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One Stop Europe Open Government Ralf Armbruster, Alberto Barzanò, Wolfgang Both, Ralf Daum, Zwetelina Gankova-Ivanova, Jörn von Lucke, Robert Müller-Török, Ortwin Renn, Georg Schäfer, Erich Zielinski, Herbert O. Zinell 102
Open Government Dokumentation der Internationalen Hochschulkonferenz „One Stop Europe 2012 – Open Government“ 19. und 20. April 2012, Stuttgart Inhalt Herbert O. Zinell Grußworte 3 Impressum Erich Zielinski Stiftungsreihe 102 Grußworte 5 Redaktion Dr. Erich Zielinski Ortwin Renn Petra Bonnet M.A. Partizipation bei öffentliche Planungen – Wege zur Beteiligung 7 Jörn von Lucke Druck der Broschüre DCC Kästl GmbH & Co. KG Skizzen eines Memorandums zur Öffnung von Staat und Alle Rechte vorbehalten Verwaltung (Open Government) 13 © 2013 Georg Schäfer Die Alcatel-Lucent Stiftung für Kommunikationsforschung ist Open Government in Baden-Württemberg 15 eine nichtrechtsfähige Stiftung in der treuhänderischen Ver- Wolfgang Both waltung des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft. Berlin – Open Data 20 Ralf Armbruster Angaben nach § 5 TMD/ § 55 RfStv Open Government Stuttgart – ein kritische Anmerkung 233 Robert Müller-Török Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V. Offenheit und Transparenz im Verwaltungsverfahren – Barkhovenallee 1 45239 Essen E-Partizipation 277 Telefon: (02 01) 8401-0 Telefax: (02 01) 8401-301 E-Mail: mail@stifterverband.de Ralf Daum Open Government – Anforderungen an Forschung und Lehre 29 Geschäftsführer: Prof. Dr. Andreas Schlüter Zwetelina Gankova-Ivanova (Generalsekretär) Partnerschaft für Open Government 388 Alberto Barzanò Open Government in Italien – einige erste Schritte 511 ISSN 0932-156x 1
Grußworte Herbert O. Zinell Ich freue mich, dass sich ein sehr sachkundi- normen“ genannten Regelungen sollen noch ger Kreis von Experten hier im Innenministe- mehr Verwaltungsdienstleistungen ins Netz rium Baden-Württemberg versammelt hat, bringen. Das ist keine einfache Aufgabe, weil um im Rahmen der One Stop Europe Konfe- auch heute noch lange nicht alle Kolleginnen renz die aktuellen Themen des Open Go- und Kollegen das Ziel einer elektronischen vernment und E-Government zu diskutieren. „One Stop“ Verwaltung unterstützen. Ursprünglich wurde die Vorstellung der IT- Zum sechsten Mal treffen Sie sich in Baden- Spezialisten, alles in der virtuellen Welt sei im Württemberg, das erste Mal im Innenministe- Internet nur „einen Klick weit“ entfernt, belä- rium. Gerne hätte ich Ihnen für diese Veran- chelt. „Knopfdruckmentalität“ wurde diese staltung unseren neuen, schöneren Veran- Vorstellung abschätzig genannt. Es war des- staltungsraum im Neubau des Innenministe- halb durchaus mutig, dass die Alcatel Lucent riums überlassen. Eine Verzögerung beim Stiftung eine ihrer wichtigsten jährlichen Ver- Bau hat uns jetzt nochmals in diesen Räum- anstaltungen „One Stop Europe“ genannt hat. lichkeiten zusammengeführt. In aller Bescheidenheit darf ich anmerken, Thema der diesjährigen internationalen Kon- dass auch das Innenministerium dazu beige- ferenz „One Stop Europe“ ist das Thema tragen, diese Vision eines einfachen, bürger- Open Government. Sie haben sich bereits freundlichen Zugangs zu Verwaltungsdiens- heute Vormittag mit einer Reihe sehr weitrei- ten, Realität werden zu lassen. Der persönli- chender Vorträge das Thema erschlossen. che Dokumentensafe im Verwaltungsdienste- Gerne hätte ich Ihnen Gesellschaft geleistet, portal des Landes Baden-Württemberg ist denn auch mich fasziniert diese Welt und die genau die Umsetzung dieser Vision. Alle Möglichkeiten, die sich hier auftun. Bürgerinnen und Bürger können dort einen Als wir dieses Jahr am 8. März auf der CeBIT persönlichen, geschützten Daten- und Do- den Prototyp unseres Open Data Portals vor- kumentenbereich anlegen. Dort können sie stellten, konnten wir einen ersten und auch von überall auf der Welt, wo es Internet gibt, da nur unvollständigen Einblick in die Welt ihre Verwaltungsdienste vorbereiten und – in des Open Government geben. Mit Open Data besonderen Fällen – auch letztlich mit einem fängt das Open Government an: Der infor- Klick starten. Grundlage ist die elektronische mierte Bürger kann sich politisch in seiner Vorgangsbearbeitung, die wir datenschutz- Heimatgemeinde, in seinem Land und in konform mit differenzierten Prozess- und Deutschland und Europa wirkungsvoll enga- Zugriffsrechten an den Dokumentensafe an- gieren. Unser Prototyp geht zum Teil über gebunden haben. Der Anwendungsschwer- das hinaus, was üblicherweise an Werkzeu- punkt für „One Stop“ liegt noch bei Genehmi- gen dem engagierten Bürger zur Vernetzung gungen und Anzeigen, die im Zusammen- von Dateninhalten bereit gestellt wird. In den hang mit der EU Dienstleistungsrichtlinie Videosequenzen, die aus dem Open Data stehen. Ich sage „noch“, weil ich hoffe, dass Portal abrufbar sind, zeigen wir jedem, was das in Arbeit befindliche E-Government Ge- möglich ist und wie offene Daten vernetzt setz uns hier weiter bringen wird. Die „Motor- 3
Herbert O. Zinell SR 102 werden können. Ich bin überzeugt, dass die- herausragenden Barrierefreiheit. Hier wollen se „Linked Data“ die Zukunft der Open Data und werden wir uns engagiert einbringen und Portale darstellen. Wir wissen, dass heute durch unsere Pilotprojekte mit Zeichen set- schon Programme möglich sind, die dem zen. Bürger beim Surfen in Open Data Daten- Wir müssen hier einen Weg gemeinsam mit sammlungen bereits einige der auf der Hand Bürgerinnen und Bürgern gehen. Und wenn liegenden Verlinkungen automatisch anbieten ich von Bürgerinnen und Bürgern rede, meine können. So ist bei entsprechend geschickter ich auch Selbständige, Unternehmen, Wis- Gestaltung der Datenbestände eine geoda- senschaftler und Behörden. Denke ich bloß tenbasierte Abbildung auf die Kartografie des an die lange Liste innovativer Techniken, die Landes mit seinen Verwaltungs- und Ge- uns Herr Professor von Lucke schon mehr- meindegrenzen kein wirkliches IT-Problem fach präsentiert hat, dann wird klar, dass wir mehr. Vielen Bürgerinnen und Bürgern macht viel erklären und erläutern müssen. Bei unse- aber so eine IT-technisch einfache Darstel- rem Open Data Portal bitten wir um Bewer- lung bereits wesentliche Sachverhalte besser tungen und Beiträge. Nur so können wir nach verständlich als bloße Zahlenkolonnen. Oft- und nach einerseits die Einfachheit der Be- mals können auch Bevölkerungs- und Sach- dienung und andererseits die Mächtigkeit der daten automatisch verlinkt und kartografisch Software erhalten, die eine Politik des Ge- wirkungsvoll präsentiert werden. hört-Werdens und der Bürgerbeteiligung aller Ich freue mich, dass wir an diesen Themen mit Hilfe des Internets ermöglicht. mit Unterstützung unserer Landesbehörden Keine Frage, diese Techniken machen per- und Kommunen engagiert weiter arbeiten sönliche Begegnungen nicht überflüssig. Die- können, um die dann folgende nächste Stufe, se Konferenz ist ein Beweis, dessen es ei- das Open Government, nach und nach zu gentlich gar nicht bedarf, denn Sie alle wis- entwickeln. Sie haben heute bereits Vorträge sen dies. Ich freue mich jetzt auf weitere dazu gehört und können sicher anhand von Beiträge der Referenten und auf einige Stun- mehr Details als ich die ersten Pfade aufzei- den in Ihrem Kreis. Gespannt bin ich bei- gen, die uns diese Thematik nach und nach spielsweise auf das, was Prof. Veit zu Cloud erschließen. Computing vorträgt und welche Lösungen er Das Innenministerium beteiligt sich an den vorschlägt. Bund-Länder-Arbeiten im Rahmen seiner Ko- Ich bedanke mich bei der Alcatel-Lucent Stif- Federführung mit dem BMI in der AG Open tung, dass Sie die Veranstaltung in Baden- Government an einer Vereinheitlichung und Württemberg und auch in unserem Haus Standardisierung. Der Bürger kann sich nicht stattfinden lässt. Gerne biete ich Ihnen unser effizient bei politischen Prozessen informie- Haus auch für das nächste Jahr an. Ich wün- ren und beteiligen, wenn in jeder Gemeinde, sche der Konferenz viele gute Gespräche jedem Land und jedem Mitgliedstaat der EU und freue mich, mich daran beteiligen zu diese Beteiligungstechniken immer anders können. aussehen. Vereinheitlichung ist hier keine Einschränkung, sondern eine Verstärkung der Einflussmöglichkeiten von Bürgerinnen Dr. Herbert O. Zinell ist Ministerialdirektor im und Bürgern. Sie muss einher gehen mit ei- Innenministerium Baden-Württemberg. nem beispielhaften Datenschutz und einer 4
Grußworte Erich Zielinski Bereits zum sechsten Mal lädt die Alcatel- Technik hilft, neuartige Informationsangebote Lucent Stiftung in Kooperation mit der Hoch- einer bürgernahen Verwaltung zu realisieren. schule für öffentliche Verwaltung und Finan- Aber auf dieser Grundlage können auch zen Ludwigsburg und in diesem Jahr mit der neuartige Instrumente für eine demokratische Zeppelin-Universität Friedrichshafen und Bürgerdiskussion entwickelt werden. U.a. dem Innenministerium Baden-Württemberg das „2.0-Anhängsel“ an die Termini Partizipa- zur internationalen Hochschulkonferenz One tion und Transparenz dürfte in Zukunft beim Stop Europe. E-Government und als ein Gestaltungs- merkmal des Open Government ebenfalls ei- Die Konferenzreihe One Stop Europe wurde ne Rolle spielen. Denn die Bürgerinnen und als Forum für den Wissenstransfer zwischen Bürger rufen nach veränderten Rollen im Wissenschaft und Praxis über die Entwick- Dreieck mit der Politik und der Verwaltung. lung des Electronic Government in Europa und besonders für den wissenschaftlichen In- Noch ist natürlich nicht alles optimiert, es gibt formationsaustausch der Partnerhochschulen noch genug zu tun. Die heutigen und zukünf- der Hochschule für öffentliche Verwaltung tigen Anstrengungen adressieren Produktivi- und Finanzen Ludwigsburg eingerichtet. tät, stetig zu verbessernde Serviceorientie- rung und Kommunikationsqualität. Den Anfang nahm die Reihe im Jahr 2007 mit dem übergeordneten Thema „Mittel- und Und zu einer höheren Qualität gehören nicht Osteuropa im E-Government“. Im Vorder- nur die Netz-Infrastrukturen, die E-Govern- grund standen noch sehr stark die Umset- ment in der Tat erst möglich machen, son- zung kommunaler E-Government-Anwendun- dern auch die Aspekte der Nutzbarkeit, also gen und das generelle Angebot von Online- die Nützlichkeit von Internet-Angeboten so- Verfahren. wie deren Benutzerfreundlichkeit und Barrie- refreiheit, Effizienz, Transparenz der Organi- Bereits ein Jahr später wurde die erste the- sation, Partizipationsangebote sowie – ganz matische Spezifizierung vorgenommen – die wichtig – Datenschutz und Datensicherheit. Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie in Europa gab den inhaltlichen Rahmen für die E-Government ist das Produkt einer seit zwei Tage intensiven Austauschs. Es folgten mehreren Jahrzehnten voranschreitenden In- in den weiteren Jahren die Themen formatisierung der Verwaltung, ein wesentli- cher Baustein der Informationsgesellschaft - Electronic Public Management, und muss als solcher umfassend gestaltet - Qualitätsmanagement im E-Government, und weiter ausgebaut werden. - Bürgerservices und Das Oberthema Electronic Government ist in - in diesem Jahr das Open Government. den Aktionslinien der Stiftung ausdrücklich verankert. Im Jahr 2002 wurde das Hoch- schulkolleg E-Government gegründet. Es wurde als neutrale und transdisziplinäre 5
Erich Zielinski SR 102 Plattform und mit dem Ziel eingerichtet, Bei- schon immer ein Anliegen – von Anfang an träge für die Modernisierung der Verwaltung stand der internationale Austausch auf der zu leisten und Impulse für den Wissenstrans- Tagesordnung des Hochschulkollegs. fer zwischen Wissenschaft und Praxis auf Und auch dafür engagieren wir uns nicht al- dem Gebiet des E-Government zu geben. leine. Nur in Kooperationen sind solche gro- Hinsichtlich seiner Bedeutung für zukunftsge- ßen Vorhaben zu stemmen. Zumal ein One richtete Diskussionen und Konkretisierungen Stop Europe in der Praxis gewiss nicht nur einzelner Detailbereiche ist das Kolleg in den eines Promotors bedarf. Gefordert sind hier vergangenen Jahren kontinuierlich gewach- der Bund, die Länder und die Kommunen sen. ebenso wie Organisationen der Wirtschaft Renommierte Expertinnen und Experten ga- und der Gesellschaft. ben und geben wirkungsvolle Impulse zur Zwei themenreiche Tage liegen vor uns. laufenden, vor allem aber auch zur zukünfti- Lassen Sie uns die Informierung durch die gen Diskussion einzelner Aspekte dieses Beiträge der Expertinnen und Experten er- umfassenden Feldes. Die Stiftung behandelt gänzen durch viel Austausch. In den Diskus- hier unterschiedliche Themen an unter- sionen, in den Pausen und heute Abend in schiedlichen Schnittstellen – zur Politik, zur den Räumen und auf Einladung der Würt- Wirtschaft, zu den Bürgerinnen und Bürgern. tembergischen Gemeindeversicherung. Datenschutz und Datensicherheit rücken da- her ebenso in den Fokus der Diskussion wie Danke für Ihre Aufmerksamkeit und ich wün- z.B. auch die Sicherheitskommunikation, zu sche uns allen intensive Anregungen und in- welcher im Juni wiederum unsere in Fach- tensive Gespräche! kreisen fest vorgesehene Jahrestagung ge- meinsam mit dem Deutschen Städte- und Dr. Erich Zielinski ist Direktor der Alcatel- Gemeindebund stattfindet. Lucent Stiftung. Über den eigenen nationalen E-Government- Rand hinauszublicken, war der Stiftung 6
Partizipation bei öffentliche Planungen – Wege zur Beteiligung Ortwin Renn 1 Ausgangslage des Fairness-Prinzips. Warum soll ein Teil der Bürgerschaft Nachteile in Kauf neh- Politikverdrossenheit, St.-Florians-Prinzip, men, wenn überwiegend andere von dem Wutbürger, Protestkultur, Besitzstandswah- Nutzen profitieren? rung, Anspruchsmentalität – diese Schlag- worte kennzeichnen die aktuelle Debatte um − Die Notwendigkeit der jeweiligen Pla- die Rolle der Bürgerin und des Bürgers in nungsziele und -inhalte ist häufig auch un- unserer heutigen Gesellschaft. Allein die Tat- ter Fachleuten umstritten (zumindest in sache, dass ein Beschluss demokratisch zu- dem Ausmaß, wie es viele Antragsteller stande gekommen ist, reicht oft nicht mehr wünschen). In der öffentlichen Auseinan- aus, um Akzeptanz bei den Betroffenen zu dersetzung um das Für und Wider be- stimmter Planungsinhalte lässt sich daher erreichen. Dies hat sich besonders deutlich jede mögliche Haltung durch Rückgriff auf bei den Auseinandersetzungen um „Stuttgart irgendeinen Experten begründen. Das Ex- 21“ gezeigt. pertendilemma führt dazu, dass Sachwis- Warum ist es zu dieser Legitimationskrise sen als potentiell integrative Kraft für den gekommen? Ohne diese Frage erschöpfend Ausschluss von Behauptungen nicht mehr beantworten zu wollen, erscheinen folgende oder nur in geringem Maß zur Verfügung Faktoren von besonderer Bedeutung zu steht. sein1: − Es klafft häufig eine Kluft zwischen den von − In einer zunehmend dichteren Besiedlung den Fachleuten berechneten Konsequen- und Vernetzung sind Risiken und Nutzen zen und Risiken der jeweiligen Vorhaben von Planungsvorhaben nicht gleich verteilt. und den von der Bevölkerung wahrge- In der Regel fällt der Nutzen bei einer nommenen Folgeproblemen. Wie psycho- Menge meist anonymer Konsumenten oder logische Untersuchungen nachweisen, Produzenten an, während überwiegend die spielt bei der Beurteilung von Risiken ne- Standortbevölkerung das Risiko trägt. Dies ben der Wahrscheinlichkeit und des Aus- führt zu wahrgenommenen Verletzungen maßes des Risikos auch sogenannte quali- tative Risikomerkmale eine wichtige Rolle. 1 Gabriel, O./ Völkl, K. 2004: Politische und soziale So macht es einen wichtigen Unterschied, Partizipation. In: O. Gabriel/E. Holtmann (Hrsg.): ob Risiken beispielsweise freiwillig auf sich Handbuch Politisches System der Bundesrepublik Deutschland. Oldenbourg: München und Wien, S. genommen oder von dem Risikoträger ak- 523-573; Kuklinski, O./ Oppermann, B. 2010: Partizi- tiv kontrolliert werden können. pation und räumliche Planung, In: D. Scholich/ P. Müller (Hrsg.): Planungen für den Raum zwischen − Der Protest gegen zentrale politische Pla- Integration und Fragmentierung. Internationaler Ver- lag der Wissenschaften: Frankfurt am Main, S. 165- nung nährt sich auch aus der Erfahrung 171; Renn, O. 2004: The Challenge of Integrating der Bedrohung der eigenen Lebenswelt. Deliberation and Expertise: Participation and Dis- Immer mehr Bürger sehen sich in ihrem course in Risk Management. In: T. McDaniels/M. J. Small (Hrsg.): Risk Analysis and Society: An Inter- Alltagshandeln durch professionelle Exper- disciplinary Characterization of the Field. Cambridge tenurteile und institutionelle Eingriffe ein- University Press: Cambridge, S. 289-366. geengt. Was sich in ihrer Gemeinde ab- 7
Ortwin Renn SR 102 spielt, entzieht sich mehr und mehr ihrer oder indirekt von den Konsequenzen dieser Kontrolle und ihrer Einflussnahme. Als Ge- Entscheidung betroffen sind. genreaktion versuchen sie, alles, was Ih- nen von außen aufgezwungen erscheint, abzuwehren und ihre eigene kollektive 2 Was kann Bürgerbeteiligung leisten? Identität zu wahren. Bürgerbeteiligungsverfahren bieten vor die- − Schließlich ist der Protest gegen Risikoan- sem Hintergrund einen möglichen Lösungs- lagen häufig auch ein Protest gegen die weg an. Als Bürgerbeteiligungsverfahren sind Art, wie Beschlüsse in der politischen Are- hier kommunikative Prozesse gemeint, in na zustande kommen. Der Prozess der denen Personen, die qua Amt oder Mandat Entscheidungsfindung ist mindestens keinen Anspruch auf Mitwirkung an kollekti- ebenso bedeutend wie die Entscheidung ven Entscheidungen haben, die Möglichkeit selbst. Mit zunehmenden Bildungsstand erhalten, durch die Eingabe von Wissen, Prä- und ökonomischen Wohlstand wächst der ferenzen, Bewertungen und Empfehlungen Wunsch nach Teilhabe an der Entschei- auf die kollektiv wirksame Entscheidungsfin- dungsfindung, vor allem dann, wenn die dung direkten oder indirekten Einfluss zu persönliche Lebenswelt betroffen ist. nehmen. Dabei wird der Fokus weg von der eigentlichen Entscheidung und hin zu dem Misstrauen gegenüber öffentlicher Planung Weg, auf dem die Entscheidung getroffen ist durch viele Faktoren begründet und von wird, verlagert. Es gibt fünf Gründe, die bei daher auch nicht als ein vorübergehendes komplexen Planungsentscheidungen für eine Phänomen zu sehen. Vertrauensverluste las- stärkere Einbindung der Bürgerinnen und sen sich nicht durch Information ausgleichen. Bürger in die Entscheidungsfindung spre- Dementsprechend laufen auch alle Vorschlä- chen3: ge, die auftretenden Konflikte durch bessere − Durch Einbezug von örtlich betroffenen Erziehung, Aufklärung oder Informations- Bevölkerungsteilen kann zum ersten die kampagnen zu bewältigen, ins Leere. Aktive Wissensbasis erweitert werden. Neben Beteiligung der Bürger an öffentlichen Pla- dem systematischen Wissen der Experten nungen setzt zweierlei voraus: eine Legitima- und dem Prozesswissen der Entschei- tion durch Verfahren und eine offene Ausei- dungsträger kann für viele Entscheidungs- nandersetzung mit den betroffenen Bevölke- probleme auch das Erfahrungswissen der rungsgruppen2. Im ersten Fall geht es um einen transparenten und nachvollziehbaren Prozess der Entscheidungsfindung, in dem 3 Gabriel, O./Brettschneider, F.1998: Politische Parti- alle Interessen und Werte berücksichtigt zipation. In: O. Jarren, U. Sarcinelli /U. Saxer (Hrsg.): Politische Kommunikation in der demokratischen werden; im zweiten Fall um eine angemes- Gesellschaft. Westdeutscher Verlag: Opladen, S. sene Beteiligung der Menschen, die direkt 285-291; Newig, J. 2007: Does Public Participation in Environmental Decisions Lead to Improved Envi- ronmental Quality? Towards an Analytical Frame- work. International Journal of Sustainability Commu- 2 Webler, Th./Tuler, S. 2008: Organizing a Deliberative nication, Special Volume on Communication, Coop- Participatory Process: What Does the Science Say? eration, Participation, Heft 1, Nr. 1, S. 51-71; Stirling, In: S. Odugbemi/Th. Jacobsen (Hrsg.): Governance A. 2008: “Opening Up” and “Closing Down”: Power, Reform Under Real-World Conditions. Citizens, Participation, and Pluralism in the Social Appraisal of Stakeholders and Voice. The World Bank: Washing- Technology. Science, Technology and Human Val- ton, D.C., S. 125-160. ues, Heft 33, Nr. 2, S. 262-294. 8
SR102 Partizipation bei öffentlichen Planungen betroffenen Bevölkerung von besonderer Auffassung, dass diejenigen, die in Konkur- Bedeutung sein. Dieses Erfahrungswissen renz mit anderen Anspruch auf eine Res- kann je nach Problemtyp eine wichtige Be- source erheben, am besten in einem „fai- reicherung und gelegentlich auch eine Kor- ren“ Verfahren (procedural equity) eine ei- rektur des Expertenwissens darstellen, vor gene Lösung für eine faire Verteilung allem dann, wenn die Ursache-Wirkungs- finden sollen. Traditionelle Tarifrunden zwi- zusammenhänge in der Realität stark schen Arbeitgebern und Arbeitnehmerver- streuen oder die Wirkungen von den Ent- treter sind ebenso Beispiele für diese scheidungen der betroffenen Bevölkerung Funktion wie Aushandlungsprozesse über mit abhängen4. Emissionszertifikate oder Kompensations- verhandlungen für erlittene Umweltbelas- − Zum zweiten kann Bürgerbeteiligung den tungen. jeweiligen Entscheidungsträgern wichtige Informationen über die Verteilung der Prä- − Zum vierten kann Bürgerbeteiligung als ein ferenzen und Werte der betroffenen Bevöl- Wettstreit der Argumente angesehen wer- kerungsteile vermitteln. Da Entscheidun- den, mit dem Ziel, auf der Basis von Be- gen auf Folgewissen und Urteile über die gründungen kollektive Entscheidungen auf Wünschbarkeit der zu erwartenden Folgen eine normativ abgesicherte Grundlage zu beruhen, ist es für Entscheidungsträger stellen. Ziel eines solchen Beteiligungsver- häufig unverzichtbar, die Wahrnehmung fahrens ist die diskursive Austragung von der Wünschbarkeit der Folgen explizit zu begründeten Standpunkten unter den Rah- erheben und (mit) als Grundlage für die ei- menbedingungen einer strikt auf Logik und gene Entscheidung aufgreifen. Es gibt viele konsistenter Ableitung (Geltungsanspruch Formen, Präferenzen zu erkunden und in und Geltungsnachweis) beruhenden Prü- die Entscheidungsfindung einzubinden. fung der jeweils vorgebrachten Argumente. Das reicht von den eher passiven Instru- Dabei geht es vor allem um die Frage der menten der Befragung und der Fokusgrup- Zumutbarkeit von normativen Setzungen pen bis zu den eher gestaltenden Formen für alle Betroffenen (über den Kreis derer von Konsensuskonferenzen, Bürgerforen, hinaus, die an dem Diskurs teilnehmen). Planungszellen u.a.m. − Zum fünften kann Bürgerbeteiligung als ein − Zum dritten kann Beteiligung als Instru- Element der Gestaltung der eigenen Le- ment zu einem fairen Aushandeln von benswelt angesehen werden. In dieser Ressourcen dienen. Die Literatur zu Spiel- Funktion wird den betroffenen Menschen theorie, Mediation, Schlichtung und Aus- die Möglichkeit gegeben, in Form von handlungsprozessen ist ein beredtes Zeug- Selbstverpflichtungen oder von Verantwor- nis für diese konfliktvermittelnde Funktion tungszuschreibungen Veränderungen in ih- von Bürgerbeteiligung. Dahinter steht die rer eigenen Lebenswelt herbeizuführen. 4 Renn, O. 2010: The Contribution of Different Types of Knowledge Towards Understanding, Sharing and Communicating Risk Concepts. Catalan Journal of Communication & Cultural Studies, Vol. 2. No. 2, S. 177-195. 9
Ortwin Renn SR 102 3 Reformbedarf auch eine frühzeitige Beteiligung, etwa bei der Bedarfsplanung, zur Alibiveranstal- Über die Defizite der deutschen Planungs- tung und es droht ein Vertrauensverlust. praxis ist viel diskutiert worden5. An dieser Stelle sollen nur einige wenige zentrale Punk- − Einbezug der Interessengruppen und der te benannt werden, bei denen eine Reform Öffentlichkeit durch ein strukturiertes Ver- der geltenden Planungspraxis sinnvoll und fahren von aufeinander abgestimmte Ver- erfolgversprechend erscheint: fahrensschritte: Aufgrund der Pluralität der Gesellschaft und ihrer funktionalen − Einbezug der Interessengruppen und der Ausdifferenzierung ist es wenig erfolgver- Öffentlichkeit bereits in der Zielfindungs- sprechend, mit einem Beteiligungsverfah- phase: Je komplexer und unsicherer sich ren alles „erschlagen“ zu wollen.. Auch die Ausgangssituation darstellt, umso der oft geforderte Volksentscheid ist kein wichtiger ist es, einen Konsens bei der Allheilmittel der Partizipation. Es kann un- Frage, was man erreichen will und wozu ter bestimmten Umständen (etwa bei dies dienen soll, herzustellen. Es kann gleich gut begründbaren Alternativen) am nicht darum gehen, dass man die Bürge- Ende einer Kette von vorgelagerten Betei- rinnen und Bürger lediglich entscheiden ligungsverfahren stehen. Zentral ist, dass lässt, ob man das Atomkraftwerk mit Efeu bei politisch weitreichenden Entscheidun- oder wildem Wein bewachsen lässt, son- gen das beste Sachwissen, gerechte und dern es geht darum, wie die Gesellschaft faire Vorschläge zur Behandlung konfli- im Zielkonflikt zwischen Wirtschaftlichkeit, gierenden Interessen, eine den Grund- Umweltverträglichkeit, Klimaschutz und werten angemessene Abwägung der Vor- Sozialverträglichkeit einen ethisch akzep- und Nachteile und mehrere, den betroffe- tablen und sozial akzeptierten Weg finden nen Bürgerinnen und Bürgern zumutbare kann, um kollektiv Ziele umzusetzen. Die und akzeptable Lösungsvorschläge ein- frühzeitige Einbindung ist essentiell für bezogen werden. das Gelingen von Beteiligung, wobei die bestehende Rechtslage wesentlich mehr − Vorrang der Transparenz vor Vertraulich- frühzeitige Beteiligung erlaubt, als derzeit keit und Abgeschlossenheit: Je komplexer praktiziert wird. die Beteiligungsstruktur desto verwirren- der ist der Entscheidungsprozess für die- − Weiter Spielraum für die Beteiligung: Die jenigen, die nicht direkt an dem Verfahren Festlegung, wie groß der Spielraum für beteiligt sind. Ein Höchstmaß an Transpa- die Beteiligung der Bürger an der Ent- renz wäre erreicht, wenn die Bevölkerung scheidung ist, bestimmt weitgehend das die Kanzlerin in einem TV-Container Tag Gelingen von Beteiligungsverfahren. und Nacht beim Regieren beobachten Wenn nicht von Anfang an klar kommuni- könnte. Das bedeutet: Je mehr Formen ziert wird, an welchen Entscheidungen die der Beteiligung in den Prozess der Ent- Bürger unmittelbar beteiligt sind, gerät scheidungsfindung einbezogen werden, desto größer ist die Gefahr der Intranspa- 5 Papadopoulos Y./ Warin P. 2007: Are Innovative, renz. Umso wichtiger ist es deshalb, die Participatory and Deliberative Procedures in Policy verschiedenen Formate der Beteiligung Making Democratic and Effective? European Journal of Political Research, Heft 46, Nr. 4, 445-472; Renn, so weit wie möglich öffentlich zu machen. O. 2008; a.a.O., S. 320ff. Gerade aus dem angelsächsischen Raum 10
SR102 Partizipation bei öffentlichen Planungen ist gut dokumentiert, dass prinzipiell offe- zu strukturieren und zu kombinieren sind, ne Verhandlungen die Wahrscheinlichkeit wie man diese am besten anleitet, steuert von „Fenster- oder Balkonreden“ nicht er- und moderiert und wie man mit auftreten- höhen und die Ernsthaftigkeit von Ver- den Konflikten am besten umgehen kann. handlungen nicht infrage stellen. In den USA ist es üblich, dass ein Prozent des Gesamtwertes einer Maßnahme für − Notwendigkeit der begleitenden Kommu- Prozesssteuerung ausgegeben wird. nikation: Die schon zum Stereotyp ge- wandelte Formel „es handele sich nicht − Notwendigkeit einer praxisorientierten um Politik-, sondern um Kommunikations- Partizipationsforschung: Trotz des zwei- versagen“ greift zu kurz. Keine noch so felsohne fundierten Wissensstandes über gute Verpackung kann ein schlechtes Po- Partizipationsverfahren und ihrer Wirkun- litikprodukt im besseren Licht erscheinen gen ist vor allem die praktische Umset- lassen. Im Gegenteil: ein schlechtes Pro- zung von Verfahrenskombinationen ein dukt in einer tollen Verpackung verärgert weitgehend unerforschtes Gebiet. noch mehr, als wenn man ehrlich zugibt: Die entscheidende Voraussetzung für den Er- Besser geht es halt nicht. Die offene De- folg von Bürgerbeteiligung ist aber die Bereit- batte über Zielkonflikte, negative Auswir- schaft der Politiker und der Verwaltungsfach- kungen oder verbleibenden Unsicherhei- ten ist zwar anfangs unangenehmer für leute, die Formen der Beteiligung nicht als die Politik, aber schafft auf Dauer Glaub- lästige Pflichtübung sondern als Hilfsstellung würdigkeit und Verlässlichkeit. Dies gilt ihrer Arbeit und als Bereicherung der reprä- auch für Beteiligung: Kommunikation ist sentativen Demokratie anzusehen. In einem kein Ersatz für Beteiligung, sondern eine 2008 herausgegebenen Gutachten der US- notwendige und zielführende Begleitung. amerikanischen Akademie der Wissenschaf- ten zu Beteiligungsverfahren in Umwelt- und − Professionalisierung der Prozesssteue- Gesundheitsfragen wurde auf der Basis von rung und -begleitung: Es ist selbstver- Metaanalysen der vorliegenden Evaluationen ständlich, dass niemand einem Amateur die zentrale Erkenntnis gewonnen, dass der zutrauen würde, die Statik einer Brücke Erfolg von Beteiligung am stärksten davon zu beurteilen oder die Erfolgsaussichten abhängt, welche Erwartungen die Initiatoren einer Operation abzuschätzen. Bei Betei- damit verbinden6. Waren diese positiv und ligungsverfahren ist das offenbar anders: ergebnisoffen, kam es meist zu einem erfolg- Es gibt immer Experten, die es besser reichen Abschluss der Beteiligungsmaßnah- wissen: Eine Gruppe moderieren kann ja wohl jeder oder jede. Sieht man sich ein- men. Waren die Initiatoren jedoch skeptisch mal im Ausland um, dann fällt auf, dass oder sogar negativ eingestellt, wirkte sich etwa in den USA hochspezialisierte dies direkt auf die Motivation und Kompro- Dienstleister entstanden sind, die unter missbereitschaft der mitwirkenden Personen dem Thema „Alternative Dispute Resolu- tion“ oder dem Begriff „Facilitation“ pro- 6 US-National Research Council of the National Aca- fessionelle Begleitung und Steuerung par- demies 2008: Public Participation in Environmental tizipativer Prozesse anbieten. Inzwischen Assessment and Decision Making. Washington, D.C.: The National Academies Press. gibt es einen umfangreichen Wissens- stand darüber, wie Beteiligungsverfahren 11
Ortwin Renn SR 102 auf. In zwei Drittel der untersuchten Fälle Prof. Dr. Ortwin Renn ist Lehrstuhlinhaber führte dies zu Abbruch oder einem wenig zu- für Technik- und Umweltsoziologie an der friedenstellenden Ergebnis. Es ist also nicht Universität Stuttgart, Direktor des gemeinnüt- sinnvoll, Beteiligung zu verordnen, sondern zigen Forschungsinstituts Dialogik und Vor- es gilt vielmehr alle Beteiligte davon zu über- sitzender des Nachhaltigkeitsbeirats von Ba- zeugen, dass in einer komplexen und plura- den-Württemberg (NBBW). len Welt diese Form der Entscheidungshilfe die politisch verfasste Ordnung und Kultur beleben und bereichern kann. 12
Skizzen eines Memorandums zur Öffnung von Staat und Verwaltung (Open Government) Jörn von Lucke Die Fachgruppe Verwaltungsinformatik der sonderen Wert zulegen ist. Mit Offenheit wird Gesellschaft für Informatik hat sich über die die ständige Bereitschaft von Staat und Ver- vergangenen Monate hinweg Gedanken zu waltung umschrieben, sich Anderen gegen- einem Memorandum zur Öffnung von Staat über zu öffnen, über bewährte Verfahren auf und Verwaltung gemacht. Ausgehend von ei- Neues einzulassen und Impulse von außen nem Workshop zu Open Government in Ber- aufzunehmen. Moderne Informations- und lin im Oktober 2011 im Rahmen der INFOR- Kommunikationstechnologien können Trans- MATIK 2011 haben die Mitglieder des Lei- parenz sicherstellen, indem durch sie Vor- tungsgremiums unter Koordination von Prof. gänge, Argumente, Entscheidungen und de- von Lucke gemeinsam ein Positionspapier ren Konsequenzen von außen nachvollzieh- erarbeitet, dass im Sommer 2012 von dem bar werden. Die Öffentlichkeit wird so in die Präsidium der Gesellschaft für Informatik be- Lage versetzt, zu jeder Zeit von überall her schlossen werden soll. Zugang zu den relevanten Informationen von Regierung und Verwaltung zu erhalten und Die Vorstellung des Entwurfs und die an- sie zu verstehen. Verantwortungsbewusst- schließende Diskussion im Rahmen der One sein in offenen Strukturen bedeutet, dass von Stop Europe 2012 sollten dazu dienen, Ideen Regierung und Verwaltung ein vertrauensvol- und Impulse aus dem Kreise der Teilnehmer les und verantwortungsbewusstes Handeln und Experten zu gewinnen. Ohne die Inhalte erwartet wird. Web 2.0-Technologien eröff- des Memorandums vorwegnehmen zu wollen nen zudem vollkommen neue Formen der und damit dem Präsidium der Gesellschaft Beteiligung der Bürger an Meinungsbildung für Informatik vorzugreifen, werden in diesem und Entscheidungsfindung. Mit der Bereit- Beitrag lediglich die groben Linien dargestellt, stellung von kollaborativen Werkzeugen wer- die so auch in Stuttgart angesprochen und den verteilte Gruppen in die Lage versetzt, sich aus Sicht der Mitwirkenden in der Veröf- gemeinsam ergebnisoffen Texte und Doku- fentlichung wiederfinden sollten. mente zu erstellen, Software zu programmie- Die zunehmende Öffnung von Staat und Ver- ren, zielorientiert zu handeln, konstruktiv zu waltung (Open Government) über Transpa- kommentieren und Ergebnisse zu bewerten. renz, Bürgerbeteiligung, Zusammenarbeit Mit Kohärenz wird im Rahmen der Öffnung und Innovation wird vor allem durch die Ver- ein stimmiges nachhaltiges Handeln unter wendung sozialer Medien und Web 2.0-Tech- Berücksichtigung verschiedener Zielvorstel- nologien geprägt. Aus Sicht der Autoren be- lungen beschrieben. Mit der Öffnung von sitzt diese Öffnung sieben unterschiedliche Staat und Verwaltung ist mittelfristig ein wirt- Facetten: Offenheit, Transparenz, Verantwor- schaftlicher Nutzen verbunden: Open Innova- tungsbewusstsein, Beteiligung, Zusammen- tion generiert Innovationsimpulse von außen arbeit, Kohärenz und wirtschaftlicher Nutzen und wird zum Treiber für Innovationen und sind jene sieben Schwerpunkte, auf die be- Kreativität. Offene Prozess- und Wertschöp- 13
Jörn von Lucke SR 102 fungsketten erlauben die Einbindung Dritter ein gemeinsames Verständnis der Öffnung in bestehende Verfahren und Abläufe. Im von Staat und Verwaltung zu finden, aus dem Sinne einer Wirtschaftsförderung können of- sich Leitbilder, ambitionierte Ziele und Stra- fene Daten und Informationen der Verwaltung tegien zur Erreichung dieser Vorgaben ablei- zum Fundament neuer Geschäftsmodelle der ten lassen. Hierzu empfiehlt sich ein offener Wirtschaft werden. Erkenntnisprozess, wie er etwa derzeit von der internationalen Open Government Part- Aus Sicht der mitwirkenden Mitglieder der nership (http://www.opengovpartnership.org) Fachgruppe Verwaltungsinformatik muss vorgeschlagen wird. Wertvolle Impulse kom- zugleich festgestellt werden, dass es derzeit men dann nicht mehr nur aus der Verwal- rund um diese Öffnung noch einen ganz aku- tung, der Wissenschaft, der Zivilgesellschaft ten Forschungsbedarf gibt. Neben grundle- und der Netzgemeinde, sondern auch aus genden Fragestellungen zum Verständnis, dem ständigen Austausch mit anderen Akteu- deren theoretischer Fundierung und deren ren weltweit, die vor Ort vor denselben Her- Trends geht es um Handlungsempfehlungen: ausforderungen stehen und diese zeitnah lö- Wie kann das skizzierte Potential möglichst sen müssen. Von einer Einbettung in einen gut erschlossen werden? Welche Aktivitäten solchen offenen und kontinuierlich konstruktiv werden erwartet? Wie sollten die Akteure im angelegten Verbesserungsprozess und damit föderalen Mehrebenensystem zusammenwir- eine pragmatische internationale Zusam- ken, ohne dass das Rad mehrfach neu er- menarbeit könnten Verwaltung, Bürger und funden werden muss? Wo liegen attraktive Wirtschaft gleichermaßen profitieren. Geschäftsmodelle? Diese und viele weitere Fragen sollten nicht nur monodisziplinär be- antwortet werden. Ganz im Sinne der Verwal- Prof. Dr. Jörn von Lucke ist Lehrstuhlinha- tungsinformatik und dem Verständnis der ber an der Zeppelin-University Friedrichsha- Fachgruppe sollten sie gemeinsam interdis- fen und leitet dort das Deutsche Telekom In- ziplinär und mit Hilfe kollaborativer Werkzeu- stitute for Connected Cities (TICC). ge offen bewältigt werden. Hieraus lassen sich unterschiedliche Hand- lungsempfehlungen ableiten, etwa um rasch 14
Open Government in Baden-Württemberg Georg Schäfer Die 2011 gewählte grün-rote Landesregie- Beispiele aus Baden-Württemberg rung von Baden-Württemberg hat die Politik Kein Wunder, dass bei dieser positiven Ein- des Gehörtwerdens, der Bürgerbeteiligung stellung zu Open Government auch bereits und des Open Government als einen viele herausragende Beispiele in Baden- Schwerpunkt ihrer Regierungstätigkeit in den Württemberg existieren. Ein Seminarprojekt Koalitionsvertrag „Der Wechsel beginnt“ auf- am geographischen Institut der Universität genommen. Dies traf auf eine bereits vor- Heidelberg hat einen Internet-Auftritt reali- handene positive Haltung von Bürgerinnen siert, der eine Bürgerbeteiligung beim Projekt und Bürgern zu diesem Thema. Unterneh- Konversionsflächen (d.h. bislang militärisch men, Behörden und Wissenschaft unterstüt- genutzte Fläche) für mehrere Gemeinden zen dies tatkräftig. (etwa Heidelberg und Mannheim) erlaubt. (vgl. http://www.konversion-gestalten.de/). Ein anderes herausragendes Beispiel ist der Citybahnhof in Ulm. Als Hilfe für eine kom- Abb. 1: Eröffnungsbildschirm für die Bürgerbeteiligung zum Citybahnhof (http://www.citybahnhof.ulm.de) 15
Georg Schäfer SR 102 plexe Baumaßnahme, bei der ein mit gestal- Datenschutz und Open Government: ano- tender Bürger abstrakte Baupläne lesen und nyme und repräsentative Beteiligung vergleichen können muss, wurde in Ulm ein Die Datenschutzgrundsätze der Datenspar- sehr ehrgeiziges Projekt umgesetzt. In Ulm samkeit und der Zweckbindung müssen in ist es gelungen, die Thematik übersichtlich zu den Vordergrund gestellt werden, will man präsentieren (vgl. Abb. 1). die Bevölkerung für eine breite Teilnahme am Der Bürger kann sich bei dieser Darstellung Open Government gewinnen. Hier ist noch sofort ein Bild davon machen, was er mit- einiges zu tun. Heute verlangen elektroni- bestimmen kann. Er weiß genau, worum es schen Beteiligungsplattformen persönliche geht, und das in der Stadt bekannte Logo ist Registrierungen, meist über eine E-Mail- unmissverständlich zu erkennen. Weitere Adresse. Die Hoffnung ist, auf diese Weise Beispiele sind etwa die Beteiligung der Stu- eine gewisse repräsentative Beteiligung zu denten beim Aufbau einer verfassten Studen- erhalten. Wie wir alle wissen, gelingt dies tenschaft und die Beteiligung der Bürgerin- nicht, weil ein Nutzer mit mehreren E-Mail- nen und Bürger an der Gesamtkonzeption Adressen und verschiedenen Altersangaben zum Waldnaturschutz. angemeldet werden kann. Alle anderen An- gaben zum Nutzer können ebenfalls beliebig Kommunalplanung und -entwicklung sind sein. Da die personenbezogene Datenspei- eindeutig die Themen, die den Bürger be- cherung somit ihren Zweck nicht erfüllt, kann sonders interessieren.1 Die verantwortlichen man selbst bei freiwilliger Registrierung keine Behörden müssen die Ergebnisse der elekt- Rechtsgrundlage für eine Speicherung fin- ronischen Beteiligung bewerten: Sind es den. Abgesehen davon findet man bei prak- überwiegend Senioren, die sich beteiligen? tisch keiner Registrierung von heutigen Open Haben einseitig orientierte oder extreme Government Lösungen eine ausreichende Gruppen versucht, die Beteiligung zu beein- Datenschutzerklärung.2 flussen? Beispiele von Beteiligungen über Open Go- Wichtig ist zu erkennen, dass personalisierte vernment lassen – vom Ergebnis her ge- Beiträge und komplexe Sachverhaltsdarstel- schlossen – vermuten, dass nur bestimmte lungen zusammen mit vielfältigen persönli- Bevölkerungsgruppen, etwa Senioren oder chen Diskussionsbeiträgen verwaltet werden Studenten, beteiligt waren und dadurch das müssen. Die Zuständigen wollen eine mög- Gesamtergebnis einseitig wurde. Dann liefert lichst repräsentative Beteiligung erreichen das Open Government aber keine verlässli- und dafür auch Anhaltspunkte finden können. che Grundlage für politische Entscheidungen und ist wertlos. Notwendig ist folglich eine anonymisierte und dennoch repräsentative Open Government Lösung. Dies gelingt etwa durch eine Anonymisierungsfunktion bei ei- nem eID-Server. Der im Vortrag erläuterte 1 Empirische Studie MATERNA und Hochschule Harz (FH), MATERNA GmbH Information & Communicati- 2 ons, Hochschule Harz (FH) v. 8. November 2011, E- Diese Aussagen waren wie die angegebenen Inter- Partizipation in der öffentlichen Verwaltung net-Adressen zum Stand 27. April 2012 richtig 16
SR102 Open Government in Baden-Württemberg Vorschlag ist in Abb. 2 skizziert: Bürgerinnen zu bieten wäre es sinnvoll, eine derartige und Bürger melden sich bei einem eID- Anonymisierungs-Infrastruktur in einem Open Server an. Ebenso melden sich alle Open Government Gesetz (oder Informationsfrei- Government Anwendungen an diesem Ser- heitsgesetz) zu regeln. Die Regelung sollte ver an. Der eID-Server vergibt jedem ange- so erfolgen, dass auch zu diesem Vorschlag meldeten und somit auch identifizierten Nut- vergleichbare technisch-organisatorische zer ein eindeutiges Ticket für jede Open Go- Modelle zugelassen sind. vernment Anwendung. Die beim eID-Server Auswirkungen von Open Government auf angemeldeten Bürgerinnen und Bürger sind E-Government frei, ihr Ticket zu nutzen oder verfallen zu lassen. Bei einer mehrfachen Nutzung eines Mit der politischen Diskussion zur Bürgerbe- Tickets kann man entweder nur die letzte teiligung geht eine erfreuliche Bereitschaft „Stimmabgabe“ registrieren, oder auch den von Politik und Verwaltung einher, ihre bishe- Meinungswandel im Laufe der Zeit. Sofern rige Vorgehensweise hinterfragen zu lassen keine Re-Identifizierung zu befürchten ist und sich neuen Überlegungen aus der Bevöl- (oder die Bürgerinnen und Bürger zuge- kerung zu öffnen. Stellt man bei den heutigen stimmt haben), kann das Ticket auch grobe E-Government-Lösungen die Einfachheit und Altersklassen, Einkommensklassen usw. an Bürgerorientierung in den Vordergrund, kön- die jeweilige Open Government Anwendung nen andere Lösungen entstehen, als sie bis- weitergeben. Um optimale Rechtssicherheit her im Rahmen der strikten Umsetzung der Abb. 2: Anonymisierungsfunktion des eID-Servers 17
Georg Schäfer SR 102 Abb. 3: Vorschlag für die Verwendung von Begriffen des Open Government jeweils aktuellen Rechtsvorschriften entstan- im jeweiligen Fachrecht – auch einfache Ge- den sind. Hierbei sind die grundlegenden Ar- nehmigungen und Anzeigen so gestaltet beiten von Birgit Schenk und Gerhard werden, etwa Schwabe zu elektronischen Bürgerdiensten • die Beschäftigung einer Haushaltshilfe: heranzuziehen. Diese beiden Wissenschaft- Wer eine Haushaltshilfe beschäftigt kauft ler haben festgestellt, dass elektronische einen Gutschein für ein bestimmtes Ar- Bürgerdienste entweder sehr einfach oder bei beitszeit-Kontingent. Die Haushaltshilfe entsprechender Komplexität sehr komfortabel kann den Gutschein einlösen und erhält sein müssen.3 Keine Frage, dass die Behör- dadurch eine Gutschrift für spätere Renten- den dann darauf abzielen sollten, die Zahl leistungen usw. Derartige Verfahren waren der einfachen Bürgerdienste zu erhöhen und in Deutschland schon üblich. die unvermeidlich komplexen Bürgerdienste zeitgemäß durch Internet-Dienste zu gestal- • die Anforderung einer Steuernummer, ten. Einfache Bürgerdienste sind heute etwa • die Bestätigung einer einfachen Steuerer- die Bestellung einer Mülltonne oder von klärung: Wenn die Meldesysteme etwa der Briefwahlunterlagen. Es könnten – nach eini- Krankenversicherungen, der Banken usw. gen Rechtsänderungen und Vereinfachungen erweitert und die steuerlichen Pauschal- sätze vereinfacht würden, könnte man wie 3 Birgit Schenk, Gerhard Schwabe, Von Bürgern und in anderen Ländern auch eine einfache Bürgerberatern, Alcatel-Lucent Stiftung, Stiftungsrei- Steuererklärung realisieren. Die Steuer- he 96, 2012 verwaltung sendet nach Eingang aller Mel- 18
SR102 Open Government in Baden-Württemberg dungen eine Mail oder SMS mit einem eine Bürgerbeteiligung. Das haben die ba- Entwurf der Steuererklärung des jeweiligen den-württembergischen Überlegungen ge- Kalenderjahres an den Steuerpflichtigen, zeigt, denn selbst wenn Zwischenergebnisse die dieser dann nur noch bestätigt, falls er in einem personalisierten Dokumentensafe keine Änderungen beantragen will. Die Ra- hinterlegt würden, wären Komplexität und tionalisierungsüberlegungen in Deutsch- Zeitaufwand für eine Beteiligung zu hoch. land gehen in keine grundlegend andere Notwendig ist deshalb, die heutigen informa- Richtung. tionstechnischen Möglichkeiten voll auszu- nutzen. Bürgerinnen und Bürger werden Komplexe online Dienste sind etwa die ener- dann entweder gezielt auf verständlich, fach- getische Sanierung eines Gebäudes, die Un- lich betreute Informationsdienste der zustän- ternehmensgründung und die Arbeitslosig- digen Behörden geleitet. Oder sie können keit. Bei diesen Themen mag es irgendwann durch sich selbst verbindende Open Data Vereinfachungsvorschläge geben, derzeit lie- Sammlungen surfen. In dem Fall profitieren gen sie nicht vor. Eine intensive Beratung sie von Linked Data, die etwa Bevölkerungs-, (auch durch Open Data Angebote) und lö- Einkommens- und Ausbildungsdaten automa- sungsorientierte effiziente Bürgerdienste sind tisch auf Geodaten abbilden und ggf. auch deshalb bei komplexen Verwaltungsprozes- mit Behördendaten (etwa Ausgaben für Stra- sen notwendig. ßeninfrastruktur) vernetzen. Auf einen Blick Die in Abb. 3 beschriebene Begrifflichkeit können dann etwa Bürgerinnen und Bürger würde deutlich machen, dass Open Govern- erkennen, ob in ihrem Heimatort mehr oder ment mit seinen verwaltungsreformerischen weniger in die Infrastruktur investiert wird als Ansprüchen im Vordergrund steht. E- woanders. Government stellt die Umsetzung nach der Diskussion der Optimierung der Verwaltung dar. Dies entspräche auch den heute gängi- LMR Georg Schäfer leitet die IT-Koordi- gen Definitionen im EU E-Government Akti- nation im Innenministerium Baden-Württem- onsplan, im Entwurf des E-Government Ge- berg. setzes des Bundes und in der Digitalen Agenda der EU. Open Data und Linked Data Wer bei Open Government davon ausgehen will, dass auch die Leistungsträger der Ge- sellschaft, nämlich Berufstätige in der Alters- klasse von 25 bis 65 Jahren mit Kindern und Enkeln, eine effiziente Beteiligung erhalten, muss die Informationsbasis erheblich verein- fachen. Open Data im Sinne von „selbst pro- grammieren“, „experimentieren“, „Daten zu- sammensuchen“ ist dann keine Grundlage für 19
Berlin – Open Data 39 Handlungsempfehlungen für die stufenweise Öffnung der Datenbestände Wolfgang Both Die Projektgruppe des ServiceStadt Berlin- nes Projekt entwickelt. Das Vorhaben glieder- Vorhabens „Von der öffentlichen zur offenen te sich in sechs Themenblöcke: Verwaltung“ hat zum Ende des Jahres 2011 - Bedarfs- und Potenzialanalyse planmäßig ihren Abschlussbericht vorgelegt. Durch den Wirtschaftsstaatssekretär Nicolas - Organisationsanalyse Zimmer wurde der Bericht gemeinsam mit - rechtliche Rahmenbedingungen dem Fraunhofer-Institut für offene Kommuni- - Geschäftsmodelle kationssysteme (FOKUS) am 16. Februar 2012 in einer gut besuchten Pressekonferenz - Plattformkonzept, Technik und Standards der Öffentlichkeit vorgestellt. - Handlungsempfehlungen, Leitfaden Der Staatssekretärsausschuss für die Ver- In der Projektphase I wurden die Analysear- waltungsmodernisierung hatte das Projekt im beit sowie die Ausformung des Plattformkon- Februar 2011 in Auftrag gegeben, um Ge- zepts in Angriff genommen. Neben dem Auf- genstand und Potenziale rund um das neue tragnehmer bestand die Projektgruppe unter Schlagwort „Open Data“ erkunden zu lassen. Federführung der Wirtschaftsverwaltung aus Berlin hat sich frühzeitig diesen Herausforde- Mitarbeitern der Innenbehörde, des Amtes für rungen gestellt und mit dem Projekt Vorarbeit Statistik und der Senatskanzlei. für notwendige Entscheidungen geleistet. Im Der erste Berlin Open Data Day (BODDy) im Koalitionsvertrag von 2011 heißt es entspre- Mai 2011 zeigte mit mehr als 130 Besuchern chend: „Das Open Government wird zur För- das große Interesse sowohl in der Verwal- derung von Transparenz, Partizipation und tung als auch in der Öffentlichkeit an diesem Zusammenarbeit ausgebaut. … Die Koalition Thema. Die Veranstaltung wurde gemeinsam wird die Open-Data-Initiative des Landes vom Aktionsbündnis „Open Data Berlin“, ei- fortsetzen und ausbauen. Dazu setzt sie sich nem informellen Zusammenschluss von für eine Prüfung der weitergehenden Offen- Netzaktivisten, Vertretern aus der Verwal- legung von öffentlichen Daten (z.B. Geoin- tung, Forschern sowie Mitarbeitern von Fir- formationsdaten) unter Wahrung des persön- men vorbereitet und gestaltet. Die Projekt- lichen Datenschutzes ein.“ gruppe konnte hier bereits erste Ergebnisse vorstellen. Das Projekt Eine weitere Erkenntnis aus der Veranstal- tung war, dass die technische Entwicklung Berlin betrat mit diesem Vorhaben Neuland. zur Sammlung und Bereitstellung von Daten Keine andere deutsche Stadt hatte bisher ein durch Vorarbeiten des ITDZ Berlin sowie der Konzept zu Open Government oder Open BerlinOnline Stadtportal GmbH weiter voran- Data vorgelegt. Daher wurde 2011 ein eige- geschritten war, als bisher angenommen. Daher wurde mit dem Projektantrag für die 20
SR102 Berlin – Open Data Phase II ein Ausbau über das eigentlich vor- Erste Erfahrungen aus dem Portalbetrieb gesehene Plattformkonzept hinaus in die pi- sind in den Abschlussbericht eingeflossen. Er lothafte Realisierung eines Datenportals ein- liefert auf 180 Seiten detaillierte Betrachtun- gereicht. gen zu den o.g. Themenblöcken und schließt mit einem Stufenplan und 39 Handlungsemp- Mit neuen Partnern und politischem Rücken- fehlungen zum Umsetzung des Open Data- wind ging es über den Sommer an die Ges- Konzepts in Berlin ab. taltung des ersten Datenportals in Deutsch- land. So wurde festgestellt, dass das rechtliche Umfeld durch viele Fachgesetze recht un- übersichtlich und nicht harmonisch gestaltet Datenportal ist. Das Schaufenster nach außen ist das Daten- Einer weiteren Klärung bedürfen die Lizenz- portal (http://daten.berlin.de). Die Datenbe- und Nutzungsbedingungen. Wir haben uns stände sind vorwiegend maschinenlesbar erst einmal an der Creative Commons Licen- gestaltet. Um die Suche zu vereinfachen, ist ce, die auch in Wikipedia für dort eingestellte als ein weiteres Merkmal in den Metadaten Inhalte angewendet wird, orientiert. Diese Li- eine Datenkategorie vorgegeben und hilft zenzform ist im Internet weitgehend bekannt dem menschlichen Besucher der Seite bei und akzeptiert, andererseits nicht speziell für der Navigation durch das Angebot. Daten ausgelegt. Registrierte Datenbearbeiter können selbst- Alle Handlungsempfehlungen in der Studie ständig neue Datensätze einstellen bzw. be- sind nach einem kurz-, mittel- und langfristi- stehende aktualisieren. gen Zeithorizont gegliedert. Des Weiteren Mit diesem Konzept ist es gelungen, bereits sind die Bereiche Politik, Verwaltung, Recht am 14. September 2011 das erste Datenpor- und Technik angesprochen. tal einer deutschen Stadt freizuschalten. Kurzfristig sind einige Punkte auf der politi- Ummittelbar nach der Berlin-Wahl standen schen Ebene zu klären: Wie sollen – gemäß bereits die Wahlergebnisse maschinenlesbar der zitierten Erklärung aus der Koalitionsver- als neuer Datensatz im Portal, bereitgestellt einbarung – Fortsetzung und Ausbau der vom Amt für Statistik Berlin-Brandenburg. Open-Data-Initiative konkret erfolgen? Wird Nur eine Woche später stand die „Wahl-App“ es einen Open-Data-Beauftragten geben? bereit, die Wahlergebnisse und Bevölke- Wie kann der Übergang vom Labor- und den rungsdaten miteinander verknüpfte. Regelbetrieb gestaltet werden? Wo wird er angesiedelt? Mittelfristige Themenstellungen sind u.a. technischer Art: Auf welche Daten- Ergebnisse und Umsetzung formate verständigt man sich? Sind diese aus In der Zwischenzeit sind weitere Anwendun- den vorhandenen Datenbeständen ableitbar? gen, aufbauend auf Berliner Datensätzen, Sind Konverter zu entwickeln? Welche Wei- entstanden und auch über das Datenportal terbildungsmaßnahmen müssen gestaltet verfügbar. Der Datenbestand ist kontinuier- und angeboten werden. Die Klärung offener lich gewachsen, aus Landes- und Bezirks- Rechtsfragen hat sicher Langfristcharakter. verwaltungen kommen stetig neue Beiträge. 21
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