Nachsorge nach koloskopischer Polypektomie und Therapie des kolorektalen Karzinoms
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
SEITE DER FACHGESELLSCHAF TEN 349 Revidierte Konsensus-Empfehlungen Nachsorge nach koloskopischer Polypektomie und Therapie des kolorektalen Karzinoms PD Dr. med. Kaspar Truninger a,b , Prof. Dr. med. Alessandro Lugli c , Prof. Dr. med. Dieter Köberle d ; im Auftrag des Vorstandes der Schweizerischen Gesellschaft für Gastroenterologie (SGG) a Gastroenterologie und Hepatologie, Stadtspital Zürich Triemli, Zürich; b Gastroenterologie Oberaargau AG, Langenthal; c Institut für Pathologie, Universität Bern, Bern; d Tumorzentrum, Claraspital, Basel len serratierten Läsion» (ersetzt «sessiles serratiertes Die Artikel in der Rubrik «Seite der Fachgesellschaften» geben nicht unbedingt die Ansicht der SMF-Redaktion wieder. Die In- Adenom»). Eine adaptierte Klassifikation ist in Ta- halte unterstehen der redaktionellen Verantwortung der unter- belle 1 dargestellt. zeichnenden Fachgesellschaft bzw. Arbeitsgruppe; in vorliegen- Die revidierten Konsensus-Empfehlungen 2021 sind in dem Artikel handelt es sich hierbei um die Schweizerische Tabelle 2 aufgeführt. Sie basieren auf früheren sowie Gesellschaft für Gastroenterologie (SGG). seit 2014 neu gewonnenen Erkenntnissen und wurden teilweise an die 2020 publizierten Guidelines der «Eu- ropean Society of Gastrointestinal Endoscopy» (ESGE), Einleitung der «British Society of Gastroenterology» (BSG) und Die periodisch (letztmals 2014) aktualisierten Schwei- der «US Multi-Society Task Force on Colorectal Cancer» zer Konsensus-Empfehlungen haben sich seit über (US-MSTF) angeglichen [3–5]. Die hohe Qualität der Ba- 20 Jahren als Grundlage für die Planung der Nachsorge siskoloskopie bildet die grundlegende Voraussetzung, von Standardsituationen im klinischen Alltag bewährt um die revidierten Empfehlungen anwenden zu kön- [1]. Wiederum unter der Ägide der Schweizerischen Ge- nen. Folgende Qualitätsparameter müssen erfüllt sein: sellschaft für Gastroenterologie (SGG) und im bewähr- (i) komplette Koloskopie bis zum Zökum; (ii) optimale ten Rahmen eines interdisziplinären, mehrstufigen Darmreinigung; (iii) adäquate Adenomdetektionsrate; Prozesses erfolgte 2021 die fünfte Revision der Konsen- (iv) vollständige Polypenabtragung/-bergung; und sus-Empfehlungen. Deren Anwendbarkeit soll im Ein- (v) geschätzte Lebenserwartung >10 Jahre. Aktuali- zelfall überprüft und der individuellen Situation der sierte Wegleitungen, welche die Durchführung und Patientinnen und Patienten unter Berücksichtigung Qualitätsparameter der Screening-Koloskopie und Po- der lokalen Expertise angepasst werden. Die bei der Re- lypektomie beschreiben, sind auf der SGG-Homepage vision involvierten Fachgesellschaften und deren Ver- aufgeschaltet. Nicht angewendet werden können diese treter sind im Appendix am Schluss des Artikels aufge- revidierten Empfehlungen bei Verdacht auf oder bestä- führt. Ihnen sei an dieser Stelle nochmals ausdrücklich tigtem hereditärem Syndrom (familiäre adenomatöse für die konstruktive Zusammenarbeit gedankt. Die re- Polyposis [FAP], hereditäres, nicht-polypöses Kolon- vidierten Empfehlungen wurden am 19. Januar 2022 karzinom [HNPCC] etc.) und bei positiver Familien vom Vorstand der SGG genehmigt und sind nun auf de- anamnese für das kolorektale Karzinom (CRC). ren Homepage aufgeschaltet. Ein Teil der Patientinnen und Patienten mit bei der Ba- siskoloskopie entdeckten kolorektalen Polypen haben ein erhöhtes Risiko für die metachrone Entwicklung Nachsorge nach koloskopischer fortgeschrittener Polypen oder eines CRC. Das primäre Polypektomie Ziel der koloskopischen Überwachung ist, das Risiko für das spätere Auftreten eines CRC mit einer mög- Allgemeines lichst geringen Anzahl von Nachsorge-Koloskopien zu Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat 2019 in senken. Die Stratifizierung für das CRC-Risiko basiert der fünften Auflage die Klassifikation der Tumoren des auf den Befunden der Basiskoloskopie, nämlich Sub- unteren Gastrointestinaltraktes publiziert [2]. Die typ, Grösse und Anzahl der Polypen sowie deren Loka- wichtigste Neuerung beinhaltet den Begriff der «sessi- lisation und histologischen Eigenschaften. SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2022;22(21–22):349–355 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
Seite der Fachgesellschaften 350 beziehungsweise Low-Risk-Adenomen mit Kontrolle Tabelle 1: Klassifikation kolorektaler Polypen. nach 3 respektive 10 Jahren (Tab. 2). Adenomatöse Polypen Tubuläres Adenom mit Low-Grade-Dysplasie / Das Koloskopie-Intervall von 5 Jahren für 1–2 kleine High-Grade-Dysplasie tubuläre Adenome, die bei der Basiskoloskopie ent- Tubulo-villöses Adenom mit Low-Grade- Dysplasie / High-Grade-Dysplasie fernt wurden, fällt weg. Diese Empfehlung beruht auf Villöses Adenom mit Low-Grade-D ysplasie / mehreren grossen Studien, in denen sich zeigte, dass High-Grade-Dysplasie Patientinnen und Patienten mit wenigen Low-Risk- Serratierte Polypen und Läsionen Hyperplastischer Polyp Adenomen nach 10 Jahren ein vergleichbares bezie- (mikrovesikulärer Typ, Becherzell-Typ) hungsweise gar kleineres Risiko hatten, ein CRC zu Sessil serratierte Läsion – ohne Dysplasie entwickeln oder daran zu sterben, im Vergleich zu Per- – mit Dysplasie sonen ohne Adenome respektive gegenüber der Allge- Traditionell serratiertes Adenom meinbevölkerung [6–13]. Low-Risk-Adenome werden – Low-Grade-Dysplasie – High-Grade-Dysplasie durch die Grösse (
Seite der Fachgesellschaften 351 CRC-Risiko für Patientinnen und Patienten mit High- chung respektive Wiederaufnahme ins Screening-Pro- Risk-Läsionen (Grösse ≥10 mm, ≥5 Polypen, Nachweis gramm wird dementsprechend für Low-Risk-SP nach von High-Grade-Dysplasie), was die Indikation zur 10 Jahren empfohlen (Tab. 2). Demgegenüber gibt es SP, Durchführung einer Nachsorge-Koloskopie nach die ein mit High-Risk-Adenomen vergleichbares CRC-Ri- 3 Jahren rechtfertigt [6–13]. siko haben [6, 14, 15]. High-Risk-SP sind durch die Grösse Eine weitere Neuerung der revidierten Empfehlungen ist, (≥10 mm) und den Nachweis von Dysplasie charakteri- dass diese erstmals das Darmkrebs-Screening berücksichti- siert. Analog zu High-Risk-Adenomen empfiehlt sich für gen, das heisst, dass nach Polypektomie die Kontrolle nicht solche SP eine Nachsorge-Koloskopie nach 3 Jahren. Un- nur koloskopisch, sondern auch mit einem immunoche- abhängig von Grösse, Anzahl und Grad der Dysplasie mischen Stuhltest («fecal immunochemical test» [FIT]) er- wird nach Entfernung von TSA die koloskopische Über- folgen kann. Bei Vorliegen einer Low-Risk-Situation kann wachung nach 3 Jahren empfohlen. Diese revidierten nach 10 Jahren entweder erneut eine Koloskopie durchge- Empfehlungen können nicht angewendet werden bei führt oder das kantonale Screening-Programm mittels FIT Verdacht auf oder bestätigtem serratiertem Polypose- wiederaufgenommen werden. Syndrom (SPS). Als diagnostische Kriterien (WHO 2019) Unverändert bleibt die Empfehlung, nach Piecemeal-Re- des SPS gelten derzeit viele (≥20 jeglicher Grösse, davon sektion (meist ab einer Polypengrösse >2 cm) oder bei ≥5 proximal des Rektums) oder mehrere grössere SP Unsicherheit hinsichtlich Vollständigkeit der Polypen- (mindestens 5 SP ≥5 mm proximal des Rektums, davon entfernung eine endoskopische Kontrolle der Resek mindestens zwei ≥10 mm). tionsstelle nach 3–6 Monaten vorzunehmen und, falls sich dabei kein Rezidiv zeigt, eine weitere nach 3 Jahren Maligner Polyp mit pT1-Karzinom anzuschliessen. Bei den pT1-Karzinomen kommt als neu gefordertes Kri- terium für eine kurative endoskopische Resektion das Serratierte Polypen Tumor-Budding hinzu (Tab. 3). Dieses ist definiert als Der Oberbegriff «serratierter Polyp» (SP) umfasst hyper- Nachweis einzelner Tumorzellen oder Tumorzellgrup- plastische Polypen (HP), sessil serratierte Läsionen (SSL) pen (bis zu vier Tumorzellen) an der Tumorinvasions- und traditionell serratierte Adenome (TSA), deren mali- front. Mehrere in den letzten Jahren publizierte Studien gnes Potenzial und deren Assoziation mit der Entwick- konnten nachweisen, dass Tumor-Budding ein prognos- lung metachroner High-Risk-Adenome unterschiedlich tisch unabhängiger morphologischer Biomarker und ist. Anhand der derzeit verfügbaren Datenlage, die von mit einer Tumorprogression assoziiert ist [16]. Die übri- mässiger Qualität ist, haben kleine SP (
Seite der Fachgesellschaften 352 Neuerungen. Bei den neuen Studien handelt es sich tumkarzinom aufzunehmen. Für die Überarbeitung um Kohortenstudien mit grossen Fallzahlen. Wir sind 2021 wurden seit 2014 publizierte Originalarbeiten, Me- uns bewusst, dass deren Qualität höchstens moderat taanalysen, Reviews sowie aktuelle Empfehlungen von ist, dennoch ist die daraus gewonnene Evidenz als nationalen und internationalen Nachsorgeprogram- Grundlage für die neuen Empfehlungen gerechtfertigt. men in den Bewertungsprozess einbezogen. Wegwei- Zudem handelt es sich hier um Empfehlungen, deren sende Überlegung war, das gesamte Spektrum der Tu- Anwendbarkeit durch verschiedene Faktoren (Patien- mornachsorge in der allgemeinen Praxis abzudecken, tenschaft, Untersuchende etc.) beeinflusst wird. Neue aber auch die Methodik und die Frequenz der Untersu- Entwicklungen und Erkenntnisse werden weitere An- chungen im Sinne einer Aufwand- respektive Risiko- passungen notwendig machen. Die Daten der «Euro- Nutzen-Abwägung kritisch zu hinterfragen. Kontro- pean Polyp Surveillance (EPoS) Trials» , bei denen pro verse Ansichten wurden aufgenommen und diskutiert. spektiv randomisiert verschiedene Zeitintervalle der Umstrittene Punkte traten nicht auf. Nachsorge-Koloskopie evaluiert werden, können erst gegen Ende dieser Dekade erwartet werden [17]. Auf die Qualität der Basiskoloskopie wurde hingewiesen. Eine Rahmenbedingungen für die Tumornachsorge ungenügende Qualität derselben kann durch die über- Eine Tumornachsorge durchzuführen, basiert in der mässige Anwendung von Nachsorge-Koloskopien Regel auf einer interdisziplinär formulierten Empfeh- nicht kompensiert werden. In den revidierten Konsen- lung durch ein Tumorboard. Grundsätzlich qualifizie- sus-Empfehlungen wurde das Zeitintervall bis zur Kon- ren dafür Patientinnen und Patienten, bei denen auf- trolle (Koloskopie oder FIT) teilweise verlängert. Dem- grund von Alter, Allgemeinzustand und prognostisch entsprechend wichtig ist, dass die Kontrollen auch relevanten Begleiterkrankungen eine Rezidiv- respek- durchgeführt werden. Eine 2019 publizierte systemati- tive Metastasentherapie infrage kommt. Die Empfeh- sche Review zeigte jedoch, dass die Nachsorge-Kolo lung und das entsprechende Schema der Tumornach- skopie nur in etwa 50% zum empfohlenen Zeitpunkt sorge sollen mit jeder Patientin und jedem Patienten erfolgte (in 43% erfolgte die Untersuchung zu spät, in detailliert besprochen werden. Diese sollen verstehen, 8% zu früh) [18]. Die Wichtigkeit der Kontrolle wird dass es sich um ein standardisiertes Vorgehen handelt, durch Schweizer Daten unterstützt. In der in Uri durch- das bedarfsweise adaptiert wird, sollte dies aus ärztli- geführten Langzeitstudie zum Nutzen der Koloskopie cher Sicht notwendig sein. Adaptionen im Sinne von zur Verhütung und Früherfassung des CRC zeigte sich, Abweichungen oder Ergänzungen können beispiels- dass bei Personen mit wenigen nicht fortgeschrittenen weise bei unklaren Befunden auftreten, die eine eng- Adenomen spät ein CRC auftreten kann, wenn nach maschige oder vertiefte Diagnostik rechtfertigen. Bei 10 Jahren keine Kontrolle erfolgte [19]. Zustimmung empfiehlt sich, mit den Patientinnen und Wir hoffen, dass die hier publizierten Konsensus-Emp- Patienten abzustimmen, wer die interdisziplinäre Tu- fehlungen im klinischen Alltag wiederum eine Un- mornachsorge koordiniert und mit ihnen die Ergeb- terstützung für die Planung der Nachsorge nach ko- nisse bespricht. Sie sollen ferner informiert werden, loskopischer Polypektomie darstellen und so breite dass Daten aus der Tumornachsorge an das kantonale Akzeptanz finden. Krebsregister übermittelt werden. Das Krebsregistrierungsgesetz (KRG) der Schweiz ver- langt seit dem 1.1.2020 eine systematische und ver- bindliche Datenweitergabe aller an Krebs erkrankter Nachsorge nach kurativ behandeltem Patientinnen und Patienten an die kantonalen Krebs- kolorektalem Karzinom register. Bei Darmkrebs werden auch Angaben zu Tu- mornachsorgeuntersuchungen gefordert. In von der Allgemeines Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) zertifizierten Methodik und Limitationen Darmkrebszentren sind Sollvorgaben (80%) für die Er- Seit 2014 wurden mehrere randomisierte Studien zum fassung der Nachsorgedaten formuliert. Thema Tumornachsorge publiziert, die Einfluss auf den Situationen mit erhöhtem Karzinomrisiko wie heredi- Entscheid nahmen, die Nachsorgeempfehlungen zu täre Syndrome (beispielsweise HNPCC, FAP, attenuierte überarbeiten. Neben einer Revision der Nachsorge FAP, MUTHY-assoziierte Polypen, Peutz-Jeghers etc.) nach reseziertem CRC wurde beschlossen, ergänzende oder anderweitige Risikoerhöhungen für ein CRC (z.B. Empfehlungen für die Nachsorge nach kompletter Me- chronisch-entzündliche Darmerkrankung) werden tastasenentfernung sowie für das nach Radio-/Chemo- durch die aufgeführten Kontrollschemata nicht abge- therapie in Remission befindliche, nicht resezierte Rek- deckt und erfordern besondere Massnahmen. SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2022;22(21–22):349–355 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
Seite der Fachgesellschaften 353 Kommentare zu den einzelnen Nachsorge Histologie, vaskuläre Invasion, Budding >1) soll eine er- schemata (Tabellen 4 und 5) gänzende Bildgebung gemäss der Gruppe mit tieferem Metastasierungspotenzial (siehe unten und Tab. 4, Ab- Kolonkarzinom schnitt B) grosszügig indiziert werden. Nach kurativ operiertem Kolonkarzinom (Tab. 4, Ab- Die lokal fortgeschrittenen (T3–4) und/oder lympho- schnitt A) wird bei frühen Tumorstadien (T1–2, N0), un- gen metastasierten (N1–2) Tumoren wurden in zwei verändert zur Vorversion, eine einfache Nachsorge Gruppen aufgeteilt: eine Gruppe mit tieferem Metas- ohne bildgebende Kontrollen empfohlen. Bei Vorlie- tasierungspotenzial (T3N0 oder T1–3N1; Tab. 4, Ab- gen eines Risikofaktors für ein Tumorrezidiv (z.B. G3- schnitt B) sowie eine mit hohem Metastasierungspo- Tabelle 4: Konsensus-Empfehlungen zur Nachsorge nach kurativer Therapie des Kolorektalkarzinoms. A) Kolonkarzinom T1–2N0M0 Monate nach Operation 3 6 12 18 24 36 48 60 Anamnese, klinische Untersuchung, CEA-Titer1 X X X Endoskopie: Koloskopie X X2 Bei Vorliegen eines Risikofaktors für ein Tumorrezidiv (z.B. G3-Histologie, vaskuläre Invasion, Budding >1) soll eine ergänzende Bildung gemäss (B) grosszügig indiziert werden. B) Kolonkarzinom T3N0M0 oder T1–3N1M0 Monate nach Operation 3 6 12 18 24 36 48 60 Anamnese, klinische Untersuchung, CEA-Titer1 X X X X X X X Endoskopie: Koloskopie X X2 Bildgebung: CT Thorax-Abdomen-Becken X X C) Kolonkarzinom T4NXM0 oder TXN2M0 Monate nach Operation 3 6 12 18 24 36 48 60 Anamnese, klinische Untersuchung, CEA-Titer1 X X X X X X X Endoskopie: Koloskopie X X2 Bildgebung: CT Thorax-Abdomen-Becken X3 X X X X X Rektumkarzinom T1–4N0–2M0 Monate nach Operation (nach Operation mit totaler/partieller mesorektaler Resektion)* 3 6 12 18 24 36 48 60 Anamnese, klinische Untersuchung, CEA-Titer1 X X X X X X X X Endoskopie: flexible Rektosigmoidoskopie X X X Koloskopie X X2 Bildgebung: CT Thorax-Abdomen-Becken X X X X X MRT-Becken u/o EUS 4 X X * Gilt nicht für Polyp mit low-risk pT1-Karzinom. Rektumkarzinom mit (nahezu) kompletter Remission Monate nach Operation nach (Radio)Chemotherapie (ohne geplante Operation)5 3 6 9 12 15 18 21 24 27 30 33 36 42 48 60 Anamnese, klinische Untersuchung6, CEA-Titer1 X X X X X X X X X X X X X X X Endoskopie: Flexible Rektosigmoidoskopie 5 X X X X X X X X X X X X X Koloskopie X X2 Bildgebung: CT Thorax-Abdomen-Becken X X X X X X MRT-Becken u/o untere EUS5 X X X X X X X X X X X4 X4 X4 1 Präoperative Bestimmung des CEA-Titers als Routine dringend empfohlen. Im Falle eines Titeranstiegs im postoperativen Verlauf grosszügiger Einsatz bildgebender Untersuchungen. 2 Anschliessend Koloskopie alle 5 Jahre, wenn keine Polypen respektive bei Nachweis von Polypen Nachsorge entsprechend Tabelle 2. 3 Bei pT4 oder unklarem peritonealem CT-Befund diagnostische Laparoskopie evaluieren. 4 Bei hoher lokaler Expertise untere Endosonographie als Alternative zu MRT Becken, vor allem bei Karzinomen im unteren Rektum 5 Untersuchung in spezialisierten Zentren mit Erfahrung in dieser Therapieoption. 6 Umfasst eine gründliche digitale-rektale Untersuchung bevorzugt durch den gleichen Untersucher. CEA: carcinoembryonales Antigen; CT: Computertomographie; EUS: Endosonographie; MRT: Magnetresonanztomographie. SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2022;22(21–22):349–355 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
Seite der Fachgesellschaften 354 Tabelle 5: Konsensus-Empfehlungen zur Nachsorge nach kompletter Metastasen-Entfernung. Massnahmen Monate nach Therapieabschluss 4 8 12 16 20 24 30 36 42 48 60 Anamnese, klinische Untersuchung, CEA-Titer1 X X X X X X X X X X X Endoskopie: Koloskopie X X2 Bildgebung: CT Thorax-Abdomen-Becken X3 X3 X X3 X3 X X3 X X3 X X 1 räoperative Bestimmung des CEA-Titers als Routine dringend empfohlen. Im Falle eines Titeranstiegs im postoperativen Verlauf grosszügiger P Einsatz bildgebender Untersuchungen. 2 Anschliessend Koloskopie alle 5 Jahre, wenn keine Polypen respektive bei Nachweis von Polypen Nachsorge entsprechend Tabelle 2. 3 O der Magnetresonanztomographie Abdomen und Thorax-Röntgen, alternativ Low-Dose-Computertomographie (CT) Thorax bei Status nach Ent- fernung von Lebermetastasen. tenzial (T4NX oder TXN2; Tab. 4, Abschnitt C). Diese für das Therapieverfahren TNT sollte dieses komplexe Unterscheidung wird seit 2017 im Therapiealgorith- Kontrollschema (ausserhalb einer klinischen Studie) mus der adjuvanten Chemotherapie verwendet [20]. berücksichtigt und konsequent angewendet werden, Verschiedene randomisierte Studien [21–25], Reviews bis sich neue Erkenntnisse ergeben, die eine Vereinfa- [26–27] wie auch eine Cochrane-Metaanalyse [28] ha- chung rechtfertigen. ben gezeigt, dass eine weniger intensive bildgebende Für die Gruppe der operativ Behandelten hat sich die Tumornachsorge beim kolorektalen Karzinom ohne Nachsorge nach Tumorstadium hinsichtlich klini- signifikanten negativen Einfluss auf die Sterblichkeit schen Vorgehens und Frequenz der CT-Untersuchun- ist. Andererseits werden mit häufigeren bildgeben- gen, analog zu anderen nationalen Empfehlungen, den Untersuchungen mehr Tumorrezidive entdeckt nicht geändert. Hingegen wurde bei dieser Nachsorge und behandelt. Anhand dieser Erkenntnisse ent- die Zahl der Magnetresonanztomographie-(MRT-)Un- stand der Konsens, die Zahl der Computertomogra- tersuchungen von 4 auf 2 (neu nach 6 und 18 Monaten) phie-(CT-)Untersuchungen in der Gruppe mit tiefe- reduziert. rem Metastasierungspotenzial von 5 auf 2 (nach 1 und 3 Jahren) zu reduzieren. Hingegen werden wei- Kurative Metastasen-Therapie terhin intensive bildgebende CT-Untersuchungen Tabelle 5 beschreibt Empfehlungen für die Nachsorge (jährlich während 5 Jahren) bei der Gruppe mit ho- nach kompletter Metastasen-Entfernung in kurativer hem Metastasierungspotenzial empfohlen. Dieses Intension. Diese Nachsorgeempfehlung wurde eben- differenzierte Vorgehen führt in Summe zu einer falls neu aufgenommen und strebt ein einheitliches deutlichen Reduktion der CT-Untersuchungen in den Vorgehen in den meisten onkologischen Situationen neuen Nachsorgeempfehlungen. dieser Art an. Ein analoges Vorgehen nach kompletter Metastasen-Therapie nicht-chirurgischer Art ist vor- Rektumkarzinom stellbar. Das Evidenzniveau für diese Situation ist, ver- Beim Rektumkarzinom (Tab. 4, unterer Teil) werden gleichsweise zu der Nachsorge früher Tumorstadien, zwei Situationen unterschieden: Die Nachsorge bei gering [27, 33]. kurativ operiertem Rektumkarzinom (T1–4N0–2) und die Nachsorge bei Tumoren in (nahezu) kompletter Schlussfolgerungen Remission nach (Radio-)Chemotherapie und ohne ge- Die Nachsorgeempfehlungen für das CRC wurden plante Resektion. Letztere basiert auf einem neuen substanziell verändert und erweitert. Sie bemühen Therapieverfahren, das zum Ziel hat, bei einem Teil sich, eine Überdiagnostik, unter Massgabe der aktuel- der Patientinnen und Patienten einen Organerhalt zu len Literatur und Evidenz, zu vermeiden und bieten ermöglichen. Mit der Aufnahme dieses noch jungen ein standardisiertes Vorgehen in allen onkologischen Nachsorgekonzepts möchten wir nicht die Modalität Situationen nach kurativ intendierter Behandlung einer totalen neoadjuvanten Therapie (TNT) mit Op- von kolorektalen Tumoren an. Wie in der letzten Kon- tion des Organerhalts bei (nahezu) komplettem An- sensus-Empfehlung ausgeführt [1], sind uns die sprechen [29–31] bewerten, die aufgrund der noch li- Schwächen dieses Vorgehens bewusst. Empfehlungen mitierten Daten- und Erfahrungslage spezialisierten wie diese basieren primär auf Resultaten von Studien Zentren vorbehalten sein sollte. Hingegen möchten mit unterschiedlichem Design und auf deren Ein- wir eine Empfehlung zur Tumornachsorge nach TNT schätzungen durch verschiedene Fachgesellschaften. [32] einführen, die von internationalen Expertinnen Sie stützen sich aber auch, insbesondere in Situatio- und Experten erstellt wurde und daher als aktuelles nen mit geringer Evidenzlage, auf Expertenmeinun- Vorgehen dienen kann. Beim Entscheidungsprozess gen. Divergenzen sind daher möglich, was sich in der SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2022;22(21–22):349–355 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
Seite der Fachgesellschaften 355 Vielzahl unterschiedlicher internationaler Leitlinien 11 Dubé C, et al. Risk of Advanced Adenoma, Colorectal Cancer, and Colorectal Cancer Mortality in People With Low-Risk Adenomas at widerspiegelt, insbesondere im Kontext einer sich dy- Baseline Colonoscopy: A Systematic Review and Meta-Analysis. namisch verändernden Evidenzlage. Zudem soll bei Am J Gastroenterol. 2017;112:1790–801. 12 Cross AJ, et al. Colorectal cancer risk following polypectomy in a älteren und gebrechlichen Patientinnen und Patien- multicentre, retrospective, cohort study: an evaluation of the 2020 ten die Nachsorge angepasst und individuell abge- UK post-polypectomy surveillance guidelines. Gut. 2021;0:1–14. 13 Duvvuri A, et al. Detection of Low-Risk or High-Risk Adenomas, sprochen werden. Compared With No Adenoma, at Index Colonoscopy: A Systematic Wir hoffen, dass diese neuen Konsensus-Empfehlun- Review and Meta-analysis. Gastroenterology. 2021;160:1986–96. 14 Holme O, et al. Long-term risk of colorectal cancer in individuals gen zur Nachsorge nach Therapie des CRC trotz ihrer with serrated polyps. Gut. 2015;64:929–36. Limitierungen weiterhin auf breite Akzeptanz stossen 15 Erichsen R, et al. Increased risk of colorectal cancer development among patients with serrated polyps. Gastroenterology. und ein national einheitliches Vorgehen ermöglichen. 2016;150:895–902. 16 Lugli A, et. al. Tumor budding in solid cancers. Nat Rev Clin Oncol. 2020;18:101–15. Appendix: Fachgesellschaften/Teilnehmer der Arbeitsgruppe 17 Jover R, et al. Rationale and design of the European Polyp Revision Konsensus-Empfehlungen Surveillance (EPoS) trials. Endoscopy. 2016;48:571–8. –S chweizerische Arbeitsgemeinschaft für klinische Krebsfor- 18 Djinbachian R, et al. Adherence to post-polypectomy surveillance schung (SAKK) / Andreas Wicki guidelines: a systematic review and meta-analysis. Endoscopy. 2019;51:673–83. –S chweizerische Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin 19 Zgraggen A, et al. Colorectal cancer surveillance by colonoscopy in (SGAIM) / Christoph Knoblauch a prospective, population-based long-term Swiss screening –S chweizerische Gesellschaft für Gastroenterologie (SGG) / study – outcomes, adherence, and costs. Z. Gastroenterol. 2022;1–18, in press. Gian Dorta, Jan Borovicka, Christoph Gubler, Simon Bütikofer, 20 Grothey A, et al. Duration of adjuvant chemotherapy for stage III Bruno Balsiger, Kaspar Truninger colon cancer. N Engl J Med. 2018;378:1177–88. –S chweizerische Gesellschaft für Medizinische Onkologie 21 Wille-Jorgensen P, et al. Effect of more or less frequent follow-up (SGMO) / Thibaud Koessler, Dieter Köberle testing on overall and colorectal-specific mortality in patients with stage II or III colorectal cancer. The COLOFOL randomized –S chweizerische Gesellschaft für Pathologie (SGPath) / clinical trial. JAMA. 2018:319:2095–103. Gieri Cathomas, Alessandro Lugli 22 Verberne CJ, et al. Intensifiied follow-up in colorectal cancer using –S chweizerische Gesellschaft für Radiologie (SGR) / frequent carcino-embryonic (CEA) measurements and CEA-trigge- red imaging: results of the randomized “CEAwatch” trial. Eur J Surg Christoforos Stoupis Oncol. 2015;41:1188–96. –S chweizerische Gesellschaft für Radioonkologie (SRO) / 23 Snyder RA, et al. Association between intensity and postreatment Frank Zimmermann surveillance testing and detection of recurrence in patients with colorectal cancer. JAMA. 2018;319:2104–15. –S chweizerische Gesellschaft für Viszeralchirurgie (SGVC) / 24 Primrose JN, et al. Effects of 3 to 5 years of scheduled CEA and CT Frédéric Ris follow-up to detect recurrence of colorectal cancer. The FACS randomized clinical trial. JAMA. 2014;311:263–270. Disclosure Statement 25 Lepage C, et al. Effect of 5 years of imaging and CEA follow-up to Die Autoren haben deklariert, keine potentiellen Interessenskonflikte detect recurrence of colorectal cancer: PRODIGE 13 a FFCD phase III zu haben. trial. ESMO Virtual Congress 2020; Abstract 390O. Presented September 19,2020. 26 Bastiaenen VP, et al. Consensus and controversies regarding Literatur follow-up after treatment with curative intend of non-metastatic 1 Dorta G, et al. Revidierte Konsensus-Empfehlungen. Nachsorge colorectal cancer: a synpopsis of guidelines used in countries nach koloskopischer Polypektomie und entferntem Kolorektal- represented in the European Scociety of Coloproctology. karzinom. Swiss Med Forum. 2016;16:164–7. Colorectal Dis. 2019;21:392–416. 2 Nagtegaal ID, et al. The 2019 WHO classification of tumours of the 27 Van der Stok EP, et al. Surveillance after curative treatment for digestive system. Histopathology. 2020;76:182–8. colorectal cancer. Nat Rev Clin Oncol. 2017;14:297–315. 3 Hassan E, et al. Post-polypectomy colonoscopy surveillance: 28 Jeffery M, et al. Follow-up stategies for patients treated for European Society of Gastrointestinal Endoscopy (ESGE) non-metastastic colorectal cancer (review). Cochrane Database Guideline – Update 2020. Endoscopy. 2020;52:1–14. Syst Rev. 216; 11:CD002200. 4 Rutter MD, et al. British Society of Gastroenterology/Association 29 Badadoer RR, et al. A short-course radiotherapy followed by of Coloproctology of Great Britain and Ireland/Public Health chemotherapy before total mesorectal excision (TME) versus England post-polypectomy and post-colorectal cancer resec- preoperative chemoradiotherapy, TME and optional adjuvant tion surveillance guidelines. Gut. 2020;69:201–23. chemotherapy in locally advanced rectal cancer (RAPIDO): 5 Gupta S, et al. Recommendations for Follow-Up after Colonoscopy a randomised, open-label, phase 3 trial. Lancet Oncol. and Polypectomy: A Consensus Update by the US Multi-Society 2021;22:29–42. Task Force on Colorectal Cancer. Gastroenterology. 2020;158:1131–53. 30 Fernandez LM, et al. Conditional recurrence-free survival of 6 He X, et al. Long-Term Risk of Colorectal Cancer After Removal of clinical complete responders managed by watch and wait after neoadjuvant chemoradiotherapy for rectal cancer in the Interna Conventional Adenomas and Serraed Polyps. Gastroenterology. tional Watch & Wait Database: a retrospective, international, Korrespondenz: 2020;158:852–61. multicentre registry study. Lancet Oncol. 2021;22:43–50. PD Dr. med. Kaspar Truninger 7 Lee JK, et al. Long-Term Risk of Colorectal Cancer and Related 31 Thompson H, et al. Survival and organ preservation according to k.truninger[at]hin.ch Death After Adenoma Removal in a Large, Community-based clinical response after total neoadjuvant therapy in locall Population. Gastroenterology. 2020;158:884–94. advanced rectal cancer patients: A secundary analysis from the Prof. Dr. med. 8 Lieberman D et al. Baseline Colonoscopy Findings Associated With organ preservation in rectal adenocarcinoms (OPRA) trial. ASCO Alessandro Lugli 10-Year Outcomes in a Screening Cohort Undergoing Colonoscopy Annual Meeting. 2021;39:Abstract 3509. alessandro.lugli[at]patho- Surveillance. Gastroenterology. 2020;158:862–74. 32 Fokas E, et al. International consensus recommendations on key logy.unibe.ch 9 Wieszczy P, et al. Colorectal Cancer Incidence and Mortality After outcome measures for organ preservation after (chemo)radiotherapy Removal of Adenomas During Screening Colonoscopies. in patients with rectal cancer. Nat Rev Clin Oncol. 2021;18(:805–16. Prof. Dr. med. Dieter Köberle Gastroenterology. 2020;158:875–83. 33 Kawaguchi Y, et al. A new surveillance algorithm after resection of Dieter.Koeberle[at] 10 Click B, et al. Association of Colonoscopy Adenoma Findings With colorectal liver metastases based on changes in recurrence risk claraspital.ch Long-term Colorectal Cancer Incidence. JAMA. 2018;319:2021–31. and RAS mutational status. J Natl Compr Netw. 2020;18:1500–8. SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2022;22(21–22):349–355 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
Sie können auch lesen