Kasualien im Wandel Herausforderungen und Chancen - Refbejuso
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N r . / N o 4 9 —— J u n i / J u i n 2 0 2 0 Das Magazin der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn Le Magazine des Eglises réformées Berne-Jura-Soleure Kasualien im Wandel − Herausforderungen und Chancen Les actes ecclésiastiques en mutation – Défis et opportunités
I N H A L T 4 DOSSIER KASUALIEN IM WANDEL Les actes ecclésiastiques en mutation 4 Jede Abdankung ein Sonderfall? Services funèbres à la carte? 10 Zwischen Wunsch und Auftrag Entre désirs et mission IM PRES S UM ENSEMBLE — Magazin für mitarbeitende, ehren 16 Kasualagenturen: «Wir sollten unsere Schätze zeigen» amtliche und engagierte Mitglieder der Reformier ten Kirchen Bern-Jura-Solothurn / Magazine pour les membres engagés, collaborateurs et bénévoles 18 FOKUS des Eglises réformées Berne-Jura-Soleure — Herausgeberin / Editeur: Reformierte Kirchen Bern- Aktuelles aus Bern-Jura-Solothurn Jura-Solothurn / E glises réformées Berne-Jura- Soleure / Altenbergstrasse 66, Postfach / Case postale, FOCUS Actualités de Berne-Jura-Soleure 3000 Bern 22, ENSEMBLE@refbejuso.ch (auch für Abobestellungen) 27 KREUZ UND QUER Erscheinungsweise / Parution: 10-mal pro Jahr / 10 fois par année — Auflage / Tirage: 5500 — Aus den Bezirken, Kirchgemeinden und dem Haus der Kirche Nächste Ausgabe / Prochaine parution: Ende Juni / fin juin DE LONG EN LARGE Régions, paroisses et Maison de l’Eglise Redaktion / Rédaction: Olivier Schmid (verantwort KURZ UND BÜNDIG lich / responsable), Nathalie Ogi, Daria Lehmann, 33 Gerlind Martin, Karin Freiburghaus (Kreisschreiben), Kirchliche Bibliotheken (Schaufenster), Tony Mar Kreisschreiben des Synodalrats chand (Cartoon), Ueli Frutiger (Layout) — Über setzungen / Traduct ions: André Carruzzo, Rolf EN BREF Circulaire du Conseil synodal Hubler, Nicolas Pache, Gabrielle R ivier, Nadya Rohr bach — Korrektorat / Corrections: Renate Kinzl — SCHAUFENSTER Titelbild / Image de couverture: Bestattungen in der 35 Natur sind immer mehr gefragt. / Les enterrements dans la nature sont de plus en plus demandés. VITRINE Foto: iStock.com / Imagesines Grafisches Konzept / Concept graphique: Neidhart Grafik, Klösterlistutz 18, 3013 Bern —Inhaltliches Konzept und Beratung / Concept du c ontenu et conseil: hpe Kommunikation, S ustenweg 64, 3014 Bern — Layout / Druck / Impression: Jost Druck AG, Stationsstrasse 5, Postfach 102, 3626 Hünibach Inhalt —– ENSEMBLE 2020/49
E D I T O R I A L LIEBE LESERINNEN UND LESER CHÈRE LECTRICE, CHER LECTEUR Traditionnellement associés à l’Eglise, les ma Hochzeiten, Taufen und Beerdigungen wer D riages, les baptêmes et les enterrements vivent den traditionell mit der Kirche in Verbin une mutation. ENSEMBLE consacre son dossier à dung gebracht. Doch Kasualien sind im Wandel cette évolution marquée par un recul des cérémo begriffen, und die Nachfrage ist rückläufig. Dieser nies. C’était déjà le cas pour l’échange des anneaux Entwicklung widmet sich ENSEMBLE im Dossier. et la bénédiction de l’eau, mais le phénomène Die Zahlen von kirchlichen Trauungen und Taufen touche également les obsèques. Souvent, ceux qui gehen bereits seit längerem zurück. Seit einiger souhaitent organiser des célébrations religieuses Zeit ist dies nun auch bei Beerdigungen der Fall. désirent le faire de manière de plus en plus indi Zudem wollen die Menschen religiöse Feiern im viduelle. Ainsi, les baptêmes «alternatifs», mis sur mer häufiger individuell gestalten. Zum Beispiel pied à l’occasion d’un service en plein air, sont de werden «alternative» Taufen, etwa in einem Got plus en plus populaires. Pour les paroisses, la ques tesdienst unter freiem Himmel, immer beliebter. tion se pose dorénavant de savoir jusqu’à quel Für die Kirchgemeinden stellt sich die Frage, in point il est possible d’exaucer ces souhaits si va wieweit es möglich ist, solche individuellen Wün riés. Sur le plan théologique, on peut se demander sche zu erfüllen. Bis zu welchem Punkt ist es aus jusqu’où il est légitime de répondre aux besoins theologischer Sicht legitim, auf individuelle Wün individuels et à quel moment on renonce à son sche einzugehen, und wann gibt man seine kirch identité ecclésiastique. Dans le même temps, les liche Identität auf? Gleichzeitig gibt es immer indépendants spécialisés dans les rituels d’accom mehr freie Ritualbegleiterinnen und -begleiter, pagnement hors Eglise sont de plus en plus nom die sich auf ausserkirchliche Rituale spezialisiert breux. Leurs offres alternatives ne sont parfois pas haben. Ihre Angebote werden nicht von allen du goût des pasteurs et ne respectent pas toujours Pfarrpersonen geschätzt, und nicht immer respek le règlement ecclésiastique. Mais le recul de la tieren sie die Kirchenordnung. Die rückläufige demande peut aussi être compris comme une Nachfrage nach Kasualien kann auch als Kritik am c ritique de l’offre proposée par l’Eglise ou du Angebot der Kirche verstanden werden oder zu moins une invitation à un renouvellement. mindest als Aufforderung zu einer Neugestaltung. Coronavirus oblige, le magazine ne pouvait Die weltweite Coronakrise verpflichtet – und faire l’impasse sur la pandémie qui affecte la ist darum der zweite Schwerpunkt dieser Ausgabe. p lanète entière. Vous verrez dans ce numéro Wir zeigen auf, wie die Kirchgemeinden von Ref comment les paroisses de Refbejuso font face au bejuso während des Lockdowns und in Zeiten von confinement, aux mesures de distanciation et «Social Distancing» gemeinsam mit freiwilligen d’hygiène, mais aussi comment elles viennent «mobilen Boten» ältere und gefährdete Menschen soutenir grâce à des «coursiers mobiles» bénévoles unterstützen; wir sprachen mit Pfarrpersonen, die les aînés et les personnes à risque. Le corps pasto den Menschen in Altersheimen unter erschwerten ral ne ménage pas ses forces pour offrir un accom Bedingungen seelsorgliche Begleitung anbieten; pagnement spirituel jusque dans les maisons de und ein Armeeseelsorger erzählt von seiner Arbeit retraite. Un aumônier de l’armée nous parle ainsi und seiner Hoffnung, dass uns die Krise zusam de son travail et de son espoir de nous voir sortir menschweisst und wir gestärkt aus ihr heraus plus solidaires et plus forts de cette crise. kommen werden. Nous vous souhaitons une belle lecture Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre Nathalie Ogi, rédactrice / Redaktorin ENSEMBLE 2020/49 —– Editorial 3
JEDE ABDANKUNG EIN SONDERFALL? KASUALIEN IM WANDEL SERVICES FUNÈBRES À LA CARTE? LES ACTES ECCLÉSIASTIQUES EN MUTATION Welche Bedeutung haben Kasualien – Taufe, derzeit schwer absehbar. Doch rückt Corona eta Konfirmation, Hochzeit und Bestattung – blierte religiöse Praktiken des Umgangs mit Ster für unsere Kirche? Wie verändern sie sich? ben und Tod ins öffentliche Bewusstsein – und Und welche Herausforderungen ergeben damit auch die Kasualpraxis unserer Kirchen und sich daraus für Kirche und Pfarramt? Religionsgemeinschaften. Ein Überblick. Das Tafelsilber der Kirche Die Volkskirche sei eine «Kasual- und Pastoren Von David Plüss* kirche», titelte die deutsche Theologin Isolde Kar le 2004 im Deutschen Pfarrerblatt. Laut Karle wird Während ich diese Zeilen schreibe, stecken wir die Kirche vor allem über Pfarramt und Kasualien inmitten der Coronapandemie. Sterben und Tod wahrgenommen. Dies liegt vor allem daran, dass sind beängstigend nahe gerückt. Besonders ein ein Grossteil der Mitglieder der Landeskirchen – drücklich sind die Zahlen und Bilder aus Nord etwa 80 bis 90 Prozent – sich kaum am kirchlichen italien: Militärlastwagen, beladen mit an Corona Leben beteiligt. Zudem verstärkte sich in den Verstorbenen, die in einer langen Kolonne in um liegende Krematorien gefahren werden, weil die Brennöfen des kommunalen Krematoriums die Menge nicht mehr zu bewältigen vermögen; Der Markt wird auch grosse Kirchenräume mit aufgereihten Särgen; im Bereich der Kasualien Priester, die den Sterbenden mit Mundschutz oder Schutzkleidung die Sakramente oder zumindest immer wichtiger. den Segen spenden, sich dabei grosser Gefahr aus setzen und zum Teil selbst erkranken. Nicht nur das Sterben hat sich in diesen Tagen 1960er-Jahren eine Entwicklung, die bereits im bis auf Armeslänge angenähert, sondern auch der 19. Jahrhundert eingesetzt hatte: Während der pastorale Umgang damit wurde ins Blickfeld der sonntägliche Gottesdienstbesuch einbrach, blie Öffentlichkeit katapultiert. Die Medien zeigen ben die kirchliche Begleitung und Gestaltung bio Priester und Seelsorgerinnen, die Sterbende be grafischer und familiärer Übergänge wie Geburt, gleiten und Angehörige beraten, berichten über Erwachsenwerden, Familiengründung und Tod Einschränkungen und Gefährdungen und fragen bedeutsam und wurden von den meisten Mitglie nach der Bedeutung von Glauben, Seelsorge und dern noch immer nachgefragt. Dieser Befund wur Bestattungsritualen – Themen, die in normalen de durch viele Studien bestätigt. Die Kirche mau Zeiten keine Pressemeldung und keine Reportage serte sich immer stärker zu einer «Kasual- und wert sind. Pastorenkirche». Die Coronakrise betrifft die Bestattungspraxis Mittlerweile sind aber auch die Kasualien direkt. Ob und wie sie diese verändern wird, ist selbst in Bewegung geraten. Zwar werden Taufen, Hochzeitsfeiern und Bestattungen von vielen Mit gliedern weiterhin nachgefragt und gehören noch * Professor für Homiletik, Liturgik und Kirchentheorie an der Universität Bern immer zum Tafelsilber der Volkskirche. Aber sie 4 D oss i e r —– EN S EM B L E 2020/49
© iStock.com / Thomas Demarczyk Insbesondere Be- stattungen werden der Öffentlich- keit zunehmend ent zogen. Les enterrements font de moins en moins partie de la vie publique.
verändern sich unübersehbar und unabsehbar. der Betroffenen oder der Angehörigen verstanden. Diese Veränderungen werden momentan von der Bestattungsunternehmen regen dazu an, «Bestat Coronakrise überdeckt, werden seitens der Pfarr tungsanordnungen» zu erstellen, in denen Einzel schaft und Kirchgemeinden aber seit Jahren deut heiten des Sterbens und der Bestattung im Voraus lich wahrgenommen. haarklein bestimmt werden. Diese Anordnungen in Bezug auf das eigene Sterben und die eigene Rituale aus Hollywoodfilmen Bestattung können mit den Vorstellungen der An Eine Studie des Berner Pfarrvereins hat darum vor gehörigen kollidieren und auch die Pfarrperson einigen Jahren mittels qualitativer Fallstudien die grössten Herausforderungen am Beispiel der Be stattung erhoben. Diese korrespondieren über weite Strecken mit Veränderungsprozessen, die Einer privatisierten auch die anderen Kasualien betreffen und sich Trauer fehlt der soziale auch in anderen Kirchen der Schweiz und Deutsch lands abzeichnen. Resonanzraum. Privatisierung: Insbesondere Bestattungen werden der Öffentlichkeit zunehmend entzogen. Auf Todesanzeigen wird oft verzichtet. Der Ab herausfordern, wenn etwa die Bestattung der schied am Grab findet im engsten Familienkreis Asche unter der Linde in der Hofstatt des Ver statt. So erhalten Freunde und Bekannte der Ver storbenen im Rahmen einer öffentlichen Feier storbenen keine Möglichkeit, in stimmiger Weise erfolgen soll. Hier sind rituelle Sorgfalt und theo Abschied zu nehmen. Kasualien waren zwar schon logische Reflexion vonnöten. immer eine Angelegenheit der Familie. Aber die Säkularisierung: Die fortschreitende Säkulari Schrumpfung derselben zur Kleinfamilie und der sierung wird nicht zuletzt daran deutlich, dass dezidierte Ausschluss der Öffentlichkeit stellen gewachsene und bewährte religiöse Rituale an eine qualitativ neue Entwicklung dar und sind aus Lebensübergängen in Vergessenheit geraten, an Sicht der Seelsorge kritisch zu beurteilen. Einer Gewicht verlieren und frisch-fröhlich mit neuen privatisierten Trauer fehlt der soziale Resonanz Ritualen aus Hollywoodfilmen oder mit natur- raum. Ohne Einbezug der Gemeinde mutiert die bzw. freireligiösen Vorstellungen und Symbolen Taufe zu einer Einsegnung im Familienkreis. kombiniert werden. Der Wunsch, die Trauerfeier Individualisierung: Die Gestaltung von Lebens in der Kirche mit einer See- oder Waldbestattung übergängen wird immer stärker als Angelegenheit zu kombinieren, ist ein fast schon vertrautes Bei spiel rituell-religiöser Bastelei. Schwieriger wird W EI TERBI LDU N GSKU RS es, wenn die Pfarrerin gebeten wird, in der Feier doch bitteschön auf Gott, Bibel, Gebet und Gesang zu verzichten. Pluralisierung: Die gesellschaftlichen Mega trends geschuldeten Veränderungen führen zu einer grossen Vielfalt von Schwellenritualen. Und mit abnehmender Bekanntheit und Verhaltens sicherheit schwindet und schwächelt die Kraft von KASUALIEN: Liturgien und Symbolen. DER KONKURRENZ VORAUS SEIN Ökonomisierung: Der Markt wird dagegen auch im Bereich der Kasualien immer wichtiger. Im Workshop «Bei Liebe und Tod – Kasualien am Markt» mit Die Kirchen können sich nicht mehr auf ihren Sta Regisseur Thomas Kabel beschäftigt uns die Frage, was kirchliche tus als altehrwürdige Institutionen verlassen. Hochzeiten und Abdankungen gegenüber freien Ritualangebo Ihnen bläst vielmehr der kalte Wind der Konkur ten auszeichnet. Dabei erproben die Teilnehmenden an verschie renz entgegen. Neben Bestattungsunternehmen denen Settings dramaturgische Abläufe. Erkundet werden die und freien Ritualbegleiterinnen und -begleitern, reformierten Zugänge zur Trauung und Abdankung: klassische die sich dezidiert von kirchlichen Inhalten und Trauung, Ehe für alle, Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare, Formen abgrenzen, bieten neu auch christliche Scheidungsrituale und Abdankungen in verschiedenen Formen und kirchennahe Theologinnen und Theologen (Sarg oder Urne) und an unterschiedlichen Orten (Friedhof, Fried ihre rituellen Dienstleistungen auf eigene Rech wald, auf eigenem Boden, Grabfeld für Sternenkinder). nung an. Die Marktsituation ist den kirchlichen Kasualien zwar nicht nur abträglich, da sie dem Kurs: 21. bis 25. September 2020 in Riehen Gegenwartsbezug kirchlicher Praxis auch zusätz Informationen und Anmeldung (bis 31. Juli 2020): lichen Schub verleihen kann. Sie wird jedoch dann www.bildungkirche.ch/kurse problematisch, wenn etwa Bestatterinnen und 6 D oss i e r —– EN S EM B L E 2020/49
Bestatter den Lead übernehmen und Seelsorge s’exposant à un grand danger et tombant parfois und liturgische Angebote der Kirche auf ihrer eux-mêmes malades. Produktpalette erscheinen. Hier scheinen mir kri Si la mort est devenue si proche durant ces tische Diskussionen angezeigt. jours, la pastorale a aussi été propulsée au centre de l’attention du public. Les médias montrent des Vielfältige Handlungsspielräume prêtres et des aumônières et aumôniers accompa Die genannten Faktoren und Entwicklungen gnant des personnes en fin de vie et conseillant w ären zu vertiefen und auch auf die übrigen les proches, évoquent les restrictions et les risques, Kasualien zu beziehen. Wichtig ist festzuhalten, s’interrogent sur l’importance de la foi, de l’ac dass es sich bei den erwähnten Faktoren um so compagnement spirituel et des rites funéraires – genannte «Megatrends» handelt, die sich kaum autant de sujets qui, en temps normal, ne vau beeinflussen lassen und denen wir alle unter draient pas un communiqué de presse ou un liegen, ob wir es wollen oder nicht. Die Kirchen, reportage. kirchliche Mitarbeitende wie auch die akademi La crise du coronavirus a un lien direct avec sche Theologie stehen allerdings in der Verant les obsèques. Il est difficile d’évaluer si elle entraî wortung, die Auswirkungen dieser Trends auf nera des changements chez ces dernières. Mais kirchliche Kasualien aufmerksam zu verfolgen, zu elle attire en tout cas l’attention du public sur analysieren und theologisch zu reflektieren. Da, des pratiques religieuses traditionnelles dans wo sie biblisch-christlichen Grundsätzen und l’approche de la fin de vie et de la mort, et donc Werten widersprechen, sind Handlungsspielräu sur des actes ecclésiastiques de nos Eglises et com me zu identifizieren und Strategien zu entwickeln, munautés religieuses. um Gegensteuer zu geben. Aber insgesamt sind sie als Entwicklungen zu begreifen, die vielfältige Vitrines de l’Eglise Möglichkeitsräume eröffnen, die es mit wachem L’Eglise multitudiniste est une Eglise d’actes ec Sinn und Gottesvertrauen auszuloten und litur clésiastiques et de pasteurs, titrait la théologienne gisch, homiletisch und seelsorgerlich zu gestalten allemande Isolde Karle en 2004 dans le Deutsches gilt. Pfarrerblatt. Selon elle, l’Eglise est surtout perçue à travers le ministère pastoral et les actes. Notam Literatur: ment parce qu’une grande partie des membres de Isolde Karle (2004): Volkskirche ist Kasual- l’Eglise nationale – 80 à 90% environ – ne parti und Pastorenkirche? cipent guère à la vie ecclésiale. En outre, une évo Deutsches Pfarrerblatt (12), 625–630. lution engagée au XIXe siècle s’est renforcée dans les années 1960: alors que la fréquentation du culte dominical s’effondrait, l’accompagnement et l’organisation par l’Eglise des grandes étapes Quelle importance les actes ecclésiasti- biographiques et familiales telles que naissance, F ques – baptême, confirmation, mariage et service funèbre – revêtent-ils pour notre Eglise? Comment évoluent-ils? Et quels en sont les enjeux pour l ’Eglise et le ministère pastoral? Un aperçu. Il manque au deuil privatisé un espace de Par David Plüss* résonance sociale. Alors que j’écris ces lignes, la pandémie de corona virus fait rage. La vie et la mort se sont terriblement entrée dans l’âge adulte, fondation d’une famille rapprochées. Nous avons été frappés par les images et décès restaient importants et souhaités par la et les chiffres de l’Italie du Nord: les camions mili plupart des membres. De nombreuses études le taires chargés de dépouilles de victimes du corona confirment. L’Eglise a ainsi évolué vers une Eglise virus qui roulent en longues colonnes vers les d’actes ecclésiastiques et de pasteurs. crématoires de la région pour décharger les instal Les actes eux-mêmes changent. Baptêmes, ma lations communales débordées; les cercueils ali riages et services funèbres sont encore demandés gnés dans de vastes églises; des prêtres équipés de par beaucoup de gens et restent des vitrines de masques ou de vêtements de protection qui admi l’Eglise multitudiniste. Mais ils se transforment de nistrent les sacrements ou au moins la bénédiction, façon évidente et imprévisible. En ce moment, ces changements sont occultés par la crise du corona virus, mais le corps pastoral et les paroisses les * Professeur d’homilétique, de liturgie et de théorie de l’Eglise à l’Université de Berne perçoivent depuis des années. EN S EM B L E 2020/49 —– D oss i e r 7
© iStock.com / kzenon Le dernier adieu a souvent lieu dans la plus stricte intimité. Der Abschied am Grab findet häufig im engsten Familien- kreis statt.
Des rites de films d’Hollywood ecclésiastiques. Les Eglises ne peuvent plus se re Il y a quelques années, la Société pastorale ber poser sur leur statut d’institution vénérable. Elles noise a mené des études de cas qualitatives pour sont au contraire confrontées à la concurrence. déterminer les principaux défis à relever. Elle s’est Outre les entreprises funéraires et les célébrants basée sur l’exemple des obsèques, dont les proces de rituels laïcs qui se démarquent clairement des sus de transformation correspondent en grande partie à ceux des autres actes et se retrouvent dans d’autres Eglises de Suisse et d’Allemagne. Privatisation: Les obsèques en particulier se Le marché prend une déroulent de plus en plus à l’écart du public. importance accrue y S ouvent, on renonce aux avis mortuaires. Les adieux au cimetière se font dans le cercle familial compris dans le domaine restreint, de sorte que les amis et connaissances ne peuvent plus correctement prendre congé du des actes ecclésiastiques. défunt. Si les actes ecclésiastiques ont toujours été une affaire de famille, le développement des fa milles nucléaires et l’exclusion du public repré formes et contenus ecclésiaux, des théologiennes sentent, qualitativement, une nouvelle évolution et théologiens chrétiens proches de l’Eglise pro et doivent être considérés d’un œil critique du posent désormais des services rituels à leur propre point de vue pastoral. Il manque au deuil privati compte. Cette situation n’a pas que des effets pré sé un espace de résonance sociale. Le baptême judiciables pour les actes ecclésiastiques, car elle célébré sans participation de la paroisse devient peut contribuer à rapprocher la pratique ecclésiale quant à lui une bénédiction dans le cercle familial. du temps présent. En revanche, elle devient pro Individualisation: L’organisation des grandes blématique p. ex. lorsque c’est l’entreprise funé étapes de la vie tend à être considérée comme raire qui prend la direction et qu’elle inscrit des l’affaire des intéressés ou de la famille proche. Les prestations pastorales ou liturgiques de l’Eglise entreprises de pompes funèbres proposent d’éta dans son éventail de services. Dans ce cas, des dis blir des «prévoyances funéraires» pour régler tous cussions critiques me semblent nécessaires. les détails liés à la mort et aux obsèques. Ces dis positions relatives à sa propre mort et à ses propres De nombreuses possibilités obsèques peuvent s’opposer au désir des proches, Les facteurs et évolutions susmentionnés de et poser aussi un défi au pasteur, p. ex. si les vraient être approfondis et mis en rapport avec les cendres doivent être inhumées sous le tilleul dans autres actes ecclésiastiques. Il est important de la cour du défunt lors d’une cérémonie publique. relever que ces facteurs sont des «mégatendances» Il s’agit ici d’être très attentif aux rites et de mener sur lesquelles nous n’avons guère d’influence et une réflexion théologique. auxquelles nous sommes tous soumis, que nous Sécularisation: La sécularisation croissante se le voulions ou non. Les Eglises, leurs collabora manifeste notamment dans le fait que des rites trices et collaborateurs de même que la théologie religieux éprouvés marquant les grandes étapes universitaire se doivent de suivre attentivement de la vie tombent dans l’oubli, perdent en impor leur influence sur les actes ecclésiastiques, de les tance ou sont allègrement combinés avec de nou analyser et les soumettre à une réflexion théolo veaux rites de films d’Hollywood ou des représen gique. Lorsque ces tendances s’opposent à des tations et symboles religieux libres ou inspirés de principes et valeurs bibliques et chrétiens, il faut la nature. L’association entre service funèbre à chercher des solutions et concevoir des stratégies l’église et dispersion des cendres dans un lac ou pour tenter de les corriger. Mais d’une manière en forêt est devenue un exemple quasi familier générale, elles doivent être considérées comme d’assemblage rituel et religieux. Où cela devient des évolutions ouvrant de nombreuses possibilités plus problématique, c’est quand la pasteure est qu’il s’agit d’explorer lucidement en se fiant à Dieu gentiment priée d’oublier Dieu, Bible, prière et et de développer sur le plan liturgique, homilé chant pendant la cérémonie... tique et pastoral. Pluralisation: Les transformations induites par les mégatendances sociales se traduisent par une grande diversité de rites de passage. Le fait que ces rites et les comportements à adopter de viennent de moins en moins familiers affaiblit la force des liturgies et des symboles. Economicisation: Le marché prend une impor tance accrue y compris dans le domaine des actes EN S EM B L E 2020/49 —– D oss i e r 9
ZWISCHEN WUNSCH UND AUFTRAG KASUALPRAXIS IN EINER PLURALEN GESELLSCHAFT ENTRE DÉSIRS ET MISSION LES ACTES ECCLÉSIASTIQUES DANS UNE SOCIÉTÉ PLURALISTE Henriette Cann-Guthauser, Pfarrerin besuchen. Als Pfarrer der «Unfassbar» merke ich, in Unterseen, und Tobias Rentsch, Pfarrer dass viele Menschen sehr gerne in Kontakt mit der in Aarwangen und Mitbegründer der Kirche treten, wenn diese hinaus zu den Menschen «Unfassbar», über rückläufige Kasualien, geht. Darum sollten wir uns fragen, ob Kasualien individuelle Gestaltungswünsche und der einzige Berührungspunkt sind. Denn rückläu säkulare Konkurrenzangebote. fige Kasualien sind messbar; ob sich die Menschen hingegen über andere Wege mit der Kirchgemein de verbunden fühlen, etwa durch Gemeindebrie Von Matthias Zeindler und Franziska Huber* fe oder die Zeitung «reformiert.», ist nicht messbar. Darum sollte man die rückläufigen Zahlen relati Noch vor zwanzig Jahren wurden die meisten Men- vieren. schen als Kleinkinder getauft und als Jugendliche Cann-Guthauser: Ich denke auch, dass sich Ver konfirmiert; später wurden sie kirchlich getraut, bundenheit mit der Kirche nicht unbedingt an nach ihrem Tod kirchlich bestattet. Seither jedoch Gottesdienstbesuchen oder Kasualien zeigen sind Kasualien immer weniger gefragt. Spüren Sie muss. Unsere Angebote der Kinder- und Jugend diesen rückläufigen Trend auch? arbeit etwa nutzen Leute, die man sonst nie in der Henriette Cann-Guthauser: Ja, es hat sich auch Kirche sieht. Eine gewisse Verbundenheit mit der in Unterseen sehr verändert. Am stabilsten sind die Kirche sieht man auch bei kulturellen Anlässen. Zahlen bei den Taufen. Bei den Konfirmationen hin gegen schwanken sie von Jahr zu Jahr. Am meisten spürt man den rückläufigen Trend bei den Trau ungen. Bei Bestattungen hingegen ist die Kirche noch am meisten gefragt. Aber auch dort schwankt die Zahl jährlich um bis zu fünfzig Prozent. Tobias Rentsch: Ich war als Pfarrer sowohl in städtischen wie auch ländlichen Gemeinden tätig und machte die Erfahrung, dass es auch auf dem Land immer weniger kirchliche Bestattungen gibt. Und in der Stadt wünschen viele Menschen eine Trauerfeier am Grab, nicht in der Kirche. Auch in ländlichen Gebieten merkt man diesen Trend. Früher waren Kasualien der wichtigste Berüh- rungspunkt mit der Kirche, sozusagen der «Pfeiler © zVg der Volkskirche». Ist das heute noch der Fall? Rentsch: Es ist eine Frage der Perspektive. Für Henriette Cann-Guthauser ganz viele Menschen hat die Kirche einen hohen Stellenwert, auch wenn sie keine Gottesdienste «Mir ist es wichtig, dass * Matthias Zeindler ist Leiter Bereich Theologie die Taufe in einem Gemeinde der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn; Franziska Huber ist Beauftragte für Theologie gottesdienst stattfindet.» 10 D oss i e r —– EN S EM B L E 2020/49
Auch unser soziales Engagement, etwa die landeskirchlicher Anspruch infrage gestellt, unse « Mobilen Boten» oder «Tischlein deck dich», re Botschaft allen Menschen mitzugeben, sie zu werden von der Bevölkerung sehr geschätzt. trösten und mit ihnen zu feiern. Rentsch: Ich bekomme regelmässig Anfragen Müssen wir uns also nach alternativen Berüh- von Menschen, die noch nicht sicher sind, ob sie rungspunkten umsehen? eine landeskirchliche Pfarrperson haben möchten Rentsch: Im Studium lernten wir, dass Kasua oder doch lieber einen Ritualbegleiter. Im Ge lien die wichtigsten Berührungspunkte mit den spräch tasten sie ab, was ich zu bieten habe. Es ist sogenannt distanzierten Mitgliedern seien und definitiv eine Konkurrenzsituation. Ich nehme es man durch sie die Möglichkeit habe, die Menschen aber sportlich und gehe mit der Haltung ins Ge in der Kirche zu halten. Ich finde aber, es gibt v iele spräch, dass ich das bessere Angebot habe. Wenn andere Möglichkeiten, als Kirche mit den Men sie sich für eine Ritualbegleiterin entscheiden, schen in Kontakt zu kommen. Wir versuchen dies nehme es nicht persönlich. ja mit der «Unfassbar», wo sich sehr viele Kontak te ergeben, auch mit Menschen, die nicht Mitglied Kasualien haben sich in den letzten Jahren stark einer Kirche sind oder anderen Religionsgemein individualisiert. Als Pfarrperson kommt man nicht schaften angehören. darum herum, die unterschiedlichen Gestaltungs- wünsche aufzunehmen. Wie erleben Sie diese I ndividualisierung? Rentsch: Ich habe auch schon Trauungen und eine Bestattung auf einem Berg oder dem Bauern hof durchgeführt. Die Grenze ist für mich einzig und allein eine theologische: Ich bin reformierter Pfarrer und biete einen reformierten Gottesdienst an. Wenn ein spezifischer Wunsch eines Paares verhindern würde, einen «ordentlichen» Gottes dienst durchzuführen, würde ich den Auftrag nicht annehmen – das war bisher aber noch nie der Fall. Ich versuche, den Wünschen der Be teiligten so weit wie möglich nachzukommen. Cann-Guthauser: Ich verstehe mich als «Verbi © zVg Divini Ministra», als Dienerin des göttlichen Wor tes. Solange ich diesen Auftrag erfüllen kann, sind Tobias Rentsch individuelle Wünsche für mich in Ordnung. Ich stelle jedoch fest, dass heutzutage viele Menschen «Ich finde es schwierig, Kasualien in erster Linie als Familienangelegen wenn Kasualangebote nur heit ansehen und nicht als Feier der Gemeinde. Mir ist es wichtig, dass die Taufe in einem Gemein Kirchenmitgliedern degottesdienst stattfindet. Denn ich verstehe die offenstehen.» Kindertaufe nicht nur als Segens- und Dankes ritual, sondern auch als Aufnahmeritual in die Cann-Guthauser: Ich würde auch sagen, dass christliche Gemeinschaft. Ohne anwesende Ge wir mit den Kasualien allein die Volkskirche nicht meinde macht die Taufe wenig Sinn. Auch bei retten. Kirchendistanzierte Menschen kommen Beerdigungen ermutige ich die Leute zu einer nicht wegen einer schönen Trauung oder einer öffentlichen Abdankung. berührenden Beerdigung vermehrt in den Gottes dienst. Meine Missionsfelder liegen darum wo Sie sagen, dass die Taufe im Gemeindegottesdienst anders. Die Kasualien nehme ich darum aber nicht stattfinden soll. Verstehen Sie unter «Gemeinde» weniger ernst. Doch es gibt fruchtbarere Berüh die Kirchgemeinde? rungspunkte. Cann-Guthauser: Ich denke, da kommen meh rere Begriffe von Gemeinde zusammen. Bei einer Es gibt immer mehr freie Ritualbegleiterinnen und Taufe sind erster Linie Familie und Bekannte an -begleiter. Nehmen Sie diese als Konkurrenz wahr wesend, aber auch diejenigen, die unser Kirchen oder gibt es eine Zusammenarbeit? leben tragen durch ihr regelmässiges Engage Cann-Guthauser: Für mich ist es ein zwiespäl ment. Es gibt christliche Kirchen, wo die Taufe tiges Phänomen. Da ich ja nicht allen Menschen ausserhalb des Gemeindegottesdienstes stattfin bieten kann, was ihnen entspricht, ist es einerseits det. Dort steht von mir aus gesehen ein anderes befreiend. Andererseits jedoch wird dadurch unser Taufverständnis dahinter. Da bekomme ich ganz EN S EM B L E 2020/49 —– D oss i e r 11
© iStock.com / Pollyana Ventura Trauungen in persönlich theologische Schwierigkeiten mit dem In Deutschland laufen Debatten um die Einfüh- der Natur: Ist ein Begriff und der Praxis der Kindertaufe. rung von sogenannten Kasualagenturen. Diese «ordentlicher» Gottesdienst so Rentsch: Ich plädiere auch bei Taufen für eine zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass noch möglich? Öffnung. Dafür gibt es gute theologische Gründe, sie den Bedürfnissen von Menschen, welche sich Mariages dans denn Gemeinde entsteht, wo das Wort Gottes kom keiner Kirchgemeinde verbunden fühlen, besser la nature: un ser- vice «en bonne et muniziert wird. entsprechen können. Wäre eine solche Agentur due forme» est-il auch bei uns denkbar? encore possible ainsi? Zur pluralen Gesellschaft gehört auch, dass wir Rentsch: Ich habe diesbezüglich keine Berüh zunehmend mit Wünschen nach Kasualien von rungsängste. Um denen eine Tür zu öffnen, die Menschen konfrontiert sind, die nicht Mitglied der keinen persönlichen Kontakt zur Dorfpfarrerin Kirche sind. Wie gehen Sie damit um? haben, erachte ich eine Kasualagentur als sinn Rentsch: Ich bin eher selten mit solchen volle Ergänzung zum bestehenden Angebot der Wünschen konfrontiert, plädiere aber für eine Kirchgemeinden. möglichst grosse Offenheit. So versuche ich, auch Cann-Guthauser: Wenn es noch weitere Mög Menschen, die nicht unserer Kirche angehören, lichkeiten gibt, Menschen zu erreichen, finde ich das Evangelium zu vermitteln, und auch Kirchen das grundsätzlich begrüssenswert. Eine solche fernen eine Möglichkeit zu geben, ihr Leben in Agentur könnte für Pfarrpersonen natürlich eine den Wirkungsraum von Gott zu stellen. Ich finde Entlastung sein. Es könnte auch heissen, dass es schwierig, wenn Angebote der Kirche nur Mit Pfarrpersonen, die keine theologischen Schwierig gliedern offenstehen. keiten mit alternativen Formen von Ritualen ha Cann-Guthauser: Manchmal fragen Bestatter ben, Bedürfnissen nachkommen könnten, die an, ob wir Menschen beerdigen können, die aus anderen Pfarrpersonen Gewissensbisse bereiten. der Kirche ausgetreten sind. Da versuche ich im Gespräch abzuklären, wieso es zum Austritt ge In welche Richtung sollte sich die Kasualpraxis kommen ist und welchen Weg die Angehörigen unserer Kirche entwickeln? und ich gehen können. Ich verstehe eine Ab Rentsch: Die Kasualpraxis muss sich nicht in dankung immer als Dienst an den Hinterbliebe eine bestimmte Richtung entwickeln, sondern die nen. Solange wir es uns finanziell leisten können, Kirche und ihre Praxis müssen beweglich bleiben. grosszügig zu sein, gehört dies zu unserer Haltung Cann-Guthauser: Das geheimnisvolle Wechsel als Kirche. Denn Jesus war es auch. spiel zwischen Mensch und Gott muss weiterhin 12 D oss i e r —– EN S EM B L E 2020/49
enterrements en revanche, on fait le plus souvent encore appel à l’Eglise. Mais là aussi leur nombre peut varier jusqu’à 50% annuellement. Tobias Rentsch: J’ai exercé mon ministère dans des paroisses urbaines et rurales et pu constater que les services funèbres diminuent aussi à la cam pagne. En ville, beaucoup de gens souhaitent une cérémonie funéraire au cimetière et non dans l’église. Cette tendance se remarque aussi dans les régions rurales. Auparavant, les actes ecclésiastiques constituaient le plus important lien avec l’Eglise, ils étaient en quelque sorte le «pilier de l’Eglise multitudiniste». Est-ce encore le cas aujourd’hui? Tobias Rentsch: C’est une question de perspec tive. Beaucoup de personnes trouvent l’Eglise im portante même si elles n’assistent pas aux cultes. En tant que pasteur du «Bar de l’improbable», je vois que beaucoup aiment le contact avec l’Eglise lorsqu’elle vient à leur rencontre. Il faut donc nous demander si les actes ecclésiastiques sont le seul lien. Car si leur recul est mesurable, les gens peuvent aussi se sentir liés à la paroisse par d’autres voies, comme les circulaires ou le journal «Réformés», ce qui n’est pas mesurable. Il convient donc de relativiser ce recul des chiffres. Henriette Cann-Guthauser: Je pense aussi que sichtbar bleiben, damit man vielleicht alte Formen le lien à l’Eglise ne s’exprime pas forcément par wiederentdecken und neue Formen finden kann. la participation aux cultes ou par les actes ecclé Gott, der sich den Menschen zuwendet, und die siastiques. Nos activités auprès de l’enfance sont Menschen, die sich Gott zuwenden, sollen dabei utilisées par des personnes qu’on ne voit sinon im Zentrum sein. jamais à l’église. Un certain lien avec l’Eglise s’observe aussi lors de manifestations culturelles. De même, notre engagement social, comme Henriette Cann-Guthauser, pasteure à Un «Entraide-à-votre-porte» ou «Table couvre-toi», est F terseen, et Tobias Rentsch, pasteur à Aar très apprécié par la population. wangen et co-fondateur du «Bar de l’improbable», s’expriment sur le recul des actes ecclésiastiques, les désirs individuels et la concurrence laïque. Par Matthias Zeindler et Franziska Huber* Il y a vingt ans, la plupart des gens étaient bapti- sés enfants et confirmés à l’adolescence; plus tard, ils se mariaient à l’Eglise, et après leur mort é taient enterrés à l’Eglise. Mais aujourd’hui, les actes ec- clésiastiques sont de moins en moins demandés. Ressentez-vous aussi ce recul? Henriette Cann-Guthauser: Oui, il y a aussi eu © zVg beaucoup de changement à Unterseen. Le nombre de baptêmes reste assez stable. Pour les confirma Henriette Cann-Guthauser tions, il fluctue d’une année à l’autre. Le recul le plus marqué s’observe chez les mariages. Pour les «Pour moi, il est important * Matthias Zeindler est responsable du secteur Théologie que le baptême ait lieu lors des Eglises réformées Berne-Jura-Soleure; Franziska Huber est chargée de questions théologiques d’un service religieux.» EN S EM B L E 2020/49 —– D oss i e r 13
Devons-nous chercher d’autres possibilités de aspiration, en tant qu’Eglise nationale, à trans contact? mettre notre message à tous les humains, à les Tobias Rentsch: Pendant les études, nous avons consoler et célébrer avec eux est ainsi remise en appris que les actes ecclésiastiques étaient le prin question. cipal lien avec les membres dits «distancés» et Tobias Rentsch: Je reçois régulièrement des qu’ils contribuaient à maintenir les personnes demandes de personnes qui hésitent entre une dans l’Eglise. Mais je trouve qu’il y a beaucoup pasteure de l’Eglise nationale ou un célébrant de d’autres possibilités d’entrer en relation avec les rituel laïc. Durant l’entretien, elles testent ce que gens en tant qu’Eglise. Nous l’essayons avec le «Bar j’ai à proposer. C’est clairement une situation de de l’improbable», où de très nombreux contacts concurrence. Mais je l’accepte sportivement et s’établissent, aussi avec des personnes qui ne sont tente de montrer que mon offre est la meilleure. pas membres d’une Eglise ou appartiennent à une Si elles optent pour une célébrante de rituel laïc, autre communauté religieuse. je ne le prends pas personnellement. Ces dernières années, les actes ecclésiastiques se sont beaucoup individualisés. En tant que pasteu- res et pasteurs, nous devons forcément être à l’écoute des différents souhaits. Comment ressen- tez-vous cette individualisation? Tobias Rentsch: J’ai déjà organisé des mariages et un service funèbre en montagne ou à la ferme. La seule limite pour moi est théologique: je suis un pasteur réformé et propose un culte réformé. Si les désirs spécifiques d’un couple devaient m’empêcher de célébrer un culte «dans les règles», je n’accepterais pas le mandat. Mais cela n’est en core jamais arrivé. J’essaie de satisfaire au mieux les désirs exprimés. Henriette Cann-Guthauser: Je me conçois © zVg comme une «Verbi Divini Ministra», une servante de la Parole de Dieu. Tant que je peux remplir cette Tobias Rentsch mission, j’accepte les désirs individuels. Cepen dant, je constate qu’aujourd’hui, beaucoup consi «Je trouve difficile dèrent les actes ecclésiastiques avant tout comme lorsque les offres d’actes une affaire de famille et non comme une célébra tion de la paroisse. Je trouve important que le ecclésiastiques ne sont baptême soit intégré dans un culte de la commu ouvertes qu’aux membres nauté. Car je conçois le baptême des enfants non de l’Eglise.» seulement comme un rite de bénédiction et de remerciement, mais aussi comme un rite d’accueil dans la communauté chrétienne. Sans la présence Henriette Cann-Guthauser: Je dirais aussi que de la communauté, le baptême a peu de sens. Pour nous ne pouvons pas sauver l’Eglise multitudiniste les enterrements aussi, j’encourage à choisir un rien qu’avec les actes ecclésiastiques. Les per service funèbre public. sonnes distancées ne retourneront pas plus sou vent au culte à cause d’un beau mariage ou d’un Vous dites que le baptême devrait être célébré lors enterrement émouvant. Mes champs de mission d’un culte de la communauté. Entendez-vous par sont ailleurs. Cela ne signifie pas que je prends «communauté» la «paroisse»? moins au sérieux les actes ecclésiastiques. Mais il Henriette Cann-Guthauser: Je pense qu’on re existe des points de contact plus fructueux. trouve ici plusieurs notions de la communauté. L’assemblée présente lors d’un baptême comprend Il y a de plus en plus de célébrantes et célébrants en premier lieu la famille et les proches, mais a ussi de rituels laïcs. Les considérez-vous comme une les personnes qui soutiennent notre vie ecclésiale concurrence ou collaborez-vous avec eux? par leur engagement régulier. Dans certaines Henriette Cann-Guthauser: Pour moi, c’est un Eglises chrétiennes, le baptême se déroule en- phénomène ambivalent. D’une part, comme je ne dehors du culte de la communauté. De mon point peux pas offrir à tous les gens ce qui leur corres de vue, cela sous-entend une autre conception du pond, cela me décharge. Mais d’autre part, notre baptême. Ce qui me pose personnellement des 14 D oss i e r —– EN S EM B L E 2020/49
difficultés théologiques par rapport à la concep ques («Kasualagenturen»). Elles se distinguent tion et à la pratique du baptême des enfants. notamment en ceci qu’elles permettent de mieux Tobias Rentsch: Je plaide, pour les baptêmes répondre aux besoins de personnes qui ne se sen- aussi, en faveur d’une ouverture. Celle-ci se justifie tent pas liées à une paroisse. Ces agences seraient- pour des raisons théologiques, car la communauté elles envisageables chez nous? se forme là où la Parole de Dieu est communiquée. Tobias Rentsch: Cela ne me pose pas de pro blème. Je pense qu’elles peuvent compléter utile La société pluraliste a pour conséquence que nous ment l’offre des paroisses en ouvrant une porte à sommes de plus en plus confrontés à des demandes ceux qui n’ont pas de contact personnel avec la d’actes ecclésiastiques de personnes extérieures à pasteure du village. l’Eglise. Comment les abordez-vous? Henriette Cann-Guthauser: S’il existe d’autres Tobias Rentsch: Je reçois assez rarement ce possibilités d’atteindre les gens, je trouve que c’est genre de demande, mais je plaide pour la plus une bonne chose. Ces agences pourraient naturel grande ouverture possible. J’essaie de transmettre lement soulager le corps pastoral. Et des pasteures aussi l’Evangile à des personnes n’appartenant pas et pasteurs n’éprouvant pas de réticence théolo à notre Eglise, et de donner ainsi à celles et ceux gique face aux formes rituelles alternatives pour qui s’en sont éloigné une possibilité d’intégrer raient ainsi répondre à des besoins qui posent un Dieu dans leur vie. Je trouve délicat que des offres conflit de conscience à d’autres ministres. de l’Eglise soient réservées aux membres. Henriette Cann-Guthauser: Des entreprises fu Dans quelle direction notre Eglise devrait-elle néraires nous demandent parfois si nous pouvons orienter sa pratique des actes ecclésiastiques? célébrer les obsèques de personnes sorties de Tobias Rentsch: La pratique des actes n’a pas l’Eglise. J’essaie par le dialogue de connaître les besoin de se développer dans une direction don raisons de ce départ et les voies envisageables née, c’est à l’Eglise et à ses pratiques de rester en pour les proches et moi-même. Je conçois le ser mouvement. vice funèbre comme un service à la famille en Henriette Cann-Guthauser: Il faut que l’inter Les baptêmes deuillée. Tant que nos finances nous permettent action mystérieuse entre l’humain et Dieu reste célébrés dans le cercle familial d’être généreux, nous nous devons de l’être en tant visible, afin que l’on puisse peut-être redécouvrir immédiat font- qu’Eglise. Car Jésus l’était aussi. d’anciennes formes ou en trouver de nouvelles. ils sens? Au centre de cette démarche doit figurer Dieu qui Machen Taufen im engsten En Allemagne, on discute actuellement de l’intro- se tourne vers les humains, et les humains qui se Familienkreis duction d’agences proposant des actes ecclésiasti- tournent vers Dieu. Sinn? © Keystone / Caro / Bastian EN S EM B L E 2020/49 —– D oss i e r 15
K AS UA LAGEN TU REN «Wir sollten unsere Schätze zeigen» Emilia Handke ist Leiterin der Fachstelle fallen, so frei und flexibel zu agieren wie freie «Kirche im Dialog» der Evangelisch-Luthe- Ritualbegleiterinnen und -begleiter. Wir brauchen rischen Kirche in Norddeutschland. Die kirchliche Stellen, die diese Offensive stellvertre promovierte Theologin setzt sich mit Fragen tend für die umliegenden Gemeinden starten, sich des gesellschaftlichen Wandels und mit ihnen gezielt vernetzen und bei grosser Nach seiner Auswirkungen auf die Kirchen frage auch unterstützend tätig werden. Zum an auseinander. Einer der Brennpunkte dieses deren könnte eine Kasualagentur Angebote für Wandels sind Kasualien. Zielgruppen entwerfen, die im Rahmen der Ge meindearbeit immer noch zu wenig im Blick sind, Von Bernd Berger* Frau Handke, bei der Gestaltung von Taufen, Trau- ungen und Bestattungen sind die Kirchen mit unterschiedlichsten Wünschen konfrontiert. Oft wird der Gemeindegottesdienst nicht mehr als selbstverständlicher Rahmen für diese Feiern an- gesehen. Auch sehen sich Kirchgemeinden einem wachsenden Markt freier Ritualbegleiterinnen und -begleiter gegenüber. Wie nehmen Sie diese Ent- wicklungen wahr und wie könnten ihnen die Kir- chen angemessen begegnen? Was Sie beschreiben, unterstreicht die immer währende Aufgabe der Kirchen, sich neu zu kon © Thomas Hirsch-Hüffell textualisieren und die Rahmenbedingungen für die Kommunikation des Evangeliums anzupassen und gegebenenfalls zu erweitern. Es gibt eine wachsende Zahl an Kirchenmitgliedern, für die der Zugang zu Religion und Kirche nicht über die Kirchgemeinde und den Gottesdienst stattfindet, Emilia Handke sondern zum Beispiel über die Medien oder per sönliche Verbindungen zu religiös oder spirituell «Eine Kasualagentur sollte wirksamen Persönlichkeiten. Dem gilt es Rech den Kirchgemeinden nichts nung zu tragen. Es braucht zumindest in grossen Städten gemeindeübergreifende Einrichtungen, wegnehmen, sondern deren die Kasualien gezielt bewerben und eine hohe Angebot ergänzen.» Serviceorientierung bieten. Wir sollten unsere rituellen Schätze stärker zeigen und unser Licht nicht unter den Scheffel stellen. etwa für Alleinerziehende und für Menschen, die nicht im Sonntagsgottesdienst sozialisiert sind: Das wäre dann das Modell einer Kasualagentur. «Kasualpakete» wie etwa eine Taufe am Strand mit Was kann eine Kasualagentur leisten, was einer anschliessender Feier, Trauungen im Stadion oder Kirchgemeinde nicht möglich ist? mit verschiedenen musikalischen Stilrichtungen. Für die auf ein umfassendes Angebot ausge richteten Kirchgemeinden ist es schwer, eine Of Was wären die konkreten Aufgaben einer Kasual- fensive zu starten, um die Menschen zu erreichen, agentur? die für Kasualien nicht mehr selbstverständlich Erstens müsste sie digitale Zugänge zu Kasua zu ihr kommen. Pfarrpersonen sind in der Regel lien schaffen, zeitliche Flexibilität sowie eine krea Generalisten, Kasualien machen nur einen kleinen tive geistliche Gestaltung der Kasualpraxis durch Teil ihrer Arbeitszeit aus. Es wird ihnen schwer ein pastorales Team garantieren und diese Ange bote offensiv über ein zentrales Portal bewerben. Zweitens sollte sie die Gemeinden zu einer Profi * Leiter Weiterbildung pwb bei den Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn lierung ihrer Kasualpraxis vor Ort anregen, sie 16 D oss i e r —– EN S EM B L E 2020/49
dabei unterstützen und vernetzen. Eine Kasualagentur wäre also zum einen eine zentrale Anlaufstelle, die leicht erreichbar und im Internet gut auffind bar ist, und sie würde gleichzeitig ein Netz von spezialisierten Pfarrpersonen aufbauen, Musikerinnen vermitteln, schöne Hochzeitskirchen anbieten und gewissermassen als kirchliche «Ritual begleitungsagentur» auftreten. Aber haben Tauf-, Hochzeits- und Bestattungsz eremonien nicht auch et- was mit Zugehörigkeit zu einer konkre- ten Kirchgemeinde zu tun? Führen © iStock.com / gustavofrazao Kasualagenturen nicht letztlich dazu, dass wir zu einem Dienstleistungs betrieb für die Bedürfnisse der Leute werden und unsere eigene Identität preisgeben? Für einige Menschen ist es so: Sie werden als Kind getauft und binden sich im Lau Menschen Ritualbegleiterinnen und -begleiter Digitale Zugänge zu Kasualien: ein fe ihres Lebens an eine Gemeinde. Für viele Men anfragen, die ihre Freiheit weniger einschränken Gebot der Stunde? schen jedoch und auch für jüngere Generationen als wir. Die Logik des religiösen Marktes greift L’accès numérique ist dies immer weniger der Fall. Es gibt eine be längst – die Frage ist, wie wir im Dienste einer aux actes ecclé achtliche Zahl an Menschen, die eine grosse Offen gelingenden Kommunikation des Evangeliums siastiques: un impératif de heit für Religion und Kirche mitbringen, jedoch angemessen darauf reagieren. notre époque? keine Kirchgemeinde als religiöses Zuhause ha ben. Um diesen sehr hohen Prozentsatz unserer Was würden sie einer Gemeindepfarrerin ant Mitglieder bemühen wir uns in der Regel recht worten, die einer Kasualagentur vorwirft, ihr An- wenig. Wir gehen als Pfarrpersonen häufig von gebot nehme den Kirchgemeinden etwas weg, was unserer eigenen religiösen Sozialisation aus – das zu ihrem Wesen gehört? Inwiefern profitieren die führt aber zu Kommunikationsproblemen, die wir Kirchgemeinden von einer Kasualagentur? uns nicht länger leisten können, wenn man die Eine Kasualagentur sollte den Kirchgemeinden Abbrüche in der religiösen Tradierung betrachtet. nichts wegnehmen, sondern deren Angebot er In der Nordkirche lassen nur noch etwa 60 Prozent gänzen: indem sie einen Zugang schafft für die der Familien mit mindestens einem evangelischen vielen Menschen, die nicht mehr erreicht werden. Elternteil ihr Kind taufen. Und zur Frage nach der Sie erfüllt eine Aufgabe, die die Kirchgemeinden Identität: Die Wege des Glaubens und des religiö nur bedingt erfüllen können: flexibel auf indivi sen Ausdrucks sind und waren immer verschieden. duelle Wünsche im Hinblick auf die Gestaltung Gemeinden sind dazu sehr wichtig, aber eben von Kasualfeiern reagieren und die Zielgruppen nicht die einzige religiöse Lebensform. arbeit verstärken. Dies ist mit dem pfarramtlichen Alltagsgeschäft aus meiner Sicht nur schwer zu Könnte eine Kasualagentur, die nach Angebot und vereinbaren. Ausserdem kann es als hilfreich er Nachfrage funktioniert, nicht auch Konkurrenz lebt werden, bei Überbelastung etwa eine Trau und Neid unter Pfarrerinnen und Pfarrern fördern? ung am anderen Ende des Kirchengebiets an die Sollen wir uns dieser Marktlogik wirklich unter- Kasualagentur zu delegieren. werfen? Auch diese Frage zeigt, wie stark wir von Wie stellen Sie sich die kirchliche Kasualpraxis in unserer eigenen Perspektive geprägt sind und da zwanzig Jahren vor? bei Gefahr laufen, die Perspektive unserer Kirchen Ich denke, es wird immer Menschen geben, die mitglieder aus den Augen zu verlieren. Jesus hat sich für Kasualien an ihre Gemeinde wenden. Aber die Frage umgedreht und gefragt: «Was willst du, diese Zahl wird kleiner werden. Daneben wird es dass ich dir tun soll?» Faktisch sehen wir bei wohl in allen grösseren Städten so etwas wie Kasualien bereits heute oft, dass die Leute die Kasualagenturen geben, die den Zugang zu Reli Pfarrperson aussuchen wollen. Wenn wir nicht gion und Kirche für andere Menschen ermög bereit sind, uns stärker nach der Vielfalt der unter lichen. Das wird eine spannende Zeit und ich bin schiedlichen Gaben auszurichten, werden die dankbar dafür, dass wir sie gestalten dürfen. EN S EM B L E 2020/49 —– D oss i e r 17
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