NACHHALTIGKEIT UND QUALITÄT BIOLOGISCHER LEBENSMITTEL - DOSSIER 2021| NR. 1405 - FIBL

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NACHHALTIGKEIT UND QUALITÄT BIOLOGISCHER LEBENSMITTEL - DOSSIER 2021| NR. 1405 - FIBL
Dossier
2021| Nr. 1405

Nachhaltigkeit und Qualität
biologischer Lebensmittel
NACHHALTIGKEIT UND QUALITÄT BIOLOGISCHER LEBENSMITTEL - DOSSIER 2021| NR. 1405 - FIBL
Die naturnahe Produktionsweise des biologi­                           den das Kaufverhalten und die Ernährungswei­
    schen Landbaus und die schonende Verarbeitung                         se der Konsument*innen, wie nachhaltig (z. B.
    der Biolebensmittel legen nahe, dass sich Biopro­                     saison­gerecht) und gesund (z. B. bedarfsgerecht)
    dukte qualitativ von konventionell hergestellten                      die Ernährung ist.
    Lebensmitteln unterscheiden. Entsprechend hoch                            Dieses Dossier spannt den Bogen ausgehend
    und weitreichend sind die Erwartungen der Kon­                        von einem zeitgemäßen, ganzheitlichen Konzept
    sument*innen an biologische Lebensmittel.                             zur Beurteilung der Lebensmittelqualität, hin zu
         Studien bestätigen zum Teil deutliche Qua­                       einem nachhaltigen Ernährungssystem. Dabei
    litätsunterschiede zwischen biologischen und                          beleuchtet es ausgewählte Aspekte der Nach­
    konventionellen Lebensmitteln. Gesunde und                            haltigkeit und Qualität und argumentiert Unter­
    nachhaltig hergestellte Lebensmittel in der ge­                       schiede zwischen biologisch und konventionell
    wünschten Qualität, Vielfalt und Verarbeitung                         produzierten Lebensmitteln. Zudem zeigt es auf,
    anzubieten, ist jedoch mit einigen Herausforde­                       mit welchen Maßnahmen die Biobranche die ho­
    rungen verbunden. So können biologische Le­                           hen Qualitätserwartungen zu erfüllen versucht.
    bensmittel zum Beispiel nur so gesund sein wie                            Im Dossier wird der Begriff «konventionell»
    die Umwelt, denn Pestizide können heute fast                          synonym zu «nicht biologisch» verwendet. Die
    überall nachgewiesen werden. Um sicherzustel­                         Bezeichnung meint jedoch nicht die Produktion
    len, dass Bio drin ist, wo Bio draufsteht, sind im                    oder Verarbeitung nach alter Tradition oder
    stark wachsenden Biomarkt zuverlässige Kon­                           «nach Großmutterart».
    trollinstrumente nötig. Und nicht zuletzt entschei­

    Inhalt
    Nachhaltigkeit und Qualität sind eng verwoben                   3    Bio-Convenience-Food:
    Sind Biolebensmittel vom Prinzip her anders?                    4        mit weniger Zusatzstoffen zweckmäßig     25
    Authentizität von Bioprodukten:                                       Umgang mit neuen Technologien                29
        nachvollziehbar und kontrolliert                            5    Verpackungen: minimal und schadstofffrei     32
    Inhaltsstoffe: Bio meist messbar besser                         8    Fairer Handel und soziale Verantwortung:
    Sensorik: natürlicher Geschmack entscheidend                    10       ein zentraler Baustein für nachhaltige
    Biogetreide: hohe, aber variierende Qualität                    11       Entwicklung                              37
    Ohne synthetische Pestizide:                                          Ökologische Nachhaltigkeit:
        gesunde Früchte und Gemüse dank                                       mit Analyse zum Optimum                  40
        alternativem Pflanzenschutzkonzept                          12   Wege zu einem nachhaltigeren
    Biolebensmittel tierischer Herkunft:                                      Ernährungssystem                         44
        hohes Tierwohl garantiert                                   16   Referenzen                                   47
    Verarbeitung: natürlich schonend                                22

2   Nachhaltigkeit und Qualität biologischer Lebensmittel | 2021 | FiBL
NACHHALTIGKEIT UND QUALITÄT BIOLOGISCHER LEBENSMITTEL - DOSSIER 2021| NR. 1405 - FIBL
Nachhaltigkeit und Qualität sind eng verwoben
Die Erwartungen an biologische Lebensmittel sind                                        Prozess vom Anbau bis auf den Teller einschließen
hoch und umfassend: pestizidfrei, geschmackvoll                                         muss. So gehören nach heutigem Verständnis denn
und gesund sollen sie sein, und zudem umwelt-                                           auch regionale Wertschöpfung, Qualitätssicherung,
schonend und sozialverträglich produziert. Die                                          fairer Handel und Nachhaltigkeitskriterien genauso
artgerechte Tierhaltung, der standortangepasste                                         zum Qualitätsverständnis eines Lebensmittels wie
Pflanzenbau und der Verzicht auf chemisch-syn-                                          der Energieverbrauch und die Anbau- und Ver-
thetische Pestizide, mineralische Stickstoffdünger,                                     arbeitungsverfahren.
Gentechnik und hochverarbeitete Zutaten sollen                                               Neben den Anforderungen an die Nachhaltig-
sich in der Qualität der biologischen Lebensmittel                                      keit in der Herstellung der Produkte spielen die
wiederspiegeln.                                                                         Konsument*innen eine zentrale Rolle für die Um-
                                                                                        setzung eines nachhaltigen Ernährungssystems.
                                                                                        Qualität und Nachhaltigkeit sind somit untrennbar
Umfassendes Qualitätsverständnis                                                        verwoben. Abbildung 1 zeigt, wie sich die Aspekte
                                                                                        der Nachhaltigkeit und der Qualität überlappen.
Die Erwartungen machen deutlich, dass die Quali-                                        Gesundheit wirkt dabei als verbindendes Element
tät von Lebensmitteln nicht auf einzelne Kriterien                                      zwischen Gesellschaft, Ökologie und Wirtschaft –
reduziert werden kann, sondern den gesamten                                             den klassischen Säulen der Nachhaltigkeit.

Abbildung 1: Qualität als Ergebnis einer nachhaltigen Produktions- und Lebensweise

       Nachhaltigkeit                                                                                                               Qualität

                         Pflanzenschutz   Biodiversität                                                    Lebensmittelsicherheit

                  Gentechnik Ökobilanz Tierhaltung Transport                                   Fairer Handel        Regionalität (Tradition)

                  Rückstände   Ökologie Schwermetalle                                        Tierwohl      Gesellschaft                 Gesetze

                     Ernährungskultur Zero Waste                        Inhaltsstoffe                     Arbeitsbedingungen        Kontrolle

                               Re-Use Food                            Ernährungskultur                     Genuss Ernährungskultur

                                                                    Gesundheit
                                                          Lebensmittelsicherheit        Schwermetalle
                                                                 Rückstände         Zusatzstoffe

                                                                      Verarbeitungstechnik

                                                               Sensorik            Rückverfolgbarkeit

                                                    Zusatzstoffe     Wirtschaft              Gentechnik

                                                                 Regionale Wertschöpfung

                                                                    Verarbeitungsqualität

Der Begriff der Nachhaltigkeit umfasst neben ökologischen auch soziale und wirtschaftliche Kriterien. Die in der Grafik abgebildete
­Qualität umfasst die produktbezogene Qualität mit dem physiologischen Nährwert und den psychobiologisch (sensorisch) wahrnehmbaren
 Werten sowie die prozessbezogene Qualität gemäß den Anforderungen des Biolandbaus. Die Kombination dieser Kriterien ermöglicht
 eine vielschichtige und tiefgründige Betrachtung der Lebensmittel. Die Zuordnung der Begriffe ist nicht abschließend.

                                                                                         Nachhaltigkeit und Qualität biologischer Lebensmittel | 2021 | FiBL   3
NACHHALTIGKEIT UND QUALITÄT BIOLOGISCHER LEBENSMITTEL - DOSSIER 2021| NR. 1405 - FIBL
Sind Biolebensmittel vom Prinzip her anders?
                                Ganzheitliche Ausrichtung
                                                                                                           Box 1: Prinzipien der IFOAM
                                Die Herstellung biologischer Lebensmittel unter-                           Prinzip der Gesundheit
                                scheidet sich in vielen Punkten grundsätzlich von                          Biolandbau soll die Gesundheit des Bodens,
                                der Herstellung konventioneller Lebensmittel. Mit                          der Pflanzen, der Tiere, des Menschen und
                                ihren Prinzipien versucht die Biobewegung, allen                           des Planeten als ein Ganzes und Unteilbares
                                Aspekten der Nachhaltigkeit (Ökologie, Wirtschaft,                         be­wahren und stärken.
                                Gesellschaft und Gesundheit) zu entsprechen.
                                                                                                           Prinzip der Ökologie
                                Die Prinzipien der IFOAM                                                   Biolandbau soll auf lebendigen Ökosystemen
                                Die Grundlage für die Herstellung biologi-                                 und Kreisläufen aufbauen, mit diesen arbeiten,
                                scher Lebensmittel bilden die Prinzipien der                               sie nachahmen und stärken.
                                des Bio-Weltdachverbands IFOAM (International
                                Federation of Organic Agriculture Movements) [1].                          Prinzip der Gerechtigkeit
                                Die Prinzipien reichen über die landwirtschaftliche                        Biolandbau soll auf Beziehungen aufbauen,
                                Produktion im engen Sinn hinaus. Sie dienen als                            die Gerechtigkeit garantieren im Hinblick auf
                                Leitlinien für den Umgang mit natürlichen Res-                             die gemeinsame Umwelt und Chancengleichheit
                                sourcen, Pflanzen und Tieren, für die Gestaltung                           im Leben.
                                der Landschaft, der Zusammenarbeit und des Han-
                                dels sowie die Produktion gesunder Lebensmittel                            Prinzip der Sorgfalt
                                und anderer Güter. Insgesamt schaffen sie eine                             Biologische Landwirtschaft soll in einer vor-
                                nachhaltige Lebensgrundlage für die zukünftigen                            sorgenden und verantwortungsvollen Weise
                                Generationen.                                                              betrieben werden, um die Gesundheit und das
                                    Mit dem Prinzip der Ökologie grenzt sich die                           Wohlbefinden der jetzigen und folgenden
                                biologische Landwirtschaft grundsätzlich von der                           ­Generationen zu bewahren und um die
                                konventionellen Landwirtschaft ab.                                          Umwelt zu schützen.

Abbildung 2: Biogesetzgebungen und privatrechtliche                                                      Gesetzliche und private Regelungen
­Standards nach der Strenge ihrer Regelungen geordnet                                                    Die Gesetzgebung zum Biolandbau baut heute auf
                                                                                                         staatlichen und europäischen Verordnungen auf
                                                                                                         (siehe Abbildung 2). Bevor diese 2007 in Kraft traten,
                                                                                                         existierten privatrechtliche Richtlinien wie jene von
                                                                                           Richtlinien

                            Bio-Verbände
                                                                                             Private

                                                                                                         Demeter [u], Naturland [s] und Bioland [r] in Deutsch-
 Zunehmende Anforderungen

                                                                                                         land, Soil Association [t] in England, Bio Austria [v] in
                                                                                                         Österreich, Nature & Progrès in Frankreich [w] und
                                                                                                         Bio Suisse [q] in der Schweiz. Weltweit gültige Stan-
                                                                                                         dards wurden durch die IFOAM [p] erstellt.
                              EU Bio-Verordnung                CH Bio-Verordnung                              Seit der Verabschiedung der gesetzlichen
                                                                                             Gesetze

                              2018/848                         SR 910.18                                 Grundlagen, welche auch den Begriff «Bio» für die
                                                                                                         Landwirtschaft und Lebensmittel schützen, bilden
                                                                                                         diese die rechtliche Grundlage für die Produktion,
                                                                                                         Verarbeitung und Vermarktung von Bioprodukten.
                                                                                                         Privatrechtliche Standards können darauf aufbau-
                                Die Richtlinien der privaten Bioverbände sind spezifischer und           end zusätzliche Anforderungen festlegen. Dadurch
                                strenger als die gesetzlichen staatlichen Mindestanforderungen           ergeben sich zum Teil beträchtliche Unterschiede
                                der EU und der Schweiz.
                                                                                                         in den Anforderungen für die Produktion und die
                                                                                                         Verarbeitung von Lebensmitteln zwischen staat-
                                                                                                         lichen Verordnungen und privatrechtlichen Bio-
                                                                                                         labeln, aber auch zwischen Biolabeln, zum Beispiel
                                                                                                         von Bioverbänden und von Handelsunternehmen
                                                                                                         und Supermarktketten.

                   4            Nachhaltigkeit und Qualität biologischer Lebensmittel | 2021 | FiBL
NACHHALTIGKEIT UND QUALITÄT BIOLOGISCHER LEBENSMITTEL - DOSSIER 2021| NR. 1405 - FIBL
Authentizität von Bioprodukten: nachvollziehbar und
kontrolliert
Konsumentinnen und Konsumenten von Biopro-                                 Rückverfolgbar bis zum Ursprung
dukten wollen sich beim Kauf biologischer Le-
bensmittel sicher sein, dass diese aus biologischer                        Die Rückverfolgbarkeit der Lebensmittel ist für de-
Produktion und Verarbeitung stammen. Sowohl                                ren Qualitätssicherung wichtig und sowohl in der
die Biogesetzgebung als auch die Richtlinien der                           EU als auch in der Schweiz gesetzlich geregelt [e][m].
Bioverbände sichern dies in ihren Grundsätzen                              Unternehmen, die Lebensmittel verarbeiten und da-
zu. Einige Bioverbände nutzen in ihrem Bestreben,                          mit handeln, müssen nachweisen können, von wem
die Wahrhaftigkeit eines Lebensmittels zu erhalten,                        die Lebensmittel bezogen wurden und an welches
neben der von der Biogesetzgebung verlangten                               Unternehmen in der Handelskette die Lebensmittel
Prozesszertifizierung zusätzlich Analysen zur Si-                          geliefert wurden.
cherung der Herkunft. Einige Labels visualisieren
die nationale Herkunft mit einer speziellen Kenn-
zeichnung, wie zum Beispiel Bio Suisse.

Abbildung 3: Instrumente zur Rückverfolgbarkeit von biologischen Lebensmitteln
entlang der Wertschöpfungskette

    Vorleistungs-          Landwirtschaft            Rohwaren-             Verarbeitung                 Handel               Konsumenten
      industrie                                      erfassung

                                                        Transparenz, Authentizität

                     Betriebsmittel-                                                                         bioC          Bio mit Gesicht
     organicXseeds
                           liste
         Absicherung Betriebsmittel
                            organicX-             Wasserzeichen           isotrace
         iqseeds            livestock
                                               Herkunftsverifizierung

                                            Rückstands-
                                                                   bioC
                                            monitoring
                                               Standardkonformität

                                                                   Räumliche         Kennzeichnung
                                                                   Trennung
                                                                Trennung & Kennzeichnung

                                                                           Liste Reinigung
                                                                          und Desinfektion
                                                                           Absicherung
                                                                           Betriebsmittel

                                                                   Liste Öko-
                                                                  Verarbeitung
                                                                       Absicherung Zutaten,
               Qualifizierung                                              Zusatzstoffe                        Differenzierende
              Kontrollpersonal                                                                                     Methoden
                                                                  Kontrolle

Biolabelorganisationen, Kontrollstellen und Vermarkter engagieren sich für eine möglichst lückenlose Qualitätssicherung entlang der Biowert-
schöpfungskette. Die Maßnahmen beginnen bei der Verwendung von Biosaatgut (z. B. mit Hilfe von organicXseeds, iqseeds), reichen über
den Einsatz von zugelassenen Düngern und Pflanzenschutzmitteln (z. B. mittels Betriebsmittellisten), Rückstandskontrollen, Herkunftsnachweisen
(z. B. mit Wasserzeichen, isotrace, Bio mit Gesicht) bis zu Kontrollen (z. B. mit Hilfe von bioC) des Verkaufsprodukts.

                                                                              Nachhaltigkeit und Qualität biologischer Lebensmittel | 2021 | FiBL   5
NACHHALTIGKEIT UND QUALITÄT BIOLOGISCHER LEBENSMITTEL - DOSSIER 2021| NR. 1405 - FIBL
Hohe Lebensmittelsicherheit dank
                                                                                          gesetzlicher Doppelkontrolle
                                                                                          Die Gewährleistung einer hohen Lebensmittel­
                                                                                          sicherheit erfordert Kontrollen. Deshalb wurde
                                                                                          die sogenannte doppelte Qualitätssicherung im
                                                                                          Gesetz verankert (EU-Verordnung Kon­trolle / Tier-
                                                                                          gesundheit [f], CH-Verordnung Lebensmittel- und
                                                                                          Gebrauchsgegenstände [m]). Als Ergänzung zu den
                                                                                          regelmäßigen amtlichen Kontrollen sind die Le-
                                                                                          bensmittelunternehmen in erster Linie selber für
                                                                                          die Qualität und Sicherheit ihrer Produkte verant-
                                                                                          wortlich. Sie müssen diese per Gesetz nach guter
                                                                                          Herstellungspraxis (GMP – good manufacturing
Im Verarbeitungsbetrieb wird unter anderem kontrolliert, welche Vorkehrungen getroffen    practice) und guter Hygienepraxis (GHP – good
werden, um eine Verunreinigung der biologischen Rohstoffe zu verhindern. Der Betrieb      hygiene practice) produzieren und ein funktionie-
muss aufzeigen können, wie er die Vorkehrungen praktisch umsetzt.
                                                                                          rendes internes Kontrollsystem unterhalten.

                    Die Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln soll de-                     Jährliche Biokontrollen entlang
                    ren gezielte Sperrung und Rückruf ermöglichen,
                    Ursachen und Verursacher von Mängeln ermitteln,                       der gesamten Wertschöpfungskette
                    und die betriebseigene Überwachung und Optimie-
                    rung der Produktion ermöglichen [2]. Die Garantie                     Die Bioanforderungen verlangen zusätzlich zur le-
                    der Rückverfolgbarkeit soll die Konsument*innen                       bensmittelrechtlichen Überwachung eine jährliche,
                    vor Tierseuchen, Chemikalien, pathogenen Keimen                       umfassende Kontrolle aller Landwirtschafts-, Ver-
                    und anderen Risiken schützen, die von Lebensmit-                      arbeitungs-, Handels- und Lagerbetriebe, die mit
                    teln ausgehen können [2]. Die großen Lebensmittel-                    Biolebensmitteln zu tun haben. Die dafür zugelasse-
                    skandale wie EHEC, Dio­xin und BSE haben gezeigt,                     nen Kontrollstellen überprüfen, ob die zutreffenden
                    wie wichtig eine uneingeschränkte Rückverfolgbar-                     Bioregelwerke ausreichend bekannt sind und deren
                    keit im globalisierten Markt ist.                                     Anforderungen vor Ort korrekt umgesetzt werden.
                                                                                              Auf allen Stufen der Wertschöpfungskette wird
                                                                                          intensiv überprüft, welche Vorkehrungen getrof-
                      Box 2: Einfachere Rückverfolgbarkeit                                fen werden, um eine Kontamination oder Vermi-
                      dank Digitalisierung                                                schung der biologischen Rohstoffe zu verhindern.
                      Die Digitalisierung von Bio-Wertschöpfungs-                         Jeder Betrieb muss aufzeigen und dokumentieren
                      ketten kann dazu beitragen, die Integrität und                      können, wie er die Abgrenzung zu konventionel-
                      Rückverfolgbarkeit von biologisch erzeugten                         len Lebensmitteln umsetzt. Auch die Schulung der
                      und verarbeiteten Produkten zu gewährleisten.                       für die Biolebensmittel zuständigen Mitarbeitenden
                      Die digitale Aufzeichnung und Überwachung                           wird thematisiert.
                      vom Anbau bis zum Verkauf bietet den Vorteil,                           Im Landwirtschaftsbetrieb wird neben der
                      dass Daten für die Biozertifizierung und Audits                     Überprüfung der Betriebsaufzeichnungen die Ein-
                      automatisch bereitgestellt werden und sich Ver-                     haltung der Anforderungen auf dem Feld, im Stall,
                      braucher über die Herkunft ihrer Lebensmittel                       in den Lagerräumen und in der Hofverarbeitung
                      informieren können.                                                 begutachtet. Auch die Abgrenzung zu konventio-
                           Aus technischer Sicht wird ein digitaler                       nell wirtschaftenden Nachbarbetrieben wird be-
                      ­Zwilling der Kernelemente der Lebensmittelkette                    urteilt.
                       geschaffen. Zur Gewährleistung des Daten­
                       schutzes und der Datenintegrität ist beispielswei-
                       se die Blockchain-Technologie vielversprechend.
                       Diese erlaubt es auch, die Zugriffsrechte auf die
                       einzelnen Daten zu definieren [3].

    6               Nachhaltigkeit und Qualität biologischer Lebensmittel | 2021 | FiBL
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Im Verarbeitungsbetrieb steht die Prüfung der         verpflichtet, sich in sogenannten «Cross Checks»
Warenflüsse im Mittelpunkt. Anhand von Origi-         gegenseitig über Mengenflüsse zu informieren und
nalbelegen wird kontrolliert, ob das eingekaufte      diese abzugleichen. So können Informationslücken
biologische Ausgangsmaterial für die produzierten     geschlossen und Betrugsfälle besser aufgedeckt
Mengen ausreicht. Dazu gehört auch die Prüfung        werden.
der Verfügbarkeit an einzelnen Tagen. Die Kont-
rolle beinhaltet auch die Begutachtung der Rezep-
turen und der Etikettierung. Wenn in einem Ver-         Box 3: Verfeinerte Analysetechniken
arbeitungsbetrieb biologische und konventionelle        Für den Herkunftsnachweis biologischer Lebens-
Produkte hergestellt werden, muss deren strikte         mittel und die Messung unerwünschter oder ver-
Separierung sichergestellt sein. Dies erfolgt über      botener Stoffe sind in den letzten Jahren mehrere
eine klare Trennung der Produkte bei der Lagerung       instrumentelle Methoden entwickelt worden [4].
und in der Produktion, mittels Reinigung oder über      Die Methoden messen entweder gezielt einzelne
definierte Trennmengen. Die Maßnahmen müssen            Stoffe oder liefern Muster aus einer komplexen
dokumentiert sein.                                      Datenverarbeitung verschiedener Messungen.
     Die Kontrolle in Handelsbetrieben orientiert       Dazu gehören die Nah-Infrarot-Spektroskopie [5],
sich in erster Linie an den Dokumenten: Liegen          die Metabolom-Methode zur Messung zahlrei-
Konformitätsbescheinigungen der Vorlieferanten          cher Stoffe [6][7][8] und die Isotopenanalyse [9].
und der Abnehmer vor? Besteht Transparenz über                Die Isotopenanalyse misst das Verhältnis
alle im Warenfluss Beteiligten? Verfügt das Unter-      unterschiedlich schwerer Ausführungen eines
nehmen über ausreichende Prozesse, um eine Qua-         Atoms, wobei die Isotopenzusammensetzung bio-
litätssicherung vom Einkauf bis zum Verkauf zu ge-      logisch und konventionell produzierter Lebensmit-
währleisten?                                            tel teilweise unterschiedlich ist [10][11]. So enthalten
     Nur eine gute Zusammenarbeit aller an der          zum Beispiel Biofleisch, Biomilch und Biokäse
Wertschöpfungskette beteiligten Betriebe kann die       weniger schweren Kohlenstoff, weil die Tiere in
Authentizität der Biolebensmittel gewährleisten.        der Regel weniger Kraftfutter wie Mais zu sich
     Biolebensmittel werden sowohl quantitativ als      nehmen und Gras bzw. Heu weniger schweren
auch qualitativ auf ihre Herkunft überprüft. Bei        Kohlenstoff enthält als Mais [10]. Die Isotopenana-
Unstimmigkeiten und Unsicherheiten anläßlich            lyse könnte in Zukunft als zusätzliches Kontroll­
der Biokontrolle sind die Kontrollstellen in der EU     instrument für die Authenzititätsprüfung von
                                                        Biolebensmitteln eingesetzt werden [12].
                                                              Die erwähnten Methoden wurden an einer
                                                        Vielzahl landwirtschaftlicher Lebensmittel ge-
                                                        testet. Nun wird untersucht, ob auch verarbeitete
                                                        biologische Lebensmittel unterschiedlicher regio-
                                                        naler Herkunft bestimmt werden können [13].

                                                      Mit der Anzahl Bioprodukte und Verkaufskanäle
                                                      nimmt auch die Vielfalt an Labeln zu.
                                                      Bioprodukte können mit mehreren Labeln versehen
                                                      sein, zum Beispiel mit einer Biohandelsmarke
                                                      und einem Biolabel und /oder mit Regional- oder
                                                      Fair Trade-Labeln.

                                                       Nachhaltigkeit und Qualität biologischer Lebensmittel | 2021 | FiBL   7
NACHHALTIGKEIT UND QUALITÄT BIOLOGISCHER LEBENSMITTEL - DOSSIER 2021| NR. 1405 - FIBL
Inhaltsstoffe: Bio meist messbar besser
    Wissenschaftliche Studien zur Qualität von Le-                        Box 4: Was beeinflusst
    bensmitteln basieren meist auf dem Vergleich des                      die Qualitätsparameter?
    Gehalts an einzelnen Inhaltsstoffen. Dieser Ansatz
    erleichtert die wissenschaftliche Beurteilung der Le-                 Sekundäre Pflanzenstoffe
    bensmittel und wird von der Mehrheit der Fachwelt                     Pflanzen, die ohne Anwendung von Pestiziden
    akzeptiert. Dem Anspruch einer ganzheitlichen                         angebaut werden, müssen sich vor Krankheiten
    Beurteilung kann diese Betrachtungsweise jedoch                       und Schädlingen selber schützen. Viele dieser
    nicht Stand halten. Widersprüchliche Ergebnisse                       pflanzeneigenen Schutzstoffe zählen zu den
    können darauf zurückzuführen sein, dass Anbau-                        sekundären Pflanzenstoffen. Da im Biolandbau
    systeme aus unterschiedlichen Gebieten miteinan-                      auf den Einsatz von chemisch-synthetischen
    der verglichen werden.                                                ­Pestiziden verzichtet wird, haben Bioprodukte
        Neben Einzelstudien (Originalstudien), die                         oftmals einen höheren Gehalt an sekundären
    ausgewählte Lebensmittel und Inhaltsstoffe unter-                      Pflanzenstoffen [14].
    suchen, werden in Wissenschaftsjournalen auch
    Metaanalysen publiziert, welche die Ergebnisse                        Ungesättigte Fettsäuren
    von Einzelstudien zusammenfassen und daraus                           Gemäß Studien erhöht ein hoher Anteil an
    Schlussfolgerungen ziehen. Abbildung 4 stellt die                     Grünfutter die Konzentration an ungesättigten
    Ergebnisse der aktuellsten Metaanalysen vor, die                      Fettsäuren in der Milch und im Fleisch von Kühen,
    Qualitätsparameter biologisch und konventionell                       Schweinen und Hühnern [15][16]. Tierhaltungs-
    produzierter Lebensmittel vergleichen.                                systeme mit viel Grünfutter, wie der Biolandbau,
                                                                          fördern den Gehalt an gesunden Fettsäuren in
                                                                          ihren Tierprodukten.
    Belegte Unterschiede                                                  Nitrat
                                                                          Der Nitratgehalt in landwirtschaftlichen Produk-
    Bisherige Literaturstudien und Metaanalysen kom-
                                                                          ten stammt primär von Düngemitteln. Der Einsatz
    men zum Schluss, dass sich biologische Lebensmit-
                                                                          von leicht löslichem, mineralischem Stickstoff­
    tel von konventionellen unterscheiden und beim
                                                                          dünger führt zu einer übermäßigen Nitratauf-
    direkten Vergleich meistens günstiger abschnei-
                                                                          nahme der Pflanze. Stickstoff ist auch Bestandteil
    den (siehe Abbildung 4). Die Studien zeigen, dass
                                                                          von Proteinen. Im Biolandbau darf Stickstoff nur
    biologische Produkte einen höheren Gehalt an se-
                                                                          in organischer Form mit Kompost, Hofdüngern
    kundären Pflanzenstoffen und ungesättigten Fett-
                                                                          oder anderen organischen Stickstoffquellen zu-
    säuren enthalten als konventionelle Produkte. Auch
                                                                          geführt werden oder über mikrobielle Fixierung
    bei wertmindernden Inhaltsstoffen wie Nitrat, Pes-
                                                                          (Leguminosen) gewonnen werden. Organisch
    tizidrückständen und Schwermetallen schneiden
                                                                          gebundener Stickstoff wird weniger leicht von
    Biolebensmittel durchgehend besser ab.
                                                                          der Pflanze aufgenommen, was zu einem tieferen
         Die Unterschiede lassen sich teilweise durch
                                                                          Nitratgehalt in Bioprodukten führt [17].
    Unterschiede in der Produktion erklären (siehe
    Box 4).                                                               Festigkeit und Farbintensität
                                                                          Ein hoher Stickstoffgehalt im Boden beeinflusst
                                                                          sensorische Qualitätsparameter von gewissen
    Keine generelle Antwort                                               Früchten negativ. Einerseits spielt für die Festig-
                                                                          keit von Früchten das Stickstoff-Kalzium-Verhältnis
    Eine abschließende Beurteilung der Qualität von                       eine wichtige Rolle. Ist dieses erhöht, werden die
    Biolebensmitteln aus wissenschaftlicher Sicht vor-                    Früchte weniger fest. Andererseits regt Stickstoff
    zunehmen, ist jedoch schwierig, da die Produkt-                       das Blattwachstum der Pflanzen an, was zu einer
    qualität nicht nur von der Produktgruppe und dem                      geringeren Sonneneinstrahlung und Farbintensi-
    Produktionssystem abhängt, sondern auch von Fak-                      tät der Früchte führen kann. Der Verzicht auf eine
    toren wie der Anbausorte, Wetter- und Bodenbe-                        übermäßige Stickstoffdüngung resultiert in einem
    dingungen beeinflusst wird. Dazu kommt, dass in                       tieferen Stickstoffgehalt in biologisch bewirt-
    den Originalstudien viele Vitamine, Mineralien und                    schafteten Böden und einer in der Folge höheren
    sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe meist nur stichpro-                   Festigkeit und Farbintensität der Früchte [14].
    benartig untersucht wurden.

8   Nachhaltigkeit und Qualität biologischer Lebensmittel | 2021 | FiBL
NACHHALTIGKEIT UND QUALITÄT BIOLOGISCHER LEBENSMITTEL - DOSSIER 2021| NR. 1405 - FIBL
Abbildung 4: Vergleich biologischer und konventioneller Lebensmittel anhand ausgewählter
Qualitäts­parameter – Trends aus den Literaturstudien 2011–2020

 Parameter     Trends
                              1               4                      7                       6
                                                                                                                Bio besser als konventionell
 Minerale      Gesamtgehalt       Gesamtgehalt       Gesamtgehalt          Iod- und
                                                                           Selen-Gehalt                         Kein Unterschied

                                                                                                                Bio weniger gut als konventionell

                              3               6                  4
 Proteine      Gesamtgehalt       Gesamtgehalt       Gesamtgehalt

                              2               7                      6                       3                  1                                  4
 Vitamine      Vitamin C-­        Vitamin A,         a-tocopherol-         Vitamin A, C             Gesamtgehalt            Gesamtgehalt
               Gehalt             C und E-Gehalt     Gehalt                und E-Gehalt

                              2                 4                    3     Gehalt an     7
 Sekundäre     Gesamtgehalt       Gehalt an          Phenolgehalt          Phenolen und
 Pflanzen­                        Antioxidantien                           Antioxidantien                        Gemüse
 stoffe
                                                                                                                 Früchte

                              3                6                     5                       6                   Getreide
 Unge­         Omega-3-­          Omega-3-­          Omega-3-­             Linolsäure-­
 sättigte      Gehalt             Gehalt             Gehalt                Gehalt                                Milchprodukte
 Fettsäuren
                                                                                                                 Fleisch

                           4                     7
                                                          1 Hunter et al. (2011) [18]
 Nitrat        Gesamtgehalt       Gesamtgehalt           Diese Studie analysierte 33 Einzelstudien auf Unterschiede im Gehalt an Vitaminen und
                                                         Mineralstoffen in biologisch und konventionell produzierten pflanzlichen Lebensmitteln.
                                                          2 Brandt et al. (2011) [19]
                                                         Diese Studie untersuchte basierend auf 65 Einzelstudien den Einfluss biologischer
                                                         und konventioneller Produktionssysteme auf den Gehalt an sekundären Pflanzeninhalts-
                              3               4          stoffen und Vitaminen in Früchten und Gemüsen.
 Pestizid­     Gesamtgehalt       Gesamtgehalt
                                                           3 Smith-Spangler et al. (2012) [20]
 rückstände
                                                         Die Autoren dieser Studie werteten über 240 Einzelstudien aus, um zu klären, ob
                                                         ­biologische Lebensmittel gesünder sind als konventionelle Lebensmittel.
                                                          4 Barański et al. (2014) [21]
                              4                          Diese Metaanalyse untersuchte die Ergebnisse von 343 Einzelstudien auf signifikante
                                                         Unterschiede zwischen biologischen und konventionellen Früchten, Gemüsen und
 Schwer­       Kadmium-­                                 Getreide in ihrem Gehalt an wichtigen Inhaltsstoffen.
 metalle       Gehalt
                                                          5 Średnicka-Tober et al. (2016) [15]
                                                         Die Studie verglich die Ergebnisse von 67 Einzelstudien über Inhaltsstoffe von bio­
                                                         logischen und konventionellen Fleischprodukten.
 Sensorik      Festigkeit     7                           6 Średnicka-Tober et al. (2016) [16]
               und                                       Die Autoren untersuchten 170 Einzelstudien auf Unterschiede im Nährstoffgehalt von
                                                         biologischer und konventioneller Kuhmilch.
               Farbintensität
                                                          7 Mditshwa et al. (2017) [14]
                                                         Die Studie fasst die Erkenntnisse von 9 Metaanalysen über die Qualität und Inhalts­
                                                         stoffe von biologischen und konventionellen Früchten zusammen.

                                                           Nachhaltigkeit und Qualität biologischer Lebensmittel | 2021 | FiBL                 9
NACHHALTIGKEIT UND QUALITÄT BIOLOGISCHER LEBENSMITTEL - DOSSIER 2021| NR. 1405 - FIBL
Sensorik: natürlicher Geschmack entscheidend
              Die Entscheidung, ein bestimmtes Lebensmittel                         Natürlicher Geschmack
              zu kaufen, hängt in der Regel von verschiedenen
              Faktoren ab. Die intrinsischen Eigenschaften eines                    statt künstliches Aroma
              Produktes, zu welchen auch die sensorischen Cha-
              rakteristika zählen, sind einer der Faktoren [22]. Der                Biologische Lebensmittel unterscheiden sich senso-
              Geschmack ist dabei ein wichtiges Kriterium für                       risch oftmals etwas von konventionellen Lebensmit-
              den wiederholten Kauf von Biolebensmitteln [23][24].                  teln. Biofrüchte und -gemüse sind vielfach ein we-
                                                                                    nig kleiner und auch weniger perfekt in der Form.
                                                                                    Bei verarbeiteten Produkten ist der sensorische
              Abbildung 5: Parameter für die sensorische                            Unterschied meistens darauf zurückzuführen, dass
              Beurteilung von Lebensmitteln                                         den Bioprodukten keine künstlichen Aromen und
                                                                                    Farbstoffe zugegeben werden. Solche Zusatzstoffe
                                                                                    können die Sensorik von konventionellen Lebens-
                                                                                    mitteln wesentlich verändern, indem sie ihnen eine
                                                                                    kräftigere Farbe oder einen intensiveren Geschmack
                                                                                    geben.
                                 Konsistenz           Farbe                              Viele Konsument*innen stellen an die Sensorik
                                                                                    biologischer Lebensmittel höhere Anforderungen
                                                                                    als an konventionelle Lebensmittel. Eine italienische
                                                                                    Studie zeigte, dass ein Biolabel ein sensorisch gut
                                        Lebensmittel-                               bewertetes Produkt noch besser erscheinen lässt,
                          Form                                Geruch
                                          Sensorik                                  ein schlecht bewertetes Produkt hingegen noch
                                                                                    schlechter macht [25]. Dies wird mit dem Erwartungs-
                                                                                    bzw. Enttäuschungseffekt erklärt, der auftritt, wenn
                                Geschmack         Mundgefühl                        die hohen Erwartungen der Konsument*innen an
                                                                                    die Qualität von Bioprodukten nicht erfüllt werden.
                                                                                         Eine Studie mit kanadischen Konsument*innen
                                                                                    stellte fest, dass die sensorische Qualität von Bio-
                                                                                    brot signifikant höher bewertet wurde, wenn es als
                                                                                    solches gekennzeichnet wurde, als wenn es blind
                                                                                    verkostet wurde. Bei konventionellem Brot unter-
                                                                                    schieden sich die Beliebtheitswerte bei blinder und
                             Box 5: FQH – ein Netzwerk                              gekennzeichneter Verkostung nicht [26].
                             für Qualitätsforschung

Die Food Quality and Health Association (FQH) ist ein internatio-                   Unterschiedliche sensorische
nales Netzwerk von Forschungseinrichtungen und Unternehmen,                         Präferenzen
welche sich mit der Erforschung der Einflüsse von Anbau und Ver-
arbeitung auf die Lebensmittelqualität beschäftigen.                                Die sensorischen Vorlieben können zwischen Men-
     Das FQH-Netzwerk fördert und koordiniert Forschungsarbei-                      schen, Regionen und Ländern variieren [23] [24][27][28].
ten zu Lebensmitteln und Gesundheit und stellt seinen Mitgliedern                   Während Schweizer*innen zum Beispiel eher süß-
hieraus neueste Erkenntnisse zur Verfügung. Zu den Mitgliedern                      liche und leicht mehlige Äpfel bevorzugen, essen
zählen forschende Einrichtungen sowie das Netzwerk fördernder                       deutsche Konsument*innen lieber knackige Äpfel
Unternehmen und Organisationen.                                                     und Italiener*innen mehrheitlich säuerliche, leicht
     FQH hat zum Ziel, neue Perspektiven für das Verstehen und                      nach Gras schmeckende Äpfel. Auch bei Salami,
den Umgang mit Lebensmitteln und Gesundheit zu erarbeiten.                          Joghurt, Öl, Tomatensauce und Keksen existieren
Schwerpunkte der Arbeiten sind u. a. ganzheitliche Methoden,                        unterschiedliche Vorlieben.
schonende Verarbeitung von Lebensmitteln und nachhaltige
Ernährung. FQH organisierte die beiden ersten internationalen
Tagungen zur Qualität biologischer Lebensmittel in Prag (2011)
und Warschau (2013). www.fqhresearch.org

 10           Nachhaltigkeit und Qualität biologischer Lebensmittel | 2021 | FiBL
Biogetreide: hohe,
aber variierende Qualität

Getreide prägt zusammen mit anderen Ackerkul-
turen die Kulturlandschaft in tiefen Lagen. Der
grundsätzliche Verzicht auf synthetische Pflanzen-               Die Abbildung zeigt Brote aus Mehl mit einem Feuchtkleber­
schutzmittel und mineralische Stickstoffdünger                   gehalt von 20, 30, 40 % (von links nach rechts). Je höher der
                                                                 ­Feucht­glutengehalt, desto besser geht der Teig beim Backen auf.
stellt besondere Anforderungen an den Anbau die-
ser Kulturen. Auch die Sicherstellung einer gentech-
nikfreien Bioproduktion erweist sich zunehmend
als Herkulesaufgabe.                                             Schweizer Bioweizen: Hohe Qualität,
                                                                 aber starke Schwankungen
                                                                 Die Untersuchung von über 500 Bioweizenpro-
Geringerer Proteingehalt bei                                     ben der Jahre 2010–2013 [30] hat gezeigt, dass der
                                                                 Feuchtklebergehalt des Schweizer Bioweizens im
Bioweizen                                                        Vergleich zu den Nachbarländern höher ist, aber
                                                                 großen jährlichen Schwankungen unterworfen
Biologischer Brotweizen hat in Mitteleuropa oft das              ist. Die Schwankungen werden zu einem Teil der
Image, eine schlechte Backqualität zu liefern. Wich-             Sorten- und Standortwahl, aber in erster Linie der
tige Faktoren für die Backqualität und das Volumen               Witterung zugeschrieben. Letztere hat einen ent-
von Weizenbrot sind der Proteingehalt des Getrei-                scheidenden Einfluss auf die Mineralisierung von
des und die Proteinqualität [29].                                Humus, Gülle und Mist, und damit auf die Verfüg-
     Für die Teigstruktur und die Struktur des Bro-              barkeit von Stickstoff und die Proteinbildung im
tes ist das sogenannte Feuchtkleberprotein (Gluten)              Weizenkorn. Auch die Förderung der Bodenfrucht-
wichtig. Der Feuchtklebergehalt korreliert ziemlich              barkeit verbessert die natürliche Verfügbarkeit von
gut (zu zirka 80 %) mit dem Proteingehalt des Ge-                Stickstoff und mildert den Einfluss der Witterung.
treides. Zusätzlich ist der Sedimentationswert (Ze-              Aber auch mit bester Biolandbaupraxis können die
lenywert) für die Backqualität ausschlaggebend.                  Biolandwirte die Proteinbildung nur etwa zur Hälf-
Diese geben Auskunft über die Quellfähigkeit des                 te beeinflussen.
Proteins (je hochwertiger das Protein, desto stärker                  Dies führt dazu, dass Schweizer Bioweizen
die Quellung). Während für Brot hohe bis mittle-                 aufgrund des Verzichts auf mineralische Stickstoff-
re Werte bevorzugt werden, sind für Biskuits tiefe               dünger mit durchschnittlich 12–13 % Rohprotein im
Werte besser geeignet. Der geforderte minimale Ze-               Korn einen um 0,5–1 % tieferen Protein­gehalt hat
lenywert für Brote liegt bei 40 ml, jener für Zopf bei           als konventioneller Backweizen. Trotzdem unter-
60 ml. Mehl mit einem Zeleny unter 30 ml eignet                  scheiden sich die Backqualität von biologischem
sich nur für Biskuits.                                           und konventionellem Weizen nicht wesentlich
                                                                 voneinander, da neben dem Proteingehalt auch die
                                                                 Proteinqualität eine große Rolle spielt. Diese ist bei
                                                                 Biogetreide oft höher als beim konventionellen Ge-
                                                                 treide.

                                                                 Geringeren Proteingehalt mit veränderter
                                                                 Teigführung kompensieren
                                                                 Ein geringerer Proteingehalt des Mehls kann durch
                                                                 eine veränderte Handhabung des Teiges vom Mi-
                                                                 schen bis zum Backen kompensiert werden. Eine
                                                                 längere Teigführung kann im Vergleich zu kurzen
                                                                 standardisierten Teigführungen in der Industrie die
                                                                 Brotqualität erhöhen und verbessert die Bekömm-
                                                                 lichkeit des Brotes.
Die Art und Weise der Stickstoffdüngung hat einen direkten
Einfluss auf den Klebergehalt des Weizens und damit auf dessen
Backeigenschaften.

                                                                   Nachhaltigkeit und Qualität biologischer Lebensmittel | 2021 | FiBL   11
Ohne synthetische Pestizide: gesunde Früchte und Gemüse
                            dank alternativem Pflanzenschutzkonzept

                            Obst und Gemüse sind der Inbegriff für gesunde
                            Nahrungsmittel. Der Verzicht auf chemisch-syn-
                            thetische Pflanzenschutzmittel und mineralische
                            Stickstoffdünger im Biolandbau bringt Vorteile für
                            die Umwelt und reduziert unerwünschte Rück-
                            stände auf den Produkten. Der biologische Anbau
                            erfordert aber einen höheren Arbeitsaufwand und
                            resultiert in tieferen Erträgen als im konventionel-
                            len Anbau.
                                Der Ausschluss chemisch-synthetischer Pflan-
                            zenschutzmittel weckt bei Konsument*innen die
                            Erwartung, dass Bioprodukte vollkommen rück-
                            standsfrei sind. Ganz unbelastet sind jedoch auch
                            Bioprodukte nicht immer, da Pflanzenschutzmittel
                            heute überall in der Umwelt verbreitet sind und die
                            moderne Analytik schon kleinste Spuren solcher                                  Wildblumenstreifen, zum Beispiel entlang von Kohlfeldern, fördern
                            Stoffe nachweist. Die Problematik unerwünschter                                 die Vermehrung von Nützlingen, welche dann die Schadinsekten
                                                                                                            in der Kultur so weit regulieren, dass keine oder nur noch wenige
                            Rückstände lässt sich am Beispiel der Früchte und
                                                                                                            Behandlungen mit Pflanzenschutzmitteln nötig sind.
                            Gemüse gut erläutern.

                            Biologischer Pflanzenschutz:                                                    der Produkte beeinträchtigen. Dazu kommt, dass
                                                                                                            die Anforderungen der heutigen Konsument*innen
                            vorbeugen vor behandeln                                                         an die äußere Qualität von Obst und Gemüse sehr
                                                                                                            hoch sind. Sichtbare Symptome eines Krankheits-
                            Die meisten Obst- und Gemüsearten sind anfällig                                 oder Schädlingsbefalls (z. B. Schorfflecken auf Äp-
                            auf bestimmte Schädlinge und Krankheiten. Ein                                   feln) werden kaum toleriert. Entsprechend sind die
                            Befall kann zu starken Ernteeinbußen oder Quali-                                Qualitätsanforderungen für biologisches Obst und
                            tätsverminderungen führen oder die Lagerfähigkeit                               Gemüse heute ähnlich hoch wie für konventionelle
                                                                                                            Produkte.
                                                                                                                 Während konventionelles Obst und Gemüse
Abbildung 6: Die Bio-Pflanzenschutz-Pyramide                                                                zum Erreichen einer hohen Produktqualität meist
                                                                                                            intensiv mit chemisch-synthetischen Pflanzen-
                                                                                                            schutzmitteln behandelt wird, werden Schädlinge
                                      Biopestizide, Pheromone                                               und Krankheiten im Biolandbau so weit wie mög-
                                    und physikalische Methoden                Direkte
                                                                                                            lich vorbeugend reguliert (siehe Abbildung 6).
                                                                              Pflanzenschutz-
                              Biocontrol: Einsatz von Bakterien, Viren,       maßnahmen                          Die vorbeugenden Maßnahmen zielen darauf
          Parzelle
                                           Nützlingen u.a.                                                  ab, möglichst gesunde und widerstandsfähige
                                                                                                            Pflanzen hervorzubringen und eine natürliche Re-
                           Funktionelle Biodiversität: Nützlingsförderung,                                  gulierung der Schad­erreger zu ermöglichen. Die
                           kulturspezifische Nützlingsstreifen, Beipflanzen
                                                                                                            Maßnahmen sind vielfältig und werden laufend
                                                                                          Indirekte         weiterentwickelt. Sie reichen von der Verwendung
                            Standort- und Sortenwahl, Kulturmaßnahmen                     Pflanzenschutz-
                                                                                                            resistenter Sorten bis zu gezielten Kulturmaßnah-
                                                                                          maßnahmen
Betrieb                                                                                                     men. Ausgeklügelte Anbausysteme wie beispiels-
                     Naturschutz und Nachhaltigkeit: Extensivierung, Aufwertung                             weise Blühstreifen machen sich dabei natürliche
                                   und Vernetzung der Landschaft
                                                                                                            Prozesse zunutze. Biologische Pflanzenschutzmittel
                                                                                                            kommen nur zum Einsatz, wenn die vorbeugenden
Die Pflanzenschutzstrategie im Biolandbau lässt sich als gestufte Pyramide darstellen.                      Pflanzenschutzmaßnahmen nicht ausreichen, um
Dieses Vorgehen erfordert von den Landwirt*innen gute Kenntnisse der Biologie und                           Schädlinge und Krankheiten in Schach zu halten.
eine intensive Beobachtung der Kulturen.

     12                     Nachhaltigkeit und Qualität biologischer Lebensmittel | 2021 | FiBL
Deutlich weniger Pestizide auf                                     Rückstandsrisiken erkennen und
Biofrischprodukten                                                 Rückstände vermeiden
Pestizidrückstände auf konventionellem Obst und                    Unerwünschte Stoffe können auf unterschiedli-
Gemüse sind häufig. Dies überrascht in Anbetracht                  chen Wegen auf Bioprodukte gelangen (siehe Ab-
des hohen Pestizideinsatzes in den konventionel-                   bildung 8). Pestizide, die im Biolandbau verboten
len Kulturen zur Bekämpfung von Krankheiten                        sind, können vom konventionell bewirtschafteten
und Schädlingen nicht. Allerdings können mit den                   Nachbarfeld durch Verfrachtung des Sprühnebels
heutigen empfindlichen Messmethoden auch in                        mit dem Wind auf Biokulturen gelangen (Abdrift).
Biolebensmitteln manchmal Spuren von solchen                       Manche Pestizide überdauern als Altlasten viele
Pestiziden nachgewiesen werden.                                    Jahre im Boden oder im Holz mehrjähriger Kultu-
     Vergleichende Untersuchungen biologischer                     ren, so dass sie auch nach der Umstellung auf Bio-
und konventioneller Lebensmittel zeigen jedoch,                    landbau noch nachweisbar sind. Kontaminationen
dass Bioprodukte deutlich seltener Pestizidrück-                   sind auch bei Transport, Lagerung und Verarbei-
stände aufweisen als konventionelle Lebensmittel.                  tung möglich. So können konventionelle Lebensmit-
Werden auf Biolebensmitteln Rückstände gefun-                      tel in Harassen und Containern, auf Förderbändern
den, so liegen diese meist im Spurenbereich unter                  oder anderen Installationen Rückstände hinterlas-
0,01 mg pro kg und damit deutlich tiefer als bei kon-              sen. Die meisten Kontaminationswege sind heute
ventionellen Lebensmitteln. So hat beispielsweise                  bekannt. Es treten aber immer wieder Fälle auf, die
das Ökomonitoring des Bundeslandes Baden-Würt-                     neue Maßnahmen erforderlich machen.
temberg für einen Zeitraum von 10 Jahren für biolo-
gische Früchte und Gemüse eine 180-mal geringere
Pestizidbelastung berechnet als für vergleichbare                   Box 6: Phosphonsäure in Wein
konventionelle Lebensmittel [31]. Auch eine Studie in               Obwohl Phosphonate im Biolandbau nicht ein-
der Schweiz hat eine deutlich geringere Pestizidbe-                 gesetzt werden dürfen, werden immer wieder
lastung biologischer Frischprodukte festgestellt [32].              Spuren dieser Stoffe in Bioprodukten gefunden.
Und eine groß angelegte Studie in Europa hat bestä-                 Dies kann verschiedene Ursachen haben, von
tigt, dass in biologischen Frischprodukten wesent-                  denen einige vermieden werden können.
lich seltener Rückstände gefunden werden als in                          Fosetyl und Kaliumphosphonat werden in
konventionellen Produkten (siehe Abbildung 7) [33].                 der konventionellen Landwirtschaft als Fungi-
                                                                    zide eingesetzt. Dies führt zu Rückständen von
                                                                    Phosphonsäure im Erntegut. Bei mehrjährigen
Abbildung 7: Rückstände von Pflanzenschutz­                         Kulturen wird die Phosphonsäure im Herbst ins
mitteln auf biologischem und konventionellem                        Holz eingelagert und im darauffolgenden Früh-
Obst und Gemüse in Europa                                           jahr wieder mobilisiert. Deshalb sind oft mehrere
                                                                    Jahre nach der Anwendung immer noch Rück-
               Bio                      Konventionell               stände von Phosphonsäure messbar. So konnte in
                                                                    Weintrauben auch 5 Jahre nach der Umstellung
          6%                                                        auf biologische Bewirtschaftung noch Phosphon-
                                                     44%
                                                                    säure gefunden werden.
                                                                         In anderen Fällen können Rückstände von
                                                                    Phosphonsäure auch andere Ursachen haben.
              94%                        56%
                                                                    Mögliche Eintragswege sind:
                                                                    • Altlasten aus der Anwendung vor der
                                                                      ­Umstellung
   Rückstände nachgewiesen        keine Rückstände nachgewiesen     • Altlasten aus der Anwendung bei konventio­
                                                                       nellen Jungbäumen / Jungpflanzen
Gemäß einer Studie der Europäischen Behörde für Lebensmittel-       • Abdrift von konventionellen Nachbarn
sicherheit von 2018 zu Pestizidrückständen auf biolo­gischen und    • Eintrag über Reinigungsmittel
konventionellen Lebensmitteln weisen 44 % der konventionellen
Lebensmittel in Europa Rückstände auf, wogegen nur 6.5 % der
biologischen Lebensmittel belastet sind [33].

                                                                    Nachhaltigkeit und Qualität biologischer Lebensmittel | 2021 | FiBL   13
Abbildung 8: Mögliche Eintragungswege für                                      Um Rückstände zu minimieren und die Aberken-
     Kontaminationen in Bioprodukte entlang der                                     nung von Produkten zu vermeiden, müssen alle
     Wertschöpfungskette                                                            Akteure entlang der Wertschöpfungskette die zur
                                                                                    Verfügung stehenden Maßnahmen konsequent
                                                                                    umsetzen. Um geeignete Maßnahmen zur Vermei-
          Kontaminationspfade               Wertschöpfungskette
                                                                                    dung von Verunreinigungen definieren zu können,
                   Abdrift
                                                                                    müssen alle Akteure in der Produktion und Ver-
                    Altlast                                                         arbeitung sowie die Kontrollstellen und der Vollzug
                                                                                    wissen, welche Arten von Rückständen es gibt und
              natürliche Toxine
                                                 Landwirtschaftliche                wo diese ihren Ursprung haben. Basierend darauf
             unerlaubter Einsatz                     Produktion                     können in der ganzen Kette Maßnahmen zur Ver-
                                                                                    meidung definiert werden.

     Schädlingsbekämpfung / Begasung

              Reinigungsmittel

            Kreuzkontamination                Transport und Lagerung

                                                                              Biolebensmittel können entlang ihrer Wertschöpfungskette
     Schädlingsbekämpfung / Begasung                                          über ­verschiedene Wege mit chemisch-synthetischen
              Reinigungsmittel                                                Pestiziden und anderen Kontaminanten in Kontakt geraten.
                                                                              Die Biobranche ­minimiert die Kontaminationsrisiken mit
            Kreuzkontamination                                                zahlreichen Maßnahmen. Trotzdem können in einzelnen
                                                                              Fällen Pestizide, z. B. aus der Umwelt, auf Biolebensmittel
                 Verpackung                         Verarbeitung              gelangen.

     Abbildung 9: Vermeidbarkeit von Rückständen auf Bioprodukten

                                                          Rückstände, die mit geeigneten                             Rückstände, die kaum
          Vermeidbare Rückstände
                                                       Maßnahmen vermindert werden können                          vermieden werden können

             absichtlich/technisch                                                                                  unabsichtlich oder technisch
                  vermeidbar                                                                                              unvermeidbar

                                           Vermischungen/ Verwechslungen mit konventionellen Lebensmitteln

           Verkauf konventioneller
                                                                   Verpackungen
           Produkte als Bioprodukte
                                                                                                   Mikroorganismen
                                                                                                    (Mykotoxine)
                                          Handschuhe                       Abgase

                                                                                                     Abdrift
                                     Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln
                                             in Lagerung oder Transport
                                                                                                                Abrieb von
               Illegale Anwendung                                                                           Produktionsanlagen
                                                                 Bildung von Kontaminanten
             chemisch-synthetischer
                                                               durch den Verarbeitungsprozess
            Pflanzenschutzmittel und
                 Herbizide im Feld                                                                                       Altlast im Boden
                                                                                         Unkräuter mit
                                                Reinigungsmittel
                                                                                     pflanzlichen Toxinen
                                                                                                                     Natürliches Vorkommen
                                                              Pflanzeneigene Toxine                                  eines Stoffes im Boden

     Die meisten Rückstände auf biologischen Lebensmitteln sind vermeidbar, sei es durch geeignete Maßnahmen im Feld, Maßnahmen in der
     Verarbeitung oder Änderungen bei Verpackungen. Einige Rückstände sind jedoch system- oder naturbedingt schwer zu verhindern.

14   Nachhaltigkeit und Qualität biologischer Lebensmittel | 2021 | FiBL
Box 7: Herausforderungen bei der
Minimierung von Rückständen in
biologischen Lebensmitteln
• Enge Absprachen zwischen Biobauern und
  konventionellen Produzenten sowie strukturierte
  Vorgaben zur Vermeidung von Abdrift
• Sensibilisierung aller Beteiligten in der gesam-
  ten Wertschöpfungskette (Anbau, Lagerung,
  Transport, Verarbeitung, Verpackung, Handel,
  Vollzug) für die Rückstands­problematik
• Integration eines biospezifischen Rückstands-
  managements im Qualitätsmanagement bei
  den Verarbeitungsbetrieben
• Etablierung international einheitlicher Prozesse
  im Umgang mit Rückständen

                                                     Abdrift von Sprühnebel stellt Biolandwirte vor allem in kleinparzellierten
                                                     ­Anbaugebieten vor große Herausforderungen.

Box 8: Was sagt das Gesetz zum Umgang mit kontaminierten Bioprodukten?
In der Schweiz regeln Artikel 3b der Bio-Verord-     Maßnahmen definiert werden. Dies trägt zu einer
nung [j] sowie die dazugehörige Weisung [o] das      Erhöhung der Produktqualität von biologischen
Vorgehen bei Rückständen im Bio-Bereich. In der      Lebensmitteln bei, straft die Bioproduzent*innen
EU ist dies in der EU Öko-Verordnung 2018/848        aber mit Mehraufwand für eine Problematik ab, die
(Inkraftsetzung am 01.01.2022) [b] in Art. 28 ge-    in den meisten Fällen durch Dritte verursacht wird.
regelt. Die neue Verordnung trägt der Erwartung           Einige Organisationen, darunter der European
der Konsument*innen an rückstandsfreie und           Organic Certifiers Council (EOCC), der Bundes-
gesunde biologische Lebensmittel Rechnung, in-       verband Naturkost Naturwaren (BNN) und Bio
dem sie auch festhält, wie mit Umwelteinflüssen      Suisse, haben bereits Beurteilungsraster zur Umset-
umgegangen werden muss. Die Regelungen gelten        zung des prozessorientierten Qualitätssicherungs-
für die gesamte Wertschöpfungskette inklusive der    systems des Biolandbaus entwickelt, welche den
Produktion:                                          Vorgaben der neuen EU-Bio-Verordnung Rechnung
• Die Unternehmen müssen mögliche Kontamina­         tragen. Detailhändler wie Coop haben spezifisch
   tionsrisiken identifizieren und entsprechende     für Bioprodukte Qualitätssicherungsmaßnahmen
   Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, um Rückstände       bei der Wareneingangskontrolle implementiert.
   zu vermeiden, respektive zu minimieren.           Im Vordergrund steht nicht die Frage, ob ein
• Die Wirksamkeit der Maßnahmen muss regel­          Produkt gesperrt werden soll oder nicht, sondern
   mäßig überprüft werden.                           die Aufklärung der Ursachen einer Kontamination
• Die Kontrollstellen müssen in mindestens 5 % der   zur Vermeidung zukünftiger Rückstandsfälle. Die
   Betriebe Stichproben nehmen, um die Produkte      primäre Frage ist, ob der Rückstand durch absicht-
   auf Rückstände und Kontaminanten zu testen.       lichen Einsatz oder unsachgemäßes Handeln selbst
                                                     verschuldet worden ist, oder ob die Kontamination
Die Vorgehensweise bei einem Verdacht ist in         unvermeidlich und/oder unverschuldet war. Durch
Art. 27 der EU-Verordnung geregelt. Bei einem        diesen prozessorientierten Ansatz konnten in der
begründeten Verdacht muss die Kontrollstelle ein-    Vergangenheit diverse Rückstandsfälle aufgeklärt
gebunden werden, und gemeinsam müssen die            und deren Ursachen behoben werden.

                                                       Nachhaltigkeit und Qualität biologischer Lebensmittel | 2021 | FiBL        15
Biolebensmittel tierischer Herkunft: hohes Tierwohl garantiert
     Der Biolandbau legt großen Wert auf eine tier- und                       Biolandbau sind die Ausscheidungen der Tiere als
     standortgerechte Erzeugung tierischer Lebensmit-                         Dünger vor allem für Ackerkulturen und das Grün-
     tel. Das Ziel ist eine optimale und nicht eine ma-                       land jedoch immer noch von zentraler Bedeutung.
     ximale Leistung der Tiere. Die umsichtige Art der                            Die weltweit sehr hohe und stetig weiter stei-
     Biobäuerinnen und -bauern, Tiere zu halten, zu                           gende Nachfrage nach Lebensmitteln tierischen Ur-
     betreuen und zu füttern, macht sich auch in einer                        sprungs hat im 20. und 21. Jahrhundert zu ethisch
     besseren Qualität der Lebensmittel bemerkbar, die                        und ökologisch nicht mehr tragbaren Auswüchsen
     von Tieren gewonnen werden.                                              geführt. Dazu gehören die Massenhaltung von
                                                                              Tieren, deren extreme Züchtung, die Gewässer-
                                                                              belastung durch hohe Tierdichten sowie der hohe
     Tierische Lebensmittel:                                                  Flächenbedarf für den Anbau von Futtermitteln.
                                                                                  Es ist wissenschaftlich weithin anerkannt, dass
     Fluch und Segen?                                                         zu viele Tiere gehalten werden [34][35]. Die Nutztier-
                                                                              haltung müsste auf ein deutlich geringeres Maß
     Problematische Entwicklung der Tierhaltung                               reduziert werden, um in die Grenzen der Nachhal-
     Die landwirtschaftliche Tierhaltung begleitet die                        tigkeit [34] und zu einer ethisch vertretbaren Tierhal-
     menschliche Kultur so lange wie die Pflanzenzucht.                       tung [36] zurückzukehren.
     Über Jahrhunderte waren die Nutztiere nicht nur                              Aus einer Modellberechnung des FiBL geht her-
     Lieferanten von Nahrungsmitteln, sondern dienten                         vor, dass der weltweite Verbrauch an tierischen Le-
     auch als Arbeitskraft, Lieferanten von Textilmateria­                    bensmitteln um die Hälfte reduziert werden müsste,
     lien, zum Schutz der Hofstellen und als Düngerlie-                       um die Bedingungen für einen flächendeckenden
     feranten. Heute werden Nutztiere fast nur noch für                       Biolandbau herzustellen und deutliche positive
     die Produktion von Nahrungsmitteln gehalten. Im                          ökologische Veränderungen zu ermöglichen [37].

     Der Biolandbau strebt eine hohe ethische Qualität der Tierhaltung an. Diese kann aber in letzter Konsequenz nur über Kompromisse in der
     Produktion erreicht werden.

16   Nachhaltigkeit und Qualität biologischer Lebensmittel | 2021 | FiBL
Vielfältige Beiträge der Nutztiere                      Abbildung 10: Flächenangebot für Mastschweine
Die Tiere ganz aus der Landwirtschaft und im Be-        bei konventioneller Haltung und nach Labelrichtlinien
sonderen aus der Biolandwirtschaft zu verbannen,
erscheint aus verschiedenen Gründen jedoch nicht                                        0.65                   1.60
                                                                             0.60
sinnvoll:
• Nutztiere liefern wertvollen Dünger zur Dün-                                                                        0.65               1.65
  gung der Kulturpflanzen und zum Aufbau der
  Bodenfruchtbarkeit.                                                                                   0.60
                                                           Coop Naturafarm
• Tierische Lebensmittel haben u. a. wegen der
                                                                         0.65
  hohen Eiweißqualität, Vitamin B12 und Eisen                                          1.25
  einen hohen Stellenwert in der menschlichen               0.60
  Ernährung, insbesondere in jener von Kindern.                                                                   Bio Suisse
• Tiere, vor allem Wiederkäuer, können Ressour-
                                                                                                          0.90
  cen wie das Grasland nutzen, die wir Menschen
                                                                                                                                  Liegefläche
  nicht direkt für die Ernährung nutzen können.         IP-Suisse             0.60
• Auch im Sinne des auf Vielfalt und möglichst                                                                                    Auslauf
  geschlossene Nährstoffkreisläufe basierenden                                                                                    Gesamtfläche
  Ansatzes des Biolandbaus ist die ökologische                                                                           Fläche in m2 pro Mastsau
  und ethische Herausforderung eher darin zu                                 Konventionell                               mit 60–110 kg
  sehen, den Umgang mit Tieren angemessen zu                        (gesetzlicher Mindeststandard)
  gestalten, als sie auszuschließen.                                                                                                  Quelle: [47]
                                                        Das Beispiel aus der Mastschweinehaltung zeigt, dass der Biolandbau
                                                        bestrebt ist, den Tieren mehr Platz anzubieten als in der Landwirtschaft üblich ist.

Hohe ethische Qualität
Das Tierwohl hat im Biolandbau einen hohen Stel-        Weiteres Verbesserungspotenzial
lenwert. Im Biobetrieb gehaltene Nutztiere sollten      Auch der Biolandbau steht in der Tierhaltung noch
ihr natürliches Verhalten so weit wie möglich aus-      vor ethischen Herausforderungen: Die schnelle
leben können. Dazu benötigen sie unter anderem          Trennung von Kuh und Kalb in der Milchvieh-
genügend Platz, unterschiedliche Funktionsberei-        haltung, die vollständig vom Elterntier getrennte
che im Stall, täglichen Auslauf oder Weide sowie        Kükenaufzucht, die extreme Linienzucht beim Ge-
eine Haltung in Gruppen von angemessener Größe.         flügel, sowie die nach wie vor oft eingeschränkten
Diese Anforderungen sind in der EU-Bio-Verord-          Möglichkeiten für natürliches Verhalten in der
nung [a], an welcher sich auch die Schweizer Bio-Ver-   Schweinehaltung sind einige Beispiele für Ein-
ordnung [j] orientiert, vorgeschrieben.                 schränkungen im Tierwohl, die auch den Bioland-
    Darüber hinaus verlangen diese Verordnungen         bau betreffen.
die Auswahl von Rassen oder Zuchtlinien, welche              Betriebe und Forschungseinrichtungen arbeiten
zum Betrieb passen und zu bestmöglicher Konstitu-       an Lösungen zur bestmöglichen Erfüllung der tier-
tion und Robustheit der Tiere führen. Die Gesund-       ethischen Anforderungen, stehen aber immer wie-
heit der Tiere soll somit präventiv durch Haltung       der vor Zielkonflikten mit der Nachhaltigkeit: mehr
und angemessene Züchtung gewährleistet werden.          Auslauf bedeutet auch mehr Flächenverbrauch und
Die Richtlinien einzelner Verbände (z. B. Bio Suisse,   Stickstoffemissionen, und ein weniger extrem ge-
Bioland, Demeter) sehen höhere Tierwohlstandards        züchtetes Tier verbraucht mehr Futter pro Einheit
vor als die jeweilige nationale Gesetzgebung. Zum       tierisches Lebensmittel. Solche Zielkonflikte lassen
Beispiel schreiben sie mehr Platz, geringere Grup-      sich oft nur lösen, wenn geringere Anteile tierischer
pengrößen beim Geflügel oder das Verbot des Ent-        Lebensmittel auf dem Teller in Kauf genommen
hornens von Rindern (Demeter) vor. Ein Beispiel:        werden.
Im Gegensatz zur konventionellen Landwirtschaft,
wo Ställe mit 18 000 Hühnern erlaubt sind, lässt die
EU-Bio-Verordnung maximal 3000, Bio Suisse sogar
nur 2000 Legehennen pro Stall zu.

                                                          Nachhaltigkeit und Qualität biologischer Lebensmittel | 2021 | FiBL                  17
Hohe ökologische Qualität                                             Die hohe Abhängigkeit von Futtermittelzukäufen
                                                                           führt zu hohen Importen an Futterprotein und da-
     Möglichst geschlossene Nährstoffkreisläufe                            mit Stickstoff in die Betriebskreisläufe. Hier steht
     Geschlossene Nährstoffkreisläufe sind ein Ideal                       der Biolandbau vor einer erheblichen Herausfor-
     des Biolandbaus. Demnach sollen möglichst we-                         derung.
     nig Nährstoffe von außen in den Betrieb zugeführt                          In vieler Hinsicht wird an Lösungen gearbeitet,
     werden und möglichst viele tierische Nährstoffe                       Futtermittelzukäufe zu reduzieren. So hat sich zum
     in Form von Mist und Gülle zurück auf die Felder                      Beispiel die Schweizer Futtermittelbranche ver-
     gelangen, ohne dabei die Aufnahmekapazität des                        pflichtet, keine Soja aus Übersee für das Biofutter zu
     Bodens zu überschreiten (siehe Abbildung 11). Es                      verwenden. Stattdessen fördern Bio Suisse und FiBL
     dürfen nur so viele Tiere auf einem Betrieb gehal-                    den Anbau von Körnerleguminosen in der Schweiz.
     ten werden, wie das dazugehörige Land an Nähr-                        Ab 2022 verlangt Bio Suisse für Wiederkäuer, dass
     stoffen aus dem anfallenden Mist und der Gülle                        100 % des Futters aus der Schweiz stammt.
     aufnehmen kann. Zudem besteht im Biolandbau                                Das FiBL arbeitet zudem an Konzepten, um
     ein Anspruch, die Tiere weitgehend von betriebs-                      Protein aus Lebensmittelabfällen über Insekten [39]
     eigenem Futter zu ernähren, also möglichst wenig                      oder aus Gülle über Wasserlinsen [40] direkt in Fut-
     Futtermittel zu importieren. Für die Wiederkäuer ist                  termittel zu rezyklieren.
     dies vielfach möglich [38] und insbesondere bei Bio
     Suisse vorgeschrieben.                                                Vielfältiges Futterangebot
          Bei Schweinen und Geflügel hingegen herrscht                     Das Schaffen einer hohen Vielfalt im Anbau und
     nach wie vor eine sehr hohe Importabhängigkeit                        Angebot der Futtermittel ist ein weiterer Ansatz, um
     für Futtermittel in den meisten europäischen Be-                      Ökologie und Tierwohl miteinander zu verknüpfen.
     trieben. Vor allem dort, wo große Mengen für den                      Der gezielte Anbau von Laubheu [41] und der Einsatz
     Lebensmitteleinzelhandel produziert werden, ist                       wirkstoffreicher Kräuter im Futter [42] sind zwei Bei-
     der Eigenversorgungsgrad mit Futtermitteln bei                        spiele dafür.
     Schweinen und Geflügel auch auf Biobetrieben ge-
     ring.

     Vier Beispiele für die Weiterentwicklung des Tierwohls
     Raufutter für Schweine
     Schweine werden in der Regel mit geschroteten
     Mischfuttermitteln gefüttert, die vornehmlich aus
     Getreide und Soja bestehen. Diese Futtermittel
     führen zusammen mit stressreichen Haltungsbe-
     dingungen bei vielen Schweinen zu schmerzhaften
     Magengeschwüren [48]. Raufutter, wie zum Beispiel
     Luzerne-Silage, bringt Abwechslung in den Spei-
     seplan der Schweine und Beschäftigung. Raufut-
     ter verändert aber auch das chemische Milieu im
     Magen und führt nachweislich zu einer deutlichen
     Reduktion der Magengeschwüre [43]. Die Raufutter-
     gabe an Schweine ist zum Beispiel bei Bio Suisse
     vorgeschrieben und wird von Forschung und Praxis                      Die Biorichtlinien streben eine artgerechte und nachhaltige Fütte-
     stetig weiterentwickelt (Projekt PigWatch [49]). Die                  rung der Schweine an. Raufutter erweist sich dabei als wertvolle
                                                                           Ergänzung zu Kraftfutter aus Getreide und Soja. Es verbessert die
     Zulage von Raufutter reduziert jedoch die Futter-
                                                                           Verdauung und bietet den Schweinen eine gute Beschäftigung.
     effizienz.

18   Nachhaltigkeit und Qualität biologischer Lebensmittel | 2021 | FiBL
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