N UTZU NG DES NATU R RAUMS - LEBENSRAUMVERLUST - HAFTUNGSFRAGEN - BESUCHERLENKUNG - Österreichische ...

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N UTZU NG DES NATU R RAUMS - LEBENSRAUMVERLUST - HAFTUNGSFRAGEN - BESUCHERLENKUNG - Österreichische ...
NR. 45     03/2020

                                                                                       MANAGERINNEN
                                                                                       FAC H J O U R N A L

                                                                                       N AT U R R A U M -
                                                                                       DAS

                                                                                       DER
N U T Z U N G D E S N AT U R R A U M S
L E B E N S RAUMV E R LU ST – H A F TU N G S F RAG E N – B E S U C H E R L E N K U N G

                                                                 W O D I E N AT U R Z U H A U S E I ST
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N AT U R R A U M M A N A G E M E N T

                                                                                                                                                                      Wegehaftung

                                                                                                          Baumhaftung

                                      Baumsicherheit
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         Segen und Fluch

                                                                                      Überlebenswichtig
                                                       Ökosysteme brauchen Insekten
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         Naturnutzung zwischen

                                                                                                                                                                                                                                      Wozu Besucherlenkung?
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 Inhalt

                                                                                                                                                                                                                                                                                                             Im Zeitalter der Pandemie
                                                                                                                                                                                                                                                              Intakte Natur als Bollwerk gegen Krankheiten

                                                                                                                        Gastartikel über nötige Sicherungsmaßnahmen
                                                                                                                                                                                    Für ein konfliktfreies Miteinander im Naturraum
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   3

                                                                                                                                                                                                                                                                                                             4

                                                                                                                                                                      8
                                                                                                                                                                                                                                      6

                                                                                                          9

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                                                                                      10
Medieninhaber (Verleger) und Herausgeber:
Österreichische Bundesforste AG | Naturraummanagement
Pummergasse 10–12 | 3002 Purkersdorf
Tel.: +43 2231 600-3110 | E-Mail: naturraummanagement@bundesforste.at
Redaktion: Mag.a Andrea Kaltenegger, DI Gerald Plattner
Texte: Karin Astelbauer-Unger, DI Gerald Plattner, Dr. Wolfgang Stock
Lektorat: Dr. Wolfgang Astelbauer
Coverfoto: Martin Edlinger, Bergwanderer in den Kalkalpen
Design: Roland Radschopf/Vienna, rolandradschopf.com
Reinzeichnung: Breiner&Breiner, office@breiner-grafik.com
Druck: Druckerei Berger, Horn
Verlags-, Herstellungs- und Erscheinungsort: Purkersdorf
Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz: bundesforste.at/naturraummanagement >
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 Impressum

ÖBf-Fachjournal Natur.Raum.Management

Foto: ÖBf-Archiv/Wolfgang Simlinger
N UTZU NG DES NATU R RAUMS - LEBENSRAUMVERLUST - HAFTUNGSFRAGEN - BESUCHERLENKUNG - Österreichische ...
AUSGABE 03/2020 – NR. 45

                                                             Naturnutzung zwischen
                                                               Segen und Fluch
                                   Aufgrund der Corona-Pandemie war es von einem Tag auf den                Städtern vermehrt genutzt. Während sich früher die „Massen“
                                   anderen mit vielen tradierten Verhaltensweisen vorbei. Zahlreiche        mehr verteilten, war plötzlich die Konzentration auf nahe
                                   Auswirkungen im Naturraum, auf die Tier- und Pflanzenwelt und            gelegene Parks, Wälder und Wiesen nach dem langen „Einge-
                                   den Menschen waren die Folge. Einige davon möchte ich aus Sicht          sperrtsein“ die einzige Möglichkeit, einen Ausgleich zu finden. Im
                                   der Umwelt beispielhaft erwähnen: Die                                                            Gegensatz zu geschlossenen Räumen
                                   Einstellung des starken Luftverkehrs mit                                                         mit zahlreichen Menschen ist dort die

                                                                                   Leitartikel
                                   täglich bis zu weit über 100.000 Flugbe-                                                         Ansteckung bei Wahrung weniger
                                   wegungen weltweit quasi über Nacht,                                                              Grundregeln jedoch kaum eine Gefahr.
                                   das Schließen von Betrieben und Industri-                                                        Was liegt also näher, als den vor der
                                   en sowie die Reduktion des uns so                                                                Haustür befindlichen Naturraum
                                   vertrauten täglichen Lebens haben zu                                                             intensiver zu nutzen?
                                   einer deutlichen Verbesserung der
                                   Luftqualität und Reduktion der CO2-Emis-                                                         Der Naturraum wird aber jeweils auf
                                   sionen geführt: kein Smog in der oberita-                                                        Grundlage ganz unterschiedlicher
                                   lienischen Poebene, klare Nächte mit gut                                                         Interessen betrachtet: einmal als
                                   sichtbarem Sternenhimmel in Regionen,                                                            Sportgerät, dann wieder als Wildnis, als
                                   wo vorher kaum Sterne mehr auszuneh-                                                             Naturbeobachtungsraum, als Wirt-
                                   men waren. Auch Sie werden plötzlich die                                                         schaftsraum oder als Ruheoase, die jeder
                                   Ruhe auf unseren Straßen bemerkt und                                                             am liebsten exklusiv für sich genießen
                                   erlebt haben, wie mit einem Schlag (fast)                                                        möchte. Lokale zeitliche Konzentrationen
                                   keine Autos mehr fuhren. Vogelgezwit-                                                            von Menschen werden sofort als
                                   scher war in stadtähnlichem Wohngebiet                        Gerald Plattner                    Belastung empfunden, auch dann, wenn
                                   plötzlich der morgendliche Weckruf und                Leiter Naturraummanagement                 sie nicht mit touristischen Einnahmen
                                   nicht das Röhren von Motoren.                                        —                           verbunden sind. Naherholung kann aber
                                                                                         gerald.plattner@bundesforste.at            auch einen niederschwelligen Zugang
                                   Von starkem Verkehrslärm sind weit über                                                          bedeuten und damit zu einem nachhalti-
                                   80 Mio. EU-Bürgerinnen und -Bürger                                                               geren Lebensstil führen. Nicht zweimal
                                   betroffen, dagegen „nur“ rd. 0,8 Mio.                                                            im Monat die Flugreise zum Ballermann
                                   durch Lärm aus Industrie, 10,7 Mio. durch solchen des Schienenver-       „XY“ sollte das höchste Sozialprestige haben, sondern die
                                   kehrs, wie ich erst jüngst durch den Bericht über den Status der         ressourcenschonende Freizeitnutzung in der Nähe des Wohnbe-
                                   europäischen Umwelt erfahren habe. Da gibt es interessante               reichs.
                                   Zusammenhänge wie die kontinuierliche Steigerung des Bruttoin-
                                   landsproduktes, die zu mehr Wohlstand und einer Änderung des             Was hat das jetzt mit Naturraummanagement zu tun? Auch die
                                   Lebensstils führte. Das ermöglichte mehr Freizeitkonsum mit              Erholung muss Spielregeln unterliegen, deren Einhaltung
                                   vermehrten Reisen zu ferneren Zielen während eines Jahres und            vornehmlich durch Aufklärung und Vorbildwirkung zu erreichen
                                   somit zu mehr Verkehr und höherer Fahrzeugdichte, womit sich             sein sollte. Auch die Tiere in Naturräumen brauchen Raum und
                                   der Kreis zu den Umweltauswirkungen schließt.                            Zeit für Regeneration und Ruhe. Wenn sich alle an gewisse Regeln
                                                                                                            halten, kann der Ausgleich zwischen Naturnutzung und Natur-
                                   Aufgrund der „Reisebeschränkungen“ gewinnt der Naherho-                  schutz gelingen – da liegt aber noch ein weites Betätigungsfeld
                                   lungsraum wieder großen Wert und wird von Städterinnen und               vor uns.
Foto: W. Voglhuber, www.vogus.at

                                                                                                                                                                   3
N UTZU NG DES NATU R RAUMS - LEBENSRAUMVERLUST - HAFTUNGSFRAGEN - BESUCHERLENKUNG - Österreichische ...
geht es auch uns Menschen gut.
 Geht es der Natur gut,

                                           Im Zeitalter der Pandemie
                                                                   Intakte Natur als Bollwerk
                                                                           gegen Krankheiten

                                      „Wir führen einen Krieg gegen die Zukunft“, ist im      Tier übertragen werden. 75 Prozent der beim Men-
                                      kürzlich erschienenen Buch des deutschen Histori-       schen neu auftretenden Krankheiten haben ihren
                                      kers und Schriftstellers Philipp Blom Das große         Ursprung bei Tieren. Die im Frühjahr erschienene
                                      Welttheater zu lesen. Die Menschheit zerstört bzw.      WWF-Analyse The Loss of Nature and Rise of Pande-
                                      verbraucht nach und nach alle lebensnotwendigen         mics warnt vor wachsenden globalen Gesundheitsri-
                                      Ressourcen. Die Verschmutzung der Luft und der          siken aufgrund von Umweltzerstörung. Denn die
                                      Meere, Rodungen, Monokulturen, Bodenversiegelun-        Gefahr weiterer Zoonosen nehme zu. Im schlimmsten
                                      gen, der Einsatz von Pestiziden etc. haben bei Fauna    Fall sei COVID-19 nur ein Vorgeschmack darauf, was
                                                              und Flora zu einem massiven     uns drohen könnte, so die Einschätzung des WWF.
Die Fachleute sind sich einig: Mit                            Artenverlust geführt. Dem
                                                              UN-Bericht 2019 über die        „Der Zusammenhang zwischen Gesundheit und
der zunehmenden Vernichtung von
                                                              Verfolgung der Ziele für        Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen ist offen-
Ökosystemen und Biodiversität                                 nachhaltige Entwicklung         sichtlich“, meint der deutsche Biologe Prof. Dr. Josef
steigen die Wahrscheinlichkeit und                            zufolge sind derzeit eine       Settele, der als Co-Chair die Arbeit am Global
                                                              Million Pflanzen- und           Assessment Report on Biodiversity and Ecosystem
die Wucht von Pandemien. Wir
                                                              Tierarten vom Aussterben        Services des Weltbiodiversitätsrates geleitet hat
brauchen eine weltweite                                       bedroht.                        (IPBES, ipbes.net > Assessing Knowledge), in einem
Transforma­tion hin zu einer                                                                  Interview für die Plattform RiffReporter. „Die große
­nachhaltigen Lebensweise.                                    In den letzten drei Jahrzehn-   Mehrheit an Krankheitserregern harrt noch der
                                                              ten haben sich aufgrund der     Entdeckung, wir kratzen da erst an der Oberfläche.
                                      Globalisierung, schlechter Hygienebedingungen in        Viele Fachleute sind aber vom Ausbruch des Coro-
                                      den sogenannten Entwicklungs- und Schwellenlän-         na-Virus nicht wirklich überrascht.“ Die Menschheit
                                      dern sowie der Vernichtung und Umgestaltung von         schaffe geradezu die Bedingungen dafür, dass sich
                                      Lebensräumen Epidemien (AIDS, SARS, MERS, Ebola,        Krankheiten ausbreiten. Die Barrieren zwischen dem
                                      Vogelgrippe, Schweinegrippe, Zika, West-Nil-Virus       Menschen und den Wirtstieren, in denen solche Viren
                                      etc.) gehäuft. Stets war die unnatürliche Nähe von      zirkulieren, werden reduziert. Lebensraumverlust
                                      Menschen und Wildtieren der Grund für die Übertra-      führt zu höheren Populationsdichten und zu mehr
                                      gung. Das Sars-CoV-2-Virus etwa dürfte über einen       Kontakten mit Menschen. Die Arten, die überleben,
                                                                                                                                                       Foto: ÖBf-Archiv/Wolfgang Simlinger

                                      Zwischenwirt von Fledermäusen auf den Menschen          ändern ihr Verhalten und teilen sich in zunehmen-
                                      übergesprungen sein.                                    dem Maße Lebensräume mit anderen Tieren – und
                                                                                              mit dem Menschen.
                                      Mehr als die Hälfte aller bekannten Erreger, die
                                      Erkrankungen beim Menschen hervorrufen, sind            Laut WWF werden jährlich etwa 16 Millionen Hektar
                                      sogenannte Zoonose-Erreger. Diese Bakterien, Pilze,     Wald zerstört und im Zuge dessen meist Straßen
                                  4   Viren und Parasiten können zwischen Mensch und          gebaut. Auf diesen gelangen mehr Menschen in
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AUSGABE 03/2020 – NR. 45

                                                                                   handels und eine effektivere Kontrolle des legalen
                                                                                   Handels mit Wildfleisch bewerkstelligen zu können.

                             RISI KOMI N IMI ERUNG                                 Um besser verstehen zu können, wie die Interaktion
                                                                                   zwischen Menschen und Wildtieren funktioniert,
                             Um die Risiken weiterer Zoonosen zu verringern,       brauche man auch mehr Geld für die Erforschung von
                             schlägt der WWF folgende Maßnahmen vor:               Wildtierkrankheiten und die Gesundheitsvorsorgefor-
                             > entschiedenes Vorgehen gegen den illegalen          schung, so Andrew Cunningham. Nur dann könne
                             Wildtierhandel sowie bessere Kontrollen des legalen   man Maßnahmen entwickeln, die das Übertragen von
                             Artenhandels mit Produkten wie etwa Wildfleisch;      zoonotischen Krankheitserregern auf Menschen
                             > Biodiversität schützen und anerkennen, dass diese   verhindern, ohne die Wildtiere zu beeinträchtigen, in
                             für Ökosysteme und menschliche Gesundheit             denen die Erreger auf natürliche Weise vorkommen.
                             unabdingbar ist;
                             > die Gesundheit von Menschen, Wildtieren und
                             Umwelt zukünftig konsequent zusammendenken.           D E R O N E - H E A LT H - A N S AT Z

                                                                                   Der US-amerikanische Epidemiologe Dr. Lawrence
                                                                                   Brilliant, der im Rahmen eines WHO-Projekts in den
                                                                                   1970er-Jahren mitgeholfen hat, die Pocken zu besie-
                          entlegene Waldregionen, in denen sie oft mit             gen, meint, dass wir heute im Zeitalter der Pandemien
                          Tierarten konfrontiert werden, gegen die sie keine       leben und unser Verhalten darauf ausrichten sollten:
                          Immunabwehr haben. Straßennetze ermöglichen              „Wir müssen verstehen, dass wir alle – Menschen,
                          eine schnelle Ausbreitung von Krankheiten in urbane      Tiere, Pflanzen – in ein und derselben Welt leben. Wir
                          Bereiche. In direktem Zusammenhang mit Waldro-           müssen uns von der Vorstellung befreien, dass der
                          dungen stehen auch Krankheiten, die von Zecken und       Mensch eine besondere Art ist. Für Viren ist er es
                          Mücken übertragen werden, zum Beispiel die               nicht!“ Da die Gesundheit von Menschen eng mit
                          Lyme-Borreliose und Malaria.                             jener ihrer Umwelt zusammenhängt, müsse man
                                                                                   entsprechend dem One-Health-Konzept handeln,
                                                                                   welches das Ziel hat, die Gesundheit von Menschen,
                          IN SICHERHEIT UND FORSCHUNG                              (Wild-)Tieren, Pflanzen und Umwelt zu optimieren
                          INVESTIEREN                                              (who.int/news-room/q-a-detail/one-health).

                          Auch der Umgang des Menschen mit Tieren, die für         Der Österreichische Biodiversitätsrat fordert von der
                          den Verzehr vorgesehen sind, spielt bei der Entste-      Bundesregierung, die Biodiversitäts- und Klimakrise
                          hung von Krankheiten eine Rolle. Das Zusammensper-       mit der gleichen Vehemenz wie die COVID-19-Pande-
                          ren von Wildtieren in kleinen Käfigen auf Märkten wie    mie zu bekämpfen. Es sei notwendig, umgehend und
                          den „Wet Markets“ (Blut und Dreck werden hier            entschlossen eine ökologische und gesellschaftliche
                          ständig mit Wasser weggespült, weil man die              Transformation einzuleiten, die beiden Herausforde-
                          verkauften Tiere an Ort und Stelle schlachtet)           rungen gerecht wird (biodiversityaustria.at > Aktuelles).
                          begünstige das Übertragen von Krankheitserregern
                          von einer Spezies auf andere und schließlich auf den
                          Menschen, erklärt der Wildtierepidemiologe Prof.
                          Andrew Cunningham der Zoological Society of
                          London (ZSL). Die Covid-19-Pandemie nahm höchst-
                          wahrscheinlich auf einem Wildtiermarkt in der
                          chinesischen Millionenstadt Wuhan ihren Anfang. Die
                          Jagd, der Handel und der Transport von Wildtieren
                          wurden zwar mittlerweile in China verboten, aber der
                          globale Handel blüht weiter. Der Schwarzhandel mit
                          Wildtieren war schon vor der Corona-Krise nach dem
Grafik: WWF Deutschland

                          Drogen-, Menschen- und Waffenhandel das viertluk-
                          rativste Geschäft der Welt. Die sogenannten Entwick-
                          lungs- und Schwellenländer sollten daher technische
                          wie finanzielle Unterstützung erhalten, um eine
                          Schließung des illegalen und unregulierten Wildtier-                                                                              5
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Hubertussee in der
 Steiermark

                                    Wozu Besucherlenkung?
                                                Für ein konfliktfreies Miteinander
                                                                     im Naturraum

                          WO H L FÜ H LW E G E                                      Wanderwegenetz die größte Rolle. Es muss allerdings
                                                                                    ständig betreut und erhalten werden. Diese Arbeit
                          Der Naturschutz will mit Besucherlenkung besonders        wird in erster Linie von den alpinen Vereinen – meist
                          sensible Lebensräume schonen sowie Störungen für          ehrenamtlich – erledigt. „Die alpinen Vereine leisten
                          gefährdete Tier- und Pflanzenarten möglichst vermei-      in diesem Bereich einen Riesenbeitrag für die
                          den. Besucherlenkung in Form von Themenwegen zum          Erholungsmöglichkeiten der Bevölkerung sowie der
                          Beispiel kommt natürlich auch den Menschen zugute,        Gäste aus dem In- und Ausland. Für diese Infrastruk-
                                                  die in der Natur unterwegs        tur sollten daher der Tourismus und die öffentliche
Im Optimalfall sollten die Erho-                  sind, weil sie verhindert, dass   Hand mehr Geld bereitstellen“, meint DI Peter

lungsaktivitäten in der Natur nicht               zu viele Menschen am selben       Kapelari, Leiter des Referats für Hütten und Wege des
                                                  Ort sind. Dann sei das            Alpenvereins. Allein der Alpenverein wendet für die
beschränkt, sondern so gelenkt                    Naturerlebnis ein viel intensi-   Wegebetreuung pro Jahr eine Million Euro auf. Dazu
werden, dass es zu keinen großen                  veres, meint DI Andrea            kommen noch die Kosten, die bei Sofortmaßnahmen
Störungen kommt. Doch dies ist in                 Lichtenecker, Geschäftsführe-     etwa nach Sturm- und Starkregenereignissen sowie
                                                  rin der Naturfreunde Internati-   wegen des Auftauens von Permafrostböden anfallen.
der Praxis nicht immer leicht zu                  onale (NFI), die in Kooperation   Die klimawandelbedingten Sanierungskosten haben
bewerkstelligen.                                  mit den Österreichischen          sich in den letzten zehn Jahren vervierfacht!
                                                  Bundesforsten die „Wohlfühl-
                          Wege“ entwickelt hat (siehe auch NRM-Journal 2/2019).     Im Sommer bleiben die meisten Menschen auf den
                          Bis dato wurden in den letzten vier Jahren 14 Wohlfühl-   Wegen. Im Winter ist die Situation heikler, weil man
                          Wege ausgesucht und mit Stationen für verschiedens-       vermehrt auf Wildtiere Rücksicht zu nehmen hat. Bei
                          te Aktivitäten wie Naturerfahrungsspiele sowie            Wintersportarten im freien Gelände werden jedoch
                          Entspannungsübungen ausgestattet. Im Lauf dieses          große Flächen genutzt. In diesen Bereichen müsse
                          Jahres werden noch vier weitere WohlfühlWege in           man auf Information setzen und um Verständnis
                          Salzburg, Tirol, Niederösterreich und in der Steiermark   werben sowie für geschickt lenkende Infrastrukturen
                          eröffnet, dann endet das Projekt.                         sorgen, meint Peter Kapelari. In den Tiroler Brenner-
                                                                                    bergen beispielsweise hat man eine Wald-Wei-
                                                                                    de-Trennung eingeführt, um keine Weidetiere mehr
                                                                                                                                            Foto: ÖBf-Archiv/Wolfgang Simlinger

                          FÜR GEMEINSAME LÖSUNGEN                                   im Schutzwald zu haben. Die Reinweideflächen
                                                                                    wurden so angelegt, dass sich im Winter Aufstiegs-
                          Dem Österreichischen Alpenverein ist es ein Anlie-        und Abfahrtsschneisen für Schitourengeherinnen
                          gen, dass Freizeitnutzung konfliktfrei, naturverträg-     und -geher ergeben.
                          lich und mit größtmöglicher Rücksichtnahme auf
                          ökologisch wertvolle Lebensräume erfolgt. Vor allem       Mit restriktiven Maßnahmen geht der Alpenverein
                      6   im Sommer spielt bei der Besucherlenkung das              sehr sparsam um. Betretungsverbote werden nur für
N UTZU NG DES NATU R RAUMS - LEBENSRAUMVERLUST - HAFTUNGSFRAGEN - BESUCHERLENKUNG - Österreichische ...
AUSGABE 03/2020 – NR. 45

                            ökologisch wertvolle Lebensräume ausgesprochen. Der       stiegs- und Abfahrtsrouten: mit vorgeschlagenen
                            Alpenverein fordert die Freizeitnutzenden auch dazu       Aufstiegsrouten, großen Tafeln, Foldern, Medienarbeit,
                            auf, auf jagdliche Infrastrukturen Rücksicht zu nehmen.   Internetpräsenz, eigenen digitalen und analogen
                            „Aber mit Wildschutzgebieten unter Strafandrohung         Karten etc. Eine Evaluierung des Landes Tirol im letzten
                            haben wir keine Freude“, stellt Kapelari klar.            Winter hat ergeben, dass sich das Gros der Sporttrei-
                                Besucherlenkung ist eine permanente Aufgabe, die      benden an die markierten
                            viel Kreativität, Kommunikationsaufwand, Geduld und       Aufstiegsspuren hält und           WEITERFÜHRENDE LINKS
                            Mühe erfordert. Wenn alle Beteiligten offen über ihre     freiwillige sowie behördlich
                            Bedenken, Ängste und Bedürfnisse reden, könne man         verordnete Schutz- und             Kostenloser Download der Publikation
                            gemeinsam gute Lösungen finden, ist Peter Kapelari        Ruhegebiete berücksichtigt.        Good Practices der Besucherlenkung im
                            überzeugt. Man müsse jedoch alle Maßnahmen                                                   Alpintourismus, Reihe „Alpine Raumord-
                            ständig evaluieren und immer wieder nachbessern.          Das ist die positive Nach-         nung“, Nr. 34: alpenverein.at > Natur &
                                Für die heurige Sommersaison rechnet man mit          richt. Die schlechte Nach-         Umwelt > Naturverträglicher Bergsport >
                            einem besonders großen Ansturm auf den Natur-             richt ist, dass das Brixental      Besucherlenkung
                            raum. Viele Österreicherinnen und Österreicher            und seine Seitentäler sowohl
                            werden wegen der Corona-Krise zu Hause Urlaub             aufgrund der guten                 woipertouringer.at
                            machen. Der Alpenverein rechnet damit, dass               Werbung als auch wegen             bergwelt-miteinander.at
                            Wildcampieren ein großes Thema werden wird.               der gesellschaftlichen
                                                                                      Entwicklung hin zu mehr Naturerlebnissen – Schitou-
                                                                                      rengehen boomt nach wie vor – im Winter regelrecht
                            Ü B E R N U T Z T E R N AT U R R A U M                    gestürmt werden. Vor allem die Tagesausflüglerinnen
                                                                                      und -ausflügler sprengen die Parkplatzkapazitäten. Die
                            Viel Erfahrung mit Besucherlenkung hat auch               Folge: Wild geparkte Autos verhindern immer wieder,
                            Christian Rieser, Leiter des Forstreviers Brixental,      dass Einsatzfahrzeuge sowie Grundstücksbesitzerin-
                            ÖBf-Forstbetrieb Unterinntal. Er arbeitet bereits seit    nen und -besitzer in die Täler kommen können.
                            zwanzig Jahren in diesem touristisch sehr stark           Einzelne betroffene Grundeigentümer erwägen daher
                            genutzten Gebiet und beobachtet, dass sich die            eine Beschränkung der Besucherfrequenz. In puncto
                            Bevölkerung immer mehr von der Natur entfremdet           Besucherlenkung ausschließlich auf Aufklärungsarbeit
                            und sich die freiheitsliebenden Einheimischen immer       und Eigenverantwortung zu bauen würde in den
                            schwerer lenken lassen. Kaum jemandem sei noch            touristisch überlaufenen Gebieten über kurz oder lang
                            bewusst, dass der Naturraum auch ein Arbeitsplatz         möglicherweise nicht ausreichen, meint Christian
                            ist, wo Lebensmittel produziert werden oder Holz          Rieser. Der Naturraum drohe übernutzt zu werden.
                            geerntet wird. Viele Menschen wollen ihr Ego
                            befriedigen, indem sie „irgendwo hinaufsausen“ – sei
                            es mit dem Rad oder mit Nordic-Walking-Stöcken.
                            Christian Rieser: „Ich rede deshalb mit jedem, der sich
                            in unserem Forstrevier nicht richtig verhält. Ich
                            erkläre, wie alles zusammenhängt und wer durch das
                            jeweilige Fehlverhalten belastet wird.“ Sind Freizeit-
                            nutzende abseits vertraglich geregelter Bestimmun-
                            gen unterwegs, wird das auch mit den Gemeinden
                            und Tourismusverbänden besprochen, mit denen die
                            ÖBf sehr gut zusammenarbeiten. Diese stellen
                            Information etwa über Wegsperren wegen Holznut-
                                                                                         N E U E R WO H L FÜ H LW E G D U RC H
                            zung auf ihre Internet-Plattformen. Dennoch gehört
                                                                                         DIE MARCHAUEN
                            es zum Alltag, dass solche Ankündigungen negiert
                            werden. Selbst Tafeln mit der Aufschrift „Befristetes
                                                                                         Der im Frühling 2020 eröffnete barrierefreie
                            forstliches Sperrgebiet – bitte nicht betreten,
                                                                                         WohlfühlWeg bei Marchegg führt durch das
                            Lebensgefahr!“ werden ignoriert. Die ÖBf legen
                                                                                         Herzstück der Marchauen und u. a. zur größten auf
                            daher oft Ausweichkorridore oder -schneisen an.
                                                                                         Bäumen nistenden Storchenkolonie Mitteleuropas.
Foto: Andrea Lichtenecker

                                                                                         Gehzeit: ca. 1,5 Std.
                            Im Winter kämpft der Verein „Netzwerk Naturraum
                                                                                         Wegbeschreibung: wohlfuehlwege.at/marchauen
                            Brixental“, dem auch die ÖBf angehören, bereits seit
                            mehr als zehn Jahren (siehe NRM-Journal 1/2012) sehr
                            erfolgreich gegen den Wildwuchs von Schitourenauf-                                                                                     7
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Dem Staat müsste ein gut betreutes
Wanderwegenetz auch budgetär
mehr wert sein.

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                                                      Welche Sicherungsmaßnahmen sind nötig?

                          Spezialist für   Viele Wanderwege im alpinen Raum liegen in               Sicherung der Wegebenutzung gegen Absturzgefah-
              Wegehaftungsrecht            Höhenlagen mit temperaturbedingt schwieriger             ren. Die die Wegehalterin/den Wegehalter treffende
                Dr. Wolfgang Stock         Bodenbildung. Die daher oft nur dünnen Auflagen          Pflicht zur Sicherung des Weges bedeutet aber nicht
                                     –––   sind stark erosionsgefährdet. Hochgebirgsböden           die Verpflichtung, Wandernde vor jeder möglichen
                       freizeitrecht.at    haben auch nur wenig Speichervermögen. Das               Gefahr zu schützen. Eine solche Forderung würde der
                                           dadurch fast ungehinderte Abfließen des Nieder-          Wegehalterin/dem Wegehalter unerträgliche Lasten
                                                                   schlagwassers kann Muren-        aufbürden, die in keinem angemessenen Verhältnis
  Verantwortungsvolle Wegehalterin-                                abgänge und Hochwasser-          zum Schutzeffekt stünden; eine vollkommene

  nen und -halter haben viel zu tun.                               schäden nach sich ziehen.        Verkehrssicherung ist auf Wegen nicht zu erreichen
                                                                   Auch Steinschlag und             (RIS-Justiz RS0023233).
  Jurist Dr. Wolfgang Stock geht in                                Felsstürze können Wandernde
  seinem Gastartikel sowohl auf die                                auf (hoch-)alpinen Wegen         Für die Wartung von Wanderwegen existieren keine
  Istsituation als auch auf mögliche                               gefährden. Im Wald stellen       gesetzlichen Vorgaben. In der Gerichtspraxis haben
                                                                   umstürzende Bäume und            sich aber Regeln herausgebildet: Wegehalterinnen
  Änderungen der Wegehaftungs­                                     herabfallende Äste Gefahren      und Wegehalter sind zu periodischen Kontrollen
  bestimmungen ein.                                                für Wegebenutzerinnen und        verpflichtet. Beispielsweise kann zur Vermeidung
                                                                   -benutzer dar. Auf Wiesenwe-     eines Felssturzes eine jährliche Kontrolle des oberhalb
                                           gen können Starkregenereignisse zu einer Versump-        des Weges befindlichen Terrains auf lockeres oder
                                           fung führen.                                             brüchiges Gestein geboten sein. Nach bekannt

                                                                                                                                                              Fotos: Naturfreunde Oberösterreich, Bergwaldprojekt/Naturfreunde Österreich, Furgler, Graz
                                                                                                    gewordenen Naturkatastrophen ist eine anlassfallbe-
                                                                                                    dingte, rasche Überprüfung des Wegzustandes
                                           WARTEN VON WAN DERWEGEN                                  vorzunehmen: Gibt es Vermurungen, umgestürzte
                                                                                                    Bäume, weggerissene Stege, weggeschwemmte
                                           Die in § 1319a ABGB (Allgemeines bürgerliches            Trittsteine usw.? Im Gebirge können allerdings eine
                                           Gesetzbuch) gesetzlich vorgeschriebene Haftung für       ständige Überwachung und Instandhaltung nicht
                                           Wege ist ein Unterfall der allgemeinen Verkehrssiche-    verlangt werden. Auch Gefahrenabwehrmaßnahmen,
                                           rungspflicht. Wer – wenn auch erlaubterweise und         die für andere Verkehrsträger (Straßen, Bahntrassen)
                                           zum Vorteil der Benutzerinnen und Benutzer – eine        üblich sind, etwa Steinschlagnetze, Auffangmauern
                                           Gefahrenquelle schafft, muss dafür sorgen, dass          oder die Verlegung in Tunnel, sind für Wanderwege
                                           daraus kein Schaden entsteht. Dies allerdings nur        unrealistisch. Dies muss auch allen, die wandern
                                           dann, wenn die Maßnahmen zur Vermeidung einer            gehen, bewusst sein. Sie haben daher bei der Bege-
                                           Gefahr auch möglich und zumutbar sind. Die Haftung       hung von Wanderwegen besonders vorsichtig zu sein.
                                           gilt nicht nur für die Wegfläche selbst, sondern auch
                                           für die Wegverkehrssicherheit im Rahmen der              Im Wald gilt die Weg(rand)haftung nur auf Forststra-
                                           sogenannten Wegrandhaftung (Beeinträchtigungen           ßen und markierten Wegen im Wald; das sind Wege,
                                           der Sicherheit durch Lawinen, Steinschlag, Felsstürze,   welche die Waldeigentümerin/der Waldeigentümer
                                     8     abbrechende Äste und umstürzende Bäume) und die          durch entsprechende Kennzeichnung ausdrücklich
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AUSGABE 03/2020 – NR. 45

der Benützung durch die Allgemeinheit gewidmet          Zur subjektiven Komponente: Ein Prinzip unserer
hat. Die oben erwähnten Grundsätze der Angemes-         Rechtsordnung ist der Zusammenhang zwischen
senheit und Zumutbarkeit gelten gleichermaßen für       Müssen und Können. Der OGH judiziert zum Beispiel,
die Beurteilung der Frage, welche Maßnahmen zur         dass die Wegehalterverpflichtung (= Müssen)
Abwehr von Gefahren aus dem daneben liegenden           gerechterweise nur von jemandem verlangt werden
Wald zu treffen sind. Nicht markierte Waldwege sind     kann, dem eine Verfügungsmacht über den Weg
juristisch wie ein wegeloser Wald zu sehen. Wer im      zusteht (= Können). Wenn man dieses Prinzip
wegelosen Wald wandert, muss selbst auf alle ihm        weiterdenkt, müsste dem Staat die Aufrechterhal-
durch den Wald drohenden Gefahren achten (§ 176         tung eines gut gewarteten und weitgehend sicheren
Abs. 1 Forstgesetz).                                    Wanderwegenetzes auch budgetär mehr wert sein.
                                                        „Wanderwege-Finanzierungsgesetze“ seitens des
Verantwortungsvolle Wegehalterinnen/Wegehalter          Bundes (für Wanderwege im Wald) und der Länder
haben jedenfalls viel zu tun: von der Beseitigung von   (für sonstige Wanderwege) könnten abseits von
Lockergestein oberhalb von Wegen im alpinen             situativen Förderungen eine nachhaltige Entwick-
Bereich und von Gefahrenbäumen auf Wanderwegen          lung sicherstellen. Modell dafür könnten die in
im Wald über die eventuelle Neutrassierung eines        Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Tirol und
Weges in stark vernässten Talbereichen bis zur Sperre   in der Steiermark abgeschlossenen landesweiten
und allenfalls sogar Auflassung von Wegen in            Wegehalterhaftpflichtversicherungen sein.
Gefahrenbereichen.

MÖGLICHE RECHTSENTWICKLUNG
                                                           BAUMHAFTUNG
Wie kann die Rechtsordnung Wegehalterinnen/
Wegehalter in ihrer Aufgabe unterstützen? Eine            Knapp ein Viertel der Waldfläche Österreichs unterliegt theoretisch der Baumhaf-
mögliche Antwort wäre, sie von der Haftung zu             tung. Die Rechtslage in puncto Baumhaftung wird als unbefriedigend empfunden.
befreien oder diese zumindest stark zu reduzieren.        Haftungsängste, die oft auf Unkenntnis und Fehlinformation basieren, führen zu
Die Folge wären allerdings Wege, denen man nicht          einem ökologisch problematischen Verlust von Baumbeständen. Es kommt zu
mehr so recht vertrauen kann, womit sie auch ihre         Fällungen, die zur Haftungsvermeidung gar nicht erforderlich wären. Die im Vorjahr
besucherlenkende Funktion verlieren würden: Jede          erschienene Studie des Umweltbundesamts „Baumhaftung – Baumsicherung und
Wanderin bzw. jeder Wanderer sucht sich dann              deren ökologische Wirkungen“ bietet einen Überblick über die rechtlichen Grundla-
seinen eigenen, vertrauenswürdigen Pfad durch den         gen und die Praxis der Baumsicherung in Österreich. Im Mittelpunkt stehen die
Naturraum. „Wildes“, wegeloses Wandern würde im           ökologischen Auswirkungen von Sicherungsschnitten und vorsorglichen Fällungen.
alpinen Raum die Erosion verstärken, im Wald die          Zudem werden Lösungsvorschläge unterbreitet. Um Kosten für Gemeinden und
Beunruhigung des Wildes erhöhen und abseits von           Waldbesitzerinnen/Waldbesitzer zu minimieren sowie wertvolle Bäume zu erhalten,
markierten Wiesenwegen zu Eingriffen in fremden           werden u. a. Haftungsänderungen, Verbesserungen im Baummanagement und eine
Besitz führen. Eine solche kaum wünschenswerte            Stärkung der Eigenverantwortung von Waldbesucherinnen/-besuchern angeregt.
Entwicklung kann also nicht das Ziel sein. Was aber
dann?                                                     Kostenloser Download der Studie:
                                                          umweltbundesamt.at > Studien & Reports > Wald
Welche Wegesicherungsmaßnahmen im konkreten
Fall zu treffen sind, richtet sich danach, was ange-      Weitere Infos
messen (objektive Komponente) und zumutbar                Siehe Seite 11 sowie auf baumkonvention.at > Download & Info > Zeitschrift
(subjektive Komponente) ist. Damit gibt die Rechtsla-     SACHVERSTÄNDIGE, Heft 1, 2020, Seite 2–9
ge eine sehr realitätskonforme Handlungsweise vor
und hält überzogene Erwartungen (Begradigung              Johannes Stabentheiner/Karin Büchl-Krammerstätter (Hg.), Kriterien für eine
aller Straßenkurven, Beleuchtung aller Wanderwege         differenzierte Baumhaftung, Tagungsband zum Symposium „Baumsicherung“ am
usw.) ab. Der Oberste Gerichtshof (OGH) prüft diese       24. und 25. Oktober 2019 in Hainburg, 38 €, Bestellungen:
Komponenten im Hinblick auf ein angemessenes              baumkonvention.at/buch/
Verhältnis zum Schutzeffekt für die Wegenutzenden.
Eine Ausdehnung der objektiven Komponente im              Die Forstliche Ausbildungsstätte Traunkirchen bietet im Herbst 2020 Baum­
Hinblick auf ein angemessenes Verhältnis zum              management-Kurse: fastort.at/index.php/kurskalender.
Verlusteffekt eines Gutes (etwa eines ökologisch
wertvollen Fels- oder Feuchtbereichs) wäre eine
sinnvolle Ergänzung dieses Abwägungsgedankens.                                                                                      9
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Alpenbockkäfer,
 Hummeln

                                              Überlebenswichtig
                                                Ökosysteme brauchen Insekten

                        Von 1989 bis 2016 reduzierte sich allein der Bestand      Will man dem Insektensterben Einhalt gebieten, wird
                        fliegender Insekten in manchen Regionen Deutsch-          man vonseiten der Politik ausreichende Forschungs-
                        lands um 76 Prozent. Man geht davon aus, dass die         mittel bereitstellen sowie in eine insekten- und
                                                Situation in Österreich eine      klimafreundliche Landwirtschaft investieren müssen.
Auf jeden Menschen kommen an                    ähnliche ist. Hauptursache        Der Anfang 2020 gegründete „Österreichische
                                                des Rückgangs ist der Verlust     Wildbienenrat“ fordert unter der Devise „Bestäuber-
die 1,4 Milliarden Insekten, von
                                                von Lebensraum: Industrielle      schutz ist ein Gebot der Stunde!“ eine Forschungs-
denen es etwa 5,5 Millionen Arten               Landwirtschaft, Pestizid- und     und Bildungsoffensive.
gibt. Doch den Insekten geht es                 Düngemitteleinsatz, Flächen-
                                                versiegelung und Lichtver-        Je größer die Artenvielfalt unter den Bestäubern ist,
nicht gut. Weltweit ist ein massives
                                                schmutzung setzen den             desto höher ist die Bestäubungsrate. Honigbienen
Insektensterben zu beobachten.                  Insekten stark zu. Je weniger     reichen als alleinige Bestäuber nicht aus. Sie sind
                                                naturnahe Landschaften es         auch gar nicht für jede Pflanzenart anatomisch
                        gibt, desto schlechter ist es um die Insektenvielfalt     passend ausgestattet. Die Bestäuber sind jeweils auf
                        bestellt. Auch der Klimawandel kann sich auf die          die Blüten spezieller Pflanzenarten zugeschnitten.
                        Insektenwelt negativ auswirken.                           Man darf also nicht nur an den Schutz der Honigbie-
                                                                                  ne denken.
                        Von den 54.125 in Österreich lebenden Tierarten sind
                        40.000 (!) Insektenarten. In Österreich ist die
                        Datenlage bezüglich Insekten unbefriedigend. Noch         AKTIV FÜR WILDBIENEN
                        in diesem Sommer wird das Umweltbundesamt
                        einen umfassenden Bericht über die Situation der          Im Rahmen des ÖBf-Projekts „Aktiv für Wildbienen“
                        Insekten in Österreich veröffentlichen. Laut Auskunft     wurden 2016 gemeinsam mit dem Naturschutzbund
                        des Umweltbundesamts arbeitet man derzeit auch            Österreich von Wildbienenexpertinnen und -exper-
                        an einem „Aktionsplan Insektenvielfalt“ (Arbeitstitel),   ten an ausgesuchten Flächen in sieben ÖBf-Forstbe-
                        der bis Jahresende vorliegen soll.                        trieben die vorkommenden Wildbienenarten
                                                                                  erhoben. Darauf aufbauend hat man Pflegekonzepte
                        In Österreich fehlen in den Roten Listen noch immer       mit praktisch umsetzbaren Maßnahmen ausgearbei-
                        wichtige Insektengruppen, etwa die Wildbienen, weil       tet, die für ÖBf-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter im
                        man über sie nicht genügend bzw. keine digitalisier-      „Naturschutzpraxisbuch“ aufgelistet sind. In jedem
                                                                                                                                          Fotos: ÖBf-Archiv, Martina Schwantzer

                        ten Informationen hat. Österreich wird von etwa 700       ÖBf-Revier können nun gezielt Naturschutzaktivitä-
                        Wildbienenarten bevölkert, zu denen auch die              ten sowohl im Zuge der Waldnutzung als auch im
                        Hummeln zählen. Hummelforscher MMag. Dr.                  Offenland erfolgen, die der Förderung von Wildbie-
                        Johann Neumayer koordiniert derzeit die Erstellung        nen dienen. Wildbienen brauchen nämlich auf
                        einer Roten Liste für alle Hummelarten, die bis zum       engem Raum Nistmöglichkeiten und ein ausreichen-
                        Frühjahr 2022 fertig sein soll.                           des Nahrungsangebot. In den letzten Jahren wurden
                   10                                                             daher beispielsweise Wiesen und Waldränder
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                     wildbienenfreundlicher bewirtschaftet. Man kann                  Landes Tirol sowie der Naturkundlichen Sammlung
                     auch entlang von Forststraßen besonnte Bienen-                   der Tiroler Landesmuseen und dem Alpenzoo
                     buchten mit Totholz für Nistplätze und mit Laub-                 Innsbruck wurden 2019 mit
                     und Wildobstbäumen sowie blütenreichen Sträu-                    Bewilligung der zuständi-            WEITERFÜHRENDE
                     chern anlegen und von März bis September/Oktober                 gen Behörden in Tirol einige         I N F O R M AT I O N E N
                     ein durchgängiges Blütenangebot zu schaffen                      Käfer gesammelt, die dem
                     versuchen.                                                       schwedischen Tierpark                global2000.at/publikationen/insektenatlas
                                                                                      „Nordens Ark“, der Erfah-            bienen.info/bienensterben-wie-wichtig-ist-
                                                                                      rung in der Aufzucht von             der-bienenschutz/
                     A L P E N B O C K- P R OJ E K T                                  Bockkäfern hat, zur Vermeh-          Kostenloser Download des neuen 52-seitigen
                                                                                      rung übergeben. Hier                 Praxisleitfadens „Insekten-Soforthilfe“:
                     Der prächtige Alpenbock (Rosalia alpina), ein bis zu             können sich Larven unter             naturverbindet.at
                     4 cm großer Käfer mit charakteristischer Blaufär-                Laborbedingungen in einem            Kostenloser Download der von den ÖBf in Auftrag
                     bung, bevorzugt sonnige Buchen- und Buchenmisch-                 Jahr statt in drei bis vier          gegebenen Studie des Umweltbundesamts
                     wälder. Seine Larven entwickeln sich im Totholz                  Jahren entwickeln. Mit den           „Wildbienenparadies Österreich? Aktuelle Umwelt-
                     großer Buchen und Ahorne. In Österreich ist er in den            in Schweden gezüchteten              situation – Identifikation von Gefahren und
                     Südlichen und Nördlichen Kalkalpen zu finden,                    Käfern möchte man den                Lösungen im Wald“: bundesforste.at > Service &
                     allerdings nur mehr selten. Intensive Waldbewirt-                Tiroler Bestand sichern.             Presse > Publikationen > Studien
                     schaftung, die Umwandlung von Buchenmischwäl-                    Auch in Schweden, wo der
                     dern in Nadelholzbestände sowie das Entfernen von                Alpenbock bereits ausge-             Buchtipp: Heinz Wiesbauer, Wilde Bienen. Biologie,
                     Totholz und/oder großer Solitärbäume bedrohen den                storben ist, will man Tiroler        Lebensraumdynamik und Gefährdung, 2., erw. Aufl.,
                     Alpenbock.                                                       Käfer ausbringen.                    Stuttgart 2020

                     Die ÖBf beteiligen sich nun an einem Projekt zum                 Ab Juli 2020 ist der Alpenzoo Innsbruck um eine
                     Schutz dieses Käfers. Gemeinsam mit dem Naturpark                Attraktion reicher: Eine Station mit vier Baumstäm-
                     Karwendel, der heuer zum Naturpark des Jahres                    men mit Alpenbocklarven informiert u. a. über den
                     gekürt wurde, der Umweltschutzabteilung des                      Lebenszyklus des Käfers.

                        BAUMSIC H ER H EIT – NAC HGEFRAGT B EI DI J Ü RGEN WEB ER                                               entfernen sind. Man           DI Jürgen Weber
                                                                                                                                muss dokumentieren,             Experte für
                        Jürgen Weber ist für die Begutachtung von          Bereich und Waldbestände, in denen es um             dass man nicht                Baumsicherheit,
                        Bäumen zuständig. Die ÖBf bieten Gemein-           die Sicherung von Wegen geht (siehe Seite 8).        säumig war. Wenn         ÖBf-Dienstleistungen,
                        den, Infrastrukturunternehmen wie der                                                                   man sich überfordert                  –––
                        ASFINAG, Immobilienverwaltungen und                Immer öfter werden vorsichtshalber Bäume             fühlt, kann man sich          bundesforste.at/
                        Privatpersonen als Dienstleistung Baumüber-        gefällt.                                             an die Fachleute der      baumbegutachtung
                        prüfungen an. Sie erstellen auch Baumkatas-        Das ist im Osten häufiger der Fall als im            Bundesforste
                        ter und führen zum Teil Baumkontrollen in          Westen. Eine Studie der Kepler-Universität           wenden. Üblicherweise kann jedoch auch ein
                        Wäldern durch, etwa im Nationalpark                Linz liefert Vorschläge für die Konkretisierung      Laie sehr gut erkennen, ob ein Baum gefähr-
                        Donauauen, wo größere Besucherströme               der bestehenden Gesetze, durch die verhin-           lich ist. Nach Stürmen müssen Bereiche im
                        unterwegs sind.                                    dert werden soll, dass es zu übereilten              Wald mit erhöhter Verkehrsfrequenz umge-
                                                                           Baumfällungen kommt.                                 hend kontrolliert werden. In Österreich
                        Welche Kriterien gibt es für die Baumsicherheit?                                                        herrschen keine amerikanischen Verhältnisse:
                        Je nachdem, ob es sich um Bäume im Wald            Was empfehlen Sie Waldbesitzerinnen und              Die Gerichte urteilen nach Menschenverstand
                        oder im städtischen Bereich handelt, sind die      -besitzern?                                          und Zumutbarkeit. Selbstverantwortung wird
                        Kontrollkriterien unterschiedlich streng. Für      Sie sollten überprüfen, ob bei Wegen, die der        großgeschrieben. Wenn es heute auch
                        den urbanen Bereich gibt es eine eigene            Wegehaftung unterliegen, überhaupt ein               häufiger und schneller zu Klagen wegen
                        ÖNORM, die genau vorschreibt, wie Bäume zu         Risiko besteht, und ihre Maßnahmen nach der          verabsäumter Sicherung eines Wegs kommen
                        kontrollieren sind. Die Vorgaben unterschei-       Verkehrsfrequenz richten. Bereiche mit hoher         mag, sprechen die Urteile eine deutliche
                        den etwa zwischen Schäden im Kronen-,              Frequenz sollten einmal im Jahr abgegangen           Sprache. Die meisten Haftungsansprüche
Foto: Jürgen Weber

                        Stamm- und Wurzelbereich. Ein besonderer           werden. In einem detaillierten Begehungspro-         werden abgelehnt. Die freie Natur ist kein
                        Fall sind waldähnliche Bereiche im urbanen         tokoll hält man fest, welche Bäume zu                Vergnügungspark.
Das nächste NRM-Journal erscheint im Oktober 2020 zum Thema „Mikrohabitate“.

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   N EU: LEH RGANG „WALD U N D GESU N DH EIT“

   Der Wald wird immer stärker als Therapieort und gesundheitsfördernde Umgebung gesehen und
   genutzt. Damit wird der Wald für eine völlig neue Zielgruppe, nämlich für MedizinerInnen, Lebens-
   und SozialberaterInnen, Therapeutinnen und Therapeuten etc., zum Arbeitsort. Nach Absolvierung
   dieses erstmals von den ÖBf und dem WIFI NÖ veranstalteten Lehrgangs „Wald und Gesundheit“
   werden die Teilnehmenden das Gesamtkonzept Wald als Lebens- und Wirtschaftsraum sowie als
   Erholungsort verstehen und das erworbene Wissen in ihre eigene Tätigkeit integrieren können.

   60 Lehreinheiten im Rahmen von Wochenendkursen vom 21. August bis 20. September 2020
   Kursort: Purkersdorf bei Wien, Wienerwald
   Kosten: 1.990 Euro
   Kostenloser Infotermin: 5. August 2020, 17–19 Uhr
   Anmeldung (auch für den Infotermin):
   noe.wifi.at/kurs/13031x-lehrgang-wald-und-gesundheit#ideal-fuer

bundesforste.at/naturraummanagement

UW 686 DAS
Papier: Claro-Bulk
Druck: F. Berger & Söhne Ges. m. b. H., 3580 Horn
Das Unternehmen ist PEFC-zertifiziert und hat für
dieses Produkt Papier eingesetzt, das nachweislich
aus nachhaltiger Waldwirtschaft stammt. Die Her-
stellung erfolgte nach der Umweltzeichen-Richtlinie
UZ 24 für schadstoffarme Druckerzeugnisse.
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