NATURSCHÄTZE IN HAMBURG - Gesetzlich geschützte Biotope 2020

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NATURSCHÄTZE IN HAMBURG - Gesetzlich geschützte Biotope 2020
NATURSCHÄTZE
IN HAMBURG
 Gesetz lic h g e sc h üt z te Bi oto p e
NATURSCHÄTZE IN HAMBURG - Gesetzlich geschützte Biotope 2020
NATURSCHÄTZE IN HAMBURG - Gesetzlich geschützte Biotope 2020
Inhalt
                                                                                                                                                                     Selten und unersetzlich

Biotopschutz .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 2                    Nasswiesen .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 32
Gesetzgebung zum Biotopschutz  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 4                                                                                         Schmetterlinge über bunten Blüten

Hamburg als Lebensraum  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 6                                                               Quellbereiche .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 34
Die geschützten Biotope                                                                                                                                              Wo das Grundwasser sprudelt

Dünen  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 10    Offene Binnendünen  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 36
Vom Winde verweht                                                                                                                                                    Die Wüste lebt

Salzwiese und Küstenwatt .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 12                                                                      Zwergstrauchheiden und Borstgrasrasen  .  . 38
Überlebensstrategien an der Küste                                                                                                                                    Wo die Eidechse sich sonnt

Süßwasserwatt .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 14                                 Trocken- und Halbtrockenrasen .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 40
Bestimmt vom Wechsel der Gezeiten                                                                                                                                    Ein Paradies für Falter und Heuschrecke

Tide-Röhricht und Tide-Auwald .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 16                                                                                      Trockenwarme Wälder .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 42
Wildnis mit Flut und Ebbe                                                                                                                                            Ein Wald mit Sonnenschein

Bach- und Flussabschnitte .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 18                                                                     Bruch- und Sumpfwälder .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 44
Immer in Bewegung                                                                                                                                                    Wo das sumpfige Dickicht blüht

Stehende Kleingewässer .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 20                                                               Auwälder .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 46
Bitte nicht trockenlegen!                                                                                                                                            Auf Hochwasser angewiesen

Verlandungsbereich ­stehender Gewässer  .  .  . 22                                                                                                                   Knicks, Feldgehölze und Feldhecken .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 48
Der See wächst zu                                                                                                                                                    Ein dorniges Versteck

Bracks .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 24    Arten- und Biotopschutz im
Zeugen von Deichbrüchen                                                                                                                                              Landschaftsprogramm  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 50
Moore  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 26    Biotopverbund  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 52
Auf Wasser gebaut                                                                                                                                                    Biotopschutz in der Praxis .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 54
Sümpfe und Röhrichte .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 28                                                        Impressum .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 56
Gesänge aus dem Dickicht

Rieder  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 30

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               1
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EINLEITUNG ZUM                                        sich Tier- und Pflanzenarten während ihrer
                                                      Evolution (Artentwicklung) derart auf einen

 BIOTOPSCHUTZ                                         speziellen Lebensraum ausgerichtet, dass sie
                                                      in anderen nicht oder nur schlecht überleben
                                                      können.

    Jeder Lebensraum hat seine                        Umdenken im Naturschutz
    Spezialisten
    Der Begriff Biotop stammt aus der Ökologie.       Die Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes
    Anders als andere biologische Disziplinen wie     greift solche wissenschaftlichen Erkenntnisse
    die Botanik oder die Zoologie befasst sich        auf, die zu einem Umdenken im Naturschutz
    die Ökologie nicht mit einzelnen Tieren oder      geführt haben. In seinen Anfängen beschränk-
    Pflanzen, sondern mit den Wechselwirkungen        te sich der Naturschutz überwiegend darauf,
    zwischen Organismen und ihrer Umwelt.             wild lebende Tier- und Pflanzenarten – zu-
    Der Lebensraum einer Tier- oder Pflanzenart       meist seltene und gefährdete Arten – zu
    ist durch bestimmte Umweltbedingungen, bei-       schützen und zu pflegen. Später entwickelten
    spielsweise Trockenheit oder salzhaltigen Bo-     sich zunehmend ökologische Ansätze. Heute
    den geprägt. Tiere und Pflanzen, die ein Biotop   streben Naturschützer an, auch die Lebens-
    besiedeln, müssen an die dort herrschenden        räume der wild lebenden Tiere und Pflanzen
    Lebensbedingungen angepasst sein.                 zu schützen und zu pflegen beziehungsweise
    Teichrose und Heidelerche tragen ihr bevor-       wiederherzustellen oder neu zu schaffen.
    zugtes Biotop schon im Namen. Auch der            Dieser Denkansatz ist verstärkt in das Bun-
    Strandflieder, der hohe Salzgehalte verträgt,     desnaturschutzgesetz eingeflossen. Wenn
    die Sumpf-Dotterblume, die gedeiht , wo es        man den Biotopschutz auf die Bedürfnisse der
    feucht ist, die Rohrweihe, die im Röhricht brü-   charakteristischen Arten ausrichtet, betreibt
    tet und die Sandwespe, die ihre unterirdischen    man damit zugleich Artenschutz. Hierbei ist
    Brutröhren in den Binnendünen anlegt, sind an     ein wichtiger Schritt der Schutz bestehender
    spezielle Lebensräume angepasst. Häufig – das     Lebensräume.
    hat die ökologische Forschung gezeigt – haben

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Wer A(rtenschutz) sagt, muss
              auch B(iotopschutz) sagen

                Fledermäuse, Orchideen, Vögel, Libellen –
                das sind nur einige der Artengruppen, die
                auch in einer Großstadt wie Hamburg einen
                 gesetzlichen Schutz genießen. Laut Bun-
                   desnaturschutzgesetz darf man wildle-
                   bende Tiere nicht beunruhigen und nicht
                   ohne vernünftigen Grund verletzen oder
                   töten und wildlebende Pflanzen nicht
                  von ihrem Standort entfernen oder auf
               sonstige Weise zerstören. Für besonders
              gefährdete Tier- und Pflanzenarten gelten
              nochmals strengere Vorschriften. Auf diese
              Weise sorgt der Gesetzgeber für den Schutz
              aller Arten. Darüber hinaus verbietet das
              Bundesnaturschutzgesetz die Lebensstätten,
              also die Lebensräume wildlebender Tiere und
              Pflanzen, ohne vernünftigen Grund zu beein-
              trächtigen oder zu zerstören. Anwendung fin-
              det der gesetzliche Artenschutz in Hamburg
              in vielerlei Hinsicht. So ist er zum Beispiel
              in den zahlreichen Bau- und Unterhaltungs-
              maßnahmen im Stadtgebiet zu beachten. Hier
              gehen Arten- und Biotopschutz zudem oft
ARTENSCHUTZ   Hand in Hand.

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­GESETZ­GEBUNG
               ZUM                                      Grundsatz jedoch nicht vom Bundesrecht abwei-
                                                        chen.

     ­BIOTOPSCHUTZ
                                                        Durch das Gesetz wird der Schutz bestimmter
                                                        Biotope unter § 30 BNatSchG bundeseinheitlich
                                                        direkt anwendbar gemacht. Die bestehende Lis-
     Singvögel im Hinterhof läuten den Frühlingsmor-    te geschützter Biotoptypen wurde ergänzt und
     gen ein, an heißen Sommertagen duftet die Blu-     die Grundsätze des Biotopschutzes festgelegt.
     menwiese im Park, und die alte Buche spendet       Diese Liste kann und soll von den Bundesländern
     Schatten. Natur in der Großstadt. Bedingungen      in den Naturschutzgesetzen des jeweiligen Lan-
     sind hier anders als auf dem Land, aber gerade     des erweitert werden.
     im Ballungsraum erhöht eine intakte Tier- und      Nach dem Hamburgischen Gesetz zur Ausfüh-
     Pflanzenwelt die Lebensqualität der Menschen.      rung des Bundesnaturschutzgesetzes (HmbB-
     Natur hat darüber hinaus eine Daseinsberech-       NatSchAG) vom 11.05.2010 sollen auch in Ham-
     tigung, die sich nicht nur an menschlichen Vor-    burg wertvolle Lebensräume per Gesetz Schutz
     stellungen orientiert. Beide Aspekte fließen in    genießen. Geschützt sind beispielsweise die von
     die Gesetzgebung ein. Die Erfahrung der letzten    der Tide geprägten Lebensräume in der Gezei-
     Jahrzehnte hat gezeigt, dass es nicht ausreicht,   tenzone der Unterelbe und ihrer Nebenflüsse,
     eine bedrohte Vogelart oder ein seltenes Wild-     aber auch Knicks, Feldgehölze und Bracks.
     kraut unter Schutz zu stellen, auch ihre Lebens-   Entscheidend für die Zuordnung zu den gesetz-
     räume – die Biotope – müssen geschützt wer-        lich geschützten Biotopen ist die Ausprägung
     den.                                               eines Lebensraumes. Standortverhältnisse, Tier-
     Die rechtliche Grundlage für den Schutz von Na-    und Pflanzenwelt und sonstige Eigenschaften
     tur und Landschaft ist das Bundesnaturschutz-      der geschützten Biotope sind in der Anlage zum
     gesetz (BNatSchG). Im Jahr 2009 wurde das          Hamburgischen Naturschutzgesetz beschrie-
     Gesetz umfassend novelliert. Anders als zuvor      ben. Dadurch ist kein besonderes Unterschutz-
     werden die Regelungen des Naturschutzes nun        stellungsverfahren nötig. Wenn ein Biotop auf
     bundeseinheitlich vorgegeben. Die ­Bundesländer    Grund ­
                                                              charakteristischer Merkmale zu den im
     können einzelne Regelungen ergänzen, dürfen im     Gesetz aufgeführten Lebensräumen gehört, sind

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ter- und Wacholderheiden, Borstgrasrasen, Trockenrasen,
alle Handlungen oder Maßnahmen, die ­
                                    dieses                       Schwermetallrasen, Wälder und Gebüsche trockenwarmer
                                                                 Standorte,
Biotop zerstören oder erheblich oder auf Dauer                   4. Bruch-, Sumpf- und Auenwälder, Schlucht-, Blockhalden-
beeinträchtigen, untersagt.                                      und Hangschuttwälder, subalpine Lärchen- und Lärchen-Ar-
                                                                 venwälder,
Ausnahmen hiervon können nur zugelassen wer-                     5. offene Felsbildungen, alpine Rasen sowie Schneetälchen
                                                                 und Krummholzgebüsche,
den, wenn die Beeinträchtigung ausgeglichen –                    6. Fels- und Steilküsten, Küstendünen und Strandwälle,
also gleichwertig und gleichartig ersetzt – wer-                 Strandseen, Boddengewässer mit Verlandungsbereichen,
                                                                 Salzwiesen und Wattflächen im Küstenbereich, Seegras-
den kann.                                                        wiesen und sonstige marine Makrophytenbestände, Riffe,
                                                                 sublitorale Sandbänke, Schlickgründe mit bohrender Boden-
Erlaubt und sogar erwünscht ist die bisherige                    megafauna sowie artenreiche Kies-, Grobsand- und Schill-
Nutzung, die die Entwicklung des geschützten                     gründe im Meeres- und Küstenbereich.
                                                                 Die Verbote des Satzes 1 gelten auch für weitere von den
Biotops ermöglicht hat und die oft auch nötig ist,               Ländern gesetzlich geschützte Biotope.
                                                                 (3) Von den Verboten des Absatzes 2 kann auf Antrag eine
um den Lebensraum zu erhalten – beispielsweise                   Ausnahme zugelassen werden, wenn die
eine extensive Beweidung von Nass­wiesen.                        Beeinträchtigungen ausgeglichen werden können.
                                                                 […]
Eine Ausnahme kann nur zugelassen werden,
wenn nicht Gründe des Naturschutzes den Er-
                                                                 Hamburgisches Gesetz zur Ausführung des Bundesnatur-
halt des Biotops erfordern.                                      schutzgesetzes (HmbBNatSchAG) Vom 11. Mai 2010
                                                                 § 14 Gesetzlich geschützte Biotope
                                                                 (zu § 30 Absätze 2 und 7 BNatSchG)
Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesna-         (1) Die Biotope nach § 30 Absatz 2 Satz 1 BNatSchG sind
turschutzgesetz - BNatSchG) Vom 29. Juli 2009                    geschützt, sofern sie in ihrer Ausprägung hinsichtlich Stand-
§ 30 Gesetzlich geschützte Biotope                               ortverhältnissen, der Vegetation oder sonstiger Eigenschaf-
(1) Bestimmte Teile von Natur und Landschaft, die eine beson-    ten den näheren Regelungen nach der Anlage entsprechen.
dere Bedeutung als Biotope haben, werden                         (2) Die Verbote des § 30 Absatz 2 Satz 1 BNatSchG gelten
gesetzlich geschützt (allgemeiner Grundsatz).                    in Hamburg auch für folgende Biotope (weitere gesetzlich
(2) Handlungen, die zu einer Zerstörung oder einer sonstigen     geschützte Biotope)
erheblichen Beeinträchtigung folgender Biotope                   1. Bracks,
führen können, sind verboten:                                    2. Feldhecken, Knicks und Feldgehölze,
1. natürliche oder naturnahe Bereiche fließender und stehender   sofern sie in ihrer Ausprägung hinsichtlich der Standortver-
Binnengewässer einschließlich ihrer Ufer und der dazugehöri-     hältnisse, der Vegetation oder sonstiger Eigenschaften den
gen uferbegleitenden natürlichen oder naturnahen Vegetation      näheren Regelungen der Anlage entsprechen.
sowie ihrer natürlichen oder naturnahen Verlandungsbereiche,     […]
Altarme und regelmäßig überschwemmten Bereiche,
2. Moore, Sümpfe, Röhrichte, Großseggenrieder, seggen- und
binsenreiche Nasswiesen, Quellbereiche, Binnenlandsalzstel-
len,
3. offene Binnendünen, offene natürliche Block-, Schutt- und
Geröllhalden, Lehm- und Lösswände, Zwergstrauch-, Gins-

                                                                                                                                 5
NATURSCHÄTZE IN HAMBURG - Gesetzlich geschützte Biotope 2020
bemerkbar macht, wird nach Osten der Ein-
                                                    fluss des kontinentalen Klimas stärker. Daher
                                                    finden sich im Bergedorfer Raum Pflanzen
    HAMBURG ALS                                     und Tiere, die bevorzugt im Landesinneren
                                                    vorkommen.
     ­LEBENSRAUM                                    Den besonderen klimatischen Bedingungen
                                                    und der landschaftlichen Vielgestaltigkeit im
                                                    Urstromtal der Elbe verdankt die Stadt eine
                                                    ungewöhnliche Vielfalt an Lebensräumen.
                                                    Vor der Elbmündung, weit entfernt von der
                                                    Stadt, liegt der Nationalpark Hamburgisches
                                                    Wattenmeer. Er umfasst die Inseln Neuwerk,
                                                    Scharhörn und Nigehörn mit ihren Salzwiesen
    Ein feuchter Standort?                          und Dünen sowie dem Watt zwischen ihnen
                                                    und Cuxhaven.
    Die Saale- und die Weichsel-Eiszeiten haben
    Hamburgs Landschaftsbild geprägt. Das           An der Alster, an der Elbe,
    Schmelzwasser der abtauenden Gletscher          an der Bill;
    formte das bis zu acht Kilometer breite Ur-
    stromtal der Elbe. Dieses ist im Süden und im   Hamburg ist durch Wasser geprägt. Die Stadt
    Norden von höher gelegenen Geestgebieten        hat mehr Brücken als Venedig. Unter dem
    begrenzt. Zwischen der Elbe und den Geest-      Einfluss der Gezeiten haben sich einzig­artige
    hängen befinden sich die ebenen Marschflä-      Lebensräume entwickelt. Süßwasserwatt
    chen der Unterelbeniederung.                    und Tideauwald sind Besonderheiten von
    Nicht nur Geest und Marsch treffen im           ­internationaler Bedeutung.
    Hamburger Raum aufeinander, sondern auch        Die Pflanzen des Tideauwaldes sind an die
    verschiedene Klimazonen. Während der            mit Ebbe und Flut wechselnden ­Wasserstände
    westliche Teil der Stadt unter atlantischem     angepasst. Die Süßwasserwatten bieten
    Klimaeinfluss steht, der sich bedingt durch     Jungfischen Schutz und Zugvögeln reichlich
    Elbe und Hafen bis weit in die Stadt hinein     Nahrung.

6
NATURSCHÄTZE IN HAMBURG - Gesetzlich geschützte Biotope 2020
Auch die übrigen Fließgewässer ­beherbergen       man einen Eichen-Mischwald, wie er für
zahlreiche Fisch- und Insektenarten und eine      sandige Böden an warmen Südhängen
vielfältige Vogel- und Pflanzenwelt. Soweit sie   ­kennzeichnend ist.
nicht begradigt oder ausgebaut sind, stel-
len Hamburgs zahlreiche Bäche und Flüsse          ... und auf der Geest
wertvolle Lebensräume dar. An den Stellen,
an denen zum Beispiel Alster und Saselbek         In vielen Bereichen sind die Böden auf der
bei Hochwasser noch über die Ufer treten,         Geest eher durchlässig und trocken. Bedeut-
wachsen Auwälder aus Weiden, Erlen, Eschen,       same Lebensräume bilden hier die offenen
Ulmen, und Eichen. Naturnahe stehende Ge-         Heideflächen wie die der Fischbeker und der
wässer sind die Heimat für Amphibien.             Wittenbergener Heide. Sie sind Heimat von
Typisch für Hamburg sind auch die Bracks.         mehr als 2000 Insektenarten.
Diese Gewässer hinterm Elbdeich sind Zeugen       Feldhecken und -gehölze stellen in den land-
früherer Deichbrüche.                             wirtschaftlich geprägten Gebieten wie der
                                                  Hummelsbütteler Feldmark einen Zufluchts-
... in der Marsch                                 ort für die Tierwelt dar.
                                                  Landschaftliche Besonderheiten der
Ein hoher Grundwasserstand ist typisch für        Geest sind die Niedermoore auf den
das Grünland der Elbmarsch. Wenn die feuch-       ­undurchlässigen Böden. Staute sich dort das
ten Wiesen weniger intensiv genutzt werden,       Wasser, so entstanden – wie im Duvenstedter
kommen hier Schachblumen und Orchideen            Brook – Sümpfe und Bruchwälder, ein ideales
vor. Auf nassen Böden, die nicht bewirt­          Brutgebiet für den Kranich.
schaftet werden, entwickeln sich Röhrichte        Ein Kennzeichen des Elbe-Urstromtales ist
und Sümpfe.                                       die Bildung von offenen Binnendünen, wie
Den Übergang zwischen Marsch und ­Geest           sie beispielsweise in der Boberger Niederung
markieren die Elbhänge. Am nördlichen Ufer        vorkommen. Der Sand, der aus dem Elb-
der Elbe ist der Hang über weite Strecken als     tal hierher geweht wurde, beherbergt eine
Steilufer geformt. Als naturnahe Landschafts-     ­spezielle Insektenfauna.
struktur ist diese Geestkante ­beispielsweise
am Falkensteiner Ufer ­erhalten. Hier ­findet

                                                                                                 7
NATURSCHÄTZE IN HAMBURG - Gesetzlich geschützte Biotope 2020
8
DIE GESCHÜTZTEN BIOTOPE

                          9
Dünen

     Am Strand von Scharhörn erwartet uns der          im Wind. Die Dünengräser halten mit ihrem
     ­Vogelwart. „Vorsicht! Gelege!” warnt er und      weitläufigen Wurzelwerk den Sand fest. So
     weist auf zwei sandfarbene gefleckte Eier. Hier   kann ein Sandberg wachsen, die Weißdüne. Die
     brüten Zwergseeschwalben.                         Pflanzen auf der Weißdüne müssen sich anpas-
     Über unseren Köpfen kreist aufgeregt ein          sen an Trockenheit und „Sandstrahlgebläse”.
     Elterntier, erkennbar am gegabelten Schwanz,      Die stacheligen Blätter der Stranddistel sind
     der schwarzen Haube und einem spitzen gel-        mit einer wachsartigen Schicht überzogen, die
     ben Schnabel. Den Blick zu Boden ­gerichtet       die Pflanze vor Wasserverlust schützt. Strand­
     stapfen wir durch den heißen Sand und errei-      disteln sind selten geworden, weil sie früher in
     chen einen niedrigen Wall. Es ist die Vordüne.    ­großen Mengen für Trockensträuße gepflückt
     Salzkraut, Salzmiere, schon die Namen verra-      ­wurden – h
                                                                 ­ eute sind es geschützte Pflanzen.
     ten, dass die Pflanzen hier dem Meerwasser        Reicht die pflanzliche Befestigung nicht aus,
     und der salzigen Gischt ausgesetzt sind. Die      trägt der Wind den Sand wieder ab. Auf diese
     rosa Blüten des Meersenfs duften. In ihren        Weise wandert Scharhörn jährlich um rund
     fleischigen Blättern speichert die Pflanze Süß-   zehn Meter in die Hauptwindrichtung – nach
     wasser, um den hohen Salzgehalt tolerieren zu     Südosten.
     können.
     Dünen sind vom Wind geschaffen. Wenn bei
     Ebbe die Sonne die Sandbänke draußen im
     Watt trocknet, trägt der Wind den Sand an die
     Strände. Hier bleibt er an den Pflanzen hängen.
     Pionier auf der Vordüne ist die Binsenquecke.
     In ihrem Windschatten lagert sich weiterhin
     Sand ab. So entstehen die niedrigen Wälle
     der V
         ­ ordünen. Ein Stück ­weiter oben wehen
     die Ähren von Strandhafer und ­Strandroggen

10
                                                                          Zwergseeschwalbe
VOM WINDE VERWEHT

    i                                      Stranddistel

Tipp

Wanderung von Neuwerk nach Scharhörn
bei Niedrigwasser. Die Wanderung dauert
rund 4 – 4,5 Stunden. Normalerweise gilt für
die ­Vogelinsel „Betreten verboten”. Nur nach
­telefonischer Anmeldung beim Vogelwart
(Tel. 0 47 21 / 2 85 84) oder der Nationalpark-
verwaltung (0 47 21 / 6 92 71) kann man an
einer Führung auf Scharhörn teilnehmen.

                                                          11
Salzwiese und Küstenwatt

     Violett blüht der Strandflieder, weißlich bis      letzten Naturlandschaften Europas. Dieses
     blau die Strandastern, weiter draußen haben        einzigartige Ökosystem ist vom Wechsel der
     sich einige Quellerpflanzen rötlich verfärbt. Im   Gezeiten geprägt. Zweimal täglich fällt das
     Sommer entfaltet das Deichvorland östlich der      Watt bei Ebbe ­trocken. Zweimal täglich bringt
     Insel Neuwerk seine ganze Farbenpracht. Der        die Flut mit dem Wasser große Mengen an
     Boden ist salziger als auf einer ­gewöhnlichen     Sand und Schwebstoffen. Die organischen
     Wiese, denn die Salzwiese wird bis zu 70-mal       Stoffe – winzige Algen, abgestorbene Pflan-
     im Jahr überflutet. Die Pflanzen müssen den        zen und Tiere – setzen sich in Küstennähe ab,
     extremen Salzgehalt im Boden bewältigen. Der       weiter draußen lagert sich Sand ab. So ent-
     Strandflieder scheidet hierzu das Salz über        steht Sandwatt, Schlickwatt oder Mischwatt.
     Drüsen aus. Auf den Blättern sind dann die         Pflanzen und Tiere des Wattenmeeres sind
     weißen Kristalle zu erkennen.                      dem ständigen Wandel von Trockenfallen und
     Der Queller dagegen nimmt das Salz auf und         Überflutung ausgesetzt und werden bei Flut
     lagert zusätzliches Wasser in die Zellen ein.      mit der Strömung verdriftet. Viele Wattbewoh-
     So quillt die Pflanze während des Sommers          ner wie der Schlickkrebs, die Sandklaffmuschel,
     immer mehr auf. Im Herbst verfärbt sich die        die Herzmuschel und der Wattwurm leben da-
     Quellerpflanze rot und stirbt ab. Auf dem          her im Boden. Auf einer Wattwanderung lernen
     Ostvorland von Neuwerk brüten Möwen,               Sie, die Lebenszeichen dieser ­Bodenbewohner
     Seeschwalben und Rotschenkel. Hier sind sie        zu erkennen.
     ungestört. Viel karger ist das Nordvorland.        Von den zahlreichen Muscheln, Schnecken und
     Diese Salzwiese wird als Weide genutzt. Die        Würmern im Wattenmeer ernähren sich die
     Blütenvielfalt ist der Beweidung gewichen.         Vögel. Viele Zugvögel, wie z. B. der Knutt oder
     Doch selbst hier brüten noch die Austernfi-        die Ringelgänse, können nur hier ausreichend
     scher und Seeschwalben. Jenseits der Salz-         Nahrung für ihren weiten Flug zu sich nehmen.
     wiese beginnt das Wattenmeer, eine der

12
Auch für zahlreiche Fischarten ist das
­Wattenmeer von großer Bedeutung.
­Scholle, Flunder und Seezunge verbringen
hier im fl
        ­ achen Wasser – ihrer Kinder­
stube – die ersten Lebensjahre.

                                                       i
                                                   Tipp

                                                   Wattwanderung zur Insel Neuwerk im
                                                   ­Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer.
                                                   Die g
                                                       ­ eführte Tour von den Cuxhavener Orts-

                                    Strandkrabbe
                                                   teilen Duhnen oder S
                                                                      ­ ahlenburg ­dauert etwa
                                                   zweieinhalb Stunden, die Rückfahrt per Schiff
                                                   nach Cuxhaven eineinhalb Stunden.

 ÜBERLEBENS-                                       Infos: Reederei Cassen Eils
                                                   Tel. 0 47 21 / 3 22 11,

  STRATEGIEN                                       Nationalparkstation Neuwerk
                                                   Tel. 0 47 21 / 6 92 71

AN DER KÜSTE                                                                                       13
Süßwasserwatt

     Vom Cranzer Hauptdeich überblickt man das           von etwa zwei Jahren wandern die Jungfische
     Mühlenberger Loch – das größte Süßwasser-           in die Nordsee. Wenn im Hochsommer in der
     watt Europas.                                       Stromrinne der Sauerstoff knapp wird, ziehen
     Jetzt bei Ebbe liegt grauer Schlick frei. Im fla-   sich die Elbfische in die Wattgebiete und Flach-
     chen Wasser waten ein paar langbeinige Vögel.       wasserzonen zurück, die zur Selbstreinigung
     Was soll daran Besonderes sein?                     der Elbe beitragen.
     Der Einfluss der Gezeiten schafft einen einzig-     Früher zogen sich große Überschwemmungs-
     artigen – nämlich vom Süßwasser geprägten –         räume an der Unterelbe entlang. Der Strom
     Lebensraum im Mündungsbereich der Elbe.             wurde durch Deiche immer weiter eingeengt
     Jede Flut trägt Nährstoffe in die Bucht hinein      und die Ufer zunehmend verbaut. Heute gibt
     und düngt sozusagen die mikroskopisch               es an der Hamburger Elbe nur noch weni-
     winzigen Algen, von denen Ringelwürmer,             ge große Überschwemmungsflächen wie
     kleine Krebse und Schnecken leben. Diese            die Naturschutzgebiete Mühlenberger Loch,
     zahllosen Kleintiere sind ein üppiges Nah-          Schweenssand und Heuckenlock. Ein Viertel
     rungsangebot für die Vögel wie Rotschenkel          des ­Mühlenberger Lochs ist durch die Erwei-
     und S
         ­ äbelschnäbler. Löffel- und Krickenten         terung des benachbarten Flugzeugwerkes
     rasten während ihres Zuges zu Tausenden auf         verloren gegangen. Als Ausgleich sind flussab-
     der Süßwasserwattfläche und schlagen sich           wärts und -aufwärts neue Süßwasserwatten
     den Bauch voll – die Energiereserve für den         hergestellt worden.
     Weiterflug.
     Für die Fische ist das flache ruhige Wasser
     Aufwuchsgebiet. Neben Aal, Flunder, Stint
     und Kaulbarsch gibt es eine Reihe selte-
     ner Fischarten wie zum Beispiel Finten,
     die im Mühlenberger Loch laichen und
     heranwachsen. Finten schwimmen als Wander-
     fische zum Laichen flussaufwärts. Erst im Alter

14
                                                                                     Rotschenkel
BESTIMMT
VOM WECHSEL
DER GEZEITEN
                           i
                         Tipp

                         Deichwanderung an der Billwerder Bucht.
                         Mit der S21 bis „Rothenburgsort”, links den
                         Billhorner Deich Richtung Norderelbe, links
                         entlang der Billwerder Bucht vom Aus-
                         schläger Elbdeich bis zum Sandwisch, die
                         Andreas-Meyer-Straße schräg kreuzend in
                         den Unteren Landweg zur Station „Billwer-
                         der Moorfleet”.

                                                                       15
        Säbelschnäbler
Tide-Röhricht und Tide-Auwald

     Ein schmaler Weg führt zwischen Pappeln und       ­Lebensräume für Wibels Schmiele oder
     Weiden hindurch bis zur Holzbrücke. Ein Priel     Schierlings-Wasserfenchel. Diese Pflanzen
     hat sich tief in den Grund des Watts hineinge-    sind weltweit nur im Tidegebiet der Elbe zu
     graben.                                           finden. Mit etwa 700 Tier- und Pflanzenarten
     Wir erreichen einen Schilfgürtel, der uns weit    sind das Heuckenlock und das gegenüberlie-
     überragt. Aus ihm hören wir den lebhaften Ge-     gende Naturschutzgebiet Schweenssand eine
     sang eines Teichrohrsängers. Hier sind wir im     der artenreichsten Flächen Hamburgs.
     Naturschutzgebiet Heuckenlock. Diese Wild-        Durch die Eindeichungen sind solche von
     nis an der Süderelbe konnte ihre unberührte       den ­Gezeiten b
                                                                     ­ eeinflussten Gebiete an
     Vielfalt über die Jahrhunderte bewahren. Der      der Unterelbe rar geworden. In Hamburg
     älteste Baum, eine Flatterulme, ist rund 400      gibt es weitere Tide-Röhrichte noch in den
     Jahre alt und hat einen Umfang von 4,5 m.         ­Naturschutzgebieten Schweenssand und Zol-
     Der Einfluss von Ebbe und Flut hat hier einen     lenspieker, auf dem Neßsand und am Mühlen-
     Tide-Auwald und ein Tide-Röhricht geschaf-        berger Loch, einen Tide-Auwald nur noch im
     fen. Je nach Dauer und Häufigkeit der Über-       Heuckenlock und auf dem Neßsand.
     flutungen haben sich auf dem Watt bestimmte
     Pflanzen angesiedelt.
     Der nährstoffreiche Schlick, den die Priele ins
     ­Heuckenlock spülen, lässt sie üppig wuchern.
     Die Bäume werden teilweise über 30 Meter
     hoch, das Tide-Röhricht erreicht bis zu vier
     Meter Höhe. An den Ästen der Bäume baut
     die seltene Beutelmeise ihr kunstvolles Nest,
     während Rohrsänger und Rohrammer das Röh-
     richt bewohnen. Die an die unbewachsenen
     Süßwasserwatten angrenzenden Tide-Röh-
     richt und -Auwälder bilden die ­einzigen

16
WILDNIS
                                                MIT FLUT UND
                                                EBBE

   i                                                             Schierlings-Wasserfenchel

Tipp

Naturschutzgebiet Heuckenlock – mit Bus/
Bahn: S3 bis Wilhelmsburg;
dann mit dem Bus bis Haltestelle
­„Heuckenlock”
•  mit dem PKW:
 A1 Abfahrt HH-­Stillhorn.

                                                                                 17
                                           Beutelmeise am Nest
Bach- und Flussabschnitte

     Die Alster schlängelt sich durch den Wald. Im      ­natürlichen Steilufern er seine ­Bruthöhle
     Schatten hoher Buchen treibt das Boot lang-        ­stochert. Naturnahes Fließgewässer ­bevorzugt
     sam flussabwärts. Hin und wieder müssen wir        auch die grüne Prachtlibelle, die ihre Eier auf
     tief hängenden Ästen ausweichen. Ein Eisvo-        besonnte Wasserpflanzen legt.
     gel stürzt sich mit dem langen Dolchschnabel       Viele Bäche und Flüsse wurden begradigt, die
     voran ins Wasser. Sein türkis-rotes Gefieder       Ufer verbaut. Naturnahe Fließgewässer und
     leuchtet tropisch bunt. Die Strömung hat die       viele ihrer Tier- und Pflanzenarten sind selten
     Wurzeln der Erlen freigelegt, sie stützen den      geworden. Wenn Bäche in ihr altes Bett zu-
     steilen Hang. Das gegenüberliegende Ufer ist       rückgelegt und ihrer Eigendynamik überlassen
     flacher. Wir gleiten über eine Sandbank. Hinter    werden, kehren die ursprüngliche Flora und
     der nächsten Biegung wird es sonnig. Am            Fauna zurück.
     Grund wiegen sich Laichkräuter.                    Im Rodenbeker Quellental lebt zum Beispiel
     Dazwischen macht sich ein Fisch zu schaffen,       eine gefährdete Art der Blattfußkrebse sowie
     kaum länger als ein Zeigefinger. Drei Stacheln     14 Fischarten, auch die Gebirgsstelze brütet
     auf dem Rücken und sein leuchtend roter            hier. In der Ammersbek tauchen hin und wie-
     Bauch signalisieren: ein Stichlingmännchen im      der Fischotter auf und an der Alster und ihren
     ­Hochzeitskleid.                                   Nebenflüssen macht die seltene Wasseramsel
     An den Ufern blühen Vergissmeinnicht und           auf ihrem Zug Station.
     ­Baldrian. Die blauen Flügel einer Libelle blin-
     ken. Flussabwärts sind die Ufer mit undurch-
     dringlichem Schilfrohr bewachsen, in dem
     die Rohrsänger ihr Nest zwischen die ­Halme
     flechten.
     Hier finden diese Insektenfresser auch ihre
     Nahrung. Der Eisvogel jedoch, als Fischfän-
     ger, benötigt saubere, klare Bäche, in deren

18
                                                                            Eisvogel
Auch Dove und Gose Elbe mit ihrer
               ­üppigen Schwimmblattvegetation und die
               Alte S
                    ­ üderelbe mit ihren verschiedenen
               ­Röhrichtgesellschaften am Ufer sind Lebens-
               raum für gefährdete Wasserpflanzen und
               Rückzugsräume für die V
                                     ­ ogelwelt.

                                                                 i
                                                              Tipp

                              IMMER IN                        Paddeltour auf der Alster und Goose Elbe
                                                              (Bootsverleihe siehe Internet: ­

                            BEWEGUNG
                                                              www.hamburg.de)
                                                              Ein Spaziergang auf dem Alsterwander-
                                                              weg (U-Bahn Klein-Borstel oder S-Bahn
                                                              ­Poppenbüttel) oder auf dem Aue-Wanderweg
                                                              beiderseits der Ammersbek zwischen der
                                                              Mühlenschleuse am Duvenstedter Triftweg
                                                              und dem Kupferhof (Naturschutzgebiete
                                                              ­Duvenstedter Brook und Wohldorfer Wald).
                                                                                                          19
Dreistacheliges Stichlings-Männchen im Balzkleid
Stehende Kleingewässer

     Ein Trampelpfad führte an stacheligen             frosch, Grasfrosch und Wasserfrosch. Der
     ­Himbeersträuchern vorbei durchs Schilf ans       Teichmolch wiederum fühlt sich in den T
                                                                                             ­ eichen
     Ufer. Auf dem Grund des Teiches wuchsen           im R
                                                          ­ odenbeker Quellental wohl. Seit diese
     Pflanzen mit langen Stängeln und federför-        nicht mehr als Fischteiche genutzt werden,
     migen Blättchen. An milden Frühsommer-            leben dort auch wieder gefährdete Kleinfische
     abenden ertönte vielstimmiges Quaken, kurze       wie Bitterling, Rotfeder und Schlammpeitzger.
     Zeit später beobachteten wir Kaulquappen          ­Naturnahe Kleingewässer sind Laichplätze für
     im Wasser. Den Teich unserer Kindheit gibt        viele Arten von Fischen, Fröschen, Kröten und
     es nicht mehr. Das Ufer ist mit Holzbohlen        Molchen und beherbergen eine reiche Unter-
     eingefasst. Ein breiter Sandweg führt um das      wasservegetation aus Wasserstern, Wasserfe-
     kreisrunde Gewässer. Zahlreiche Stock­enten       der, Hornblatt und Laichkräutern.
     warten auf die nächste Fütterung. Der faulige     Diese können sich im ganzen Gewässer aus-
     Geruch weist darauf hin, dass der Entenkot im     breiten, weil hier aufgrund der geringen Was-
     Wasser biologisch zersetzt wird. Dabei wird       sertiefe das Licht bis zum Grund vordringen
     Sauerstoff verbraucht, Schwefel­bakterien         kann. Die W
                                                                 ­ asseroberfläche wird neben dem
     vermehren sich und verbreiten einen ­Geruch       Wasserhahnenfuß auch von den Schwimm-
     nach faulen Eiern. Das Gleiche ­passiert in in-   blättern des weißen Froschbiss bedeckt, auf
     tensiv genutzten Angelteichen. Die eingesetz-     denen gerne zarte Libellen landen, um Wärme
     ten Fische fressen zudem Kaulquappen und          zu tanken. Unterhalb der Oberfläche grast
       ­Libellenlarven weg.                            kopfunter die Spitzschlammschnecke den
                                                       Algenrasen ab. Der feuchte Uferbereich wird
             Es gibt in Hamburg aber auch viele        beispielsweise von der Wasserminze besiedelt.
                Beispiele für Teiche mit reicher       Wertvolle, seltene Lebensräume sind die
                  Tier- und Pflanzenwelt. So lai-      Tümpel. Sie entstehen meist durch hohe
                     chen in den Teichen entlang       ­Niederschläge im Winter und Frühjahr und
                        der Hauptwege im Duvens-       trocknen in der warmen Jahreszeit langsam
                              tedter Brook Moor-       aus. Tümpel beherbergen eine besondere

20
         Spitzschlammschnecke
Krebs- und Kleintierfauna, die speziell an
 die Lebensbedingungen dieser periodischen
 Gewässer angepasst sind. So überleben
 die Dauereier einiger Kiemenfußkrebse bis
 zu 14 Monate Trocken- und Frostzeiten im
 Schlamm. Tümpel sind ebenfalls ein wichti-
 ges Laich­biotop für Amphibien.

                                                        i
                                                     Tipp
   BITTE NICHT
                                                     Teiche im Duvenstedter Brook am Duvens-
TROCKENLEGEN!                                        tedter Triftweg (Lage der Teiche kann man
                                                     der Wanderkarte NSG Duvenstedter Brook
                                                     + NSG Wohldorfer Wald entnehmen; Infor-
                                                     mationen zur Froschbalz gibt das Brook-
                                                     hus, Tel.: 607 24 66). Mit der U-Bahn Linie
                                                     U1 bis Ohlstedt, 5 km Fußweg entlang des
                                                     Kupferredders. Mit dem Bus bis zur Halte-
                                                     stelle Duvenstedter Triftweg. Mit dem Auto
                                                     bis zum Parkplatz Ecke Duvenstedter Trift-
                                                     weg / ­Wiemerskamper Weg.
                                                                                                   21
                                      Wasserfrosch
Verlandungsbereich ­stehender Gewässer

     Am Ufer leuchten purpurrot die Blüten der         Lange elastische Stiele verbinden die
     Weidenrös­chen. Der morsche Steg liegt ver-       auf der Wasseroberfläche schwim-
     steckt im Röhricht. Zwischen Schilf und brau-     menden Blätter und die prachtvollen
     nem Rohrkolben blühen Schwanenblume und           Blüten mit den Wurzeln im Teich-
     Fieberklee sowie zum ­Wasser hin Frosch­löffel.   grund. Zur Schwimmblattvege-
     Die Bucht ist übersät mit den runden Blättern     tation gehören auch die Weiße
     und den gelben Blüten von Teich­rosen. Vom        Seerose, der W
                                                                    ­ asser-Hahnenfuß,
     Ufer her dringt auf der W
                             ­ asseroberfläche der     der Froschbiss und die Was-
     ­Wasser-Knöterich mit seinen rosa Ährenblüten     serlinsen. Zum Ufer hin, wo
     vor. Ein b
              ­ laues ­Plattbauch-Männchen – der       die Wassertiefe geringer
     Brummer unter den Libellen – fliegt darüber       ist, wachsen die Arten des
     hinweg. Dieser gewandte Jäger lauert seiner       Schilfgürtels, die eine kurze
     Beute auf.                                        Zeit des Trockenfallens
     Vom Schilf her ertönen kurze, laute Rufe.         überstehen können.
     Ein Bläßhuhn schwimmt mit seinen Jungen
     heraus. Die Schöpfe der Küken leuchten rot.
     Am Grunde des Weihers wogt ein Wald von
     Laichkräutern mit fadenförmigen Blättern. Im
     flachen Wasser breiten sich Armleuchteralgen,
     Wasserstern, Wasserpest und andere Pflanzen
     aus. Dazwischen kriecht eine Sumpfdeckel-
     schnecke über den Boden, und ernährt sich
     von abgestorbenen Pflanzen.
     Die Schwimmblätter der Teichrose sind
     ledrig derb, um aufprallenden Regentropfen
     und Wellengang widerstehen zu können. Ein
     Wachsüberzug schützt sie vor Benetzung.

22
                                                                                  Plattbauch-Männchen
Jedes stehende Gewässer verlandet im
                 Laufe der Zeit. Je mehr Schlamm und
                 Mudde sich zwischen den Pflanzen und am
                 Boden sammeln, desto weiter kann sich die
                 Vegetation zur Gewässermitte hin ausdeh-
                 nen, bis bei kleineren Seen nur noch eine
                 nasse Senke übrig bleibt.

                                                                i
                           DER SEE                           Tipp

                         WÄCHST ZU                           Öjendorfer See, östliches Ufer. Im Auto: über
                                                             die A1 Abfahrt Öjendorf, Glinder Straße nach
                                                             Westen, über Reinskamp, Driftredder und
                                                             Barsbütteler Weg zu mehreren Parkplätzen
                                                             oder über die A24 Abfahrt Jenfeld, Rodig
                                                             Allee nach Osten, Steinbeker Weg nach Über-
                                                             querung der A 24 in den Barsbütteler Weg

                                                                                                             23
Spitze Sumpfdeckelschnecke
Bracks

     Zwischen zwei uralten Fachwerkhäusern           Das Borghorster Brack gehört zu den be-
     schaut man vom Altengammer Hauptdeich           sonders wertvollen Bracks in der Hamburger
     aufs Borghorster Brack. Am Ufer wechseln        Elbtal-Niederung. Durch Erosion der ehemals
     Weiden und Erlen mit Röhricht und offenen       steilen Ufer konnte sich ein Röhrichtgürtel aus
     Sandflächen. Bracks sind typische Gewäs-        Schilf und Seggen ausbilden, der gefährdeten
     ser der Unterelbe. Diese Gewässer sind          Vogelarten wie der Rohrweihe als Bruthabitat
     bei Deichbrüchen während einer Sturmflut        dient. In den Randbereichen wird die Was-
     ­entstanden. Das Elbwasser strömte mit so ho-   seroberfläche von der Gelben Teichrose einge-
     her Geschwindigkeit herein, dass das dahinter   nommen. Auf der großen freien Wasserfläche
     liegende Land durch die Strudel des Hochwas-    unternehmen Reiherenten und Haubentaucher
     sers ausgehöhlt wurde. So entstanden steile     ihre Tauchgänge.
     Ufer. Viele Bracks zeichnen sich durch großen   Das Gewässer bietet auch der im Bestand
     Fischreichtum aus. Zum Teil sind ursprüng-      gefährdeten Ringelnatter Lebensraum und
     lich typische Elbfische eingespült worden und   besitzt große Bedeutung als Refugium für
     haben seit Jahrhunderten überlebt. Bei ihrer    viele Fischarten - unter anderem Steinbeißer
     Entstehung waren die Bracks nährstoffarm –      und Schlammpeitzger – und eine artenreiche
     also sauber.                                    und seltene Schneckenfauna. Eine besonde-
     Die heutigen Bracks werden leider häufig als    re Lebensgemeinschaft zwischen Fisch und
     Angelgewässer und Viehtränke benutzt. Die       Muschel ist hier zu beobachten. Der Bitterling
     Uferzonen sind oft durch Holz- und Stein-       braucht zum Schutz seiner Eier die Große
     verkleidung, Rasen, Stege oder Gärten unna-     Teichmuschel, in deren Kiemen er seinen Laich
     türlich verändert. Durch eng heranreichende     ablegt. Die Larven der Muschel wiederum drin-
     Gärten oder Gärtnereien, Äcker, Obstbau,        gen in die Haut von Fischen ein, ernähren sich
     Baumschulen oder häusliche Abwässer werden      von dem Gewebe und fallen nach einiger Zeit
     die Bracks übermäßig mit Nährstoffen ver-       der Entwicklung als kleine Muscheln wieder
     sorgt. Derartige Beeinträchtigungen setzten     ab.
     den Gewässern heute leider sehr zu.

24
ZEUGEN VON
                                                          DEICHBRÜCHEN

    i                                       Bitterlinge

Tipp

Radtour zu den Bracks in den Vier- und
Marschlanden. Am S-Bahnhof Billwer-
der Moorfleet in den Brennerhof, links
in den Tatenberger Weg, rechts in den
­Marschenbahndamm. Auf dem (autofreien)
Marschenbahndamm vorbei am Sandbrack
in Fünfhausen, am Riepenburger Brack, am
Kiebitzbrack und am Borghorster Brack.
Rückweg über Horster Damm, Brookdeich
zur S-Bahn-Haltestelle Bergedorf.
• mit dem Auto: B 5 (Bergedorfer Straße,
 Holtenklinker Straße, Rothenhauschaussee)
 rechts in den Speckenweg, Horster Damm,
 rechts in den Altengammer Hautdeich zum
 Borghorster Brack.

                                                                     25
Moore

     Weiß leuchtet das Wollgras. Auf den Bulten, die       der Moore, Pfeifengras und Moorbirken, und
     aus dem dunklen Wasser ragen, blüht pink die          verdrängen die seltenen Moorpflanzen.
     Glockenheide. Himmelblaue Schmetterlinge flat-        Der Sonnentau, dessen Arten in den verschiede-
     tern umher und in der feuchten Senke vor unse-        nen Moortypen zu finden sind, holt sich Stick-
     ren Füßen fängt der fleischfressende Sonnentau        stoff aus dem Eiweiß seiner tierischen Beute.
     eine Fliege. Eine solche Mooridylle gibt es in        Mit klebrigen Haaren, die Tautröpfchen vortäu-
     Hamburg nur noch in Bereichen der Hochmoore           schen, hält die fleischfressende Pflanze Käfer,
     und in den Übergangsmooren innerhalb einiger          Fliegen und Mücken fest. Die Blätter rollen sich
     Naturschutzgebiete. Viele dieser ursprünglich in      ein, die Insekten werden umschlossen und von
     Hamburg weit verbreiteten Hochmoore wurden            Pflanzensäften aufgelöst.
     bis in das letzte Jahrhundert hinein abgetorft        Torfmoos – der eigentliche Moorbodenbauer –
     und entwässert. Kleine Reste können noch im           wächst nur, wenn es ständig unter Wasser steht.
     Wittmoor, im Raakmoor und im Duvenstedter             In den Moorgebieten, die entwässert worden
     Brook gefunden werden.                                sind und in denen sich Birkenwälder angesiedelt
     Hochmoore entstanden dadurch, dass durch              haben, wird daher heute wieder Wasser auf-
     die stark vernässten Böden Pflanzenreste nur          gestaut. Absterbende Birken im Wittmoor, im
     unvollständig abgebaut wurden und sich somit          Duvenstedter Brook oder im Schnaakenmoor
     teilweise mächtige Torfschichten entwickelten.        zeugen von der Wiedervernässung. Die wie-
     Auf diesen siedelten dann die Torfmoose, die          derbelebten Moorflächen besiedeln gefährdete
     neben dem Wollgras zu den typischen Pflanzen          Pflanzen wie Gagelstrauch, Moosbeere und
     der Hoch- und Übergangsmoore gehören. Ein             Sonnentau. Moorfrosch und Ringelnatter sind
     echtes Hochmoor ist extrem arm an Pflanzen-           zurückgekehrt. Moore sind zudem Rückzugsge-
     nährstoffen wie Stickstoff. In der Stadt kommen       biete für Libelle wie Moosjungfern, die Rote und
     jedoch auf jeden Hektar Fläche 40 Kilogramm           die Schwarze Heidelibelle und für Schmetterlin-
     Stickstoff pro Jahr allein aus der Luft – vor allem   ge wie die Bläulinge.
     aus Autoabgasen.
     Von dieser Düngung profitieren die „Unkräuter”

26
                                                                                                              Moorfrosch
Im Gegensatz zu den von Regenwasser ge-
speisten, sauren Hoch- und Übergangsmoo-
ren sind die vom stagnierenden Grundwasser
geprägten Niedermoore nährstoffreicher und
weniger sauer. Dort dominieren Pflanzen der
Röhrichte, Rieder, Brüche und Nasswiesen.

                                                                                         Sonnentau

                                                         AUF WASSER
                                                 i           GEBAUT

                                              Tipp

                                              Naturschutzgebiet Wittmoor – mit dem Bus
                                              ab S-Bahnhof Poppenbüttel bis zur Halte-
                                              stelle „Tannenhof”. Vom Tannenhof rechts
                                              in den Huulkamp und links in den Bilenbarg,
                                              dann links in die Straße „Unter den Tannen”
                                              einbiegen und am Ende rechts den Feldweg
                                              nehmen.
                                                                                            27
Sümpfe und Röhrichte

     In weiträumigen Sumpf- und Röhrichtgebieten        geht ein. In den Folgejahren werden dann in den
     wie in der Reit laichen Amphibien und speziell     so entstandenen Röhrichtlücken zahlreiche dün-
         an diesen Lebensraum angepasste Vögel          ne Halme gebildet, die für die Verpuppung der
            halten sich hier versteckt. Zur Brut-       Raupen zu eng sind, so dass sie absterben. Auf
                zeit ertönen aus dem Schilf das an      diese Weise wird die Eulenpopulation dezimiert
                  Heuschrecken­zirpen erinnernde        und kann nicht das ganze Schilf-Röhricht ver-
                      Sirren des Rohrschwirls, das      nichten. Gemischte Röhrichte aus Schilf, Rohr-
                         Scharren und Knarren des       kolben und Teichsimse finden sich an den Ufern
                           Teichrohrsängers und der     von Gewässern, wo sie oft zusammen mit dem
                         Warnruf der Rohrweihe.         purpurrot-blühenden Blutweiderich und dem
                      Großflächige Röhrichte sind       duftenden Mädesüß einen Verbund bilden.
                  durch einen artenarmen und eher       Die für die Elbmarsch typischen Röhrichte in der
               monoton wirkenden Pflanzenbe-            Verlandungszone von Bracks sind zum großen
            stand gekennzeichnet – eine „natürliche     Teil landwirtschaftlicher oder gärtnerischer Nut-
             ­Monokultur“. Ein typischer Vertreter      zung zum Opfer gefallen. Trotzdem finden sich
              dieser Flora ist das Schilf mit seinem    Röhrichte auch heute noch vielfach an den Ufern
              hohen und hohlen Stängel. In die-         von Fließ- und Stillgewässern.
               sen Stängeln lebt eine Vielzahl von      Gerade ungestörte und ausgedehnte Röhrichte
                 Insektenarten, die aufgrund ihrer      bilden einen derart wertvollen Feuchtlebensraum,
                      ­Entwicklung auf einen solchen    dass ihnen ein eigener gesetzlicher Schutz zu-
                           Lebensraum angewiesen        kommt. Ähnliches gilt für Sümpfe, in denen eine
                           sind. Zu ihnen gehören       abwechslungsreichere Vegetation zu finden ist
                         auch die Schilfeulen, Nacht-   und die dadurch ebenfalls viele gefährdete Arten
                        falter, deren Raupen fressend   beherbergen. So brüten zum Beispiel Kraniche in
                      in den Halmen zur Wachstums-      den unzugänglichen Sümpfen des Duvenstedter
                    zone des Schilfrohres klettern      Brooks.
                   und diese zerstören. Der Halm

28
              Teichrohrsänger
GESÄNGE AUS DEM DICKICHT

   i                                           Blutweiderich

Tipp

Im Frühjahr zum Vogelsang in das Natur-
schutzgebiet „Die Reit“ in Reitbrook.
•  mit dem Auto: von der A25 Abfahrt Aller-
 möhe, nach Süden über den Allermöher
 Deich bis zur Kirche, rechts die Kirchen-
 brücke über die Dove-Elbe, rechts in den
 Vorderdeich, an der Straße Reitdeich parken
 oder weiter in den Reitbrooker ­Westerdeich
 bis zum ­Info-Haus.
•  mit dem Fahrrad: vom S-Bahnhof Mittlerer
 Landweg über die Straße Mittlerer Landweg,
 die A25 überquerend zum Allermöher Deich,
 weiter siehe oben.                                            29
Rieder

     Nur Fachleute können sie unterscheiden: Seggen     Biotope dieser Art sind in Hamburg selten.
     und Simsen, verschiedene Arten von Sauergrä-       Sie bergen zahlreiche gut an sie ­angepasste
     sern, die an feuchten und eher sauren Stand-       Arten wie nur millimetergroße Wanzen und
     orten gedeihen. Rieder ­wachsen beispielsweise     Zikaden. Eine Heuschrecke, die tagaktive Kurz-
     in den Zonen, in denen das Röhricht am Ufer        flügelige Schwertschrecke, macht sich durch
     des Sees in feuchtes Grünland übergeht. In         ihren hohen und zarten, langanhaltenden Gesang
     nassen Zeiten können die kräftigen Horste der      ­be­merkbar, der – mal stärker, mal ­schwächer –
     bis zu drei Meter hohen Großseggen wie der         wie das Geräusch beim Messerschleifen klingt.
     Rispen-Segge allseits von Wasser umspült sein.     Aufgrund ihrer perfekten Tarnung ist sie kaum zu
     Hier kann man zwischen den Gräsern des Rieds       entdecken. Letzteres gilt auch für den Wachtel-
     auch den Sumpf-Schachtelhalm finden, eine          könig, der hauptsächlich während der Dunkelheit
     altertümliche Pflanze mit dickem Stängel, um       ­„kreksend” aus dem Moorgrünland ruft.
     den herum bei den ausgewachsenen Pflanzen          Rieder entstehen entweder durch Verbrachung
     die zarten Seitenäste in Etagen angeordnet sind.   von Feucht- und Nasswiesen, ­deren Nutzung
     Im Gegensatz zum Röhricht besteht ein Ried         aufgegeben wurde oder als ­bultiges Großseg-
     überwiegend aus größeren und kleineren Sauer-      genried durch Verlandung von Teichen und
     gras-Arten. Ähnlich wie beim Röhricht werden im    Weihern. Werden die Rieder entwässert, ver-
     Laufe der Entwicklung eines Rieds einige wenige    armt die Vegetation und verbuscht allmählich.
     Arten dominant und kennzeichnen die Pflanzen-      Auf ­landwirtschaftlichen Flächen sind sie durch
     gesellschaft dieses Rieds.                         Drainage und anschließende Grünlandnutzung
                                                        gefährdet.

     Kurzflügelige Schwertschrecke

30
SELTEN UND
                                                       UNERSETZLICH

  i
Tipp

Großseggenried im Moorgürtel zwischen
dem Torfgraben im Osten und der Straße
Dritte Meile im Westen, südlich Francoper
Moor und östlich Vierzigstückenmoor.
Eine kleine Fahrrad-Tour: von S-Bahnsta-
tion Neugraben über den Gleisstieg nach
Westen bis zur Straße Am Aschenland,
diese entlang, nach der Links- Biegung den
1. Weg rechts hineinfahren, nach ca. 700m
auf der T-Kreuzung links weiter, nach ca.
400m den 2. Weg rechts hinein, auf der
rechten Seite nach ca. 200m beginnt die
Fläche des Rieds.

                                             Wachtelkönig         31
Nasswiesen

     Der Sommer ist bunt: gelber Hahnenfuß zwi-        besser durch ein „Meckern“ zu hören. Dieses
     schen Matten von weißem Wiesen-Schaum-            Brummen erzeugt der Vogel beim Sturzflug
     kraut und Horsten von Binsen. Zwischen den        mit dem Vibrieren der Schwanzfedern. Hier
     Blüten tummeln sich weiße, gelbe, blaue Falter.   vollführt auch der Kiebitz s­ eine a
                                                                                          ­ krobatischen
     Feuchte bis sumpfige Weiden, Wiesen oder          Balzflüge, oft schon Ende März. In der Nähe
     Senken sind reich auch an seltenen Pflanzen.      von Wasserflächen schleichen sich scheue
     Hier blühen die Schachblume, das Breitblätt-      Ringelnattern an ihre Beute: Frösche, ­Molche
     rige Knabenkraut – eine Orchideenart –, die       und Kröten. Diese sind auch eine ­Hauptspeise
     Kohldistel und die Sumpf-Kratzdistel. Die Blü-    des Weißstorches, den man vor allem in den
     ten locken eine vielfältige Insektenfauna aus     Vier- und Marschlanden – auf den Nasswiesen
     Heuschrecken, Hummeln, Schwebfliegen und                  herumstolzierend – beobachten kann.
     Schmetterlingen an. Auf Nasswiesen brüten                         In den Hamburger ­Marschen
     die Ufer­schnepfe mit ihrer rostfarbenen                            waren solche Wiesen frü-
     Brust, die B
                ­ ekassine und das Braunkehl-                             her typisch. Heute sind
     chen. Der Balzflug der Bekassine                                       die ­meisten ­Nasswiesen
     ist in der Dämmerung kaum                                               durch Entwässerung
     zu sehen, aber umso                                                           und Düngung zu-

32
                                                         Weißstorch
rückgedrängt worden. Ein großer Teil des
            Grünlandes in der Marsch ist heute soweit
            trockengelegt und durch intensive Bewei-
            dung so stark verdichtet, dass sich keine
            Nasswiesenflora mehr ausbilden kann.
            Weitere Vorkommen von Nasswiesen sind
            auf Stauwasser geprägten Böden der Geest
            beispielsweise in Volksdorf zu finden.

                                                                     i
                                                                 Tipp
 SCHMETTERLINGE
                                                                 Teichwiesen in Volksdorf gegenüber vom
           ÜBER                                                  U-Bahnhof Volksdorf.

  BUNTEN BLÜTEN

                                                                                                          33
Bekassine                                               Breitblättriges Knabenkraut
Quellbereiche

     Leise blubbernd tritt kühles klares Wasser      rostige Farbe in einigen Quellbereichen hat
     aus dem Waldboden hervor. Die Hang- und         übrigens nichts mit Verschmutzung zu tun. Im
     Sickerwässer im Alstertal und Bergstedt         Gegenteil, das Wasser, das aus den oft lehmi-
     sowie der Quell-Topf am Liet-Barg im Natur-     gen Hängen quillt, ist sauberes, aber eisen-
     schutzgebiet Boberg gehören zu den wenigen      haltigen Grundwasser. Unter Mitwirkung von
     natürlichen Wasseraustritten auf Hamburger      Bakterien wird das Eisen oxidiert und lagert
     Gebiet.                                         sich in orangegelben Flocken entlang des ent-
     Durch fortgeschrittene Versiegelung und         standenen Baches ab.
     Drainage sind viele Quellen leider schon ver-
     schwunden. Da in den Quellsümpfen aber eine
     charakteristische und seltene Flora aus Bit-
     terem Schaumkraut, Quellmoosen, Milzkraut,
     Brunnenkresse, Bachbungen-Ehrenpreis,
     Wasserdost und Wildprimeln wächst, gehören
     sie zu den schützenswertesten Biotopen
     überhaupt.
     Die

                                                                                           Grasfrosch

34
WO DAS
                                                           GRUNDWASSER
                                                               SPRUDELT
   i                                           Milzkraut

Tipp

Hangquellen im Naturschutzgebiet
­Hainesch-Iland im Bereich des Hain­grabens.
Vom U-Bahnhof Volksdorf mit dem Bus
bis zur Haltestelle „Iland”, von der Straße
Iland rechts ins Heindaal, dann links in den
­Wanderweg.
Mit dem Auto: Bergstedter Chaussee bis
Iland.
•  Quellen am nordöstlichen Rand des
 ­Naturschutzgebietes Boberg. Vom
 U-Bahnhof Mümmelmannsberg mit dem
 Bus bis zur Haltestelle „Boberg”, von dort
 in die Straße Unterberg. Mit dem Auto:
 Bergedorfer Straße (B5) bis Unterberg.
Hinweis: Quellbereiche sind hochempfind-
lich und sollten nur von den Wegen aus
betrachtet werden.
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Offene Binnendünen

     Am Fuße der Dünen räkelt sich eine Bikini­         Die offenen Sandflächen sind auch die Heimat
     schönheit. Sie schaut dem Beachvolleyballspiel     der Ameisenjungfer. Dessen Larve, der Amei-
     zu. Sylt? Wir sind in den Boberger Dünen,          senlöwe, baut anderen eine Grube. Ameisen
     einem sensiblen Lebensraum, den wir beson-         rutschen in den sandigen Trichter, an dessen
     ders rücksichtsvoll behandeln sollten. Auch        tiefstem Punkt der Fallensteller auf seine
     wenn die offenen Sandflächen der Dünen auf         ­Beute lauert.
     den ersten Blick unwirtlich wirken, sind sie ein   Wie die Dünen an der Küste sind Binnendü-
     bedeutsames Biotop. Das Leben spielt sich hier     nen durch den Wind entstandene Sandan-
     im Untergrund ab. Zahlreiche Insektenarten         häufungen entlang des Elbtales. Der Sand
     bevölkern den lockeren Sand. Sand- und ­andere     stammt hier aus der Elbe. Die Boberger Düne
     ­Grabwespen legen ihre Brut­röhren im sonnen-      ist einer der letzten Reste einer einst ausge-
     durchwärmten Boden an. Ihre unterirdischen         dehnten Dünen-Landschaft am Nordrand des
     Bauten sind extrem trittempfindlich. Diese         Elbe-Urstromtales. Große Teile der Binnendü-
     wärmeliebenden Wespen sind auf die offenen         nen wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts
     Dünenflächen angewiesen. Nur hier im warmen        zur Aufhöhung der Stadtteile Hammerbrook
     Sand können ihre Larven sich entwickeln. Daher     und Billbrook abgetragen. An anderer Stelle,
     ist im Naturschutzgebiet Boberger Niederung
     eine ungehinderte Freizeitnutzung
     nur auf ­bestimmten Flächen
     erlaubt.

                                                        Ameisenjungfer

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­oberhalb des Rissener Elbufers, wurden
weite Bereiche der offenen Binnendünen
durch Aufforstung mit Kiefern zerstört.
Heute zeigt sich in der Boberger Niederung
der Konflikt zwischen dem Bedürfnis vieler
Städter nach Erholung und den Erfordernis-
sen des Naturschutzes. Spaziergänger und
Radler sollten unbedingt beachten, dass die
Binnendüne unter Naturschutz steht und
außerhalb der Wege nicht betreten werden
darf. Sie zerstören sonst die empfindlichen
Nester der Insekten.                                                                    Ameisenlöwe

                                                               DIE WÜSTE

                                                i
                                                                    LEBT

                                              Tipp

                                              Naturschutzgebiet Boberger Niederung
                                              •  Mit der U3 bis zur Haltestelle Billstedt, von
                                               dort mit dem Bus bis zur Haltestelle Am
                                               Langberg. Von dort 15 Minuten Gehweg
                                               über Schulredder und Boberger Furt zum
                                               Info-Haus.
                                                                                                  37
Zwergstrauchheiden und Borstgrasrasen

     Hoch über uns trillert eine Lerche. Ginsterbü-      Teilen der Fischbeker Heide leben 2500 Klein-
     sche leuchten grellgelb. Ein Bläuling flattert      tierarten, beispielsweise Feldlaufkäfer und die
     vorbei, eine Eidechse verschwindet im Heide-        Gefleckte Keulenschrecke. Im Herbstmorgen
     kraut. Die Heide, wie Spaziergänger sie lieben,     ist die Besenheide großflächig von Spinnweben
     ist entstanden durch menschliche Nutzung der        überzogen – hier kommen 140 Spinnenarten
     ­Landschaft. Die Pflanzen dienten als Stallstreu,   vor.
     Dünger oder zur Besenherstellung, daher der         Durch Bebauung, landwirtschaftliche Nut-
     Name Besenheide. Heidschnucken-Herden lie-          zung und ­Aufforstung ist in den vergangenen
     ferten Fleisch, Milch und Wolle. Die Heidschnu-     Jahrhunderten viel Heide verloren gegangen.
     cken erhalten und pflegen die Heide.                Die verbliebenen Heideflächen auf Hamburger
     Besenheide braucht ständige Verjüngung, sonst       Gebiet sind überwiegend in Naturschutzgebie-
     stirbt sie ab. Da es die ursprünglich bäuerliche    ten geschützt. Borstgrasrasen sind in Hamburg
     Nutzung nicht mehr gibt, ist es eine Aufgabe        kleinflächig zwischen Heide-Arealen einge-
     des Naturschutzes, diese alte Kulturlandschaft      streut. Dieses kleine, in Horsten wachsende
     zu erhalten. Was die ­Heidschnucken nicht           Gras besiedelt als eine der ersten Pflanzen
     schaffen, übernehmen heute die Menschen:            magere, kalkarme Böden. Die ­Borstgrasrasen
     die Mahd, die Aussaat und das Entkusseln, das       sind ein beliebter Aufenthaltsort für Feldheu-
     Entfernen der jungen Bäume. Die Heide ist die       schrecken.
     Heimat von seltenen Reptilien. Hier sonnen
     sich abseits der Wege Kreuzotter, Zauneidech-
     se und Blindschleiche. Die Zaun­eidechse ist
     an ihrem geometrischen Muster aus dunklen
     Flecken mit hellen Augenpunkten zu erkennen,
     die giftige – und sehr scheue! – Kreuzotter
     am ­Zickzackmuster. Auch der Geisklee-Bläu-
     ling braucht diesen Lebensraum, seine Raupen
     leben an der Besenheide. In den trockenen

                                                                                Zauneidechse
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