen und vie-               Dritte Orte per se inklusiv angelegt. Sie sollen nicht
           les mehr. Gerade Menschen mittleren Alters und            nur zentral gelegen und gut erreichbar sein – der
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ausgeprägte Wohnortbezug gewinnt insbesondere                                 WAS FOLGT?
im Alter an Bedeutung –, sondern auch inhaltlich
offen und einladend gestaltet. Ein breites Kultur-       Die 26 Dritten Orte in Nordrhein-Westfalen ste-
verständnis trägt zu einem niedrigschwelligen Zu-        hen aktuell noch am Anfang ihrer Entwicklung,
gang für alle Menschen aus allen Altersgruppen           doch ohne Frage können sie vor Ort wichtige kul-
und mit ganz unterschiedlichen Vorlieben bei.            turelle und soziale Impulse setzen. Noch bis Ende
Menschen und ihre Motivationen sind die wich-            2023 sammeln die 26 Modellprojekte Erfahrun-
tigste Ressource in diesem Programm.                     gen und Verbündete, bilden tragfähige, langfris-
                                                         tige Strukturen aus und sind oftmals Anstoß mit
  INTERGENERATIONELLES MITEINANDER                       ausstrahlender Wirkung: für integrierte und ver-
                                                         netzte Dorf-, Stadt- und Quartiersentwicklung
Auch bei den Dritten Orten zeigt sich das Potenzial      und für wichtige Kulturentwicklungsprozesse.
der aktiven Beteiligung älterer Menschen am Kunst-       Die Aktivierung des zivilgesellschaftlichen Enga-
und Kulturleben. In Fürstenberg / Ostwestfalen-          gements und das Empowerment von Menschen
Lippe wird aktuell eine denkmalgeschützte »Zehnt-        unterschiedlicher Milieus, Interessen und Alters-
scheune« zur »KulturScheune1a« umgebaut. Der Pro         klassen setzt viel Transformationspotenzial frei.
Fürstenberg e. V. mit Aktiven aus fast allen örtlichen   Die Revitalisierung in den Ortszentren und der
Vereinen verantwortet das Vorhaben zusammen mit          örtliche Bedeutungszuwachs von Kultur für die
der 2020 neu gegründeten Sintfeld Stiftung e. V.         Sozialstruktur können vorbildlich auch für größere
Neben den aktiven Erwachsenen mittleren und äl-          Gemeinden sein, die ihre sozialen und kulturellen
teren Semesters, die sich über Projektteams, Gesell-     Angebote zukünftig stärker am Gemeinwohl aller
schaftsbeirat oder Ausschüsse einbringen, sind als       ausrichten wollen.
»Junge Scheune« Kinder und Teenager aktiv mit
                                                         DER AUTOR:
eigenen Projekten beteiligt. In der Scheune sind         Klaus Kaiser ist seit dem 30. Juni 2017 Parlamentarischer
Filmabende speziell für Seniorinnen und Senioren         Staatssekretär im Ministerium für Kultur und Wissen-
ebenso geplant wie gemeinsame Kreativaktionen von        schaft des Landes Nordrhein-Westfalen.

Alt und Jung.                                            WEITERE INFORMATIONEN:
                                                         www.dritteorte.nrw
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