Mut, Veranwortung, Haltung - Große und kleine Wunden der Branche beleuchtete der Journalistentag 2018 in Dortmund - DJV-NRW Journal

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                                                   Volle Reihen gab es in der Aula der Sparkassen­
                                                   akademie unter anderem beim Impulsvortrag.

Mut, Veranwortung, Haltung
Große und kleine Wunden der Branche beleuchtete der Journalistentag 2018 in Dortmund

D       er Spruch über dem Eingang der Sparkas-
        senakademie in Dortmund-Hörde grüßt
   die Besucherinnen und Besucher des Journa­
                                                   ersten Kaffee zu begrüßen. Bevorzugte Anlauf-
                                                   stelle für Kaffeekenner ist den ganzen Tag über
                                                   der Stand der Sparkassenverbände im Foyer mit
                                                                                                        quent weiter daran ­arbeiten, was die Menschen
                                                                                                        bewegt und beschäftigt. Zugleich aber müssen
                                                                                                        wir richtigstellen und aufklären, müssen Kontext
listentags 2018: „Auch kleine Wunden halte         seinen fleißigen B­ aristas. In der großen Aula im   herstellen.“
verbunden.“ Die Mahnung an der einstigen           ersten Stock spricht Frank Stach bei der             Mit bedrückenden Beispielen und klaren Wor-
Zentrale des Hoesch-Stahlwerks hat die Zeit
­                                                  ­Begrüßung über die vielen roten Linien, die der-    ten beschreibt Roth den gezielten Angriff auf die
überdauert – und passt. Denn gesprochen wird       zeit in der Journalismus-Branche überschritten       Grundlagen der Demokratie, auf Moral und
an diesem zweiten November-Samstag über die        werden. „Geht der Journalismus mit seiner Viel-      Ethik, auf den Zusammenhalt der Gesellschaft.
großen und kleinen Wunden des Journalismus.        falt flöten, dann nähert sich die Demokratie         „Was hier gerade passiert, ist kein Zufall, kein
An e­inem Ort, der selbst mal eine Wunde im        langsam der Dämmerung“, sagt er. „Freiheit ist       Spiel, kein Geplänkel.“ Wer sich der Demokra-
Stadtbild war, als dort nach mehr als 160 Jahren   keine Selbstverständlichkeit.“                       tie- und Menschenfeindlichkeit der Rechten
kein Stahl mehr gekocht wurde. Und der jetzt                                                            und Populisten entgegenstelle, müsse damit
frisch ­saniert als Schmuckstück am künstlich      Die Verrohung der Sprache                            rechnen, angegriffen und eingeschüchtert zu
­angelegten Phoenixsee prangt.                     Dass auch die Sprache Wunden schlagen kann,          werden: „Es geht um Angstmachen, Stillmachen,
 Die Krise der Zeitungslandschaft steht ebenso     zeigt Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth         Vernichten von Personen.“
 auf dem Programm wie der Umbruch im Radio-        an diesem Morgen in ihrem ­Impulsvortrag             Aber es gibt Unterstützer, und auch die richtige
 markt. Und die nahe Zeit, in der Algorithmen      „Hart, aber mit Respekt: Wie Medien politische       Bericht­erstattung im entscheidenden Moment
 quasi zu Arbeitskollegen werden. Mehr als 500     Streitkultur reflektieren“, gefolgt von einem        hilft, um eine Welle von Hassbotschaften auszu-
 Kolleginnen und Kollegen aus Nordrhein-West-      ­Gespräch mit Moderatorin Andrea Hansen. Die         halten, sagt Roth. Sie selbst habe ­beschlossen,
 falen zieht der Branchentreff diesmal an. Mit      Reihen sind voll, an den Wänden sitzen Jüngere      nicht kalt zu werden mit „versteinertem Herzen“.
                                                                                                                                                             Fotos auf dieser Doppelseite: Alexander Schneider

 dem e­rneuten Umzug ist er zurück in Dort-         auf dem Boden. Roth ruft dazu auf, „immer wie-      Ihre Botschaft an hasserfüllte Gegner: „Meine
 mund. Vor 15 Jahren hatte der damalige DJV-        der daran zu erinnern, wie bedeutsam das hohe       Angst bekommt ihr nicht!“
 Landesvorsitzende Gregor Spohr im dortigen         Gut der Meinungs- und Redefreiheit ist. Dass        Zu denen, die der Grünen-Politikerin lauschen,
 Rathaus den ersten Journalistentag NRW als         diese aber auch Grenzen braucht, um zu beste-       gehört Leo Delitsch aus Haltern am See. Er ist
 ­Angebot „von Kollegen für Kollegen“ eröffnet.     hen. Hass und Hetze sind eben keine Meinung,        19, bloggt leidenschaftlich gern über Sport und
  Der heutige Landesvorsitzende Frank Stach ist     sie sind ein Angriff auf uns alle. Nicht zuletzt    besucht den Journalistentag zum ersten Mal. Als
  eine Stunde eher gekommen, um auf dem             ­gegen Medienvertreterinnen und -vertreter.“        Erstsemester an der Westfälischen Hochschule
  Marktplatz im Erdgeschoss zusammen mit             Gefordert sei Wachsamkeit, ständige Aufmerk-       Journalismus in Gelsenkirchen bekam er eins
  ­weiteren Landesvorstandsmitgliedern und Ex-       samkeit von allen in ­Politik und Medien. „Wir     der „Earlybird“-Freitickets für Studierende.
   pertinnen und Experten die frühen Gäste zum       müssen die richtige Balance finden und konse-      Zum ersten Mal ist das kostspielige Angebot mit

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Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (l.)
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im Gespräch mit Moderatorin Andrea Hansen.

16 Veranstaltungen und 45 Referentinnen und          Fearless Democracy
Referenten nicht mehr für alle kostenlos. Wäh-       und Daniela Behrens,
rend DJV-Mitglieder den Tag Weiterbildung            Geschäftsführerin des
weiterhin gratis erhalten, zahlen Nichtmitglieder    Infor­ma­tions­dienstes
25 Euro.                                             Wissenschaft (idw).
                                                     Die beobachtet den
Alles passt wie berechnet                            Verlust der Anstän-
Das war manchem wohl zu viel. „Schade“, sagt         digkeit. Beleidigungen würden roher, gegenüber
DJV-Landesgeschäftsführer Volkmar Kah, steht         Frauen zudem oft sexua­lisiert. Auch lasse sich
aber zur Entscheidung. Schon weil sich die Teil-     nachweisen, dass Frauen besonders häufig atta-
nehmerzahl so besser kalkulieren lasse als bisher.   ckiert werden, ebenso wie etwa Geflüchtete oder
In Dortmund passt zum ersten Mal alles wie be-       Obdachlose.
rechnet, sagt Kah, sichtlich z­ufrieden. Wichtig     Ein Faktor, da sind sich alle einig, sind die sozia-
für ihn: Der Berufsnachwuchs ist nicht abge-         len ­Medien, die mit ihrer Viralität Hasswellen
schreckt worden.                                     poten­zieren. Dabei macht Hensel ein „Riesen-
Leo Delitsch als Noch-Nichtmitglied wurde            delta“ aus zwischen der Realität und dem, was
über sein Institut und die Fachschaft auf den        auch ­Politiker darüber wissen. „Wir brauchen
Journalistentreff aufmerksam. Er will in die neue    eine Bildungsinitiative Ü40.“ Mindestens ebenso
Branche reinriechen. Weil sich beim Journalis-       wichtig sei aber, dass Medien anders berichten:
tentag „alle Leute tummeln“, so sein Eindruck.       Fakten als Fakten darlegen, sprachsensibler
Damit ist er nicht allein: Rund 190 Studierende      werden, Hintergründe besser aufbereiten,
                                                     ­
checken am Morgen ein, wie alle anderen Teil-        Schwerpunkte anders setzen.
nehmer per Barcode.
Nach dem Aufwärmen im Erdgeschoss strömen            Über queere Themen berichten
die Besucherinnen und Besucher in die erste          Um die Macht der Sprache, die richtigen Begriffe
Etage der Akademie. Nach dem Impulsvortrag           und um Themensetzung geht es auch im ­Forum
nimmt Moderatorin Andrea Hansen Claudia              zur Berichterstattung über queere Themen, also
Roth mit ins Panel „Auf die Fresse: Wie Sprache      über Lesben und Schwule, bi-, trans- und inter-
im politischen Alltag verroht“. Auf dem P­ odium     sexuelle Menschen. Auf dem Podium mit Mode-               Landesvorsitzender Frank Stach
begrüßt sie zusätzlich Gerald Hensel vom Verein      ratorin Katrin Kroemer sitzen Buzzfeed-Redak-             begrüßte die Gäste am neuen Ort.

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 Über queere Themen in den Medien tauschen sich Jenny Renner,
 Juliane Löffler, Katrin Kroemer und Tilman Warnecke aus (v.l.).

teurin Juliane Löffler, Tilmann War­necke vom           Frank Stach dankte ihnen und RDN-Chef Stefan        auf trimme, alles Menschliche wegzulassen,
­Tagesspiegel und Jenny Renner als Mitglied des         Prott sowie den Mitarbeiterinnen und Mitar­         desto eher seien sie ersetzbar. „Bei Judith Rakers
 ZDF-Fernsehrats.                                       beitern der DJV-Landesgeschäftsstelle mit den       liegen die Haare doch auch immer so, als seien
 Die Diskussion zeigt: Jenseits von „Ehe für alle“      ­Geschäftsführern Volkmar Kah und Christian         sie ­simuliert.“ Er verweist d
                                                                                                                                         ­ arauf, dass die Infor-
 und bunten Bildern vom jährlichen Christopher           Weihe und natürlich den Sponsoren. Denn die        mationskompetenz heute oft bedeutsamer sei als
 Street Day sind queere Themen in vielen Medien          tragen – trotz des Eintritts für Nichtmitglieder   die Medienkompetenz. „Leser und Journalisten
 noch nicht wirklich angekommen. Am ehesten              – weiterhin einen Großteil der Kosten und          müssen souverän mit Informationen umgehen
 gehen die jungen Medien entspannt damit um,             ­ermöglichen damit das hochwertige Angebot.        können.“
 sie als selbstverständlichen Teil des Alltags­lebens                                                       Automatisiert wird künftig etwa beim Erstellen
 zu zeigen. Viele wollen das Thema um handwerk­         Was können Algorithmen?                             und beim Erfassen von Inhalten. „Ein Zirkel“,
 liche Tipps vertiefen und wechseln im Anschluss    Das Programm ist auch in diesem Jahr wieder             sagt Wiebke Loosen und lenkt den Blick darauf,
 in den Workshop mit Juliane Löffler. Dort disku-   nah an aktuellen Themen. Die Frage etwa, ob             wer welche Daten mit welchem Interesse zu Ver-
 tieren sie praxisnah, wie angemessene Bericht­     Algorithmen demnächst die besseren Redakteure           fügung stellt: „Wir müssen den Systemen künftig
 erstattung aussehen kann und wo die Fallstricke    sein könnten, findet Delitsch i­ nteressant. Für ihn    die Fragen stellen, die wir heute an Journalisten
 dabei lauern.                                      ist das Forum um die Künstliche Intelligenz (KI)        stellen.“ Auch die Themenplanung wird künftig
                                                    mit Johannes Meyer als Moderator „eine Pflicht-         verstärkt Algorithmen unterliegen, macht Evert
Fünfeinhalb Stunden Programm                        veranstaltung“. Denn das betreffe ja seine              deutlich: Fürs Feuilleton etwa mit seiner „sehr
Nach bewährtem Muster laufen die 16 Foren,          Zukunft, sagt der Student und lauscht dem
                                                    ­                                                       spitzen Zielgruppe“ könnten dann noch weniger
Seminare, Workshops im Dreiviertelstunden-
­                                                   Podium mit Wiebke Loosen, Journalismus­                 Aufträge erteilt werden. Keine guten Nachrich-
Takt in vier Konferenzräumen und in der Aula,       forscherin vom Hans-Bredow-Institut und Pro-            ten für die freien Journalistinnen und Journalis-
insgesamt fünfeinhalb Stunden. Geplant wurde        fessorin in Hamburg, Reinhard Karger vom Deut-          ten und für deren Publikum.
der Tag von einer Gruppe von DJV-Mitgliedern        schen Forschungszentrum KI in Saarbrücken
im Austausch mit den Gremien des Landesver-         sowie Hans Evert von der News-App ­Upday. Es            Vielfalt im Lokalfunk erhalten
bands. Um die Umsetzung und das organisato­         geht um die Sensibilisierung für das Thema KI,          Ähnlich beunruhigend sind bestimmte Zukunfts-
rische Gerüst kümmert sich seit vielen Jahren       um Technologien, Programme und um Daten.                szenarien, die für den Lokalfunk gezeichnet
die Recklinghäuser RDN Agentur mit Tatjana          Standardisierte Prozesse wie das Nachrichten-           werden. Das erprobte Zwei-Säulen-Modell steht
Hetfeld und Jennifer von Glahn.                     schreiben seien am einfachsten zu automatisie-          nach gut drei Jahrzehnten auf dem Prüfstand
                                                                               ren, erläutert Loosen,       (siehe auch Seite 9). „Wir haben im Land i­ mmer
                                                                               will aber nicht ent-         noch eine der vielfältigsten und regionalsten
                                                                               scheiden, ob das gut         Radiolandschaften Europas“, hatte der DJV-
                                                                                                            ­
                                                                               sei: „Wir wissen noch        Landesvorsitzende Stach bei der Eröffnung
                                                                               zu wenig darüber.“           ­gesagt. „Die gilt es zu bewahren.“
                                                                                                                                                                    Fotos auf dieser Doppelseite: Alexander Schneider

                                                                               Klar sei, dass mei-           Unter den Zuhörern sitzt Erstsemester Delitsch,
                                                                               nungsäußernde Texte           der schon Praktika im ­Lokalfunk absolviert hat
                                                                               bislang nicht über            und sich für dessen Zukunft interessiert. Aller-
                                                                               Systeme entwickelt            dings ist dem 19-Jährigen letztlich zu viel „Polit-
                                                                               werden könnten.               Kauderwelsch“ im politischen Streit zwischen
                                                                               Karger findet, je mehr        Medienstaatssekretär Nathanael Liminski und
                                                                               man Journalistinnen           Alexander Vogt, dem medienpolitischen Sprecher
                                                                               und Journalisten etwa         der SPD im Landtag, sowie Tobias Schmid, dem
                Forum KI mit (v.l.) Johannes Meyer, Wiebke                     bei der Präsenta­    tion     Direktor der Landesanstalt für Medien (LfM).
                Loosen, Reinhard Karger und Hanse Evert (v.l.).                von Nachrichten dar-          Nach einer Weile streicht Leo Delitsch die Segel

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Im Forum zur Medienpolitik diskutieren Tobias Schmid,                                           Über den NRW-Lokalfunk sprechen Udo Kreuer, Timo Fratz,
Sascha Fobbe, Alexander Vogt und ­Nathanael Liminski (v.l.).                                    Andrea Donat und Klaus Schrotthofer (v.l.).

   und macht sich am späten Nachmittag wieder            für den regionalen Erfolg. Dagegen hätten Men-
   auf den Heimweg.                                      schen angesichts der unermesslichen Konkur-
   Die Diskussion um das „Radiokonzept 2022“ der         renz im Internet künftig wenig Grund, ­das Man-
   Landesregierung läuft da gerade zur Hochform          telprogramm von radio NRW zu hören.
   auf. Moderiert wird die Männerriege auf dem           Überhaupt kritisiert er eine „extreme Unwucht“
   Podium von Ex-Lokalfunkerin ­       Sascha Fobbe.     im System – zu Lasten der stärkeren Inhaltepro-
   Vogt will ­Liminski zu einem Bekenntnis zum           duzenten. Kleinere Sender mit wenig eigenen
   ­Erhalt der 44 ­Lokalstationen in NRW bringen.        Sendestunden sparten sich gesund, sagt er. Das
    Ja, sagt der schließlich, Schwarz-Gelb liege am      Mantelprogramm ­mache vielen NRW-Stationen
    Erhalt des NRW-Lokalfunks. Aber: „Wenn sich          lokaljournalistische Arbeit erst möglich, erklärt
    der Lokal­funk anders aufstellen will, müssen wir    Kreuer dagegen selbstbewusst. Für Schrotthofer
    die Rahmenbedingungen anpassen.“ Liminski            sichert das Zwei-Säulen-Modell „die Pluralität,
    erklärte auch: „Gedanke und Prinzip des Zwei-        die ­lokale Verankerung und auch die journalis­                 Frank Stach, Notker Becker und
    Säulen-Modells stellt die Landesregierung            tische Qualität, die im Lokalen sonst nicht mehr                Volkmar Kah im Gespräch (v.l.).
    nicht in Frage.” Wohlfeil. Denn das gilt für diese   selbstverständlich wäre“.
    Legislaturperiode – wie es der Koalitionsvertrag
    mit der FDP vorsieht.                                Das Verschwinden des Journalismus
    Manche Gegensätze zeigen zwischen sich zwei          Fusionen, Aufkäufe, Schließungen: Dass die
    Panels. Im Lokalfunk etwa in der Frage, ob die       ­Zeitungen mit der Vielfalt nicht mehr so sorg-
    Lokalradios künftig auf die teure Sendetechnik        sam umgehen, fügt der Medienlandschaft tiefe
    DAB+ setzen sollen (siehe dazu auch JOURNAL           Wunden zu. Entsprechend geht es im F      ­ orum zur
    5/18). Tobias Schmid sagt im Panel zum „Radio­        Pressekonzentration in Zeiten der Digitalisie-
    konzept 2022“, dass die LfM-Abfrage zu DAB+           rung ums Verschwinden des Journalismus.
    einen „überwiegend ernsthaften Bedarf “ erge-         ­Einige Verlagsgruppen streben in Deutschland
    ben habe. Klaus Schrotthofer sieht in DAB+             vorherrschende Positionen in einer weit­gehend         Werkstattgespräch Freie: Helene Pawlitzki
    „eine überholte Brückentechnologie“, wie er im         monopolisierten Zeitungslandschaft an. Was             mit Ralf Heimann und Reiner Kurlemann
    Panel zur Z   ­ukunftsfähigkeit des Lokalradios        macht das mit der Branche? Und welche Rolle
    ­erklärt. Der Geschäftsführer der Mediengruppe         spielen die ö     ­ ffentlich-rechtlichen Medien?
     Neue Westfälische in Bielefeld diskutiert unter       ­Darüber diskutiert das Panel von Moderatorin
     Moderation von Andrea Donat, Chefredakteu-             und WAZ-Betriebsrätin Annette Kalscheur. Mit
     rin von Radio Bochum, vor gut 40 Zuhörern mit          ihr auf dem Podium Caroline Schmidt, freie
     Timo Fratz, Chefredakteur von Radio Bielefeld,         Autorin für das NDR-Medienmagazin Zapp,
                                                            ­
     und Udo Kreuer, in gleicher Funktion beim              und Christine Richter, Chefredakteurin der
     Mantelprogramm radio NRW.                              ­Berliner Morgenpost (MoPo) und einzige Frau
     „Internetradio ist die Zukunft“, ist Schrotthofer       an der Spitze ­einer der zwölf Funke-Zeitungen.
     sicher. Seine Stimme hat Gewicht, denn die sieben       Dritter im Bunde ist der ausgewiesene Kenner
     Lokalradios der ams, dem Verbund ostwestfäli-           der deutschen Medienlandschaft, Horst Röper
     scher Verlage unter Führung der Mediengruppe            vom Formatt-Institut in Dortmund.
     Neue Westfälische, stehen für 22 Prozent der            Röper ist auch Verfasser von „Schlechte-Laune-
     Reichweite aller NRW-Lokalradios. Die Gruppe            Studien“, wie Annette Kalscheur anmerkt. Die
     setzt auf lange lokale Sendestrecken. Das gibt          drehen sich um die Lage auf dem Printmarkt               Arne Pöhnert vom Fachauschuss der
     nach Schrotthofers Überzeugung den Ausschlag            (Röper: „das Elend“) und die Zukunft der Branche,        ­Jungen am „Job-Roulette“-Glücksrad.

   DJV NRW Journal 06 | 18  	                                                                                                                              | | 29
Mut, Veranwortung, Haltung - Große und kleine Wunden der Branche beleuchtete der Journalistentag 2018 in Dortmund - DJV-NRW Journal
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Foto: Markus Mucha

                                   Über Medienkonzentration diskutiert Annette Kalscheur mit                                             Christiane Wittenbecher im Werkstatt­
                                   Horst Röper, Caroline Schmidt und Christine Richter (v.l.).                                           gespräch zu 360 Grad und Virtual Reality.

                          die er „rabenschwarz“ sieht. Noch würden Medi-      breite öffentliche Diskussion über den Wert der        zeitung Report-K auf verschiedene Urteile zu
                          enbetriebe hier nicht durch Industriekonglome-      Presse. „Wie gewährleisten wir guten Lokaljour-        diesem Streit. Und er listet auf, wo überall die
                          rate gesteuert wie in anderen Ländern. Aber die     nalismus, die Kontrolle vor Ort, damit die Bür-        Stadt den Medien mit eigenen Produkten Kon-
                          wachsende Monopolisierung der Zeitungshäu-          germeister oder die Polizei nicht machen kön-          kurrenz mache. Der Vorwurf an die Kommunen,
                          ser erstrecke sich etwa in Rheinland-Pfalz längst   nen, was sie wollen?“                                  aber auch Polizei und andere Behörden: Die
                          über ein ganzes Bundesland.                         Schadet es der Vielfalt, wenn öffentlich-rechtli-      institutionelle Berichterstattung bringe deren
                                                                                                                                     ­
                          Natürlich gebe es noch journalistische Qualität,    che Sender zunehmend crossmedial arbeiten?             ­eigene Sichtweise in hoher Reichweite unter die
                          sagt Röper. Aber die stehe nicht mehr in einer      Caroline Schmidt sieht für sich „eine Bereiche-         Leute. Und sei dabei für das Publikum häufig
                          Zeitung, sondern als identischer Text in vielen     rung“ darin, dass sie schreibt, filmt und auch          nicht eindeutig von journalistisch unabhängiger
                          Zeitungen. Auch MoPo-Chefin Richter sieht in        schon mal Radio macht. Viele ihrer Kollegen sei-        ­Berichterstattung zu unterscheiden.
                          Zentralredaktionen ein Stück Konzentration im       en in mehreren Medien unterwegs, sagt sie.               Norbert Kersting, Politologie-Professor an der
                          Mediensektor. Aber: „Ein Qualitätsverlust ist es    Grundsätzlich sei dies auch in Ordnung. Nur              Universität Münster, weist auf die Infor­mations­
                          nicht. Wir als kleine Morgenpost könnten uns        wenn vor lauter Terminen keine Zeit mehr zum          pflicht von Behörden und Kommunen hin. Die
                          keinen Amerika-Korrespondenten leisten, son-        Nachdenken bleibe, werde es schwierig.                von den Medien selbst eingeläuteten Kürzungen,
                          dern würden dpa nehmen.“                            Angesichts des heraufziehenden Verlustes jour-        das Schrumpfen und Zusammen­             legen von
                          Was die Monopole angeht, wäre Richter froh,         nalistischer Vielfalt fordert Röper: „Wir brau-       ­Redaktionen mache es den Institutionen leicht,
                          „wenn wir in Berlin eins hätten. Wir kannibali-     chen eine dritte Finanzierungsquelle. Die Ten-         den frei gewordenen Kom­munika­tions­raum zu
                          sieren uns seit fast 30 Jahren gegenseitig.“ Alle   denzen sind eindeutig: Der Markt alleine stemmt      nutzen.
                          Zeitungen in der Hauptstadt hätten zum Sterben      es nicht mehr.“                                      Die umfangreiche Medien­arbeit der Stadt Köln
                          zu viel, zum Leben zu wenig. Es brauche eine                                                             mit Präsenz auf vielen Kanälen beleuchtet d    ­ eren
                                                                              Weiße Lücken der Berichterstattung                   Pressesprecher Alexander Vogel. Auf ihren eige-
                                                                               Aber was ist, wenn die Monopole Lücken hinter-      nen Seiten (stadt-koeln.de) informiere die Stadt
                                                                               lassen? Was, wenn durch das Ausdünnen der Lo-       ausschließlich über städtische Belange, erklärt er.
                                                                               kalredaktionen weiße Flecken entstehen, so dass     Das Portal koeln.de dagegen, das weit umfassen-
                                                                               Kommunen ihre Bürgerinnen und Bürger nicht          der ­berichtet, werde von der 100-prozentigen
                                                                               mehr ­flächendeckend über Vorgänge in der Stadt     Tochter­gesellschaft Netcologne betrieben. Künf-
                                                                               ­informieren können? Zunehmend b  ­ erichten ins-   tig solle es diese klare Trennung auch auf
                                                                                                                                                                                           Fotos auf dieser Doppelseite: Alexander Schneider

                                                                              titutionelle Medien wie Amtsblätter oder kom-        ­Facebook geben, wo Informationen beider Por-
                                                                              munale Internetseiten über lokales Tagesgesche-       tale noch unter dem gleichen Account laufen.
                                                                              hen. Eine schmerzhafte Konkurrenz für                 Die Diskussion dreht sich unter anderem um die
                                                                              ortsansässige Medien. Dieses höchst umstrittene       Zielgruppen kommunaler Infor­        mationen und
                                                                              Agieren institutioneller Medien beschäftigt ak-       um die Forderung, institutionelle Berichterstat-
                                                                              tuell Gerichte, unter anderem geht es dabei auch      tung klar zu kennzeichnen. Dabei wird deutlich,
                                                                              um die Seite dortmund.de (JOURNAL                     dass längst nicht entschieden ist, wie sich die
                                                                              ­berichtete),                                         Räume im Internet als dem zentralen Kom­
                     Bei „Reinvent Local Media“ präsentieren Lenka             In dem Forum mit Moderator Kai Heddergott            munikationsort aufteilen. Wie Behörden und
                     Mildner und Thorsten Taplik (r.) „Mit Kidz“.              bezieht sich Andi Goral von der Kölner Internet­     Kommunen etwa auf eigenen Seiten und auf

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Mut, Veranwortung, Haltung - Große und kleine Wunden der Branche beleuchtete der Journalistentag 2018 in Dortmund - DJV-NRW Journal
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Andi Goral, Norbert Kersting, Alexander Vogel und Kai Heddergott
(v.l.) beschäftigen sich mit institutioneller Berichterstattung.

 v­erschiedenen Social-Media-Kanälen agieren       positives Feedback. Und es traut sich, auch mal      behandelt werden. Dann klappt das schon, wenn
  dür­fen, werden die Gerichte klären.             mit ­Lothar Mathäus über andere als die üblichen     die andere Seite gehört wird.“ Aber mit ihm sind
  Social Media zieht beim Journalistentag auch in  Themen zu sprechen, etwa wie sich ein Leben          Berichte nicht zu machen, sagt Schwade, „nur
  diesem Jahr. Überrannt werden sowohl die ent-    unter Beobachtung anfühlt.                           weil der Unternehmer mal wieder ins Blatt will“.
  sprechenden Foren wie die alltagsnahen Work-     Das Projekt Mädelsabende, das Lammert für            Als Einzelkämpfer muss sich Schwade gut orga-
  shops und Werkstattgespräche. Volles Haus hat    Frau TV betreut, ist ein Instagram-Kanal für         nisieren: „Wenn am Freitag eine große Geschich-
  zum Beispiel Tina Halberschmidt, Teamleiterin    junge Frauen und lebt stark vom Austausch mit        te stehen soll, muss ich jeden Wochentag ein
  Social Media beim Handelsblatt in Düsseldorf.    der Community. Die Zielgruppe sei anders als         bisschen daran arbeiten. Das bindet Zeit.“ Bietet
  Im Workshop der Medien-Akademie Ruhr             zunächst vermutet: Die Followerinnen sitzen
                                                   ­                                                    er dann exklusive Informationen hinter der Pay-
  ­erklärt sie, wie Storytelling auf Instagram funk­
                                                   zum Beispiel zu 50 Prozent im länd­lichen Raum       wall an, gibt es schon mal Unmut. „Die wollen
   tioniert. Christiane Wittenbecher ergeht es mit und viele von ihnen haben kein Abitur. Außer-        lesen, aber bezahlen wollen sie nicht.“ Diesen
   dem Werkstattgespräch zu Virtual Reality nicht  dem konsumiert ein erheblicher Teil von ihnen        Unmut nimmt er durchaus als Kompliment für
   besser. Überraschend, wie viele Besucher wissen keine Nachrichten. All das will in Themenwahl        seine Arbeit.
   wollen, wo beim 360-Grad-Rundumblick im         und Ansprache beachtet werden.
   ­Video wie im Foto die idealen Verstecke für    Als das Special-Interest-Panel geht, kommen          Sinnvolle Arbeitsteilung
    Foto­grafen sind.                              drei Wirtschaftsjournalisten mit Kay Bander-         Begrenzte Zeit haben auch die Lokalredakteure
    Im e­ xternen Workshop „Reinvent Local Media“  mann als Moderator. Axel Schwade schreibt bei        in kleinen Zwei- oder Drei-Personen-Redaktio-
    begrüßt Moderator Stanley Vitte drei journalisti-
                                                   der ­Tageszeitung Patriot über die ­lokale Wirt-     nen der RP, sagt Florian Rinke. Deswegen hält er
    sche Start-ups. Sie gehören zu den insgesamt vier
                                                   schaft in Lippstadt und fünf umliegenden Kom-        eine Arbeitsteilung zwischen Lokal- und Man-
    „Fellow“-Teams von Vor Ort NRW, der LfM-       munen. Flo­  rian Rinke kümmert sich in der          telredaktion für sinnvoll. Die Lokalredak­  tion
    Stiftung für Lokaljournalismus. So präsentierenWirtschaftsredaktion des Mantelteils der Rhei-       steckt beispielsweise bei einem Thema ihre Res-
    Laura Rohrbeck und Thorsten Lenze ihren        nischen Post in Düsseldorf um Themen aus der         sourcen in die Recherche vor Ort, die Mantel­
    ­Videoguide Düsseldorf, mit dem sie die Stadt  digitalen Wirtschaft und der Auto-Industrie.         redaktion liefert die überregionale Anteile zur
     von ihren besten Seiten zeigen wollen. Steffi Und Hartmut Spiesecke ist der neue Geschäfts-        Geschichte. So profitieren alle.
     Krohmann und Simon Sturm arbeiten mit         führer des Ernst-Schneider-Preises der deut-         Und das Feedback der Leser auf lokale und regio­
     ­„Refutura“ an innovativen Formen des digitalen
                                                   schen Industrie- und Handelskammern.                 nale Wirtschaftsberichterstattung? „Manch­mal
      Erzählens. Und Lenka Mildner und Thorsten    Thema war der lokale Wirt-
      Taplik basteln zielgruppengenau an ­einem digi-
                                                   schaftsjournalismus, der im
 talen Guide für die barrierefreie ­Familienfreizeit.
                                                   Feuer steht (siehe auch „Darf ‘s
 Der Name: „Mit Kidz“.                             was mehr sein?“, JOURNAL
                                                   6/17). Manche sehen ihn als
 Passgenau in der Nische                           Nachplapperer einer Ökono-
 Mit Nischen befasst sich auch das Special-­ mie des unbegrenzten Wachs-
 Interest-Forum „Jedem sein Lagerfeuer?“ von       tums, als unkritischen „Diener
 Moderatorin Karolina Warkentin. Mit WDR-
 ­                                                 des Mainstreams“, der sich zu-
 Redakteurin Verena Lammert und Fatih Demi-        dem vor Anzeigenkunden klein
 reli, ­Herausgeber und Chef­redakteur der Sport-  mache. Oder hakt er im Loka-
 zeitschrift Socrates, diskutiert sie über die     len doch beharrlich nach? Die-
 richtige ­Ansprache für die jeweilige Zielgruppe  sen lokalen Interessenkonflikt
 und wie man einen jeweils eigenen Ansatz fin-     beleuchten Schwade und Rin-
 den kann. So bekommt Socrates, „das denkende      ke. Den Umgang mit Unter-
 Sportmagazin“, wie es sich selbst nennt, zum Bei- nehmern sieht Schwade profes­               Fatih Demireli, Karolina Warkentin und Verena Lammert
 spiel für seine E-Sports-Berichterstattung viel   sionell. „Sie wollen fair                   sind auf der Suche nach der Erfolgsnische (v.l.).

DJV NRW Journal 06 | 18  	                                                                                                                            | 31
Mut, Veranwortung, Haltung - Große und kleine Wunden der Branche beleuchtete der Journalistentag 2018 in Dortmund - DJV-NRW Journal
JOURNALISTENTAG |

   Gute Laune: Tina Halberschmitt
   zum Storytelling mit Instagram.

                                                                Um lokale Wirtschaftsberichterstattung geht es bei Kay Bandermann,
                                                                Florian Rinke, Axel Schwade und Hartmut Spiesecke (v.l.).

                                                     der normale Anruf oder ein Leserbrief “, sagt       Lategahn deutlich. „Wirklicher Journalismus
                                                     Rinke. Aber auch Beschwerden von Unterneh-          ist, wenn einer die Geschichte bei uns wirklich
                                                     men beim Herausgeber oder Chefredakteur             finden will und nicht schon mitbringt“, sagt
                                                     gebe es nicht selten, berichtet er. Wichtig ist     ­Nienhaus. So macht es nach eigenen Bekunden
                                                     für ihn aber die Rückendeckung der Chefetage.        der dritter Podiumsgast von Moderator Andy
                                                     Er spürt dort einen gewissen Stolz, den die          Artmann: WDR-Autor Udo Eling, der dabei oft
                                                     Chefs bei Kritik an der Berichterstattung haben.     hinter der angedachten Geschichte eine andere,
                                                     Hartmut Spiesecke guckt als inzwischen distan-       viel spannendere entdeckt.
  Wie der idw funktioniert und was er Journa­        zierter Beobachter auf den Wirtschaftsjournalis-     Um das Unwissen über die Landwirtschaft geht
  listen bietet, erläutert Patrick Bierther.         mus. Und er sieht: „Nicht selten sind die Fakten     auch im Workshop des Westfälisch-Lippischen
         Bildzeile                                   falsch.“ Auch sonst würde er sich teilweise einen    Landwirtschaftsverbands, der von Johannes Meyer
                                                     anderen Blick auf die Wirtschaft wünschen. So        moderiert wird. Annika Ahlers und Thomas Fabry
                                                     sollten Wirtschaftsjournalisten zum Beispiel auf     stellen ihr Projekt „Roadtrip Agrar“ vor, bei dem
                                                     ihre Schwerpunktsetzung achten: „Wo kein             ein VW Käfer die Hauptrolle spielte, wie er beim
                                                     Problem ist, da gucken wir nicht hin. So haben       Journalistentag im Eingang parkt. Mit so einem
                                                     wir einen großen Teil des Lebens nicht im            Oldie sind die beiden zehn Tage unterwegs
                                                     Blick.“ Weil das Leben kleinteiliger und             ­gewesen, um zu erfahren, was Verbraucher über
                                                     unübersicht­licher werde, werde es schwieriger,       die Landwirtschaft denken. Antworten dazu
                                                     große Bögen im Blick zu halten.                       ­haben sie bei Landwirtinnnen und Landwirten
                                                     Unübersichtlicher als früher ist auch die              auf deren Höfen vor Ort eingeholt. Die Gespräche
                                                     ­Gemengelage in Sachen Landwirtschaft: Einer-          im VW Käfer haben sie selbst gefilmt. Für den
                                                      seits werden die Verbraucher immer kritischer,        #roadtripagrar 2019 suchen sie interessierte
   #roadtripagrar mit Thomas Fabry und                andererseits wissen sie immer weniger über            Journalistinnen und Journalisten.
   Annika Ahlers sowie Johannes Meyer (v.l.).         landwirtschaftliche Produktion. Zwei externe          Einen weiteren externen Workshop präsentiert
                                                      Workshops drehen sich darum, den stockenden           Patrick Bierther vom Informationsdienst Wissen­
                                                      Dialog zwischen Landwirtschaft und Verbrau-           schaft (idw) – mit hohem Nutzwert. Er zeigt
                                                      chern in Fahrt zu bringen und interessierten          ­detailliert, wie sich ­akkreditierte Journalistinnen
                                                      Journalisten Lust auf die Recherche rund um            und Journalisten über den idw per Experten-
                                                      Land und Hof zu machen.                                makler oder Expertenlisten Wissenschaftler zu
                                                                                                             ­ihren Themen vermitteln lassen können.
                                                     Nicht nur bei Skandalen kommen
                                                     Dass Journalisten nicht nur kommen, wenn es         Treffen auf dem Marktplatz
                                                     einen Skandal gibt, wünschen sich im Workshop       Wer zwischendrin eine Pause braucht, geht run-
                                                     „Frag doch mal den Landwirt“ von Dialog Milch       ter auf den zentral gelegenen Marktplatz in der
                                                     die Bildungsreferentin der rheinischen Land­        Cafeteria der Sparkassenakademie. Dort serviert
                                                     jugend, Simone Late­  gahn, und Junglandwirt        das Kantinenteam auch zur Mittagszeit jede
                                                     Steffen Nienhaus aus Raesfeld. Umgekehrt sollten    Menge Wraps und die traditionelle Currywurst.
Udo Eling, Simone Lategahn, Andy Artmann und         Landwirte nicht mauern, wenn doch mal               Mit Informationsständen präsentieren sich
Steffen Nienhaus im Forum von Dialog Milch (v.l.).   über Negatives berichtet werden muss, macht         ­weiter vorne verschiedene Aussteller, darunter

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Mut, Veranwortung, Haltung - Große und kleine Wunden der Branche beleuchtete der Journalistentag 2018 in Dortmund - DJV-NRW Journal
| Warnstreiks
                                                                                                                                                                                        JOURNALISTENTAG
                                                                                                                                                                                                    | Tarife

                                                    Eine Jahresmitgliedschaft im DJV-NRW hat                         Die Beschäftigung mit ihrer Familiengeschichte hat ihre Einstellung zum Journalis­
                                                    Olga Felker am Glücksrad gewonnen.                               mus geändert. Das erzählt Nora Hespers (r.) im Gespräch mit Helene Pawlitzki.

                                                       die Pen­sionskasse Rundfunk, das Presseversor-   ­ rennung zwischen Journalismus und PR, die
                                                                                                        T                                                      lismus geändert,“ erzählt sie. Dazu gehört das
                                                      gungswerk, die Künstlersozialkasse, die DJV       Höhe von Honoraren und den Rollenwechsel               Bewusstsein, nicht jeden Trend mitmachen zu
                                                      Verlags + Service GmbH und die Krankenkasse       vom angestellten Redakteur zum freien Dienst-          müssen. Im Wissen, dass dies ein Privileg ist, ver-
                                                      DKV. Sie freuen sich über die Nachfrage von       leister.                                               zichtet sie heute auf manche Aufträge. Etwa
                                                      Frank Stach und Volkmar Kah, wie der Wechsel      Heimann appellierte an die Freien, sich solida-        wenn sie wisse, dass der Kern ­einer Geschichte
                                                      nach Dortmund für sie geklappt hat. Im Bereich    risch für bessere Honorare einsetzen. „Ich möch-       in 1:30 oder 2:30 nicht zu treffen sei.
                                                      Weiterbildung sind die Medien-Akademie Ruhr,      te davon leben können, Miete und Künstlersozi-         Auch Haltung ist für sie „ein Prozess“, sie brauche
                                                      die Hamburg Media School und das Journa­          alkasse zahlen können.“ Von Zeitungs­honoraren         den Diskurs und müsse für das Publikum auch
                                                      listen-Zentrum Haus Busch vertreten. Letzeres     sei das nicht möglich. PR sei nicht sein Ding, sagt    transparent sein. Es sei wichtig, sich selbst in
                                                      nimmt für 2019 schon mehrere Anmeldungen          Kurlemann. „Ich möchte lieber über Themen              Frage zu stellen und ansprechbar zu bleiben.
                                                      für ­Weiterbildungsseminare mit. Außerdem         schreiben, die ich und sicherlich meine Leser          „Aber das heißt nicht, dass man mit jedem
                                                      berichtet Thomas Müller am Ende des Tages         auch spannend finden. Aber finanziert wird dies        sprechen muss.“
                                                      „über erstaun­  lich viele Studierende aus den    durch Jobs aus der PR-Arbeit.“                         Wo denn die Grenze zwischen Journalismus und
                                                      ersten Semes­  tern, die Informationen über                                                              Aktivismus liege, will Helene Pawlitz­ki wissen.
                                                      Inhalte u
                                                              ­ nserer Volontärkurse wollten“.          Ein Abschluss mit Haltung                              „Schwierig“, findet Hespers. Aber sie ist über-
                                                      Auf dem Marktplatz steht am Stand des DJV-        Zum Abschluss kommt der Journalistentag auf            zeugt, dass Journalistinnen und Journalisten
                                                      NRW auch der Fachausschuss Junge Journalis-       die Themen Mut, Verantwortung und Haltung zu-          für Demokratie und Pressefreiheit einstehen
                                                      tinnen und Journalisten mit seinem „Job-          rück, die im Auftakt mit Claudia Roth schon eine       müssen, wenn diese bedroht sind. Und trotzdem
                                                      Roulette“-Glücksrad: Zu den Preisen gehören       Rolle gespielt haben. Die freie Hörfunkjournalis-      – so sehr sie an den Wert des Journalismus für
                                                      Gutscheine für Seminare des DJV-NRW und der       tin Nora Hespers erklärt im ­          Gespräch mit    die Gesellschaft glaubt: „Er ist nicht Heilmittel
                                                      Hamburg Media School, für die Teilnahme am        ­Moderatorin Helene Pawlitzki, warum diese Wer-        für alles.“
                                                      Kommunikationskongress Brückenschlag. Olga         te für sie eine besondere Rolle spielen: Ihr Groß-    Ein passendes Schlusswort, ein würdiger
                                                      Felker kann sich über eine Jahresmitgliedschaft    vater war der Widerstandskämpfer Theo Hespers,        Abschluss für den 15. Journalistentag, der sich
                                                      im DJV-NRW freuen.                                 der 1943 in Berlin-Plötzensee hingerichtet wurde.     konstruktiv und vorwärtsgewandt mit seiner
                                                      Und wie war der Journalistentag für Erstsemes-     Sie ist mit diesem Wissen aufgewachsen, erzählt       ­Zukunft und den eigenen – kleinen und großen
Fotos auf dieser Doppelseite: Alexander Schneider

                                                      ter Leo Delitsch? Mit ein paar Tagen Abstand       Hespers, und hat doch erst als junge Erwachsene        – Wunden befasst hat.
                                                      sagt er: „Ich fand gut, dass die Vorträge nicht    angefangen, sich wirklich für das Leben und den        Werner Hinse/Corinna Blümel
                                                      so stumpf waren.“ Sein Favorit: Das Forum          Kampf ihres Großvaters zu interessieren, ihren
                                                      Erfolgsmodell Freie mit „Riffreporter“ Rainer
                                                      ­                                                  Vater zu allem zu befragen, was er noch wusste.
                                                      Kurlemann, ehemals Online-Chef der Rheini-         2014 stieg sie tiefer ein – sichtete u
                                                                                                                                              ­ nter anderem   Der DJV-NRW hat neben Bildern auch Doku-
                                                      schen Post (RP), und dem Buchautor Ralf            1 000 Seiten Gestapo-Akten. Über die immer            mentationen zum Nachhören sowie einen kurzen
                                                      ­Heimann aus Münster. Moderiert wird die gut      noch laufende Recherche berichtet sie in ihrem         Film ins Netz gestellt.
                                                       besuchte Diskussion von Helene Pawlitzki.        Podcast „Die Anachronistin“.
                                                       Crossmedia-Redakteurin bei der RP in Düssel-     „Die Beschäftigung mit dem Leben meines                     www.journalistentag-nrw.de
                                                       dorf. Es geht um die klassischen Themen:         Großvaters hat meine Einstellung zum Journa-

                                                      DJV NRW Journal 06 | 18  	                                                                                                                              | 33
Mut, Veranwortung, Haltung - Große und kleine Wunden der Branche beleuchtete der Journalistentag 2018 in Dortmund - DJV-NRW Journal Mut, Veranwortung, Haltung - Große und kleine Wunden der Branche beleuchtete der Journalistentag 2018 in Dortmund - DJV-NRW Journal
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