NATURSCHUTZ LEITLINIE 2022 - FÜR DEN HESSISCHEN STAATSWALD - Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

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NATURSCHUTZ LEITLINIE 2022 - FÜR DEN HESSISCHEN STAATSWALD - Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz

     NATURSCHUTZ
     LEITLINIE 2022
      FÜR DEN HESSISCHEN STAATSWALD
NATURSCHUTZ LEITLINIE 2022 - FÜR DEN HESSISCHEN STAATSWALD - Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
INHALT
    1 Vorwort                                               4    8 Einzelbäume und Mikrohabitate                                                          44
    2 EINFÜHRUNG                                            6
                                                                   8.1 Habitatbäume – Ausgangspunkte für Artenvielfalt                                    45
      2.1 Rückblick                                          7     8.2 Totholz im Wald                                                                    49
      2.2 Naturschutzkodex                                   8     8.3 Beitrag zum Erhalt von Biotop- und Totholz in lokalen Naturschutzkonzepten         50

      2.3 Kernelemente der Naturschutzleitlinie 2022        10
                                                                 9 Artenschutz im Wald                                                                    52
    3 LokaleNaturschutzkonzepte                             12
                                                                   9.1 Schutz bekannter Horstbäume und Höhlenzentren                                      53
                                                                   9.2 Holzernte (einschließlich Holzbringung und Brennholzaufarbeitung) und Horstbäume   54
      3.1 Flächendeckende Analyse                           12
                                                                   9.3 Schutz waldbewohnender Fledermausarten                                             56
      3.2 Identifikation von Handlungsfeldern               13
                                                                   9.4 Störungsminimierung durch Besucherlenkung                                          56
      3.3 Beschreibung von Maßnahmen                        13
                                                                   9.5 Störungsminimierung durch zeitliche Steuerung von Ernte und Rückearbeiten          57
      3.4 Priorisierung, Planung und Kontrolle              14
                                                                   9.6 Störungsminimierung bei sonstigen Arbeiten im Wald                                 58
      3.5 Umsetzung                                         14
                                                                   9.7 Vermeidung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln                                 59
    4 Naturwaldentwicklungsflächen, Schutzgebiete                  9.8 Arten- und Habitatpatenschaften                                                    60
      und gesetzlich geschützte Biotope                     16
                                                                 10 Beteiligung der vom Land Hessen anerkannten
      4.1 Natura 2000-Gebiete                               17      Naturschutzvereinigungen                                                              64
      4.2 Naturschutzgebiete                                18
                                                                   10.1 Beirat bei der Landesbetriebsleitung Hessen-Forst (Verbände, HLNUG, ONB)          65
      4.3 Gesetzlich geschützte Biotope                     19
                                                                   10.2 Beteiligung bei der Erstellung der lokalen Naturschutzkonzepte                    65
      4.4 Naturwaldentwicklungsflächen                      19
                                                                   10.3 Beteiligung bei der Forsteinrichtung                                              65
    5 Erhalt der Vielfalt der Lebensräume im Wald           22     10.4 Unterstützung bei Kartierungen durch Betretens- und Befahrenserlaubnis            66
                                                                   10.5 Bereitstellung von Forstbetriebskarten mit Informationen zu Hauptbaumart
      5.1 Vorwaldstadien und Förderung seltener Baumarten   23          und Bestandsalter                                                                 66
      5.2 Waldwiesen                                        26
      5.3 Waldränder                                        27   11 Organisation                                                                          68
         5.3.1Waldaußenränder                               27
                                                                   11.1 Landesbetriebsleitung Hessen-Forst Abteilung Waldentwicklung und Umwelt           69
         5.3.2 Waldinnenränder                              28     11.2 Funktionsbeschäftigte Naturschutz                                                 69
      5.4 Waldböden                                         29     11.3 Nordwestdeutsche Forstliche Versuchanstalt Waldnaturschutz                        70
                                                                   11.4 Modellbetrieb für Waldbiodiversität PLUS                                          70
    6 Genetische Vielfalt im Wald                           30
                                                                        11.4.1 Zielbeschreibung                                                           70
    7 Wald und Wasser                                       34
                                                                        11.4.2 Modellbetrieb im Staatswald des Forstamts Hofbieber                        70
      7.1 Quellen                                           35          11.4.3 Naturschutzorientiertes Waldbewirtschaftungsmodell                         71
      7.2 Fließgewässer und Wasserführung im Rahmen                     11.4.4 Weitere Maßnahmen                                                          72
         von Wegebau, -unterhaltung und -instandsetzung     37
                                                                        11.4.5 Marteloskop                                                                72
      7.3 Feuchtwälder                                      40
                                                                   11.5 Modellprojekt für Klimaschutz PLUS                                                73
      7.4 Waldmoore                                         41
                                                                   11.6 Kooperationspartner                                                               73
      7.5 Erhöhung des Wasserrückhalts im Wald              42

2                                                                                                                                                              3
NATURSCHUTZ LEITLINIE 2022 - FÜR DEN HESSISCHEN STAATSWALD - Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Wir alle erleben biologische Vielfalt auf die eine oder ande-
                                                 re Weise als Bereicherung des täglichen Lebens, vielleicht
                                                  bei einem Spaziergang in einem urtümlichen Wald, beim
                                                  Belauschen eines Vogelkonzerts oder beim Anblick einer
                                                 blütenreichen Waldwiese mit darüber fliegenden Schmet-
                                                terlingen. Das weltweite Artensterben bedroht das Leben,
                                               wie wir es kennen. Es gilt neben dem Klimawandel als die
                                             größte Bedrohung für die Menschheit. Deswegen unternehmen
                                          wir große Anstrengungen, bedrohte Arten zu schützen und Le-
                                     bensräume wiederherzustellen. Dort, wo das Land als Eigentümer han-
              delt, gilt das in besonderem Maße.

              Wir haben deshalb in der Richtlinie für die Bewirtschaftung des Staatswaldes den Schutz der
              Biodiversität als eigenes Hauptziel neu aufgenommen und ihm im Konfliktfall neben dem Kli-
              maschutz und anderen Schutzzielen den Vorrang eingeräumt. Das bedeutet, dass jede und
              jeder Beschäftigte des Landesbetriebes angefangen bei der Landesbetriebsleitung, bis hinein
              in jedes einzelne Revier, jede Försterin und jeder Förster, die Forstwirtschaftsmeisterinnen und
              Forstwirtschaftsmeister und die Forstwirtinnen und Forstwirte Verantwortung dafür tragen, dass
              bei der Bewirtschaftung unseres Staatswaldes im Zweifel dem Biodiversitätsziel gegenüber
              anderen Interessen der Vorrang einzuräumen ist.

              Nach der Ausdehnung der Naturwälder auf 10 % der Staatswaldfläche, der Erweiterung des
              Nationalparks und der Einrichtung des Pilotbetriebs für Waldbiodiversität PLUS wollen wir als
              eines der waldreichsten Bundesländer mit der Naturschutzleitlinie einmal mehr den Anspruch
              unterstreichen, dass wir bei der treuhänderischen Bewirtschaftung des Waldes der Bürgerinnen
              und Bürger die biologische Vielfalt besonders im Blick haben und bundesweit Vorreiter sind.
              Dies gilt in Zeiten des Klimawandels umso mehr. Die Dürresommer haben uns in unbarmherzi-
              ger Härte aufgezeigt, dass der Wald Krisen dann besser zu meistern versteht, wenn naturnahe
              Strukturen vorherrschen.

    1
              Die Naturschutzleitlinie enthält viele Instrumente, um den Ansprüchen besonderer Waldarten,
              den Lebensgemeinschaften der Alters- und Zerfallsphase oder geschützten Sonderstandorten
              und Schutzgebieten gerecht zu werden. Sie ist das Ergebnis eines langen Prozesses, ausge-
              hend von Facharbeitsgruppen des Landesbetriebs Hessen-Forst und der Fachverwaltungen bis

    VORWORT   hin zur Beteiligung der anerkannten Naturschutzvereinigungen, denen dafür mein herzlicher
              Dank gilt. Der Erfolg all dieser Bemühungen liegt aber in den Händen der Beschäftigten des
              Landesbetriebes. Ich habe viele von ihnen kennen gelernt und weiß, dass sie diese Aufgabe
              mit Freude, Verantwortungsbewusstsein und Kompetenz aus eigenem Antrieb angehen – in
              Verantwortung für künftige Generationen, denen wir eine lebenswerte Welt und einen liebens-
              werten Wald hinterlassen wollen.

              Priska Hinz
              Umweltministerin

4                                                                                                                5
NATURSCHUTZ LEITLINIE 2022 - FÜR DEN HESSISCHEN STAATSWALD - Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
2.1 RÜCKBLICK

                     Die bislang gültige Naturschutzleitlinie für den      ell für windkraftsensible waldbewohnende Vogel-
                     hessischen Staatswald wurde im April 2011 in          und Fledermausarten hat das Land bundesweit
                     Kraft gesetzt. Den Schwerpunkt der Naturschutz-       Maßstäbe gesetzt und im Staatswald bereits erste
                     leitlinie bildeten verschiedene Maßnahmen zur         Maßnahmen zur Verbesserung des Erhaltungszu-
                     Verbesserung der Lebensbedingungen von Arten,         standes dieser Arten umgesetzt.
                     die an die Alters- und Zerfallsphasen der Waldent-
                     wicklung angepasst sind. Dazu zählte eine erste       Neben positiven Entwicklungen aus Sicht des
                     Tranche von Naturwaldentwicklungsflächen auf          Naturschutzes stehen aber auch einige negative
                     6 % der Staatswaldfläche, der Schutz von Habi-        Veränderungen:
                     tatbäumen und ein Totholzkonzept. Zum Schutz
                     einer Reihe von Tierarten wurden Maßnahmen            In vielen Studien wurde ein in seinen Ausmaßen
                     zur Störungsminimierung ergriffen, insbesondere       dramatischer Rückgang der Insekten-Biomasse
                     artspezifische Ausschlusszeiten für die Holzernte     dokumentiert. Das hat zu einer intensiven gesell-
                     festgelegt. Die Forstämter haben für ausgewählte      schaftlichen Diskussion und einer Änderung des
                     Arten und Lebensräume Patenschaften übernom-          Bundesnaturschutzgesetzes geführt. Der Wald ist
                     men, die zu einzelnen Umsetzungsprojekten führ-       mit den xylobionten Insektenarten, darunter vor
                     ten. Schließlich wurde in einem Naturschutzkodex      allem den alt-, totholz-, mulm- und pilzbewoh-
                     die Verantwortung jedes und jeder Beschäftigten       nenden Käferarten betroffen, die größtenteils die
                     des Landesbetriebes für den Waldnaturschutz           Roten Listen anführen und nur noch Reliktvorkom-
                     beschrieben.                                          men aufweisen.

                     Seit dem Inkrafttreten der Naturschutzleitlinie ha-   Die Klimakrise hat das Gesicht ganzer Waldland-
                     ben sich die Bedingungen für den Naturschutz im       schaften in kürzester Zeit dramatisch verändert.
                     Staatswald verändert. In zwei weiteren Tranchen       Drei Dürresommer trafen auf einen sturmgeschä-
                     wurden der Anteil der Naturwaldentwicklungs-          digten Wald. Die dem Trockenstress ausgesetzten
                     flächen zunächst auf 8 %, später auf 10 % der         Fichten konnten sich nicht mehr gegen Krank-
                     Staatswaldfläche angehoben. Der gesamte Staats-       heiten und Borkenkäfer zur Wehr setzen. Mehr
                     wald wurde nach FSC zertifiziert, womit erweiterte    als 30.000 Hektar Staatswald sind abgestorben.
                     Standards zur Umweltsicherung verbunden sind.         Auch bei der prägenden Baumart der hessischen
                     2020 wurde schließlich der Nationalpark Keller-       Wälder, der Buche, hat die Trockenperiode man-
                     wald-Edersee deutlich vergrößert. In Pilotforstäm-    cherorts zu einer deutlich sichtbaren Schwächung
                     tern für Klimaschutz (Burgwald) und Biodiversität     von Individuen geführt. Aufgelichtete Bestände

    2
                     (Hofbieber) werden darüber hinaus modellhaft          waren davon besonders betroffen. Gleichzeitig
                     erweiterte Möglichkeiten der Integration von Um-      haben Starkregenereignisse mit schrecklichen Fol-
                     weltbelangen in die Staatswaldbewirtschaftung         gen deutlich gemacht, wie wichtig Wasserrückhalt

        EINFÜHRUNG
                     entwickelt und erprobt. Sie spielen auch eine         auch im Wald ist.
                     wichtige Rolle in der Aus- und Fortbildung. Darü-
                     ber hinaus wurden Stellen für Funktionsbeschäf-       Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen war
                     tigte Naturschutz in allen Forstämtern geschaffen     die Naturschutzleitlinie zu überarbeiten. Vorschlä-
                     und sukzessive besetzt. Die Stellen wurden zudem      ge für die Neufassung der Leitlinie wurden in
                     aufgewertet. Nach Kolkrabe und Schwarzstorch          Arbeitsgruppen mit Vertreterinnen und Vertretern
                     sind weitere Tierarten in den hessischen Wald zu-     des Landesbetriebes und der Naturschutzverwal-
                     rückgekehrt, darunter so charismatische Arten wie     tung erarbeitet.
                     der Kranich. Mit einem Artenhilfsprogramm spezi-

6                                                                                                                                7
NATURSCHUTZ LEITLINIE 2022 - FÜR DEN HESSISCHEN STAATSWALD - Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
2.2 NATURSCHUTZKODEX                                                                                      •   Arten- und Biotopschutz sowie weitere natur-   •     Die Landesbetriebsleitung unterstützt im
                                                                                                                  schutzrelevante Sachverhalte werden gleich-          Rahmen ihres Fach-Controllings die Forst-
    Der Naturschutzkodex bringt die Grundhaltung            dig bewerten zu können, die Unterstützung             ranging mit den anderen Zielen regelmä-              ämter bei der Umsetzung von Naturschutz-
    des Landesbetriebes Hessen Forst zum Aus-               von Expertinnen und Experten innerhalb und            ßig bei Forstamtsdienstbesprechungen                 leistungen. Das kennzahlenbasierte Berichts-
    druck. Diese ist geprägt von einem stets ver-           außerhalb der Landesverwaltung in Anspruch            als eigener, von Funktionsbeschäftigten für          wesen wird erweitert und unterstützt alle
    antwortungsvollen und schonenden Umgang                 nehmen (z. B. Hessisches Landesamt für Na-            Naturschutz vorbereiteter Tagesordnungs-             Ebenen dabei, Abweichungen und Verbes-
    mit den anvertrauten Wäldern und den in ihnen           turschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG),               punkt behandelt.                                     serungspotentiale frühzeitig zu erkennen.
    lebenden Arten. Dieser Anspruch ist für alle Be-        Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt                                                                Die wesentlichen Kennzahlen werden im
    schäftigen des Landesbetriebes Maßstab und              (NW-FVA), Hochschulen, spezialisierte Pla-        •   Das umfassende Bildungsangebot des                   Nachhaltigkeitsberichtt des Landesbetriebs
    Auftrag zugleich.                                       nungsbüros, Sachverständige, Naturschutz-             Landesbetriebes greift in seiner jährlichen          veröffentlicht.
                                                            verbände),                                            Planung gezielt Themen auf, bei denen neue
    Unser Anspruch ist es, dass                                                                                   wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen       •     Wir suchen in allen Bereichen unserer Ar-
                                                        •   uns rechtliche Vorgaben und Anforderungen             oder die in der Vergangenheit betriebliche           beit und auf allen Ebenen des Betriebs aktiv
    •   wir den Wald als Ökosystem verstehen und            präsent sind und wir sie stets einhalten,             Verbesserungspotentiale offenbart haben.             den Austausch mit unterschiedlichen Inter-
        unser ökonomisches Handeln danach aus-                                                                    Neue Anforderungen (z. B. Biber-, Fisch-             essenvertretern „jährlichen Austauschge-
        richten,                                        •   wir uns aktiv in den Dialog mit den Natur-            otter-, Luchs- und Wolfmanagement) wer-              sprächen“ im und am Wald, – nicht zuletzt
                                                            schutzvereinigungen und den Waldbesu-                 den umgehend in das Bildungsprogramm                 den anerkannten Naturschutzvereinigun-
    •   wir bei der Planung und Umsetzung forstbe-          chern einbringen.                                     integriert, kompetente Partner, wie das              gen. Er ist sowohl Teil der täglichen Arbeit,
        trieblicher Arbeiten die Belange des Biotop­                                                              Hessische Landesamt für Naturschutz, Um-             als auch Ziel und Inhalt institutionalisier-
        und Artenschutzes beachten und ihnen im         Als unmittelbare Wirkung des Kodex gilt für un-           welt und Geologie (HLNUG), die Abteilung             ter, bewährter Beteiligungen wie z. B. den
        Konfliktfall Vorrang einräumen,                 seren Arbeitsalltag:                                      Waldnaturschutz der Nordwestdeutschen                „Waldforen“, im Rahmen der Forstbetriebs-
                                                                                                                  Forstlichen Versuchsanstalt (NW-FVA) oder            planung oder jährlichen Austauschgesprä-
    •   wir erkennen, wenn betriebliche Arbeiten        •   Die Leitungsebenen des Betriebes machen               die anerkannten Naturschutzvereinigungen             chen auf gesamtbetrieblicher wie auch loka-
        und Naturschutzbelange nicht gleicherma-            den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die             eingebunden.                                         ler Ebene mit Vertreterinnen und Vertreter.
        ßen berücksichtigt werden können,                   Bedeutung des Naturschutzes stets bewusst,
                                                            unterstützen sie bei der Zielerreichung und
    •   wir erkennen, wenn Naturschutzbelangen              werden ihrer Vorbildfunktion gerecht.
        Vorrang zu geben ist,
                                                        •   Die betrieblichen Informationssysteme hel-
    •   wir uns zu Naturschutzthemen fortbilden,            fen uns, naturschutzrelevante Sachverhalte
                                                            möglichst vollständig verfügbar zu machen.
    •   wir besondere Arten und wichtige Struktur-          Wir arbeiten kontinuierlich daran, deren
        elemente im Wald erkennen und schützen,             Übersichtlichkeit zu erhöhen, die Bereitstel-
                                                            lung von Informationen zu beschleunigen               Michael Gerst                                      Stefan Nowack
    •   wir den eigenen Mitarbeiterinnen und Mitar-         und die relevanten Informationen priorisiert          Landesbetriebsleiter                               Abteilungsleiter Waldentwicklung
        beitern und den beauftragten Unternehmern           aufzubereiten. Unser Ziel ist ein betriebliches                                                          und Umwelt
        die Bedeutung des Naturschutzes bewusst-            „Naturschutzkataster“, das die wesentlichen
        machen und sie bei der entsprechenden Ziel-         Informationen übersichtlich für den Revier-
        erreichung unterstützen, dies gilt insbeson-        dienst parat hält. Des Weiteren prüfen wir
        dere auch in der Ausbildung der forstlichen         bei allen Entwicklungen auch mobile Sys-
        Nachwuchskräfte,                                    teme, mit denen Informationen optional di-
                                                            rekt vom Ort des Geschehens festgehalten              Holger Henning i.V.                                Jörg van der Heide
    •   wir, um auch spezielle Sachverhalte vollstän-       werden können.                                        Abteilungsleiter Personal und Finanzen             Abteilungsleiter Forstbetrieb
                                                                                                                                                                     und Dienstleistungen

8                                                                                                                                                                                                                      9
NATURSCHUTZ LEITLINIE 2022 - FÜR DEN HESSISCHEN STAATSWALD - Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Für die Bewältigung der neuen Aufgaben ist die     ebenso wie die Naturschutzbehörden und das
        CHECKBOX: WIE MESSEN WIR DIE ERREICHUNG UNSERER ZIELE?                                                 Landesverwaltung gut aufgestellt; mit dem Refe-    Zentrum für Artenvielfalt im Hessischen Landes-
                                                                                                               rat Biodiversität im Wald und Naturwälder im Mi-   amt für Umwelt und Geologie.
                                                                                                               nisterium, der Abteilung Waldnaturschutz in der
        Um den naturschutzfachlichen Kenntnisstand der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu ermit-              Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt,     Viel Wissen über das Leben im Wald wird aller-
        teln und zu erhöhen, werden folgende Kennzahlen erhoben:                                               der Abteilung Waldentwicklung und Umwelt in        dings von den ehrenamtlich tätigen Mitgliedern
                                                                                                               der Landesbetriebsleitung und den Funktions-       der von Hessen anerkannten Naturschutzvereini-
        •   Anzahl der Abweichungen vom FSC-             •   Anzahl naturschutzfachlicher, berechtig-          beschäftigten Naturschutz in den Forstämtern.      gungen erhoben. Die Zusammenarbeit zwischen
            Standard in den Zertifizierungsaudits,           ter Beschwerden je Jahr                           Diese unterstützen die den Wald in der Fläche      ihnen und dem Landesbetrieb findet auf vielen
            die naturschutzfachlich begründet sind                                                             betreuenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter       Ebenen bereits heute statt. Mit der Naturschutz-
                                                         •   Innerbetriebliche Teilnehmertage an               bei dem Erhalt der Funktionsfähigkeit des Öko-     leitlinie werden die Beteiligungsmöglichkeiten
                                                             Naturschutzfortbildungen                          systems Wald mit seinen vorrangigen Biodiver-      und Informationsrechte für die Verbände erwei-
                                                                                                               sitäts-, Klimaschutz- und weiteren Schutzzielen    tert und institutionalisiert.
        Der Sachbereich Naturschutz der Landesbetriebsleitung wertet zur Erhebung dieser Kennzah-
        len jährlich nach einem festzulegenden Schema die Auditberichte der Zertifizierungssysteme
        sowie die eingegangenen Beschwerden aus.

     2.3 KERNELEMENTE DER NATURSCHUTZLEITLINIE 2022
     Zentrales Element sind lokale Waldnaturschutz-      Der Schutz von Habitatbäumen als Kernbestand-
     konzepte. Bis Ende 2024 soll für jedes Forstamt     teil der Habitatausstattung für alt- und totholzge-
     ein detailliertes Waldnaturschutzkonzept auf-       bundene Arten sowie als wichtiges Strukturele-
     gestellt werden, dass kartografisch und in Text-    ment im nachhaltig bewirtschafteten Wald wird
     form die wesentlichen naturschutzfachlichen         ausgeweitet. Grundsätzlich werden 10 Habitat-
     Anforderungen und geplanten Maßnahmen be-           bäume je Hektar angestrebt, in Natura 2000-Ge-
     schreibt. Das lokale Waldnaturschutzkonzept         bieten liegt der Orientierungswert bei 15 Habi-
     garantiert künftig eine planvolle Umsetzung der     tatbäumen. Neu ist der explizite Schutz und die
     Naturschutzleitlinie unter besonderer Berück-       Erfassung sogenannter Methusalembäume, also
     sichtigung der naturräumlichen Ausstattung vor      markanter Baumdenkmäler und außergewöhn-
     Ort. Es bildet eine Grundlage für die darauf auf-   licher Baumindividuen.
     bauende Forstbetriebsplanung.
                                                         Der Wald ist Lebensraum für viele Arten, die sel-
     Darüber hinaus bildet das Thema Wasser vor          ten geworden sind und deswegen eines beson-
     dem Hintergrund des Klimawandels einen              deren Schutzes bedürfen. Darunter sind störungs-
     Schwerpunkt der Neufassung. Zentrales Anlie-        sensible Vogelarten und Waldfledermäuse, die
     gen ist das Zurückhalten von Wasser im Wald,        besonders hohe Ansprüche an die Höhlen- und
     die Abkehr von Entwässerung und Schutz sowie        Nischenausstattung des Waldes stellen. Sie er-
     Wiederherstellung wassergebundener Lebens-          fahren neben den bewährten Instrumenten des
     räume im Wald wie Quellen, Moore, Bruch- und        Waldnaturschutzes mit dieser Naturschutzleitlinie
     Auenwälder.                                         eine gestiegene Beachtung.

10                                                                                                                                                                                                                   11
NATURSCHUTZ LEITLINIE 2022 - FÜR DEN HESSISCHEN STAATSWALD - Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
3                 LOKALE
                       NATURSCHUTZKONZEPTE

     In lokalen Naturschutzkonzepten werden für je-                 tisiert. Die lokalen Naturschutzkonzepte bilden
     des Forstamt ausgehend von einer Analyse der                   als flächendeckende und flächenscharfe Fachpla-      zusammengetragen und dokumentiert. Vorlie-       (z. B. aus Eingriffsgutachten) anderer Behörden
     bestehenden naturschutzfachlichen Restriktio-                  nung eine wesentliche Grundlage für die Forst-       gende Erhebungen und Kartierungsergebnisse       und Ämter werden ebenfalls zu Rate gezogen.
     nen und der vorhandenen Informationen über                     betriebsplanung, die nur in begründeten und
     Arten und Lebensräume im Staatswald, Hand-                     dokumentierten Fällen von den Vorgaben des
     lungsfelder und Naturschutzmaßnahmen inhalt-                   lokalen Naturschutzkonzepts abweichen kann.          3.2 IDENTIFIKATION VON HANDLUNGSFELDERN
     lich bestimmt und räumlich differenziert konkre-
                                                                                                                         Ausgehend von der Analyse werden spezifische     (z. B. Verbesserung des Erhaltungszustands des
                                                                                                                         Handlungsfelder für jede Staatswaldfläche be-    Lebensraumtyps, Erhöhung der Habitatbaum-
     3.1 FLÄCHENDECKENDE ANALYSE                                                                                         schrieben, also die konkreten Aufgabenstellun-   zahl, Revitalisierung eines Moores).
                                                                                                                         gen und Ziele für die jeweilige Flächeneinheit
     In einem ersten Schritt werden naturräumliche                  bekannten, die in Maßnahmenplänen beschrie-
     Ausstattung und die Bestockung sowie die be-                   benen Naturschutzfachdaten (insbesondere Le-
     stehenden naturschutzfachlichen Restriktionen                  bensräume und Arten der FFH-Richtlinie und der       3.3 BESCHREIBUNG VON MASSNAHMEN
     (z. B. Naturwaldentwicklungsflächen, Natura                    Vogelschutzrichtlinie, Rote Liste Arten, Arten der
     2000-Gebiete, Schutzgebiete, gesetzlich ge-                    Hessenliste1, Arten- und Habitatpatenschaften)       Für die einzelnen Handlungsfelder werden         Artvorkommen (erhöhte Schwellenwerte für Ha-
     schützte Biotope) dargestellt. Darüber hinaus                  ermittelt und zusammen mit Kenntnissen der           flächenspezifische Maßnahmen und Projekte        bitatbäume, Horstschutzzonen), Rückbau einer
     werden die aus Erhebungen und Kartierungen                     Forstleute und von ehrenamtlich Engagierten          beschrieben, beispielsweise detaillierte Be-     Entwässserung oder Renaturierung einer ge-
                                                                                                                         wirtschaftungsempfehlungen bei bekannten         fassten Quelle.

     1
         https://www.hlnug.de/themen/naturschutz/biodiversitaetsstrategie-hessenarten.

12                                                                                                                                                                                                                          13
NATURSCHUTZ LEITLINIE 2022 - FÜR DEN HESSISCHEN STAATSWALD - Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
3.4 PRIORISIERUNG, PLANUNG UND
     KONTROLLE
     Schließlich enthält das lokale Naturschutzkonzept eine naturschutz-
     fachliche Priorisierung der Maßnahmen und einen Umsetzungszeit-
     raum für die konkreten Maßnahmen. Mit den Maßnahmenvorschlägen
     werden jeweils auch Instrumente für die Erfolgskontrolle definiert.

     3.5 UMSETZUNG

     Verantwortlich für die Erstellung und Umsetzung der lokalen Natur-
     schutzkonzepte sind die Leiterinnen und Leiter der Forstämter. Die
     Funktionsbeschäftigten im Naturschutz erarbeiten die Inhalte feder-
     führend in Abstimmung mit den Revierleitungen und organisieren
     den Beteiligungsprozess. Die Landesbetriebsleitung sichert die
     Qualität der einzelnen Forstamtskonzepte und stimmt diese mitein-
     ander ab (z. B. hinsichtlich der Auswahl der Arten- und Habitatpaten-
     schaften). Unterstützung bieten die Abteilung Waldnaturschutz der
     Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt und das Zentrum für
     Artenvielfalt. Die Leiterinnen und Leiter der Forstämter tragen auch
     die Verantwortung für die Beteiligung der in Hessen anerkannten Na-
     turschutzvereinigungen bei der Erstellung des Naturschutzkonzepts.

     Die erstmalige Erstellung der lokalen Naturschutzkonzepte wird spä-
     testens bis zum 31. Dezember 2024 abgeschlossen. Die Evaluierung,
     Fortschreibung und Integration erfolgt jeweils im Rahmen der nächs-
     ten Forstbetriebsplanung.

     Gesetz- und Verordnungsgeber und der Waldeigentümer haben
     Staatswaldflächen wegen ihrer Eigenart oder Seltenheit, wegen des
     Vorkommens bestimmter Arten oder zur Wiederherstellung einer
     natürlichen Walddynamik unter einen besonderen rechtlichen Schutz
     gestellt. In diesen Gebieten steht der naturschutzfachliche Schutz-
     zweck im Vordergrund und die Waldnutzung muss sich dort, wo sie
     zulässig ist, dem Schutzzweck unterordnen. Das Management der
     Gebiete und die Waldnutzung sind darauf gerichtet, den Erhaltungs-
     zustand zu verbessern und Störungen zu verringern.

14                                                                           15
NATURSCHUTZ LEITLINIE 2022 - FÜR DEN HESSISCHEN STAATSWALD - Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
4.1 NATURA 2000-GEBIETE

                                  Als Natura 2000-Gebiete bezeichnet man Schutz-                      unter Beachtung der Erhaltungsziele klein-
                                  gebiete, die aufgrund der FFH- bzw. der Vogel-                      räumig angewendet, um gleichmäßiges Öff-
                                  schutzrichtlinie ausgewiesen wurden. Sie dienen                     nen des Kronendachs zu verhindern.
                                  dem Erhalt des gemeinsamen europäischen
                                  Naturerbes. Da Hessen aufgrund seiner biogeo-                  •    in FFH-Gebieten auf einen größeren Anteil
                                  grafischen Lage insbesondere für die Lebens-                        stärker dimensionierter Bäume hin-
                                  gemeinschaften der sommergrünen Laubwälder                          gewirkt als in Gebieten außer-
                                  Mitteleuropas eine herausgehobene Verantwor-                        halb der FFH-Gebiete (z. B.
                                  tung trägt, liegt die Mehrzahl der hessischen                       durch eine Erhöhung der
                                  Natura 2000-Gebiete im Staatswald. Die aus-                         Zieldurchmesser und
                                  gewiesenen Vogelschutzgebiete dienen dem                            Anhebung der Produk-

     4
                                  Schutz der waldbewohnenden Vogelarten des                           tionszeit).

         NATURWALDENTWICKLUNGS­   Anhang I oder gefährdeter Zugvogelarten nach
                                  Artikel 4.2 der Vogelschutzrichtlinie. Mit den aus-            Der Landesbetrieb hat im
                                  gewiesenen FFH-Gebieten werden zum einen                       Auftrag der Oberen Natur-

         FLÄCHEN, SCHUTZGEBIETE   bestimmte Waldlebensraumtypen und zum an-
                                  deren waldbewohnende Tier- oder Pflanzenarten
                                                                                                 schutzbehörden sogenannte
                                                                                                 Bewirtschaftungspläne für die

         UND GESETZLICH
                                  geschützt. Die Schutzgebiete und die Schutzzwe-                FFH-Gebiete erstellt bzw. ist dabei
                                  cke können sich überlagern.                                    diese für die Vogelschutzgebiete abzu-
                                                                                                 schließen. Die Fortschreibung der Pläne erfolgt

         GESCHÜTZTE BIOTOPE       Für die Natura 2000-Gebiete gelten bis zum
                                  Beginn der Einschlagssaison 2023/2024 Ein-
                                                                                                 nach 10 Jahren in Form von durch die Oberen
                                                                                                 Naturschutzbehörden veranstalteten Gebiets-
                                  schlagsbeschränkungen (Einschlagsverzicht in                   konferenzen, an denen die Beauftragten des
                                  FFH-Gebieten, Auflichtungsverbot in Vogel-                     Landesbetriebs ebenfalls maßgeblich beteiligt
                                  schutzgebieten). In diesem Zeitraum sollen die                 werden und auch das Zentrum für Artenviel-
                                  Grundsätze für die Bewirtschaftung der Buche                   falt im HLNUG die Möglichkeit zur Beteiligung
                                  in Natura 2000-Gebiete und für die Verträglich-                erhält. Die Bewirtschaftungspläne werden von
                                  keit waldbaulicher Maßnahmen mit den Erhal-                    den Forstämtern umgesetzt, die dabei folgende
                                  tungszielen neu erarbeitet werden. Sofern die                  Grundsätze beachten sollen:
                                  Überarbeitung nicht vor dem Ende des o. g. Mo-
                                  ratoriums abgeschlossen ist, gelten die nachste-               •    Lebensraumtypen sowie Arten von europäi-
                                  henden Maßgaben für die Bewirtschaftung von                         scher Bedeutung (Anhänge I, II und IV der
                                  Wäldern in Natura 2000-Gebieten.                                    FFH-Richtlinie bzw. Anhang I und Arten nach
                                                                                                      Artikel 4.2 der Vogelschutzrichtlinie) sind
                                  Im Rahmen der Forstbetriebsplanung wird                             in den Natura 2000-Gebieten gemäß der
                                                                                                      Hessischen Biodiversitätsstrategie in einem
                                  •   der Erhaltungszustand der Buchen-Lebens-                        günstigen Erhaltungszustand (Stufe B oder
                                      raumtypen sowie der Erhalt des Anteils alter                    besser) zu erhalten oder es werden Maß-
                                      Laubbaumbestände geprüft. Auf Schirm-                           nahmen ergriffen, um diesen zu erreichen2.
                                      schlag oder Schirmschlag-ähnliche Verfahren
                                      wird verzichtet. Femelschlag unter besonde-                •    Die Maßnahmenplanungen für Natura
                                      rer Beachtung von Höhlenbäumen mit der                          2000-Gebiete (FFH- und Vogelschutzgebiete)
                                      sukzessiven Annäherung an Dauerwald wird                        werden in die mittelfristige Forstbetriebs­

                                  2
                                   Vgl. Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (2016) Hessische Biodiversitäts-
                                  strategie, Kap. 8 „Strategische Ziele und Maßnahmen“.

16                                                                                                                                                              17
NATURSCHUTZ LEITLINIE 2022 - FÜR DEN HESSISCHEN STAATSWALD - Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
und jährliche Wirtschaftsplanung integriert;                    raumtypen innerhalb von FFH-Gebieten ge-                4.3 GESETZLICH GESCHÜTZTE BIOTOPE
          verbindliche Erhaltungsmaßnahmen werden                         prägt sind, wird das Einbringen nicht hei-
          verbindlich umgesetzt und optionale Ent-                        mischer Baumarten unterlassen. Heimische,               Das Bundesnaturschutzgesetz und das hessi-                       Eichenwälder und Sommerlinden-Schlucht- und
          wicklungsmaßnahmen (Lebensraumtypen                             aber nicht lebensraumtypische Gehölzarten,              sche Naturschutzgesetz bestimmen für eine be-                    Blockwälder sowie die Moorbirken und Erlen-
          und Arten) ebenfalls bis der Erhaltungszu-                      dürfen nur mit einem Flächenanteil von max.             grenzte Zahl seltener Biotope einen Schutz qua                   brüche. Aber auch Sonderstandorte wie Felsen,
          stand günstig oder besser erreicht ist (dabei                   20 % eingebracht werden, um den Lebens-                 Gesetz, der besteht, ohne dass es eines behördli-                Höhlen und Stollen sind naturschutzgesetzlich
          ist das für die Maßnahme geeignete Wald-                        raumcharakter nicht zu gefährden.                       chen Ausweisungsverfahrens bedarf. Es handelt                    geschützt. Gleiches gilt seit der jüngsten Novel-
          entwicklungsstadium zu beachten); darüber                                                                               sich dabei oft um urtümliche Landschaftsele-                     lierung des Bundesnaturschutzgesetzes auch
          hinaus werden optionale Entwicklungsmaß­                   •    in „reinen“ Buchen-Lebensraumtypen gilt                 mente auf Sonderstandorten oder naturschutz-                     für Bergmähwiesen und Flachland-Mähwiesen.
          nahmen in das lokale Naturschutzkonzept                         eine Mindest-Mischbaumartenzahl nicht.                  fachlich besonders bedeutsame Lebensräume.                       Beide Grünlandtypen kommen in Waldwiesen
          integriert und priorisiert.                                                                                             In hessischen Staatswäldern sind das vor allem                   vor. Die gesetzlich geschützten Biotope sind in
                                                                     •    Mit den o.g. Vorgaben werden auch die aktu-             Moore und Quellbereiche, Wälder trockenwar-                      der Regel über die Hessische Biotopkartierung
     •    Erhöhung einer naturnahen Ausprägung der                        ellen Anforderungen erfüllt, die die FSC-Zer-           mer Standorte, Bruch-, Sumpf- und Auenwälder,                    oder im Rahmen der Forsteinrichtung identi-
          vorkommenden Waldlebensraumtypen. Aus                           tifizierung an die Bewirtschaftung in Natura            Schlucht-, Blockhalden- und Hangschuttwäl-                       fiziert und im Betriebswerk hinterlegt. Sie wer-
          wissenschaftlicher wie naturschutzfachlicher                    2000-Gebieten stellt.                                   der. Hier stocken Seggen- und Blaugrasbu-                        den in den lokalen Naturschutzkonzepten dar-
          Sicht besitzen diese „reinen“ Lebensraum-                                                                               chenwälder ebenso wie der Hainmieren- bzw.                       gestellt und entsprechend dem Schutzzweck
          typen einen hohen Wert für die Vegetations-                •    Chancen zur Entwicklung weiterer Lebens-                Waldlabkraut-Eichen-Hainbuchenwald, Birken-                      aktiv erhalten.
          kunde . Sie sind Teil des europäischen Natur-
                  3
                                                                          raumtypen-Flächen innerhalb von Flora-Fau-
          erbes, für das Hessen eine besonders hohe                       na-Habitat-Gebieten werden im Rahmen der
          Verantwortung trägt. Um die Qualität jener                      lokalen Naturschutzkonzepte identifiziert und           4.4 NATURWALDENTWICKLUNGSFLÄCHEN
          Flächen zu erhalten, die von FFH-Lebens-                        systematisch genutzt
                                                                                                                                  Die Ausweisung von rund 32.000 Hektar Natur-                     sind zugleich lebendige Anschauungsobjekte,
                                                                                                                                  waldentwicklungsflächen (Abk. NWE-Flächen;                       um die natürliche Walddynamik mit forstlichem
     4.2 NATURSCHUTZGEBIETE                                                                                                       bisher als „Kernflächen Naturschutz“ bezeichnet)                 Handeln abzugleichen und daraus Schlussfolge-
                                                                                                                                  auf 10 % der Staatswaldfläche ist ein zentraler                  rungen für die Weiterentwicklung der forstlichen
     Die Naturschutzgebiete und weitere Schutzka-                    güter und unter strikter Beachtung der Pflege-               Beitrag zum Erhalt und zur Förderung der bio-                    Praxis zu ziehen. In diesem Sinne ist die Auswei-
     tegorien der nationalen und hessischen Natur-                   pläne. Die Umsetzung der Pflegepläne für Arten               logischen Vielfalt. Von dem Verzicht auf forstwirt-              sung dieser Flächen auch integraler Bestandteil
     schutzgesetze leisten bereits seit Jahrzehnten                  und Habitate hat hier erste Priorität. Viele Arten           schaftliche Nutzung profitieren i.d.R. besonders                 der FSC-Zertifizierung.
     einen wesentlichen Beitrag zur Erhaltung und                    bedürfen regelmäßiger Eingriffe, z. B. zur Licht-            seltene und gefährdete wald- und holzbewoh-
     Verbesserung der biologischen Vielfalt, der Leis-               steuerung, um in den Schutzgebieten existieren               nende Arten sowie Waldlebensräume auf bewirt-                    In den Naturwaldflächen findet keine Bewirt-
     tungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaus-                    zu können.                                                   schaftungsempfindlichen Sonderstandorten (z. B.                  schaftung statt, das heißt keine Pflanz-, Pflege-
     halts und der Vielfalt, Eigenart und Schönheit von                                                                           Waldmoore). Für den Schutz dieser Arten und Le-                  und Erntemaßnahmen und auch keine Saat-
     Natur- und Landschaft.                                          In besonderen Einzelfällen tragen auch mecha-                bensräume wird eine natürliche Waldentwicklung                   gutgewinnung. Folgerichtig finden auch keine
                                                                     nische Maßnahmen, z. B. das Aufstellen von Zäu-              gemäß der bundesweiten NWE-Definition ge-                        Kalkung und kein Pestizideinsatz statt.
     In den Waldnaturschutzgebieten, in denen wirt-                  nen, zum Artenschutz bei. Die erforderlichen                 währleistet.4 Gleichzeitig leistet das Land Hessen
     schaftliche Tätigkeiten zulässig sind, erfolgt die              Artenschutzmaßnahmen werden im Rahmen an-                    mit der Ausweisung von Naturwaldentwicklungs-                    Die Naturwaldentwicklungsflächen verteilen sich
     forstliche Nutzung besonders rücksichtsvoll und                 gepasster, naturnaher und schonender Bewirt-                 flächen einen erheblichen Beitrag zur Erfüllung                  auf unterschiedliche Größenklassen und erfüllen
     immer mit Blick auf die lokal vorhandenen Schutz-               schaftungskonzepte gesteuert.                                der nationalen und der Hessischen Biodiversi-                    somit die Trittsteinfunktion über den gesamten
                                                                                                                                  tätsstrategie und schafft anschauliche Beispiele                 Staatswald genauso wie die Ansprüche von Ar-
                                                                                                                                  für eine ganzheitliche Umweltbildung und das                     ten, die auf großflächige Schutzgebiete ange-
                                                                                                                                  Erlebnis von unberührter Natur. Die genetische                   wiesen sind.
                                                                                                                                  Vielfalt der heimischen Baumarten, insbesondere
                                                                                                                                  der Buche, wird in den Naturwaldentwicklungs-                    Laubbaumbestände (überwiegend Buche) sind
                                                                                                                                  flächen erhalten und kann sich ungestört weiter-                 mit einem Anteil von 87 % in den Naturwaldent-
                                                                                                                                  entwickeln. Die Naturwaldentwicklungsflächen                     wicklungsflächen vertreten, bevorzugt in alten

     3
       Vgl. u. a. Ellenberg, H., Leuschner, C. (2010): Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen. In ökologischer, dynamischer und
     historischer Sicht. 6., erweiterte Auflage 2010. Ulmer-Verlag, 1334.                                                         4
                                                                                                                                      Naturwaldentwicklungsflächen auf 10 % der Staatswaldfläche erfüllen zudem die aktuellen Vorgaben der FSC-Zertifizierung.

18                                                                                                                                                                                                                                                               19
Waldbeständen (>160 Jahre). Besonders in den        Kennzeichnung im Gelände: Um den Betriebs-          Düngung unterhalten. Wildäcker sind seit lan-     Belange berücksichtigt. Entfalten bestimmte
     größeren Flächen sind allerdings auch alle an-      ablauf zu vereinfachen und für die Mitarbeiterin-   gem aufgegeben.                                   Wege für Dritte vermeintliche Notwendigkeiten,
     deren Hauptbaumarten und Altersklassen ver-         nen und Mitarbeiter des Landesbetriebs sowie                                                          sind die Folgelasten auch von diesen vollständig
     treten. So wird sichergestellt, dass auch künftig   beauftragte Forstunternehmen für Klarheit zu        Waldschutz: Bäume werden nur aus Waldschutz-      zu tragen.
     immer wieder wertvolles Altholz in den Natur-       sorgen, werden die Naturwaldentwicklungsflä-        gründen im Rahmen der gesetzlichen Verpflich-
     waldentwicklungsflächen nachwächst, und sich        chen dezent markiert.                               tung zum Waldschutz und der Nachbarrechte /       Verkehrssicherung: Innerhalb von Natur-
     beobachten lässt, wie sich Baumarten ohne den                                                           -pflichten entnommen. Zur Störungsminimierung     waldentwicklungsflächen werden keine Ver-
     Eingriff des Menschen durch seine Bewirtschaf-      Jagd und jagdliche Einrichtungen: Selbst in         sollten Fichten an der Grenze zum Kommunal­       kehrssicherungsmaßnahmen durchgeführt, um
     tung entwickeln können.                             den größten Naturwaldentwicklungsflächen re-        und Privatwald nach sorgfältiger örtlicher Ein-   waldtypische Gefahren zu verhindern. Verkehrssi-
                                                         gulieren sich Schalenwildbestände nicht über        schätzung in einer Zone von 500 Metern inner-     cherungsmaßnahmen an den Grenzlinien und an
     Die Naturwaldentwicklungsflächen sind über          natürliche Prozesse auf ein Niveau, auf dem sich    halb der ersten fünf Jahre nach Ausweisung        Verbindungs- und Rettungswegen sowie an aus-
     alle Wuchsgebiete in Hessen, alle Höhenlagen        alle natürlich vorkommenden Baumarten ohne          entfernt werden.                                  gewiesenen Wanderwegen sind im Rahmen der
     und geologischen Formationen repräsentativ          Schutzmaßnahmen verjüngen. Daher werden                                                               Vorgaben der „Geschäftsanweisung Verkehrssi-
     verteilt. Die in Hessen vorkommenden Waldge-        diese Flächen weiterhin bejagt und die Wild-        Aktive Maßnahmen des Arten- und Biotop-           cherung“ im geringstmöglichen Umfang zulässig.
     sellschaften sind auch mit ihren höhenzonalen       bestände an den Lebensraum angepasst. Jagd-         schutzes: Zulässig sind zwingend erforderliche    Gefällte Bäume verbleiben im Gebiet.
     Ausprägungen vollständig vertreten. Durch die       rechtliche Vorschriften gelten uneingeschränkt      Maßnahmen des Arten- und Biotopschutzes,
     ungleichmäßige Verteilung des Staatswalds in        auch in den Naturwaldentwicklungsflächen, und       die aufgrund von verbindlichen naturschutz-       Die Entwicklung der sich selbst überlasse-
     Hessen ergeben sich allerdings Schwerpunkte         der Jagdbetrieb einschließlich Bewegungsjag-        fachlichen Vorgaben (z. B. Pflegepläne für Na-    nen Waldbestände soll systematisch
     in Nord- und Osthessen. Zwei Drittel der Na-        den wird aufrechterhalten. In Naturwaldentwick-     turschutzgebiete, Maßnahmenpläne für Natura       beobachtet werden. Die Nordwest-
     turwaldentwicklungsflächen liegen in Fauna-         lungsflächen über 500 Hektar wird gemäß Erlass      2000-Gebiete) bestehen oder von den zustän-       deutsche Forstliche Versuchsanstalt
     Flora-Habitat-Gebieten und leisten damit einen      des hessischen Umweltministeriums „Auswei-          digen Naturschutzbehörden ausdrücklich gefor-     entwickelt hierzu ein Fachkonzept.
     wesentlichen Beitrag im europaweiten Natura-        sung von Kernflächen als Naturschutzgebiete“        dert und finanziert werden. Das aktive Zurück-
     2000-Schutzgebietsnetz. Alle Naturwaldreserva-      vom 10. Januar 2020 ein Wildtiermanagement          drängen von Nadelbaumanteilen per se ist in
     te und viele Naturschutzgebiete, in denen keine     verankert, das u.a. die jagdrechtlichen Möglich-    Naturwaldentwicklungsflächen nicht zulässig.
     pflegenden Eingriffe vorgeschrieben sind, sind      keiten der Bildung von Ruhezonen ausschöpft.        Für Nadelbaumanteile, die aus naturschutzfach-       CHECKBOX:
     ebenfalls Teil der Naturwaldentwicklungsflächen.                                                        lichen Gründen entnommen werden sollen, gilt         WIE MESSEN WIR DIE
                                                         Die Jagd auf Schalenwild in NWE-Flächen soll        eine begrenzte, maximal 20-jährige „Entwick-         ERREICHUNG UN-
     Auf den Naturwaldentwicklungsflächen sollen         störungsarm und effizient sein. Die Jagdleitung     lungspflege“ bis zum Ablauf der nächsten voll-       SERER ZIELE?
     sich Waldgesellschaften ungestört entwickeln        obliegt stets dem zuständigen Forstamt. NWE-        ständigen Forsteinrichtungsperiode.
     können. Zu dieser Entwicklung gehören natür-        Flächen > 100 Hektar sollen künftig nicht mehr                                                           Die Erreichung der Ziele werden mit folgen-
     liche Störungen, die auf diesen Flächen aus-        verpachtet werden, bestehende Pachtverträge         Wege: In der Regel werden keine Wege zurück-         den Kennzahlen gemessen:
     drücklich erwünscht sind. In einem dicht besie-     werden nach Ablauf nicht erneuert oder verlän-      gebaut. Andererseits werden Wege innerhalb
     delten Land bleiben gleichwohl Konflikte nicht      gert. Die Einrichtung, Pflege und der Unterhalt     von Naturwaldentwicklungsflächen auch nicht          •   Erhaltungszustände der Wald-Lebens-
     aus. In sehr eng begrenzten Ausnahmefällen          der jagdlichen Infrastruktur (auch Mulchen von      mehr aktiv unterhalten, insbesondere die nicht           raumtypen
     (z. B. Waldbrände, neue Aufkommen invasiver         Jagdschneisen) ist in Naturwaldentwicklungs-        ganzjährig befahrbaren oder Maschinenwege.
     und ggf. gesundheitsgefährdender Neophyten,         flächen möglich. Dabei werden alle Maßnahmen        Hiervon ausgenommen sind allerdings Verbin-          •   Erhaltungszustände der im Wald leben-
     Notwendigkeit zur Grundwasseranhebung u. ä.         auf das unumgänglich Notwendige beschränkt.         dungs- oder Rettungswege, die                            den Arten der Anhänge II und IV der FFH-
     Fälle) können deshalb steuernd Eingriffe in die-    Jagdschneisen werden nicht vergrößert. Die          für die Forstbetriebe weiter                             Richtlinie sowie des Anhangs I und Artikel
     sen Flächen notwendig werden. Wichtig ist in        Neuanlage ist nur statthaft, wenn dies zur Be-      notwendig sind (sog. Forst-                              4.2 der VS-Richtlinie
     solchen Ausnahmefällen ein sehr sensibler Um-       ruhigung an anderer Stelle aus Gründen des          straßen). Dabei werden
     gang mit der Wahl der Mittel und eine frühzeitige   Artenschutzes geboten ist und alte Schneisen        artenschutzrechtliche
     Kommunikation gegenüber der Naturschutzver-         und nicht benötigte Hochsitze aufgegeben wer-
     waltung, den Naturschutzvereinigungen und der       den. Holz für den Hochsitzbau wird nicht aus
     Öffentlichkeit. Für den Schutz der Naturwaldent-    den Naturwaldentwicklungsflächen entnommen.
     wicklungsflächen gelten unter anderem die fol-      Fütterungen und Kirrungen finden nicht statt.
     genden, ergänzenden Regelungen:                     Wildwiesen werden weiterhin fachgerecht ohne

20                                                                                                                                                                                                                 21
Der hessische Wald ist ein Mosaik unterschiedli-                   Beitrag zum Schutz der biologischen Vielfalt,
                                   cher Lebensräume, neben verschiedenen pflan-                       gerade zum Schutz der im Offenland so stark be-
                                   zensoziologischen Unterscheidungen der Wald-                       drohten Insektenarten geleistet werden.
                                   lebensräume gehören auch Waldwiesen und
                                   Waldränder zu den Landschaftselementen von                         Viele Lebensräume und Strukturen bedürfen im
                                   naturschutzfachlicher Bedeutung. Sie finden sich                   Wald unserer besonderen Aufmerksamkeit. Die
                                   oftmals außerhalb der Schutzgebietskulissen.                       nachfolgenden Kapitel beschreiben Handlungs-
                                   Durch gezielte Entwicklung solcher Strukturele-                    ansätze und Maßnahmen, die in den lokalen
                                   mente und Lebensräume kann ein erheblicher                         Naturschutzkonzepten umgesetzt werden.

                                   5.1 VORWALDSTADIEN UND FÖRDERUNG SELTENER
                                   BAUMARTEN
                                   Neben den Zerfallsphasen sind insbesondere                         Auch auf größeren Schadflächen hat Naturver-
                                   frühe Sukzessionsstadien der Waldentwicklung                       jüngung grundsätzlich Vorrang. Sofern diese
                                   sehr artenreich.5 Sie haben damit eine große Be-                   unter Berücksichtigung des erwarteten Klima-
                                   deutung für die Biodiversität im Wald.6 So benö-                   wandels standortgerecht ist, wird das natürliche
                                   tigen z. B. Ziegenmelker und Wendehals offene                      Regenerationsvermögen des Waldes genutzt.
                                   Flächen. Halboffene Strauchlandschaften bilden                     Vorwaldstadien aus Pionierbaumarten, wie z. B.
                                   u. a. für Kreuzotter, Neuntöter, Raubwürger und                    Birke, Weide, Aspe oder Eberesche, werden in
                                   Baumpieper idealen Lebensraum. Durch die Ein-                      die Wiederbewaldung integriert. Angelehnt an
                                   führung der naturgemäßen Waldbewirtschaftung,                      die natürliche Dynamik der Waldentwicklung
                                   die schattentolerante Klimaxbaumarten begüns-                      werden sie zeitverzögert durch Pflege und ggf.
                                   tigt, sind diese Lebensräume seltener geworden.                    auch Pflanzung zu Schlusswaldentwicklungs-
                                                                                                      zielen überführt.
                                   Es ist daher geboten, durch aktiven Erhalt und
                                   Förderung früher Sukzessionsstadien (Pionier-                      Auch dort, wo Freiflächen aktiv bepflanzt werden
                                   baumarten, blütenreiche Schlagfloren, Arten                        müssen, werden bereits natürlich vorverjüngte
                                   der Sukzessionsstadien), die daran gebundenen                      Bereiche in die Kulturflächen integriert. Sonder-
                                   Lebensgemeinschaften zu fördern. Damit wird                        standorte werden von der Pflanzung ausge-
                                   auf Landschaftsebene ein räumlich und zeit-                        spart und der natürlichen Entwicklung
                                   lich paralleles Nebeneinander verschiedener                        überlassen.
                                   Waldentwicklungsphasen geschaffen, das mehr
                                   Lebensraum für Arten mit unterschiedlichen An-                     Darüber hinaus hat der Landesbe-
                                   sprüchen bietet.                                                   trieb den Auftrag auf einem Teil
                                                                                                      der Kalamitätsfläche unbeeinfluss-
                                   Ein wichtiger Ansatzpunkt für frühe Sukzessi-                      te Waldentwicklung zuzulassen. Auf

     5
                                   onsstadien sind Kalamitätsflächen. Aus diesem                      diesen Sukzessionsflächen finden für

         ERHALT DER VIELFALT DER
                                   Grund werden Schadflächen unter 0,3 Hektar                         mindestens 10 Jahre keine forstlichen
                                   Größe grundsätzlich der natürlichen Wieder-                        Maßnahmen statt.
                                   bewaldung überlassen.

         LEBENSRÄUME IM WALD
                                   5
                                     Vgl. u. a. Hilmers T., Friess N., Bässler C. et al. (2018): Biodiversity along temperate forest succession. Journal of Applied
                                   Ecology 55, 2756-2766.
                                   6
                                     Vgl. u. a. Wissenschaftlicher Beirat für Waldpolitik / Wissenschaftlicher Beirat für Biodiversität und Genetische Ressourcen
                                   2020. Wege zu einem effizienten Waldnaturschutz in Deutschland. S. 62.

22                                                                                                                                                                    23
Ein repräsentativer Teil dieser Fläche wird einem   schutzkonzepten ein erhöhter Stellenwert zu.
     dauerhaften Monitoring unterzogen, um die Ent-      Auf nährstoffreichen Standorten (Kalk) bilden
     wicklung wissenschaftlich begleiten und Rück-       z. B. Feldahorn, Elsbeere, Wildobst oder auch
     schlüsse daraus ziehen zu können.                   Eibe und die daran gebundenen Floren- und
                                                         Faunengesellschaften einen Schwerpunkt des
     Das Potential sukzessionaler Prozesse und selte-    lokalen Biotop- und Artenschutzes. Naturferne
     ner Baumarten über die vorgenannten zentralen       Bestockungen (Nadelbäume) werden auf diesen
     Mindeststandards hinaus zu fördern, hängt stark     Standorten vordringlich in naturnahe Waldbe-
     von den lokalen standörtlichen Gegebenheiten ab.    stände warm­trockener Standorte umgebaut. Auf
                                                         nährstoffärmeren Grundgesteinen (z. B. Schiefer,
     Aufgrund der ökologischen Ansprüche und ge-         Grauwacke) sollen trockene Standorte der natür-
     ringen Konkurrenzkraft vieler Pionierbaumarten      lichen Sukzession überlassen werden, sofern die
     entwickeln sich natürliche Sukzessionsstadien       Ausgangsbedingungen eine naturnahe Entwick-
     vorrangig auf (schwach) mesotrophen Stand-          lung erwarten lassen. Anderenfalls wird diese
     orten. Hier sollen die Forstämter im Zuge der       durch Pflegemaßnahmen, orientiert am Schutz-
     Wiederbewaldung im Rahmen der lokalen Natur-        zweck, gesteuert. Naturferne Bestockungen wer-
     schutzkonzepte verstärkt Waldbestände aus Pio-      den umgebaut.
     nierbaumarten etablieren und unter Ausnutzung
     dieser natürlichen Dynamik weiterentwickeln.        Grundsätzlich wird nach waldbaulicher Zielset-
                                                         zung im hessischen Staatswald auf Mischwälder      CHECKBOX: WIE MESSEN WIR DIE
     Dagegen scheiden eutrophe Bereiche wegen            mit grundsätzlich 4 bis 5 standortgerechten und
                                                                                                            ERREICHUNG UNSERER ZIELE?
     der hohen Wuchsdynamik der krautigen Flora          vorzugsweise heimischen Baumarten in jedem
     weitgehend aus, um ungelenkte Sukzession ge-        Bestand hingearbeitet. Der Erhalt und die För-
     eignet in die Wiederbewaldung einzubeziehen.        derungen von Mischbaumarten sind demzufol-         Die Integration sukzessionaler Prozesse und seltener Baumarten
     Nur bei einer aus dem Vorbestand vorhandenen        ge zentrale Ziele unserer Jungwaldpflege. Pio-     in die Bewirtschaftung des hessischen Staatswaldes werden anhand
     Vorverjüngung aus Wirtschaftsbaumarten ist hier     nierbaumarten werden also niemals vollflächig      folgender Kennzahlen gemessen:
     mit einer erfolgreichen Wiederbewaldung durch       und systematisch entnommen, sondern als Mi-
     Sukzession zu rechnen. Ebenfalls ungeeignet für     schungselemente integriert und möglichst über      •   Anteil der Naturverjüngung an der ge-           Weide, Eberesche oder Aspe entwickeln,
     Sukzessionsprozesse sind durch anthropogene         alle Waldentwicklungsphasen erhalten. Seltene          samten Verjüngungsfläche: Natürliche            ohne dass in dieser Phase pflegend ein-
     Einflüsse stark überprägte Standorte. Das können    und konkurrenzschwache Baumarten werden                Verjüngungsprozesse sind integraler Be-         gegriffen wird.
     z. B. Flächen mit besonders hohen Nährstoffein-     besonders gefördert. Dadurch wird die Lebens-          standteil naturnaher Forstwirtschaft. Im
     trägen durch die Nähe zu landwirtschaftlichen       grundlage der daran gebundenen Arten dauer-            hessischen Staatswald soll etwa 70 % der    •   Aktive Einbringung seltener Baumarten:
     Flächen oder Waldrandlagen sein. Die natürliche     haft gesichert.                                        regulären Waldverjüngung über Natur-            Mindestens 2 % der pro Jahr im hessi-
     Walddynamik ist hier gestört. Die rasche Entwick-                                                          verjüngung erfolgen.                            schen Staatswald gepflanzten Bäume
     lung einer geschlossenen Gras- und Strauchve-                                                                                                              sind seltene heimische Baumarten mit
     getation verhindert die Etablierung von Pionier-                                                       •   Anteil natürlicher Verjüngung bei der           besonderer Bedeutung für die Biodiver-
     baumarten mit Ausnahme der Birke weitgehend.                                                               Wiederbewaldung: Mindestens 50 % der            sität. Dazu zählen z. B. Elsbeere, Mehl-
                                                                                                                Schadflächen sollen durch natürliche Ver-       beere, Speierling, Wildobst, Schwarzpap-
     Besonders trockene, wärmegeprägte Standorte                                                                jüngung zu vitalen, klimastabilen Misch-        pel, Ulme und Eibe.
     sind typische Ausgangsbedingungen zur Ent-                                                                 wäldern entwickelt werden. Dazu wird
     wicklung lichter Waldstrukturen mit hohem na-                                                              die natürliche Entwicklung durch Pflege     •   Umfang von Sukzessionsflächen (ha):
     turschutzfachlichen Wert. Wo solche Standorte                                                              gesteuert und ggf. durch Mischbaumar-           Etwa 1 % aller Schadflächen im Staats-
     vorzufinden sind, kommt seltenen, heimischen                                                               ten ergänzt.                                    wald soll im Zuge der Forstbetriebspla-
     Baum- und Straucharten in den lokalen Natur-                                                                                                               nung zu Sukzessionsflächen werden,
                                                                                                            •   Flächenanteil von Beständen frühsuk-            auch wenn dort innerhalb der Planungs-
                                                                                                                zessionaler Baumarten: Auf mindestens           periode Blößen verbleiben. Bis jetzt sind
                                                                                                                2 % der Staatswaldfläche sollen sich Be-        bereits 200 Hektar solcher Flächen aus-
                                                                                                                stände aus Pionierbaumarten wie Birke,          gewiesen.

24                                                                                                                                                                                                          25
5.2 WALDWIESEN                                                                                             Für die lokalen Naturschutzkonzepte bieten sich              •    Vorkommen von Tier- und Pflanzenarten.
                                                                                                                die nachstehenden Ansatzpunkte für eine Weiter-
     Neben rd. 320.000 Hektar Baumbestandsfläche          Rahmenbedingungen zu beachten:                        entwicklung der Waldwiesen entsprechend den                  •    Vernetzung angrenzender Biotope. Herstel-
     bewirtschaftet HessenForst ca. 10.000 Hektar                                                               lokalen Gegebenheiten:                                            len, Erhalt und Pflege eines Biotopverbundes.
     Waldwiesen im hessischen Staatswald. Die Wald-       •   Die extensive Bewirtschaftung führt i. d. R. zu
     wiesen sind kulturhistorisch entstanden und prä-         artenreichen Wildkräuterwiesen.                   •    Erhalt und Entwicklung von Waldwiesen auf               •    Anlegen von Altgrasstreifen
     gen zusammen mit den umgebenden Wäldern                                                                         Sonderstandorten (nass, feucht).
     das Landschaftsbild. Im Rahmen des Waldwie-          •   Bewirtschaftete Waldwiesen können zum Er-                                                                      •    Übernahme von Pflege- und Entwicklungs-
     senprojekts (Abschluss 2019) wurden alle Wald-           halt oder zur Entwicklung von Wildkräuter-        •    Erhalt und Entwicklung von Waldwiesen un-                    maßnahmen aus bestehenden Maßnahmen-
     wiesen größer 0,3 Hektar (Wiesen, Weiden und             wiesen in Ausnahmefällen zielgerichtet ge-             ter Berücksichtigung bestätigter besonderer                  plänen/Pflegeplänen der FFH- und Natur-
     Daueräsungsflächen) erfasst. Die Ergebnisse des          düngt werden.                                                                                                       schutzgebiete.
     Projekts sind in die Geschäftsanweisung 03/2019
     „Waldwiesen und Landwirtschaft“ eingeflossen.        •   Erforderliche Aussaaten werden mit zertifi-
     Sie regelt Ziele und Standards für die Entwick-          ziertem „Regiosaatgut“ oder im Rahmen von         5.3 WALDRÄNDER
     lung der Waldwiesen.                                     Mahdgutübertragung durchgeführt.
                                                                                                                Waldränder erfüllen vielfältige Funktionen. Je               Landschaftsbild und steigern den Erholungswert.
     Waldwiesen werden offengehalten und dauer-           •   Die Bewirtschaftung orientiert sich an dem        nach Ausgangslage schützen funktionsgerechte
     haft genutzt. Viele Waldwiesen weisen stabile, ty-       Konzept „Pflege und Bewirtschaftung von           Waldränder den Wald vor Sturm- oder Hitze-                   Den Hessischen Staatswald umfassen ca. 12.000
     pische, blüten- und artenreiche Kraut sowie Gras-        Waldwiesen (Anlage 1 zur Geschäftsanwei-          schäden (Sonnenbrand), aber auch vor Bränden                 km Waldrand, etwa ein Viertel davon ist durch
     und Moosschichten auf. Blütenreiche Säume                sung 03/2019 Waldwiesen und Landwirt-             oder Immissionen.                                            seine Lage / Exposition aus naturschutzfachlicher
     bilden attraktive Refugialräume für Insekten und         schaft) und entspricht der guten fachlichen                                                                    Sicht besonders wertvoll. Langfristiges Ziel ist es,
     Vögel. Damit sind Waldwiesen wesentlicher Teil           Praxis.                                           Gleichzeitig bilden sie einen artenreichen wert-             möglichst überall Waldränder in einen ökologisch
     des Strukturreichtums vernetzter Lebensräume                                                               vollen Lebensraum und besitzen ein sehr großes               wertvollen und funktionsgerechten Zustand zu
     mit positiver Strahlwirkung in die angrenzenden      •   Die Bewirtschaftung von Waldwiesen in             Maß an Biodiversität. Als Übergangszone zwischen             überführen und zu entwickeln, durch zielgerich-
     Bereiche. Waldwiesen werden unter Berücksich-            Schutzgebietskulissen (Landschaftsschutz-,        Wald und Feld dienen sie vielen Tieren als Lebens-           tete Maßnahmen wiederkehrend zu pflegen und
     tigung ihrer potentiellen natürlichen Pflanzen-          Naturschutz-, Wasserschutzgebiete, Natura         raum und als Linienbiotope zur Vernetzung des                weiterzuentwickeln.
     gesellschaften bewirtschaftet, d. h. sie werden          2000-Gebiete u. a.) erfolgt entsprechend          Biotopverbunds. Gleichzeitig bereichern sie das
     entsprechend ihrer Definition durch Mahd oder            den dazu bestehenden Gesetzen, Verord-
     durch die Beweidung von Tieren in angepasster            nungen und Maßnahmenplänen.
     Art und Anzahl extensiv gepflegt und entwickelt.                                                           5.3.1 Waldaußenränder
     Je nach lokaler Zielsetzung können bei der Be-       •   FFH-Lebensraumtypen wie beispielsweise
     wirtschaftung landwirtschaftliche, jagdliche und/        Flachland-, Bergmähwiesen, Borstgrasrasen,        Die Chance zur aktiven Neuanlage von Wald-                   vollen Übergang zum Wald. Diese Maßnahmen
     oder naturschutzfachliche Ziele im Vordergrund           oder Pfeifengraswiesen wer-                       außenrändern ist insbesondere nach Kalamitäten               unterstützen gezielt den stufig ansteigenden
     stehen. Bei der Bewirtschaftung sind folgende            den gezielt gefördert.                            gegeben. Über die Vorgaben des Hessischen                    und damit funktionsgerechten Waldaußenrand-
                                                                                                                Waldgesetzes7 hinaus, werden bei der Kulturbe-               aufbau, bestehend aus Waldsaum, Waldmantel,
                                                                                                                gründung Randbereiche zum angrenzenden Of-                   Kraut- und Strauchschicht sowie Bäumen zweiter
                                                                                                                fenland gezielt für die natürliche Ansiedlung ei-            Ordnung. Auf Grund seiner naturschutzfachli-
     CHECKBOX: WIE MESSEN WIR DIE ER-                                                                           ner Krautschicht ausgespart. Im Anschluss schafft            chen Wertigkeit und biologischen Vielfalt sollen
     REICHUNG UNSERER ZIELE?                                                                                    die Pflanzung von heimischen und standörtlich                besonders an südexponierten Rändern ausge-
                                                                                                                geeigneten Strauch- und Zwergstraucharten, er-               prägte Maßnahmen zur Waldrandgestaltung
     Die Quantität und Qualität der Waldwiesen werden mit folgenden Kenn-                                       gänzt und erweitert durch Bäume mit geringer                 vorgesehen werden. Hier lassen sich die größten
     zahlen gemessen:                                                                                           Endhöhe („Bäume zweiter Ordnung“) einen wert-                Effekte für die Artenvielfalt erreichen.

     •   Fläche bewirtschaftete Waldwiese (Wiesen,        •   Fläche für Instandsetzungs-
         Weiden, Daueräsungsflächen)                          maßnahmen                                         7
                                                                                                                 §9 (3) HWaldG: „Bei der Verjüngung oder Neubegründung eines Waldes dürfen Baumanpflanzungen nur in einem Abstand
                                                                                                                von mindestens fünf Metern von der Grenze zu einem landwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzten Grundstück erfolgen; zu
                                                                                                                Wegen muss der Abstand mindestens einen Meter, zu Rebgelände mindestens sechs Meter betragen. Die Abstandsstreifen
     •   Fläche und Erhaltungszustand der Lebens-         •   Fläche einer ökologische Aufwertung               können bis zu einem Meter Abstand von der Grenze mit Sträuchern oder Bäumen bis zu einer Höhe von zwei Metern bepflanzt
         raumtypen „6510 Flachlandmähwiesen“ und                                                                werden. Die Forstbehörde kann Ausnahmen zulassen.“
         „6520 Bergmähwiesen“
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