NATURSCHUTZ LEITLINIE 2022 - FÜR DEN HESSISCHEN STAATSWALD - Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
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Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz NATURSCHUTZ LEITLINIE 2022 FÜR DEN HESSISCHEN STAATSWALD
INHALT 1 Vorwort 4 8 Einzelbäume und Mikrohabitate 44 2 EINFÜHRUNG 6 8.1 Habitatbäume – Ausgangspunkte für Artenvielfalt 45 2.1 Rückblick 7 8.2 Totholz im Wald 49 2.2 Naturschutzkodex 8 8.3 Beitrag zum Erhalt von Biotop- und Totholz in lokalen Naturschutzkonzepten 50 2.3 Kernelemente der Naturschutzleitlinie 2022 10 9 Artenschutz im Wald 52 3 LokaleNaturschutzkonzepte 12 9.1 Schutz bekannter Horstbäume und Höhlenzentren 53 9.2 Holzernte (einschließlich Holzbringung und Brennholzaufarbeitung) und Horstbäume 54 3.1 Flächendeckende Analyse 12 9.3 Schutz waldbewohnender Fledermausarten 56 3.2 Identifikation von Handlungsfeldern 13 9.4 Störungsminimierung durch Besucherlenkung 56 3.3 Beschreibung von Maßnahmen 13 9.5 Störungsminimierung durch zeitliche Steuerung von Ernte und Rückearbeiten 57 3.4 Priorisierung, Planung und Kontrolle 14 9.6 Störungsminimierung bei sonstigen Arbeiten im Wald 58 3.5 Umsetzung 14 9.7 Vermeidung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln 59 4 Naturwaldentwicklungsflächen, Schutzgebiete 9.8 Arten- und Habitatpatenschaften 60 und gesetzlich geschützte Biotope 16 10 Beteiligung der vom Land Hessen anerkannten 4.1 Natura 2000-Gebiete 17 Naturschutzvereinigungen 64 4.2 Naturschutzgebiete 18 10.1 Beirat bei der Landesbetriebsleitung Hessen-Forst (Verbände, HLNUG, ONB) 65 4.3 Gesetzlich geschützte Biotope 19 10.2 Beteiligung bei der Erstellung der lokalen Naturschutzkonzepte 65 4.4 Naturwaldentwicklungsflächen 19 10.3 Beteiligung bei der Forsteinrichtung 65 5 Erhalt der Vielfalt der Lebensräume im Wald 22 10.4 Unterstützung bei Kartierungen durch Betretens- und Befahrenserlaubnis 66 10.5 Bereitstellung von Forstbetriebskarten mit Informationen zu Hauptbaumart 5.1 Vorwaldstadien und Förderung seltener Baumarten 23 und Bestandsalter 66 5.2 Waldwiesen 26 5.3 Waldränder 27 11 Organisation 68 5.3.1Waldaußenränder 27 11.1 Landesbetriebsleitung Hessen-Forst Abteilung Waldentwicklung und Umwelt 69 5.3.2 Waldinnenränder 28 11.2 Funktionsbeschäftigte Naturschutz 69 5.4 Waldböden 29 11.3 Nordwestdeutsche Forstliche Versuchanstalt Waldnaturschutz 70 11.4 Modellbetrieb für Waldbiodiversität PLUS 70 6 Genetische Vielfalt im Wald 30 11.4.1 Zielbeschreibung 70 7 Wald und Wasser 34 11.4.2 Modellbetrieb im Staatswald des Forstamts Hofbieber 70 7.1 Quellen 35 11.4.3 Naturschutzorientiertes Waldbewirtschaftungsmodell 71 7.2 Fließgewässer und Wasserführung im Rahmen 11.4.4 Weitere Maßnahmen 72 von Wegebau, -unterhaltung und -instandsetzung 37 11.4.5 Marteloskop 72 7.3 Feuchtwälder 40 11.5 Modellprojekt für Klimaschutz PLUS 73 7.4 Waldmoore 41 11.6 Kooperationspartner 73 7.5 Erhöhung des Wasserrückhalts im Wald 42 2 3
Wir alle erleben biologische Vielfalt auf die eine oder ande- re Weise als Bereicherung des täglichen Lebens, vielleicht bei einem Spaziergang in einem urtümlichen Wald, beim Belauschen eines Vogelkonzerts oder beim Anblick einer blütenreichen Waldwiese mit darüber fliegenden Schmet- terlingen. Das weltweite Artensterben bedroht das Leben, wie wir es kennen. Es gilt neben dem Klimawandel als die größte Bedrohung für die Menschheit. Deswegen unternehmen wir große Anstrengungen, bedrohte Arten zu schützen und Le- bensräume wiederherzustellen. Dort, wo das Land als Eigentümer han- delt, gilt das in besonderem Maße. Wir haben deshalb in der Richtlinie für die Bewirtschaftung des Staatswaldes den Schutz der Biodiversität als eigenes Hauptziel neu aufgenommen und ihm im Konfliktfall neben dem Kli- maschutz und anderen Schutzzielen den Vorrang eingeräumt. Das bedeutet, dass jede und jeder Beschäftigte des Landesbetriebes angefangen bei der Landesbetriebsleitung, bis hinein in jedes einzelne Revier, jede Försterin und jeder Förster, die Forstwirtschaftsmeisterinnen und Forstwirtschaftsmeister und die Forstwirtinnen und Forstwirte Verantwortung dafür tragen, dass bei der Bewirtschaftung unseres Staatswaldes im Zweifel dem Biodiversitätsziel gegenüber anderen Interessen der Vorrang einzuräumen ist. Nach der Ausdehnung der Naturwälder auf 10 % der Staatswaldfläche, der Erweiterung des Nationalparks und der Einrichtung des Pilotbetriebs für Waldbiodiversität PLUS wollen wir als eines der waldreichsten Bundesländer mit der Naturschutzleitlinie einmal mehr den Anspruch unterstreichen, dass wir bei der treuhänderischen Bewirtschaftung des Waldes der Bürgerinnen und Bürger die biologische Vielfalt besonders im Blick haben und bundesweit Vorreiter sind. Dies gilt in Zeiten des Klimawandels umso mehr. Die Dürresommer haben uns in unbarmherzi- ger Härte aufgezeigt, dass der Wald Krisen dann besser zu meistern versteht, wenn naturnahe Strukturen vorherrschen. 1 Die Naturschutzleitlinie enthält viele Instrumente, um den Ansprüchen besonderer Waldarten, den Lebensgemeinschaften der Alters- und Zerfallsphase oder geschützten Sonderstandorten und Schutzgebieten gerecht zu werden. Sie ist das Ergebnis eines langen Prozesses, ausge- hend von Facharbeitsgruppen des Landesbetriebs Hessen-Forst und der Fachverwaltungen bis VORWORT hin zur Beteiligung der anerkannten Naturschutzvereinigungen, denen dafür mein herzlicher Dank gilt. Der Erfolg all dieser Bemühungen liegt aber in den Händen der Beschäftigten des Landesbetriebes. Ich habe viele von ihnen kennen gelernt und weiß, dass sie diese Aufgabe mit Freude, Verantwortungsbewusstsein und Kompetenz aus eigenem Antrieb angehen – in Verantwortung für künftige Generationen, denen wir eine lebenswerte Welt und einen liebens- werten Wald hinterlassen wollen. Priska Hinz Umweltministerin 4 5
2.1 RÜCKBLICK Die bislang gültige Naturschutzleitlinie für den ell für windkraftsensible waldbewohnende Vogel- hessischen Staatswald wurde im April 2011 in und Fledermausarten hat das Land bundesweit Kraft gesetzt. Den Schwerpunkt der Naturschutz- Maßstäbe gesetzt und im Staatswald bereits erste leitlinie bildeten verschiedene Maßnahmen zur Maßnahmen zur Verbesserung des Erhaltungszu- Verbesserung der Lebensbedingungen von Arten, standes dieser Arten umgesetzt. die an die Alters- und Zerfallsphasen der Waldent- wicklung angepasst sind. Dazu zählte eine erste Neben positiven Entwicklungen aus Sicht des Tranche von Naturwaldentwicklungsflächen auf Naturschutzes stehen aber auch einige negative 6 % der Staatswaldfläche, der Schutz von Habi- Veränderungen: tatbäumen und ein Totholzkonzept. Zum Schutz einer Reihe von Tierarten wurden Maßnahmen In vielen Studien wurde ein in seinen Ausmaßen zur Störungsminimierung ergriffen, insbesondere dramatischer Rückgang der Insekten-Biomasse artspezifische Ausschlusszeiten für die Holzernte dokumentiert. Das hat zu einer intensiven gesell- festgelegt. Die Forstämter haben für ausgewählte schaftlichen Diskussion und einer Änderung des Arten und Lebensräume Patenschaften übernom- Bundesnaturschutzgesetzes geführt. Der Wald ist men, die zu einzelnen Umsetzungsprojekten führ- mit den xylobionten Insektenarten, darunter vor ten. Schließlich wurde in einem Naturschutzkodex allem den alt-, totholz-, mulm- und pilzbewoh- die Verantwortung jedes und jeder Beschäftigten nenden Käferarten betroffen, die größtenteils die des Landesbetriebes für den Waldnaturschutz Roten Listen anführen und nur noch Reliktvorkom- beschrieben. men aufweisen. Seit dem Inkrafttreten der Naturschutzleitlinie ha- Die Klimakrise hat das Gesicht ganzer Waldland- ben sich die Bedingungen für den Naturschutz im schaften in kürzester Zeit dramatisch verändert. Staatswald verändert. In zwei weiteren Tranchen Drei Dürresommer trafen auf einen sturmgeschä- wurden der Anteil der Naturwaldentwicklungs- digten Wald. Die dem Trockenstress ausgesetzten flächen zunächst auf 8 %, später auf 10 % der Fichten konnten sich nicht mehr gegen Krank- Staatswaldfläche angehoben. Der gesamte Staats- heiten und Borkenkäfer zur Wehr setzen. Mehr wald wurde nach FSC zertifiziert, womit erweiterte als 30.000 Hektar Staatswald sind abgestorben. Standards zur Umweltsicherung verbunden sind. Auch bei der prägenden Baumart der hessischen 2020 wurde schließlich der Nationalpark Keller- Wälder, der Buche, hat die Trockenperiode man- wald-Edersee deutlich vergrößert. In Pilotforstäm- cherorts zu einer deutlich sichtbaren Schwächung tern für Klimaschutz (Burgwald) und Biodiversität von Individuen geführt. Aufgelichtete Bestände 2 (Hofbieber) werden darüber hinaus modellhaft waren davon besonders betroffen. Gleichzeitig erweiterte Möglichkeiten der Integration von Um- haben Starkregenereignisse mit schrecklichen Fol- weltbelangen in die Staatswaldbewirtschaftung gen deutlich gemacht, wie wichtig Wasserrückhalt EINFÜHRUNG entwickelt und erprobt. Sie spielen auch eine auch im Wald ist. wichtige Rolle in der Aus- und Fortbildung. Darü- ber hinaus wurden Stellen für Funktionsbeschäf- Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen war tigte Naturschutz in allen Forstämtern geschaffen die Naturschutzleitlinie zu überarbeiten. Vorschlä- und sukzessive besetzt. Die Stellen wurden zudem ge für die Neufassung der Leitlinie wurden in aufgewertet. Nach Kolkrabe und Schwarzstorch Arbeitsgruppen mit Vertreterinnen und Vertretern sind weitere Tierarten in den hessischen Wald zu- des Landesbetriebes und der Naturschutzverwal- rückgekehrt, darunter so charismatische Arten wie tung erarbeitet. der Kranich. Mit einem Artenhilfsprogramm spezi- 6 7
2.2 NATURSCHUTZKODEX • Arten- und Biotopschutz sowie weitere natur- • Die Landesbetriebsleitung unterstützt im schutzrelevante Sachverhalte werden gleich- Rahmen ihres Fach-Controllings die Forst- Der Naturschutzkodex bringt die Grundhaltung dig bewerten zu können, die Unterstützung ranging mit den anderen Zielen regelmä- ämter bei der Umsetzung von Naturschutz- des Landesbetriebes Hessen Forst zum Aus- von Expertinnen und Experten innerhalb und ßig bei Forstamtsdienstbesprechungen leistungen. Das kennzahlenbasierte Berichts- druck. Diese ist geprägt von einem stets ver- außerhalb der Landesverwaltung in Anspruch als eigener, von Funktionsbeschäftigten für wesen wird erweitert und unterstützt alle antwortungsvollen und schonenden Umgang nehmen (z. B. Hessisches Landesamt für Na- Naturschutz vorbereiteter Tagesordnungs- Ebenen dabei, Abweichungen und Verbes- mit den anvertrauten Wäldern und den in ihnen turschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG), punkt behandelt. serungspotentiale frühzeitig zu erkennen. lebenden Arten. Dieser Anspruch ist für alle Be- Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt Die wesentlichen Kennzahlen werden im schäftigen des Landesbetriebes Maßstab und (NW-FVA), Hochschulen, spezialisierte Pla- • Das umfassende Bildungsangebot des Nachhaltigkeitsberichtt des Landesbetriebs Auftrag zugleich. nungsbüros, Sachverständige, Naturschutz- Landesbetriebes greift in seiner jährlichen veröffentlicht. verbände), Planung gezielt Themen auf, bei denen neue Unser Anspruch ist es, dass wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen • Wir suchen in allen Bereichen unserer Ar- • uns rechtliche Vorgaben und Anforderungen oder die in der Vergangenheit betriebliche beit und auf allen Ebenen des Betriebs aktiv • wir den Wald als Ökosystem verstehen und präsent sind und wir sie stets einhalten, Verbesserungspotentiale offenbart haben. den Austausch mit unterschiedlichen Inter- unser ökonomisches Handeln danach aus- Neue Anforderungen (z. B. Biber-, Fisch- essenvertretern „jährlichen Austauschge- richten, • wir uns aktiv in den Dialog mit den Natur- otter-, Luchs- und Wolfmanagement) wer- sprächen“ im und am Wald, – nicht zuletzt schutzvereinigungen und den Waldbesu- den umgehend in das Bildungsprogramm den anerkannten Naturschutzvereinigun- • wir bei der Planung und Umsetzung forstbe- chern einbringen. integriert, kompetente Partner, wie das gen. Er ist sowohl Teil der täglichen Arbeit, trieblicher Arbeiten die Belange des Biotop Hessische Landesamt für Naturschutz, Um- als auch Ziel und Inhalt institutionalisier- und Artenschutzes beachten und ihnen im Als unmittelbare Wirkung des Kodex gilt für un- welt und Geologie (HLNUG), die Abteilung ter, bewährter Beteiligungen wie z. B. den Konfliktfall Vorrang einräumen, seren Arbeitsalltag: Waldnaturschutz der Nordwestdeutschen „Waldforen“, im Rahmen der Forstbetriebs- Forstlichen Versuchsanstalt (NW-FVA) oder planung oder jährlichen Austauschgesprä- • wir erkennen, wenn betriebliche Arbeiten • Die Leitungsebenen des Betriebes machen die anerkannten Naturschutzvereinigungen chen auf gesamtbetrieblicher wie auch loka- und Naturschutzbelange nicht gleicherma- den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die eingebunden. ler Ebene mit Vertreterinnen und Vertreter. ßen berücksichtigt werden können, Bedeutung des Naturschutzes stets bewusst, unterstützen sie bei der Zielerreichung und • wir erkennen, wenn Naturschutzbelangen werden ihrer Vorbildfunktion gerecht. Vorrang zu geben ist, • Die betrieblichen Informationssysteme hel- • wir uns zu Naturschutzthemen fortbilden, fen uns, naturschutzrelevante Sachverhalte möglichst vollständig verfügbar zu machen. • wir besondere Arten und wichtige Struktur- Wir arbeiten kontinuierlich daran, deren elemente im Wald erkennen und schützen, Übersichtlichkeit zu erhöhen, die Bereitstel- lung von Informationen zu beschleunigen Michael Gerst Stefan Nowack • wir den eigenen Mitarbeiterinnen und Mitar- und die relevanten Informationen priorisiert Landesbetriebsleiter Abteilungsleiter Waldentwicklung beitern und den beauftragten Unternehmern aufzubereiten. Unser Ziel ist ein betriebliches und Umwelt die Bedeutung des Naturschutzes bewusst- „Naturschutzkataster“, das die wesentlichen machen und sie bei der entsprechenden Ziel- Informationen übersichtlich für den Revier- erreichung unterstützen, dies gilt insbeson- dienst parat hält. Des Weiteren prüfen wir dere auch in der Ausbildung der forstlichen bei allen Entwicklungen auch mobile Sys- Nachwuchskräfte, teme, mit denen Informationen optional di- rekt vom Ort des Geschehens festgehalten Holger Henning i.V. Jörg van der Heide • wir, um auch spezielle Sachverhalte vollstän- werden können. Abteilungsleiter Personal und Finanzen Abteilungsleiter Forstbetrieb und Dienstleistungen 8 9
Für die Bewältigung der neuen Aufgaben ist die ebenso wie die Naturschutzbehörden und das CHECKBOX: WIE MESSEN WIR DIE ERREICHUNG UNSERER ZIELE? Landesverwaltung gut aufgestellt; mit dem Refe- Zentrum für Artenvielfalt im Hessischen Landes- rat Biodiversität im Wald und Naturwälder im Mi- amt für Umwelt und Geologie. nisterium, der Abteilung Waldnaturschutz in der Um den naturschutzfachlichen Kenntnisstand der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu ermit- Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt, Viel Wissen über das Leben im Wald wird aller- teln und zu erhöhen, werden folgende Kennzahlen erhoben: der Abteilung Waldentwicklung und Umwelt in dings von den ehrenamtlich tätigen Mitgliedern der Landesbetriebsleitung und den Funktions- der von Hessen anerkannten Naturschutzvereini- • Anzahl der Abweichungen vom FSC- • Anzahl naturschutzfachlicher, berechtig- beschäftigten Naturschutz in den Forstämtern. gungen erhoben. Die Zusammenarbeit zwischen Standard in den Zertifizierungsaudits, ter Beschwerden je Jahr Diese unterstützen die den Wald in der Fläche ihnen und dem Landesbetrieb findet auf vielen die naturschutzfachlich begründet sind betreuenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Ebenen bereits heute statt. Mit der Naturschutz- • Innerbetriebliche Teilnehmertage an bei dem Erhalt der Funktionsfähigkeit des Öko- leitlinie werden die Beteiligungsmöglichkeiten Naturschutzfortbildungen systems Wald mit seinen vorrangigen Biodiver- und Informationsrechte für die Verbände erwei- sitäts-, Klimaschutz- und weiteren Schutzzielen tert und institutionalisiert. Der Sachbereich Naturschutz der Landesbetriebsleitung wertet zur Erhebung dieser Kennzah- len jährlich nach einem festzulegenden Schema die Auditberichte der Zertifizierungssysteme sowie die eingegangenen Beschwerden aus. 2.3 KERNELEMENTE DER NATURSCHUTZLEITLINIE 2022 Zentrales Element sind lokale Waldnaturschutz- Der Schutz von Habitatbäumen als Kernbestand- konzepte. Bis Ende 2024 soll für jedes Forstamt teil der Habitatausstattung für alt- und totholzge- ein detailliertes Waldnaturschutzkonzept auf- bundene Arten sowie als wichtiges Strukturele- gestellt werden, dass kartografisch und in Text- ment im nachhaltig bewirtschafteten Wald wird form die wesentlichen naturschutzfachlichen ausgeweitet. Grundsätzlich werden 10 Habitat- Anforderungen und geplanten Maßnahmen be- bäume je Hektar angestrebt, in Natura 2000-Ge- schreibt. Das lokale Waldnaturschutzkonzept bieten liegt der Orientierungswert bei 15 Habi- garantiert künftig eine planvolle Umsetzung der tatbäumen. Neu ist der explizite Schutz und die Naturschutzleitlinie unter besonderer Berück- Erfassung sogenannter Methusalembäume, also sichtigung der naturräumlichen Ausstattung vor markanter Baumdenkmäler und außergewöhn- Ort. Es bildet eine Grundlage für die darauf auf- licher Baumindividuen. bauende Forstbetriebsplanung. Der Wald ist Lebensraum für viele Arten, die sel- Darüber hinaus bildet das Thema Wasser vor ten geworden sind und deswegen eines beson- dem Hintergrund des Klimawandels einen deren Schutzes bedürfen. Darunter sind störungs- Schwerpunkt der Neufassung. Zentrales Anlie- sensible Vogelarten und Waldfledermäuse, die gen ist das Zurückhalten von Wasser im Wald, besonders hohe Ansprüche an die Höhlen- und die Abkehr von Entwässerung und Schutz sowie Nischenausstattung des Waldes stellen. Sie er- Wiederherstellung wassergebundener Lebens- fahren neben den bewährten Instrumenten des räume im Wald wie Quellen, Moore, Bruch- und Waldnaturschutzes mit dieser Naturschutzleitlinie Auenwälder. eine gestiegene Beachtung. 10 11
3 LOKALE NATURSCHUTZKONZEPTE In lokalen Naturschutzkonzepten werden für je- tisiert. Die lokalen Naturschutzkonzepte bilden des Forstamt ausgehend von einer Analyse der als flächendeckende und flächenscharfe Fachpla- zusammengetragen und dokumentiert. Vorlie- (z. B. aus Eingriffsgutachten) anderer Behörden bestehenden naturschutzfachlichen Restriktio- nung eine wesentliche Grundlage für die Forst- gende Erhebungen und Kartierungsergebnisse und Ämter werden ebenfalls zu Rate gezogen. nen und der vorhandenen Informationen über betriebsplanung, die nur in begründeten und Arten und Lebensräume im Staatswald, Hand- dokumentierten Fällen von den Vorgaben des lungsfelder und Naturschutzmaßnahmen inhalt- lokalen Naturschutzkonzepts abweichen kann. 3.2 IDENTIFIKATION VON HANDLUNGSFELDERN lich bestimmt und räumlich differenziert konkre- Ausgehend von der Analyse werden spezifische (z. B. Verbesserung des Erhaltungszustands des Handlungsfelder für jede Staatswaldfläche be- Lebensraumtyps, Erhöhung der Habitatbaum- 3.1 FLÄCHENDECKENDE ANALYSE schrieben, also die konkreten Aufgabenstellun- zahl, Revitalisierung eines Moores). gen und Ziele für die jeweilige Flächeneinheit In einem ersten Schritt werden naturräumliche bekannten, die in Maßnahmenplänen beschrie- Ausstattung und die Bestockung sowie die be- benen Naturschutzfachdaten (insbesondere Le- stehenden naturschutzfachlichen Restriktionen bensräume und Arten der FFH-Richtlinie und der 3.3 BESCHREIBUNG VON MASSNAHMEN (z. B. Naturwaldentwicklungsflächen, Natura Vogelschutzrichtlinie, Rote Liste Arten, Arten der 2000-Gebiete, Schutzgebiete, gesetzlich ge- Hessenliste1, Arten- und Habitatpatenschaften) Für die einzelnen Handlungsfelder werden Artvorkommen (erhöhte Schwellenwerte für Ha- schützte Biotope) dargestellt. Darüber hinaus ermittelt und zusammen mit Kenntnissen der flächenspezifische Maßnahmen und Projekte bitatbäume, Horstschutzzonen), Rückbau einer werden die aus Erhebungen und Kartierungen Forstleute und von ehrenamtlich Engagierten beschrieben, beispielsweise detaillierte Be- Entwässserung oder Renaturierung einer ge- wirtschaftungsempfehlungen bei bekannten fassten Quelle. 1 https://www.hlnug.de/themen/naturschutz/biodiversitaetsstrategie-hessenarten. 12 13
3.4 PRIORISIERUNG, PLANUNG UND KONTROLLE Schließlich enthält das lokale Naturschutzkonzept eine naturschutz- fachliche Priorisierung der Maßnahmen und einen Umsetzungszeit- raum für die konkreten Maßnahmen. Mit den Maßnahmenvorschlägen werden jeweils auch Instrumente für die Erfolgskontrolle definiert. 3.5 UMSETZUNG Verantwortlich für die Erstellung und Umsetzung der lokalen Natur- schutzkonzepte sind die Leiterinnen und Leiter der Forstämter. Die Funktionsbeschäftigten im Naturschutz erarbeiten die Inhalte feder- führend in Abstimmung mit den Revierleitungen und organisieren den Beteiligungsprozess. Die Landesbetriebsleitung sichert die Qualität der einzelnen Forstamtskonzepte und stimmt diese mitein- ander ab (z. B. hinsichtlich der Auswahl der Arten- und Habitatpaten- schaften). Unterstützung bieten die Abteilung Waldnaturschutz der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt und das Zentrum für Artenvielfalt. Die Leiterinnen und Leiter der Forstämter tragen auch die Verantwortung für die Beteiligung der in Hessen anerkannten Na- turschutzvereinigungen bei der Erstellung des Naturschutzkonzepts. Die erstmalige Erstellung der lokalen Naturschutzkonzepte wird spä- testens bis zum 31. Dezember 2024 abgeschlossen. Die Evaluierung, Fortschreibung und Integration erfolgt jeweils im Rahmen der nächs- ten Forstbetriebsplanung. Gesetz- und Verordnungsgeber und der Waldeigentümer haben Staatswaldflächen wegen ihrer Eigenart oder Seltenheit, wegen des Vorkommens bestimmter Arten oder zur Wiederherstellung einer natürlichen Walddynamik unter einen besonderen rechtlichen Schutz gestellt. In diesen Gebieten steht der naturschutzfachliche Schutz- zweck im Vordergrund und die Waldnutzung muss sich dort, wo sie zulässig ist, dem Schutzzweck unterordnen. Das Management der Gebiete und die Waldnutzung sind darauf gerichtet, den Erhaltungs- zustand zu verbessern und Störungen zu verringern. 14 15
4.1 NATURA 2000-GEBIETE Als Natura 2000-Gebiete bezeichnet man Schutz- unter Beachtung der Erhaltungsziele klein- gebiete, die aufgrund der FFH- bzw. der Vogel- räumig angewendet, um gleichmäßiges Öff- schutzrichtlinie ausgewiesen wurden. Sie dienen nen des Kronendachs zu verhindern. dem Erhalt des gemeinsamen europäischen Naturerbes. Da Hessen aufgrund seiner biogeo- • in FFH-Gebieten auf einen größeren Anteil grafischen Lage insbesondere für die Lebens- stärker dimensionierter Bäume hin- gemeinschaften der sommergrünen Laubwälder gewirkt als in Gebieten außer- Mitteleuropas eine herausgehobene Verantwor- halb der FFH-Gebiete (z. B. tung trägt, liegt die Mehrzahl der hessischen durch eine Erhöhung der Natura 2000-Gebiete im Staatswald. Die aus- Zieldurchmesser und gewiesenen Vogelschutzgebiete dienen dem Anhebung der Produk- 4 Schutz der waldbewohnenden Vogelarten des tionszeit). NATURWALDENTWICKLUNGS Anhang I oder gefährdeter Zugvogelarten nach Artikel 4.2 der Vogelschutzrichtlinie. Mit den aus- Der Landesbetrieb hat im gewiesenen FFH-Gebieten werden zum einen Auftrag der Oberen Natur- FLÄCHEN, SCHUTZGEBIETE bestimmte Waldlebensraumtypen und zum an- deren waldbewohnende Tier- oder Pflanzenarten schutzbehörden sogenannte Bewirtschaftungspläne für die UND GESETZLICH geschützt. Die Schutzgebiete und die Schutzzwe- FFH-Gebiete erstellt bzw. ist dabei cke können sich überlagern. diese für die Vogelschutzgebiete abzu- schließen. Die Fortschreibung der Pläne erfolgt GESCHÜTZTE BIOTOPE Für die Natura 2000-Gebiete gelten bis zum Beginn der Einschlagssaison 2023/2024 Ein- nach 10 Jahren in Form von durch die Oberen Naturschutzbehörden veranstalteten Gebiets- schlagsbeschränkungen (Einschlagsverzicht in konferenzen, an denen die Beauftragten des FFH-Gebieten, Auflichtungsverbot in Vogel- Landesbetriebs ebenfalls maßgeblich beteiligt schutzgebieten). In diesem Zeitraum sollen die werden und auch das Zentrum für Artenviel- Grundsätze für die Bewirtschaftung der Buche falt im HLNUG die Möglichkeit zur Beteiligung in Natura 2000-Gebiete und für die Verträglich- erhält. Die Bewirtschaftungspläne werden von keit waldbaulicher Maßnahmen mit den Erhal- den Forstämtern umgesetzt, die dabei folgende tungszielen neu erarbeitet werden. Sofern die Grundsätze beachten sollen: Überarbeitung nicht vor dem Ende des o. g. Mo- ratoriums abgeschlossen ist, gelten die nachste- • Lebensraumtypen sowie Arten von europäi- henden Maßgaben für die Bewirtschaftung von scher Bedeutung (Anhänge I, II und IV der Wäldern in Natura 2000-Gebieten. FFH-Richtlinie bzw. Anhang I und Arten nach Artikel 4.2 der Vogelschutzrichtlinie) sind Im Rahmen der Forstbetriebsplanung wird in den Natura 2000-Gebieten gemäß der Hessischen Biodiversitätsstrategie in einem • der Erhaltungszustand der Buchen-Lebens- günstigen Erhaltungszustand (Stufe B oder raumtypen sowie der Erhalt des Anteils alter besser) zu erhalten oder es werden Maß- Laubbaumbestände geprüft. Auf Schirm- nahmen ergriffen, um diesen zu erreichen2. schlag oder Schirmschlag-ähnliche Verfahren wird verzichtet. Femelschlag unter besonde- • Die Maßnahmenplanungen für Natura rer Beachtung von Höhlenbäumen mit der 2000-Gebiete (FFH- und Vogelschutzgebiete) sukzessiven Annäherung an Dauerwald wird werden in die mittelfristige Forstbetriebs 2 Vgl. Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (2016) Hessische Biodiversitäts- strategie, Kap. 8 „Strategische Ziele und Maßnahmen“. 16 17
und jährliche Wirtschaftsplanung integriert; raumtypen innerhalb von FFH-Gebieten ge- 4.3 GESETZLICH GESCHÜTZTE BIOTOPE verbindliche Erhaltungsmaßnahmen werden prägt sind, wird das Einbringen nicht hei- verbindlich umgesetzt und optionale Ent- mischer Baumarten unterlassen. Heimische, Das Bundesnaturschutzgesetz und das hessi- Eichenwälder und Sommerlinden-Schlucht- und wicklungsmaßnahmen (Lebensraumtypen aber nicht lebensraumtypische Gehölzarten, sche Naturschutzgesetz bestimmen für eine be- Blockwälder sowie die Moorbirken und Erlen- und Arten) ebenfalls bis der Erhaltungszu- dürfen nur mit einem Flächenanteil von max. grenzte Zahl seltener Biotope einen Schutz qua brüche. Aber auch Sonderstandorte wie Felsen, stand günstig oder besser erreicht ist (dabei 20 % eingebracht werden, um den Lebens- Gesetz, der besteht, ohne dass es eines behördli- Höhlen und Stollen sind naturschutzgesetzlich ist das für die Maßnahme geeignete Wald- raumcharakter nicht zu gefährden. chen Ausweisungsverfahrens bedarf. Es handelt geschützt. Gleiches gilt seit der jüngsten Novel- entwicklungsstadium zu beachten); darüber sich dabei oft um urtümliche Landschaftsele- lierung des Bundesnaturschutzgesetzes auch hinaus werden optionale Entwicklungsmaß • in „reinen“ Buchen-Lebensraumtypen gilt mente auf Sonderstandorten oder naturschutz- für Bergmähwiesen und Flachland-Mähwiesen. nahmen in das lokale Naturschutzkonzept eine Mindest-Mischbaumartenzahl nicht. fachlich besonders bedeutsame Lebensräume. Beide Grünlandtypen kommen in Waldwiesen integriert und priorisiert. In hessischen Staatswäldern sind das vor allem vor. Die gesetzlich geschützten Biotope sind in • Mit den o.g. Vorgaben werden auch die aktu- Moore und Quellbereiche, Wälder trockenwar- der Regel über die Hessische Biotopkartierung • Erhöhung einer naturnahen Ausprägung der ellen Anforderungen erfüllt, die die FSC-Zer- mer Standorte, Bruch-, Sumpf- und Auenwälder, oder im Rahmen der Forsteinrichtung identi- vorkommenden Waldlebensraumtypen. Aus tifizierung an die Bewirtschaftung in Natura Schlucht-, Blockhalden- und Hangschuttwäl- fiziert und im Betriebswerk hinterlegt. Sie wer- wissenschaftlicher wie naturschutzfachlicher 2000-Gebieten stellt. der. Hier stocken Seggen- und Blaugrasbu- den in den lokalen Naturschutzkonzepten dar- Sicht besitzen diese „reinen“ Lebensraum- chenwälder ebenso wie der Hainmieren- bzw. gestellt und entsprechend dem Schutzzweck typen einen hohen Wert für die Vegetations- • Chancen zur Entwicklung weiterer Lebens- Waldlabkraut-Eichen-Hainbuchenwald, Birken- aktiv erhalten. kunde . Sie sind Teil des europäischen Natur- 3 raumtypen-Flächen innerhalb von Flora-Fau- erbes, für das Hessen eine besonders hohe na-Habitat-Gebieten werden im Rahmen der Verantwortung trägt. Um die Qualität jener lokalen Naturschutzkonzepte identifiziert und 4.4 NATURWALDENTWICKLUNGSFLÄCHEN Flächen zu erhalten, die von FFH-Lebens- systematisch genutzt Die Ausweisung von rund 32.000 Hektar Natur- sind zugleich lebendige Anschauungsobjekte, waldentwicklungsflächen (Abk. NWE-Flächen; um die natürliche Walddynamik mit forstlichem 4.2 NATURSCHUTZGEBIETE bisher als „Kernflächen Naturschutz“ bezeichnet) Handeln abzugleichen und daraus Schlussfolge- auf 10 % der Staatswaldfläche ist ein zentraler rungen für die Weiterentwicklung der forstlichen Die Naturschutzgebiete und weitere Schutzka- güter und unter strikter Beachtung der Pflege- Beitrag zum Erhalt und zur Förderung der bio- Praxis zu ziehen. In diesem Sinne ist die Auswei- tegorien der nationalen und hessischen Natur- pläne. Die Umsetzung der Pflegepläne für Arten logischen Vielfalt. Von dem Verzicht auf forstwirt- sung dieser Flächen auch integraler Bestandteil schutzgesetze leisten bereits seit Jahrzehnten und Habitate hat hier erste Priorität. Viele Arten schaftliche Nutzung profitieren i.d.R. besonders der FSC-Zertifizierung. einen wesentlichen Beitrag zur Erhaltung und bedürfen regelmäßiger Eingriffe, z. B. zur Licht- seltene und gefährdete wald- und holzbewoh- Verbesserung der biologischen Vielfalt, der Leis- steuerung, um in den Schutzgebieten existieren nende Arten sowie Waldlebensräume auf bewirt- In den Naturwaldflächen findet keine Bewirt- tungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaus- zu können. schaftungsempfindlichen Sonderstandorten (z. B. schaftung statt, das heißt keine Pflanz-, Pflege- halts und der Vielfalt, Eigenart und Schönheit von Waldmoore). Für den Schutz dieser Arten und Le- und Erntemaßnahmen und auch keine Saat- Natur- und Landschaft. In besonderen Einzelfällen tragen auch mecha- bensräume wird eine natürliche Waldentwicklung gutgewinnung. Folgerichtig finden auch keine nische Maßnahmen, z. B. das Aufstellen von Zäu- gemäß der bundesweiten NWE-Definition ge- Kalkung und kein Pestizideinsatz statt. In den Waldnaturschutzgebieten, in denen wirt- nen, zum Artenschutz bei. Die erforderlichen währleistet.4 Gleichzeitig leistet das Land Hessen schaftliche Tätigkeiten zulässig sind, erfolgt die Artenschutzmaßnahmen werden im Rahmen an- mit der Ausweisung von Naturwaldentwicklungs- Die Naturwaldentwicklungsflächen verteilen sich forstliche Nutzung besonders rücksichtsvoll und gepasster, naturnaher und schonender Bewirt- flächen einen erheblichen Beitrag zur Erfüllung auf unterschiedliche Größenklassen und erfüllen immer mit Blick auf die lokal vorhandenen Schutz- schaftungskonzepte gesteuert. der nationalen und der Hessischen Biodiversi- somit die Trittsteinfunktion über den gesamten tätsstrategie und schafft anschauliche Beispiele Staatswald genauso wie die Ansprüche von Ar- für eine ganzheitliche Umweltbildung und das ten, die auf großflächige Schutzgebiete ange- Erlebnis von unberührter Natur. Die genetische wiesen sind. Vielfalt der heimischen Baumarten, insbesondere der Buche, wird in den Naturwaldentwicklungs- Laubbaumbestände (überwiegend Buche) sind flächen erhalten und kann sich ungestört weiter- mit einem Anteil von 87 % in den Naturwaldent- entwickeln. Die Naturwaldentwicklungsflächen wicklungsflächen vertreten, bevorzugt in alten 3 Vgl. u. a. Ellenberg, H., Leuschner, C. (2010): Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen. In ökologischer, dynamischer und historischer Sicht. 6., erweiterte Auflage 2010. Ulmer-Verlag, 1334. 4 Naturwaldentwicklungsflächen auf 10 % der Staatswaldfläche erfüllen zudem die aktuellen Vorgaben der FSC-Zertifizierung. 18 19
Waldbeständen (>160 Jahre). Besonders in den Kennzeichnung im Gelände: Um den Betriebs- Düngung unterhalten. Wildäcker sind seit lan- Belange berücksichtigt. Entfalten bestimmte größeren Flächen sind allerdings auch alle an- ablauf zu vereinfachen und für die Mitarbeiterin- gem aufgegeben. Wege für Dritte vermeintliche Notwendigkeiten, deren Hauptbaumarten und Altersklassen ver- nen und Mitarbeiter des Landesbetriebs sowie sind die Folgelasten auch von diesen vollständig treten. So wird sichergestellt, dass auch künftig beauftragte Forstunternehmen für Klarheit zu Waldschutz: Bäume werden nur aus Waldschutz- zu tragen. immer wieder wertvolles Altholz in den Natur- sorgen, werden die Naturwaldentwicklungsflä- gründen im Rahmen der gesetzlichen Verpflich- waldentwicklungsflächen nachwächst, und sich chen dezent markiert. tung zum Waldschutz und der Nachbarrechte / Verkehrssicherung: Innerhalb von Natur- beobachten lässt, wie sich Baumarten ohne den -pflichten entnommen. Zur Störungsminimierung waldentwicklungsflächen werden keine Ver- Eingriff des Menschen durch seine Bewirtschaf- Jagd und jagdliche Einrichtungen: Selbst in sollten Fichten an der Grenze zum Kommunal kehrssicherungsmaßnahmen durchgeführt, um tung entwickeln können. den größten Naturwaldentwicklungsflächen re- und Privatwald nach sorgfältiger örtlicher Ein- waldtypische Gefahren zu verhindern. Verkehrssi- gulieren sich Schalenwildbestände nicht über schätzung in einer Zone von 500 Metern inner- cherungsmaßnahmen an den Grenzlinien und an Die Naturwaldentwicklungsflächen sind über natürliche Prozesse auf ein Niveau, auf dem sich halb der ersten fünf Jahre nach Ausweisung Verbindungs- und Rettungswegen sowie an aus- alle Wuchsgebiete in Hessen, alle Höhenlagen alle natürlich vorkommenden Baumarten ohne entfernt werden. gewiesenen Wanderwegen sind im Rahmen der und geologischen Formationen repräsentativ Schutzmaßnahmen verjüngen. Daher werden Vorgaben der „Geschäftsanweisung Verkehrssi- verteilt. Die in Hessen vorkommenden Waldge- diese Flächen weiterhin bejagt und die Wild- Aktive Maßnahmen des Arten- und Biotop- cherung“ im geringstmöglichen Umfang zulässig. sellschaften sind auch mit ihren höhenzonalen bestände an den Lebensraum angepasst. Jagd- schutzes: Zulässig sind zwingend erforderliche Gefällte Bäume verbleiben im Gebiet. Ausprägungen vollständig vertreten. Durch die rechtliche Vorschriften gelten uneingeschränkt Maßnahmen des Arten- und Biotopschutzes, ungleichmäßige Verteilung des Staatswalds in auch in den Naturwaldentwicklungsflächen, und die aufgrund von verbindlichen naturschutz- Die Entwicklung der sich selbst überlasse- Hessen ergeben sich allerdings Schwerpunkte der Jagdbetrieb einschließlich Bewegungsjag- fachlichen Vorgaben (z. B. Pflegepläne für Na- nen Waldbestände soll systematisch in Nord- und Osthessen. Zwei Drittel der Na- den wird aufrechterhalten. In Naturwaldentwick- turschutzgebiete, Maßnahmenpläne für Natura beobachtet werden. Die Nordwest- turwaldentwicklungsflächen liegen in Fauna- lungsflächen über 500 Hektar wird gemäß Erlass 2000-Gebiete) bestehen oder von den zustän- deutsche Forstliche Versuchsanstalt Flora-Habitat-Gebieten und leisten damit einen des hessischen Umweltministeriums „Auswei- digen Naturschutzbehörden ausdrücklich gefor- entwickelt hierzu ein Fachkonzept. wesentlichen Beitrag im europaweiten Natura- sung von Kernflächen als Naturschutzgebiete“ dert und finanziert werden. Das aktive Zurück- 2000-Schutzgebietsnetz. Alle Naturwaldreserva- vom 10. Januar 2020 ein Wildtiermanagement drängen von Nadelbaumanteilen per se ist in te und viele Naturschutzgebiete, in denen keine verankert, das u.a. die jagdrechtlichen Möglich- Naturwaldentwicklungsflächen nicht zulässig. pflegenden Eingriffe vorgeschrieben sind, sind keiten der Bildung von Ruhezonen ausschöpft. Für Nadelbaumanteile, die aus naturschutzfach- CHECKBOX: ebenfalls Teil der Naturwaldentwicklungsflächen. lichen Gründen entnommen werden sollen, gilt WIE MESSEN WIR DIE Die Jagd auf Schalenwild in NWE-Flächen soll eine begrenzte, maximal 20-jährige „Entwick- ERREICHUNG UN- Auf den Naturwaldentwicklungsflächen sollen störungsarm und effizient sein. Die Jagdleitung lungspflege“ bis zum Ablauf der nächsten voll- SERER ZIELE? sich Waldgesellschaften ungestört entwickeln obliegt stets dem zuständigen Forstamt. NWE- ständigen Forsteinrichtungsperiode. können. Zu dieser Entwicklung gehören natür- Flächen > 100 Hektar sollen künftig nicht mehr Die Erreichung der Ziele werden mit folgen- liche Störungen, die auf diesen Flächen aus- verpachtet werden, bestehende Pachtverträge Wege: In der Regel werden keine Wege zurück- den Kennzahlen gemessen: drücklich erwünscht sind. In einem dicht besie- werden nach Ablauf nicht erneuert oder verlän- gebaut. Andererseits werden Wege innerhalb delten Land bleiben gleichwohl Konflikte nicht gert. Die Einrichtung, Pflege und der Unterhalt von Naturwaldentwicklungsflächen auch nicht • Erhaltungszustände der Wald-Lebens- aus. In sehr eng begrenzten Ausnahmefällen der jagdlichen Infrastruktur (auch Mulchen von mehr aktiv unterhalten, insbesondere die nicht raumtypen (z. B. Waldbrände, neue Aufkommen invasiver Jagdschneisen) ist in Naturwaldentwicklungs- ganzjährig befahrbaren oder Maschinenwege. und ggf. gesundheitsgefährdender Neophyten, flächen möglich. Dabei werden alle Maßnahmen Hiervon ausgenommen sind allerdings Verbin- • Erhaltungszustände der im Wald leben- Notwendigkeit zur Grundwasseranhebung u. ä. auf das unumgänglich Notwendige beschränkt. dungs- oder Rettungswege, die den Arten der Anhänge II und IV der FFH- Fälle) können deshalb steuernd Eingriffe in die- Jagdschneisen werden nicht vergrößert. Die für die Forstbetriebe weiter Richtlinie sowie des Anhangs I und Artikel sen Flächen notwendig werden. Wichtig ist in Neuanlage ist nur statthaft, wenn dies zur Be- notwendig sind (sog. Forst- 4.2 der VS-Richtlinie solchen Ausnahmefällen ein sehr sensibler Um- ruhigung an anderer Stelle aus Gründen des straßen). Dabei werden gang mit der Wahl der Mittel und eine frühzeitige Artenschutzes geboten ist und alte Schneisen artenschutzrechtliche Kommunikation gegenüber der Naturschutzver- und nicht benötigte Hochsitze aufgegeben wer- waltung, den Naturschutzvereinigungen und der den. Holz für den Hochsitzbau wird nicht aus Öffentlichkeit. Für den Schutz der Naturwaldent- den Naturwaldentwicklungsflächen entnommen. wicklungsflächen gelten unter anderem die fol- Fütterungen und Kirrungen finden nicht statt. genden, ergänzenden Regelungen: Wildwiesen werden weiterhin fachgerecht ohne 20 21
Der hessische Wald ist ein Mosaik unterschiedli- Beitrag zum Schutz der biologischen Vielfalt, cher Lebensräume, neben verschiedenen pflan- gerade zum Schutz der im Offenland so stark be- zensoziologischen Unterscheidungen der Wald- drohten Insektenarten geleistet werden. lebensräume gehören auch Waldwiesen und Waldränder zu den Landschaftselementen von Viele Lebensräume und Strukturen bedürfen im naturschutzfachlicher Bedeutung. Sie finden sich Wald unserer besonderen Aufmerksamkeit. Die oftmals außerhalb der Schutzgebietskulissen. nachfolgenden Kapitel beschreiben Handlungs- Durch gezielte Entwicklung solcher Strukturele- ansätze und Maßnahmen, die in den lokalen mente und Lebensräume kann ein erheblicher Naturschutzkonzepten umgesetzt werden. 5.1 VORWALDSTADIEN UND FÖRDERUNG SELTENER BAUMARTEN Neben den Zerfallsphasen sind insbesondere Auch auf größeren Schadflächen hat Naturver- frühe Sukzessionsstadien der Waldentwicklung jüngung grundsätzlich Vorrang. Sofern diese sehr artenreich.5 Sie haben damit eine große Be- unter Berücksichtigung des erwarteten Klima- deutung für die Biodiversität im Wald.6 So benö- wandels standortgerecht ist, wird das natürliche tigen z. B. Ziegenmelker und Wendehals offene Regenerationsvermögen des Waldes genutzt. Flächen. Halboffene Strauchlandschaften bilden Vorwaldstadien aus Pionierbaumarten, wie z. B. u. a. für Kreuzotter, Neuntöter, Raubwürger und Birke, Weide, Aspe oder Eberesche, werden in Baumpieper idealen Lebensraum. Durch die Ein- die Wiederbewaldung integriert. Angelehnt an führung der naturgemäßen Waldbewirtschaftung, die natürliche Dynamik der Waldentwicklung die schattentolerante Klimaxbaumarten begüns- werden sie zeitverzögert durch Pflege und ggf. tigt, sind diese Lebensräume seltener geworden. auch Pflanzung zu Schlusswaldentwicklungs- zielen überführt. Es ist daher geboten, durch aktiven Erhalt und Förderung früher Sukzessionsstadien (Pionier- Auch dort, wo Freiflächen aktiv bepflanzt werden baumarten, blütenreiche Schlagfloren, Arten müssen, werden bereits natürlich vorverjüngte der Sukzessionsstadien), die daran gebundenen Bereiche in die Kulturflächen integriert. Sonder- Lebensgemeinschaften zu fördern. Damit wird standorte werden von der Pflanzung ausge- auf Landschaftsebene ein räumlich und zeit- spart und der natürlichen Entwicklung lich paralleles Nebeneinander verschiedener überlassen. Waldentwicklungsphasen geschaffen, das mehr Lebensraum für Arten mit unterschiedlichen An- Darüber hinaus hat der Landesbe- sprüchen bietet. trieb den Auftrag auf einem Teil der Kalamitätsfläche unbeeinfluss- Ein wichtiger Ansatzpunkt für frühe Sukzessi- te Waldentwicklung zuzulassen. Auf 5 onsstadien sind Kalamitätsflächen. Aus diesem diesen Sukzessionsflächen finden für ERHALT DER VIELFALT DER Grund werden Schadflächen unter 0,3 Hektar mindestens 10 Jahre keine forstlichen Größe grundsätzlich der natürlichen Wieder- Maßnahmen statt. bewaldung überlassen. LEBENSRÄUME IM WALD 5 Vgl. u. a. Hilmers T., Friess N., Bässler C. et al. (2018): Biodiversity along temperate forest succession. Journal of Applied Ecology 55, 2756-2766. 6 Vgl. u. a. Wissenschaftlicher Beirat für Waldpolitik / Wissenschaftlicher Beirat für Biodiversität und Genetische Ressourcen 2020. Wege zu einem effizienten Waldnaturschutz in Deutschland. S. 62. 22 23
Ein repräsentativer Teil dieser Fläche wird einem schutzkonzepten ein erhöhter Stellenwert zu. dauerhaften Monitoring unterzogen, um die Ent- Auf nährstoffreichen Standorten (Kalk) bilden wicklung wissenschaftlich begleiten und Rück- z. B. Feldahorn, Elsbeere, Wildobst oder auch schlüsse daraus ziehen zu können. Eibe und die daran gebundenen Floren- und Faunengesellschaften einen Schwerpunkt des Das Potential sukzessionaler Prozesse und selte- lokalen Biotop- und Artenschutzes. Naturferne ner Baumarten über die vorgenannten zentralen Bestockungen (Nadelbäume) werden auf diesen Mindeststandards hinaus zu fördern, hängt stark Standorten vordringlich in naturnahe Waldbe- von den lokalen standörtlichen Gegebenheiten ab. stände warmtrockener Standorte umgebaut. Auf nährstoffärmeren Grundgesteinen (z. B. Schiefer, Aufgrund der ökologischen Ansprüche und ge- Grauwacke) sollen trockene Standorte der natür- ringen Konkurrenzkraft vieler Pionierbaumarten lichen Sukzession überlassen werden, sofern die entwickeln sich natürliche Sukzessionsstadien Ausgangsbedingungen eine naturnahe Entwick- vorrangig auf (schwach) mesotrophen Stand- lung erwarten lassen. Anderenfalls wird diese orten. Hier sollen die Forstämter im Zuge der durch Pflegemaßnahmen, orientiert am Schutz- Wiederbewaldung im Rahmen der lokalen Natur- zweck, gesteuert. Naturferne Bestockungen wer- schutzkonzepte verstärkt Waldbestände aus Pio- den umgebaut. nierbaumarten etablieren und unter Ausnutzung dieser natürlichen Dynamik weiterentwickeln. Grundsätzlich wird nach waldbaulicher Zielset- zung im hessischen Staatswald auf Mischwälder CHECKBOX: WIE MESSEN WIR DIE Dagegen scheiden eutrophe Bereiche wegen mit grundsätzlich 4 bis 5 standortgerechten und ERREICHUNG UNSERER ZIELE? der hohen Wuchsdynamik der krautigen Flora vorzugsweise heimischen Baumarten in jedem weitgehend aus, um ungelenkte Sukzession ge- Bestand hingearbeitet. Der Erhalt und die För- eignet in die Wiederbewaldung einzubeziehen. derungen von Mischbaumarten sind demzufol- Die Integration sukzessionaler Prozesse und seltener Baumarten Nur bei einer aus dem Vorbestand vorhandenen ge zentrale Ziele unserer Jungwaldpflege. Pio- in die Bewirtschaftung des hessischen Staatswaldes werden anhand Vorverjüngung aus Wirtschaftsbaumarten ist hier nierbaumarten werden also niemals vollflächig folgender Kennzahlen gemessen: mit einer erfolgreichen Wiederbewaldung durch und systematisch entnommen, sondern als Mi- Sukzession zu rechnen. Ebenfalls ungeeignet für schungselemente integriert und möglichst über • Anteil der Naturverjüngung an der ge- Weide, Eberesche oder Aspe entwickeln, Sukzessionsprozesse sind durch anthropogene alle Waldentwicklungsphasen erhalten. Seltene samten Verjüngungsfläche: Natürliche ohne dass in dieser Phase pflegend ein- Einflüsse stark überprägte Standorte. Das können und konkurrenzschwache Baumarten werden Verjüngungsprozesse sind integraler Be- gegriffen wird. z. B. Flächen mit besonders hohen Nährstoffein- besonders gefördert. Dadurch wird die Lebens- standteil naturnaher Forstwirtschaft. Im trägen durch die Nähe zu landwirtschaftlichen grundlage der daran gebundenen Arten dauer- hessischen Staatswald soll etwa 70 % der • Aktive Einbringung seltener Baumarten: Flächen oder Waldrandlagen sein. Die natürliche haft gesichert. regulären Waldverjüngung über Natur- Mindestens 2 % der pro Jahr im hessi- Walddynamik ist hier gestört. Die rasche Entwick- verjüngung erfolgen. schen Staatswald gepflanzten Bäume lung einer geschlossenen Gras- und Strauchve- sind seltene heimische Baumarten mit getation verhindert die Etablierung von Pionier- • Anteil natürlicher Verjüngung bei der besonderer Bedeutung für die Biodiver- baumarten mit Ausnahme der Birke weitgehend. Wiederbewaldung: Mindestens 50 % der sität. Dazu zählen z. B. Elsbeere, Mehl- Schadflächen sollen durch natürliche Ver- beere, Speierling, Wildobst, Schwarzpap- Besonders trockene, wärmegeprägte Standorte jüngung zu vitalen, klimastabilen Misch- pel, Ulme und Eibe. sind typische Ausgangsbedingungen zur Ent- wäldern entwickelt werden. Dazu wird wicklung lichter Waldstrukturen mit hohem na- die natürliche Entwicklung durch Pflege • Umfang von Sukzessionsflächen (ha): turschutzfachlichen Wert. Wo solche Standorte gesteuert und ggf. durch Mischbaumar- Etwa 1 % aller Schadflächen im Staats- vorzufinden sind, kommt seltenen, heimischen ten ergänzt. wald soll im Zuge der Forstbetriebspla- Baum- und Straucharten in den lokalen Natur- nung zu Sukzessionsflächen werden, • Flächenanteil von Beständen frühsuk- auch wenn dort innerhalb der Planungs- zessionaler Baumarten: Auf mindestens periode Blößen verbleiben. Bis jetzt sind 2 % der Staatswaldfläche sollen sich Be- bereits 200 Hektar solcher Flächen aus- stände aus Pionierbaumarten wie Birke, gewiesen. 24 25
5.2 WALDWIESEN Für die lokalen Naturschutzkonzepte bieten sich • Vorkommen von Tier- und Pflanzenarten. die nachstehenden Ansatzpunkte für eine Weiter- Neben rd. 320.000 Hektar Baumbestandsfläche Rahmenbedingungen zu beachten: entwicklung der Waldwiesen entsprechend den • Vernetzung angrenzender Biotope. Herstel- bewirtschaftet HessenForst ca. 10.000 Hektar lokalen Gegebenheiten: len, Erhalt und Pflege eines Biotopverbundes. Waldwiesen im hessischen Staatswald. Die Wald- • Die extensive Bewirtschaftung führt i. d. R. zu wiesen sind kulturhistorisch entstanden und prä- artenreichen Wildkräuterwiesen. • Erhalt und Entwicklung von Waldwiesen auf • Anlegen von Altgrasstreifen gen zusammen mit den umgebenden Wäldern Sonderstandorten (nass, feucht). das Landschaftsbild. Im Rahmen des Waldwie- • Bewirtschaftete Waldwiesen können zum Er- • Übernahme von Pflege- und Entwicklungs- senprojekts (Abschluss 2019) wurden alle Wald- halt oder zur Entwicklung von Wildkräuter- • Erhalt und Entwicklung von Waldwiesen un- maßnahmen aus bestehenden Maßnahmen- wiesen größer 0,3 Hektar (Wiesen, Weiden und wiesen in Ausnahmefällen zielgerichtet ge- ter Berücksichtigung bestätigter besonderer plänen/Pflegeplänen der FFH- und Natur- Daueräsungsflächen) erfasst. Die Ergebnisse des düngt werden. schutzgebiete. Projekts sind in die Geschäftsanweisung 03/2019 „Waldwiesen und Landwirtschaft“ eingeflossen. • Erforderliche Aussaaten werden mit zertifi- Sie regelt Ziele und Standards für die Entwick- ziertem „Regiosaatgut“ oder im Rahmen von 5.3 WALDRÄNDER lung der Waldwiesen. Mahdgutübertragung durchgeführt. Waldränder erfüllen vielfältige Funktionen. Je Landschaftsbild und steigern den Erholungswert. Waldwiesen werden offengehalten und dauer- • Die Bewirtschaftung orientiert sich an dem nach Ausgangslage schützen funktionsgerechte haft genutzt. Viele Waldwiesen weisen stabile, ty- Konzept „Pflege und Bewirtschaftung von Waldränder den Wald vor Sturm- oder Hitze- Den Hessischen Staatswald umfassen ca. 12.000 pische, blüten- und artenreiche Kraut sowie Gras- Waldwiesen (Anlage 1 zur Geschäftsanwei- schäden (Sonnenbrand), aber auch vor Bränden km Waldrand, etwa ein Viertel davon ist durch und Moosschichten auf. Blütenreiche Säume sung 03/2019 Waldwiesen und Landwirt- oder Immissionen. seine Lage / Exposition aus naturschutzfachlicher bilden attraktive Refugialräume für Insekten und schaft) und entspricht der guten fachlichen Sicht besonders wertvoll. Langfristiges Ziel ist es, Vögel. Damit sind Waldwiesen wesentlicher Teil Praxis. Gleichzeitig bilden sie einen artenreichen wert- möglichst überall Waldränder in einen ökologisch des Strukturreichtums vernetzter Lebensräume vollen Lebensraum und besitzen ein sehr großes wertvollen und funktionsgerechten Zustand zu mit positiver Strahlwirkung in die angrenzenden • Die Bewirtschaftung von Waldwiesen in Maß an Biodiversität. Als Übergangszone zwischen überführen und zu entwickeln, durch zielgerich- Bereiche. Waldwiesen werden unter Berücksich- Schutzgebietskulissen (Landschaftsschutz-, Wald und Feld dienen sie vielen Tieren als Lebens- tete Maßnahmen wiederkehrend zu pflegen und tigung ihrer potentiellen natürlichen Pflanzen- Naturschutz-, Wasserschutzgebiete, Natura raum und als Linienbiotope zur Vernetzung des weiterzuentwickeln. gesellschaften bewirtschaftet, d. h. sie werden 2000-Gebiete u. a.) erfolgt entsprechend Biotopverbunds. Gleichzeitig bereichern sie das entsprechend ihrer Definition durch Mahd oder den dazu bestehenden Gesetzen, Verord- durch die Beweidung von Tieren in angepasster nungen und Maßnahmenplänen. Art und Anzahl extensiv gepflegt und entwickelt. 5.3.1 Waldaußenränder Je nach lokaler Zielsetzung können bei der Be- • FFH-Lebensraumtypen wie beispielsweise wirtschaftung landwirtschaftliche, jagdliche und/ Flachland-, Bergmähwiesen, Borstgrasrasen, Die Chance zur aktiven Neuanlage von Wald- vollen Übergang zum Wald. Diese Maßnahmen oder naturschutzfachliche Ziele im Vordergrund oder Pfeifengraswiesen wer- außenrändern ist insbesondere nach Kalamitäten unterstützen gezielt den stufig ansteigenden stehen. Bei der Bewirtschaftung sind folgende den gezielt gefördert. gegeben. Über die Vorgaben des Hessischen und damit funktionsgerechten Waldaußenrand- Waldgesetzes7 hinaus, werden bei der Kulturbe- aufbau, bestehend aus Waldsaum, Waldmantel, gründung Randbereiche zum angrenzenden Of- Kraut- und Strauchschicht sowie Bäumen zweiter fenland gezielt für die natürliche Ansiedlung ei- Ordnung. Auf Grund seiner naturschutzfachli- CHECKBOX: WIE MESSEN WIR DIE ER- ner Krautschicht ausgespart. Im Anschluss schafft chen Wertigkeit und biologischen Vielfalt sollen REICHUNG UNSERER ZIELE? die Pflanzung von heimischen und standörtlich besonders an südexponierten Rändern ausge- geeigneten Strauch- und Zwergstraucharten, er- prägte Maßnahmen zur Waldrandgestaltung Die Quantität und Qualität der Waldwiesen werden mit folgenden Kenn- gänzt und erweitert durch Bäume mit geringer vorgesehen werden. Hier lassen sich die größten zahlen gemessen: Endhöhe („Bäume zweiter Ordnung“) einen wert- Effekte für die Artenvielfalt erreichen. • Fläche bewirtschaftete Waldwiese (Wiesen, • Fläche für Instandsetzungs- Weiden, Daueräsungsflächen) maßnahmen 7 §9 (3) HWaldG: „Bei der Verjüngung oder Neubegründung eines Waldes dürfen Baumanpflanzungen nur in einem Abstand von mindestens fünf Metern von der Grenze zu einem landwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzten Grundstück erfolgen; zu Wegen muss der Abstand mindestens einen Meter, zu Rebgelände mindestens sechs Meter betragen. Die Abstandsstreifen • Fläche und Erhaltungszustand der Lebens- • Fläche einer ökologische Aufwertung können bis zu einem Meter Abstand von der Grenze mit Sträuchern oder Bäumen bis zu einer Höhe von zwei Metern bepflanzt raumtypen „6510 Flachlandmähwiesen“ und werden. Die Forstbehörde kann Ausnahmen zulassen.“ „6520 Bergmähwiesen“ 26 27
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