Erneuerbare Energien Report - Die Energiewende naturverträglich gestalten! - Bundesamt für Naturschutz
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Impressum Herausgeber Bundesamt für Naturschutz Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Konstantinstraße 110 53179 Bonn Telefon: 0228 8491-4444 E-Mail: presse@bfn.de URL: www.bfn.de Redaktion U. Bosch, B. Jessel, K. Ammermann Mit Beiträgen von: S. Balzer, S. Böttner, K. Erdmann, H. Flatter, O. Hendrischke, C. Hildebrandt, U. Hoffmann, F. Igel, M. Klein, J. Kötting, R. Petermann, J. Pöllath, J. Ponitka, U. Riecken, V. Scherfose, C. Schönhofer, C. Selig, S. Stenzel, C. Strauß, A. Weber Titelbild Collage, u. a. mit Bildelementen von ©nounours1 - stock.adobe.com (Landschaftsbild) und ©Kateina - stock.adobe.com (Solaralagen) Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Heraus- gebers unzulässig und strafbar. Nachdruck, auch in Auszügen, nur mit Genehmigung des BfN. Gedruckt auf Recyclingpapier Bonn - Bad Godesberg Februar 2019, 1. Auflage
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis 3 0 Kernaussagen und Empfehlungen 4 1 Naturschutz und erneuerbare Energien: Ein Spannungsverhältnis zwischen Synergien und Konflikten 6 2 Aktueller Stand und Ausbauziele der erneuerbaren Energien 8 2.1 Aktuelle Anlagenzahlen und räumliche Verteilung 8 2.2 Landnutzung und Flächeninanspruchnahme durch erneuerbare Energien 10 2.2.1 Flächeninanspruchnahme durch erneuerbare Energien 10 2.2.2 Schutzgebiete und erneuerbare Energien 12 2.3 Auswirkungen des Ausbaus auf Natur und Landschaft 12 2.3.1 Landschaft und erneuerbare Energien 14 2.3.2 Artenschutz und erneuerbare Energien 15 2.4 Gesellschaftliche Aspekte des Ausbaus erneuerbarer Energien 16 2.5 Ausblick auf die weitere Entwicklung 16 3 Lösungsansätze und Zukunftsperspektiven 19 3.1 Energielandschaften der Zukunft 19 3.1.1 Technische Perspektiven und Herausforderungen 19 3.1.2 Räumliche Verteilung und Anzahl von EE-Anlagen 21 3.1.3 Akzeptanz für den Landschaftswandel 22 3.2 Räumliche Steuerungsansätze 23 3.2.1 Landschaftsbild und Standortwahl 23 3.2.2 Artenschutz und Standortwahl 26 3.2.3 Steuernde Wirkung von Schutzgebieten 28 3.3 Naturverträgliche Ausgestaltung von EE-Anlagen 30 4 Schlussfolgerungen und Empfehlungen für einen naturverträglichen Ausbau der erneuerbaren Energien 35 4.1 Kurzfristig umzusetzende Maßnahmen 35 4.2 Stellschrauben für die zukünftige Ausgestaltung einer naturverträglichen Energiewende 35 5 Literaturverzeichnis 38 6 Abbildungsverzeichnis 41 7 Tabellenverzeichnis 42 8 Abkürzungsverzeichnis 42 3
0 Kernaussagen und Empfehlungen Der Erneuerbare Energien Report 2019 basiert auf Ergebnis- Abbildung 2: sen aus über 40 am Bundesamt für Naturschutz (BfN) bear- Der Ausbau der erneuerbaren Energien beiteten und laufenden Forschungsvorhaben zum natur- trägt zum Landschaftswandel bei. verträglichen Ausbau erneuerbarer Energien. Dabei stehen (Foto: Ulf Hauke) neben dem Artenschutz vor allem die Aspekte „Fläche“ (d. h. sparsamer und effizienter Umgang mit der Ressource Flä- che) und „Landschaft“ (stärkere Berücksichtigung des Schutz- gutes Landschaft, auch unter Akzeptanzgesichtspunkten) im Mittelpunkt. Mit dem vorliegenden Report kommt das Bun- desamt für Naturschutz seiner Aufgabe nach, über einzelne Vorhaben hinaus eine Synthese der Ergebnisse zu erstellen. Dabei stehen Lösungen und Lösungsansätze für ein Mitein- ander von Naturschutz und Energiewende im Fokus. Der Umbau des Energieversorgungssystems hin zu erneuer- baren Energien ist vor dem Hintergrund des anstehenden Klimawandels und im Sinne des Klimaschutzes auch für die Erhaltung der biologischen Vielfalt und von Kulturland- weitere Ausbau ist daher gezielt so zu gestalten und zu steu- schaften von großer Bedeutung. Der dezentrale Charakter des ern, dass er naturverträglich erfolgt und nicht auf Kosten Ausbaus sowie die Vielzahl der notwendigen Anlagen verstär- von Natur und Landschaft verwirklicht wird. Daraus leiten ken aber andererseits den bereits laufenden Landnutzungs- sich die folgenden Kernaussagen und Empfehlungen ab: und Landschaftswandel. Damit kann es durch den Ausbau der erneuerbaren Energien gleichzeitig zu Beeinträchtigungen à Die hohe und dezentral in der Landschaft verteilte Flä- von Arten, Lebensräumen und Landschaften kommen. cheninanspruchnahme durch erneuerbare Energien ist eine wesentliche Ursache für die vielfältigen Auswirkun- Ein Ziel der Nationalen Strategie der Bundesregierung zur gen auf Natur und Landschaft. Sie ist daher zu minimie- biologischen Vielfalt (NBS) ist, dass die Erzeugung und Nut- ren. Fläche ist auch beim Ausbau der erneuerbaren Ener- zung erneuerbarer Energien nicht zu Lasten der biologi- gien so sparsam und effizient wie möglich zu nutzen: schen Vielfalt gehen darf (vgl. Kap. C8 der Strategie). Der Bei begrenzter Flächenverfügbarkeit sind die Umset- zung der im Energiekonzept der Bundesregierung vorgesehenen Effizienzmaßnahmen und Energieein- sparungen für eine naturverträgliche Ausgestaltung der Energiewende zwingende Voraussetzung. Strombasierte Anwendungen sind die effizientesten Optionen im Wärme- und Verkehrsbereich. Die Ener- giewende mit einer strategischen Neuausrichtung dieser Bereiche und dem Ausbau der Sektorkopplung ist daher voranzutreiben. Die erneuerbare Stromer- zeugung wird somit auch zukünftig von zentraler Bedeutung sein. Technologien mit geringer Flächeninanspruchnah- me sind zu bevorzugen. Für Bioenergie aus Anbau- biomasse, insbesondere Biogas, ergeben sich daher keine ausbaufähigen naturverträglichen Handlungs- optionen. Die Ursachen liegen in der hohen Flächen- beanspruchung und Konkurrenzen aus dem Bereich der stofflichen Nutzung begründet. Synergien zum Naturschutz wie die Verwertung von Landschafts- Abbildung 1: pflegematerial sind in einer gewissen Größenord- Holz ist aktuell die wichtigste erneuerbare Wärmequelle. nung möglich. Auch Energieholz kann im aktuellen (Foto: Kathrin Ammermann) Umfang weiter genutzt werden, vorzugsweise nach einer stofflichen Kaskadennutzung. Eine naturverträgliche räumliche Verteilung und Lenkung des Zubaus der erneuerbaren Energien ist 4
bereits auf Bundesebene planerisch vorzubereiten. gen Hochspannungsübertragungsnetze und zur Ver- So könnten z. B. Korridore für regionale Mengen an besserung der Akzeptanz bei. Zudem können städti- erneuerbaren Energien erarbeitet werden. Das bietet sche Räume so einen bedeutenden Beitrag zur auch den Vorteil einer besseren Koordinierung mit Energiewende leisten. Konzepte wie das Mieterstrom- dem Netzausbau. modell im EEG unterstützen diese Entwicklung und sind weiter zu entwickeln und auszubauen. à Das Schutzgut Landschaft ist bei Planung und Genehmi- gung sowie bei strategischen Überlegungen zur Energie- à Übergreifendes Ziel der Nationalen Strategie zur biolo- wende stärker einzubeziehen: gischen Vielfalt ist es, den Rückgang der Biodiversität aufzuhalten und einen positiven Trend bei der Entwick- Die zielgerichtete Erhaltung regional wichtiger land- lung der Artenvielfalt und der Vielfalt der Lebensräume schaftlicher Qualitäten ist unerlässlich, um die Ak- zu erreichen. Das ist auch beim weiteren Ausbau der zeptanz der Menschen vor Ort für den Ausbau der erneuerbaren Energien zu beachten: erneuerbaren Energien zu erhalten. Ansätze zur Be- wertung der Empfindlichkeiten von Landschaften Eine überlegte Standortwahl ist nach wie vor Grund- gegenüber verschiedenen Formen der erneuerbaren lage, um mögliche Konflikte zwischen Artenschutz/ Energien liegen vor. Nun gilt es, diese in die Pla- Schutz der Lebensräume und EE-Anlagen zu vermei- nungs- und Entscheidungsprozesse einzubeziehen. den bzw. weitestmöglich zu minimieren. Weiterge- Zudem bieten Bewertungsansätze zur Landschaftsäs- hende Forschung z. B. zu Artvorkommen, Populations- thetik in besonderem Maße Möglichkeiten, über Mit- entwicklungen oder dem Zugverhalten von Vögeln wirkungsprozesse und Anpassungen in der Ausge- und Fledermäusen ist dafür von Bedeutung. staltung der Maßnahmen Akzeptanz zu fördern. Die Erprobungs- und Begleitforschung zum Ausbau Es müssen naturnah wirkende Landschaften ohne und Betrieb von EE-Anlagen ist auch unter Arten- technische Überprägung, erhalten bleiben. Oft sind schutzaspekten zu intensivieren, um praktische Erfah- diese Flächen von besonderer Bedeutung für die Er- rungen z. B. zu Vermeidungsmaßnahmen oder zum haltungs- und Entwicklungsziele des Naturschutzes Verhalten von Arten an EE-Anlagen zu sammeln und und der Landschaftspflege. Das sind neben Schutzge- für die Anwendung aufzubereiten. bieten z. B. auch Wälder mit altem Baumbestand Vermeidungsmaßnahmen sind zu nutzen, um die oder Landschaften, die für die Erholungsnutzung be- Naturverträglichkeit der Anlagen zu verbessern und sonders wertvoll sind oder die besondere ästhetische artenschutzrechtliche Konflikte zu minimieren. Von Qualitäten aufweisen. Bedeutung sind dabei die Nutzung von erprobten Zur Schonung der freien Landschaft und um zu- Maßnahmen und die Anpassung an den spezifischen gleich die energiepolitischen Ausbauziele zu errei- Standort. Im Rahmen weitergehender Forschung chen, ist die verstärkte Entwicklung und Nutzung sind neue Maßnahmen zu entwickeln, zu prüfen und der Solarenergie im bauplanungsrechtlichen Innen- in die Anwendungspraxis zu übertragen. bereich bzw. auf bereits versiegelten Flächen drin- gend erforderlich. Ein vermehrter verbrauchsnaher Ausbau trägt auch zur Reduzierung der notwendi- 5
1 Naturschutz und erneuerbare Energien: Ein Spannungsverhältnis zwischen Synergien und Konflikten Der Verlust von biologischer Vielfalt und der Klimawandel werden oder sie beispielsweise durch Kollisionen mit Winde- sind Herausforderungen von globaler Bedeutung. Beide The- nergieanlagen direkt als Individuum gefährdet sind. Der men sind eng miteinander verknüpft. Und beide Entwicklun- Ausbau der erneuerbaren Energien muss daher entspre- gen sind durch menschliche Aktivitäten (mit)verursacht, wobei chend naturverträglich ausgestaltet werden. eine Trendumkehr für die Sicherung der Lebensgrundlagen essenziell ist. Der Zielrahmen dafür wird neben der gesetzlichen Bestim- mung des § 1 BNatSchG u. a. durch die Ziele der Nationalen Bereits heute befinden sich viele Arten in einem alarmieren- Strategie zur biologischen Vielfalt bestimmt, die als Umset- den Zustand, wie der Artenschutzreport des Bundesamtes zung des internationalen Übereinkommens über die bio- für Naturschutz (BfN) aufzeigt (BfN 2015). Ein Drittel der in logische Vielfalt (Convention on Biological Diversity; CBD) Deutschland vorkommenden Tier- und Pflanzenarten steht bereits 2007 von der Bundesregierung beschlossen wurde. In auf der Roten Liste und gilt damit als im Bestand gefährdet. der Strategie ist als Ziel formuliert, dass die Erzeugung und Da die Arten auch immer für Lebensräume, Ökosysteme und Nutzung erneuerbarer Energien nicht zu Lasten der biologi- deren Beziehungsgefüge stehen, spiegelt das den Zustand schen Vielfalt gehen darf. Zur Erreichung dieses Ziels sollen unserer Landschaften wider. Nach Finck et al. (2017) gelten u. a. kooperative Konzepte und Strategien zur Konfliktver- inzwischen zwei Drittel der in Deutschland vorkommenden meidung/-minderung zwischen Raumansprüchen beim Aus- Biotoptypen als gefährdet. Die Ursachen dafür sind vielfäl- bau erneuerbarer Energien entwickelt und wo möglich Syn- tig. Zu den zentralen Treibern gehört aber der Landnut- ergieeffekte unterstützt werden. Die Naturschutzoffensive zungswandel mit einer Intensivierung der Nutzung, der der Bundesregierung als Handlungsprogramm zur Umset- Zunahme der Stoff- und Energieströme (Dünger, Pestizide u. zung der Biodiversitätsziele bis 2020 zeigt Wege zur Errei- v. m.) sowie die fortschreitende Flächeninanspruchnahme. chung der Ziele auf, z. B. die Suche nach naturverträglichen Standorten über die räumliche Steuerung der EE-Anlagen Auch der Klimawandel spielt hinsichtlich seiner direkten und gleichzeitiges Freihalten von Vorranggebieten für Natur und indirekten Wirkungen auf die biologische Vielfalt eine und Landschaft oder auch die Begrenzung des land- und immer größere Rolle. Für den Arten- und Biotopschutz und forstwirtschaftlichen Anbaus von Energiepflanzen. die Erhaltung unserer Kulturlandschaften ist deshalb auch der Klimaschutz ein zentrales Anliegen. So sind 10 % der Die zunehmende Dezentralität ist eines der wesentlichen Vegetation weltweit hochsensibel gegenüber Klimaverände- Merkmale der Energiewende und bedingt einen tiefgreifenden rungen und von den weltweit bedrohten Pflanzenarten der IUCN-Roten Liste sind fast 1.200 (ca. 4 %) direkt durch den Klimawandel gefährdet (Willis 2017). Der Bericht zum Zustand der Natur in Europa zeigt ebenfalls, dass der Klimawandel zu den Bedrohungen unserer Artenvielfalt gehört (EEA 2015). Mit der Verbesserung der Energieeffizienz und dem Ausbau der erneuerbaren Energien (EE) kann der Energiesektor einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Der Ausbau und die vorrangige Nutzung erneuerbarer Energien sind dabei nicht nur zur Begrenzung des Klimawandels notwendig, sondern auch aufgrund des beschlossenen Ausstiegs aus der Atomenergie. Dieses Ziel ist auch im Bundesnaturschutzge- setz (BNatSchG) festgehalten: „… dem Aufbau einer nachhal- tigen Energieversorgung insbesondere durch zunehmende Nutzung erneuerbarer Energien kommt eine besondere Bedeutung zu“ (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 BNatSchG). Den erneuerbaren Energien wird jedoch keine Sonderrolle zugeschrieben. Offensichtlich birgt der Ausbau der erneuerbaren Energien aber auch Konflikte für Natur und Landschaft. Deutlich wahrnehmbar verändert sich die Kulturlandschaft – der Energiebedarf wird durch den dezentralen Ausbau und die vielfältige Flächeninanspruchnahme in der Landschaft sicht- Abbildung 3: bar. Zudem gehen damit Flächenverluste an Habitaten für er Bau und Betrieb von Windenergieanlagen hat Einfluss auf die D Arten einher und bestimmte Arten und Artengruppen sind Kulturlandschaft und windenergiesensible Tierarten. (Foto: Ulf Hauke) direkt betroffen, da ihre Lebensräume qualitativ verändert 6
Landschaftswandel. Die Energieversorgung durch erneuer- bare Energien benötigt im Vergleich zu zentralen fossilen oder nuklearen Kraftwerken eine Vielzahl kleiner Anlagen. Zusammen mit der teilweise enormen Sichtbarkeit der Anla- gen ergeben sich großräumige Wirkungen. Neben dem qualitativen Schutz der Landschaft nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG steht das quantitative Flächensparziel der Bundesregierung und die Umweltverträglichkeitsprüfung, die „Fläche“ explizit als eines der zu prüfenden Schutzgüter bestimmt (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 UVPG). Bis zum Jahr 2030 soll die tägliche Flächeninanspruchnahme auf nur noch 30 ha pro Tag reduziert werden. Aktuell liegt dieser Wert noch bei etwa 66 ha pro Tag, zum Beispiel durch Versiegelung für Gebäude- und Betriebsfläche oder Verkehrsflächen meist zu Lasten landwirtschaftlicher Fläche. Allerdings ist seit Mitte der 1990er Jahre insgesamt eine deutlich positive Entwick- lung zu beobachten. Zu dem Zeitpunkt lag die Flächenneu- inanspruchnahme für Siedlung und Verkehr noch bei 120 ha/ Tag (UBA 2017). Erneuerbare Energien-Anlagen werden zwar nicht zu der Flächenverbrauchsstatistik hinzugezählt, aller- Abbildung 4: dings werden doch auch durch sie Acker- und Grünlandflä- Der großflächige Anbau von Energiepflanzen wie Mais für den Einsatz chen in Anspruch genommen und teilweise versiegelt. Das in Biogasanlagen trägt zum Verlust der biologischen Vielfalt in der Flächensparziel ist also auch hier anzuwenden. Agrarlandschaft bei. (Foto: Ulf Hauke) Im vorliegenden Energiereport wird das Spannungsverhältnis aus Synergien und Konflikten zwischen Natur- und Klima- schutz näher beleuchtet, es werden basierend auf der aktu- ellen Forschung des BfN Lösungsansätze aufgezeigt. Nicht nen beleuchtet, die über die originären Naturschutzzustän- betrachtet werden die Themenkomplexe Netzausbau und digkeiten hinausgehen, aber trotzdem eine hohe Relevanz Offshore-Windenergie. Dabei werden auch Handlungsoptio- für die Erhaltung von Natur und Landschaft aufweisen. Zusammenfassung Kapitel 1 Zur Erhaltung von biologischer Vielfalt und von Kulturlandschaften ist der Klimaschutz von zentraler Bedeutung. Der Ausbau der erneuerbaren Energien trägt dazu einen wesentlichen Teil bei. Aufgrund des dezentralen Charakters der Energiewende gehen damit allerdings ein grundlegender Landschaftswandel und die Gefahr der Beeinträchtigung von Arten und Lebensräumen einher. ieser Report beleuchtet daher wichtige Diskussionspunkte und weist auf notwendige Ansät- D ze für eine natur- und landschaftsverträgliche Energiewende hin. 7
2 Aktueller Stand und Ausbauziele der erneuerbaren Energien 2.1 Aktuelle Anlagenzahlen und räumliche im Verkehr. Aktuell gibt es etwa 8.700 Biogasanlagen in Deutschland, von denen sich mehr als die Hälfte in Nieder- Verteilung sachsen, Bayern und Baden-Württemberg befinden (Dani- el-Gromke et al. 2017). Die genaue Zahl der Biomasseanlagen Die erneuerbaren Energien sind für die Energiewende in im Wärmebereich ist nicht bekannt – der Bestand umfasst Deutschland von großer Bedeutung. Sie leisten derzeit zur ca. 10 Millionen Einzelraumfeuerungen vor allem für Stück- Stromerzeugung, im Wärmesektor und im Verkehrsbereich holz und in deutlich geringerem Umfang für Holzpellets und zusammen einen Beitrag von etwa 15 % am Endenergiever- knapp 1 Million Biomassekessel (Lenz et al. 2015). Der Ein- brauch (Stand 2017). Die verschiedenen Nutzungspfade wei- satz von Biomasse im Verkehrsbereich erfolgt maßgeblich sen jedoch einen sehr unterschiedlichen Ausbaustand auf. über die Beimischungen zu fossilen Treibstoffen von vor al- Über die Hälfte der erneuerbaren Energien entfielen auf die lem Biodiesel und Bioethanol. Die Verwendung ist somit Stromerzeugung. So stieg bis zum Jahr 2017 der Anteil am über den gesamten Verkehrssektor verteilt. Bruttostromverbrauch bereits auf 36,2 %. Im Wärme- und Kältebereich war der Anteil mit knapp 13 % noch deutlich Die Wasserkraft ist wie auch die Windkraft ebenfalls eine geringer und im Verkehrsbereich sind es aktuell lediglich bereits jahrhundertelang vom Menschen genutzte erneuer- 5,2 %, die aus regenerativen Energiequellen bereitgestellt bare Energiequelle. Wurde diese früher vor allem zum direk- werden (BMWI 2018). Die jeweiligen Anteile der Energieträ- ten Antrieb von Maschinen genutzt, kommt die Wasserkraft ger für den Bereich der erneuerbaren Stromerzeugung sind seit etwas mehr als hundert Jahren bei der Stromerzeugung in Abbildung 5 dargestellt. mittels Turbinen und Generatoren zum Einsatz. Aktuell sind bundesweit etwa 7.300 Wasserkraftanlagen in Betrieb. Die mit Abstand meisten Anlagen befinden sich in den Bundes- ländern Bayern und Baden-Württemberg. Kleinere Mengen Strom aus Wasserkraft werden in Nordrhein-Westfalen, Sach- Windenergie auf See 8 % sen und Hessen erzeugt (Keuneke et al. 2015). Davon werden Photovoltaik 18 % ca. 3.500 Anlagen ohne angepasste ökologische Maßnahmen biogene Festbrennstoffe betrieben. Fast 90 % dieser Anlagen haben eine Leistung von 5% < 100 kW und tragen damit nur in sehr geringem Maße zur biogene flüssige Brenn- Stromerzeugung bei. stoffe 0 % Biogas und Biomethan Auch Photovoltaik leistet mit über 18 % einen relevanten 15 % Beitrag zur erneuerbaren Stromversorgung. Solarstrom wird Klärgas 1 % sowohl durch Anlagen auf Dächern und an Fassaden als Deponiegas 1 % auch durch Photovoltaik-Freiflächenanlagen (PV-FFA), z. B. auf Biogener Anteil des Äckern, Wiesen oder ehemaligen Brachflächen, produziert. Abfalls 3 % Aktuell ist von über 10.500 PV-FFA auszugehen (Thrän et al., Geothermie 0 % unveröffentlicht) (Stand 2016). Wasserkraft 9 % Den mit Abstand größten Anteil an der erneuerbaren Strom- Windenergie an Land 41 % versorgung hat jedoch mit knapp 41 % die Windenergie an Land. Die meisten der insgesamt etwa 28.700 Windenergie- anlagen (Stand 2017) befinden sich in den windreicheren Gebieten Deutschlands in Niedersachsen, Brandenburg, Schles- Abbildung 5: wig-Holstein und Nordrhein-Westfalen (Deutsche Windguard Anteile der erneuerbaren Energieträger an der Stromerzeugung aus 2018) (siehe auch Abbildung 6). EE (Eigene Abbildung nach BMWI 2018) Holzenergie ist die traditionelle erneuerbare Energiequelle der Menschheit. Mittlerweile ist Bioenergie sowohl im Wär- me-, im Strom- als auch im Verkehrssektor relevant. Die je- Abbildung 6: weils größte Bedeutung haben Biogas aus nachwachsenden Räumliche Verteilung von EE-Anlagen in Deutschland, Rohstoffen im Stromsektor, die Holzfeuerung im Wärmebe- Stand 2015 (Thrän et al 2018) reich und Kraftstoffe auf Basis von Pflanzenöl (und Ethanol) 8
km 0 50 100 200 km 0 50 100 200 Anzahl der Windenergieanlagen in den Landkreisen im Jahr 2015 Dichte der Bioenergieanlagen in den Landkreisen im Jahr 2015 0 11-25 51-100 0 4-5 11-20 1-10 26-50 101-160 1-3 6-10 0 21-40 km 0 50 100 200 km 0 50 100 200 Anzahl der Wasserkraftanlagen in den Landkreisen im Jahr 2015 Flächen der Photovoltaik Freiflächenanlagen in den Landkreisen im Jahr 2015 0 11-25 51-100 0 0,3-0,5 1,6-3,0 1-10 26-50 101-160 0,1-0,2 0,6-1,5 3,1-9,0 9
2.2 Landnutzung und Flächeninanspruchnahme Werte. Die Fläche zwischen den WEA kann mit gewissen Einschränkungen jedoch weiterhin anderweitig genutzt wer- durch erneuerbare Energien den. Neben den Anlagenzahlen ist vor allem die Flächeninan- Für die Bewertung aus Sicht des Naturschutzes ist zudem spruchnahme von Bedeutung, um Wirkung und Präsenz im nicht nur von Bedeutung, welche Flächen in Anspruch ge- Raum zu bewerten. Zu betrachten ist dabei nicht nur der nommen werden, sondern auch, welche qualitativen Merk- konkrete Flächenbedarf, sondern auch die Art und Ausstat- male sie aufweisen und in welcher Art die Nutzung erfolgt. tung der in Anspruch genommenen Fläche (Grünland, Wald, Deutlich wird das etwa bei Photovoltaik-Freiflächenanlagen Schutzgebiet, Artvorkommen etc.) und die Empfindlichkeit (PV-FFA). Aufgrund der Vergütungsvorgaben im EEG wurden der betroffenen Schutzgüter gegenüber der Art der Nut- diese verstärkt auf Konversionsflächen und als Randstreifen zung, den Einflüssen der Anlagen und des Anlagenbetriebs. an Infrastrukturanlagen errichtet. Militärische Konversions- flächen bieten allerdings oftmals wertvolle Rückzugsräume Hinzu kommen indirekte Effekte, die z. B. durch Verdrän- für seltene und bedrohte Arten, da diese Flächen in der Re- gung der ursprünglichen Nutzungen in andere Räume entste- gel weniger intensiv genutzt werden und sich somit unge- hen können, v. a. im Bioenergiebereich. Flächennutzungen, störter entwickeln können. Umzäunte PV-FFA können als die zugunsten der Biomasseproduktion eingestellt wurden Barrieren in den Lebensräumen und Wanderkorridoren wir- wie z. B. die Produktion von Nahrungs- und Futtermitteln, ken. In intensiv landwirtschaftlich geprägten Bereichen kön- wurden z. T. verlagert. Die starke Ausweitung der Flächen- nen Anlagenstandorte im Einzelfall jedoch bei extensiver nachfrage führte zudem zu einer deutlichen Steigerung der Bewirtschaftung Lebensräume und Trittsteinbiotope für Bodenwerte und Pachtpreise, was wiederum auch die Ver- Kleinsäuger, Insekten, Vögel und verschiedene Pflanzenar- fügbarkeit von Flächen für die Realisierung von Naturschutz- ten bieten (Reich 2018). anliegen z. B. im Vertragsnaturschutz erschwert. Auch bei der Windenergie ist die Standortqualität entschei- dend für die Bewertung aus Naturschutzsicht. Seit 2011 wer- 2.2.1 Flächeninanspruchnahme durch den Windenergieanlagen zunehmend auch im Wald errich- tet (siehe Abbildung 8). Ende 2017 waren bundesweit bereits erneuerbare Energien etwa 1.850 WEA im Wald in Betrieb (FAW 2018). Aufgrund der notwendigen Infrastruktur wie Zuwegungen, Bereiche Die verschiedenen erneuerbaren Energieträger haben tech- für den Kranstellplatz etc. ist der Flächenbedarf (bzw. die zu nologiebedingt einen sehr unterschiedlichen Flächenbedarf rodende und freizuhaltende Fläche) hier meist größer als im bzw. Energieertrag pro Flächeneinheit. Die Flächeninan- Offenland. Zudem können andere Konflikte mit Aspekten spruchnahme für die Gewinnung, die Verarbeitung und den des Naturschutzes auftreten, als auf Acker- oder Grünland- Transport von Energieträgern bzw. der Energieanlagen in- standorten, da andere Arten und Lebensraumstrukturen in klusive deren Vorketten gestaltet sich daher sehr unter- Anspruch genommen werden. schiedlich. Zur Veranschaulichung zeigt Abbildung 7 den Energieertrag, der jährlich pro m2 bereitgestellt werden Die Wirksamkeit und Wahrnehmbarkeit der verschiedenen kann. Die vereinfachten Beispiele geben einen Eindruck Erneuerbaren Energien-Anlagen im Raum unterscheidet über die unterschiedlichen Flächenbedarfe zur Erzeugung sich grundlegend. Aufgrund der vertikalen Struktur und der gleichen Strommenge. Dabei muss berücksichtigt wer- Energieumwandlung in der Höhe nimmt beispielsweise die den, dass bei der Windenergie die Gesamtfläche eines Wind- Windenergie zwar wenig Fläche direkt in Anspruch, ist aber parks betrachtet wird. So ergeben sich die relativ niedrigen im Raum deutlich stärker wahrnehmbar als bspw. Photovol- 350 Mitteleuropa, Südliche Breiten, 1.100 kWh/m2a 2.200 (2.500) kWh/m2a Jährlicher Energieertrag, kWh/m2a 300 Abbildung 7:
100 90 Abbildung 8: 80 Inanspruchnahme verschiedener 70 Landnutzungsklassen am jährlichen Windenergiezubau (eigene Abbildung Anteil Landnutzung 60 nach Thrän et al., unveröffentlicht) 50 40 sonstige Wald 30 Grünland 20 Ackerland 10 0 1990 1995 2000 2005 2010 2015 in 1.000 Hektar 3.000 Abbildung 9: 2.500 Entwicklung des Anbaus nachwach- sender Rohstoffe in Deutschland Pflanzen für Biogas (FNR 2018, Darstellung verändert) 2.000 1.374.000 ha Pflanzen für Bioethanol 1.500 251.000 ha 1.000 Biodiesel / Pflanzenöl Pflanzen für 500 713.000 ha Festbrennstoffe Industriepflanzen 11.000 ha 300.000 ha 0 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 v 2017 g v=vorläufig, g=geschätzt taik-Freiflächenanlagen. Die Sichtbarkeit der Anlagen vari- Anbau von Pflanzen für Biodiesel (vor allem Raps) und klei- iert stark nach Relief, Lage der Anlage und Witterungsbedin- nere Flächenanteile für die Bioethanolherstellung (Getreide, gungen und kann mehrere Kilometer betragen. Daher ist Zuckerrübe) genutzt. Hinzu kommt der über den Import von auch die Wirkung auf das Schutzgut Landschaft/Landschafts- Biomasse verursachte Flächenbedarf im Ausland. Dieser bild und die landschaftsgebundene Erholung von der Entfer- spielte in den vergangenen Jahren vor allem im Biokraft- nung und den Sichtbeziehungen abhängig. stoffbereich eine große Rolle. Dies betrifft z. B. Raps oder Palmöl. Demnach wurden im Jahr 2016 bspw. 422.000 Ton- Im Gegensatz zu den anderen erneuerbaren Energieträgern nen Palmöl (entspricht einer Anbaufläche von etwa 115.000 sind der Flächenbedarf und die daraus resultierenden Wir- ha) als Kraftstoff in Deutschland verwendet, das schwer- kungen auf die Naturgüter bei der Bioenergie nicht anlagen- punktmäßig aus Malaysia importiert wurde (BLE 2017). bedingt, sondern ergeben sich aus der Biomassebereitstel- lung, insbesondere dem Anbau oder der Entnahme von Holz ist der wesentliche feste Bioenergieträger und wird vor nachwachsenden Rohstoffen. Aus diesem Grund sind Wir- allem zur Wärmebereitstellung genutzt. Die Flächennut- kungen und Herausforderungen sehr eng mit Naturschutz- zung für feste Biomasse ist nur schwer zu beziffern, da unter- zielen im land- und forstwirtschaftlichen Sektor verknüpft. schiedliche Sortimente auf der gleichen Fläche produziert Aktuell werden auf 2,4 Mio. ha Ackerfläche Energiepflanzen werden und der Anteil der im Energiebereich genutzten angebaut. Dies entspricht einem Anteil von etwa 20 % der Holzmengen von einer Vielzahl von Faktoren abhängt. Be- deutschen Ackerfläche. Davon werden über die Hälfte für reits heute übersteigt die Menge des Holzes, die im Energie- den Anbau von Biogassubstraten, knapp ein Drittel für den bereich genutzt wird, aber die der stofflichen Nutzung. 11
2.2.2 Schutzgebiete und erneuerbare Energien nehmen, werden am meisten in Anspruch genommen. Fast 12 % aller Windenergieanlagen stehen in diesem Schutzge- bietstyp. Naturparke werden nur in einigen Bundesländern Die Ausweisung von Schutzgebieten ist ein wichtiges natur- als Rechtsverordnung festgesetzt. Auch die Reichweite ggf. schutzrechtliches Instrument zur Erhaltung der biologischen verankerter Verbotsregime ist unterschiedlich. Zudem sind Vielfalt und von (Kultur-)Landschaften. Allerdings werden sie nicht zu 100 % mit anderen Schutzgebietstypen wie LSG auch Schutzgebiete für den Ausbau erneuerbarer Energien oder NSG untersetzt und unterliegen daher insgesamt häu- genutzt. Ob die Errichtung von EE-Anlagen im Einzelfall fig einem weniger strengen Schutzregime als andere Schutz- möglich ist, hängt ab von der Schutzgebietskategorie und gebiete. dem jeweiligen Schutzzweck und richtet sich nach den ge- setzlichen Bestimmungen des Bundesnaturschutzgesetzes, PV-FFA werden ebenfalls in Schutzgebieten errichtet. Wie den Landesnaturschutzgesetzen sowie den entsprechenden auch bei WEA werden vor allem Naturparke und Land- Schutzgebietsverordnungen. schaftsschutzgebiete genutzt. Insgesamt sind etwa 25 % aller Anlagen bzw. etwa 17 % der gesamten Anlagenfläche in Das Bundesnaturschutzgesetz sieht in den §§ 21 ff. BNatSchG Schutzgebieten zu finden. unterschiedliche Schutzgebietskategorien vor, die sich im Schutzzweck und den Zielmaßgaben unterscheiden. Darü- ber hinaus spielt der europäische Gebietsschutz eine ent- 2.3 Auswirkungen des Ausbaus auf Natur scheidende Rolle. Nach den Vorgaben der FFH- und Vogel- schutzrichtlinie ist ein kohärentes europäisches ökologisches und Landschaft Netz besonderer Schutzgebiete (sog. Natura2000-Gebiete) zu errichten. FFH- und Vogelschutzgebiete unterliegen dem Der Ausbau erneuerbarer Energien und die Erhaltung von strengen Schutzregime der §§ 32 ff. BNatSchG. Maßgebend Natur und Landschaft sind auf vielfältige Weise miteinander sind hier die jeweiligen Erhaltungsziele. verbunden. Die technische Überprägung durch den Bau erneuerbarer Energien-Anlagen auf die Kulturlandschaft Insbesondere Windenergieanlagen können aufgrund ihrer bringt sichtbare Veränderungen der Landschaft mit sich und anlage- und betriebsbedingten Wirkungen erhebliche Aus- weckt die Sensibilität der Bevölkerung für den Landschafts- wirkungen auf Natur und Landschaft haben, wenn sie sich wandel. Zudem hat die Errichtung und Nutzung erneuerba- in Schutzgebieten befinden, u. U. selbst dann, wenn sich der rer Energien vielfältige Auswirkungen auf die Naturgüter Standort außerhalb befindet. Zum Beispiel können sich nach dem Bundesnaturschutzgesetz. Die Zielbestimmungen Auswirkungen auf in einem Gebiet lebende Vogel- oder Fle- des § 1 BNatSchG bezwecken den Schutz der biologischen dermausarten ergeben. Dies erfordert aus Sicht des Natur- Vielfalt, der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Natur- schutzes eine sorgfältige schutzgebietsspezifische Prüfung. haushaltes und der Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie Gegenwärtig befinden sich rund 26 % aller Windenergie- des Erholungswertes von Natur und Landschaft. Die Nutzung anlagen in Deutschland innerhalb von Schutzgebieten. Tabel- der verschiedenen erneuerbaren Energien führt zu spezifi- le 1 führt die Anteile von Windenergieanlagen auf, die sich schen Wirkungen und potenziellen Konflikten mit den Na- in den verschiedenen Schutzgebietstypen befinden. Natur- turgütern. Tabelle 2 zeigt einen Überblick über mögliche parke, die mit etwa 28 % der Landesfläche Deutschlands den Wirkungen, deren Intensität von den technischen und größten Flächenanteil unter allen Schutzgebietstypen ein- standortspezifischen Gegebenheiten abhängig ist. Tabelle 1 (links): Anteile von Windenergie- anlagen in den Schutzge- Schutzgebietstyp Anteil an der Landesfläche Anteil WEA im Schutzgebiet bietskategorien (Eigene Berechnung nach Thrän [%] [%] et al. 2018) Naturschutzgebiet 3,9 0,2 Tabelle 2 (rechts): Landschaftsschutzgebiet 27,9 4,7 Nicht abschließende Zusammenfassung Nationalpark 0,6 0,0 potenzieller Wirkungen und Konflikte von Naturpark 27,9 11,6 EE-Anlagen auf Arten, Biosphärenreservat 3,7 0,04 Habitate und Landschaft (eigene Zusammenstellung Vogelschutzgebiet (SPA) 11,3 2,3 basierend auf Peters et al. 2011 und Schmidt et al. FFH-Gebiet 9,4 7,0 2018) 12
Potenzielle Wirkungen/Konflikte EE-Träger Arten Habitate Landschaft Windenergie an Land · Kollisionsrisiko von · Zerstörung und/oder Beeinträch- · Zerschneiden, Abgrenzen und Vögeln und Fledermäusen tigung von Lebensräumen durch Zergliedern durch die vertikale · Barotrauma durch den Anlagenbau Struktur Verwirbelungen und Druckunter- · Barrierewirkung zwischen Teil- · Veränderung bestehender schiede im Rotorbereich v. a. bei lebensräumen oder bei Migrations- optischer Beziehungen Fledermäusen bewegungen · technische Überprägung der · Störwirkung bzw. Verlust von · Störwirkung in Rast- und Brutge- Landschaft Lebensraum durch Meidever- bieten · Schattenwurf und Discoeffekt halten (z. B. Goldregenpfeiffer, Wiesenweihe) Freiflächen- · Auswirkungen auf einzelne, am · deutliche Veränderung der · technische Überprägung der Photovoltaik- Lichtspektrum orientierte Insek- Standortbedingungen durch die Landschaft besonders in Hangla- anlagen tenarten möglich, da diese die teilweise Abdeckung bis hin zum gen Photovoltaik-Freiflächenanlagen Verlust von Lebensräumen · Bandwirkung bei Anlagen entlang mit Wasserflächen verwechseln · Barrierewirkung und Fragmen- von Infrastruktur tierung von Habitaten durch · ggf. Lichtreflexe und Spiegelun- Einzäunen gen · bei extensiver Nutzung können auch Trittsteinbiotope und Le- bensräume für Kleinsäuger, Vögel, Insekten und Pflanzen entstehen Bioenergie · Bewirtschaftungsabhängig nega- · Verlust von Habitaten und Rück- · Wirkung v. a. durch Energiepflan- tive Wirkungen auf Pflanzen und zugsräumen durch Verdrängung zenanbau und Monotonisierung, Tiere, z.B. Tötung von Bodenbrü- extensiverer Landnutzungen und Fragmentierung der Landschaft tern durch vorgezogene Ernteter- Intensivierung der Flächenbewirt- · Zerschneidung von Sichtachsen mine bei der Getreideganzpflan- schaftung (z.B. Grünlandumbruch durch hochwüchsige Kulturen zernte oder häufige Mahd und Reaktivierung stillgelegter wie Mais oder Kurzumtriebsplan- · Einsatz von Pflanzenschutz und Flächen) tagen Düngemitteln kann vor allem · intensive Waldbewirtschaftung Insekten und die Pflanzenarten- kann z.B. durch die Entnahme von vielfalt schädigen Stammabschnitten oder Baumtei- len zum Verlust von Totholz als Lebensraum führen Wasserkraft · erhöhtes Mortalitätsrisiko für · Defizite bei der Durchgängigkeit · Änderung des Fließgewässercha- Fische an Wasserkraftanlagen für Fische und andere aquatische rakters bis hin zu einer Kette von · Veränderte Zusammensetzung Lebewesen während der Wande- Teichen der aquatischen Fauna und Flora rungsbewegungen infolge von Strömungsverände- · Änderung der Lebensraumbedin- rungen und Sedimentablagerun- gungen und Lebensraumverluste gen aufgrund von Strömungsverände- · z. B. Abnahme flusstypischer, rungen und Sedimentablagerungen strömungsliebender Fischarten · Veränderungen im Sediment- und Zunahme stillwasserlieben- haushalt der Fließgewässer, mit der Arten. der Folge verstärkter Eintiefung · Lockwirkung auf Prädatoren der Gewässersohle insbesondere (Fische/Vögel), die im Unter- bei Stauketten und nachfolgende wasser von WKA auf Beutefische Auswirkungen auf die Grundwas- warten serstände, · Veränderung der Baumzusammen- setzung in Auwäldern 13
Landschaften mit gravierendem Landschaftswandel seit 1996 Abbildung 10: Landschaften mit gravieren- dem Landschaftswandel durch erneuerbare Energien seit 1996 (Schmidt et al. 2016, Abbildung angepasst) Landwirtschaftliche Veränderungen durch erneuerbare Energien sehr hoch hoch Landschaftswandel durch Etablierung von Landschaftswandel durch Landschaftswandel durch Etablierung WEA Anlagen zur energetischen Biomasseerzeugung Etablierung von PV-Anlagen Die Auswirkungen des Ausbaus erneuerbarer Energien wer- der EE nicht nur aus gesellschaftspolitischen Gründen die den jedoch nicht standardisiert erfasst und sind daher in ih- Veränderungen der Landschaften besonders im Blickfeld. rem konkreten Ausmaß in der Gesamtheit nicht bekannt. Die Entwicklung eines Monitoringinstrumentariums, in des- Bezeichnend für die Energiewende ist das außergewöhnlich sen Rahmen über verschiedene Indikatoren und Messgrößen hohe Tempo, mit dem die stark raum- und flächenwirksa- die Auswirkungen der verschiedenen EE-Träger messbar ge- men erneuerbaren Energieträger landschaftlich an Bedeu- macht werden sollen, wird aktuell im Rahmen des F+E-Vor- tung zunehmen. Einige Landschaften in Deutschland sind habens „Naturschutzfachliches Monitoring des Ausbaus der bereits von einem modernen, mit technischen Elementen erneuerbaren Energien im Strombereich und Entwicklung überformten Landschaftsbild geprägt (Schmidt et al. 2011). von Instrumenten zur Verminderung der Beeinträchtigung Solche neuen „Energielandschaften“ werden von der betrof- von Natur und Landschaft“ (FKZ 3515 82 2700) erarbeitet, d. fenen Bevölkerung häufig als Bruch in der landschaftlichen h. welche Messgrößen zu Einflussvariablen sowie zur Darstel- Entwicklung, als Zerstörung der vertrauten Heimat wahrge- lung des daraus resultierenden Zustands von Natur und nommen und mit entsprechender Skepsis belegt. Landschaft erhoben werden könnten bzw. bereits verfügbar sind. Daraus sollen Indikatoren zu Auswirkungen der erneu- Im Bundesvergleich bestehen allerdings erhebliche räumliche erbaren Energien abgeleitet und Monitoringkonzepte zur Unterschiede zwischen den neuen Energielandschaften (sie- standardisierten Datenerhebung entwickelt werden. Es muss he auch Abbildung 10). So ist der Landschaftswandel in Nord- hierbei darauf hingewiesen werden, dass es immer auch zu und Ostdeutschland aufgrund der dortigen Windverhältnis- einer Überlagerung verschiedener Effekte z. B. aus der Forst- se deutlich vom Ausbau der Windenergie geprägt. Zudem oder Landwirtschaft kommen kann, was eine Interpretation werden die Veränderungen mit den immer höher gebauten der Ergebnisse erschwert. Windenergieanlagen auch in weiterer Entfernung sichtbar. Schwerpunkte der energetischen Verwertung von Biomasse liegen hingegen im Nordwesten und im Süden Deutsch- 2.3.1 Landschaft und erneuerbare Energien lands. Sie zeigen eine Überschneidung zu Regionen mit ei- ner hohen Dichte an Viehhaltung. Die Photovoltaiknutzung Landschaften unterliegen seit jeher Veränderungen, u. a. auch dominiert landschaftlich vor allem in Südwestdeutschland. durch verschiedene Formen der Energiegewinnung. Rele- Dabei ist in dieser Region die Dichte an Dachflächenphoto- vant ist dabei die Geschwindigkeit, mit der landschaftliche voltaikanlagen besonders hoch, während in Ostdeutschland Veränderungen stattfinden. Schreiten sie schleichend voran, eher Freiflächenanlagen installiert sind (Schmidt et al. 2018). bleiben sie längere Zeit oft sogar unbemerkt. In den letzten beiden Jahrzehnten haben insbesondere die Auswirkungen In der Planung und Genehmigung von EE-Anlagen werden der Energiewende jedoch für einen deutlich sichtbaren Belange der Schutzgüter Landschaft und Landschaftsbild ak- Wandel in der Landschaft gesorgt. Nach § 1 Abs. 3 BNatSchG tuell nur unzureichend integriert. Eine qualifizierte Ausein- ist Ziel des Naturschutzes aber u. a. die dauerhafte Sicherung andersetzung mit der Gestaltung der Kulturlandschaft und der Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie des Erholungswerts des Landschaftsbilds z. B. im Rahmen der Landschaftsplanung von Natur und Landschaft. Diese Zielbestimmung wird in § 1 ist jedoch besonders für die Akzeptanz des weiteren Ausbaus Abs. 4 BNatSchG weiter konkretisiert. Daher sind beim Ausbau von großer Bedeutung. 14
Abbildung 11: Technische Überprägung des Landschafts- und historischen Ortsbildes durch die Dominanz der Windenergieanlagen (Foto: Ulf Hauke) 2.3.2 Artenschutz und erneuerbare Energien ralen Konfliktpotenziale sind in Tabelle 2 zusammengefasst. Errichtung und Betrieb von Windenergieanlagen können Ein Ziel des Naturschutzes ist es, „wild lebende Tiere und Pflan- neben der Flächeninanspruchnahme und der damit verbun- zen, ihre Lebensgemeinschaften sowie ihre Biotope und Le- denen Lebensraumveränderung insbesondere zu Konflikten bensstätten auch im Hinblick auf ihre jeweiligen Funktionen mit Fledermäusen und einigen Vogelarten führen. Vor allem im Naturhaushalt zu erhalten“ (§ 1 Abs. 3 Nr. 5 BNatSchG). die Kollisionsgefährdung an den Anlagen sowie mögliche Stör- oder Scheuchwirkungen sind artenschutzrechtlich rele- Je nach verwendeter Technologie sind Naturgüter von der Bau- vant. Hinweise auf die Betroffenheit der unterschiedlichen tätigkeit, der Flächeninanspruchnahme dem Betrieb der An- Arten und Artengruppen gibt die Zentrale Fundkartei der lage oder in einigen Fällen von Barrierewirkungen betroffen, Vogelschutzwarte Brandenburg, die Kollisionsopferfunde die zu Störungen und/oder zum Verlust von (Teil-)Lebensräu- von Vögeln und Fledermäusen auflistet (Dürr 2018 und Dürr men und geschützten Arten führen. Grundlage für die Bewer- 2018a). An Wasserkraftanlagen kann es ebenfalls zu einer tung und Bewältigung von Konflikten sind die artenschutz- erheblichen Todesrate für Fische kommen, wenn der einzige rechtlichen Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes. Korridor für abwandernde Arten in der Passage der Turbi- Besondere Relevanz haben die Vorschriften des besonderen nen besteht oder Fische aufgrund fehlender Aufstiegsmög- Artenschutzes der §§ 44 ff. BNatSchG. § 44 Abs. 1 BNatSchG lichkeiten in eine Sackgassensituation geraten. normiert Zugriffsverbote zugunsten der wild lebenden Tiere der besonders und streng geschützten Arten. Gemäß § 44 Bei der Errichtung von Photovoltaik-Freiflächenanlagen sowie Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ist es u. a. verboten, wild lebenden bei der Bioenergienutzung sind mögliche Habitatverände- Tieren der besonders geschützten Arten (vgl. § 7 Abs. 2 Nr. 13 rungen von besonderer Relevanz. PV-FFA führen durch die BNatSchG) zu verletzen oder zu töten. Es ist auch untersagt, wild teilweise Abdeckung des Bodens zu deutlich veränderten lebende Tiere der streng geschützten Arten (§ 7 Abs. 2 Nr. 14 Standortverhältnissen, was je nach Ausgangssituation sowie BNatSchG) und europäischen Vogelarten während der Fort- des Flächenmanagements aus Naturschutzsicht positiv oder pflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wande- negativ sein kann. Im Fall der Bioenergienutzung ist die rungszeiten erheblich zu stören (§ 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG). durch eine steigende Biomassenachfrage ausgelöste Land- Bei nach § 15 Abs. 1 BNatSchG unvermeidbaren Beeinträchti- nutzungsänderung für die Bewertung entscheidend. Alles in gungen liegt nach Maßgabe des § 44 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 BNatSchG allem ging diese mit einer Nutzungsintensivierung einher, v. a. ein Verstoß gegen das Tötungs- und Verletzungsverbot auch im landwirtschaftlichen Bereich. bei streng geschützten Arten nicht vor, wenn die Beeinträch- tigung durch den Eingriff oder das Vorhaben das Tötungs- Die Ausweitung der Anbauflächen für die Biomasseprodukti- und Verletzungsrisiko für Exemplare der betroffenen Arten on fand demnach vielfach auf Flächen statt, die vorher ex- nicht signifikant erhöht und diese Beeinträchtigung bei An- tensiver bewirtschaftet worden waren und einen höheren wendung der gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaß- Wert als Lebensräume hatten. Auch der unzureichende nahmen nicht vermieden werden kann. Schutz wertvoller Grünländer führte in den Jahren des Bio- massebooms dazu, dass viele Gärsubstrat anbauende Betrie- Die Wirkungen auf Arten und Lebensräume sind bei den be Grünlandflächen in Ackerflächen umwandelten (Laggner erneuerbaren Energieträgern sehr unterschiedlich. Die zent- et al. 2014). 15
Abbildung 12: Abbildung 13: Eine Umzäunung von PV-FFA führt zu Barrieren in der Landschaft. Rotmilane kollidieren immer wieder mit Windenergieanlagen. (Foto: Ulf Hauke) (Foto: Nora Köcher) Von Bedeutung ist zudem die Steigerung des Anfalls organi- dings gestaltet sich die Zustimmung zur Energiewende sehr scher Dünger in Regionen, in denen dieser nicht optimal unterschiedlich, wenn man die verschiedenen gesellschaftli- verwertet werden kann. Demnach ist davon auszugehen, chen Milieus betrachtet: Sie schwankt hier zwischen 79 % dass die hohe Konzentration der Gärsubstratproduktion in (bei den „Liberal-Intellektuellen“) und nur 48 % (bei den soge- Regionen mit ohnehin intensivem Anfall von Wirtschafts- nannten „Hedonisten“). düngern auch die Stickstoffproblematik deutlich verschärft hat. Diese Überlegungen verdeutlichen die Relevanz der ho- Die kritische Haltung gegenüber der Energiewende liegt oft hen Flächeninanspruchnahme für Bioenergie bzw. deren in der Landschaftsveränderung begründet, die als direkte Effekt auf die Landnutzung. Auswirkung von der Gesellschaft besonders stark wahrge- nommen wird. Vor allem Windenergieanlagen stehen durch ihre vertikale Dominanz und Wirkung auf Natur und Land- 2.4 Gesellschaftliche Aspekte des Ausbaus schaft im Fokus der Debatte. Eine Untersuchung von 270 Bürgerinitiativen kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass der erneuerbarer Energien Schutz von Landschaft und Heimat als zentrales Argument gegen Windenergie ins Feld geführt wird (Abbildung 16) Die bisherigen Veränderungen stellen den Ausbauszenarien (Schmidt et al. 2018). zufolge nur einen Anfang des Transformationsprozesses dar, der mit dem künftigen Ausbau der erneuerbaren Energien noch weiter voranschreiten wird. Der Mensch als Teil der 2.5 Ausblick auf die weitere Entwicklung Natur wird unter anderem durch die visuelle Beeinträchti- gung des Landschaftsbildes betroffen. Neben dem aktuellen Stand zum Ausbau der erneuerbaren Zudem ist auch der gesellschaftliche Rückhalt zum Schutz Energien ist es auch von Bedeutung, die zukünftigen Ent- der biologischen Vielfalt mit über 70 % sehr hoch (BfN 2018). wicklungen zu betrachten. So können mögliche Auswirkun- Es besteht also dringender Handlungsbedarf, sich weiterhin gen auf Natur und Landschaft abgeschätzt werden und mit den Folgewirkungen der Energiewende auf Natur und Maßnahmen zur verträglicheren Ausgestaltung getroffen Landschaft auseinanderzusetzen und einen ständigen gesell- werden. schaftlichen Diskurs um die damit einhergehenden Verände- rungen zu führen. Dies ist auch vor dem Hintergrund der Die Klimaschutz- und EE-Ausbauziele der Bundesregierung gesellschaftlichen Akzeptanz von Bedeutung. Abbildung 14 sehen eine weitgehende Treibhausgasneutralität bis 2050 zeigt im Zeitvergleich, dass mit Stand 2017 61 % der Befrag- bzw. eine Einsparung von 80 bis 95 % der Treibhausgase ten eine überwiegende Versorgung aus erneuerbaren Ener- gegenüber 1990 vor. 80 % des Stroms bzw. 60 % des Brut- gien für richtig halten (BfN 2018). Dieser Wert ist mit gerin- toendenergieverbrauchs ist dann aus EE bereitzustellen gen Schwankungen seit der ersten Erfassung im Jahr 2011 (BMUB 2016). Um diese Ziele zu erreichen, will die Bundesre- auf einem weitgehend konstanten Niveau geblieben. Aller- gierung durch Erhöhung der Energieeffizienz und Einspa- 16
Halten Sie die Energiewende – hin zu einer überwiegenden Versorgung aus erneuerbaren Energien – für richtig? Abbildung 14: 2017 61 30 7 2 ja Zustimmung zur Energiewende im Zeit- vergleich (BMU & BfN 2018) 2015 61 29 7 3 unentschieden 2013 56 30 10 4 nein 2011 63 26 6 5 weiß nicht/keine Angabe 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Halten Sie die Energiewende – hin zu einer überwiegenden Versorgung aus erneuerbaren Energien – für richtig? Antwortkategorie: ja Abbildung 15: Oberschicht/Obere Zustimmung zur Energiewende Mittelschicht Liberal- nach sozialen Milieus (Sinus-Modell) Intellektuelle 79 % Performer (BMU & BfN 2018) Konservativ- 63 % Etablierte Expeditive 69 % Sozialökologische 70 % Mittelschicht 74 % stark überrepräsentiert Mittlere Adaptiv- überrepräsentiert Pragmatische 65 % unterrepräsentiert Bürgerliche Mitte 60 % stark unterrepräsentiert Traditionelle Untere Mittelschicht/ 52 % durchschnittlich Unterschicht Hedonisten 48 % Soziale Lage Prekäre 53 % Durchschnitt = 61% Grundorientierung Festhalten Bewahren Haben & Genießen Sein & Verändern Machen & Erleben Grenzen überwinden Tradition Modernisierung/Individualisierung Neuorientierung Naturschutz Abbildung 16: Zentrale Argumente von Bürgerinitiativen Landschaft & Heimat gegen Windenergie (Kühne et al. in Schmidt et al. 2018) Gesundheit ökonomische Gründe 0 20 40 60 80 100 [%] rungen den Energiebedarf bis 2050 halbieren (CDU, CSU In den Langfristszenarien (BMWI 2017) werden diese Vorga- und SPD 2018). Dafür soll der Stromverbrauch gegenüber ben in verschiedenen Szenarien durchgespielt. Dabei wird 2008 bis 2050 um 25 % reduziert werden. Die jährliche Sa- deutlich, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien eine nierungsrate für Gebäude ist von derzeit 1 % auf 2 % zu zentrale Säule bei der Dekarbonisierung der Stromerzeu- verdoppeln und der Endenergieverbrauch im Verkehrsbe- gung ist. Windenergie an Land stellt dabei die wichtigste reich soll bis 2050 um 40 % gegenüber 2005 zurückgehen erneuerbare Quelle dar. Der vorrangige Ausbau im Norden (Bundesregierung 2010). Deutschlands ist dabei aus wirtschaftlicher Sicht günstiger 17
als eine lastnahe Verteilung der WEA. Grundsätzlich wird wird vorangehen. Dazu zählen bspw. Schwachwindanla- Strom eine deutlich größere Rolle spielen als heute. Die er- gen (i. d. Regel höher und nutzen bereits geringere Wind- neuerbare Energieversorgung in den Bereichen Wärme und geschwindigkeiten), aber auch deutlich niedrigere Anla- Verkehr wird ebenfalls zu großen Teilen strombasiert sein. gen mit großen Rotorblättern für windreiche Gegenden. Zusätzlich ist Effizienz von großer Bedeutung, um die Klima- • Der Bau von PV-FFA wird weiter zunehmen, da diese aus ziele zu erreichen und die knappen EE-Ressourcen nicht zu wirtschaftlicher Sicht in der Regel günstiger sind als Auf- verschwenden. Teilweise ermöglicht ein Effizienzgewinn auch dachanlagen. Auch die Moduldichte pro Hektar und damit erst die Umstellung auf Strom und die Verdrängung von fos- die Abdeckung der Fläche wird weiter steigen. Auch So- silen Brennstoffen (BMWI 2017). larthermieanlagen werden zunehmend auf der freien Flä- che gebaut, z. B. für die Wärmeversorgung von Neubauge- Die Flächeninanspruchnahme durch EE wird deutlich zuneh- bieten. men. Folgende flächenrelevante Trends – die immer auch • Die Konkurrenz um nachwachsende Rohstoffe wird zu- mit (neuen) Auswirkungen auf Natur und Landschaft einher- künftig vermutlich weiter zunehmen, da diese auch für gehen, sind aktuell bereits zu beobachten: die stoffliche Nutzung verstärkt nachgefragt werden. • Der zukünftige Ausbau wird sich vor allem auf die Winde- • Der Bau von EE-Anlagen in naturnahen Räumen wird vor- nergie und Photovoltaik fokussieren, da einige der wichti- aussichtlich weiter zunehmen. So wird es deutlich mehr gen Technologiepfade (Biomasse und Wasserkraft) eine Windenergieanlagen im Wald geben und auch der Druck, naturverträgliche Grenze bereits erreicht haben. Anlagen in / am Rande von Schutzgebieten zu errichten, wird sich noch erhöhen. Eine Ursache dafür liegt auch in Die beschriebenen Ausbauziele und aktuellen Trends geben dem Trend, Anlagen immer weiter von der Wohnbebau- einen Ausblick auf die weitere Energiewende und ihre hohe ung weg zu bauen. Relevanz für landschaftliche Veränderungen und zeigen da- • Die Entwicklung der Windenergieanlagen für das Repow- mit auch den Handlungsbedarf für eine naturverträgliche ering von Anlagen und spezifische Standortbedingungen Ausgestaltung der Energiewende auf. Zusammenfassung Kapitel 2 Erneuerbare Energien leisten einen zunehmenden Anteil an der Energieversorgung in Deutschland, insbesondere an der Stromversorgung. Aufgrund ihres dezentralen Charakters sind damit eine erhebliche Flächeninanspruchnahme und Veränderung des Landschaftsbil- des verbunden. Zudem kann es zu erheblichen Auswirkungen auf die Arten und Lebensräume kommen. Die bisher erfolgten Veränderungen der Landschaft stellen dabei nur den Anfang eines tief- greifenden Wandels dar. Denn um die bis 2030 bzw. 2050 gesetzten Ausbauziele zu errei- chen, wird ein beschleunigter Ausbau der EE stattfinden müssen. Dies wird die bisher kons- tatierten Auswirkungen auf Arten und die Flächeninanspruchnahme weiter verstärken. Ebenso wird die Sichtbarkeit der Energieerzeugung in der Landschaft weiter erhöht und der Landschaftswandel hin zu Energielandschaften vorangetrieben. Trotzdem ist der gesellschaftliche Rückhalt zur Energiewende nach wie vor groß. Um diese Akzeptanz zu erhalten, muss der Aspekt „Landschaft“ stärker als Schutzgut in die Planung und Genehmigung von EE-Anlagen einbezogen werden. 18
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